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Document 61986CC0062

Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 19. April 1989.
AKZO Chemie BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Artikel 86 - Verdrängungspraktiken eines marktbeherrschenden Unternehmens.
Rechtssache C-62/86.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 I-03359

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1989:154

61986C0062

Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 19. April 1989. - AKZO CHEMIE BV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ARTIKEL 86 - AUSSCHLUSSPRAKTIKEN EINES MARKTBEHERRSCHENDEN UNTERNEHMENS. - RECHTSSACHE C-62/86.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-03359
Schwedische Sonderausgabe Seite I-00249
Finnische Sonderausgabe Seite I-00261


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

A - Sachverhalt

1. Nachdem der Gerichtshof bereits zweimal mit Verfahrensfragen im Rechtsstreit zwischen AKZO (1) und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften befasst war (2), geht es nunmehr in dem Verfahren, zu dem ich heute Stellung nehme, um den Inhalt der von der Kommission gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Artikel 86 EWG-Vertrag gegenüber der Konkurrenzfirma ECS.

2. Diese hatte am 15. Juni 1982 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften den Antrag gestellt, entsprechende Feststellungen zu treffen.

3. Zusätzlich hatte ECS am 13. Mai 1983 die Kommission um den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen AKZO ersucht, die von dieser am 29. Juli 1983 erlassen und mit der AKZO aufgegeben wurde, für bestimmte Produkte von der Kommission festgesetzte Mindestpreise anzuwenden (3). Diese Entscheidung wurde von AKZO nicht angefochten.

4. Am 14. Dezember 1985 erließ die Kommission die hier strittige Entscheidung (4), in der sie einen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag im Jahre 1979 und ab Jahresende 1980 feststellte. Darüber hinaus setzte sie eine Geldbusse in Höhe von 10 Millionen ECU beziehungsweise 24 696 000 HFL fest. Zusätzlich wurden AKZO bestimmte Auflagen in bezug auf ihr künftiges Geschäftsgebaren gemacht.

5. Die Klägerin hält die getroffene Entscheidung für rechtswidrig und beantragt deren Aufhebung; hilfsweise beantragt sie, die Geldbusse aufzuheben oder sie wenigstens erheblich herabzusetzen.

6. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

7. Die am Verwaltungsverfahren beteiligte Firma ECS hat sich im Gegensatz zu ihrem Verhalten in der Rechtssache 53/85 an dem hier vorliegenden Gerichtsverfahren nicht als Streithelferin beteiligt.

8. In einem gesonderten Verfahren hat AKZO den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Aussetzung des Vollzugs bestimmter, in der Entscheidung vom 14. Dezember 1985 enthaltener Auflagen zu erreichen. Dieser Antrag wurde vom Präsidenten des Gerichtshofes mit Beschluß vom 30. April 1986 zurückgewiesen (5).

9. Auf den Inhalt der strittigen Entscheidung sowie auf die Ausführungen der Parteien (6) werde ich im Rahmen meiner Stellungnahme eingehen. Im übrigen verweise ich auf den Inhalt des Sitzungsberichts.

B - Stellungnahme

I - Zu den Verfahrensrügen

10. Die Klägerin wirft der Beklagten drei Verfahrensfehler vor: AKZO habe nur unzureichenden Zugang zu den Verwaltungsakten der Kommission gehabt, in der Endentscheidung seien Vorwürfe enthalten, zu denen AKZO nicht angehört worden sei, und schließlich sei die Untersuchung der Kommission unvollständig gewesen.

1. Zugang zu den Verwaltungsakten

11. Die Klägerin rügt, die Beklagte habe ihrem wiederholten Verlangen nach Einsicht in die Untersuchungsberichte der Inspektoren der Beklagten nicht stattgegeben. So habe sie nicht überprüfen können, ob die genannten Berichte entlastendes Material enthielten.

