EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61992TO0029(01)

Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 16. Juli 1992.
Vereniging van Samenwerkende Prijsregelende Organisaties in de Bouwnijverheid und andere gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Einstweilige Anordnungen.
Rechtssache T-29/92 R.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 II-02161

ECLI identifier: ECLI:EU:T:1992:92

61992B0029(01)

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 16. JULI 1992. - VERENIGING VAN SAMENWERKENDE PRIJSREGELENDE ORGANISATIES IN DE BOUWNIJVERHEID UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - VORLAEUFIGER RECHTSSCHUTZ - VORLAEUFIGE MASSNAHMEN. - RECHTSSACHE T-29/92 R.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite II-02161


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Tenor

Schlüsselwörter


++++

Vorläufiger Rechtsschutz ° Aussetzung des Vollzugs ° Aussetzung des Vollzugs einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung ° Voraussetzungen ° Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden ° Abwägung sämtlicher betroffener Belange

(EWG-Vertrag, Artikel 85 und 185; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)

Leitsätze


Die Ablehnung der Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission, mit der einer Unternehmensvereinigung die Anwendung eines komplexen Regelwerks privatrechtlichen Inhalts verboten wird, das den Wettbewerb zwischen Unternehmern ordnen soll, die in einem Mitgliedstaat an der Vergabe von Bauarbeiten durch Ausschreibung beteiligt sind, kann einer abschließenden Entscheidung des Gerichts, mit der die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt wird, praktisch die Wirkung nehmen. Dies wäre der Fall, wenn die unmittelbare Anwendung dieser Entscheidung zwischenzeitlich den verfahrensmässigen Rahmen, in dem sich der Wettbewerb auf dem Markt abspielt, grundlegend geändert hätte und damit in nicht wieder rückgängig zu machender Weise jegliche Möglichkeit des Antragstellers, die streitigen Regelungen erneut zur Anwendung zu bringen, beeinträchtigen würde. In einer solchen Situation erfordert die Abwägung des Interesses an einer geordneten Rechtspflege einerseits und der Interessen der Beteiligten, einschließlich des Interesses der Kommission daran, daß die nach ihrer Auffassung festgestellte Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags sofort abgestellt wird, andererseits, daß eine Übergangslösung gefunden wird. Diese besteht darin, eine teilweise Aussetzung lediglich in dem Umfang anzuordnen, der zur Begrenzung des Schadens erforderlich ist, der dem Antragsteller bei sofortigem Vollzug der Entscheidung entstehen könnte, beschränkt auf die Punkte der vom Antragsteller angewandten Regelungen, deren Durchführung nicht eindeutig den Wettbewerb beschränkt.

Entscheidungsgründe


1 Die Vereniging van Samenwerkende Prijsregelende Organisaties in de Bouwnijverheid sowie 28 weitere Verbände (nachstehend: SPO u. a.) haben mit Klageschrift, die am 13. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung der Inexistenz oder auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.572 und IV/32.571 ° Niederländische Bauwirtschaft).

2 Die Entscheidung stellt in Artikel 1 fest, daß die Satzung der SPO vom 10. Dezember 1963 in der heute geltenden Fassung, die am 9. Oktober 1986 beschlossenen Uniforme Prijsregelende Reglementen (einheitliche Preisreglementierungen, nachstehend: UPR) und die früheren Regelungen ähnlichen Inhalts sowie der Erecode voor ondernemers in het bouwbedrijf (nachstehend: Ehrenkodex) mit Ausnahme von Artikel 10 einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellen.

3 Den Antrag auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag zugunsten der am 9. Oktober 1986 beschlossenen UPR und des Ehrenkodex hat die Kommission in Artikel 2 der Entscheidung abgelehnt.

4 Gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Entscheidung sind die SPO und ihre Mitgliedsorganisationen verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen, die betreffenden Unternehmen von dieser Entscheidung und von der Abstellung der Verstösse in Kenntnis zu setzen und dabei auf die damit verbundenen praktischen Folgen wie die Freiheit jedes Unternehmens, sich zu jedem Zeitpunkt den genannten Regelungen zu entziehen, hinzuweisen. Die SPO und ihre Mitgliedsorganisationen sind ferner verpflichtet, der Kommission binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung die den Unternehmen nach Absatz 2 der Entscheidung übermittelten Informationen mitzuteilen.

5 Gemäß Artikel 4 der Entscheidung werden gegen die 28 betroffenen Unternehmensverbände Geldbussen im Gesamtbetrag von 22 498 000 ECU festgesetzt. Nach Artikel 5 sind die gemäß Artikel 4 festgesetzten Geldbussen innerhalb drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung zu zahlen.

