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Document 61996CC0203

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 23. Oktober 1997.
Chemische Afvalstoffen Dusseldorp BV u. a. gegen Minister van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieubeheer.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Raad van State - Niederlande.
Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen - Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe.
Rechtssache C-203/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1998 I-04075

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1997:508

61996C0203

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 23. Oktober 1997. - Chemische Afvalstoffen Dusseldorp BV u. a. gegen Minister van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieubeheer. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Raad van State - Niederlande. - Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen - Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe. - Rechtssache C-203/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-04075


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Die vorliegende Rechtssache betrifft die niederländische Politik, die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall zu verbieten, wenn die Behandlung dieses Abfalls im Ausland nicht wirkungsvoller erfolgt als in den Niederlanden. Der niederländische Raad van State (nachstehend: vorlegendes Gericht) möchte wissen, ob eine solche Politik bei Berücksichtigung der Grundsätze der "Entsorgungsautarkie" und der "Nähe" gegen Artikel 34 des Vertrages verstösst. Diese Grundsätze werden in der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (nachstehend: Abfallverordnung oder einfach Verordnung)(1) und der Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle(2) zugrunde gelegt.

2 Das vorlegende Gericht möchte insbesondere in Erfahrung bringen, ob diese Bestimmungen die Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nur in bezug auf zur Beseitigung bestimmten Abfall vorsehen oder ob sie ihre Anwendung auch auf zur Verwertung bestimmten Abfall zulassen. Ausserdem hat es seine Zweifel, ob die niederländische Politik eine ordnungsgemässe Durchführung dieser Grundsätze darstellt. Für den Fall, daß das Gemeinschaftsrecht die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nicht auf zur Verwertung bestimmten Abfall zur Anwendung bringen sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Rede stehende niederländische Politik trotzdem nach Artikel 130t des Vertrages gerechtfertigt sein kann. Ausserdem fragt es, ob die ausschließlichen Rechte, die dem mit der Behandlung der Abfälle betrauten Unternehmen übertragen wurden, mit Artikel 90 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 86 des Vertrages vereinbar sind.

Die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über Abfall

Die Richtlinie über Abfälle

3 Die Richtlinie 75/442 des Rates über Abfälle wurde am 15. Juli 1975 auf der Grundlage der Artikel 100 und 235 des Vertrages erlassen. Alle ihre wesentlichen Bestimmungen wurden durch die Richtlinie 91/156 ersetzt(3), die am 18. März 1991 auf der Grundlage des Artikels 130s des Vertrages erlassen wurde. Ich werde die Richtlinie 75/442 in der Fassung der Richtlinie 91/156 die "Abfallrichtlinie" oder ganz einfach "die Richtlinie" nennen(4).

4 Die Richtlinie enthält eine Reihe allgemeiner Bestimmungen und allgemeiner Grundsätze für die Entsorgung oder Wiederverwendung von Abfällen. Die Artikel 3, 4, 5 und 7 sind im vorliegenden Fall von ganz besonderer Bedeutung und legen folgendes fest.

5 Gemäß Artikel 3 haben die Mitgliedstaaten angemessene Maßnahmen zu treffen, um in erster Linie "die Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abfällen und ihrer Gefährlichkeit"(5), zweitens "die Verwertung der Abfälle im Wege der Rückführung, der Wiederverwendung, des Wiedereinsatzes oder anderer Verwertungsvorgänge im Hinblick auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen" oder "die Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie" zu fördern. Diese Maßnahmen sind der Kommission mitzuteilen(6). Gemäß Artikel 4 haben die Mitgliedstaaten "die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne daß die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne daß Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können". Ausserdem haben sie "die unkontrollierte Ablagerung oder Ableitung von Abfällen und deren unkontrollierte Beseitigung zu verbieten".

6 Artikel 5 verankert die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe, um die es hier geht. Er lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen - in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten, wenn sich dies als notwendig oder zweckmässig erweist - Maßnahmen, um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu errichten, die den derzeit modernsten, keine übermässig hohen Kosten verursachenden Technologien Rechnung tragen. Dieses Netz muß es der Gemeinschaft insgesamt erlauben, die Entsorgungsautarkie zu erreichen, und es jedem einzelnen Mitgliedstaat ermöglichen, diese Autarkie anzustreben, wobei die geographischen Gegebenheiten oder der Bedarf an besonderen Anlagen für bestimmte Abfallarten berücksichtigt werden.

(2) Dieses Netz muß es darüber hinaus gestatten, daß die Abfälle in einer der am nächsten gelegenen, geeigneten Entsorgungsanlagen unter Einsatz von Methoden und Technologien beseitigt werden, die am geeignetsten sind, um ein hohes Niveau des Gesundheits- und Umweltschutzes zu gewährleisten."

7 Artikel 7 verpflichtet die zuständige(n) Behörde(n) der Mitgliedstaaten, zur Verwirklichung der Ziele der Artikel 3, 4 und 5 Abfallbewirtschaftungspläne zu erstellen. Diese Pläne sind der Kommission zu übermitteln, und die Mitgliedstaaten "können die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das Verbringen von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht entspricht, zu unterbinden". Sie müssen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten derartige Maßnahmen mitteilen.

8 Artikel 7 bestimmt weiter, daß Abfallbewirtschaftungspläne "Art, Menge und Ursprung der zu verwertenden oder zu beseitigenden Abfälle, allgemeine technische Vorschriften, besondere Vorkehrungen für bestimmte Abfälle [und] geeignete Flächen für Deponien und sonstige Beseitigungsanlagen" umfassen.

9 Für die Richtlinie ist schließlich besonders die neunte Begründungserwägung wichtig, in der es heisst, daß "[d]as Verbringen von Abfällen ... zu vermeiden [ist]; zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Bewirtschaftungspläne die erforderlichen Maßnahmen treffen".

Die Verordnung über Abfälle

10 Die Verordnung über Abfälle wurde am 1. Februar 1993 erlassen und ab 6. Mai 1994 angewandt(7). Wie die Richtlinie (in ihrer neuen Fassung) wurde sie auf Artikel 130s gestützt. Die Verordnung schafft u. a. ein System der vorherigen Notifizierung der Verbringung von Abfällen zwischen den Mitgliedstaaten. Sie ersetzte und hob die Richtlinie 84/631 über gefährliche Abfälle auf, legte allerdings die Notifizierung grenzueberschreitenden Verbringens sowohl von gefährlichem als auch von ungefährlichem Abfall fest und verwirklichte innerhalb der Gemeinschaft das Basler Übereinkommen (das für die Gemeinschaft durch den Beschluß 93/98/EWG des Rates(8) zum gleichen Zeitpunkt wie die Verordnung angenommen wurde).

11 Die Verordnung sieht unterschiedliche Gruppen von Bestimmungen für das Verbringen von zur Beseitigung bestimmtem Abfall und das Verbringen von zur Verwertung bestimmtem Abfall vor. Vorherige Notifizierung ist allerdings für beide vorgeschrieben. Die Bestimmungen über zur Beseitigung bestimmten Abfall stehen in Kapitel A des Titels II der Verordnung, die über zur Verwertung bestimmten Abfall in Kapitel B. Kapitel A umfasst Artikel 3 bis 5, Kapitel B die Artikel 6 bis 11.

12 Bei zur Beseitigung bestimmtem Abfall ist der Mitgliedstaat der Bestimmung zuständig für die Genehmigung der Verbringung, obwohl auch der Mitgliedstaat der Versendung und der Durchfuhr benachrichtigt werden. Sie können Einwände erheben und nur beim Ausbleiben von Einwänden darf der Mitgliedstaat der Bestimmung die Genehmigung erteilen. Bei zur Verwertung bestimmtem Abfall können die Mitgliedstaaten der Versendung, der Bestimmung und der Durchfuhr Einwände erheben, doch ist grundsätzlich keine ausdrückliche Genehmigung erforderlich.

13 Die Gründe für Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmtem Abfall werden in Artikel 4 Absatz 3 aufgeführt. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i lautet:

"Um das Prinzip der Nähe, den Vorrang für die Verwertung und den Grundsatz der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene gemäß der Richtlinie 75/442/EWG zur Anwendung zu bringen, können die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Vertrag Maßnahmen ergreifen, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jede Verbringung Einwand zu erheben. Diese Maßnahmen werden unverzueglich der Kommission mitgeteilt, die die anderen Mitgliedstaaten benachrichtigt."

14 Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b bestimmt weiter:

"Die zuständigen Behörden am Versand- und am Bestimmungsort können gegen die geplante Verbringung mit Gründen zu versehende Einwände erheben - wobei die geographischen Gegebenheiten oder der Bedarf an besonderen Anlagen für bestimmte Abfallarten berücksichtigt werden -, wenn diese Verbringung nicht gemäß der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere den Artikeln 5 und 7, erfolgt,

i) um den Grundsatz der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene anzuwenden;

ii) wenn die Beseitigungsanlage zur Beseitigung von Abfällen benötigt wird, die an einem näher gelegenen Ort angefallen sind, und wenn die zuständige Behörde solchen Abfällen Vorrang einräumt;

iii) um sicherzustellen, daß die Verbringung im Einklang mit den Abfallbewirtschaftungsplänen steht."

15 Schließlich führt Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe c drei weitere Gründe für Einwände an. Diese können erhoben werden,

"- wenn die Verbringung nicht gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit erfolgt, [oder]

- wenn die notifizierende Person oder der Empfänger sich in der Vergangenheit illegale Transporte hat zuschulden kommen lassen ... oder

- wenn die Verbringung gegen Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen verstösst, die der betroffene Mitgliedstaat geschlossen hat bzw. die die betroffenen Mitgliedstaaten geschlossen haben".

16 Die Gründe für Einwände bei Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall sind in Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung aufgeführt. Der erste Gedankenstrich dieser Bestimmung lässt Einwände nach der Abfallrichtlinie, insbesondere nach deren Artikel 7, zu. Wie ich bereits ausgeführt habe, verpflichtet Artikel 7 die Mitgliedstaaten, zur Verwirklichung der Ziele der Artikel 3, 4 und 5 Abfallbewirtschaftungspläne zu erstellen, und erlaubt ihnen, "die erforderlichen Maßnahmen [zu] ergreifen, um das Verbringen von Abfällen, das ihren Abfallbewirtschaftungsplänen nicht entspricht, zu unterbinden".

17 Die anderen Gründe für Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung entsprechen denen des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe c bei zur Beseitigung bestimmten Abfällen (vgl. oben, Nr. 15). Ein weiterer Grund kommt allerdings hinzu, wenn nämlich "der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall, der geschätzte Wert der letztlich verwertbaren Stoffe oder die Kosten der Verwertung und die Kosten der Beseitigung des nicht verwertbaren Anteils eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen" (Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich). Bemerkenswert ist, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe in der Aufzählung der Gründe für einen Einwand gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall nicht genannt werden.

Sachverhalt

18 Die Chemische Afvalstoffen Dusseldorp BV (nachstehend: Dusseldorp) wollte Abfälle zur Bearbeitung durch die Factron Technik GmbH (nachstehend: Factron) in die Bundesrepublik Deutschland ausführen. Diese Abfälle bestanden aus Öl- und Luftfiltern, mit Öl verunreinigten Plastik- und Metallbehältern, Stoffgeweben, Handschuhen, Granulat und Fettpatronen. Sie werden im Vorlagebeschluß allgemein als Ölfilter bezeichnet, und ich werde diese Kurzbezeichnung ebenfalls verwenden. Nach anfänglichen Meinungsverschiedenheiten ging das Ministerium davon aus, daß Zweck der Verbringung die Verwertung der Filter und nicht deren Beseitigung war.$

19 Die geplanten Verbringungen wurden dem niederländischen Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und Umweltfragen (nachstehend: Ministerium) entsprechend der Abfallverordnung notifiziert, und zwar für zwei Partien von 2 000 000 kg und 60 000 kg. Nach den Erklärungen der niederländischen Regierung sollten die Verbringungen zwischen dem 27. Mai 1994 und dem 26. Mai 1995 sowie zwischen dem 16. Mai 1994 und dem 15. Mai 1995 erfolgen. Das Ministerium widersprach der Ausfuhr mit der Begründung, daß die Verwertung der Ölfilter durch Factron in Deutschland nicht besser sei als die Verwertung in den Niederlanden. Diese Entscheidung wurde nach dem niederländischen Mehrjahresplan für die Beseitigung gefährlicher Abfälle (nachstehend: Plan) getroffen, der ein Verbot der Ausfuhr von Ölfiltern vorsah, wenn die beabsichtigte Verwertung im Ausland der in den Niederlanden möglichen Verwertung nicht überlegen war (nachstehend: die streitige Regelung). Die Natur dieses Planes werde ich nachstehend näher erläutern(9).