12. Diesem Vorwurf hält die Beklagte die Rechtsprechung des Gerichtshofes entgegen: Zwar verlange die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, daß das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhalten habe, in zweckdienlicher Weise seinen Standpunkt zu denjenigen Dokumenten geltend zu machen, die die Kommission bei den Überlegungen berücksichtigt habe, die ihre Entscheidung trügen; jedoch gebe es keine Vorschrift, die die Kommission dazu verpflichte, den betroffenen Beteiligten den Akteninhalt bekanntzugeben (7). Bei den Bewertungsberichten ihrer Inspektoren handele es sich um interne Dokumente der Kommission, die nicht zugänglich seien. Lediglich soweit Berichte über Überprüfungen Tatsachen enthielten, auf die die Endentscheidung gestützt sei, müssten diese der Klägerin zugänglich gemacht werden.

13. Wenn der Klägerin auch zuzugestehen ist, daß es nicht Aufgabe der Beklagten sein könne, festzustellen, welche Aktenstücke für die Rechtsverteidigung der Klägerin von Bedeutung sein können, so ist doch auf die von der Beklagten herangezogene gefestigte Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verweisen, die den Anspruch auf rechtliches Gehör darauf beschränkt, Einsicht in diejenigen Unterlagen zu erhalten, die die Endentscheidung tragen, im wesentlichen also auf Einsicht in belastendes Material. Deswegen ist der Rüge der Klägerin insoweit kein Erfolg beschieden, als sie sich auf die Einsicht in die Untersuchungsberichte der Beklagten bezieht.

14. Die Klägerin rügt weiter, die Beklagte habe ihrer Entscheidung zwei Unterlagen zugrunde gelegt, von denen sie keine Kenntnis erhalten habe: Hinsichtlich der Kostenstruktur und des Verhaltens der Firma Diaflex habe die Beklagte Äusserungen der Firmen Steetley Chemicals und Smiths herangezogen, die die Klägerin nicht kenne.

15. Zu den Unterlagen über die Firma Steetley Chemicals führt die Beklagte aus, sie halte deren Antwort nicht für einen wichtigen Beweis; im übrigen habe sie geglaubt, die Klägerin kenne die zwischen Diaflex und Steetley Chemicals vereinbarten Preise oder hätte von ihnen Ahnung haben können. Die Erklärung der Firma Smiths hingegen sei in einem handgeschriebenen Vermerk eines Inspektors der Kommission enthalten, von dem die Klägerin in den Räumen der Kommission habe Kenntnis erhalten können.

16. Was die Beklagte zu den zwischen Steetley Chemicals und Diaflex vereinbarten Preisen vorträgt, erscheint mir nicht überzeugend. Die von ihr vorgetragene Vermutung rechtfertigte es nicht, das entsprechende Dokument der Klägerin nicht zur Kenntnis zu geben.

17. Der Vermerk über die Firma Smiths ist in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten nicht enthalten, und zwar weder in den Verwaltungsakten ("dossier administratif") noch als Anlage zu einem der Schriftsätze der Beklagten. Es muß somit festgestellt werden, daß die Beklagte den Nachweis, die Klägerin habe von dem Dokument Kenntnis erhalten, nicht geführt hat.

18. Aus dem söben Ausgeführten folgt, daß die Erkenntnisse über Steetley Chemicals und Smiths im vorliegenden Verfahren nicht verwendet werden können. In diesem Zusammenhang halte ich darüber hinaus den Hinweis für angebracht, daß das, was die Beklagte dem Gerichtshof unter der Bezeichnung "Verwaltungsakten" ("dossier administratif") vorgelegt hat, in Wirklichkeit einen Aktenauszug darstellt. Dem Gerichtshof liegt somit nicht das vollständige Dossier der Beklagten vor.

19. Da die Beklagte bei Streit über Sachverhaltsfragen den Nachweis für die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung und der sie tragenden Grundlagen zu führen hat, geht ein non-liquet zu ihren Lasten.

2. Fehlende Anhörung

20. Die Klägerin rügt, die strittige Entscheidung enthalte eine Reihe von Vorwürfen, zu denen sie nicht ausreichend gehört worden sei. So habe die Frage ihrer Kostenstruktur, insbesondere der Bewertung ihrer variablen Kosten, weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der Anhörung eine bedeutende Rolle gespielt. Auch der Vorwurf, sie habe Kaliumbromat als Lockangebot eingesetzt, sei weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, noch in deren Ergänzung vom 22. April 1985, noch während der Anhörung als Mißbrauch gekennzeichnet worden. Dasselbe gelte für den Vorwurf, sie habe von den Firmen Ranks und Spillers Auskünfte über die Angebote von Konkurrenten verlangt.