6 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen ausserdem gemäß Artikel 185 und 186 EWG-Vertrag und Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts zum einen beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug der streitigen Entscheidung insgesamt, hilfsweise, den Vollzug der Artikel 1 Absätze 1 und 2 und der Artikel 2, 3 und 5 der Entscheidung bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache, zum anderen, den Vollzug der Artikel 3 Absatz 3 und 5 der Entscheidung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf einstweilige Anordnung auszusetzen, ohne die Stellungnahme der Kommission abzuwarten.

7 Der Kommission ist aufgegeben worden, bis zum 27. April 1992 schriftlich zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung zu nehmen. Diese Frist ist auf Antrag der Kommission bis zum 15. Mai 1992 verlängert worden.

8 Mit Beschluß vom 4. Mai 1992 hat der Präsident des Gerichts angeordnet, daß die in Artikel 3 Absatz 3 der streitigen Entscheidung festgesetzte Frist nicht vor Verkündung des Beschlusses endet, der das Verfahren der einstweiligen Anordnung beendet. Zugleich hat der Präsident des Gerichts den Antrag, die Vollziehung des Artikels 5 der Entscheidung bis zur Verkündung des Beschlusses auszusetzen, der das Verfahren der einstweiligen Anordnung beendet, abgelehnt.

9 Mit Schriftsatz vom 4. Juni 1992 haben die Antragstellerinnen ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Artikels 5 der streitigen Entscheidung zurückgenommen.

10 Die Kommission hat zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung am 15. Mai 1992 Stellung genommen. Die Parteien haben am 18. Juni 1992 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung hat der Präsident des Gerichts die Parteien aufgefordert, ihm binnen Wochenfrist schriftlich ergänzende Informationen zu übermitteln. Mit Schreiben, die am 25. bzw. 26. Juni 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Kommission und die Antragstellerinnen dem Kanzler des Gerichts diese Informationen übermittelt.

11 Vor Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung sind Zusammenhang und Inhalt der Vereinbarungen, Beschlüsse und Regelungen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, in gedrängter Form darzustellen.

12 Die SPO ist ein Verband, in dem Unternehmensvereinigungen der Bauwirtschaft zusammengeschlossen sind, und hat nach Artikel 3 ihrer Satzung zum Ziel, "einen geordneten Wettbewerb zu fördern und zu lenken, ungebührliches Verhalten bei der Abgabe von Preisangeboten zu verhindern und zu bekämpfen und die Bildung wirtschaftlich gerechtfertigter Preise zu fördern". Zu diesem Zweck stellt die SPO die Ausarbeitung sogenannter Regelungen zur "institutionalisierten Preis- und Wettbewerbsreglementierung" sicher und ist befugt, gegen die ihren Mitgliedsorganisationen angeschlossenen Unternehmen bei Verstoß gegen Verpflichtungen aus diesen Regelungen Strafmaßnahmen zu ergreifen. Die Durchführung dieser Regelungen ist acht "Büros" übertragen, deren Arbeitsweise von der SPO kontrolliert wird. Gegenwärtig gehören der SPO 28 Unternehmensvereinigungen an, denen wiederum insgesamt mehr als 4 000 in den Niederlanden ansässige Bauunternehmen angeschlossen sind.

13 Die am 9. Oktober 1986 beschlossenen und am 23. Juni 1988 geänderten UPR sollen den Verfahrensrahmen für den Wettbewerb zwischen den Bauunternehmen bei der Vergabe von Bauwerken festlegen. Es gibt zwei UPR. Die eine betrifft die Abgabe von Preisangeboten bei nicht offenen Ausschreibungsverfahren (nachstehend: UPPR), die andere die Abgabe von Preisangeboten bei offenen Ausschreibungsverfahren (nachstehend: UPRO). Die beiden UPR haben die gleiche Struktur und enthalten, was die Verpflichtungen der angeschlossenen Unternehmen und die Arbeitsweise der Organisation betrifft, sehr genaue und detaillierte Bestimmungen. Diese beiden UPR werden durch vier Regelungen und drei Anhänge ergänzt.

14 Fünf Arten von Vereinbarungen, Beschlüssen und Regelungen werden von der streitigen Entscheidung angesprochen. Es handelt sich um die Satzung der SPO, die beide am 9. Oktober 1986 beschlossenen und am 23. Juni 1988 geänderten UPR, den Ehrenkodex, Zusatzregelungen sowie vor der Einführung der UPR bestehende Regelungen.

15 Die Bestimmungen der Vereinbarungen, Beschlüsse und Regelungen, die Gegenstand der streitigen Entscheidung sind, betreffen die Pflicht zur Mitteilung der Absicht an das zuständige SPO-Büro, ein Preisangebot abzugeben, die Sitzungen der Unternehmer, den Schutz des "Berechtigten", die Rückzahlung der Preiszuschläge, die Kontrolle der Einhaltung der sich aus den UPR ergebenden Verpflichtungen, das Verhalten der SPO gegenüber nicht angeschlossenen Bauunternehmern, die Regelung betreffend nicht gleichzeitige Preisangebote, die Regelung für Preisangebote im Kontext der Auftragsuntervergabe und die Behandlung der freihändig vergebenen Aufträge.

