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Judgment of the Court (First Chamber) of 14 October 2004.#Commission of the European Communities v Kingdom of the Netherlands.#Failure of a Member State to fulfil obligations - Articles 43 EC and 48 EC - National measures requiring as a condition for being able to register a ship in the Netherlands that the shareholders, directors and natural persons responsible for the day-to-day management of the Community company owning the ship have Community or EEA nationality - National measures requiring that the director of a shipping company be of Community or EEA nationality or have a Community or EEA residence.#Case C-299/02.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 14. Oktober 2004. Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande. Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 43 EG und 48 EG - Nationale Maßnahmen, die die Registrierung eines Schiffes in den Niederlanden von der Voraussetzung abhängig machen, dass Anteilsinhaber, Geschäftsführer und natürliche Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung einer Gesellschaft der Gemeinschaft betraut sind, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit besitzen - Nationale Maßnahmen, wonach der Geschäftsführer einer Reedereigesellschaft die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit und einen Gemeinschafts- oder EWR-Wohnsitz besitzen muss. Rechtssache C-299/02.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 14. Oktober 2004. Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande. Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 43 EG und 48 EG - Nationale Maßnahmen, die die Registrierung eines Schiffes in den Niederlanden von der Voraussetzung abhängig machen, dass Anteilsinhaber, Geschäftsführer und natürliche Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung einer Gesellschaft der Gemeinschaft betraut sind, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit besitzen - Nationale Maßnahmen, wonach der Geschäftsführer einer Reedereigesellschaft die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit und einen Gemeinschafts- oder EWR-Wohnsitz besitzen muss. Rechtssache C-299/02.
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Artikel 43 EG und 48 EG – Nationale Maßnahmen, die die Registrierung eines Schiffes in den Niederlanden von der Voraussetzung abhängig machen, dass
Anteilsinhaber, Geschäftsführer und natürliche Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung einer Gesellschaft der Gemeinschaft
betraut sind, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Gemeinschafts- oder EWR‑Angehörigkeit besitzen – Nationale Maßnahmen, wonach der Geschäftsführer einer Reedereigesellschaft die Gemeinschafts- oder EWR‑Angehörigkeit und
einen Gemeinschafts- oder EWR‑Wohnsitz besitzen muss“
Leitsätze des Urteils
1. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Registrierung von Schiffen in einem Mitgliedstaat – Voraussetzungen in Bezug auf
die Staatsangehörigkeit der Anteilseigner und der Geschäftsführer von Gesellschaften, die Eigentümer eines Schiffes sind,
und/oder der örtlichen Vertreter der Eigner – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Ausübung einer wirksamen Kontrolle und Hoheitsgewalt
– Kein Rechtfertigungsgrund
(Artikel 43 EG und 48 EG)
2. Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Betrieb von Schiffen – Voraussetzungen in Bezug auf die Staatsangehörigkeit und den
Wohnsitz der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Ausübung einer wirksamen Kontrolle
und Hoheitsgewalt – Kein Rechtfertigungsgrund
(Artikel 43 EG und 48 EG)
1. Ein Mitgliedstaat, der Rechtsvorschriften erlässt und beibehält, in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind in Bezug
auf die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums der Anteilseigner und der
Geschäftsführer von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind, welches sie in diesem Mitgliedstaat registrieren
lassen wollen, sowie der natürlichen Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung der Niederlassung betraut sind, von
der aus in dem betreffenden Mitgliedstaat das für diese Registrierung erforderliche Seeschifffahrtsgewerbe ausgeübt wird,
verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 48 EG, da eine solche Regelung über die Registrierung von
Schiffen eine die Niederlassungsfreiheit ihrer Eigentümer beschränkende Wirkung hat.
Die Eignergesellschaften, die die vorgenannten Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit nicht erfüllen, können nämlich die
Registrierung nur dann erwirken, wenn sie die Struktur ihres Gesellschaftskapitals oder ihrer Verwaltungsorgane entsprechend
ändern. Die Eigentümer der Schiffe müssen auch ihre Einstellungspolitik so anpassen, dass sich unter den örtlichen Vertretern
keine nicht aus der Gemeinschaft oder dem Europäischen Wirtschaftsraum stammenden Staatsangehörigen befinden.