21. In ihrer Erwiderung weist die Klägerin noch zusätzlich darauf hin, daß sie den Vorwurf, Kaliumbromat als Lockangebot einzusetzen, mit dem Hinweis auf die umfangreichen Lieferungen dieses Erzeugnisses hätte widerlegen können, wenn dieser Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten gewesen wäre.

22. Die Beklagte entgegnet, das auf die Deckung der Grenzkosten gestützte Argument treffe nicht den Kern dessen, was sie als Mißbrauch ansehe. Ob die Preise der Klägerin tatsächlich über oder unter ihren Kosten gelegen hätten, sei nicht entscheidend. Darüber hinaus sei sie nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet, auf die im Verwaltungsverfahren vorgetragene Verteidigung einzugehen und es der Klägerin erneut zu gestatten, ihrerseits auf die von der Beklagten vorgebrachte Entkräftigung dieses Vortrags zu entgegnen (8).

a) Kosten

23. Ob die Beklagte den Sinn des eben zitierten Urteils richtig wiedergegeben hat, mag dahinstehen. Wesentlich erscheint mir, daß in der Mitteilung der Beschwerdepunkte den Kosten von AKZO ein Abschnitt gewidmet ist. In ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten hat die Klägerin zum Verhältnis von Preisen, Kosten und Gewinn Stellung genommen. Ein Teil der Anhörung vom 18. Juni 1985 war demselben Problem gewidmet, nachdem die Klägerin bereits schriftlich eine besondere Stellungnahme zu diesem Problem zur Vorbereitung der Anhörung übermittelt hatte.

24. Die Frage der Deckung der Grenzkosten beziehungsweise das Problem der Kostenstruktur der Klägerin war somit ausreichend besprochen worden, so daß hier von einer unzulänglichen Anhörung nicht die Rede sein kann.

b) Kaliumbromat als Lockmittel

25. Zur Verwendung von Kaliumbromat als Lockangebot trägt die Beklagte vor, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte seien Verkäufe von Kaliumbromat zu sehr niedrigen Preisen erwähnt und in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte werde Kaliumbromat den Vitaminmischungen gleichgestellt.

26. Zu dieser Streitfrage ist festzustellen, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte bei den Lockangeboten lediglich Vitaminmischungen nennt. Genausowenig wird Kaliumbromat in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den Lockangeboten gerechnet. Der hier (in einer Klammer) gegebene Hinweis auf Kaliumbromat sagt lediglich, daß das Erzeugnis nicht in dem vor dem High Court abgeschlossenen Vergleich enthalten war. Der in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene Hinweis auf die Anlage X 24 ist ebenfalls nicht schlüssig, da auch in diesem Dokument lediglich von "loß leaders" die Rede ist, nicht jedoch ausdrücklich von Kaliumbromat.

27. Zu dem Vorwurf, Kaliumbromat als Lockmittel eingesetzt zu haben, ist die Klägerin somit in der Tat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet die Kommission jedoch, den Beteiligten vor Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 3 oder Artikel 15 der Verordnung Gelegenheit zu geben, sich zu den ihnen gegenüber in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten zu äussern. Wenn es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auch ausreicht, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte in gedrängter Form die wesentlichen Tatsachen angibt, auf die sich die Kommission stützt (9), so müssen eben doch die wesentlichen Tatsachen angegeben sein. Dies war hier in bezug auf die Verwendung von Kaliumbromat als Lockangebot nicht der Fall; dies hat zur Folge, daß der genannte Vorwurf nicht zur Stützung der Entscheidung vom 14. Dezember 1985 herangezogen werden kann.

c) Informationen über Konkurrenten

28. Zur Rüge, der Vorwurf, die Klägerin habe von den Firmen Ranks und Spillers Auskünfte über die Angebote von Konkurrenten verlangt, sei unzulässig, entgegnet die Beklagte, dieser Umstand sei nicht als ein besonderer Mißbrauch anzusehen, sondern als Aspekt des Verhaltens AKZOs ECS gegenüber. Als solcher sei dieser Vorwurf nicht als Mißbrauch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gekennzeichnet gewesen. Die Sachverhaltsdarstellung weise vielmehr aus, daß AKZO von Ranks und Spillers über die Angebote von ECS informiert worden sei. Diese Frage sei auch in der Stellungnahme von ECS zu den Beschwerdepunkten angesprochen worden, die der Klägerin übermittelt und zu der sie habe Stellung nehmen können.