16 Nach der streitigen Entscheidung fallen die vorstehend aufgeführten Vereinbarungen, Beschlüsse und Regelungen unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, da sie den Markt auf der Angebotsseite zu regeln und die Bedingungen für die Geschäftsabschlüsse auf Grundlagen zu verändern trachten, die sich nicht aus dem freien Spiel des Wettbewerbs ergeben. Nach der Entscheidung stellen neben der Satzung der SPO, die für die zusammengeschlossenen Vereinigungen und deren Mitglieder Regelungen zwingend vorschreibt, die eine Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, folgende Regelungen Beschränkungen des Wettbewerbs dar:

° die Anzeige der Absicht zur Abgabe eines Preisangebots;

° die Sitzung der Unternehmer, die Preisangebote abgegeben haben;

° die Einigung über die grundsätzliche Frage der Benennung eines Berechtigten sowie dessen Schutz;

° der Vergleich der Kostenbestandteile des Auftrags bei der Sitzung der Unternehmer;

° die Überreichung der von jedem Teilnehmer erstellten Blankozahlen an den Vorsitzenden der Sitzung;

° die Möglichkeit der Rücknahme des Angebots nach Kenntnisnahme der Blankozahlen aller anderen Teilnehmer;

° die Möglichkeit der Abänderung der anfänglichen Rangfolge der Preisangebote in der Weise, daß an die Stelle des niedrigsten Preisangebots der "ersten Runde" das Präferenz-Angebot tritt;

° die gemeinsame Festsetzung von Preiszuschlägen;

° die abgestimmte Festsetzung der Preise für die endgültigen Angebote;

° die Rückzahlung der Beträge für die Kalkulationskostenvergütung und der Verbandsumlagen, sowie

° die Verhängung von Strafmaßnahmen bei Nichtbeachtung der sich aus diesen Regelungen ergebenden Verpflichtungen.

17 In ihrer Entscheidung geht die Kommission ferner davon aus, daß der systematische Austausch von Informationen innerhalb der SPO über nicht angeschlossene Bauunternehmer, die abgestimmte Antwort auf deren Preisangebote sowie die Angebote von Einheitspreisen bei der Behandlung ohne Ausschreibung vergebener Aufträge ebenfalls eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen.

Entscheidungsgründe

18 Gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften kann das Gericht die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung anordnen, wenn es dies den Umständen nach für erforderlich hält.

19 Gemäß Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen die Anträge auf einstweilige Anordnung im Sinne des Artikels 185 EWG-Vertrag die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, und die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft machen. Die beantragten Maßnahmen dürfen ferner nur eine einstweilige Regelung darstellen und der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache nicht vorgreifen.

Vorbringen der Parteien

20 Nach Auffassung der Antragstellerinnen liegen die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der beantragten einstweiligen Maßnahmen im vorliegenden Falle vor. Zur Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens machen sie geltend, daß eine sofortige Vollziehung der streitigen Entscheidung nicht nur die Organisation der SPO zerstören, sondern auch in schwerwiegender und nicht wiedergutzumachender Weise die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Baumarkt beeinträchtigen würde. Die Aufgabe der Regelungen bis zur Entscheidung über die Anfechtungsklage werde in nicht rückgängig zu machender Weise zur Entlassung von 170 Angestellten und der Zerschlagung jeglicher Organisation führen, was eine Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den an den streitigen Vereinbarungen Beteiligten für den Fall, daß den Klagen in der Hauptsache stattgegeben werden sollte, unmöglich mache (vgl. den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 31. März 1982 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 R und 62/82 R, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1982, 1241). Die Antragstellerinnen sind weiterhin der Auffassung, daß die Beseitigung der streitigen Regelungen eine schwerwiegende Störung des auf dem Baumarkt erreichten relativen Gleichgewichts bewirken und damit Ausschreibende und Unternehmer zu Praktiken verleiten würde, die schädlich für die Wettbewerbsbeziehungen wären.

