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Document 61994TJ0336
Judgment of the Court of First Instance (First Chamber, extended composition) of 16 October 1996. # Efisol SA v Commission of the European Communities. # Regulation (EEC) No 594/91 on substances that deplete the ozone layer - Allocation of quotas - Import licences - Refusal to grant - Application for compensation - Protection of legitimate expectations. # Case T-336/94.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 16. Oktober 1996.
Efisol SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Verordnung (EWG) Nr. 594/91 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen - Zuteilung von Quoten - Einfuhrlizenzen - Versagung - Schadensersatzklage - Vertrauensschutz.
Rechtssache T-336/94.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 16. Oktober 1996.
Efisol SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Verordnung (EWG) Nr. 594/91 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen - Zuteilung von Quoten - Einfuhrlizenzen - Versagung - Schadensersatzklage - Vertrauensschutz.
Rechtssache T-336/94.
Sammlung der Rechtsprechung 1996 II-01343
ECLI identifier: ECLI:EU:T:1996:148
URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
16. Oktober 1996 ( *1 )
In der Rechtssache T-336/94
Efisol SA, Gesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Paris, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jacques Buhart, Paris, und Jean-Yves Art, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Marc H. van der Woude, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen einer Klage gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag auf Ersatz des durch die Versagung von Lizenzen für die Einfuhr von Fluorchlorkohlenwasserstoff 11 in die Gemeinschaft entstandenen Schadens
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. Saggio, der Richter C.W. Bellamy, A. Kalogeropoulos, R. M. Moura Ramos und der Richterin V. Tiili,
Kanzler: H. Jung
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1996,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt
1 |
Der Rat erließ am 14. Oktober 1988 die Entscheidung 88/540/EWG über den Abschluß des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht und des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (ABl. L 297, S. 8). Die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen und diesem Protokoll wurden durch die Verordnung (EWG) Nr. 594/91 des Rates vom 4. März 1991 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (ABl. L 67, S. 1), die durch die Verordnung (EWG) Nr. 3952/92 des Rates vom 30. Dezember 1992 über den beschleunigten Verzicht auf Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen (ABl. L 405, S. 41), geändert wurde, in die Rechtsordnung der Gemeinschaft umgesetzt. Der Stoff, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht — Fluorchlorkohlenwasserstoff 11 (im folgenden: FCKW 11) —, fällt unter die Verordnung Nr. 594/91. |
2 |
Gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 594/91 unterliegt die Überführung von aus Drittländern eingeführten Stoffen in den Verkehr der Gemeinschaft Quoten, die die Gemeinschaft den Unternehmen nach dem Verfahren des Artikels 12 der Verordnung zuteilt. Dieser Artikel sieht u. a. vor, daß ein Ausschuß, der sich aus einem Vertreter der Kommission und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, eine Stellungnahme abgibt. In Anhang II der Verordnung Nr. 594/91 werden mengenmäßige Beschränkungen festgelegt; diese Mengen können jedoch von der Kommission geändert werden. |
3 |
Nachdem einem Unternehmen eine Quote zugeteilt wurde, benötigt es nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 594/91 eine Einfuhrlizenz der Kommission, um den betreffenden Stoff tatsächlich in die Gemeinschaft bringen zu können. Zu diesem Zweck muß das Unternehmen bei der Kommission einen Antrag stellen, der eine Beschreibung des betreffenden Stoffes sowie Angaben zur einzuführenden Menge und zu Ort und Zeitpunkt der beabsichtigten Einfuhr enthält. |
