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Document 61999CC0263

Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 8. März 2001.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Niederlassungsfreiheit - Dienstleistungsfreiheit - Tätigkeit des Beraters auf dem Gebiet des Verkehrs von Beförderungsmitteln.
Rechtssache C-263/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 I-04195

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2001:141

61999C0263

Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 8. März 2001. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Niederlassungsfreiheit - Dienstleistungsfreiheit - Tätigkeit des Beraters auf dem Gebiet des Verkehrs von Beförderungsmitteln. - Rechtssache C-263/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-04195


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einführung

1 Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren beantragt die Kommission, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen die im Vertrag festgelegten Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen hat, dass sie bestimmte Rechtsvorschriften über die Tätigkeit eines Beraters in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs erlassen hat.

II - Die italienischen Rechtsvorschriften

2 Die gegenständlichen Vorschriften sind diejenigen des Gesetzes Nr. 264/1991 vom 8. August 1991 über die Tätigkeit des Beraters in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs (im Folgenden: Gesetz).

3 Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes erteilt die Provinzregierung dem Inhaber des Unternehmens eine Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit des Beraters in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs nur, wenn dieser italienischer Staatsbürger oder Staatsbürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist und seinen Wohnsitz in Italien hat.

4 Nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a, b und c des Gesetzes muss diese Voraussetzung bei einer Personengesellschaft durch alle Gesellschafter, bei einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien durch alle Komplementäre und bei allen anderen Gesellschaften durch alle Geschäftsführer erfuellt werden.

5 Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes wird die Genehmigung nur erteilt, wenn gleichzeitig bei der Provinzverwaltung eine Kaution hinterlegt wird, deren Höhe durch ein ministerielles Dekret festzulegen ist.

6 Gemäß Artikel 8 Absatz 1 des Gesetzes werden die Mindest- und die Hoechstgebühren für die Beratung in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs durch den Beschluss einer Kommission jährlich festgesetzt.

7 In Artikel 9 Absatz 4 des Gesetzes wird festgelegt, dass derjenige, der die fragliche Tätigkeit ohne die erforderliche Genehmigung ausübt, mit einer Geldbuße von fünf bis 20 Millionen Lire bestraft wird.

III - Verfahren

8 Mit Schreiben vom 16. November 1993 hat die Kommission Italien auf die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit den Artikeln 52 und 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 und 49 EG) hingewiesen und um die Mitteilung näherer Auskünfte über das Gesetz und beabsichtigter Maßnahmen angesichts dessen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht binnen einer Frist von zwei Monaten gebeten.

9 Nachdem dieses Schreiben nicht beantwortet wurde, forderte die Kommission die italienische Regierung mit Aufforderungsschreiben vom 7. November 1995 formell auf, binnen einer Frist von zwei Monaten Stellung zu nehmen.

10 Da die Kommission die Antwort der italienischen Regierung vom 21. März 1996 für ungenügend befand, übermittelte sie der italienischen Regierung am 14. Juli 1997 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, verbunden mit der Aufforderung, innerhalb einer Frist von zwei Monaten die sich aus den Artikeln 43 und 49 EG ergebenden Maßnahmen durchzuführen.

11 Da die italienische Regierung auf die mit Gründen versehene Stellungnahme nicht reagierte, hat die Kommission unter dem 2. Juli 1999, eingetragen in das Register des Gerichtshofes am 16. Juli 1999, die gegenwärtige Klage erhoben mit dem Antrag

a) festzustellen, dass die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 43 und 49 EG verstoßen hat, indem sie die Ausübung der Tätigkeit eines Verkehrssachverständigen Beschränkungen unterwirft;

b) der Italienischen Republik die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

12 Die italienische Regierung vertritt den Standpunkt, der Rechtsstreit sei gegenstandslos geworden.

IV - Vortrag der Beteiligten

13 In der Klageschrift führt die Kommission aus, dass das Wohnsitzerfordernis für Angehörige anderer Mitgliedstaaten nicht vereinbar sei mit dem generellen Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Artikel 12 EG und dem spezielleren Artikel 43 EG, der jede Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verbiete.

14 Das Wohnsitzerfordernis stelle die Verneinung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG dar, da es die gelegentliche Erbringung von Dienstleistungen durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Anbieter komplett ausschließe.

