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Document 61993TO0463
Order of the Court of First Instance (Second Chamber) of 29 October 1993. # GUNA Srl v Council of the European Communities. # Admissibility - Intervention. # Case T-463/93.
Beschluss des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 29. Oktober 1993.
GUNA Srl gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Zulässigkeit - Streithilfe.
Rechtssache T-463/93.
Beschluss des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 29. Oktober 1993.
GUNA Srl gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Zulässigkeit - Streithilfe.
Rechtssache T-463/93.
Sammlung der Rechtsprechung 1993 II-01205
ECLI identifier: ECLI:EU:T:1993:96
BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 29. OKTOBER 1993. - GUNA SRL GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ZULAESSIGKEIT - STREITHILFE. - RECHTSSACHE T-463/93.
Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite II-01205
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
++++
Nichtigkeitsklage ° Natürliche oder juristische Personen ° Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen ° Richtlinie zur Festlegung besonderer Vorschriften für homöopathische Arzneimittel ° Klage von Herstellern und Importeuren dieser Erzeugnisse ° Unzulässigkeit
(EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 2; Richtlinie 92/73 des Rates, Artikel 7 und 9)
Die Artikel 7 und 9 der Richtlinie 92/73 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65 und 75/319 über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel betreffen Hersteller und Importeure homöopathischer Arzneimittel nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages. Eine Klage dieser Personen auf Nichtigerklärung dieser Bestimmungen ist daher unzulässig.
Sachverhalt und Verfahren
1 Am 22. September 1992 erließ der Rat die Richtlinie 92/73/EWG zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel (ABl. L 297, S. 8; im folgenden: streitige Richtlinie).
2 Die streitige Richtlinie enthält eine Regelung für das Inverkehrbringen homöopathischer Arzneimittel, die je nach Art der Verabreichung ° orale oder äusserliche Anwendung auf der einen und andere Verabreichungsweisen auf der anderen Seite ° unterschiedlich ausgestaltet ist. So gilt für die ersteren das in Artikel 7 der Richtlinie erwähnte vereinfachte Registrierungsverfahren, während die an zweiter Stelle genannten Erzeugnisse nach Artikel 9 der Richtlinie einem Genehmigungsverfahren unterworfen sind, zu dem insbesondere der in Artikel 28 der Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. April 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) erwähnte Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit gehört.
3 Die Klägerin stellt in Italien homöopathische Arzneimittel, zu denen injizierbare Arzneimittel gehören, her und führt solche Arzneimittel ein. Nach ihrer Ansicht läuft das in Artikel 9 der streitigen Richtlinie festgelegte Erfordernis praktisch auf eine Aussetzung und einen Widerruf der ihr von den italienischen Behörden erteilten Genehmigung hinaus, weil homöopathische Arzneimittel wegen ihrer andersartigen Zusammensetzungen und ihrer vollkommen andersartigen Wirkungsweise nicht den Analysemethoden und Untersuchungen unterworfen werden könnten, die für herkömmliche Arzneimittel üblich seien. Sie hat deswegen mit einem bei der Kanzlei des Gerichtshofes am 23. Dezember 1992 eingegangenen Schriftsatz Klage nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag erhoben mit dem Antrag, die Artikel 7 und 9 der streitigen Richtlinie für nichtig zu erklären.
4 Mit Schriftsatz, der am 5. März 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Rat gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes eine prozeßhindernde Einrede erhoben und beantragt, darüber vorab zu entscheiden.
5 Mit Schriftsatz, der am 6. April 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zum Verfahren zugelassen zu werden. Mit Schriftsätzen, die am 7. Mai und am 12. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, haben der European Council of Doctors for Plurality in Medicine und die Biologische Heilmittel Heel GmbH beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zum Verfahren zugelassen zu werden.
6 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. Mai 1993 ist die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zum Verfahren zugelassen worden.
7 Mit Beschluß vom 27. September 1993 hat der Gerichtshof die vorliegende Rechtssache gemäß Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Einrichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht verwiesen.
8 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts wird über die prozeßhindernde Einrede mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Das Gericht (Zweite Kammer) hält im vorliegenden Fall die ihm zur Verfügung stehenden Angaben für ausreichend und beschließt, die mündliche Verhandlung nicht zu eröffnen.
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
9 Der Rat macht mit seiner Unzulässigkeitseinrede zunächst geltend, Richtlinien könnten schon wegen des Wortlauts von Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages, in dem anders als in Absatz 1 nur von Entscheidungen und Verordnungen gesprochen werde, vom einzelnen nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden.
10 Ferner sei die Klage jedenfalls deswegen unzulässig, weil die angefochtene Handlung die Klägerin nicht unmittelbar und individuell betreffe. Die Richtlinie könne für den von der Klägerin geltend gemachten unmittelbaren Schaden nicht ursächlich sein, denn es sei Sache der Behörden der Mitgliedstaaten, die Ergebnisse der angewandten wissenschaftlichen Methoden und Versuche zu bewerten. Die Klägerin habe es sorgfältig vermieden, Artikel 9 Absatz 2 der streitigen Richtlinie zu erwähnen, nach dem es in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt sei, besondere Vorschriften für pharmakologische, toxikologische und klinische Versuche homöopathischer injizierbarer Arzneimittel entsprechend den in dem jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Grundsätzen und besonderen Merkmalen der homöopathischen Medizin einzuführen oder beizubehalten. Die Klägerin sei ausserdem, selbst wenn man annehme, sie sei von der angefochtenen Richtlinie betroffen, nur in ihrer Eigenschaft als Herstellerin und Importeurin der fraglichen Arzneimittel, also ebenso wie jeder andere Hersteller und Importeur in der Gemeinschaft betroffen und könne daher nicht als individuell betroffen angesehen werden.