4 |
Am 10. Juli 1993 veröffentlichte die Kommission die Bekanntmachung 93/C 188/04 an EG-Importeure geregelter Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, gemäß der Verordnung Nr. 594/91, geändert durch die Verordnung Nr. 3952/92 (ABl. C 188, S. 5; im folgenden: Bekanntmachung vom 10. Juli 1993), mit der sie die Importeure aufforderte, die Zuteilung einer Importquote für das Jahr 1994 zu beantragen. Hierfür stand den betreffenden Unternehmen in Anhang II der Bekanntmachung ein Formular zur Verfügung, in dem sie u. a. das Ausfuhrland und von vier Verwendungsmöglichkeiten diejenige anzugeben hatten, für die der einzuführende Stoff bestimmt war: Wiederverwendung oder Rückgewinnung, Beseitigung durch eine anerkannte Technologie, Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien oder sonstige Verwendung. |
5 |
Am 18. November 1993 stellte die Klägerin auf die Bekanntmachung vom 10. Juli 1993 hin einen Antrag auf Zuteilung einer Quote für die Einfuhr von 1800 Tonnen FCKW 11 im Jahr 1994. In diesem Antrag strich die Klägerin zunächst die vier möglichen Bestimmungen, setzte dann neben die Rubrik „sonstige Verwendung“ den Vermerk „OK“ und fügte die Angabe „Herstellung von Polyurethan-Schaum“ hinzu. |
6 |
Am 19. November 1993 teilte ein Beamter der Kommission der Klägerin telefonisch mit, daß eine Quote von 1800 Tonnen FCKW 11 mit der Bestimmung „sonstige Verwendung“ nicht akzeptiert werden könne und daß die vorgesehene Verwendung der fraglichen Stoffe näher angegeben werden müsse. Im Anschluß an dieses Gespräch änderte die Klägerin ihren Antrag mit Fernkopie vom gleichen Tag ab, wobei sie angab, daß der eingeführte Stoff als „Rohstoff für die Herstellung anderer Erzeugnisse“ verwendet werde, und hinzufügte, daß es sich dabei um die Herstellung von Polyurethan-Schaum handele. |
7 |
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1993 wies die Klägerin die Kommission ferner auf die Wichtigkeit der beantragten Zuteilung hin, wobei sie ausführte, daß ihre beiden Fabriken in Frankreich, die FCKW 11 für die Herstellung von Polyurethanplatten verwendeten, noch nicht in der Lage seien, Ersatzstoffe für FCKW zu benutzen, und daß sie dieses Erzeugnis unbedingt aus der Ukraine oder einem Land der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten einführen müsse. |
8 |
In der Entscheidung 94/84/EG vom 4. Februar 1994 zur Zuteilung von Einfuhrquoten für die vollhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe 11, 12, 113, 114 und 115, die übrigen vollhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe sowie für Halone, Tetrachlorkohlenstoff und 1,1, 1-Trichlorethan für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1994 (ABl. L 42, S. 20) sah die Kommission die Einfuhrquoten für das Jahr 1994 vor. Nach Anhang 2 dieser Entscheidung gehörte die Klägerin zu den Importeuren, denen Quoten für die Einfuhr von FCKW 11 zur Verwendung als Ausgangsstoff bei der Herstellung anderer Chemikalien (im Englischen: „for the use as feedstock in the manufacture of other chemicals“) zugeteilt wurden. |
9 |
Am 15. Februar 1994 übermittelte die Klägerin der Kommission einen vom 24. Januar 1994 datierenden Antrag, der die Erteilung von Einfuhrlizenzen für zwei Lieferungen von FCKW 11 aus Rußland betraf. Einige Tage später, am 17. und am 21. Februar 1994, bestellte die Klägerin diese Lieferungen bei ihrem russischen Lieferanten. |
10 |
