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Document 61991CC0156

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25. Juni 1992.
    Hansa Fleisch Ernst Mundt GmbH & Co. KG gegen Landrat des Kreises Schleswig-Holstein.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht - Deutschland.
    Gesundheitsbehördliche Kontrollen - Gebühr - Richtlinie 85/73/EWG - Entscheidung 88/408/EWG - Unmittelbare Wirkung.
    Rechtssache C-156/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1992 I-05567

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1992:279

    61991C0156

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25. Juni 1992. - HANSA FLEISCH ERNST MUNDT GMBH & CO KG GEGEN LANDRAT DES KREISES SCHLESWIG-FLENSBURG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT - DEUTSCHLAND. - GESUNDHEITSBEHOERDLICHE KONTROLLEN - GEBUEHR - RICHTLINIE 85/73/EWG - ENTSCHEIDUNG 88/408/EWG - UNMITTELBARE WIRKUNG. - RECHTSSACHE C-156/91.

    Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-05567


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. In der vorliegenden Rechtssache hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht drei Fragen nach der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Harmonisierung der für Hygieneuntersuchungen in Schlachtbetrieben erhobenen Gebühren zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Verwaltungsgericht wünscht Aufschluß insbesondere darüber, ob einige Bestimmungen dieser Vorschriften unmittelbare Wirkung haben und ob eine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung unmittelbare Wirkung erzeugen kann, bevor die für ihre Durchführung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist. Die fraglichen Bestimmungen sind in der Entscheidung 88/408/EWG des Rates vom 15. Juni 1988 (ABl. L 194, S. 24) enthalten, die aufgrund des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 (ABl. L 32, S. 14) erlassen wurde.

    2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Hansa Fleisch Ernst Mundt GmbH & Co. KG, ist eine deutsche Gesellschaft, die in Schleswig-Holstein eine Schlachterei, einen Zerlegebetrieb und ein Kühlhaus betreibt. Das Vorabentscheidungsersuchen ist im Rahmen eines Verfahrens ergangen, das durch die Klage der Firma Hansa Fleisch gegen eine Reihe von Bescheiden des Landrats des Kreises Schleswig-Flensburg anhängig gemacht wurde, mit denen die Widersprüche der Klägerin gegen die Festsetzung der für die Inspektion ihrer Betriebsräume erhobenen Gebühren zurückgewiesen worden waren. Nach deutschem Recht werden diese Gebühren nicht nach Bundesrecht, sondern nach den Rechtsvorschriften der einzelnen Bundesländer berechnet und erhoben. Demgemäß wurden die streitigen Gebühren aufgrund einer Verordnung des Landes Schleswig-Holstein erhoben, auch wenn diese Verordnung, die am 3. April 1987 erging, aufgrund des § 24 des Fleischhygienegesetzes des Bundes, der durch Gesetz vom 13. April 1986 in dieses Gesetz eingefügt worden war, erlassen wurde.

    3. Die fraglichen Gebühren wurden zwischen dem 23. Mai 1989 und dem 27. Juni 1990 für jeden Schlachttag erhoben, und die Bescheide des Landrats, gegen die sich die Klägerin mit ihrer Klage wendet, ergingen am 31. Oktober 1989 und 9. Juli 1990. Im folgenden bezeichne ich die Gebühren, die Gegenstand der Klage sind, als die "beanstandeten Gebühren".

    Die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen

    4. Die gemeinschaftliche Harmonisierung der Untersuchungsgebühren erfolgte in zwei Schritten. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 85/73 bestimmt:

    "Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß ab 1. Januar 1986

    ° bei der Schlachtung von in Absatz 2 genannten Tieren eine Gebühr erhoben wird, um die Kosten zu decken, die durch die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen und Hygienekontrollen entstehen;

    ...

    ° jede direkte oder indirekte Erstattung der Gebühren untersagt wird."

    Artikel 2 Absatz 1 sieht vor, daß der Rat vor dem 1. Januar 1986 die jeweilige pauschale Höhe dieser Gebühren sowie die "Einzelheiten und Grundsätze der Durchführung dieser Richtlinie und die Ausnahmen" festlegt. Artikel 2 Absatz 2 bestimmt:

    "Die Mitgliedstaaten können einen höheren Betrag erheben, als in Absatz 1 vorgesehen, sofern die erhobene Gesamtgebühr je Mitgliedstaat die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet."

    Obwohl der Rat, wie wir gesehen haben, die pauschalen Gebührenbeträge vor dem 1. Januar 1986 festsetzen sollte, erfolgte eine Festsetzung erst mit dem Erlaß der Entscheidung 88/408 vom 15. Juni 1988. Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung legt die Pauschalbeträge der Untersuchungsgebühren für bestimmte Tierarten fest. Artikel 2 Absatz 2 bestimmt:

    "... die Mitgliedstaaten, in denen die Lohnkosten, die Struktur der Betriebe und das Verhältnis zwischen Tierärzten und Fleischbeschauern von dem Gemeinschaftsdurchschnitt, der für die Berechnung der in Absatz 1 festgesetzten Pauschalbeträge festgelegt wurde, abweichen, [können] die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten senken bzw. anheben.