Mangels einer für die gesamte Gemeinschaft geltenden Harmonisierungsvorschrift kann im Übrigen eine einseitig eingeführte
Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums genau wie eine
Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines spezifischen Mitgliedstaats ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit bilden.
Eine solche Beschränkung lässt sich nicht mit der Notwendigkeit der Ausübung einer wirksamen Kontrolle und Hoheitsgewalt über
die die Flagge des betreffenden Mitgliedstaats führenden Schiffe rechtfertigen.
(vgl. Randnrn. 19-21, 39, Tenor)
2. Ein Mitgliedstaat, der Rechtsvorschriften erlässt und beibehält, in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind in Bezug
auf die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums und den Wohnsitz der Geschäftsführer
von Reedereigesellschaften für in diesem Mitgliedstaat registrierte Seeschiffe in einem dieser Mitgliedstaaten, verstößt gegen
seine Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 48 EG, da eine solche Regelung über den Betrieb von Schiffen eine die Niederlassungsfreiheit
der Eigentümer dieser Schiffe beschränkende Wirkung hat.
Durch sie werden nämlich die Gemeinschaftsangehörigen, die in Form einer Reedereigesellschaft mit einem Geschäftsführer tätig
werden wollen, der Drittlandsangehöriger ist oder in einem Drittland wohnt, daran gehindert, dies zu tun.
Eine solche Beschränkung lässt sich nicht mit der Notwendigkeit der Ausübung einer wirksamen Kontrolle und Hoheitsgewalt über
die die Flagge des betreffenden Mitgliedstaats führenden Schiffe rechtfertigen.
(vgl. Randnrn. 32-33, 39, Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer) 14. Oktober 2004(1)
In der Rechtssache C-299/02betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,eingereicht am 23. August 2002,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. H. I. Simonsson und H. M. H. Speyart als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich der Niederlande, vertreten durch H. G. Sevenster und S. Terstal als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie des Richters A. Rosas und der Richterin R. Silva de Lapuerta,
Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Mai 2004,
folgendes
Urteil
1
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beantragt mit ihrer Klageschrift, festzustellen, dass das Königreich der Niederlande
dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 48 EG verstoßen hat, dass es Artikel 311 des Wetboek van Koophandel
(Handelsgesetzbuch) und Artikel 8:169 des Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch) erlassen und in seinem Recht beibehalten
hat, in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind in Bezug auf
–
die Staatsangehörigkeit der Anteilseigner und der Geschäftsführer von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind,
welches sie in den Niederlanden registrieren lassen wollen, und
–
die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften für in den Niederlanden registrierte
Seeschiffe und der natürlichen Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung der Niederlassung betraut sind, von der aus
in den Niederlanden das für die Registrierung eines Schiffes in den niederländischen Registern erforderliche Seeschifffahrtsgewerbe
ausgeübt wird.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
2
Artikel 91 Absatz 1 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982, dem die Gemeinschaft mit dem
Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Montego Bay) beigetreten
ist, bestimmt, dass „[j]eder Staat … die Bedingungen fest[legt], zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, sie
in seinem Hoheitsgebiet in das Schiffsregister einträgt und ihnen das Recht einräumt, seine Flagge zu führen. … Zwischen dem
Staat und dem Schiff muss eine echte Verbindung bestehen.“
3
Artikel 94 des Übereinkommens von Montego Bay sieht in Absatz 1 vor, dass „[j]eder Staat … seine Hoheitsgewalt und Kontrolle
in verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten über die seine Flagge führenden Schiffe wirksam aus[übt]“,
und führt in den folgenden Absätzen eine Reihe von Maßnahmen auf, die der Flaggenstaat hierfür zu ergreifen hat.