Mit Fernkopie vom 24. Februar 1994 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie ihr keine Einfuhrlizenzen erteilen werde. Sie führte aus, sie habe diese Entscheidung auf Ersuchen des französischen Umweltministeriums getroffen, das der Ansicht sei, daß die eingeführten Stoffe nicht als Rohstoff für die Herstellung von Chemikalien, sondern zu anderen Zwecken bestimmt seien. In der gleichen Fernkopie führte die Kommission aus, daß unter der „Verwendung als ‚Rohstoff‘ die Herstellungsverfahren zu verstehen sind, die dazu führen, daß die geregelten Stoffe, abgesehen von geringen Mengen, völlig verschwinden (durch Zerstörung, Zersetzung usw.)“, und daß „Efisol zwar geltend gemacht hat, daß die eingeführten Stoffe als ‚Rohstoff‘ verwendet würden, daß sie der Kommission aber auch mitgeteilt hat, daß die Stoffe zur Herstellung von Polyurethan-Schaum verwendet würden. Dabei handelt es sich natürlich um eine Verwendung, die nicht unter den Begriff der Verwendung als ‚Rohstoff‘ fällt. Leider wurde dies erst jetzt festgestellt.“ |
11 |
Als die Kommission diese Entscheidung traf, waren bereits zwei Züge unterwegs, der eine mit einer Lieferung FCKW 11 nach Frankreich und der andere in die ehemalige Sowjetunion, um dort eine zweite Lieferung dieses Stoffes zu holen. |
12 |
Anschließend fanden mehrere Gespräche zwischen der Klägerin und der Kommission statt, um eine Lösung für die Probleme zu finden, die sich für die Klägerin aus der Versagung der Einfuhrlizenzen ergaben. Alle Verhandlungen hierüber schlugen jedoch letztlich fehl. Die Klägerin kündigte der Kommission daraufhin mit Schreiben vom 10. März 1994 an, daß sie beim Gemeinschaftsrichter Klage erheben werde auf Ersatz der Kosten für die bereits erfolgte erste Lieferung, der Kosten für die Leerfahrt des Zuges, der die zweite Lieferung habe holen sollen, und der durch den Produktionsausfall und den Verlust von Marktanteilen entstandenen Schäden sowie aller sonstigen Schäden, die durch die Versagung der Einfuhrlizenzen entstanden seien. |
13 |
Am 6. Mai 1994 richtete der Kommissar Y. Paleokrassas ein Schreiben an die Klägerin, in dem er zum einen bestätigte, daß die Einfuhrlizenzen nicht hätten erteilt werden können, weil die tatsächliche Bestimmung der einzuführenden Stoffe — die Herstellung von Polyurethan-Schaum — nicht der erteilten Genehmigung für die Verwendung als Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien („feedstock uses“) entsprochen habe, und zum anderen erklärte, daß die Dienststellen der Kommission der Klägerin weiterhin für Gespräche über geeignete Lösungen zur Verfügung stünden. |
14 |
Mit Fernkopie vom 9. Juni 1994 übersandte die Klägerin der Kommission eine „Übersicht über den von Efisol erlittenen unmittelbaren Schaden“. Diese Übersicht enthielt die Kosten für zwei Hauptvorgänge, die wiederum in mehrere Unterposten aufgeschlüsselt waren. Der erste Vorgang trug die Bezeichnung „Erster Zug“ und umfaßte den Kauf des Erzeugnisses, den Hin- und Rücktransport zwischen der Europäischen Union und Rußland, die Versicherung und den Transport innerhalb der Europäischen Union. Der zweite Vorgang trug die Bezeichnung „Zweiter Zug“ und erstreckte sich auf den Hin- und Rücktransport zwischen der Europäischen Union und Rußland und die zusätzlichen Anschaffungskosten in Form der Kosten für den Kauf von FCKW 11 bei einem Gemeinschaftslieferanten abzüglich der Kosten für den Kauf beim russischen Lieferanten. Insgesamt beliefen sich diese Kosten auf 2267475 FF. |
15 |
Mit Schreiben vom 20. Juni 1994 wies die Kommission die Schadensersatzforderung zurück und führte aus, falls ein pflichtwidriges Verhalten vorliege, dann bei der Klägerin, die versucht habe, „die Dienststellen der Kommission über die genaue Bestimmung der betreffenden Stoffe zu täuschen“, und „schon vor der Zuteilung einer Quote Verpflichtungen gegenüber einem russischen Lieferanten eingegangen“ sei. |
Verfahren und Anträge der Parteien
16 |
Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 14. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. |
17 |
Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen sind die Parteien jedoch aufgefordert worden, einige Fragen vor der Sitzung schriftlich zu beantworten. |
18 |
Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 14. Mai 1996 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. |
19 |
Die Klägerin beantragt,