    Die Mitgliedstaaten, die die in Unterabsatz 1 vorgesehene Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen, gehen von den im Anhang genannten Grundsätzen aus.

    Auf keinen Fall darf die Anwendung der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Ausnahmeregelung dazu führen, daß die in Absatz 1 genannten durchschnittlichen Beträge bis zum 31. Dezember 1992 um mehr als 55 v. H. und ab 1. Januar 1993 um mehr als 50 v. H. gesenkt werden."

    Wie im Anhang der Entscheidung im einzelnen festgelegt wird, können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß die Pauschalbeträge generell gesenkt werden, wenn Lebenshaltungskosten und Lohnkosten besonders starke Unterschiede aufweisen, oder daß diese Beträge unter bestimmten Umständen für einzelne Betriebe gesenkt werden. Des weiteren werden im Anhang beispielhaft eine Reihe von Umständen aufgezählt, unter denen die Mitgliedstaaten die Gebühren zur Deckung höherer Kosten anheben können. Artikel 11 der Entscheidung bestimmt:

    "Die Mitgliedstaaten bringen die Vorschriften dieser Entscheidung spätestens am 31. Dezember 1990 zur Anwendung."

    Die Vorlagefragen

    5. Wie aus dem Vorlagebeschluß hervorgeht, vertrat die Klägerin im Ausgangsverfahren die Ansicht, daß die beanstandeten Gebühren die nach der Entscheidung 88/408 erlaubten Beträge überschritten und daß diese Entscheidung tatsächlich bereits durch § 24 des Fleischhygienegesetzes in deutsches Recht umgesetzt worden sei. Es ist jedoch zu beachten, daß § 24 nur auf die Richtlinie 85/73 und nicht auf die Durchführungsentscheidung des Rates Bezug nimmt, die zum Zeitpunkt der Einfügung des § 24 in das Fleischhygienegesetz ° am 13. April 1986 ° natürlich noch nicht ergangen war. Der Landrat trat jedoch der Auffassung entgegen, daß die Entscheidung 88/408 bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der beanstandeten Gebühren in deutsches Recht umgesetzt gewesen sei und daß die Klägerin sich vor Ablauf der in Artikel 11 der Entscheidung vorgeschriebenen Durchführungsfrist auf die Entscheidung berufen könne.

    6. Demgemäß hat das Verwaltungsgericht dem Gerichtshof die drei folgenden Fragen vorgelegt:

    1) Erlaubt die Richtlinie 85/73/EWG des Rates in Verbindung mit der Ratsentscheidung 88/408/EWG eine unmittelbare Anwendung dergestalt, daß sich ein Gemeinschaftsbürger vor einem Gericht des Mitgliedstaats Bundesrepublik Deutschland mit Erfolg darauf berufen kann, der Mitgliedstaat sei jedenfalls mit Wirksamkeit der Ratsentscheidung 88/408/EWG nicht mehr befugt, Gebühren im Sinne des Artikels 1 dieser Ratsentscheidung zu erheben, die der Höhe nach die Pauschalbeträge gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieser Ratsentscheidung übersteigen?

    2) Ist für die Beantwortung der Frage 1 durch den Gerichtshof von Bedeutung, ob die in Artikel 11 der Ratsentscheidung 88/408/EWG genannte Frist bereits verstrichen ist?

    3) Ist für die Beantwortung der Frage 1 durch den Gerichtshof von Bedeutung, ob Artikel 2 Absatz 2 der Ratsentscheidung 88/408/EWG so auszulegen ist, daß diese Ausnahmebestimmung von einem Mitgliedstaat einheitlich, nicht aber von einzelnen Gliederungen eines Mitgliedstaats, etwa den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, in Anspruch genommen werden darf?

    Die erste Frage

    7. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich eindeutig, daß eine Entscheidung, insbesondere wenn sie an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, eine Maßnahme ist, die wie eine Richtlinie grundsätzlich unmittelbare Wirkung haben kann, das heisst eine Maßnahme, auf die sich einzelne unter bestimmten Umständen vor den nationalen Gerichten berufen können, wenn nationale Durchführungsmaßnahmen fehlen. So hat der Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 1970 in der Rechtssache 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein, Slg. 1970, 825, Randnr. 5) ausgeführt:

    "Mit der den Entscheidungen durch Artikel 189 zuerkannten verbindlichen Wirkung wäre es unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, daß betroffene Personen sich auf die durch die Entscheidung auferlegte Verpflichtung berufen können."

    Um unmittelbare Wirkung zu haben, müssen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts jedoch unbedingt und hinreichend genau sein. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89 (Foster, Slg. 1990, I-3313, Randnr. 16) festgestellt hat, können sich die einzelnen, wenn diese Voraussetzungen erfuellt sind,

    "in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie ... gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; einzelne können sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können."