Nationales Recht
4
Artikel 311 Absätze 1 und 3 des Wetboek van Koophandel hat folgenden Wortlaut:
„1. Ein Schiff besitzt die niederländische Staatszugehörigkeit, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
a)
Das Schiff gehört zu mindestens zwei Dritteln einer oder mehreren natürlichen Personen oder Gesellschaften, die die Staatsangehörigkeit
eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften [im Folgenden: Gemeinschaftsangehörigkeit] oder eines anderen Vertragsstaats
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum [im Folgenden: EWR-Angehörigkeit] besitzen;
b)
die unter Buchstabe a bezeichnete Person oder bezeichneten Personen übt oder üben das Seeschifffahrtsgewerbe in den Niederlanden
durch ein Unternehmen aus, das in den Niederlanden seinen Sitz hat oder dort über eine Zweitniederlassung verfügt, … und gewährleistet
oder gewährleisten den Betrieb des Schiffes in erster Linie von den Niederlanden aus;
c)
die Führung der laufenden Geschäfte der unter Buchstabe b bezeichneten Niederlassung wird von einer oder mehreren natürlichen
Personen sichergestellt, die die [Gemeinschafts-] oder [EWR-]Angehörigkeit besitzt oder besitzen;
d)
die unter Buchstabe c bezeichnete Person oder bezeichneten Personen verfügt oder verfügen über Vertretungsbefugnisse in allen
Fragen, die mit dem Betrieb des Schiffes in Zusammenhang stehen und das Schiff, seinen Kapitän und die übrigen Mitglieder
der Besatzung betreffen.
…
3.
Als juristische Person, die die [Gemeinschafts-] oder [EWR‑]Angehörigkeit besitzt, im Sinne dieses Artikels gilt eine juristische
Person, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaats
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ... gegründet ist und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung
oder ihre Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaats
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, sofern
a)
Anteilsscheine, die mindestens zwei Drittel des gezeichneten Kapitals ausmachen, auf den Namen von natürlichen Personen, die
die [Gemeinschafts‑] oder [EWR‑]Angehörigkeit besitzen, oder von juristischen Personen im eingangs dieses Absatzes bezeichneten
Sinn lauten, und die Mehrheit der Geschäftsführer die [Gemeinschafts-] oder [EWR‑]Angehörigkeit besitzen oder sofern
b)
sämtliche Geschäftsführer die [Gemeinschafts-] oder [EWR‑]Angehörigkeit besitzen.“
5
Nach Artikel 8:160 des Burgerlijk Wetboek (BW) handelt es sich bei einer Reedereigesellschaft um eine spezifische Form des
gemeinschaftlichen Eigentums an einem Schiff, die es natürlichen Personen ermöglicht, ohne Einschaltung einer juristischen
Person Miteigentümer eines Schiffes zu sein.
6
Artikel 8:163 BW bestimmt, dass „in jeder Reedereigesellschaft ein Buchführer [Geschäftsführer] angestellt werden [kann]“.
7
Artikel 8:169 Absatz 1 BW sieht vor, dass „das Amt des Buchführers [Geschäftsführers] endet, wenn … er nicht mehr die [Gemeinschafts‑]
oder [EWR‑]Angehörigkeit besitzt oder wenn er seinen Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats der Europäischen
Gemeinschaften oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum begründet“.
Vorprozessuales Verfahren
8
Nachdem die Kommission dem Königreich der Niederlande Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, richtete sie am 27. Januar 2000
an dieses eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ausführte, dass ihr einige Aspekte der nationalen Regelung
über die Registrierung und den Betrieb von Seeschiffen mit Artikel 43 EG in Verbindung mit Artikel 48 EG unvereinbar erschienen.