15 Die Bestimmungen über das Erfordernis einer Kaution, die Festlegung von Minimal- und Maximalgebühren und die Festsetzung von Sanktionen für den Fall des Tätigwerdens ohne Erlaubnis trügen dem Umstand nicht Rechnung, dass Anbieter anderer Mitgliedstaaten gegebenenfalls bereits vergleichbaren Vorschriften in ihrem Herkunftsmitgliedstaat unterliegen.

16 Am 10. November 1999 reichte die Italienische Republik ihre Klagebeantwortung ein, in der sie darlegte, dass das Erfordernis des Wohnsitzes eher im Sinne einer Niederlassung zu verstehen sei.

17 Die Festlegung von Minimalgebühren sei erforderlich, da ihre Abschaffung zu einer Destabilisierung des Marktes und zu einem Absinken der Qualität der Leistungen führen würde.

18 Außerdem weist sie darauf hin, dass nicht klar sei, ob die Kommission das Genehmigungserfordernis an sich oder lediglich die einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen beanstande.

19 Angesichts des Fehlens jeglicher gemeinschaftlicher Harmonisierung in der vorliegenden Materie rechtfertigten Gründe des Allgemeininteresses - nämlich die Notwendigkeit der Überprüfung der Professionalität, der Ehrenhaftigkeit, der Korrektheit und der Verfügbarkeit entsprechender Mittel bei dem Anbieter - das Genehmigungserfordernis.

20 Weiterhin wies die Italienische Republik darauf hin, dass eine Gesetzesänderung geplant sei, durch welche das Wohnsitz- und das Kautionserfordernis und die Festlegung der Maximalgebühren entfallen sollen und das Verfahren somit gegenstandslos werde.

21 In ihrer Replik vom 6. Dezember 1999 weist die Kommission darauf hin, dass die beabsichtigte Gesetzesänderung für das Verfahren unerheblich sei.

22 Was das Erfordernis der Minimalgebühren angehe, so sei zu beachten, dass geringere als die festgelegten Mindestgebühren nicht nur - wie von Italien befürchtet - durch Abstriche bei der Qualität, sondern auch durch verbesserte betriebliche Abläufe erzielt werden könnten. Außerdem könnten die Verbraucher durch Vergleiche die Qualität selbst überprüfen.

23 In ihrer am 24. Februar 2000 eingegangenen Duplik weist die Italienische Republik erneut darauf hin, dass das Verfahren gegenstandslos geworden sei, da durch eine inzwischen erfolgte Gesetzesänderung das Erfordernis des Wohnsitzes durch das Erfordernis der Niederlassung ersetzt worden und das der Kaution entfallen sei.

V - Stellungnahme

24 Das Vorbringen der italienischen Regierung, dass das Verfahren aufgrund der erfolgten Änderung einiger Vorschriften des Gesetzes gegenstandslos geworden sei, ist nicht zutreffend. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen eines Vetragsverstoßes anhand der Lage zu überprüfen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Veränderungen werden vom Gerichtshof nicht berücksichtigt(1).

A - Zur Verletzung von Artikel 43 EG

25 Ob das Erfordernis des Wohnsitzes in Italien auch für italienische Staatsbürger oder nur für Angehörige anderer Mitgliedstaaten gilt, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht zweifelsfrei entnehmen. Sollte es nur für Ausländer gelten, würde es sich um eine offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit handeln. Der Grundsatz der Inländergleichbehandlung verbietet jedoch unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Sollte das Kriterium in nicht diskriminierender Weise angewendet werden, würde es sich um eine versteckte Diskriminierung handeln, da sich das Wohnsitzerfordernis "hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt"(2).

26 Das Wohnsitzerfordernis wirkt sich als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus. Es gilt sehr umfassend. Bei einer Personengesellschaft müssen alle Gesellschafter in Italien wohnhaft sein. Bei einer Kommanditgesellschaft gilt dasselbe für alle Komplementäre, ebenso bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. Bei allen anderen Gesellschaften trifft das Erfordernis die Geschäftsführer.