29. Hierzu ist zu bemerken, daß sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der Stellungnahme von ECS die angesprochenen Informationsvorgänge in einer für AKZO günstigen Weise dargestellt werden, nämlich dahin, daß AKZO informiert wurde, nicht jedoch dahin, daß AKZO um die Information nachgesucht habe. In der Endentscheidung hingegen wird der Sachverhalt zu Lasten der Klägerin verändert und gleichzeitig als Mißbrauch bezeichnet. Diese Kennzeichnung war dem vorangehenden Verfahren nicht zu entnehmen gewesen (und sie wird von der Beklagten im Verfahren vor dem Gerichtshof wieder relativiert, wenn nicht gar zurückgenommen).

30. Da die Vorgänge um die Information der Klägerin im Verwaltungsverfahren nicht als Mißbrauch gekennzeichnet worden waren und darüber hinaus eine Änderung der Sachverhaltsschilderung zum Nachteil der Klägerin erfolgte, obwohl die Stellungnahmen auf die Beschwerdepunkte und die Anhörung dazu keinen Anlaß gegeben haben, ist auch hier eine Beeinträchtigung des Anhörungsrechts der Klägerin festzustellen. Die auf die besondere Information der Klägerin gestützten Vorwürfe können somit jedenfalls nicht als Grundlage für die Endentscheidung herangezogen werden.

3. Unvollständige Sachaufklärung

31. Die Klägerin rügt, daß die Beklagte zwar Untersuchungen zu den Kosten von AKZO angestellt habe, es jedoch unterlassen habe, die Kosten der beiden Hauptkonkurrenten, nämlich die Kosten von ECS und Diaflex, ebenfalls zu untersuchen. Auch die Angaben über die Preisbildungspraxis der beiden Konkurrenten seien ungenügend. Es sei undenkbar, einem Unternehmen eine zerstörerische Preispolitik vorzuwerfen, ohne die Kostenstruktur der verschiedenen betroffenen Unternehmen deutlich darzulegen.

32. Die Beklagte entgegnet mit einer allgemeinen Verweisung auf ihre Ausführungen zur marktbeherrschenden Stellung, zum relevanten Markt und zum Mißbrauch. Sie betont darüber hinaus, sie habe im vorliegenden Verfahren eine Untersuchung durchgeführt, die so umfassend wie möglich gewesen sei.

33. Im Vorgriff auf später näher Auszuführendes ist darauf hinzuweisen, daß der Markt für Mehlzusatzstoffe im Vereinigten Königreich, auf dem sich die hier strittigen Geschäftstätigkeiten abgespielt haben, lediglich drei Hauptlieferanten kennt: zwei grosse, die Klägerin und ECS, und ein Unternehmen von geringerer Bedeutung, Diaflex. Die Untersuchung, die die Beklagte während des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich der Kosten angestellt hat, bezieht sich jedoch fast ausschließlich auf die Klägerin, nicht jedoch auf die beiden anderen im maßgeblichen Zeitraum bedeutenden Marktteilnehmer.

34. Wenn nun in einem oligopolistisch strukturierten Markt Aussagen über Preise getroffen werden sollen - nämlich dahin gehend, ob sie zu hoch, zu niedrig, künstlich niedrig, unangemessen niedrig sind oder ob es sich bei ihnen um Lockpreise handelt - , dann scheint es mir erforderlich, die Kostenstruktur aller drei Oligopolisten zu untersuchen, damit man sich ein zuverlässiges Bild darüber machen kann, welches Preisniveau tatsächlich wirtschaftlich gerechtfertigt war.