11 Die Klägerin weist die Ansicht, dem einzelnen sei es von vornherein verwehrt, Gemeinschaftsrichtlinien anzufechten, als mit dem Geist des Vertrages und der "Rechtsprechungstradition" des Gerichtshofes nicht vereinbar zurück; sie habe also das Recht, die Richtlinie gemäß Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages anzufechten, auch wenn eine solche Möglichkeit in dieser Vorschrift nicht erwähnt werde. Durch die angefochtene Richtlinie und insbesondere ihren Artikel 9 werde der Klägerin unmittelbar ein Schaden verursacht, denn den Mitgliedstaaten stehe für ihre Umsetzung keinerlei Ermessensspielraum zu. Da die homöopathischen Arzneimittel nämlich nicht nach den für "herkömmliche" Arzneimittel verwendeten Methoden geprüft werden könnten, stelle der notwendige Nachweis therapeutischer Wirksamkeit eine "probatio diabolica" dar. Unter diesen Umständen stelle Artikel 9 der streitigen Richtlinie deswegen in Wahrheit eine Entscheidung dar, die die Klägerin unmittelbar betreffe, weil der Mitgliedstaat die der Klägerin erteilte Genehmigung zum Inverkehrbringen injizierbarer homöopathischer Erzeugnisse aussetzen und widerrufen müsse, ohne insoweit wählen, abwägen oder ein Ermessen ausüben zu können.
12 Die streitige Richtlinie betreffe die Klägerin ausserdem individuell, denn sie verlange unweigerlich und automatisch den Widerruf der ihr erteilten Genehmigung. Bei der individuellen Schädigung, von der die Zulässigkeit einer Klage nach Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages abhänge, müsse berücksichtigt werden, daß der Klägerin ein Recht zustehe, dessen Verletzung sie entsprechend den in den Mitgliedstaaten geltenden gemeinsamen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen gelten mache. Eine strenge Auslegung des Begriffs "individueller Schaden" würde nämlich dem einzelnen jede Möglichkeit nehmen, Richtlinien anzufechten.
Würdigung durch das Gericht
13 Nach Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person unter den in Absatz 1 dieses Artikels genannten Voraussetzungen "gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen".
14 Im vorliegenden Fall braucht nicht auf alle von den Parteien erörterten Probleme, die die Frage betreffen, ob ein einzelner eine Richtlinie mit einer Nichtigkeitsklage anfechten kann, eingegangen zu werden; es genügt die Feststellung, daß die streitigen Vorschriften der Richtlinie 92/73 die Klägerin nicht unmittelbar und individuell betreffen.
15 Erstens geht die Klägerin selbst davon aus, daß nur Artikel 9 der streitigen Richtlinie sie unmittelbar betreffe. Die Nichtigerklärung des Artikels 7 beantragt sie nämlich nur, soweit Artikel 9 von dieser Bestimmung abweicht.
16 Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt zweitens Artikel 9 Absatz 2 der streitigen Richtlinie, wonach ein "Mitgliedstaat ... in seinem Hoheitsgebiet entsprechend den dortigen Grundsätzen und besonderen Merkmalen der homöopathischen Medizin besondere Vorschriften für die pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Versuche der homöopathischen Arzneimittel, die nicht den Bestimmungen des Artikels 7 Absatz 1 unterliegen, einführen oder beibehalten [kann]" den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum in bezug auf die Versuche, denen homöopathische Erzeugnisse zu unterziehen sind, für die das vereinfachte Registrierungsverfahren des Artikels 7 der Richtlinie nicht gilt.
17 Drittens können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 211, und ° zu einer Klage gegen eine Richtlinie ° Beschluß vom 7. Dezember 1988 in der Rechtssache 160/88, Fedesa u. a./Rat, Slg. 1988, 6399, Randnr. 14) Personen ohnehin nur dann als durch eine Handlung individuell betroffen angesehen werden, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, die sie in ähnlicher Weise wie den Adressaten individualisieren, in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt sind. Die streitige Richtlinie betrifft aber die Klägerin nur in ihrer Eigenschaft als Herstellerin und Importeurin homöopathischer Arzneimittel, also in gleicher Weise wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in der gleichen Lage befindet.
18 Daraus folgt, daß die Klage offensichtlich unzulässig ist.
19 Das Gericht kann gemäß Artikel 111 seiner Verfahrensordnung bei offensichtlicher Unzulässigkeit einer Klage ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluß entscheiden. Daher ist nicht über die Anträge des European Council of Doctors for Plurality in Medicine und der Biologische Heilmittel Heel GmbH auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zum Verfahren zu entscheiden.
Kosten
20 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
21 Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre Kosten selbst.
22 Gemäß Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen. Unter den Umständen des vorliegenden Falls haben der European Council of Doctors for Plurality in Medicine und die Biologische Heilmittel Heel GmbH ihre eigenen Kosten zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
beschlossen:
1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2) Über die vom European Council of Doctors for Plurality in Medicine und von der Biologische Heilmittel Heel GmbH gestellten Anträge auf Zulassung als Streithelfer ist nicht zu entscheiden.
3) Die Klägerin trägt ihre eigenen und die dem Rat entstandenen Kosten.
4) Die Kommission sowie der European Council of Doctors for Plurality in Medicine und die Biologische Heilmittel Heel GmbH tragen ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 29. Oktober 1993