Sie forderte diesen Mitgliedstaat daher auf, seinen Verpflichtungen aus dem EG‑Vertrag binnen zwei Monaten nach Zustellung
dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen. Da die Antwort, die die niederländischen Behörden mit Schreiben
vom 8. Mai 2000 gaben, die Kommission nicht zufrieden stellte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
9
Die Kommission stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Rügen, die die vom Königreich der Niederlande aufgestellten Voraussetzungen
für die Registrierung eines Schiffes in diesem Mitgliedstaat betreffen (im Folgenden: streitige Regelung über die Registrierung
von Schiffen). Als unvereinbar mit Artikel 43 EG wird gerügt, dass
–
ein Teil der Anteilseigner einer Gesellschaft der Gemeinschaft, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Gemeinschafts- oder
EWR-Angehörigkeit besitzen müssen;
–
die Geschäftsführer einer Gesellschaft der Gemeinschaft, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Gemeinschafts- oder EWR‑Angehörigkeit
besitzen müssen und/oder
–
die natürlichen Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung der niederländischen Niederlassung eines Gemeinschaftseigentümers
des Schiffes betraut seien (im Folgenden: örtliche Vertreter), die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit besitzen müssen.
10
Außerdem trägt die Kommission zwei Rügen vor in Bezug auf die vom Königreich der Niederlande verlangten Voraussetzungen für
den Betrieb von Schiffen durch eine Reedereigesellschaft (im Folgenden: streitige Regelung über den Betrieb von Schiffen).
Als unvereinbar mit Artikel 43 EG wird gerügt, dass
–
der Geschäftsführer einer Reedereigesellschaft die Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit besitzen muss und
–
der Geschäftsführer einer Reedereigesellschaft über einen Wohnsitz in der Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum
verfügen muss.
Zu den ersten drei Rügen Vorbringen der Parteien
11
Nach Ansicht der Kommission stellt die streitige Regelung über die Registrierung von Schiffen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
dar.
12
Im Übrigen wäre diese Regelung, selbst wenn sie durch Gründe des Allgemeininteresses an der Ausübung einer wirksamen Kontrolle
gerechtfertigt werden könnte, gemessen am verfolgten Ziel als unverhältnismäßig anzusehen.
13
Die niederländische Regierung trägt vor, dass die streitige Regelung über die Registrierung von Schiffen die Niederlassungsfreiheit
nicht beschränke.
14
Außerdem wäre diese Regelung, selbst wenn sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit enthalten sollte, durch Gründe
des Allgemeininteresses in Bezug auf die Notwendigkeit der Ausübung wirksamer Kontrolle und Hoheitsgewalt über die die niederländische
Flagge führenden Schiffe gerechtfertigt.
Würdigung durch den Gerichtshof
15
Nach ständiger Rechtsprechung steht Artikel 43 EG jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen
der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit
durch die Gemeinschaftsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März
1993 in der Rechtssache C‑19/92, Kraus, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32).
16
Aus Artikel 48 EG geht hervor, dass das Recht auf freie Niederlassung nicht nur den Bürgern, die Angehörige der Gemeinschaft
sind, gewährleistet wird, sondern auch den nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen
Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom
27. September 1988 in der Rechtssache 81/87, Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483, vom 9. März 1999 in der Rechtssache
C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459, Randnr. 18, und vom 5. November 2002 in der Rechtssache C-208/00, Überseering, Slg.
2002, I-9919, Randnr. 56).
17
In Ermangelung gemeinschaftlicher Harmonisierungsmaßnahmen kann die Niederlassungsfreiheit allerdings durch nationale Regelungen
beschränkt werden, die aus den in Artikel 46 Absatz 1 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses
gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 1977 in der Rechtssache 71/76, Thieffry, Slg. 1977, 765, Randnrn.
12 und 15, und Kraus, Randnr. 32).
18
In diesem Zusammenhang ist es Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Schutz der in Artikel
46 Absatz 1 EG genannten Ziele und der Ziele des Allgemeininteresses sicherstellen wollen und wie dieses Niveau erreicht werden
soll. Sie können dies jedoch nur in dem vom Vertrag vorgegebenen Rahmen und insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit tun, wonach die erlassenen Maßnahmen geeignet sein müssen, die Verwirklichung des verfolgten Zieles zu
gewährleisten, und nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne
Urteile vom 20. Mai 1992 in der Rechtssache C‑106/91, Ramrath, Slg. 1992, I‑3351, Randnrn. 29 und 30, und Kraus, Randnr. 32).