35. In einem anderen Zusammenhang hat die Klägerin gerügt, die Beklagte habe nicht angemessen den Umstand gewürdigt, daß die Kapazität ihrer Produktionsanlagen während eines Teils des relevanten Zeitraums nicht zufriedenstellend ausgelastet gewesen sei. Ich will hier nicht inhaltlich auf diesen Vorwurf eingehen, jedoch darauf hinweisen, daß im Rahmen der Suche nach einem wirtschaftlich angemessenen Preis auch Untersuchungen über die Produktionskapazitäten der drei Hauptlieferanten hätten angestellt werden müssen. Wir wissen zwar, daß die Kapazitäten zur Herstellung von Benzoylperoxid ausgeweitet worden waren, unter anderem durch den Eintritt von ECS in diesen Markt, wir wissen darüber hinaus, daß der Verbrauch von Weißbrot in Großbritannien und somit der Verbrauch von Bleich-, Backhilfs- und Anreicherungsmitteln rückläufig war. Schließlich ist allgemein bekannt, daß Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre bestimmte Sektoren der Kunststoffindustrie in der Gemeinschaft mit beachtlichen Überkapazitäten zu kämpfen hatten. Daß dies auch der Beklagten bekannt gewesen sein muß, zeigt zum Beispiel deren Entscheidung vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen (10)). Von der Kapazitätsauslastung der Klägerin ist im vorliegenden Verfahren jedoch - strittig - die Rede, nicht jedoch von der Kapazitätssituation der beiden Hauptkonkurrenten. Dies zeigt, daß die Untersuchung, die die Beklagte auf dem betreffenden Wirtschaftszweig durchgeführt hat, eben doch nicht so umfassend war, wie sie hätte sein sollen.

36. Da es somit an zuverlässigen Aussagen über die Kosten und die Produktionskapazitäten von zwei der drei Hauptmarktteilnehmer fehlt, wird der Gerichtshof sich zu der Frage, welche Preise wirtschaftlich vertretbar oder angemessen waren, nicht äussern können. Demzufolge wird er alle Passagen, in denen in der Endentscheidung der Beklagten von zu hohen oder zu niederigen Preisen die Rede ist, als nicht geschrieben betrachten müssen.

II - Zum Inhalt der Entscheidung vom 14. Dezember 1985

1. Der relevante Markt

a) Der Markt der organischen Peroxide in der Gemeinschaft

37. Ausgehend vom Vortrag der Antragstellerin ECS, das Preisverhalten der Klägerin habe dem Zweck gedient, ECS vom Markt für organische Peroxide zu verdrängen, wird in der Entscheidung der sachlich relevante Markt als der Markt definiert, von dem die Klägerin ihren Mitbewerber ECS langfristig verdrängen wollte, nämlich als der Markt für organische Peroxide insgesamt (P 62 (11)). Da die Klägerin organische Peroxide in mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft produziert und diese Produkte in sämtlichen Mitgliedstaaten liefert, sieht die Entscheidung das gesamte Gebiet der Gemeinschaft als räumlich relevanten Markt an (P 66).

38. Nach Auffassung der Klägerin hingegen kann weder der Markt der organischen Peroxide als der für das vorliegende Verfahren relevante Markt angesehen werden, noch stelle dieser Markt einen einheitlichen Markt dar. Der Markt für organische Peroxide könne nicht relevanter Markt sein, da sich der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung auf das angeblich rechtswidrige Verhalten der Klägerin beim Verkauf von Mehlzusätzen beschränke. Darüber hinaus habe es die Beklagte versäumt, die Ereignisse auf dem Markt für organische Peroxide sowie die Auswirkungen zu prüfen, die auf diesem Markt durch die auf dem Mehlzusatzsektor festgestellten Vorfälle angeblich verursacht worden seien; sie habe es unterlassen, die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt für organische Peroxide und insbesondere die Stellung von ECS und den Konkurrenzunternehmen auf diesem Markt zu analysieren.

39. Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Markt für organische Peroxide um den relevanten Markt, selbst wenn das für den Mißbrauch eingesetzte Mittel in den streitigen Maßnahmen auf dem Markt für Mehlzusätze bestanden habe, da ECS von dem Markt der organischen Peroxide insgesamt habe verdrängt werden sollen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes setze die Feststellung eines Mißbrauchs nicht notwendigerweise das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer mißbräuchlichen Ausnutzung voraus. Es sei nicht unbedingt erforderlich, daß das marktbeherrschende Unternehmen sein angestrebtes Ziel mit Hilfe der wirtschaftlichen Macht zu erreichen suche, die es aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung innehabe.