20 Das Ministerium erhob mit zwei Entscheidungen vom 22. August 1994 Einwände gegen die Verbringungen. Die Firmen Dusseldorp, Factron und Dusseldorp Lichtenvoorde BV (nachstehend: Klägerinnen) erhoben gegen diese Entscheidungen schriftlich Einspruch beim Ministerium. Mit Entscheidung vom 8. Dezember 1994 wies das Ministerium diese Einwände als unbegründet zurück, erweiterte allerdings die Grundlage der früheren Entscheidungen durch einen Hinweis auf den Artikel, der Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall regelt (Artikel 7), statt des Artikels, der Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmtem Abfall betrifft (Artikel 4). Die Klägerinnen erhoben Klage gegen die Entscheidung vom 8. Dezember 1994, und im Rahmen dieses Klageverfahrens erging der vorliegende Beschluß.

21 Die Klage der Klägerinnen gegen die Entscheidung vom 8. Dezember 1994 stützt sich sowohl auf tatsächliche als auch auf rechtliche Gründe. In tatsächlicher Hinsicht wurde die Feststellung des Ministeriums bestritten, daß die Verarbeitung durch die Firma Factron in Deutschland nicht hochwertiger sei als die Verarbeitung in den Niederlanden. Der tatsächliche Aspekt geht indessen den Gerichtshof nichts an. Es genügt hier der Hinweis, daß die Fragen des vorlegenden Gerichts auf der Annahme beruhen, daß der Fall die Sachlage betrifft, bei der die Verarbeitung im Ausland nicht hochwertiger ist als in den Niederlanden, und mithin die streitige Vorschrift Anwendung findet.

22 Die von den Klägerinnen aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen die Rechtmässigkeit der Einwände des Ministeriums gegen die Verbringung von Abfall in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Die streitige Vorschrift ist ihrer Auffassung nach eine ungerechtfertigte Beschränkung des Warenverkehrs, zumal die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe bei der Entsorgung von Abfällen nach der Verordnung nur herangezogen werden dürften, um Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmtem Abfall, nicht aber gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall zu erheben.

Der Plan

23 Ich befasse mich nun etwas eingehender mit dem Plan, auf den die streitigen Entscheidungen gestützt wurden. Das vorlegende Gericht stellt den Plan wie folgt dar. Paragraph 3.1 von Teil I stelle fest, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe eine wichtige Grundlage der Politik des Ministeriums bei Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Abfällen seien. Diese Grundsätze seien niedergelegt in Paragraph 6.5 von Teil I des Planes, der u. a. bezwecke, sowohl die bestmögliche Methode der Beseitigung als auch die "Kontinuität der Beseitigung" sicherzustellen (auch wenn das vorlegende Gericht keine direkte Verbindung zwischen diesen Grundsätzen und dem erstgenannten Zweck sieht). Die Genehmigung insbesondere für die Ausfuhr werde, soweit hier relevant, nur erteilt, wenn die Verwertung im Ausland hochwertiger sei oder in den Niederlanden keine ausreichende Kapazität für die Verwertung vorhanden sei. Nach Abschnittsplan 10 von Teil II des Planes, der zu verbrennende Abfälle betreffe, solle die Ausfuhr zu verbrennender gefährlicher Abfälle wegen des Grundsatzes der Entsorgungsautarkie soweit wie möglich eingeschränkt werden, weil in anderen Ländern weniger strenge Emissionsvorschriften als in den Niederlanden gälten.

24 Die streitige Bestimmung (d. h. die Nichtgenehmigung der Ausfuhr von Ölfiltern, wenn die Verarbeitung solcher Teile ausserhalb der Niederlande nicht hochwertiger als die verfügbare Verarbeitung in den Niederlanden ist) stehe in Teil II des Planes im Abschnittsplan 19, der sich mit Ölfiltern befasse. Nach Auffassung der Klägerinnen läuft diese Vorschrift auf ein allgemeines Verbot der Ausfuhr von Ölfiltern hinaus. Das vorlegende Gericht war anderer Meinung, weil es, falls eine bessere Verarbeitung im Ausland möglich war, keinen Grund nach dem Abschnittsplan gegeben habe, Einwände gegen die Ausfuhr der Filter zu erheben.

25 Zur Förderung des Zieles der Durchführung der bestmöglichen Entsorgungsmethode überträgt der Abschnittsplan 10 einem einzigen Unternehmen, der AVR Chemie CV (nachstehend: AVR), eine "Abfallentsorgungsaufgabe". Nach dem Abschnittsplan ist nur Raum für eine Anlage, in der gefährliche Abfälle verbrannt werden konnten, und AVR wurde zum alleinigen Endverarbeiter für die Verbrennung von Abfall in einem Drehtrommelofen bestimmt. Um unerwünschte Preissteigerungen zu vermeiden, war die AVR erteilte Genehmigung mit Bedingungen versehen.

26 Nach Auffassung der Klägerinnen entspricht die Bearbeitung der Ölfilter durch AVR, da diese die Ölfilter verbrenne, eher einer Beseitigung als einer Verwertung. Obwohl AVR einen Teil der durch die Verbrennung entstehenden Hitze für die Stromerzeugung verwende und einige der Rückstände wiederverwerte, sei dies nur Nebensache. Im Gegensatz hierzu mache es das Verfahren von Factron möglich, den gesamten Ölfilter wiederzuverwenden.

27 Den Klägerinnen zufolge ist AVR eine Kommanditgesellschaft, an der der niederländische Staat und die Gemeinde Rotterdam zusammen zu 55 % beteiligt seien (der Rest gehöre privaten Unternehmen). Eines der Mitglieder des Aufsichtsrates von AVR sei der Leiter der Abfallentsorgungsabteilung des niederländischen Ministeriums. Dieses Ministerium lege die niederländische Abfallpolitik fest und entscheide somit, ob eine bestimmte Ausfuhr genehmigt werde.

28 Das vorlegende Gericht trifft im Zusammenhang mit diesem Plan folgende Feststellungen. Erstens gelte die in dem Plan festgelegte Politik, da der Plan sich auf "Beseitigung" (was Verwertung einschließe) beziehe, für jede Behandlung von Abfall, gleichgültig, ob es sich um Beseitigung oder Verwertung handele. Zweitens laufe die in dem Plan festgelegte Politik auf ein Ausfuhrverbot hinaus, wenn die Qualität der beabsichtigten Verarbeitung im Ausland ebenso hoch oder geringer sei als die Qualität der in den Niederlanden möglichen Verarbeitung.

29 Drittens müsse der Plan als "Abfallbewirtschaftungsplan" im Sinne der Richtlinie betrachtet werden. Wie bereits ausgeführt(10), seien die Mitgliedstaaten nach der Abfallrichtlinie verpflichtet, "Abfallbewirtschaftungspläne" aufzustellen, auf deren Durchführung sich die Richtlinie beziehe. Nach Auffassung der Klägerinnen handelt es sich bei dem Plan im vorliegenden Fall nicht um einen Abfallbewirtschaftungsplan im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Das vorlegende Gericht folgt den Klägerinnen in diesem Punkt jedoch nicht. Nach dem Vorbringen der Kommission und der niederländischen Regierung wurde der Plan in der Tat der Kommission am 13. September 1993 als Abfallbewirtschaftungsplan notifiziert.

30 Das vorlegende Gericht kommt viertens zu dem Ergebnis, daß AVR als ein öffentliches oder mit ausschließlichen Rechten ausgestattetes Unternehmen im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Vertrages zu gelten habe. AVR habe ferner auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung, da sie in den Niederlanden als einzige eine Genehmigung für die Verbrennung gefährlichen Abfalls habe.

31 Abschließend sei bemerkt, daß das Ministerium nach den Erklärungen der niederländischen Regierung seine Politik der Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall ändern wird. Solche Ausfuhren sollen genehmigt werden, es sei denn, daß die Menge des im Ausland verarbeiteten Abfalls erheblich niedriger als die des in den Niederlanden verarbeiteten Abfalls ist. Diese Politik stimmt nach Meinung der niederländischen Regierung mit Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a fünfter Gedankenstrich der Verordnung überein(11). Diese Vorschrift legt, soweit hier von Bedeutung, fest, daß, daß Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall erhoben werden können, wenn "der Anteil an verwertbarem und nicht verwertbarem Abfall ... eine Verwertung unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten nicht rechtfertigt". Die Kommission ersucht den Gerichtshof, im Wege eines obiter dictum über die Vereinbarkeit der neuen Politik mit dem Gemeinschaftsrecht zu befinden. Meines Erachtens wäre dies aber nicht angemessen, weil hierzu keine Frage gestellt und mithin hierzu auch keine Erklärung abgegeben worden ist. Daß die in dem Plan festgelegte Politik jetzt geändert worden ist, macht es nicht überfluessig, die vorgelegten Fragen zu beantworten. Wie die Kommission ausführt, besteht immer die Gefahr, daß die heutige Praxis fortgesetzt wird, so daß die Feststellung, ob die frühere Politik rechtswidrig war, immer noch für eine etwaige Schadensersatzpflicht des Ministeriums von Bedeutung bleibt.

Die Vorlagefragen

32 Der Raad van State hat folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. a) Gelten die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe angesichts der Systematik der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft in Verbindung mit der Richtlinie 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 über Abfälle (in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG) allein für die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen zwischen Mitgliedstaaten oder auch für die zur Verwertung bestimmten Abfälle?

b) Falls der Gerichtshof der Ansicht ist, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nicht aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 und der Richtlinie 75/442/EWG auf die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen zwischen Mitgliedstaaten angewandt werden können, kann Artikel 130t EG-Vertrag dann eine Grundlage für eine Regelung bieten, wie sie der von der niederländischen Regierung erstellte Mehrjahresplan zur Beseitigung gefährlicher Abfälle vom Juni 1993 in diesem Punkt enthält?

2. In dem genannten Mehrjahresplan werden die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe durch ein Streben nach einer möglichst hochwertigen Beseitigungsweise (einschließlich der Verwertung) und nach der Kontinuität der Beseitigung konkretisiert. Ist dies eine korrekte Umsetzung dieser Grundsätze?

3. a) Handelt es sich, sofern die im Mehrjahresplan festgelegten Kriterien für die Erhebung von Einwänden gegen die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmten Abfällen als solche zulässig sind, hier um eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 34 EG-Vertrag, und gibt es dafür eine Rechtfertigung?

b) Spielt es in diesem Zusammenhang eine Rolle, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe, wenn sie auf zur Verwertung bestimmte Abfälle angewandt werden können, primär innerhalb der Gemeinschaft als Ganzes oder ausschließlich auf nationaler Ebene angewandt werden?

4. Stehen die ausschließlichen Rechte, wie sie der niederländische Staat in Abschnittsplan 10 von Teil II des Mehrjahresplans der AVR Chemie CV für die Verbrennung gefährlicher Abfälle gewährt hat, angesichts der hierfür im Mehrjahresplan gegebenen Begründung im Einklang mit Artikel 90 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag?

33 Schriftliche Erklärungen haben eingereicht die Klägerinnen, die niederländische und die französische Regierung und die Kommission. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen, die niederländische und die dänische Regierung sowie die Kommission Ausführungen gemacht.

Frage 1 a

34 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe angesichts der Systematik der Verordnung und der Richtlinie sowohl für die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen als auch für die zur Verwertung bestimmter Abfälle gelten.

Die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe

35 Bei der Beantwortung dieser Frage könnte es sich als nützlich erweisen, zunächst die Bedeutung und die Geschichte der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe und ihre Anwendung durch den Gerichtshof zu untersuchen.

36 Der Grundsatz der Entsorgungsautarkie kommt zum Ausdruck in dem Erfordernis des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie, daß ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu errichten ist, die es "der Gemeinschaft insgesamt erlauben, die Entsorgungsautarkie zu erreichen, und es jedem einzelnen Mitgliedstaat ermöglichen, diese Autarkie anzustreben, wobei die geographischen Gegebenheiten oder der Bedarf an besonderen Anlagen für bestimmte Abfallarten berücksichtigt werden". Der Grundsatz der Nähe kommt zum Ausdruck in dem Erfordernis des Artikels 5 Absatz 2 der Richtlinie, daß dieses Netz es gestatten muß, daß "die Abfälle in einer der am nächsten gelegenen geeigneten Entsorgungsanlagen beseitigt werden". Wie bereits ausgeführt(12), wird auf diese Grundsätze auch in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i und (nur für die Entsorgungsautarkie) in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Abfallverordnung Bezug genommen.