21 Soweit es die Glaubhaftmachung der Begründetheit in rechtlicher Hinsicht betrifft, vertreten die Antragstellerinnen die Auffassung, daß angesichts ihres Klagevorbringens vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Klagen offensichtlich unbegründet seien (vgl. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. Mai 1989 in den verbundenen Rechtssachen 76/89 R, 77/89 R und 91/89 R, Radio Telefis Eireann u. a./Kommission, Slg. 1989, 1141, und vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache 56/89 R, Publishers Association/Kommission, Slg. 1989, 1693). Insoweit machen die Antragstellerinnnen hauptsächlich geltend, daß die streitige Entscheidung offenkundig inexistent oder zumindest wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften anfechtbar sei, weil die ihnen übermittelten Fassungen der Entscheidung von der Kommission als Kollegium in ihrer Sitzung vom 5. Februar 1992 nicht in der verbindlichen niederländischen Fassung verabschiedet oder beschlossen worden seien. Dies werde dadurch bestätigt, daß die erste ihnen übermittelte Fassung erhebliche Unzulänglichkeiten aufweise. Diese Unzulänglichkeiten seien erst in einer zweiten, am 2. März 1992 übermittelten Fassung beseitigt worden, die der Kommission als Kollegium nicht vorgelegen habe.

22 Hilfsweise machen die Antragstellerinnen geltend, die angefochtene Entscheidung müsse wegen Verletzung des Artikels 85 Absätze 1 und 3 EWG-Vertrag, der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13 S. 204, nachstehend: Verordnung Nr. 17), der allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie wegen Ermessensmißbrauchs für nichtig erklärt werden. Zur Stützung ihres Klageantrags führen sie neun Klagegründe an. In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung beschränken sie sich auf die Anführung der Klagegründe, bei denen es sich im wesentlichen um die Verletzung des Artikels 85 EWG-Vertrag und die fehlende Begründung bezueglich der besonderen Natur der Bauwirtschaft in den Niederlanden, die Festlegung der relevanten Märkte, die Verkennung des Ziels und der Wirkungen der mitgeteilten Regelungen, die spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, die Verweigerung einer Freistellung und die fehlende Berücksichtigung der von der SPO vorgelegten Änderungsvorschläge handelt.

23 Schließlich stuenden Gemeinschaftsinteressen der beantragten Aussetzung nicht entgegen, da die Kommission bis 1987 niemals das geringste Interesse für die ihr zweifellos bekannten streitigen Regelungen gezeigt habe, einstweilige Maßnahmen oder den Entzug der Verschonung von Geldbussen nach Artikel 15 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 nicht erwogen habe, Beschwerde bei der Kommission nicht eingelegt worden sei und die niederländischen Behörden sich jederzeit hinter die angemeldeten Regelungen gestellt hätten.

24 Die Kommission bestreitet die Glaubhaftmachung der Begründetheit in rechtlicher Hinsicht sowie die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens der Antragstellerinnen, die beide für die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Entscheidung erforderlich seien.

25 Soweit es um die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens geht, vertritt die Kommission die Auffassung, daß die Entscheidung die Antragstellerinnen entgegen ihrer Behauptung nicht verpflichte, die SPO zu "zerschlagen" oder ihr Personal zu entlassen. Nichts hindere die Büros der SPO daran, ihre Tätigkeiten im Rahmen der Anwendung der streitigen Regelungen wieder aufzunehmen, wenn die Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig erklärt werden sollte. Zu Unrecht verwiesen insoweit die Antragstellerinnen auf die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes in den Rechtssachen VBVB und Publishers Association, a. a. O., da es sich bei den in diesen beiden Entscheidungen behandelten Systemen um vertikale Systeme mit mehreren Gliedern der Vertriebskette gehandelt habe und nicht um ein horizontales System, das die Mitglieder wie im vorliegenden Fall vollständig beherrschten. Ferner verpflichte nichts die Antragstellerinnen, ihr Personal zu entlassen, da andere Tätigkeiten der SPO von der Entscheidung nicht betroffen seien und deren Finanzierung gegebenenfalls für die Dauer des Hauptverfahrens durch Umlagen zu Lasten der Mitglieder gesichert werden könne. Die Antragstellerinnen hätten weiter nicht dargelegt, wieso die Beseitigung der streitigen Regelungen notwendigerweise bei den Ausschreibenden zu "schädlichen Vergabepraktiken" führen werde, die das Gleichgewicht des niederländischen Baumarkts zu stören geeignet seien.

26 Zur Glaubhaftmachung der Begründetheit in rechtlicher Hinsicht fragt sich die Kommission zunächst, ob der einfache Hinweis auf die Klage mit Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts vereinbar sei, und untersucht sodann ausführlich die einzelnen Klagegründe, die die Antragstellerinnen in der Sache zur Stützung ihrer Klagen angeführt haben. Dieses Vorbringen der Kommission kann wie folgt zusammengefasst werden. Der von den Antragstellerinnen angeführte Hauptklagegrund der offensichtlichen Inexistenz der Entscheidung werde durch keinerlei Beleg dafür erhärtet, daß der den Antragstellerinnen übermittelte Wortlaut sich von dem Wortlaut unterscheide, der von der Kommission als Kollegium beschlossen worden sei. Infolge eines technischen Versagens des internen elektronischen Datenübermittlungssystems habe bei der den Adressaten der Entscheidung übermittelten ersten Fassung eine Seite gefehlt. Dieser technische Mangel sowie die Adressenänderung bei einer Reihe von Adressaten seien der Grund für eine erneute Übermittlung gewesen.