40. Die Beklagte räumt ein, daß die Kennzeichnung des Marktes für Mehlzusätze als "spezialisierter Teilmarkt" (P 85) weniger gelungen sei als diejenige des "angegliederten Marktes". Es sei offensichtlich, daß Benzoylperoxid der Ausgangsstoff für einen der wichtigsten Mehlzusatzstoffe sei und andererseits als Initiator auf dem Polymer- oder Kunststoffmarkt eingesetzt werde. Die Verbindung zwischen den beiden Märkten sei somit offensichtlich.

41. Der Beklagten ist zunächst einzuräumen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes - entgegen dem Wortsinn des Artikels 86 EWG-Vertrag - zwischen der beherrschenden Stellung und der mißbräuchlichen Ausnutzung keine Mittel-Zweck-Relation bestehen muß (12). Artikel 86 verlangt insbesondere nicht, daß der Marktbeherrscher seine Wirtschaftskraft für die Verwirklichung des Mißbrauchs einsetzt (13).

42. Wenn somit marktbeherrschende Stellung einerseits und Mißbrauch dieser Stellung andererseits nicht in einem direkten Zusammenhang stehen müssen, so ist damit jedoch noch nicht gesagt, daß das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung und deren Mißbrauch so weit voneinander getrennt werden können, daß sie auf verschiedenen relevanten Märkten anzutreffen sind (14). Ein völliger Verzicht auf die Einheit vom beherrschten und betroffenen Markt würde den ohnehin schwachen Zusammenhang trennen, der hier zwischen Marktmacht und Mißbrauch noch besteht (15). Im vorliegenden Fall jedoch kann noch ein gewisser Zusammenhang zwischen den beiden Märkten festgestellt werden, da das eine relevante Erzeugnis, Benzoylperoxid, auf beiden Märkten vertrieben wird und zwei der betroffenen Hersteller, AKZO und ECS, auf beiden Märkten miteinander in Wettbewerb stehen.

43. Sollte man entsprechend der von der Beklagten vertretenen Auffassung der Meinung sein, daß es keiner Identität zwischen dem beherrschten Markt und dem Markt, auf den sich der Mißbrauch bezieht, bedürfe, so wäre zu prüfen, ob der Markt für organische Peroxide als der Markt angesehen werden kann, auf dem die Klägerin über eine beherrschende Stellung verfügen soll.

44. Unter der Überschrift "Die Erzeugnisse" beschreibt die Beklagte in der strittigen Entscheidung die Verwendungsmöglichkeiten der organischen Peroxide (P 7 ff.). Sie würden als Initiatoren für die Polymerisation, als Aushärtungsmittel für Elastomere und Harze sowie als Vernetzungsmittel verwandt.

45. In der Polymerindustrie gäbe es keine beziehungsweise keine schnell zur Verfügung stehenden Ersatzstoffe für organische Peroxide. Bei der Vernetzung hingegen, auf die rund 10 % des Verbrauchs fallen, könnten jedoch Schwefelerzeugnisse als Substitutionsprodukte eingesetzt werden.

46. In dem Abschnitt der Entscheidung, der sich auf die beherrschende Stellung und den relevanten Markt bezieht, führt die Beklagte aus, die Frage sei nicht, ob ein organisches Peroxid ein Substitutionsprodukt für ein anderes sei, sondern ob es ohne weiteres andere Produkte gäbe, die an die Stelle von organischen Peroxiden treten und folglich als Teil des gleichen Marktes angesehen werden könnten. Angesichts des relativ geringfügigen Anwendungsbereiches der Austauschprodukte hält die Beklagte es jedoch nicht für erforderlich, die Produktion von Schwefelverbindungen bei der Definition des relevanten Marktes mit einzubeziehen (P 65 ff.).

47. Die Klägerin bestreitet, daß der Markt für organische Peroxide als einheitlicher Markt angesehen werden könne. Es gäbe zahlreiche organische Peroxide, die nicht unbedingt untereinander austauschbar seien. Gerade diese Austauschbarkeit sei jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Voraussetzung für die Beschreibung des relevanten Marktes.