37 Die Umweltpolitik erhielt eine ausdrückliche Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht durch die Einheitliche Europäische Akte, die am 1. Juli 1987 in Kraft trat und einen besonderen Titel über die Umwelt in den Vertrag einführte. Dieser Titel(13) umfasst die Artikel 130r, 130s und 130t und wurde durch den Vertrag über die Europäische Union geändert. Artikel 130r Absatz 2 bestimmt, daß die Umweltpolitik der Gemeinschaft u. a. auf dem Grundsatz beruht, daß "Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen [sind]" (nachstehend: Grundsatz der Bekämpfung am Ursprung). Dieser Grundsatz ist vom Gerichtshof in der Rechtssache Kommission/Belgien (wallonische Abfallrechtssache)(14) dahin ausgelegt worden, daß "es Sache jeder Region, Gemeinde oder anderen Gebietskörperschaft ist, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Aufnahme, Behandlung und Beseitigung ihrer eigenen Abfälle sicherzustellen; diese sind daher möglichst nah am Ort ihrer Erzeugung zu beseitigen, um ihre Verbringung soweit wie möglich einzuschränken"(15). Der Gerichtshof hat auch den Grundsatz der Bekämpfung am Ursprung als mit den Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und der Nähe vereinbar erklärt, die im Basler Übereinkommen aufgestellt werden(16).

38 Die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe treten in einer Gemeinschaftsregelung wohl zum ersten Mal in der Mitteilung der Kommission zur Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft vom 18. September 1989(17) zutage, der eine Entschließung des Rates vom 7. Mai 1990 folgte(18). Die Mitteilung der Kommission erwähnte keinen der beiden Grundsätze ausdrücklich, bezeichnete es aber als notwendig, ein Netz von Möglichkeiten für die endgültige Beseitigung von Abfall zu schaffen, um bestimmte Bereiche in der Gemeinschaft nicht schwach ausgestattet zu lassen, und als wünschenswert, Abfall möglichst nahe an den geeigneten Zentren zu beseitigen (mit Ausnahmen für wiederverwertbaren Abfall)(19). Die Entschließung des Rates erwähnte die Nähe nur mittelbar (siebte Begründungserwägung und Abschnitte 7 und 11 des Textes der Entschließung), nannte aber Entsorgungsautarkie ausdrücklich in der fünften Begründungserwägung (vgl. auch Abschnitt 7 des Textes).

39 In der wallonischen Abfallrechtssache hat sich der Gerichtshof auf die Aufstellung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Basler Übereinkommen über die Kontrolle des grenzueberschreitenden Verkehrs mit Sonderabfällen und ihrer Beseitigung bezogen(20). Das Übereinkommen wurde am 22. März 1989 unterzeichnet und am 1. Februar 1993 nach dem Urteil in der wallonischen Abfallrechtssache durch den Beschluß 93/98/EWG des Rates im Namen der Gemeinschaft genehmigt(21). Mit der Abfallverordnung sollte u. a. das derzeitige gemeinschaftliche System zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen mit den Anforderungen des Übereinkommens in Einklang gebracht werden, wie der vierten Begründungserwägung des Beschlusses 93/98 und der ersten Begründungserwägung der Verordnung zu entnehmen ist. Obwohl sich das Übereinkommen in seinem Titel nur auf die Kontrolle der grenzueberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer "Entsorgung" bezieht, gilt es sowohl für zur Beseitigung als auch für zur Verwertung bestimmten Abfall, da der Begriff "Entsorgung" Verwertungsmaßnahmen umfasst(22). Es gilt ferner auch für bestimmte ungefährliche Abfälle(23).

40 Die Ausdrücke "Entsorgungsautarkie" und "Nähe" treten als solche im Übereinkommen nicht auf. Die diesen Grundsätzen zugrunde liegenden Gedanken können indessen als im Übereinkommen verankert betrachtet werden, wenn man folgende Bestimmungen berücksichtigt.

41 Das Übereinkommen verpflichtet die Parteien, "sicherzustellen, daß die grenzueberschreitende Verbringung gefährlicher und sonstiger Abfälle auf ein Mindestmaß verringert wird, das mit einer vernünftigen und wirksamen Behandlung solcher Abfälle vereinbar ist"(24), sowie "sicherzustellen, daß die grenzueberschreitende Verbringung gefährlicher und sonstiger Abfälle nur zugelassen wird, wenn

a) der Ausfuhrstaat nicht die technische Kapazität und die notwendigen Möglichkeiten, Kapazitäten oder passenden Entsorgungsplätze aufweist, um die betreffenden Abfälle ökologisch vernünftig und wirksam zu beseitigen; oder

b) die betreffenden Abfälle im Einfuhrstaat als Ausgangsstoff für Rückführungs- oder Wiedergewinnungsindustrien erforderlich sind; oder

c) die grenzueberschreitende Verbringung im Einklang mit anderen von den Parteien festgelegten Kriterien erfolgt, falls diese Kriterien den Zielen dieses Übereinkommens nicht entsprechen"(25).

42 Ausserdem ist die Ausfuhr von Abfällen nach dem Übereinkommen nur zulässig, wenn der Einfuhrstaat Einfuhren nicht untersagt hat und der Ausfuhrstaat keinen Anlaß zu der Annahme hat, daß die betreffenden Abfälle nicht ökologisch vernünftig behandelt werden(26).

43 Darüber hinaus verpflichtet Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens alle Parteien, "die Verfügbarkeit angemessener Beseitigungsmöglichkeiten für eine ökologisch vernünftige Behandlung gefährlicher und anderer Abfälle sicherzustellen, die sich soweit irgend möglich ohne Rücksicht auf den Ort ihrer Beseitigung in ihrem Gebiet befinden"(27). Das scheint dem Grundsatz der Entsorgungsautarkie zu entsprechen, wie er in Nummer 36 dieser Schlussanträge dargestellt wurde.

44 Allerdings ist eingewandt worden, daß der Grundsatz der Entsorgungsnähe dem Übereinkommen nicht entnommen werden könne, weil dieses zwar eine ökologisch vernünftige Beseitigung fordere, aber nicht darauf bestehe, daß Abfälle in der nächstmöglichen Anlage beseitigt würden(28). Es ziele lediglich auf eine Verringerung grenzueberschreitender Verbringungen von Abfall ab. Dieses Ziel bewegt sich indessen zumindest in die Richtung des Grundsatzes der Nähe, auch wenn seine Anwendung in bestimmten Fällen diesem Grundsatz zuwiderlaufen wird (d. h., wenn eine Beseitigungsanlage im Ausland näher liegt als die nächste Anlage im Inland).

Die Rechtsprechung

45 Die Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe auf den freien Verkehr von Abfällen ist vom Gerichtshof bereits in einem gewissen Umfang in der wallonischen Abfallrechtssache behandelt worden(29). In dieser Rechtssache ging es um eine wallonische Maßnahme, die das Lagern, Zwischenlagern oder Ableiten von Abfällen aus einem anderen Mitgliedstaat oder einer anderen Region Belgiens als Wallonien untersagte. Diese Maßnahme verstieß angeblich gegen Artikel 30 des Vertrages. Der Gerichtshof hat die Maßnahme gebilligt, soweit diese sich auf nicht unter die Richtlinie 84/631(30) fallende Abfälle bezog, weil sie "durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt war". Der Gerichtshof hat wie folgt argumentiert:

"Es trifft zu, daß zwingende Erfordernisse nur zu berücksichtigen sind, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die unterschiedslos auf einheimische und eingeführte Erzeugnisse anwendbar sind ... Um jedoch die Frage zu beurteilen, ob die beanstandete Beeinträchtigung diskriminierend ist oder nicht, ist die Besonderheit der Abfälle zu berücksichtigen. Der für die Umweltpolitik der Gemeinschaft in Artikel 130r Absatz 2 EWG-Vertrag aufgestellte Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen, bedeutet nämlich, daß es Sache jeder Region, Gemeinde oder anderen Gebietskörperschaft ist, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Aufnahme, Behandlung und Beseitigung ihrer eigenen Abfälle sicherzustellen; diese sind daher möglichst nahe am Ort ihrer Erzeugung zu beseitigen, um ihre Verbringung soweit wie möglich einzuschränken.

Dieser Grundsatz steht im übrigen mit den Grundsätzen der Entsorgungsautarkie und der Entsorgungsnähe im Einklang, die in der von der Gemeinschaft unterzeichneten Baseler Konvention vom 22. März 1989 über die Kontrolle des grenzueberschreitenden Verkehrs mit Sonderabfällen und ihrer Beseitigung aufgestellt werden ...

Daraus ergibt sich, daß die beanstandeten Maßnahmen unter Berücksichtigung der zwischen den Abfällen je nach dem Ort ihrer Erzeugung bestehenden Unterschiede und ihres Zusammenhangs mit dem Ort ihrer Erzeugung nicht als diskriminierend angesehen werden können."(31)

46 Verschiedene Aspekte dieses Urteils sind kritisiert worden, insbesondere die Art und Weise, wie der Gerichtshof die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe angewandt hat, um zu der Feststellung zu gelangen, daß das Einfuhrverbot nicht diskriminierend sei(32). Man muß allerdings darauf hinweisen, daß sich nicht sagen lässt, der Gerichtshof habe das Verbot anhand der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe als solchen gerechtfertigt. Obwohl er diese Grundsätze für seine Feststellung herangezogen hat, daß die Maßnahme nicht diskriminierend sei, hat er als ökologische Rechtfertigung die beschränkte Kapazität Walloniens für die Aufnahme von Abfällen zur Zwischenlagerung und die sich hieraus ergebende wirkliche Umweltgefährdung durch Einfuhren von Abfällen zur Zwischenlagerung herausgestellt(33). Er hat hierzu ausgeführt:

"Was die Umwelt betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß Abfälle Gegenstände besonderer Art sind. Ihre Ansammlung stellt, noch bevor sie die Gesundheit gefährden, angesichts der beschränkten Aufnahmekapazität der einzelnen Region oder des einzelnen Ortes eine Gefahr für die Umwelt dar.

Im vorliegenden Fall hat die belgische Regierung - von der Kommission unwidersprochen - geltend gemacht, daß es zu einem massiven und anomalen Zustrom von Abfällen aus anderen Regionen zum Zweck der Ablagerung in Wallonien gekommen sei, der angesichts der begrenzten Kapazität dieser Region eine echte Gefahr für die Umwelt darstelle.

Folglich ist das Vorbringen, daß die beanstandeten Maßnahmen durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt seien, als begründet anzusehen."(34)

47 Demgemäß hat der Gerichtshof aus meiner Sicht wohl kaum einer Blankoanwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe zur Rechtfertigung gegen die Artikel 30 und 34 verstossender Maßnahmen das Wort geredet. Jede Maßnahme zur Durchführung dieser Grundsätze muß meines Erachtens individuell gerechtfertigt werden. Das ist ein für unseren Fall wichtiger Punkt, weil das vorlegende Gericht ausdrücklich feststellt, daß, falls der Gerichtshof der Ansicht sein sollte, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe zur Stützung von Einwänden gegen die geplante Ausfuhr von zur Verwertung bestimmten Abfällen herangezogen werden können, sich die Frage stelle, ob Artikel 34 die Anwendung dieser Grundsätze einschränke.

48 Die Auffassung, daß die Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe von der Beachtung der Artikel 30 und 34 abhängig sind, wird auch dadurch gestützt, daß die Gemeinschaftsvorschriften, die diese Grundsätze eingeführt haben, keine zwingenden Formulierungen aufweisen. So heisst es in Artikel 5 der Richtlinie, daß es "[d]ieses Netz ... es der Gemeinschaft insgesamt erlauben [muß], die Entsorgungsautarkie zu erreichen, und es jedem einzelnen Mitgliedstaat ermöglichen [muß], diese Autarkie anzustreben, wobei die geographischen Gegebenheiten oder der Bedarf an besonderen Anlagen für bestimmte Abfallarten berücksichtigt werden". Obwohl die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, angemessene Maßnahmen zu treffen, "um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu errichten", so haben sie dies doch "in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten, wenn sich dies als notwendig oder zweckmässig erweist", zu tun. Ausserdem spricht Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung von der Anwendung der Grundsätze "im Einklang mit dem Vertrag"(35). Somit lässt sich in den Rechtsvorschriften kein Anhaltspunkt dafür finden, daß die Durchführung der Grundsätze von der Einhaltung des Vertrages unabhängig sein sollte.