27 Zu den hilfweise angeführten Klagegründen macht die Kommission geltend, daß Artikel 85, da der EWG-Vertrag keine Ausnahme vorsehe, in vollem Umfang auf den Bausektor anwendbar sei, so daß man ihr nicht vorwerfen könne, die wesentlichen Merkmale des niederländischen Bausektors ° der im übrigen gegenüber den anderen Mitgliedstaaten keinen grundlegenden Unterschied aufweise ° verkannt oder auch die relevanten Märkte nicht festgelegt zu haben. Zu der Rüge, die Zielsetzung der angemeldeten Regelungen und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse verkannt zu haben, weist die Kommission darauf hin, daß sie die einzelnen Punkte des Systems, wie sie sich aus den streitigen Regelungen ergäben, eingehend untersucht und in der Entscheidung die Gründe angegeben haben, wieso diese Punkte, je für sich und zusammengenommen betrachtet, den Wettbewerb in spürbarer Weise beschränkten. Die streitigen Regelungen sähen insbesondere einen Informationsaustausch vor Auftragsvergabe, die Abstimmung der Preisangebote und die völlige oder teilweise, unmittelbare oder mittelbare Festlegung der Preise und sonstigen Auftragsbedingungen sowie die Verteilung der Nachfrage auf die betreffenden Unternehmen vor, da nahezu alle aufgrund einer Ausschreibung vergebenen Baumaßnahmen in den Niederlanden der Anwendung dieser Regelungen unterlägen. Da die Antragstellerinnen insoweit davon ausgegangen sind, daß die Bestimmungen über den Schutz des Berechtigten, das System der Vergütung für Kalkulationskosten und die Möglichkeit des Rücktritts nach Preisvergleich die wichtigsten Gesichtspunkte darstellten, geht die Kommission auf diese drei Punkte ausführlicher ein. Sie wirft den Antragstellerinnen insoweit vor, den Versuch zu unternehmen, den Kernpunkt der Sache zu verschleiern, indem sie als "(Selbst-)Beschränkung der Verfahrensfreiheit" darstellten, was in Wirklichkeit eine engmaschige Absprache sei, die die Verhandlungs- und Entscheidungsfreiheit der Ausschreibenden sowie den Wettbewerb zwischen den Ausschreibungsteilnehmern und zwischen diesen und Dritten spürbar einschränke. Die Kommission weist das Vorbringen der Antragstellerinnen in der Klage zurück, daß eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten fehle, und stellt weiter in Abrede, daß das Vorbringen der Begründetheit in bezug auf die Verweigerung der Freistellung in rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht sei, da die Antragstellerinnen in keiner Weise darlegten, wieso die Kommission sich in den ° in der streitigen Entscheidung ausführlich behandelten ° Gründen geirrt haben sollte, aus denen heraus die vier Voraussetzungen des Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag nicht erfuellt seien. Schließlich könne man ihr ebensowenig vorwerfen, sie habe in ihrer Entscheidung die ihr von SPO vorgelegten Änderungsvorschläge für die Regelungen nicht untersucht, da diese Änderungen niemals formell verabschiedet worden oder zur Durchführung gelangt seien und die Ablehnung der Vorschläge den Rechtsanwälten der Antragstellerinnen mit Schreiben der Generaldirektion Wettbewerb mitgeteilt worden sei.

28 Die Kommission macht schließlich geltend, daß bei Abwägung der Interessen eine Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung nicht zu rechtfertigen sei. Die streitigen Regelungen enthielten erhebliche Beschränkungen des Wettbewerbs und verhinderten eine gegenseitige Durchdringung der nationalen Baumärkte der Mitgliedstaaten, die sich wegen struktureller Faktoren bereits in einer sehr verletzbaren Situation befänden. Die Umstände des vorliegenden Falles unterschieden sich grundlegend von den Rechtssachen VBVB und Publishers Assocation, a. a. O., bei denen es um der Kommission seit langem angemeldete Vereinbarungen gegangen sei, während es sich hier um ein System handele, das erst am 1. April 1987 öffentlich bekanntgemacht, 1988 angemeldet und dann von der Kommission aktiv untersucht worden sei. Daß sie keine vorläufigen Maßnahmen ergriffen oder die vorübergehende Befreiung von der Bußgeldpflichtigkeit nicht zurückgenommen habe, beeinträchtige in keiner Weise das Interesse, das mit der Entscheidung verfolgt werde. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen hätten sich die Stadtverwaltung Rotterdam und drei Verbraucherorganisationen, die einen grossen Teil der niederländischen Verbraucher repräsentierten, bei dem nach der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) anberaumten Anhörungstermin gegen die streitigen Regelungen ausgesprochen.