    8. Wie wir gesehen haben, legt die Entscheidung 88/408 die Pauschalbeträge der Untersuchungsgebühren fest. Die erste Frage des Verwaltungsgerichts geht nicht dahin, ob die Entscheidung 88/408 unmittelbare Wirkung habe, sondern dahin, ob die Richtlinie 85/73 "in Verbindung mit" der Entscheidung 88/408 diese Wirkung habe. Meiner Ansicht nach erlegt jedoch die Richtlinie 85/73 den Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen auf, die im vorliegenden Fall unmittelbar einschlägig wären. Es sei daran erinnert, daß Artikel 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, Gebühren zu erheben, um die Kosten zu decken, die durch die Schlachttier- und Fleischuntersuchungen und Hygienekontrollen in Schlachtbetrieben entstehen, und daß er eine direkte oder indirekte Erstattung dieser Gebühren untersagt. Es ist jedoch nicht streitig, daß der Klägerin diese Gebühren überhaupt auferlegt werden können; streitig ist vielmehr, ob die erhobenen Gebühren die nach der Entscheidung 88/408 erlaubten Hoechstbeträge übersteigen.

    9. Ausserdem erlegt Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/73 nicht etwa den Mitgliedstaaten irgendwelche Verpflichtungen auf, sondern verpflichtet vielmehr den Rat, eine Entscheidung über die pauschale Höhe der Gebühren und andere Punkte, mit denen die Richtlinie durchgeführt wird, zu treffen. Auch bezweckt Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie meines Erachtens nicht, den Mitgliedstaaten irgendwelche Verpflichtungen aufzuerlegen. Diese Bestimmung setzt die Festlegung der Gebührenbeträge durch den Rat nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie voraus und sieht vor, daß die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen von diesen Beträgen abweichen können. Bevor jedoch diese pauschalen Gebührenbeträge nicht in Kraft getreten sind, können die Beschränkungen der Befugnisse der Mitgliedstaaten, von diesen Beträgen, auf die sich Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie bezieht, abzuweichen, keine Anwendung finden. Wie wir gesehen haben, sind diese Beschränkungen jedenfalls in Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408, der Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie durchführt, näher bezeichnet. Demnach ist die erste Frage des Verwaltungsgerichts eher so zu verstehen, daß sie einfach dahin geht, ob die Entscheidung 88/408 unmittelbare Wirkung hat, auch wenn klar ist, daß eine Durchführungsentscheidung auf jeden Fall im Lichte der Bestimmungen, die sie durchführt, ausgelegt werden muß.

    10. Der Landrat vertritt in seinen beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen die Auffassung, daß die in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 88/408 festgesetzten Gebührenbeträge keine unmittelbare Wirkung haben könnten, da Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung den Mitgliedstaaten ein Ermessen insoweit einräume, als sie unter bestimmten Umständen von diesen Beträgen abweichen könnten, die zudem fortlaufenden Veränderungen unterlägen. Demgemäß hält der Landrat die Bestimmungen des Artikels 2 nicht für hinreichend genau und unbedingt, um unmittelbare Wirkung haben zu können, so daß sich die Klägerin auf sie nicht berufen könne.

    11. Die deutsche Regierung geht in ihren schriftlichen Erklärungen jedoch davon aus, daß es Umstände gebe, unter denen sich ein einzelner auf die unmittelbare Wirkung der in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung festgesetzten pauschalen Gebührenbeträge berufen könne. Sie führt den Fall an, daß das Ermessen, von den pauschalen Gebührenbeträgen abzuweichen, deshalb nicht rechtmässig ausgeuebt werden könne, weil diese Beträge bereits den tatsächlichen Untersuchungskosten entsprächen. Allgemeiner gesagt, kann Artikel 2 Absatz 1 meiner Ansicht nach immer dann unmittelbare Wirkung haben, wenn der fragliche Mitgliedstaat sein Ermessen, von den Pauschalbeträgen abzuweichen, nicht rechtmässig ausgeuebt hat. So kann es für das nationale Gericht, wenn den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, in dessen Rahmen sie von einer durch Gemeinschaftsrecht niedergelegten Verpflichtung abweichen können, immer noch notwendig sein, zu prüfen, ob nicht die getroffenen Maßnahmen den zulässigen Ermessensspielraum überschreiten. Wenn sie nämlich den zulässigen Ermessensspielraum überschreiten, kann der Mitgliedstaat sich nicht auf sein Ermessen berufen, um der unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen, die im übrigen unbedingt und hinreichend genau sind, zu entgehen (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74, Van Duyn/Home Office, Slg. 1974, 1337, Randnr. 7, und Urteil vom 1. Februar 1977 in der Rechtssache 51/76, Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invörrechten, Slg. 1977, 113, Randnr. 29). Ausserdem bin ich im Gegensatz zum Landrat nicht der Auffassung, daß diese unmittelbare Wirkung dadurch ausgeschlossen wird, daß sich die tatsächlichen Bedingungen, auf die sich die Ausübung des Ermessens des Mitgliedstaats bezieht, fortlaufend verändern; denn dies wäre nur einer der Umstände, die bei der Entscheidung, ob die nationalen Behörden ihr Ermessen insgesamt ordnungsgemäß ausgeuebt haben, zu berücksichtigen wären.