19
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die streitige Regelung über die Registrierung von Schiffen eine die Niederlassungsfreiheit
der Eigentümer dieser Schiffe beschränkende Wirkung hat. Wenn nämlich die Eignergesellschaften, die ihre Schiffe in den Niederlanden
registrieren lassen wollen, die streitigen Voraussetzungen nicht erfüllen, können sie die Registrierung nur dann erwirken,
wenn sie die Struktur ihres Gesellschaftskapitals oder ihrer Verwaltungsorgane entsprechend ändern; solche Änderungen können
tiefgreifende Umwälzungen innerhalb einer Gesellschaft mit sich bringen und die Erfüllung zahlreicher Formalitäten erfordern,
die nicht ohne finanzielle Folgen sind. Die Eigentümer der Schiffe müssen auch ihre Einstellungspolitik so anpassen, dass
sich unter den örtlichen Vertretern keine nicht aus der Gemeinschaft oder dem EWR stammenden Staatsangehörigen befinden.
20
In dieser Hinsicht ist dem Vorbringen der niederländischen Regierung, dass eine Voraussetzung der Gemeinschafts- oder EWR‑Angehörigkeit,
anders als eine an die Angehörigkeit eines spezifischen Mitgliedstaats geknüpfte Voraussetzung, keine „Beschränkung“ im Sinne
des Artikels 43 EG darstellen könne, nicht zu folgen. Mangels einer für die gesamte Gemeinschaft geltenden Harmonisierungsvorschrift
kann nämlich eine Voraussetzung der Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit genau wie eine Voraussetzung der Staatsangehörigkeit
eines spezifischen Mitgliedstaats ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit bilden.
21
Eine Beschränkung wie die hier streitige lässt sich nicht mit der Notwendigkeit der Ausübung einer wirksamen Kontrolle und
Hoheitsgewalt über die die Flagge der Niederlande führenden Schiffe rechtfertigen. Die niederländische Regelung über die Registrierung
von Schiffen ist nicht dazu geeignet, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten, und geht über das hinaus, was erforderlich
ist, um diese zu erreichen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wie die Struktur des Gesellschaftskapitals oder der Verwaltungsorgane
der Gesellschaften, die Eigentümer des Schiffes sind, oder auch die Staatsangehörigkeit des örtlichen Vertreters die Ausübung
einer wirksamen Kontrolle des Schiffes durch den Flaggenstaat beeinträchtigen könnte. Diese Umstände sind für das Ergreifen
von Maßnahmen wie der Besichtigung des Schiffes, des Führens eines Schiffsregisters mit den dieses Schiff betreffenden Einzelheiten,
der Überprüfung der Befähigung und der Arbeitsbedingungen der Besatzungen sowie der Einleitung und Durchführung der Untersuchung
eines Seeunfalls oder eines anderen mit der Führung eines Schiffes zusammenhängenden Ereignisses auf Hoher See ohne Bedeutung.
22
In diesem Zusammenhang ist der von der niederländischen Regierung zum Nachweis der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung entwickelten
Argumentation nicht zu folgen.
23
Zu dem Argument, das Königreich der Niederlande sei gemäß den Artikeln 91 Absatz 1 und 94 Absatz 1 des Übereinkommens von
Montego Bay zum Erlass der fraglichen Regelung verpflichtet, genügt die Feststellung, dass – wie der Generalanwalt in den
Nummern 51 bis 59 seiner Schlussanträge dargelegt hat – die genannten Bestimmungen dieses Übereinkommens keine solche Verpflichtung
für das Königreich der Niederlande enthalten.
24
Zu dem Vorbringen, die Gemeinschaft selbst habe diese Voraussetzung in ihr abgeleitetes Recht aufgenommen, ist festzustellen,
dass Voraussetzungen der Gemeinschafts- oder EWR-Angehörigkeit zwar im Rahmen einer harmonisierten Gemeinschaftsregelung zulässig
sein könnten, dass sie aber nicht einseitig von den Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht festgelegt werden dürfen.