29 Unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. Oktober 1978 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 R bis 215/78 R und 218/78 R (Van Landewyck/Kommission, Slg. 1978, 2111) und vom 31. März 1982, VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., verlangt die Kommission hilfsweise, daß bei Aussetzung der Vollziehung des Artikels 3 der streitigen Entscheidung die Aussetzung unter der Bedingung erfolge, daß die den Mitgliedsorganisationen der SPO zugehörenden Unternehmen befugt sein müssten, die Regelungen ausser acht zu lassen, ohne daß deswegen Disziplinar- oder sonstige Strafmaßnahmen gegen sie verhängt werden dürften.

Würdigung durch das Gericht

30 Die Entscheidung, deren Vollzug im Rahmen des vorliegenden Anordnungsverfahrens antragsgemäß ausgesetzt werden soll, betrifft einen komplexen Sachverhalt mit Regelungen privatrechtlichen Inhalts, die durch Beschluß eines Unternehmensverbandes festgelegt wurden und deren Zweck es ist, den Wettbewerb zwischen Unternehmern zu ordnen, die in den Niederlanden an der Vergabe von Bauarbeiten durch Ausschreibung beteiligt sind. In der Entscheidung stellt die Kommission eine Reihe von Wettbewerbsbeschränkungen fest (vgl. die Randnummern 14 bis 16 dieses Beschlusses), die sich aus den für die einzelnen Regelungen und das von der SPO geschaffene System kennzeichnenden Punkten ergeben sollen. Hieraus folgt ° wie sich im übrigen aus dem verfügenden Teil der streitigen Entscheidung und insbesondere aus deren Artikel 1 ergibt °, daß das System insgesamt ° mit der Satzung, den UPR einschließlich der Regelungen und deren Anhängen, dem Ehrenkodex mit Ausnahme des Artikels 10 sowie den früheren und den UPR vergleichbaren Regelungen ° als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gewertet wird.

31 Was die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens anlangt, ist darauf hinzuweisen, daß eine erste Prüfung der Angriffs- und Verteidigungsmittel und des Vorbringens der Parteien erkennen lässt, daß der sofortige Vollzug der streitigen Entscheidung, da sie auf die Zerschlagung des verfahrensmässigen Rahmens hinausliefe, in dem sich der Wettbewerb auf dem Markt abspielt, auf diesem eine Entwicklung in Gang setzen könnte, die sich später, wie gewichtige Gründe annehmen lassen, nur mit grossen Schwierigkeiten oder überhaupt nicht mehr rückgängig machen ließe, falls der Klage stattgegeben würde (vgl. zuletzt den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-24/92 R und T-28/92 R, Schöller und Langnese/Kommission, Slg. 1992, II-1839). Das System der Reglementierung der Preise und des Wettbewerbs, das als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag beanstandet worden ist, gibt nämlich seit langem den verfahrensmässigen Rahmen für den niederländischen Baumarkt ab. Bei sofortigem Vollzug der Entscheidung würden die dadurch bedingten grundlegenden Veränderungen bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache in nicht wieder rückgängig zu machender Weise jegliche Möglichkeit der Antragstellerinnen, die streitigen Regelungen erneut zur Anwendung zu bringen, beeinträchtigen, falls das Gericht die streitige Entscheidung für nichtig erklären sollte.

32 Zur Glaubhaftmachung der Begründetheit in rechtlicher Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich die Antragstellerinnen in ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung darauf beschränkt haben, in erster Linie geltend zu machen, daß die streitige Entscheidung offensichtlich inexistent oder jedenfalls wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften anfechtbar sei, und hilfweise die neun Klagegründe anzuführen, die sie zur Stützung ihrer Klage vorgebracht haben und auf die sie verweisen.

33 Soweit es um den Klagegrund der offensichtlichen Inexistenz der streitigen Entscheidung geht, ist angesichts des Vorbringens der Kommission, dem die Antragstellerinnen nicht widersprochen haben, festzustellen, daß diese keine konkreten Anhaltspunkte von Gewicht dafür vorgetragen haben, daß nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung der Grundsatz der Unantastbarkeit eines beschlossenen Rechtsakts verletzt worden wäre und damit die angefochtene Entscheidung die Vermutung ihrer Rechtmässigkeit verloren hätte, die ihr aufgrund des Anscheins zukommt (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-10/89, Hoechst/Kommission, Slg. 1992, II-629).