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20 |
Die Beklagte beantragt,
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Zum einzigen Klagegrund, der aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes abgeleitet wird
Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien
21 |
Die Klägerin trägt vor, die Versagung der Einfuhrlizenzen sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und stelle daher ein rechtswidriges Verhalten dar. Die Kommission habe insbesondere durch ihre Entscheidung, der Klägerin eine Quote zuzuteilen, begründete Erwartungen darauf geweckt, daß anschließend entsprechende Einfuhrlizenzen erteilt würden. |
22 |
Aus der Verordnung Nr. 594/91 gehe klar hervor, daß die Erteilung von Einfuhrlizenzen keine von der Zuteilung einer Quote unabhängige Handlung sei, sondern daß die Kommission vielmehr zur Erteilung der Einfuhrlizenzen verpflichtet sei, wenn sie eine Quote zugeteilt habe. Dies ergebe sich aus der englischen Fassung von Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 594/91, die laute: „The licence shall be issued by the Commission.“ Ferner habe die Kommission in der Bekanntmachung vom 10. Juli 1993 selbst folgendes ausgeführt: „Die Kommission ... wird die Quoten für jeden Importeur ... festsetzen und die Einfuhrlizenzen auf dieser Grundlage nach Artikel 4 der Verordnung erteilen.“ Die automatische Verknüpfung zwischen der Zuteilung einer Quote und der Erteilung der entsprechenden Lizenzen sei auch dem Schreiben der Kommission vom 25. Januar 1994 zu entnehmen, in dem der Klägerin mitgeteilt worden sei, daß sie die beantragte Quote erhalten werde, und in dem die Kommission folgendes hinzugefügt habe: „Sobald das Genehmigungsverfahren offiziell abgeschlossen ist (in etwa zehn Tagen), werden Ihnen so schnell wie möglich Anträge auf Einfuhrlizenzen und Erläuterungen zu dem bei der Beantragung einer Lizenz einzuhaltenden Verfahren übersandt.“ |
23 |
Wenn die Kommission in voller Kenntnis der vom Empfänger beabsichtigten Verwendung eine Quote zuteile, sei sie folglich verpflichtet, anschließend die für die Einfuhr der zu diesem Zweck bestimmten Stoffe erforderlichen Lizenzen zu erteilen. |
24 |
Sie habe unmöglich die Auffassung der Kommission zur Herstellung von Polyurethan-Schaum vorhersehen können, die angeblich nicht unter die Kategorie „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ falle. Diese Auffassung setze nämlich voraus, daß sich der Ausdruck „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ ausschließlich auf Flerstellungsverfahren beziehe, in deren Verlauf der verwendete FCKW verschwinde; dies sei eine von der herkömmlichen Definition abweichende Bedeutung. Für den Ausdruck „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ habe es im übrigen damals in keiner veröffentlichten Vorschrift eine Definition gegeben. Eine erste Erläuterung sei später bei der Veröffentlichung der Einfuhrquoten für das Jahr 1995 in der Bekanntmachung 94/C 215/02 an EG-Importeure geregelter Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, gemäß der Verordnung Nr. 594/91, geändert durch die Verordnung Nr. 3952/92 (ABl. C 215, S. 2), an die Öffentlichkeit gelangt. |
25 |
Schließlich habe sie in allen bei der Kommission eingereichten Unterlagen angegeben, daß der eingeführte FCKW zur Herstellung von Polyurethan-Schaum verwendet werde. Für sie sei deshalb nicht ersichtlich, inwiefern sie die Kommission über die Bestimmung des einzuführenden FCKW 11 getäuscht haben solle. Die Kommission habe im übrigen in ihrer Fernkopie vom 24. Februar 1994 selbst anerkannt, daß die Klägerin gutgläubig gewesen sei. |
26 |