27 Damit wird es jedem in einem anderen Mitgliedstaat als Italien beheimateten Anbieter erschwert, in Italien die Niederlassung zu gründen. Die Gesellschafter haben regelmäßig ihren Wohnsitz in ihrem Herkunftsstaat und müssten diesen nach Italien verlegen, um ihrer Geschäftstätigkeit dort nachzugehen. Der Gerichtshof hat vergleichbare Wohnsitzerfordernisse in anderen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit betrachtet(3). Diese Einschätzung muss auch auf den vorliegenden Fall Anwendung finden.

28 Zu einer Rechtfertigung der Diskriminierung über Artikel 46 EG aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, welche nur greift, wenn eine tatsächlich und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt(4), ist von Italien nichts vorgetragen.

29 Die italienische Regierung führt jedoch an, dass das Erfordernis des Wohnsitzes im weiteren Sinne des Niedergelassenseins zu verstehen sei. Die Formulierung "Wohnsitz" beruhe auf einer Unvollkommenheit bei der Erstellung des Gesetzestextes, sei also ein Redaktionsversehen. Es sei durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu korrigieren.

30 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Es würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für die von dem Gesetz Betroffenen führen, wenn der Wortlaut erst berichtigend auszulegen wäre.

B - Zur Verletzung von Artikel 49 EG

31 Ein Mitgliedstaat darf die Erbringer von Dienstleistungen nicht den gleichen Anforderungen unterwerfen, wie sie für eine Niederlassung gelten, da sonst das Recht, Dienstleistungen aus einem anderen Staat zu erbringen, seiner praktischen Wirksamkeit beraubt wurde(5). Die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt, im Gegensatz zur Niederlassung, nur vorübergehend und erfordert daher gerade keine dauerhafte Eingliederung in den Geschäftsverkehr des Empfängerlandes. Daher muss von den Anforderungen her zwischen dem Erbringer einer Dienstleistung und demjenigen, der sich dauerhaft niederlassen möchte, differenziert werden. Ansonsten würde die Dienstleistungsfreiheit praktisch leerlaufen. Am deutlichsten wird dies am Wohnsitzerfordernis, welches Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis ist. Dieses schließt es für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter aus, seine Dienstleistungen vorübergehend in Italien auszuüben. Aus diesem Grund stellen die angegriffenen Normen eine unzulässige Beschränkung von Artikel 49 EG dar.

32 Eine nationale Regelung, die die Ausübung bestimmter Dienstleistungen im Inland durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar(6). Das Erlaubniserfordernis an sich kann bereits eine grundsätzlich unzulässige Beschränkung bewirken.

33 Diese kann nur dann mit Artikel 49 EG vereinbar sein, wenn die Regelung in nicht dikriminierender Weise angewandt wird und ein Rechtfertigungsgrund für sie vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Regelung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist(7).

34 Die Erlaubnis an sich wird sowohl von Anbietern anderer Mitgliedstaaten als auch von Italienern verlangt, hat daher also keinen diskriminierenden Charakter. Dennoch beschränkt das Erfordernis Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten regelmäßig stärker, denn die Anbieter werden dann sowohl im Herkunftsstaat als auch im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung, also doppelt reguliert. Dennoch fehlt dem Erfordernis die spezifisch diskriminierende Intention, weil - anders als bei Wohnsitzerfordernissen - die inländischen Dienstleistungserbringer die Anforderungen ebenso erfuellen müssen(8).

35 Die Italienische Republik führt aus, dass das Erfordernis einer Erlaubnis durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, das Vorhandensein der Voraussetzungen der Professionalität, der Ehrenhaftigkeit, der Korrektheit und der Verfügbarkeit entsprechender finanzieller Mittel bei dem Anbieter zu überprüfen.

36 Das Erlaubniserfordernis ist jedoch in der konkreten Form dann nicht erforderlich, wenn dem Allgemeininteresse bereits durch Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist(9). Indem das Erfordernis so formuliert ist, dass alle Unternehmen dieselben Voraussetzungen erfuellen müssen, um eine Genehmigung zu erhalten, lässt es das italienische Recht nicht zu, den Verpflichtungen Rechnung zu tragen, denen der Leistungserbringer in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist(10).