    12. Die deutsche Regierung meint, in der vorliegenden Rechtssache seien keine Beweise dafür vorgelegt worden, daß der in Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408 eingeräumte Ermessensspielraum überschritten worden sei. Die Klägerin trägt hingegen vor, das der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 2 Absatz 2 eingeräumte Ermessen sei in zweierlei Hinsicht fehlerhaft ausgeuebt worden: Erstens überstiegen die festgesetzten Gebühren unter Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 die Beträge, die zur Deckung der tatsächlichen Untersuchungskosten erforderlich seien, und zweitens lasse es Artikel 2 Absatz 2 nicht zu, daß die Gebühren von den Behörden der einzelnen Bundesländer und nicht einheitlich von der Bundesrepublik im ganzen festgesetzt würden. Der erste dieser Punkte umfasst Tatsachenfragen, die nur vom nationalen Gericht entschieden werden können. Für den zweiten Punkt ist dagegen eindeutig der Gerichtshof zuständig. Da es hierbei jedoch im wesentlich um den mit der dritten Vorlagefrage angesprochenen Streitpunkt geht, werde ich ihn erst bei diesem Thema erörtern (siehe unten Nrn. 28 bis 31).

    13. Soweit es um die Beantwortung der ersten Vorlagefrage geht, braucht lediglich festgestellt zu werden, daß sich ein einzelner auf Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 88/408 vor einem nationalen Gericht nur berufen kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat sein Ermessen nach Artikel 2 Absatz 2 entweder durch den Nichterlaß von Durchführungsmaßnahmen oder durch die fehlerhafte Ausübung seines Ermessens nicht ordnungsgemäß ausgeuebt hat. Andererseits besteht meiner Ansicht nach kein Zweifel, daß die Bestimmungen des Artikels 2 Absatz 1 als solche hinreichend genau und unbedingt sind, um unmittelbare Wirkung zu haben, so daß sie einem Mitgliedstaat, der sein Ermessen nach Artikel 2 Absatz 2 nicht ordnungsgemäß ausgeuebt hat, entgegengehalten werden können.

    Die zweite Frage

    14. Die zweite Frage des Verwaltungsgerichts geht praktisch dahin, ob die unmittelbare Wirkung der Entscheidung 88/408 davon abhängt, ob die zur Durchführung des Artikels 11 der Entscheidung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist. Es sei daran erinnert, daß diese Frist erst am 31. Dezember 1990 ablief, während die beanstandeten Gebühren sämtlich zwischen dem 23. Mai 1989 und dem 27. Juni 1990 erhoben wurden. Wie wir gesehen haben, erlegt die Richtlinie 85/73 den Mitgliedstaaten selbst keine Verpflichtung bezueglich der Hoechstbeträge der erhobenen Gebühren auf, so daß es nicht darauf ankommt, daß die Frist zur Durchführung der Richtlinie am 1. Januar 1986 ablief.

    15. Die Klägerin erhält in ihren schriftlichen Erklärungen die Ansicht aufrecht, die Einfügung des neuen § 24 in das Fleischhygienegesetz am 13. April 1986 habe die Wirkung gehabt, daß damit die Entscheidung 88/408 bereits mit ihrem Erlaß durch den Rat in das deutsche Recht umgesetzt worden sei. Daher seien die in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung festgesetzten pauschalen Gebührenbeträge bereits am 15. Juni 1988 im deutschen Recht in Kraft gesetzt worden. Die deutsche Regierung bestätigt in ihren schriftlichen Erklärungen, daß § 24 nicht nur die Richtlinie 85/73, sondern darüber hinaus jede nach Artikel 2 der Richtlinie erlassene Durchführungsentscheidung des Rates in nationales Recht umsetzen solle; gleichwohl erklärte sie in der mündlichen Verhandlung, daß diese Umsetzung erst zu dem in Artikel 11 der Entscheidung festgesetzten Fristende habe bewirkt werden sollen.

    16. Meiner Ansicht nach kann § 24 des Fleischhygienegesetzes nicht als hinreichende Maßnahme zur Durchführung der Entscheidung 88/408 im deutschen Recht angesehen werden. Einem derartigen Durchführungsverfahren würde zumindest die notwendige Transparenz insbesondere in Anbetracht der Tatsache fehlen, daß § 24 nicht bestimmt, zu welchem Zeitpunkt von einer Bewirkung der Durchführung auszugehen ist. Dagegen ist es Sache des nationalen Gerichts, die Frage zu beantworten, ob die Klägerin nach deutschem Recht Ansprüche geltend machen kann. Soweit die Klägerin solche Ansprüche geltend machen kann, braucht sie sich natürlich nicht auf die unmittelbare Wirkung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu berufen. Daher gehe ich im Rahmen dieser Schlussanträge davon aus, daß die Entscheidung 88/408 zum Zeitpunkt der Erhebung der beanstandeten Gebühren nicht vollständig in das deutsche Recht umgesetzt war.