Die Kommission vertritt zunächst die Ansicht, daß sich die Erteilung von Einfuhrlizenzen gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 594/91 nicht automatisch und zwangsläufig an die Zuteilung einer Quote gemäß Artikel 3 der Verordnung anschließe. Die Regelung über die Beantragung von Lizenzen solle nämlich die Einhaltung der Entscheidungen über die Zuteilung der Quoten sicherstellen und es der Kommission somit ermöglichen, in jedem Fall zu prüfen, ob das antragstellende Unternehmen die Grenzen und die Anwendungsvoraussetzungen der ihm zur Verfügung stehenden Quote einhalte und ob die angekündigten Einfuhren aus einem Land stammten, das Vertragspartei des Montrealer Protokolls sei. |
27 |
Im vorliegenden Fall betreffe die der Klägerin zugeteilte Quote eine Menge, einen Stoff und eine Verwendung, die genau festgelegt seien, und zwar 1800 Tonnen frischen, als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ zu verwendenden FCKW 11. Sie habe die Einfuhrlizenzen zu Recht versagt, weil sich herausgestellt habe, daß der eingeführte FCKW 11 nicht für die in der Entscheidung über die Zuteilung der Quote vorgesehene Bestimmung verwendet würde. Im übrigen sei mit dieser Versagung keineswegs die Rücknahme der Zuteilung der Quote verbunden gewesen, denn die Klägerin habe ihr Recht auf Einfuhr im Rahmen und unter den Voraussetzungen der Zuteilungsentscheidung behalten. |
28 |
Wenn sie berücksichtigt hätte, daß die Klägerin den eingeführten FCKW 11 zur Herstellung von Polyurethan-Schaum verwenden wolle, hätte sie die Quote niemals zugeteilt, da bei dieser Herstellung nicht eindeutig ein Verfahren zum Einsatz komme, bei dem der FCKW verschwinde, und es sich somit nicht um eine Verwendung von FCKW als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ handele. Sie sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, diese Information zu berücksichtigen, da sich die Zuteilung der Quoten nach den in den Formularen für die Beantragung von Quoten vorgeschriebenen Angaben richte und da die Klägerin in ihrem Formular angegeben habe, daß die eingeführten Stoffe als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ verwendet würden. Außerdem erhalte sie pro Jahr etwa sechzig Anträge auf Quoten und könne auch aus diesem Grund bei der Zuteilung der Quoten den Gegenstand der gewerblichen Tätigkeit der antragstellenden Unternehmen nicht berücksichtigen. |
29 |
Im übrigen sei es verwunderlich, daß die Klägerin bestreite, gewußt zu haben, daß der Ausdruck „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ voraussetze, daß der FCKW während der Herstellung verschwinde. Der Ausdruck „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ sei ein Schlüsselbegriff bei der Anwendung der Völker- und gemeinschaftsrechtlichen Regelung für Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führten. Unter diesen Umständen könne die Unkenntnis der Klägerin nicht damit gerechtfertigt werden, daß die Kommission damals noch keine Definition veröffentlicht habe. Die Bedeutung dieses Ausdrucks ergebe sich im übrigen aus der Zusammenschau der Begriffe der Vernichtung und der Verwendung als Ausgangsstoff in Artikel 2 elfter Gedankenstrich Satz 1 der Verordnung Nr. 594/91. |
Würdigung durch das Geriebt
30 |
Die Haftung der Gemeinschaft aufgrund des Artikels 215 Absatz 2 des Vertrages und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, auf die in dieser Bestimmung verwiesen wird, ist an das Zusammentreffen mehrerer Bedingungen geknüpft; sie setzt die Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden voraus (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 153/73, Holtz & Willemsen/Rat und Kommission, Slg. 1974, 675, Randnr. 7). Folglich ist zunächst zu prüfen, ob das der Kommission im vorliegenden Fall vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war und insbesondere, wie die Klägerin behauptet, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstieß. |
31 |