37 Wenn die Überprüfung der genannten Voraussetzungen für die Beratertätigkeit bereits im Herkunftsland des Erbringers der Dienstleistung erfolgt, kann hier eine unzulässige Doppelkontrolle vorliegen. Der Nachweis der beruflichen Qualifikation und die Erfuellung gewisser Standespflichten würden ausreichen. Dies wurde von der Italienischen Republik nicht berücksichtigt. Das Ursprungslandprinzip ist somit verletzt.

38 Von entscheidender Bedeutung ist weiterhin, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis erteilt wird. Nicht erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes das Wohnsitzerfordernis für Führungskräfte. Jedes in einem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen kann auch unabhängig vom Wohnsitz seiner Führungskräfte kontrolliert und Sanktionen unterworfen werden(11). Damit ist dem Verbraucherschutz ausreichend Rechnung getragen.

39 Darüber hinaus handelt es sich hier, wie bereits dargelegt, um eine offene, beziehungsweise versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit(12).

40 Zu deren Rechtfertigung gemäß Artikel 46 EG aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist von der Italienischen Republik nichts vorgetragen worden.

41 Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes wird die Genehmigung nur erteilt, wenn gleichzeitig bei der Provinzverwaltung eine Kaution in Geld hinterlegt wird.

42 Im Verlangen dieser Summe liegt für jeden Anbieter eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, da er eine wirtschaftliche Aufwendung tätigen muss, die er vorfinanzieren muss. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine diskriminierende Maßnahme handelt, da die Kaution von in- und ausländischen Anbietern verlangt wird, stellt diese dann eine unzulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Artikel 49 EG dar, wenn sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Von der Italienischen Republik wird nichts zu ihrer Rechtfertigung vorgetragen.

43 Auch die Festlegung der Mindest- und der Hoechstgebühren für die Tätigkeit der Verkehrssachverständigen in Italien kann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen.

44 Durch die Festlegung von Hoechstgebühren wird es Anbietern aus einem anderen Mitgliedstaat möglicherweise erschwert, ihre Leistung auf dem italienischen Markt anzubieten, da sie aufgrund der fehlenden Ansässigkeit in Italien höhere Kosten als die inländischen Anbieter haben und daher nur zu höheren Preisen arbeiten könnten.

45 Diese Maßnahme könnte allerdings zulässig sein, wenn sie in nicht diskriminierender Weise angewandt wird, aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist(13).

46 Das Erfordernis trifft sowohl italienische Anbieter als auch solche aus anderen Mitgliedstaaten, wird also in nicht diskriminierender Weise angewandt. Allerdings könnte eine versteckte Diskriminierung darin liegen, dass höhere Kosten in der beschriebenen Art und Weise typischerweise bei solchen Anbietern anfallen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Dennoch fehlt ihm die spezifisch diskriminierende Intention, weil es inländischen Anbietern aus anderen wirtschaftlichen Gründen genauso schwer fallen kann, den vorgeschriebenen Maximalpreis einzuhalten, sie also dem Erfordernis ebenso ausgesetzt sind(14).

47 Allerdings hat die italienische Regierung nichts zu den zwingenden Gründen des Allgemeinwohls vorgetragen, welche die Beschränkung rechtfertigen könnten. Es ist daher vom beschränkenden Charakter der Maßnahme auszugehen.

48 Die Festlegung von Minimalgebühren stellt ebenfalls eine die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Vorgabe dar. Denn sie erlaubt es den Dienstleistungserbringern nicht, ihre Leistungen so günstig anzubieten, dass sie für den Empfänger aus Kostenerwägungen attraktiver sind als die eines anderen Dienstleistungserbringers.

49 Auch sie wird in nicht diskriminierender Weise angewandt, so dass eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zu prüfen ist. Die Italienische Republik führt aus, dass die Abschaffung der Minimalpreise zu einer Destabilisierung des Marktes führen könnte, welche möglicherweise einen unlauteren Wettbewerb nach sich ziehen würde, der die Qualität der Dienstleistungen zum Nachteil der Verbraucher absinken lassen könnte. Hiergegen führt die Kommission zu Recht an, dass sich Preise, die sich unterhalb des festgelegten Niveaus bewegen, nicht nur durch die befürchteten Abstriche an der Qualität, sondern in erster Linie auch durch eine günstige Kostenstruktur bei der Leistungserbringung, also durch unternehmerisches Geschick ergeben können. Sollte sich das Fehlen von Minimalgebühren tatsächlich auf die Qualität der Dienstleistung auswirken, so könnten die Verbraucher dies durch Vergleiche selbst erkennen und ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen.