49 Wie ich in meinen zweiten Schlussanträgen in der wallonischen Abfallrechtssache ausgeführt habe(36), darf das Ziel der Entsorgungsautarkie nicht unter Verstoß gegen die Artikel 30 bis 36 verwirklicht werden. Gleiches gilt für den Grundsatz der Nähe. So können die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe zwar annehmbare Erwägungen im Zusammenhang mit zur Beseitigung bestimmtem Abfall liefern, sie dürfen indessen nicht in jedem Fall als Rechtfertigung für Einwände gegen eine besondere Verbringung von Abfällen herangezogen werden. Bei der Beantwortung der ersten Frage werde ich daher lediglich prüfen, ob nach dem Willen der Verordnung und der Richtlinie die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe als allgemeine Erwägungen zusätzlich zu Verbringungen von zur Beseitigung bestimmtem Abfall auch auf Verbringungen von zur Verwertung bestimmtem Abfall anzuwenden sind.

50 Das Urteil Wallonischer Abfall ist jedenfalls kein Präjudiz für eine Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe auf zur Verwertung bestimmten Abfall, weil diese Rechtssache zur Beseitigung bestimmten Abfall betraf. Obwohl die Anführung der "Behandlung" in Randnummer 34 des Urteils mehrdeutig ist, betraf die Maßnahme in diesem Fall die Lagerung, Zwischenlagerung und Ableitung, die allesamt - mit der möglichen Ausnahme der Lagerung - Beseitigungsmaßnahmen sind(37).

51 Das vorlegende Gericht führt zwei weitere Rechtssachen an: Kommission/Deutschland(38) und Kommission/Rat(39). Diese Urteile können indessen als in der vorliegenden Sache nicht einschlägig ausgeschieden werden. In der Rechtssache Kommission/Deutschland hat der Gerichtshof zum Grundsatz der Bekämpfung am Ursprung (Artikel 130r Absatz 2 des Vertrages) entschieden, daß bestimmte von Deutschland festgelegte Beschränkungen der grenzueberschreitenden Verbringung von Abfällen nicht gegen die Richtlinien 84/631(40) und 86/279(41) verstießen. Das Urteil bezieht sich aber auf zur Beseitigung bestimmten Abfall, und selbst wenn sich zeigen ließe, daß der Ausdruck "Beseitigung" untechnisch gebraucht wurde, lag der Sachverhalt vor der Verordnung. Ausserdem stellten die deutschen Beschränkungen nicht etwa ein unmittelbares Ausfuhrverbot dar, sondern waren ausdrücklich auf eine Reihe von Umständen beschränkt, die ökologisch gerechtfertigt erschienen.

52 In der zweiten Rechtssache (Kommission/Rat) hat der Gerichtshof festgestellt, daß Artikel 7 der Richtlinie die Mitgliedstaaten ermächtigt, Verbringungen von zur Beseitigung oder zur Verwertung bestimmten Abfällen zu verhindern, die nicht ihren Abfallbewirtschaftungsplänen entsprechen(42). Daraus folgt indessen nicht notwendig, daß Abfallbewirtschaftungspläne rechtmässig auch Beschränkungen der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen wegen der Durchführung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe enthalten dürfen. Ausserdem ist das Urteil in dieser Rechtssache, wie das vorlegende Gericht bemerkt, zu einem Zeitpunkt ergangen, als die Verordnung noch nicht anwendbar war(43).

Würdigung

53 Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen, die Kommission und Frankreich geltend, das Gemeinschaftsrecht bringe die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmten Abfällen nicht zur Anwendung. Die Niederlande und Dänemark sind allerdings der entgegengesetzten Auffassung.

54 Für mich ist es klar, daß Richtlinie und Verordnung nicht von einer Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmtem Abfall ausgehen. Zu diesem Ergebnis gelange ich aufgrund des Inhalts und des Systems der Richtlinie und der Verordnung, wenn ich sie im Licht der Entschließung des Rates vom 7. Mai 1990 auslege, in der der Rat die Ergänzung der ursprünglichen Regelung der Richtlinie beschlossen hat.

55 Die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe werden in der Richtlinie nur im Zusammenhang mit zur Beseitigung bestimmtem Abfall genannt (vgl. Artikel 5 und die siebte Begründungserwägung). Ähnlich werden sie in der Verordnung nur in der Aufführung der Gründe für Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmtem Abfall, nicht aber bei denen gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen genannt(44). Ausserdem führt die zehnte Begründungserwägung der Verordnung die Grundsätze der Nähe, des Vorrangs für die Verwertung und der Entsorgungsautarkie (in ähnlicher Weise wie Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung) im Zusammenhang mit "zur Beseitigung bestimmtem Abfall" an: "Zur Anwendung des Prinzips der Nähe, des Vorrangs für die Verwertung und des Grundsatzes der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Ebene gemäß der Richtlinie 75/442/EWG müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten erhalten, durch Maßnahmen im Einklang mit dem Vertrag die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder gegen jede Verbringung solcher Abfälle Einwand zu erheben ..."

56 Zwar ist, wie das vorlegende Gericht bemerkt, einer der Gründe für Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen der, daß die Verbringung nicht der Richtlinie, insbesondere Artikel 7, entspricht, und Artikel 7 behandelt die Durchsetzung von Abfallbewirtschaftungsplänen, ohne ausdrücklich die Möglichkeit auszuschließen, daß solche Pläne die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe auf zur Verwertung bestimmten Abfall zur Anwendung bringen. Wie indessen die Klägerinnen betonen, soll Zweck der Abfallbewirtschaftungspläne nach Artikel 7 ausdrücklich die Verwirklichung der in den Artikeln 3, 4 und 5 genannten Ziele sein, und die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe werden in diesen Artikeln nur im Zusammenhang mit zur Beseitigung bestimmtem Abfall angeführt (Artikel 5).

57 Ausserdem hieß es in der den ursprünglichen Vorschlag der Verordnung begleitenden Erläuterung: "In der Strategie werden in diesem Zusammenhang zwei Kriterien vorgeschlagen, die ein Eingreifen der zuständigen Behörden bei der Abfallbeseitigung rechtfertigen können: die Entfernung und die ökologische und sinnvolle Bewirtschaftung. Für ein Eingreifen dieser Behörden im Zusammenhang mit der Wiederverwertung ... ist jedoch die ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung das einzige Kriterium."(45) Ähnlich heisst es dort: "Das in dem Verordnungsvorschlag vorgesehene System geht von dem Prinzip aus, daß jeder Transport, der vom Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde in irgendeinen anderen innerhalb der Gemeinschaft erfolgt, nach den gleichen Kriterien beurteilt wird (ökologische und sinnvolle Bewirtschaftung und, im Falle der Entsorgung, Nähe). Dieses System stellt auch die Versorgung der neuen Beseitigungsanlagen mit hohem Schutzniveau sicher."(46) Obwohl der letztlich beschlossene Wortlaut sich von dem unterscheidet, den die Kommission vorgeschlagen hatte (und auf den sich demgemäß die Erläuterungen bezogen), gleichen sich beide Fassungen, soweit hier von Belang, weil in beiden Fassungen der Grundsatz der Nähe als Grund für Einwände bei zur Beseitigung bestimmtem Abfall, nicht aber im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmtem Abfall angeführt wird(47).

58 Ausserdem wird in der zweiten Begründungserwägung der Abfallrichtlinie auf die Entschließung des Rates vom 7. Mai 1990 über die Abfallpolitik Bezug genommen, in der sich der Rat zur Änderung der Richtlinie verpflichtet hatte(48), und in dieser Entschließung heisst es, wenn auch nur in einer Fußnote: "Es wird festgestellt, daß das Ziel der Entsorgungsautarkie nicht für die Wiederverwertung gilt."(49) Man könnte auf den Gedanken kommen, daß das Fehlen einer vergleichbaren Fußnote im Zusammenhang mit Aussagen, die als Hinweise auf den Grundsatz der Nähe verstanden werden könnten(50), die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Nähe auf zur Verwertung bestimmten Abfall nahelegt. Einer solchen Auffassung kann ich mich indessen nicht anschließen. Es kann, wie ich noch darlegen werde, gute wirtschaftliche oder ökologische Gründe für die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen geben, die für zur Beseitigung bestimmten Abfall nicht gelten.

59 Es ist geltend gemacht worden, daß die Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmtem Abfall die Verwertung von Abfällen - im Gegensatz zu ihrer Beseitigung - uninteressant machen würde und daß dies dem ausdrücklichen Ziel des Artikels 3 der Richtlinie, diese Verwertung zu fördern, zuwiderlaufen würde(51). Den Klägerinnen zufolge ist die grenzueberschreitende Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen notwendig, um sicherzustellen, daß genug Aufträge anfallen, um die Verwertungsbranche wirtschaftlich tragfähig zu machen und den Wettbewerb zwischen Unternehmen zu fördern, um so die Entwicklung neuer Technologien zu fördern. Allerdings macht die niederländische Regierung aufgrund ähnlicher Gedankengänge geltend, daß Ausfuhren von zur Verwertung bestimmten Abfällen aus den Niederlanden eingeschränkt werden müssten, um sicherzustellen, daß AVR genug Aufträge und Ausgangsstoffe erhalte, um wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.

60 Klar ist indessen, daß die wirtschaftlichen und ökologischen Argumente für die Zulassung grenzueberschreitenden Handels stärker sind, wenn Abfall zu verwerten und nicht nur zu beseitigen ist. Ist Abfall lediglich zu beseitigen, so ist leicht einzusehen, daß die wirtschaftlichen Vorteile für Abfallbeseitigungsunternehmen aufgrund eines einzigen Marktes durch das ökologische Interesse überfluegelt werden, unnötige Verbringung von Abfällen zu verhindern und sicherzustellen, daß die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen treffen, um ihren eigenen Abfall ökologisch sinnvoll zu beseitigen. Jede Entwicklung von Technologien als Folge freier Verbringung von Abfall würde darüber hinaus auf die Abfallbeseitigung beschränkt bleiben.

61 Verwertbarer Abfall liefert andererseits Rohmaterialsubstitute für eine ganze Reihe von Gemeinschaftsindustrien. Die wirtschaftlichen Erträge eines einheitlichen Marktes sind daher viel grösser. Ausserdem sind die Umweltargumente viel feiner ausgewogen. Obwohl die Verbringung von Abfall über weite Strecken je nach Art des Abfalls bestimmte Umweltgefahren mit sich bringen kann, dürfte ein einziger Markt für zur Verwertung bestimmten Abfall eine verbesserte Rückführung bewirken und damit die Menge des zur Beseitigung bestimmten Abfalls verringern und Rohstoffe erhalten. Solche Erwägungen liegen zweifellos der Unterscheidung zugrunde, die in der Gemeinschaftsgesetzgebung getroffen worden ist.

62 So trifft die Verordnung eindeutig unterschiedliche Regelungen im Zusammenhang mit zur Verwertung und zur Beseitigung bestimmtem Abfall. Das ergibt sich aus der achten Begründungserwägung der Verordnung, wonach "je nach Art der Abfälle und ihrem Bestimmungsort, einschließlich der Frage, ob die Abfälle beseitigt oder verwertet werden sollen, unterschiedliche Verfahren angewandt werden [müssen]", und aus der Struktur der Verordnung. So behandelt Abschnitt A des Titels II das Verfahren bei der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen, Abschnitt B des gleichen Titels das Verfahren bei der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen. Das Verfahren bei der Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall ist insoweit weniger restriktiv, als die Genehmigung der zuständigen Behörden stillschweigend erteilt werden kann und keine allgemeinen Verbote festgelegt werden dürfen(52). Sollten indessen die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe allgemeine Gründe für Einwände nicht nur gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmtem, sondern auch gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall sein, würde der Unterschied zwischen den beiden Regelungen erheblich verringert werden, da mit Ausnahme eines Grundes, der mit der spezifischen Natur der Verwertung zusammenhängt, die anderen Gründe für Einwände nach den beiden Verfahren nahezu identisch sind.