    17. Im Urteil vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority, Slg. 1986, 723, Randnrn. 46 f.) hat der Gerichtshof die Grundsätze, auf denen die Lehre der unmittelbaren Wirkung beruht, wie folgt dargelegt:

    "Es ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ... in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, die einzelnen berechtigt sind, sich gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen zu berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umsetzt oder eine unzutreffende Umsetzung dieser Richtlinie vornimmt.

    Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß es mit dem verbindlichen Charakter, den Artikel 189 der Richtlinie zuerkennt, unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, daß sich betroffene Personen auf die in der Richtlinie enthaltene Verpflichtung berufen können. Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, daß ein Mitgliedstaat, der die in der Richtlinie vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen nicht fristgemäß erlassen hat, den einzelnen nicht entgegenhalten kann, daß er die aus der Richtlinie erwachsenen Verpflichtungen nicht erfuellt hat." (Hervorhebung von mir)

    Diese Ausführungen gelten entsprechend auch für an die Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidungen, die eine Umsetzung in nationales Recht bis zum Ende eines festgesetzten Zeitraums vorschreiben.

    18. Natürlich ist klar, daß eine Richtlinie oder Entscheidung dann, wenn ein Mitgliedstaat untätig geblieben ist, vor Ablauf der zu ihrer Durchführung festgelegten Frist keine unmittelbare Wirkung haben kann (vgl. Urteil vom 5. April 1979 in der Rechtssache 148/78, Ratti, Slg. 1979, 1629, Randnrn. 24 und 43). Nimmt man die eben zitierte Stelle aus dem Urteil Marshall wörtlich, so könnte sie jedoch den Anschein erwecken, daß sie die Möglichkeit eröffnet, daß eine Richtlinie (oder eine Entscheidung) gegenüber einem Mitgliedstaat auch schon vor Ablauf der Durchführungsfrist unmittelbare Wirkung dann haben kann, wenn der Mitgliedstaat die Durchführung der Richtlinie vor Ablauf des vorgeschriebenen Zeitraums zwar versucht hat, dieser Versuch jedoch fehlerhaft war. Der Grund wäre der, daß ein Mitgliedstaat, wenn er sich zu einer Umsetzung vor Ablauf der Frist entschließt, obwohl er hierzu nicht verpflichtet ist, die Bestimmungen der Richtlinie einhalten muß (siehe Hartley, T. C.: The Foundations of European Community Law, 2. Auflage, Oxford 1988, S. 205). Dann müsste zwischen den Fällen, in denen der Mitgliedstaat in dem vorgeschriebenen Zeitraum nichts unternommen hat, und denen unterschieden werden, in denen er zwar gehandelt hat, dies aber fehlerhaft. Wie wir gesehen haben, beruft sich die Klägerin im vorliegenden Fall darauf, daß § 24 des Fleischhygienegesetzes, eventuell in Verbindung mit der Durchführungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein, die Entscheidung 88/408 in das deutsche Recht umsetzen sollte, sobald sie am 15. Juni 1988 erging. Es könnte dann argumentiert werden, die Entscheidung habe von diesem Zeitpunkt an unmittelbare Wirkung haben können, soweit die versuchte Umsetzung fehlerhaft gewesen sei.

    19. Ich meine jedoch, daß im Rahmen der Lehre der unmittelbaren Wirkung nicht zwischen dem Fall, daß ein Mitgliedstaat nichts zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums unternommen hat, und demjenigen zu unterscheiden ist, daß ein Mitgliedstaat zwar etwas unternommen hat, die Umsetzung aber fehlerhaft war. In jedem der beiden Fälle können die Rechtsvorschriften meines Erachtens erst nach Ablauf der Durchführungsfrist unmittelbare Wirkung haben. Ein anderes Ergebnis würde zu willkürlichen Unterscheidungen zwischen verschiedenen Fällen führen und wäre nach den Grundprinzipien der Lehre von der unmittelbaren Wirkung nicht gerechtfertigt.

    20. Um eine Unterscheidung zwischen einer fehlenden und einer fehlerhaften Umsetzung zu treffen, wäre es zunächst erforderlich, zwischen den beiden Fallgestaltungen zu unterscheiden. Unter bestimmten Umständen kann dieser Unterschied jedoch gering sein und eine Untersuchung der Absicht der gesetzgebenden Stellen erfordern, um festzustellen, ob die nationalen Maßnahmen tatsächlich dazu bestimmt waren, die Richtlinie durchzuführen. Für die unmittelbare Wirkung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sollte es meiner Ansicht nach jedoch darauf ankommen, ob der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstossen hat, und nicht auf seine Absicht, die Bestimmungen durchzuführen, oder auf sonstige Beweggründe im Zusammenhang mit dieser Durchführung. Wie wir jedoch noch sehen werden, kann die Frage, ob nationale Maßnahmen dazu bestimmt sind, gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen durchzuführen, allerdings für den Umfang der Verpflichtung des nationalen Gerichts relevant sein, das nationale Recht im Lichte dieser Bestimmungen auszulegen (siehe unten Nrn. 23 bis 26).