25
Zu dem Argument, dass die Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle die Sicherstellung einer Verbindung zum tatsächlichen Eigentümer
(demjenigen, dem das Eigentum an dem Schiff letztlich zusteht) erfordert, ist zu bemerken, dass für die Zwecke einer solchen
Kontrolle die Vorschrift ausreicht, dass der Betrieb des Schiffes von einer in den Niederlanden gelegenen Niederlassung aus
durch eine Person gewährleistet wird, welche über Vertretungsbefugnis verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 1991
in der Rechtssache C‑221/89, Factortame u. a., Slg. 1991, I‑3905, Randnr. 36). Damit kann der Mitgliedstaat unmittelbar gegen
den Vertreter des Eigentümers des Schiffes vorgehen.
26
Was das Argument angeht, die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit erhöhe die Chancen einer wirksamen Ausübung der Hoheitsgewalt
erheblich, so ist festzustellen, dass die Möglichkeit für einen Staat, seine Hoheitsgewalt gegenüber einer Person auszuüben,
vor allem von der praktischen Erreichbarkeit dieser Person und nicht von deren Staatsangehörigkeit abhängt. Dieses Kriterium
ist aber bereits erfüllt, wenn der Betrieb des Schiffes von einer in den Niederlanden gelegenen Niederlassung aus durch eine
Person erfolgen muss, welche zur Vertretung des Eigentümers des Schiffes befugt ist.
27
Demnach sind die ersten drei Rügen begründet.
Zur vierten und zur fünften Rüge Vorbringen der Parteien
28
Nach Ansicht der Kommission stellt die streitige Regelung über den Betrieb von Schiffen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
dar.
29
Zudem wäre diese Regelung, selbst wenn sie durch Gründe des Allgemeininteresses an der Ausübung einer wirksamen Kontrolle
gerechtfertigt werden könnte, gemessen am verfolgten Ziel als unverhältnismäßig anzusehen.
30
Die niederländische Regierung trägt vor, dass die streitige Regelung über den Betrieb von Schiffen die Niederlassungsfreiheit
nicht beschränke.
31
Jedenfalls wäre diese Regelung, selbst wenn sie eine Beschränkung enthalten sollte, durch Gründe des Allgemeininteresses in
Bezug auf die Notwendigkeit der Ausübung wirksamer Kontrolle und Hoheitsgewalt über die die niederländische Flagge führenden
Schiffe gerechtfertigt.
Würdigung durch den Gerichtshof
32
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die streitige Regelung über den Betrieb von Schiffen eine die Niederlassungsfreiheit
der Eigentümer dieser Schiffe beschränkende Wirkung hat. Durch sie werden nämlich die Gemeinschaftsangehörigen, die in Form
einer Reedereigesellschaft mit einem Geschäftsführer tätig werden wollen, der Drittlandsangehöriger ist oder in einem Drittland
wohnt, daran gehindert, dies zu tun.
33
Eine Beschränkung wie die hier streitige lässt sich nicht mit der Notwendigkeit der Ausübung wirksamer Kontrolle und Hoheitsgewalt
über die die Flagge der Niederlande führenden Schiffe rechtfertigen. Die niederländische Regelung über den Betrieb von Schiffen
ist nicht dazu geeignet, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten, und geht über das hinaus, was erforderlich ist,
um diese zu erreichen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wie die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz des Geschäftsführers
einer Reedereigesellschaft, die Eigentümerin des Schiffes ist, die Ausübung einer wirksamen Kontrolle des Schiffes durch den
Flaggenstaat beeinträchtigen könnte.
34
Was in diesem Zusammenhang die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit betrifft, so geht aus den Randnummern 23 bis 26 des vorliegenden
Urteils hervor, dass die von der niederländischen Regierung zum Nachweis der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung entwickelte
Argumentation zurückzuweisen ist.