63 Die Klägerinnen machen geltend, die Verordnung müsse im Licht des Basler Übereinkommens ausgelegt werden und dieses stelle klar, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nicht im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmtem Abfall gälten. Ich bin ebenfalls der Meinung, daß die Verordnung, da sie dieses Übereinkommen durchführen sollte(53), in dessen Licht ausgelegt werden kann. Ich glaube allerdings nicht, daß das Übereinkommen unser Problem löst.

64 Artikel 4 Absatz 2 des Übereinkommens verpflichtet, wie bereits dargelegt, die Parteien, die Verfügbarkeit angemessener Beseitigungsmöglichkeiten sicherzustellen(54), und der Ausdruck "Beseitigung" ist im Übereinkommen so definiert, daß er Verwertungsmaßnahmen einschließt(55). Obwohl aber die Parteien allgemein verpflichtet sind, grenzueberschreitende Verbringungen von Abfällen zu verbieten, gelten doch bestimmte Ausnahmen, darunter die, daß der betreffende Abfall "im Einfuhrstaat als Ausgangsstoff für Rückführungs- oder Wiedergewinnungsindustrien erforderlich" ist(56).

65 Die Klägerinnen und die Kommission bringen vor, diese Ausnahme deute darauf hin, daß das Übereinkommen für den freien Verkehr mit zur Verwertung bestimmtem Abfall begünstigt habe und nicht die Absicht gehabt habe, die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe auf zur Verwertung bestimmten Abfall anzuwenden. Andererseits lässt sich anführen, daß die Erwähnung von Abfall, der "als Ausgangsstoff" "erforderlich" ist, bedeutet, daß eine Ausfuhr nur erlaubt werden darf, wenn der Abfall im Ausland knapp ist. Ausserdem gilt auch noch die eher vage Ausnahme des Artikels 4 Absatz 9 Buchstabe c des Übereinkommens, der grenzueberschreitende Verbringung nach Maßgabe "anderer Kriterien" zulässt. Ferner könnte Artikel 11 des Übereinkommens von Bedeutung sein. Dieser Artikel gestattet es den Vertragsparteien, bilaterale, multilaterale und regionale Übereinkommen oder Vereinbarungen über grenzueberschreitende Verbringung gefährlicher oder anderer Abfälle mit Vertragsparteien oder Nichtvertragsparteien abzuschließen, falls diese Übereinkommen oder Vereinbarungen nicht von der ökologisch sinnvollen Bewirtschaftung gefährlicher oder sonstiger Abfälle abweichen, wie sie das Übereinkommen vorschreibt(57). Alle solchen Übereinkommen oder Vereinbarungen sind dem Sekretariat zu notifizieren.

66 Es lässt sich sagen, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe auf jeden Fall nur auf Gemeinschaftsebene gelten und das Übereinkommen nicht so ausgelegt werden kann, daß es die Gemeinschaft zur Einführung von Maßnahmen zwänge, die mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr unvereinbar wären.

67 Es besteht daher meines Erachtens nach dem Übereinkommen weder eine klare Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe heranzuziehen, um Verbringungen von zur Verwertung bestimmtem Abfall im innergemeinschaftlichen Handel zu verbieten, noch stellt das Übereinkommen klar, daß diese Grundsätze im Zusammenhang mit zur Verwertung bestimmtem Abfall nicht gelten sollten(58). Das Übereinkommen ist daher meines Erachtens bei der Auslegung der Verordnung nur wenig hilfreich.

68 Gleichwohl bin ich der Auffassung, daß aus den in den Nummern 54 bis 62 dieser Schlussanträge angeführten Gründen die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nach der Verordnung und der Richtlinie auf zur Verwertung bestimmten Abfall keine Anwendung finden.

69 Das bedeutet indessen nicht, daß in einem besonderen Fall ein Einwand gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmtem Abfall nicht nach Gemeinschaftsrecht aus Gründen des Umwelt- oder des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sein könnte, wenn z. B. besonders gefährliche Abfälle unnötig weit verbracht werden und damit ein unannehmbares Risiko für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt geschaffen wird. Solche Risiken nehmen proportional zu der Entfernung zu, über die der Abfall verbracht wird(59).

Frage 1 b

70 Die nächste Frage geht dahin, ob, wenn schon die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe aufgrund der Verordnung und der Richtlinie nicht anwendbar sind, die streitige Bestimmung nicht nach Artikel 130t des Vertrages gerechtfertigt sein kann.

71 Dieser Artikel lautet: "Die Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Artikels 130s getroffen werden, hindern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen müssen mit diesem Vertrag vereinbar sein. Sie werden der Kommission notifiziert."

72 Die Klägerinnen machen u. a. geltend, Artikel 130t könne keine Anwendung finden, weil die Gemeinschaftsbestimmungen den gesamten Bereich harmonisiert hätten und Artikel 130t bei völliger Harmonisierung keine Anwendung finden könne, die streitige Bestimmung aber auch, statt in die gleiche Richtung wie die gemeinschaftliche Regelung zu gehen, ihr eher zuwiderlaufe.

73 Es ist ausserdem darauf hinzuweisen, daß die streitige Bestimmung entgegen dem letzten Satz des Artikels 130t der Kommission nicht notifiziert worden ist. Die niederländische Regierung bestreitet die Behauptung der Kommission nicht, daß die Bestimmung dieser nicht notifiziert worden sei, erklärt dies aber damit, daß sie die Maßnahme als mit der Verordnung und der Richtlinie übereinstimmend angesehen habe.

74 Meines Erachtens braucht im vorliegenden Fall keine der im Rahmen des Artikels 130t möglicherweise entstehenden Fragen geklärt zu werden. Nach Artikel 130t müssen die darin für zulässig erklärten Maßnahmen mit den anderen Bestimmungen des Vertrages vereinbar sein. Aus Gründen, die ich noch darlegen werde, verstösst aber die streitige Bestimmung meines Erachtens gegen Artikel 34 des Vertrages.

Frage 2

75 Mit der zweiten Frage soll offenbar in Erfahrung gebracht werden, ob die streitige Bestimmung eine ordnungsgemässe Durchführung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe darstellt. Da ich zu dem Ergebnis gekommen bin, daß diese Grundsätze bei zur Verwertung bestimmtem Abfall keine Anwendung finden, mag eine Befassung mit dieser Frage überfluessig erscheinen. Gleichwohl sei hierzu folgendes bemerkt.

76 Das vorlegende Gericht geht anscheinend davon aus, daß die streitige Bestimmung, selbst wenn die Grundsätze gelten sollten, nicht notwendig sein könnte, um deren Durchführung sicherzustellen. Die Kommission scheint sich dieser Auffassung anschließen zu wollen.

77 Es lässt sich aber wohl sagen, daß die streitige Bestimmung in irgendeiner Weise einen Beitrag zur Verwirklichung der Entsorgungsautarkie und der Nähe leisten dürfte. Sie verringert zunächst die Anzahl der grenzueberschreitenden Verbringungen von Abfall, was in den meisten, wenn nicht in allen Fällen bedeutet, daß der Abfall näher zu seiner Entstehung beseitigt wird, als dies sonst der Fall wäre. Zweitens könnte sie einen Beitrag zur Erreichung der Entsorgungsautarkie leisten, wenn ein begrenztes Ausfuhrverbot, wie die niederländische Regierung darlegt, notwendig ist, um AVR genügend Aufträge und Ausgangsmaterial zu sichern und sie damit wirtschaftlich tragfähig zu machen.

78 Was den Grundsatz der Nähe betrifft, könnten allerdings in einem besonderen Fall einige ausländische Beseitigungsanlagen näher als AVR beim Ursprung des betreffenden Abfalls liegen. Damit könnte in manchen Fällen die streitige Bestimmung tatsächlich gegen den Grundsatz der Nähe verstossen. Beim Grundsatz der Entsorgungsautarkie stehen die Mitgliedstaaten, wie die Kommission betont, nicht unter der absoluten Pflicht, autark zu werden.

79 Darüber hinaus ist auch bei der Anwendung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe, wie bereits erwähnt(60) und später noch bei Frage 3 a ausführlich erörtert, das Gemeinschaftsrecht zu beachten, darunter auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Frage 3 a

80 Die dritte Frage geht in ihrem ersten Teil dahin, ob die streitige Bestimmung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 34 des Vertrages darstellt und, falls ja, ob sie gleichwohl gerechtfertigt werden kann.

81 Es bedarf zunächst einer Klärung der Art der streitigen Bestimmung. Die Klägerinnen machen, wie bereits erwähnt(61), geltend, es habe ein völliges Verbot der Ausfuhr von Ölfiltern gegolten, weil sie vermutlich davon ausgehen, daß entschieden worden sei, daß die Qualität der Behandlung dieser Filter im Ausland nirgendwo hochwertiger sei als in den Niederlanden und daß folglich ein allgemeines Verbot verhängt worden sei. Das vorlegende Gericht ist demgegenüber der Auffassung, daß nach dem Plan keine Gründe für einen Einwand gegen die Ausfuhr bestanden hätten, wenn tatsächlich der Nachweis erbracht werden könnte, daß im Ausland eine bessere Bearbeitungsmethode zur Verfügung stuende. Da die Art des Planes eine tatsächliche Frage ist und das nationale Recht betrifft, sollte die Untersuchung auf der Grundlage dieser Annahme des vorlegenden Gerichts weitergeführt werden.

82 Nach ständiger Rechtsprechung ist Artikel 34 nicht auf Maßnahmen anwendbar, die unterschiedslos für den Binnenhandel wie für die Ausfuhr gelten. Das Kriterium, das bei zahlreichen Gelegenheiten angewandt worden ist, ist das im Urteil Öbel(62) dargelegte, wonach nämlich Artikel 34 nur solche nationalen Maßnahmen betrifft, die zwei Voraussetzungen erfuellen: Erstens bezwecken oder bewirken sie spezifisch, die Ausfuhrwege zu beschränken, und zweitens schaffen sie damit einen Unterschied zwischen dem Binnenhandel eines Mitgliedstaats und dem Ausfuhrhandel dergestalt, daß der einheimischen Produktion oder dem Binnenmarkt des betreffenden Staates ein Vorteil erwächst.

83 Im vorliegenden Fall dürften diese Voraussetzungen erfuellt sein. Spezifischer Zweck oder spezifische Wirkung der streitigen Bestimmung ist die Beschränkung der Ausfuhrwege. Ausserdem ist sie diskriminierend, weil sie einen inländischen Abfallbearbeiter gegenüber Bearbeitern in anderen Mitgliedstaaten begünstigt. Folglich stellt die streitige Bestimmung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung im Sinne des Artikels 34 dar.

84 Ich wende mich damit der Frage der Rechtfertigung zu. Die niederländische Regierung macht geltend, daß ihre Einwände gegen die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall auf die Erzielung der bestmöglichen Methode der Verwertung und der Kontinuität der Beseitigung abgestellt und diese Zielvorstellungen von dem Wunsch getragen seien, Gesundheit und Leben der Menschen zu schützen. Sie bezieht sich insoweit auf die fünfte Begründungserwägung der Verordnung, der zufolge "ein hohes Schutzniveau für Umwelt und menschliche Gesundheit gewährleistet" sein müsse.

85 Bei diesen Ausführungen scheint sich indessen die niederländische Regierung auf die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall allgemein zu beziehen. Sie hat nicht nachgewiesen, daß die Verbringung der betreffenden Ölfilter das Leben oder die Gesundheit der Menschen mehr als notwendig bedroht. Ebensowenig hat sie bewiesen, daß die Natur des Verwertungsverfahrens im Ausland eine solche Gefahr birgt - wenn man einmal davon ausgeht, daß sie sich überhaupt auf solche Erwägungen berufen könnte. Es wird nicht vorgetragen, daß die Verwertungsmöglichkeiten von Factron nicht den erforderlichen Standards entsprächen. Die niederländische Regierung ging nämlich seinerzeit davon aus, daß das Verwertungsverfahren von Factron mit dem von AVR vergleichbar, wenn auch ihm nicht überlegen war. Wie die Kommission betont, weisen die Beschlüsse, mit denen Einwände gegen die Verbringung erhoben wurden, keinen Hinweis auf die öffentliche Gesundheit auf, obwohl Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich Einwände zulässt, wenn die Verbringung nicht gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit erfolgt.