    21. Selbst wenn es eine befriedigende Methode zur Unterscheidung der Nichtumsetzung von der fehlerhaften Umsetzung geben sollte, wäre das Ergebnis dieser Unterscheidung jedoch sowohl willkürlich als auch unrichtig. Ein Mitgliedstaat, der vor Ablauf des vorgeschriebenen Zeitraums einen gewissenhaften, jedoch nicht ganz korrekten Versuch der Durchführung einer Richtlinie unternommen hat, wäre während des verbleibenden Teils des Zeitraums schlechter gestellt als ein Mitgliedstaat, der nichts unternommen hat. Tatsächlich könnte ein Mitgliedstaat den vorgeschriebenen Zeitpunkt sogar so weit vorgezogen haben, daß etwaige Mängel in den nationalen Bestimmungen behoben werden könnten, bevor die Durchführungsfrist letztlich abgelaufen wäre. So würde der Mitgliedstaat, der bei seiner Durchführung des Gemeinschaftsrechts besonders emsig war, benachteiligt werden (vgl. die Ausführungen des Generalanwalts Römer in seinen Schlussanträgen in der oben in Nr. 7 angeführten Rechtssache 9/70, Grad/Finanzamt Traunstein, a. a. O., 852).

    22. Letztlich ist eine solche Unterscheidung meines Erachtens nicht mit den Grundprinzipien der Lehre von der unmittelbaren Wirkung vereinbar. Wie der Gerichtshof in der oben in Nr. 17 zitierten Stelle des Urteils in der Rechtssache Marshall festgestellt hat, beruht diese Lehre auf dem Grundsatz, daß ein Mitgliedstaat den einzelnen nicht entgegenhalten kann, daß er selbst eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung nicht erfuellt habe. Die Verpflichtung, gemeinschaftsrechtliche Vorschriften durchzuführen, wird jedoch erst am Ende des zur Durchführung vorgeschriebenen Zeitraums wirksam. Würde daher der Mitgliedstaat geltend machen, die Frist sei nicht abgelaufen, so würde er sich nicht auf sein eigenes unrechtmässiges Handeln berufen, sondern richtigerweise das Bestehen einer Verpflichtung bestreiten und praktisch nur die gleiche Behandlung, verglichen mit den anderen Mitgliedstaaten, verlangen.

    23. Meines Erachtens ist jedoch der Standpunkt hinsichtlich der unmittelbaren Wirkung zu unterscheiden von demjenigen hinsichtlich der Auslegung von Durchführungsbestimmungen. Auch wenn ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen, eine Richtlinie (oder andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften) ordnungsgemäß durchzuführen, deshalb noch nicht verstossen kann, weil die Durchführungsfrist noch nicht abgelaufen ist, sind meiner Ansicht nach die nationalen Gerichte weiterhin verpflichtet, bereits in Kraft getretene nationale Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die Richtlinie durchzuführen, im Einklang mit dieser auszulegen. In einem solchen Fall ergibt sich die Verpflichtung, die Durchführungsbestimmungen in dieser Weise auszulegen, nicht aus dem Ablauf des für die Durchführung vorgeschriebenen Zeitraums, sondern aus der Verpflichtung des nationalen Gerichts, mit den übrigen innerstaatlichen Stellen bei deren Bemühen, die Richtlinie durchzuführen, zusammenzuarbeiten. Hat ein Mitgliedstaat nämlich einmal beschlossen, die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen durchzuführen, so sind meines Erachtens alle Behörden dieses Staates aufgrund einer allgemeinen Verpflichtung aus Artikel 5 EWG-Vertrag verpflichtet, die Erfuellung der Aufgabe der Gemeinschaft dadurch zu erleichtern, daß sie für eine erfolgreiche Durchführung sorgen. Gegen das Bestehen einer solchen Verpflichtung können nicht die oben in den Nummern 21 und 22 angeführten Einwände gegenüber einer vorgezogenen unmittelbaren Wirkung erhoben werden; zudem würde diese Verpflichtung dazu beitragen, die Risiken bezueglich einer ordnungsgemässen Durchführung zu vermeiden, die entstehen würden, wenn Durchführungsmaßnahmen vor und nach Ablauf der Durchführungsfrist unterschiedlich ausgelegt würden. Ausserdem kann angenommen werden, daß nach dem Willen eines Mitgliedstaats seine Durchführungsmaßnahmen im Lichte der Rechtsvorschriften, die sie durchführen, auszulegen sind.