34 Bezueglich der von den Antragstellerinnen hilfsweise angeführten Klagegründe ist darauf hinzuweisen, daß aufgrund der Eigenart des Verfahrens der einstweiligen Anordnung eine eingehendere Prüfung sämtlicher streitiger Regelungen in diesem Rahmen nicht erfolgen kann, zumal sich die Antragstellerinnen lediglich auf die von ihnen vorgebrachten Klagegründe berufen und geltend gemacht haben, daß angesichts ihres Klagevorbringens vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden dürfe, daß ihre Klage offensichtlich unbegründet sei. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung kann zwar das Gericht nicht alle mit der Klage vorgebrachten Klagegründe und Tatsachen mit aller Gründlichkeit prüfen ° zumal dann nicht, wenn die Klageschrift nahezu 400 Seiten umfasst °, es hat jedoch das Vorbringen der Antragstellerinnen in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung sowie ihre mündlichen Ausführungen zu berücksichtigen und zu prüfen, ob Gesichtspunkte erkennbar sind, die die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, in Frage stellen könnten.

35 Ausserdem haben die Antragstellerinnen im Verlauf des Verwaltungsverfahrens bei der Kommission eine Reihe von Vorschlägen zur Änderung der streitigen Regelungen vorgelegt, mit denen den wesentlichen Beanstandungen der Kommission Rechnung getragen werden sollte. Da das Gericht der einstweiligen Anordnung nicht die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf (vgl. den Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. Oktober 1978, Van Landewyck/Kommission, a. a. O.), können diese Vorschläge bei der Prüfung der Glaubhaftmachung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nicht berücksichtigt werden.

36 Bei Durchsicht der angefochtenen Entscheidung wird deutlich, daß eine Reihe von Punkten des durch die streitigen Regelungen geschaffenen Systems dem ersten Anschein nach eindeutig den Wettbewerb im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag beschränken. Es handelt sich insbesondere um den Grundsatz der Sitzung der Unternehmer, die ein Preisangebot abgegeben haben, den Vergleich der Kostenbestandteile der Aufträge durch die Unternehmer und die Möglichkeit, bei dieser Sitzung einen "Berechtigten" zu benennen, die Möglichkeit der Einreichung von Blankozahlen für die übrigen beteiligten Unternehmen, die Möglichkeit des Rücktritts der Ausschreibungsteilnehmer nach Kenntnis der Blankozahlen der anderen Teilnehmer, die Präferenzzuerkennung und schließlich um die Rückzahlung der als Kalkulationskostenvergütung vereinnahmten Beträge und der Branchenumlagen, da diese Beträge und Umlagen unmittelbar den Ausschreibenden belastet werden. Zwar bilden einige dieser Punkte den Kern der streitigen Regelungen ° und stellen den Antragstellerinnen zufolge wichtige Stützen für die Funktionsweise des gesamten Systems dar °; es lässt sich indessen in diesem Verfahrensstadium nicht ausschließen, daß andere Teile des Systems, so wie dieses gegenwärtig zur Anwendung gelangt, mit den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft in Einklang stehen oder gegebenenfalls eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag erfahren können.

37 Im allgemeinen reicht die blosse Möglichkeit, daß das Gericht bei seiner Entscheidung in der Hauptsache zu der Auffassung gelangt, daß bestimmte Teile eines komplexen Systems, wie es im vorliegenden Fall gegeben ist, mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht in Einklang stehen, für das Gericht der einstweiligen Anordnung als Glaubhaftmachung der Begründetheit in rechtlicher Hinsicht nicht aus. Unter den Umständen des vorliegenden Falles darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, daß, wie vorstehend dargelegt, bei sofortigem Vollzug der Entscheidung der verfahrensmässige Rahmen, in dem sich der Wettbewerb auf dem Baumarkt entfaltet, in der Zwischenzeit grundlegende Veränderungen erfahren würde. Das würde jede Möglichkeit der Antragstellerinnen, die streitigen Regelungen erneut zur Anwendung zu bringen, in nicht wieder rückgängig zu machender Weise beeinträchtigen und damit eine etwaige, selbst nur teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gegenstandslos machen.

38 Angesichts einer derartigen Sach- und Rechtslage muß der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung das Interesse an einer geordneten Rechtspflege einerseits und die Interessen der Parteien, einschließlich des Interesses der Kommission daran, daß die nach ihrer Auffassung festgestellten Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages sofort abgestellt werden, andererseits in der Weise gegeneinander abwägen, daß sowohl die Schaffung einer unumkehrbaren Lage als auch die Entstehung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für eine der Parteien des Rechtsstreits oder für das öffentliche Interesse vermieden wird (vgl. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. Februar 1987 in der Rechtssache 45/87 R, Kommission/Irland, Slg. 1987, 783, und vom 13. Juni 1989, Publishers Association/Kommission, a. a. O., sowie den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 26. Juni 1992, Schöller und Langnese/Kommission, a. a. O.).