86 Zur Stützung ihrer Auffassung, daß die streitige Bestimmung nicht gerechtfertigt war, berufen sich die Klägerinnen auf einen Beschluß des niederländischen Ministeriums vom 24. September 1996, der sich auf einen weiteren Antrag von Dusseldorp auf Ausfuhr von Abfällen bezieht. Das Ministerium habe in diesem Beschluß festgestellt, daß es zwar nach dem Plan keinen Grund gebe, die Ausfuhr von Ölfiltern nach Belgien zu genehmigen, da die Behandlung in Belgien nicht hochwertiger sei als die in den Niederlanden, daß aber der Plan gegenwärtig wegen des Beschlusses des Raad van State, mit dem die vorliegenden Fragen dem Gerichtshof vorgelegt worden seien, keinen hinreichenden Grund für einen Einwand gegen die Ausfuhr von Ölfiltern zur Verwertung (nach Maßgabe des Artikels 7 Absatz 4 erster Gedankenstrich der Verordnung) biete.

87 Ausserdem verweisen die Klägerinnen darauf, daß die niederländische Regierung nunmehr ähnliche Verbringungen zulasse. Die Regierung räume ein, daß sie dabei sei, ihre Politik in der Weise zu ändern, daß Einwände gegen die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall nach Maßgabe des Verhältnisses der Verwertung im Ausland zu der in den Niederlanden erhoben würden(63). Sie stelle lediglich etwas undurchsichtig und wenig überzeugend fest, daß diese Änderung der Politik erfolge, weil bei zur Verwertung bestimmtem Abfall die Bedeutung der Entsorgungsautarkie für Gesundheit und Umwelt abgenommen habe. Eine weitere Erklärung werde nicht gegeben.

88 Daraus lässt sich wohl schließen, daß die beabsichtigte Verbringung von Abfällen keine Bedrohung der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen gewesen wäre und daß folglich Artikel 36 für die Anwendung der streitigen Bestimmung im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann.

89 Umwelterwägungen, die über die in Artikel 36 angeführten Schutzbedürfnisse hinausgehen, könnten als zwingende Erfordernisse im Sinne des Urteils Cassis de Dijon(64) betrachtet werden. Eine Rechtfertigung für Maßnahmen, die unter Artikel 34 fallen, können sie indessen nur dann darstellen, wenn die Maßnahme unterschiedslos angewandt wird. Das legt natürlich den Gedanken nahe, daß zwingende Erfordernisse nie unter Artikel 34 fallende Maßnahmen rechtfertigen können, da Maßnahmen nur dann unter Artikel 34 fallen, wenn sie diskriminierend sind(65).

90 In der wallonischen Abfallrechtssache bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß das wallonische Einfuhrverbot nicht mit Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt werden konnte, weil es Einfuhren diskriminiert. Der Gerichtshof hat diesen Rechtfertigungsgrund gleichwohl zur Anwendung gebracht, weil er feststellte, daß die Maßnahme nicht diskriminierend sei. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, musste er indessen Umwelterwägungen anstellen, weil er sich auf die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe bezog. Dies ist nicht der erste Fall, in dem der Gerichtshof gezwungen war, zu eher gewundenen Erklärungen Zuflucht zu nehmen, um Maßnahmen wegen zwingender Erfordernisse rechtfertigen zu können(66). Allerdings ist es wohl das "schlagendste Beispiel"(67).

91 Selbst wenn indessen anzunehmen wäre, daß die streitige Bestimmung unter bestimmten Umständen nach Maßgabe eines zwingenden Bedürfnisses des Umweltschutzes gerechtfertigt werden könnte, so wäre sie doch meines Erachtens dem Sachverhalt nach nicht gerechtfertigt, weil eine Umweltbedrohung nicht nachgewiesen worden ist. Es ist nicht der Nachweis erbracht worden, daß die Verbringung der betreffenden Abfälle für sich genommen eine Umweltgefährdung darstellt. Ausserdem ist, wie bereits ausgeführt, nicht behauptet worden, daß die Bearbeitung im Ausland nicht den erforderlichen Voraussetzungen entspreche. Wie der Gerichtshof im Urteil Inter-Huiles(68) ausgeführt hat, ist unter solchen Umständen "[d]er Schutz der Umwelt ... unbestreitbar genauso streng gewährleistet, wenn die Öle, statt im Ursprungsmitgliedstaat beseitigt zu werden, an ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Beseitigungs- oder Aufbereitungsunternehmen verkauft werden". Auch auf die Rechtssache Nertsvöderfabriek Nederland(69) ist hier hinzuweisen, in der der Gerichtshof festgestellt hat, daß es nicht erforderlich sei, die Ausfuhr von Gefluegelschlachtabfällen zu verbieten, wenn die Gesundheitsvorschriften für die Entfernung und den Transport im Inland beachtet seien.

92 Die niederländische Regierung macht geltend, die Bestimmung sei erforderlich, um eine angemessene Belieferung von AVR mit Ölfiltern für den Einsatz als Brennstoff sicherzustellen. Ohne eine angemessene Belieferung mit Ölfiltern wäre AVR gezwungen, einen weniger umweltfreundlichen Brennstoff zu verwenden. Indessen müsste, selbst wenn die Verhinderung der Verwendung eines weniger umweltfreundlichen Brennstoffs grundsätzlich als ein rechtfertigendes Umweltziel angesehen werden könnte, der Nachweis geführt werden, daß die streitige Bestimmung im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismässig wäre, und es ist nicht schlüssig dargelegt worden, daß eine ausreichende Belieferung mit umweltfreundlichem Brennstoff nicht mit Mitteln erreicht werden könnte, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beeinträchtigen würden(70).

93 Die niederländische Regierung macht schließlich geltend, das Ausfuhrverbot sei erforderlich, um so viel Ausgangsmaterial und Aufträge für AVR zu sichern, daß die wirtschaftliche Tragfähigkeit erreicht werde. In diesem Punkt entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß rein wirtschaftliche Gründe keine Vorschrift rechtfertigen können, die prima facie einen Verstoß gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr darstellt(71). Anderes könnte gelten, wenn es eine umweltbezogene Rechtfertigung gäbe, bei der wirtschaftliche Erwägungen nur eine untergeordnete Rolle spielten(72). Im vorliegenden Fall aber ist, wie wir sahen, keine umweltbezogene Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Aufgaben von AVR vorgetragen worden, um die es im vorliegenden Fall geht.

94 Ich komme daher bei der Beantwortung der Frage 3 a zu dem Ergebnis, daß die streitige Bestimmung eine mengenmässige Beschränkung der Ausfuhren im Sinne des Artikels 34 des Vertrages darstellt und nicht nach Artikel 36 oder nach Maßgabe zwingender Erfordernisse gerechtfertigt werden kann.

Frage 3 b

95 Die Frage 3 b wird nur für den Fall gestellt, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe für zur Verwertung bestimmten Abfall gelten. Da ich zu dem Schluß gelangt bin, daß diese Grundsätze im vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen, ist eine Erörterung der Frage 3 b nicht erforderlich.

Frage 4

96 Die Frage 4 bezieht sich darauf, ob die AVR nach Abschnittsplan 10 von Teil II des Planes(73) übertragenen ausschließlichen Rechte mit Artikel 90 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 86 des Vertrages vereinbar sind. Artikel 90 Absatz 1 bestimmt, daß die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 6 und 85 bis 94 widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Nach Artikel 90 Absatz 2 gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften des Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

97 Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß AVR infolge des Abschnittsplans 10 von Teil II des Planes ein öffentliches Unternehmen oder ein Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Vertrages sei. Ausserdem sei AVR als alleiniger Inhaber der Genehmigung für die Verbrennung gefährlichen Abfalls in den Niederlanden in einer beherrschenden Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes. Mithin müsse geprüft werden, ob AVR diese beherrschende Stellung entgegen Artikel 86 des Vertrages mißbraucht habe, wobei die Möglichkeit der Rechtfertigung nach Artikel 90 Absatz 2 zu berücksichtigen sei. Die niederländische Regierung vertritt demgegenüber die Auffassung, daß der Plan AVR nicht das ausschließliche Recht zur Verbrennung von Ölfiltern übertragen habe. Sie habe seinerzeit einen Vergleich des Behandlungsverfahrens von Factron für Altöle im Ausland mit dem von AVR nur deshalb durchgeführt, weil es seinerzeit kein anderes Unternehmen in den Niederlanden gegeben habe, das Altöl habe behandeln können, zumindest nicht auf einem so hohen Niveau. Mithin habe AVR keine ausschließlichen Rechte, soweit es um zur Verwertung bestimmten Abfall gehe. Die Frage, ob AVR ausschließliche Rechte für die Verbrennung von Ölfiltern übertragen worden sind, ist allerdings eine tatsächliche Frage, die das vorlegende Gericht zu entscheiden hat. Da bei Frage 4 vorausgesetzt wird, daß ausschließliche Rechte für die Verbrennung von Abfall übertragen wurden, und darauf hingewiesen worden ist, daß die Verwertung der Ölfilter bei AVR durch Verbrennung erfolgt, sollte der Gerichtshof seine Antwort auf der Grundlage geben, daß ausschließliche Rechte tatsächlich übertragen wurden. Die in Frage 4 erwähnten ausschließlichen Rechte sollten so verstanden werden, daß sie sowohl die allgemeine Ausschließlichkeit für die Verbrennung als auch jede andere aus der streitigen Bestimmung folgende Ausschließlichkeit umfassen.

98 Das vorlegende Gericht stellt seine Frage zur Anwendung des Artikels 90 ausdrücklich nur im Zusammenhang mit einem möglichen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch AVR entgegen Artikel 86. Die Kommission macht geltend, es sei daher, wenn die streitige Bestimmung, wie ich es vertrete, gegen Artikel 34 verstosse und nicht wegen zwingender Erfordernisse gerechtfertigt sei, nicht notwendig, die Frage 4 zu behandeln, weil die Bestimmung auf jeden Fall rechtswidrig sei. Die Frage 4 betrifft indessen nicht nur die Ausfuhrbeschränkung, die ich nach Artikel 34 geprüft habe, sondern auch die AVR gewährten ausschließlichen Rechte für die Verbrennung von Abfällen. Auf jeden Fall wird die Frage einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 nicht offensichtlich unerheblich, nur weil ein Verstoß gegen Artikel 34 festgestellt wurde, und die Notwendigkeit seiner Fragen hat in erster Linie das vorlegende Gericht zu beurteilen. Man könnte sich sogar fragen, ob Artikel 90 Absatz 2 auf einen Tatbestand anwendbar wäre, der unabhängig davon einen Verstoß gegen Artikel 34 darstellen würde(74). Es erscheint zweifelhaft, ob Artikel 90 Absatz 2 im vorliegenden Fall in dieser Weise angewandt werden könnte; es ist eine Sache, einem Unternehmen ausschließliche Rechte in einem Staat zum Zweck der Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse zu übertragen, aber eine ganz andere, diese ausschließlichen Rechte durch das Verbot des Handels zwischen Mitgliedstaaten zu stärken. Diese Frage ist aber im vorliegenden Fall nicht gestellt worden. Ich werde mich daher auf einige allgemeine Bemerkungen zum Mißbrauch einer beherrschenden Stellung entgegen Artikel 86 und zur möglichen Anwendung des Artikels 90 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit diesem Artikel beschränken.

99 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, daß AVR im allgemeinen für die Abfallbehandlung (einschließlich der Verwertung) höhere Preise als ausländische Unternehmen fordere und daß die im Plan enthaltene Politik auf eine Beschränkung der Märkte hinauslaufe, so daß möglicherweise ein Mißbrauch im Sinne der Buchstaben a oder b des Artikels 86 vorliege. Danach kann ein Mißbrauch insbesondere bestehen in "der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen" oder in "der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden des Verbrauchers".

100 Das vorlegende Gericht möchte keine besondere Aufklärung in bezug auf Artikel 86 selbst haben, so daß hier drei Bemerkungen ausreichend sein dürften. Zunächst hat ein Unternehmen, dem ein Staat ein rechtliches Monopol für einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes überträgt, eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86(75), und das Gebiet des Staates, für das die ausschließlichen Rechte gelten, kann ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen(76). Zweitens ist anerkannt, daß die blosse Übertragung ausschließlicher Rechte für sich genommen nicht notwendig einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung bedeutet(77). Drittens ist der blosse Umstand, daß die Preise eines mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestatteten Unternehmens höher sind als die anderer Unternehmen der gleichen Branche, nicht notwendig ein Beweis für den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung, obwohl er als erheblicher Faktor berücksichtigt werden muß. Der Gerichtshof hat entschieden, daß ein Mißbrauch vorliegt, wenn die Preise übertrieben sind, weil sie in keinem erkennbaren Zusammenhang zu dem wirtschaftlichen Wert der gelieferten Ware stehen; es bedarf der Feststellung, ob der Unterschied zwischen den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Preis übertrieben ist, und, falls ja, ob ein Preis verlangt wird, der entweder an sich oder im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten unfair ist(78).