    24. Ich meine jedoch, daß die Verpflichtung des nationalen Gerichts, nationale Maßnahmen im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auszulegen, dann, wenn der vorgeschriebene Zeitraum noch nicht abgelaufen ist, nur im Hinblick auf Maßnahmen besteht, die dazu bestimmt sind, diese Vorschriften durchzuführen. Denn sonst würde dem nationalen Gericht die Verpflichtung auferlegt, der Entscheidung seines nationalen Gesetzgebers dadurch vorzugreifen, daß es die Richtlinie durchführt, bevor der Zeitpunkt und die Art und Weise der Durchführung festgelegt wurden; und das wäre in meinen Augen unsinnig. Daher ist vor Ablauf der vorgeschriebenen Frist die Verpflichtung des nationalen Gerichts enger als diejenige, die nach Ablauf der Durchführungsfrist entsteht. Nach diesem Zeitpunkt besteht für das nationale Gericht die weitergehende Verpflichtung, alle einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auszulegen; siehe zu dieser Verpflichtung das Urteil vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-106/89 (Marleasing, Slg. 1990, I-4135, Randnr. 8), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat:

    "... die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfuellung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner und besonderer Art zu treffen, [obliegen] allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch den Gerichten."

    Diese Ausführungen stellen meiner Ansicht nach klar, daß die ° weitergehende ° Auslegungsverpflichtung auf der Verpflichtung, die Richtlinie durchzuführen, beruht, die natürlich erst dann entsteht, wenn die Durchführungsfrist abgelaufen ist.

    25. Infolgedessen kann es zur Bestimmung des Umfangs der Auslegungsverpflichtung des nationalen Gerichts erforderlich sein, zu prüfen, ob die fraglichen nationalen Vorschriften dazu bestimmt sind, die betreffende Richtlinie durchzuführen. Eine solche Prüfung der Absicht des Gesetzgebers ist jedoch normaler Bestandteil der Auslegung aller Rechtsvorschriften. Daher halte ich die Auffassung nicht für unannehmbar, daß die Verpflichtung, nationale Vorschriften im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen, durch das Ergebnis einer solchen Prüfung beeinflusst wird. Wie wir gesehen haben, folgt daraus sodann, daß die Verpflichtung, nationale Vorschriften im Lichte der Richtlinie auszulegen, dann, wenn keine Absicht, die Richtlinie durchzuführen, festgestellt wurde, nur entsteht, wenn der für die Durchführung vorgeschriebene Zeitraum verstrichen ist.

    26. Zwar hat der Gerichtshof im Urteil vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Randnr. 15) ausgeführt:

    "Was die dritte [vom nationalen Gericht in jener Rechtssache vorgelegte] Frage betrifft, mit der nach den Grenzen gefragt wird, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht für die Verpflichtung oder die Möglichkeit des innerstaatlichen Gerichts ergeben könnten, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften im Lichte der Richtlinie auszulegen, so macht es für die Lösung dieses Problems keinen Unterschied, ob die Umsetzungsfrist schon abgelaufen ist oder nicht."

    Zu beachten ist jedoch, daß der Gerichtshof diese dritte Frage dahin gehend beantwortet hat, daß ungeachtet der Verpflichtung des nationalen Gerichts, die nationalen Rechtsvorschriften so auszulegen, daß das mit der Richtlinie angestrebte Ziel erreicht wird, eine Richtlinie nicht für sich allein die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von einzelnen festzulegen (siehe Randnr. 14 des Urteils). Es ist klar, daß diese Begrenzung der Auslegungsverpflichtung des nationalen Gerichts unabhängig davon gilt, ob die Durchführungsfrist abgelaufen ist oder nicht. Andererseits hat der Gerichtshof meines Erachtens aber nicht sagen wollen, daß der Ablauf der Durchführungsfrist niemals den Umfang der Pflicht des nationalen Gerichts, nationale Maßnahmen im Lichte einer Richtlinie auszulegen, beeinflussen könne.

    27. Ich gelange deshalb zu dem Ergebnis, daß die Entscheidung 88/408 nur vom Ende des in Artikel 11 der Entscheidung festgelegten Zeitraums an unmittelbare Wirkung haben kann, ohne daß es darauf ankommt, ob bereits vor Ablauf dieses Zeitraums Schritte zu ihrer Umsetzung in nationales Recht unternommen wurden; schon vor Ablauf dieser Frist müssen jedoch nationale Rechtsvorschriften, die dazu bestimmt sind, die Entscheidung durchzuführen, soweit wie möglich dahin ausgelegt werden, daß das mit der Entscheidung angestrebt Ziel erreicht wird.