35
Was die Wohnsitzvoraussetzung betrifft, so kann dem Vorbringen der niederländischen Regierung ebenfalls nicht gefolgt werden.
36
In Bezug auf das Argument, die Voraussetzung des Wohnsitzes erhöhe die Chancen einer wirksamen Ausübung der Hoheitsgewalt
erheblich, ist festzustellen, dass die Möglichkeit für einen Staat, seine Hoheitsgewalt gegenüber einer Person auszuüben,
vor allem von der praktischen Erreichbarkeit dieser Person und nicht von deren Wohnsitz abhängt. Dieses Kriterium ist aber
bereits dann erfüllt, wenn der Betrieb des Schiffes von einer in den Niederlanden gelegenen Niederlassung aus durch eine Person
erfolgen muss, welche zur Vertretung des Eigentümers des Schiffes befugt ist.
37
Auch zu dem Argument, angesichts der geografischen Lage der Niederlande könne eine Person, die ihren Wohnsitz außerhalb der
Gemeinschaft oder eines der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum habe, die dem Geschäftsführer
einer Reedereigesellschaft obliegenden täglichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen, ist nochmals daran zu erinnern, dass
die Möglichkeit für einen Staat, seine Hoheitsgewalt gegenüber einer Person auszuüben, vor allem von der praktischen Erreichbarkeit
dieser Person und nicht von deren Wohnsitz abhängt. In diesem Zusammenhang genügt das Erfordernis, dass der Betrieb des Schiffes
von einer in den Niederlanden gelegenen Niederlassung aus durch eine Person erfolgt, welche zur Vertretung des Eigentümers
dieses Schiffes befugt ist.
38
Demnach sind die vierte und die fünfte Rüge begründet.
39
Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 43
EG und 48 EG verstoßen hat, dass es Artikel 311 des Wetboek van Koophandel und Artikel 8:169 des Burgerlijk Wetboek erlassen
und in seinem Recht beibehalten hat, in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind in Bezug auf
–
die Staatsangehörigkeit der Anteilseigner von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind, welches sie in den Niederlanden
registrieren lassen wollen;
–
die Staatsangehörigkeit der Geschäftsführer von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind, welches sie in den
Niederlanden registrieren lassen wollen;
–
die Staatsangehörigkeit der natürlichen Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung der Niederlassung betraut sind, von
der aus in den Niederlanden das für die Registrierung eines Schiffes in den niederländischen Registern erforderliche Seeschifffahrtsgewerbe
ausgeübt wird;
–
die Staatsangehörigkeit der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften für in den Niederlanden registrierte Seeschiffe und
–
den Wohnsitz der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften für in den Niederlanden registrierte Seeschiffe.
Kosten
40
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da
das Königreich der Niederlande mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission
die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.
Das Königreich der Niederlande hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 48 EG verstoßen, dass es
Artikel 311 des Wetboek van Koophandel und Artikel 8:169 des Burgerlijk Wetboek erlassen und in seinem Recht beibehalten hat,
in denen bestimmte Voraussetzungen festgelegt sind in Bezug auf
–
die Staatsangehörigkeit der Anteilseigner von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind, welches sie in den Niederlanden
registrieren lassen wollen;
–
die Staatsangehörigkeit der Geschäftsführer von Gesellschaften, die Eigentümer eines Seeschiffes sind, welches sie in den
Niederlanden registrieren lassen wollen;
–
die Staatsangehörigkeit der natürlichen Personen, die mit der laufenden Geschäftsführung der Niederlassung betraut sind, von
der aus in den Niederlanden das für die Registrierung eines Schiffes in den niederländischen Registern erforderliche Seeschifffahrtsgewerbe
ausgeübt wird;
–
die Staatsangehörigkeit der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften für in den Niederlanden registrierte Seeschiffe und
–
den Wohnsitz der Geschäftsführer von Reedereigesellschaften für in den Niederlanden registrierte Seeschiffe.
2.
Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten des Verfahrens.