101 Sollte das vorlegende Gericht feststellen, daß AVR entgegen Artikel 86 eine beherrschende Stellung mißbraucht hat, so könnte es zu prüfen haben, ob die Niederlande gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 verstossen haben. Die niederländische Regierung hätte nur dann gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 verstossen, wenn die AVR übertragenen Rechte eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 verursacht hätten. Obwohl ein solcher Mißbrauch die Folge einer beherrschenden Stellung von AVR sein kann, reicht es für den Nachweis eines Verstosses gegen Artikel 90 Absatz 1 allein eindeutig nicht aus, daß die Niederlande AVR ausschließliche Rechte übertragen haben. Es müsste nachgewiesen werden, daß AVR entweder ihre beherrschende Stellung einfach durch Ausübung ihrer ausschließlichen Rechte mißbraucht hat oder die Übertragung dieser Rechte eine Sachlage geschaffen hat, in der AVR nicht umhin konnte, solche Mißbräuche zu begehen(79). Soweit es indessen die angeblich unfairen Preise anbelangt, wird anscheinend nicht vorgetragen, daß die Niederlande selbst für die Preispolitik von AVR verantwortlich seien; allerhöchstens haben sie durch die AVR übertragenen ausschließlichen Rechte unfaire Preise erleichtert, zumal es keinen Hinweis dafür gibt, daß die Preispolitik von AVR das unvermeidliche Ergebnis eines der übertragenen ausschließlichen Rechte gewesen wäre.

102 Damit wende ich mich der Frage zu, ob sich AVR bei einem Verstoß gegen Artikel 86 auf einen Rechtfertigungsgrund nach Artikel 90 Absatz 2 berufen könnte. Zunächst ist festzustellen, ob AVR "mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut" worden ist. Die Frage, ob die betreffende Dienstleistung eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstellt, hat, soweit es um eine tatsächliche Feststellung geht oder die Auslegung nationaler Rechtsvorschriften erforderlich wird, das vorlegende Gericht zu beantworten(80). Zum Begriff eines Unternehmens, das mit "Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut" worden ist, lassen sich indessen folgende Hinweise geben.

103 Die Aufgabe der Abfallbearbeitung kann meines Erachtens durchaus als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 betrachtet werden(81). Es muß indessen der Nachweis erbracht werden, daß AVR nicht nur eine Dienstleistung im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse im Zusammenhang mit der Abfallbewirtschaftung erbringt, sondern daß sie mit dieser Dienstleistung in dem Sinne "betraut" wurde, daß ihr vom Staat bestimmte Pflichten im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse auferlegt worden sind. Artikel 90 Absatz 2 spricht nämlich von der besonderen Aufgabe, die den betreffenden Unternehmen übertragen worden ist.

104 Ausserdem ist zu bedenken, daß Artikel 90 Absatz 2 eine Ausnahme von den Bestimmungen des Vertrages vorsieht und diese Ausnahme daher eng auszulegen ist(82).

105 Grund für die Übertragung besonderer Aufgaben an Unternehmen ist oft, daß die Aufgaben im öffentlichen Interesse erfuellt werden müssen, aber, normalerweise aus wirtschaftlichen Gründen, nicht erfuellt werden könnten, wenn die Dienstleistung im privaten Sektor verbliebe. Die mögliche Lücke wird häufig auftreten, weil die Erfuellung bestimmter Aufgaben wie etwa die Leistung von Diensten für entfernte Gegenden nicht gewinnträchtig ist (z. B. Fluglinien(83), Postdienste(84), ein Fernsehnetz(85) und die Lieferung von Strom(86)).

106 Sollte das vorlegende Gericht zu der Feststellung gelangen, daß AVR mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut wurde und gegen Artikel 86 verstossen hat, müsste nachgewiesen werden, daß eine Verpflichtung der AVR, sich an die Wettbewerbsregeln des Vertrages zu halten, die Erfuellung der ihr übertragenen besonderen Aufgaben verhindern würde. Wiederum hat letztlich das vorlegende Gericht zu entscheiden, ob ein wettbewerbswidriges Verhalten der AVB für die Erfuellung der Aufgaben von AVR notwendig ist(87). Hierzu kann folgendes gesagt werden.

107 Die Kriterien für die Prüfung der Frage, ob die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfuellung der betreffenden Aufgaben "verhindern" würde, sind unterschiedlich formuliert worden. In der Rechtssache Almelo(88) hat der Gerichtshof festgestellt, daß "Beschränkungen des Wettbewerbs von seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer ... zuzulassen [sind], soweit sie erforderlich sind, um dem mit einer solchen Aufgabe von allgemeinem Interesse betrauten Unternehmen die Erfuellung dieser Aufgabe zu ermöglichen". In den Rechtssachen Sacchi(89) und CBEM(90) ist er davon ausgegangen, daß die Regeln des Vertrages anwendbar seien, falls ihre Anwendung nicht mit der Erfuellung der übertragenen Aufgaben "unvereinbar" wäre. In der neueren Rechtssache Corbeau(91) hat es hingegen der Gerichtshof als Kriterium betrachtet, ob die Beschränkung oder gar der Ausschluß jeglichen Wettbewerbs von seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer erforderlich ist, "um es dem Inhaber des ausschließlichen Rechts zu ermöglichen, seine im allgemeinen Interesse liegende Aufgabe zu erfuellen, und zwar unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen"(92). Ausgangspunkt einer solchen Prüfung ist für den Gerichtshof gewesen, daß "die Verpflichtung des mit dieser Aufgabe Betrauten, seine Dienstleistungen unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen sicherzustellen, die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen Tätigkeitsbereichen voraussetzt und daher eine Einschränkung des Wettbewerbs von seiten einzelner Unternehmer in wirtschaftlich rentablen Bereichen rechtfertigt"(93). Der Ausschluß des Wettbewerbs sei jedoch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Zulassung des Wettbewerbs bestimmter Anbieter für bestimmte Dienstleistungen "das wirtschaftliche Gleichgewicht der vom Inhaber des ausschließlichen Rechts übernommenen Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht in Frage [stellt]"(94).

108 Die in Artikel 90 Absatz 2 ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen von den Regeln des Vertrages gelten für Unternehmen und nicht für Mitgliedstaaten. Soweit aber Artikel 90 Absatz 2 gleichwohl für die Zulassung von Ausnahmen von den Vertragsbestimmungen herangezogen werden könnte, wenn Mitgliedstaaten Unternehmen besondere Rechte übertragen und diese Bestimmungen als solche zu einem Verstoß des Unternehmens gegen Artikel 86 führen und damit auch zu einem Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1, müssten die ausschließlichen Rechte aufgrund des Artikels 90 Absatz 2 überprüft werden. Hierzu vertritt die niederländische Regierung die Auffassung, daß die ausschließlichen Rechte erforderlich seien, um AVR wirtschaftlich lebensfähig zu machen. Es bedarf indessen, wie die Kommission ausgeführt hat, des Nachweises gegenüber dem vorlegenden Gericht, daß dieses Ziel nicht mit anderen Mitteln ebenso gut erreicht werden kann.

Ergebnis

109 Demgemäß sollten die vom Raad van State vorgelegten Fragen meines Erachtens wie folgt beantwortet werden:

1. Die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft und die Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates) sind dahin auszulegen, daß die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe nach der Verordnung und der Richtlinie nicht auf zur Verwertung bestimmte Abfälle anzuwenden sind.

2. Eine Maßnahme eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren streitige Regelung, die die Ausfuhr von Ölfiltern verbietet, wenn die beabsichtigte Verwertung im Ausland nicht hochwertiger ist als die in dem betreffenden Mitgliedstaat verfügbare Verwertung, ist eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Ausfuhrbeschränkung im Sinne des Artikels 34 EG-Vertrag, soweit sie die Ausfuhr von Ölfiltern in den anderen Mitgliedstaat verhindert. Eine solche Maßnahme ist unter den Umständen des vorliegenden Falles weder nach Artikel 36 des Vertrages noch durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt, die solche Maßnahmen dem Anwendungsbereich des Artikels 34 entziehen können.

3. Hat ein Unternehmen gegen Artikel 86 des Vertrages durch Mißbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben verstossen, so verstösst der Mitgliedstaat, der diesem Unternehmen besondere oder ausschließliche Rechte übertragen hat, nur dann gegen Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages, wenn die Übertragung des besonderen oder ausschließlichen Rechts zu der Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 geführt hat.

4. Wäre das Verhalten eines Unternehmens ungeachtet des Artikels 90 Absatz 2 nach Artikel 86 des Vertrages rechtswidrig, so kann sich das Unternehmen auf Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages nur berufen, wenn nachgewiesen werden kann, daß ihm Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse speziell übertragen wurden und die Anwendung des Artikels 86 ihm die Erfuellung der ihm übertragenen besonderen Aufgaben unmöglich machen würde.

(1) - ABl. L 30, S. 1.

(2) - ABl. L 194, S. 47.

(3) - Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle (ABl. L 78, S. 32).

(4) - Anhänge IIA und IIB der Richtlinie wurden mit Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geändert.

(5) - Mehrere Beispiele von Maßnahmen werden angeführt.

(6) - Artikel 3 Absatz 2.

(7) - Artikel 44.

(8) - Beschluß 93/98/EWG des Rates vom 1. Februar 1993 zum Abschluß - im Namen der Gemeinschaft - des Übereinkommens über die Kontrolle der grenzueberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung (Basler Übereinkommen) (ABl. L 39, S. 1). Der Wortlaut des Übereinkommens ist dem Beschluß beigefügt.

(9) - Vgl. Nrn. 23 bis 31.

(10) - Nrn. 7, 8, 14 und 16 dieser Schlussanträge.

(11) - Zitiert in Nr. 17.

(12) - Nrn. 13 und 14.

(13) - Ursprünglich Titel VII, jetzt Titel XVI aufgrund der Ergänzung durch den Vertrag über die Europäische Union.

(14) - Urteil vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache C-2/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-4431), erörtert in Nrn. 45 bis 50 dieser Schlussanträge.

(15) - Randnr. 34.

(16) - Randnr. 35.

(17) - WSA(89) 934 endg.; vgl. Damian Chalmers, "Community Policy on Waste Management - Managing Environmental Decline Gently", Yearbook of European Law, 1994, S. 280.

(18) - ABl. 1990, C 122, S. 2.

(19) - S. 23 bis 25.

(20) - Randnr. 35 des Urteils (zitiert in Fußnote 45).

(21) - Zitiert in Fußnote 8.

(22) - Artikel 2 Absatz 4 bestimmt, daß "Entsorgung" jede "in Anhang IV genannte Maßnahme" bedeutet; Anhang IV umfasst eine Liste von "Maßnahmen, die zu Rohstoffwiedergewinnung, Rückführung, Verwertung, unmittelbarer Wiederverwendung oder alternativen Verwendungen führen können".

(23) - Vgl. Artikel 2 Absatz 3, der sich auf "grenzueberschreitende Verbringung gefährlicher oder sonstiger Abfälle" bezieht; Artikel 1 Absatz 2 definiert "sonstige Abfälle" als in Anhang II aufgeführte Abfälle; die dort allein aufgeführten Abfälle sind "Hausmüll" und "Rückstände aus der Verbrennung von Hausmüll".

(24) - Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d. Vgl. auch die achtzehnte Begründungserwägung, wo es heisst, daß die grenzueberschreitende Verbringung gefährlicher und sonstiger Abfälle auf den geringstmöglichen Umfang zurückzuführen ist.

(25) - Artikel 4 Absatz 9.

(26) - Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe e.

(27) - Vgl. auch die achte Begründungserwägung, wo es heisst, daß gefährliche und sonstige Abfälle, soweit dies mit einer vernünftigen und wirksamen Behandlung vereinbar ist, in dem Staat entsorgt werden sollten, in dem sie entstanden sind.

(28) - Peter Von Wilmowsky, "Waste disposal in the internal market: the state of play after the ECJ's ruling on the Walloon Import Ban", Common Market Law Review, 1993, S. 541, 560, Fußnote 37.