    Die dritte Frage

    28. Es sei daran erinnert, daß die beanstandeten Gebühren nach einer Verordnung des Landes Schleswig-Holstein erhoben wurden, in der Beträge festgesetzt sind, die die in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung 88/408 festgelegten Pauschalbeträge übersteigen. Nach Auffassung der Klägerin ist nur die Bundesregierung und sind nicht die Behörden der einzelnen Bundesländer ermächtigt, das in Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung eingeräumte Ermessen, von den pauschalen Gebührenbeträgen abzuweichen, auszuüben. Die deutsche Regierung vertritt dagegen den Standpunkt, die Festsetzung der Gebühren auf der Ebene der einzelnen Bundesländer sei der geeignetste Weg, um gemäß Artikel 2 Absatz 2 sicherzustellen, daß die Gebühren den tatsächlichen Untersuchungskosten entsprechen. Daher hält die deutsche Regierung die Bundesrepublik Deutschland für berechtigt, ihre Befugnis, von den pauschalen Gebührenbeträgen abzuweichen, den Behörden Schleswig-Holsteins zu übertragen.

    29. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann ein Mitgliedstaat bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften seine Befugnisse grundsätzlich innerstaatlichen Behörden übertragen. Demgemäß ist ein Mitgliedstaat berechtigt, die Durchführung durch Maßnahmen zu bewerkstelligen, die von regionalen oder kommunalen Behörden getroffen werden, sofern eine derartige Kompetenzverteilung einer ordnungsgemässen Umsetzung der betreffenden Bestimmungen entspricht (vgl. Urteil vom 25. Mai 1982 in der Rechtssache 96/81, Kommission/Niederlande, Slg. 1982, 1791, Randnr. 12, und Urteil vom 14. Januar 1988 in den verbundenen Rechtssachen 227/85 bis 230/85, Kommission/Belgien, Slg. 1988, 1, Randnr. 9).

    30. Meiner Ansicht nach enthält Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung nichts, was die Annahme zuließe, daß die Mitgliedstaaten die Befugnis, von den in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzten pauschalen Gebührenbeträgen abzuweichen, nicht kommunalen oder regionalen Behörden übertragen dürften. Ausserdem geht aus nach den im Anhang der Entscheidung niedergelegten Leitlinien eindeutig hervor, daß die Mitgliedstaaten die pauschalen Gebührenbeträge sowohl "generell" als auch "für einen bestimmten Betrieb" senken dürfen (siehe Nr. 1 Buchstaben a und b des Anhangs). Daraus ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten die Gebührenbeträge entweder an die in einzelnen Betrieben bestehenden Voraussetzungen anpassen oder aber Gebühren festsetzen können, die den auf eine Reihe von Betrieben ° beispielsweise die eines bestimmten Orts oder einer bestimmten Region ° bezogenen durchschnittlichen Kosten entsprechen. Obwohl Nr. 2 des Anhangs, die sich auf eine Anhebung der pauschalen Gebührenbeträge bezieht, den Fall einer "generellen" Anhebung nicht anführt, sehe ich keinen Grund, warum für Gebührenanhebungen und -senkungen unterschiedliche Grundsätze gelten sollten. In beiden Fällen sind Abweichungen von den Pauschalbeträgen grundsätzlich durch die tatsächlichen Untersuchungskosten zu rechtfertigen, die entweder für einen bestimmten Betrieb oder ° als Durchschnittsbetrag ° für eine Gruppe von Betrieben, die unter vergleichbaren Voraussetzungen tätig werden, zu berechnen sind. Die Bestimmung geht eindeutig davon aus, daß ein solcher Durchschnittsbetrag ebenso für einen einzelnen Ort oder eine einzelne Region wie für einen ganzen Mitgliedstaat berechnet werden kann.

    31. Daher bin ich der Meinung, daß die Befugnis, von den in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzten pauschalen Gebührenbeträgen abzuweichen, auf örtlicher oder regionaler wie auch auf nationaler Ebene ausgeuebt werden kann. Diese Auslegung wird durch Artikel 5 Absatz 1 der Entscheidung bestätigt, der bestimmt:

    "Der Betrag nach Artikel 2 tritt an die Stelle jeder anderen Abgabe oder Gebühr, die von den staatlichen, regionalen oder kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten ... erhoben wird."

    Mithin kann die Befugnis von einer kommunalen oder einer regionalen Behörde in der Weise ausgeuebt werden, daß sie Gebühren für einzelne Schlachtbetriebe oder Gruppen von Betrieben festsetzt oder daß sie eine Pauschalgebühr für alle Betriebe des betreffenden Orts oder der betreffenden Region festsetzt.

    Ergebnis

    32. Dementsprechend sollten die vom Verwaltungsgericht vorgelegten Fragen meines Erachtens wie folgt beantwortet werden:

    1) Ein einzelner kann sich gegenüber einem Mitgliedstaat, der sein Ermessen nach Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408/EWG des Rates nicht ordnungsgemäß ausgeuebt hat, vor einem nationalen Gericht auf Artikel 2 Absatz 1 dieser Entscheidung berufen, jedoch nur für einen Zeitraum nach dem in Artikel 11 der Entscheidung festgelegten Zeitpunkt.

    2) Ein Mitgliedstaat kann die Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408/EWG seinen regionalen oder kommunalen Behörden übertragen.

    (*) Originalsprache: Englisch.

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