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes Bestandteil der Rechtsordnung der Gemeinschaft (Urteil des Gerichtshofes vom 3. Mai 1978 in der Rechtssache 112/77, Töpfer/Kommission, Slg. 1978, 1019, Randnr. 19). Auf den Schutz berechtigten Vertrauens kann sich jeder Bürger berufen, der in einer Situation ist, aus der sich ergibt, daß die Gemeinschaftsverwaltung ihm bestimmte Zusicherungen gegeben und dadurch bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-534/93, Grynberg und Hall/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-595, Randnr. 51, und vom 14. September 1995 in der Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr. 72). Ist ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer jedoch in der Lage, den Erlaß einer Gemeinschaftsmaßnahme vorherzusehen, die seine Interessen berühren könnte, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen (Urteile des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 78/77, Lührs, Slg. 1978,169, Randnr. 6, und vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85, Van den Bergh en Jürgens/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44). |
32 |
Im Hinblick auf die aus diesen Urteilen zu entnehmenden Grundsätze ist zu prüfen, ob die Klägerin aus der Tatsache, daß ihr eine Einfuhrquote zugeteilt worden war, eine begründete Erwartung auf die anschließende Erteilung der beantragten Einfuhrlizenzen ableiten konnte und ob die Klägerin nicht als umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage war, die Versagung der Einfuhrlizenzen durch die Kommission vorherzusehen. |
33 |
Hierzu ist zunächst festzustellen, daß das in der Verordnung Nr. 594/91 vorgesehene Verwaltungsverfahren für die Erteilung der Genehmigung zur Einfuhr von Stoffen, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, in die Gemeinschaft aus zwei Stufen besteht, und zwar erstens aus der Zuteilung einer Quote gemäß Artikel 3 der Verordnung und zweitens aus der Erteilung einer oder mehrerer Einfuhrlizenzen im Rahmen der zugeteilten Quote gemäß Artikel 4 der Verordnung. Folglich konkretisiert sich das mit der Zuteilung einer Quote eingeräumte Einfuhrrecht erst dann, wenn eine Einfuhrlizenz erteilt wird. |
34 |
Aus alledem folgt, daß die Klägerin nicht guten Glaubens mit der Erteilung der Einfuhrlizenzen rechnen durfte. Sie konnte darauf nicht deshalb vertrauen, weil ihr eine Einfuhrquote zugeteilt worden war, da diese Zuteilung nur eine erste Stufe bei der Erlangung eines konkreten Einfuhrrechts darstellt. Unter diesen Umständen hätte ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer im Gegensatz zur Klägerin nicht mit dem Bahntransport der bestellten Lieferungen begonnen, ohne die Entscheidung der Kommission über den Antrag auf Einfuhrlizenzen abzuwarten und ohne die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zur Wahrung seiner Interessen für den Fall der Ablehnung des Lizenzantrags zu treffen. Im übrigen hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, daß von der Entstehung eines berechtigten Vertrauens dann nicht ausgegangen werden kann, wenn der Rechtsakt, auf den das berechtigte Vertrauen gestützt werden kann, von der Verwaltung innerhalb einer angemessenen Frist aufgehoben wird (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1987 in der Rechtssache 15/85, Consorzio Cooperative d'Abruzzo/Kommission, Slg. 1987, 1005, Randnrn. 12 bis 17). Im vorliegenden Fall wurde die Einfuhrquote der Klägerin am 4. Februar 1994 zugeteilt. Die Klägerin übermittelte der Kommission ihren Lizenzantrag am 15. Februar 1994, und die Lizenzen wurden am 24. Februar 1994 versagt. Unter diesen Umständen ist die Verwaltung innerhalb einer angemessenen Frist tätig geworden. Folglich ist die Klägerin dadurch, daß sie am 17. Februar 1994, nur zwei Tage nach der Stellung dieser Anträge auf Einfuhrlizenzen und ohne die weitere Entwicklung abzuwarten, mit der Aufgabe der Bestellungen für die Einfuhr begann, selbst ein Risiko eingegangen. |
35 |