(29) - Zitiert in Fußnote 14.

(30) - Richtlinie 84/631/EWG des Rates vom 6. Dezember 1984 über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzueberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle (ABl. L 326, S. 31).

(31) - Randnrn. 34 bis 36.

(32) - Vgl. z. B. Hancher und Sevenster, "Case comment on Case C-2/90 Kommission v. Belgium", Common Market Law Review, 1993, S. 351 bis 367; Jules H. V. Stuyck, "Le traitement des déchets dans la (non-)réalisation du marché intérieur", Journal des tribunaux/droit européen, 1994, Nr. 5, S. 10 bis 12; Von Wilmowsky, zitiert in Fußnote 28; Damian Chalmers, zitiert in Fußnote 17; Damien Geradin, "The Belgian Waste Case", European Law Review, 1993, S. 144, und David A. Demiray, "The Movement of Goods in a Green Market", Legal Ißüs of European Integration, 1994, Nr. 1, S. 73 bis 110.

(33) - Ebenso Professor J. H. Jans, "Self-sufficiency in European Waste Law?", First Nordic Conference on EU Environmental Law, 1994, S. 71 bis 78.

(34) - Randnrn. 30 bis 32.

(35) - Natürlich können die Bestimmungen der Verordnung und der Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht ermächtigen, gegen den Vertrag zu verstossen, vgl. z. B. Urteile vom 20. April 1978 in den verbundenen Rechtssachen 80/77 und 81/77 (Commissionnaires réunis, Slg. 1978, 927) und vom 9. August 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-363/93 und C-407/93 bis C-411/93 (Lancry, Slg. 1994, I-3957).

(36) - Nr. 27.

(37) - Da sich der Gerichtshof darüber hinaus in dieser Randnummer auf Behandlung "und" Beseitigung, andernorts aber nur auf Beseitigung bezog, könnte er bei der Verwendung des Worts "Behandlung" an eine Behandlung vor der Beseitigung gedacht haben, vielleicht um so Abfall vor oder während der Beseitigung sicher zu machen.

(38) - Urteil vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-422/92 (Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-1097).

(39) - Urteil vom 17. März 1993 in der Rechtssache C-155/91 (Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939).

(40) - Zitiert in Fußnote 30.

(41) - Richtlinie 86/279/EWG des Rates vom 12. Juni 1986 zur Änderung der Richtlinie 84/631/EWG über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzueberschreitenden Verbringung gefährlicher Stoffe (ABl. L 181, S. 13).

(42) - Randnr. 14.

(43) - Die Verordnung trat am dritten am 6. Februar 1993, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft, war aber erst fünfzehn Monate nach ihrer Veröffentlichung anzuwenden (Artikel 44).

(44) - Die siebte Begründungserwägung der Verordnung nennt bei der Anführung der entsprechenden Richtlinienbestimmungen die Grundsätze der Nähe und der Entsorgungsautarkie. Sie bezieht sich demnach auf diese Grundsätze nur im Zusammenhang mit zur Beseitigung bestimmtem Abfall.

(45) - COM(90) 415 endg. - SYN 305, 26. Oktober 1990, S. 4.

(46) - S. 5.

(47) - Im ursprünglichen Vorschlag galt bei Erfuellung bestimmter Voraussetzungen für zur Verwertung bestimmten Abfall eine eigene Regelung. Die Gründe für Einwände gegen die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen waren nicht angeführt, und tatsächlich konnte nur die zuständige Behörde des Empfangsstaats Einwände erheben. Für zur Beseitigung bestimmten Abfall bestimmte demgegenüber Artikel 4 Absatz 3, daß die zuständige Behörde des Versendestaats gegen eine geplante Verbringung Einwände erheben konnte, wenn "eine zugelassene Zentrale erheblich näher lag als die vom Notifizierer benannte und angemessene Technologien [verwendete], um ein hohes Schutzniveau für Umwelt und menschliche Gesundheit sicherzustellen".

(48) - Abschnitt 15 der Entschließung.

(49) - Diese Feststellung findet sich in einer Fußnote zur fünften Begründungserwägung, in der es heisst: "Es ist für die Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit wichtig, daß sie die Entsorgungsautarkie erreicht, und es ist wünschenswert, daß jeder einzelne Mitgliedstaat diese Autarkie anstrebt."

(50) - Insbesondere die Hinweise in den Abschnitten 7 und 11 auf die Erleichterung der Abfallentsorgung "in einer der nächstgelegenen Anlagen" und auf die Verringerung der "Verbringung von Abfällen auf ein Mindestmaß".

(51) - Zitiert in Nr. 5. "Vorrang für die Verwertung" wird auch in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i der Verordnung erwähnt; vgl. Nr. 13 dieser Schlussanträge.

(52) - Vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i für zur Beseitigung bestimmten Abfall.

(53) - Vgl. Nr. 39 dieser Schlussanträge.

(54) - Vgl. Nr. 41 dieser Schlussanträge.

(55) - Vgl. Nr. 39 dieser Schlussanträge.

(56) - Ganzer Wortlaut angeführt in Nr. 41 dieser Schlussanträge.

(57) - Vgl. die Erörterung des Artikels 11 bei Katharina Kummer, International Management of Hazardous Wastes, Oxford, 1995, S. 88 bis 99.

(58) - Die Vertragsparteien können zum Verbot der Ausfuhr von zur Verwertung bestimmtem Abfall gemäß Artikel 4 Absatz 11 des Übereinkommens berechtigt sein, wonach das Übereinkommen eine Vertragspartei nicht daran hindert, zusätzliche Erfordernisse aufzustellen, wenn diese mit den Bestimmungen des Übereinkommens übereinstimmen, mit dem Völkerrecht vereinbar sind und dem besseren Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt dienen.

(59) - Wie der Wirtschafts- und Sozialausschuß in Nr. 3.2.2 seiner Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission zur Überprüfung der Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft bemerkte, "darf nicht vergessen werden, daß die durch die Präsenz toxischer Stoffe ... gegebene Gefahr mit der Länge des Transports und der Ausdehnung des der Kontaminierung ausgesetzten Gebiets bzw. Personenkreises zunimmt" (ABl. 1997, C 89, S. 2).

(60) - Nrn. 46 bis 49 dieser Schlussanträge.

(61) - Nr. 24 dieser Schlussanträge.

(62) - Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 155/80 (Öbel, Slg. 1981, 1993), vgl. auch Urteile vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81 bis 143/81 (Holdijk, Slg. 1982, 1299, Randnr. 11), vom 10. März 1983 in der Rechtssache 172/82 (Inter-Huiles, Slg. 1983, 555, Randnr. 12), vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 237/82 (Jongeneel Kaas, Slg. 1984, 483, Randnr. 22) und vom 9. Juni 1992 in der Rechtssache C-47/90 (Delhaize Frères, Slg. 1992, I-3669, Randnr. 12).

(63) - Vgl. die Darstellung der neuen Politik in Nr. 31 dieser Schlussanträge.

(64) - Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe, Slg. 1979, 649); in bezug auf Umwelterwägungen vgl. z. B. Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 302/86 (Kommission/Dänemark, Slg. 1988, 4607, Randnr. 8).

(65) - Ebenso Peter Oliver, Free Movement of Goods in the European Community, 3. Aufl. 1996, Sweet & Maxwell, S. 122.

(66) - Vgl. z. B. die bei Peter Oliver, S. 112 f., zitierten Urteile vom 17. Juni 1981 in der Rechtssache 113/80 (Kommission/Irland, Slg. 1981, 1625), vom 13. März 1984 in der Rechtssache 16/83 (Prantl, Slg. 1984, 1299), vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 274/87 (Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 229) und vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache C-238/89 (Pall, Slg. 1990, I-4827).

(67) - Peter Oliver, S. 113.

(68) - Urteil Inter-Huiles (zitiert in Fußnote 62, Randnr. 14).

(69) - Urteil vom 6. Oktober 1987 in der Rechtssache 118/86 (Nertsvöderfabriek Nederland, Slg. 1987, 3883, Randnr. 16).

(70) - Vgl. z. B. Urteil Nertsvöderfabriek Nederland (zitiert in Fußnote 69), in dem der Gerichtshof davon ausging, daß ein stillschweigendes Ausfuhrverbot für Gefluegelschlachtabfälle für den Schutz der Gesundheit nicht erforderlich war.

(71) - Vgl. z. B. Urteil vom 19. Dezember 1961 in der Rechtssache 7/61 (Kommission/Italien, Slg. 1961, 695, 707) und vom 28. März 1995 in der Rechtssache C-324/93 (Evans Medical und MacFarlan Smith, Slg. 1995, I-563).

(72) - Urteil vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 72/83 (Campus Oil, Slg. 1984, 2727, Randnr. 35); vgl. Urteil Nertsvöderfabriek Nederland (zitiert in Fußnote 69, Randnr. 15), wo der Gerichtshof unter Bezugnahme auf das Urteil Campus Oil ausgeführt hat, daß "die Anwendung von Artikel 36 nicht allein dadurch ausgeschlossen [wird], daß eine innerstaatliche Regelung, die durch objektive, den Anforderungen der in Artikel 36 genannten Interessen genügende Umstände gerechtfertigt ist, die Erreichung auch anderer, wirtschaftlicher Ziele ermöglicht. Dies gilt erst recht, wenn das wirtschaftliche Ziel die Verwirklichung des gesundheitspolitischen Ziels ermöglichen soll."

(73) - Nach Meinung der niederländischen Regierung ist dieser Teil des Planes nicht erheblich, da er nur verpackten brennbaren Abfall betreffe, der mit dem vorliegenden Streit nichts zu tun habe; Abschnittsplan 19 betreffe Ölfilter. Die Rechtsnatur des Planes wird in den Nrn. 23 bis 31 dieser Schlussanträge erörtert.

(74) - Die einschlägige Rechtsprechung erörtert Generalanwalt Cosmas in seinen Schlussanträgen vom 26. November 1996 in den Rechtssachen C-157/94, C-158/94, C-159/94 und C-160/94 (Kommission/Niederlande, Italien, Frankreich und Spanien, Slg. 1997, I-5701, Nrn. 86 bis 90).

(75) - Vgl. z. B. Urteil vom 13. November 1975 in der Rechtssache 26/75 (General Motors/Kommission, Slg. 1975, 1367) und vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Randnr. 9).

(76) - Vgl. z. B. Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28) und vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89 (ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 31).

(77) - Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 29).

(78) - Urteile vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76 (United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 250 bis 254) und vom 4. Mai 1988 in der Rechtssache 30/87 (Bodson, Slg. 1988, 2479, Randnr. 31).

(79) - Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly vom 9. Oktober 1997 in der Rechtssache C-163/96 (Silvano Raso u. a., Slg. 1998, I-535, Nrn. 57 bis 66).

(80) - Vgl. Urteil vom 21. März 1974 in der Rechtssache 127/73 (BRT, Slg. 1974, 51, Randnr. 22) und Schlussanträge des Generalanwalts Da Cruz Vilaça in der Rechtssache Bodson (zitiert in Fußnote 78, Nr. 81).

(81) - Vgl. Generalanwältin Rozès in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Inter-Huiles (zitiert in Fußnote 62, 581), die ebenfalls die Auffassung vertrat, daß für die Sammlung und Beseitigung von Altöl zugelassene französische Unternehmen als mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 betraut angesehen werden können.

(82) - Urteil BRT (zitiert in Fußnote 80) und Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-242/95 (GT-Link, Slg. 1997, I-4449).

(83) - Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 55).

(84) - Urteil Corbeau (zitiert in Fußnote 75, insbesondere Randnr. 15).

(85) - Urteil vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88 (GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5941, Randnr. 16).

(86) - Urteil vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92 (Almelo, Slg. 1994, I-1477, Randnr. 48).

(87) - Urteile Corbeau (zitiert in Fußnote 75, Randnr. 20) und Almelo (zitiert in Fußnote 86, Randnr. 50). Nach diesen Urteilen kann das nationale Gericht nicht nur entscheiden, daß Artikel 90 Absatz 2 unanwendbar ist, sondern auch, daß er so anzuwenden ist, daß eine bestimmte Praktik nicht unter die Wettbewerbsregeln des Vertrages fällt.

(88) - Zitiert in Fußnote 86, Randnr. 49.

(89) - Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409).

(90) - Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM, Slg. 1985, 3261).

(91) - Zitiert in Fußnote 75.

(92) - Randnr. 16.

(93) - Randnr. 17.

(94) - Randnr. 19.

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