50 Außerdem wäre eine derartige Beschränkung nicht verhältnismäßig, da sie über das hinausgehe, was zur Erreichung des Zieles erforderlich sei. Um dem Verbraucherschutz im Hinblick auf die Qualitätssicherung Genüge zu tun, würde es ausreichen, einheitliche Qualitätsstandards festzulegen, nach denen die Anbieter zu arbeiten haben.

51 Wenn bereits die verlangten Voraussetzungen für eine Genehmigung nach Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes gemeinschaftsrechtswidrig sind, so gilt dies erst recht für die nach Artikel 9 Absatz 4 des Gesetzes vorgesehene Geldbuße, welche dann zu bezahlen ist, wenn die Tätigkeit des Beraters in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs ohne vorherige Genehmigung ausgeübt wird. Denn die Geldbusse ist die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Genehmigungserfordernis. Ihre Berechtigung zur Verhängung der Sanktion steht und fällt also mit der Zulässigkeit der sanktionsbewehrten Norm.

VI - Kosten

52 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten des Verfahrens. Soweit die Italienische Republik mit ihrem Begehren unterliegt, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

VII - Ergebnis

53 Als Ergebnis vorstehender Überlegungen schlage ich folgende Entscheidung vor:

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 43 und 49 EG verstoßen, dass sie die Ausübung der Tätigkeit eines Verkehrssachverständigen im Rahmen des Gesetzes Nr. 264/1991 vom 8. August 1991 über die Tätigkeit des Beraters in Fragen des Kraftfahrzeugverkehrs Beschränkungen unterworfen hat.

2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

(1) - Urteil vom 16. Dezember 1997 in der Rechtssache C-316/96 (Kommission/Italien, Slg. 1997, I-7231, Randnr. 14).

(2) - Urteil vom 7. Mai 1998 in der Rechtssache C-350/96 (Clean Car, Slg. 1998, I-2521, Randnr. 29)

(3) - Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Factortame, Slg. 1991, I-3905, Randnr. 32), vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-114/97 (Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-6717, Randnr. 44) und vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-355/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-1221, Randnr. 31).

(4) - Urteil vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache C-30/77 (Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Randnr. 35).

(5) - Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90 (Saeger, Slg. 1991, I-4221, Randnr. 13); ebenso Urteil vom 9. Juli 1997 in der Rechtssache C-222/95 (Parodi, Slg. 1997, I-3899, Randnr. 31).

(6) - Urteil in der Rechtssache Saeger (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 14); ebenso Urteil in der Rechtssache Parodi (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 32) sowie Urteile vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-43/93 (Vander Elst, Slg. 1994, I-3803, Randnr. 15) und in der Rechtssache C-355/98 (Kommission/Belgien, zitiert in Fußnote 3, Randnr. 35).

(7) - Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37).

(8) - Holoubek in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Baden-Baden, Artikel 49 EG, Randnr. 77.

(9) - Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 279/80 (Webb, Slg. 1981, 3305, Randnr. 17); Urteile in der Rechtssache Saeger (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 15), in der Rechtssache Vander Elst (zitiert in Fußnote 6, Randnr. 16), vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-3/95 (Reisebüro Broede, Slg. 1996, I-6511, Randnr. 28) und in der Rechtssache C-355/98 (Kommission/Belgien, zitiert in Fußnote 3, Randnr. 37).

(10) - Urteil in der Rechtssache C-355/98 (Kommission/Belgien, zitiert in Fußnote 3, Randnr. 38).

(11) - Urteil in der Rechtssache C-114/97 (Kommission/Spanien, zitiert in Fußnote 3, Randnr. 47).

(12) - Siehe im Vorigen Nr. 25.

(13) - Urteil Gebhard (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 37).

(14) - Holoubek in: Schwarze, EU-Kommentar (zitiert in Fußnote 8, Randnr. 77).

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