Hinzu kommt, daß die Klägerin als Unternehmen, das ständig mit Chemikalien und insbesondere mit Stoffen arbeitet, die unter die Verordnung Nr. 594/91 fallen, erkennen konnte, daß die von ihr beabsichtigte Verwendung nicht mit Sicherheit der Verwendung als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ entsprach, für die ihr eine Quote zugeteilt worden war. Die Klägerin hat nämlich in ihrem Antrag auf Zuteilung einer Quote die Bezeichnung „Rohstoff für die Herstellung anderer Erzeugnisse“ und nicht „Rohstoff für die Flerstellung anderer Chemikalien“ gewählt, was darauf schließen läßt, daß sie schon zu diesem Zeitpunkt wußte, daß die Einstufung von Polyurethan-Schaum als Chemikalie anfechtbar war. In Anbetracht dieser Umstände kann die letztlich erfolgte Versagung durch die Kommission nicht als unvorhersehbar angesehen werden. |
36 |
Zudem kann ein Verhalten der Verwaltung, das mit der Gemeinschaftsregelung nicht in Einklang steht, kein berechtigtes Vertrauen begründen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in der Rechtssache 316/86, Krücken, Slg. 1988, 2213, Randnr. 23). Hierzu ist festzustellen, daß die Kommission der Klägerin eine Quote für die Einfuhr von FCKW 11 zur Verwendung als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ zugeteilt hat, obwohl die Klägerin sowohl in der ursprünglichen als auch in der geänderten Fassung ihres Antrags klar angegeben hatte, daß sie den eingeführten FCKW 11 zur Herstellung von Polyurethan-Schaum verwenden wollte. Die Einstufung von Polyurethan-Schaum als „Chemikalie“ ist jedoch in wissenschaftlicher Hinsicht nicht ganz zutreffend. Außerdem kann Polyurethan-Schaum nach den von der Gemeinschaft auf internationaler Ebene vereinbarten Vorschriften und Definitionen (siehe Randnr. 1) nicht als Erzeugnis angesehen werden, bei dessen Herstellung FCKW 11 als „Rohstoff für die Herstellung anderer Chemikalien“ verwendet werden kann, da er während dieses Herstellungsverfahrens nicht zerstört wird. Diese Erläuterungen sind insbesondere von der Kommission in der mündlichen Verhandlung gegeben worden, ohne daß die Klägerin dem widersprochen hätte. Folglich hat die Kommission, als sie der Klägerin gerade für die genannte Verwendungsart eine Quote zuteilte, obwohl sie wußte oder wissen mußte, daß die Klägerin Polyurethan-Schaum herstellen wollte, die einschlägige Gemeinschaftsregelung, insbesondere Artikel 3 und Anhang II der Verordnung Nr. 594/91 sowie ihre Bekanntmachung vom 10. Juli 1993, falsch angewandt. Das Verhalten der Kommission stand somit nicht in Einklang mit der Gemeinschaftsregelung, so daß es bei der Klägerin keine begründeten Erwartungen wecken konnte. |
37 |
Nach alledem ist die Klage abzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Klägerin das Vorliegen eines Schadens und eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten und diesem Schaden nachgewiesen hat. |
Kosten
38 |
Zwar ist die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen, doch ist bei der Entscheidung über die Kosten das mit der Gemeinschaftsregelung nicht in Einklang stehende Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen. Unter derartigen Umständen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, daß sie das Gericht angerufen hat, damit es dieses Verhalten und den daraus möglicherweise entstandenen Schaden prüft. Es ist festzustellen, daß die Entstehung des Rechtsstreits durch das Verhalten der Beklagten begünstigt wurde. |
39 |
Somit ist die Kommission in Anwendung von Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung, wonach das Gericht auch der obsiegenden Partei auferlegen kann, die Kosten eines Verfahrens, das durch ihr eigenes Verhalten verursacht wurde, der Gegenpartei zu erstatten (vgl., mutatis mutandis, Urteil des Gerichtshofes vom 27. Januar 1983 in der Rechtssache 263/81, List/Kommission, Slg. 1983, 103, Randnrn. 30 und 31), zur Tragung der gesamten Kosten zu verurteilen. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Saggio Bellamy Kalogeropoulos Tiili Moura Ramos Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Oktober 1996. Der Kanzler H.Jung Der Präsident A.Saggio |
( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.