39 Daher erscheint es angezeigt, eine teilweise Aussetzung der Vollziehung der streitigen Entscheidung lediglich in dem Umfang anzuordnen, der zur Begrenzung des schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich ist, der den Antragstellerinnen bei sofortigem Vollzug der Entscheidung entstehen könnte. Da der Schutz der Interessen der Antragstellerinnen nicht verlangt, daß der Vollzug der Entscheidung insoweit ausgesetzt wird, als diese die Regelungen für unvereinbar mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag erklärt oder eine Freistellung versagt, muß die Aussetzung allein auf Artikel 3 der Entscheidung und auf die Punkte der Regelungen beschränkt bleiben, deren Durchführung nicht eindeutig den Wettbewerb beschränkt.

40 Die eindeutige Wettbewerbswidrigkeit bestimmter, in Randnummer 36 dieses Beschlusses aufgeführter Teile der streitigen Regelungen beruht auf einer Abstimmung (nämlich den Sitzungen der Unternehmer) sowie einem Austausch von Informationen unter diesen Unternehmern (wie beispielsweise bei den Informationen über andere Anzeigen, über die Kostenstrukturen und die Blankozahlen anderer Anbieter), die für das Funktionieren des Systems nicht unerläßlich sind. Dieses kann nämlich, soweit es die Anzeige der Preisangebote, die Einreichung der Blankozahlen, den Vergleich der Kostenbestandteile der Aufträge, die Benennung eines Berechtigten bei vergleichbaren Angeboten und dessen Schutz betrifft, dem ersten Anschein nach ohne Abstimmung oder Informationsaustausch unter den Unternehmern durch das Büro oder dessen Leiter sichergestellt werden. So verhielte es sich insbesondere, wenn die Unternehmen, statt ihre Absicht der Abgabe eines Angebots anzuzeigen, ihre Preisangebote und gegebenenfalls ihre Forderung auf Benennung eines Berechtigten nur dem Büro mitteilen würden, dem allein diese Informationen zugänglich wären und das in der Folge selbst die Kostenbestandteile der Aufträge vergleichen und den Bieter mit dem geringsten Angebot als Berechtigten benennen würde, falls die Angebote vergleichbar wären oder eine Mehrheit der Beteiligten sich dafür ausgesprochen hätte.

41 Demgegenüber hängt die Wettbewerbswidrigkeit anderer Teile des Systems nicht von einer Abstimmung oder einem Informationsaustausch unter den Unternehmern ab. Dies gilt für die Präferenz und die Rückzahlung der Beträge für die Kalkulationskostenvergütung und der Verbandsumlagen. Bezueglich der Präferenzgewährung haben die Antragstellerinnen dem Präsidenten des Gerichts gegenüber erklärt, sie würden die entsprechenden Bestimmungen nicht anwenden. Bei der Rückzahlung der Beträge für die Kalkulationskostenvergütung und der Verbandsumlagen können die eindeutig wettbewerbswidrigen Teile des Systems dadurch beseitigt werden, daß die Beträge und Umlagen nicht mehr insgesamt unmittelbar auf die Ausschreibenden abgewälzt werden.

42 Nach alledem ist die Aussetzung des Vollzugs des Artikels 3 der Entscheidung der Kommission insoweit anzuordnen, als diese Bestimmung Teile der streitigen Regelungen betrifft, die nicht mit einer Abstimmung oder einem Informationsaustausch unter den Unternehmern, einer Präferenzgewährung oder der unmittelbaren Abwälzung der Beträge für die Kalkulationskostenvergütung und der Verbandsumlagen auf die Ausschreibenden zusammenhängen.

43 Es ist ferner anzuordnen, daß die Antragstellerinnen der Kommission und dem Gericht bis spätestens 1. Oktober 1992 die Maßnahmen mitzuteilen haben, die sie ergriffen haben, um die Funktionsweise des Systems diesem Beschluß anzupassen.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1) Der Vollzug von Artikel 3 der Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.572 und IV/32.571 ° Niederländische Bauwirtschaft) wird ausgesetzt, soweit diese Bestimmung Teile der streitigen Regelungen betrifft, die nicht mit einer Abstimmung oder einem Informationsaustausch unter den Unternehmern, einer Präferenzgewährung oder der unmittelbaren Abwälzung der Beträge für die Kalkulationskostenvergütung und der Verbandsumlagen auf die Ausschreibenden zusammenhängen.

2) Die Antragstellerinnen haben der Kommission und dem Gericht bis spätestens 1. Oktober 1992 die Maßnahmen mitzuteilen, die sie ergriffen haben, um die Funktionsweise des Systems diesem Beschluß anzupassen.

3) Im übrigen wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückgewiesen.

4) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 16. Juli 1992.

Top