48. Die Beklagte entgegnet, etwa 90 % der organischen Peroxide seien praktisch keinem Wettbewerb durch andere Erzeugnisse ausgesetzt. Es widerspreche den wirtschaftlichen Gegebenheiten, einen getrennten Markt für jedes einzelne organische Peroxid anzunehmen.

49. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 ausgeführt hat, setzt der Begriff des relevanten Marktes die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraus, so daß ein hinreichender Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist (16).

50. Diesem Grundsatz wird die Entscheidung nicht gerecht, wenn sie anführt, auf die Substituierbarkeit der organischen Peroxide untereinander komme es nicht an (P 64). Darüber hinaus fehlt es an Aussagen über das Produktsortiment, die Nachfragestruktur und die zeitliche Entwicklung des Marktes.

51. Die Entscheidung enthält somit keine ausreichende Begründung für die Behauptung, der Markt der organischen Peroxide sei der für das hier vorliegende Verfahren relevante Markt (17).

b) Der britisch-irische Markt für Mehlzusätze

52. Hilfsweise stellt die Beklagte auf den britisch-irischen Markt für Mehlzusätze ab (P 91 ff.). Dieser stelle einen abgrenzbaren Geschäftsbereich dar, in dem es die Abnehmer vorzögen, das vollständige Produktangebot von einer Lieferquelle zu beziehen. Dieser Markt umfasse auf der Grundlage von Benzoylperoxid hergestellte Bleichmittel für die Behandlung von Mehl, Backhilfsmittel wie Kaliumbromat, Polyamylase-Präparate zur Teiglockerung sowie Anreicherungsmittel wie Vitamine und reduziertes Eisen (P 15). Das Gesamtangebot an Mehlzusätzen sei als einheitlicher Markt anzusehen.

53. Dieser Auffassung tritt die Klägerin entgegen. Bei der Marktabgrenzung habe die Beklagte die verschiedenen Abnehmer, nämlich die Mühlenbetriebe und die Hersteller von Backzusätzen, irrtümlich in ein und denselben Markt einbezogen. Diese beiden Kundengruppen bezögen jedoch unterschiedliche Produkte aus unterschiedlichen Gründen und arbeiteten unter unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen.

54. Die verschiedenen Mehlzusätze könnten nicht mit der Begründung ein und demselben Markt zugeordnet werden, daß sie einander ergänzten und daß die Kunden es vorzögen, ihren Gesamtbedarf an Zusatzstoffen bei einem einzigen Lieferanten zu decken. Die Ergänzungsfunktion könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß alle Zusatzstoffe letztlich zu den Bäckern gelangten. Auf dieser Wettbewerbsebene sei die Klägerin als Lieferant nicht tätig.

55. Unter Berufung auf das Urteil in der Rechtssache 85/76 vertritt die Klägerin die Auffassung, jeder Zusatzstoff müsse einem getrennten Markt zugerechnet werden.

56. Die Beklagte hält dem entgegen, aus der Sicht der Endabnehmer, der Bäcker, stelle das Gesamtsortiment an Mehlzusätzen eine Gesamtheit von sich ergänzenden Produkten dar. Die von der Klägerin getroffene Unterscheidung zwischen zwei Kundengruppen, den Mühlen und den Herstellern von Backzusätzen, sei rein theoretisch, da zwischen diesen wirtschaftliche und finanzielle Verbindungen bestuenden. Die Ergänzungsfunktion der einzelnen Erzeugnisse eines Gesamtsortiments sei auch dann gegeben, wenn weder eine technische noch eine kommerzielle Notwendigkeit bestehe, alle Produkte bei ein und demselben Lieferanten zu beziehen. Es komme nicht darauf an, weshalb der Kunde sich so verhalte, wenn nur nachgewiesen sei, daß die Nachfrage sich auf die verschiedenen Teile des Gesamtsortiments beziehe und daß der Kunde darauf bedacht sei, diese von ein und demselben Lieferanten zu beziehen.

57. Bei der Prüfung der Frage, ob der Markt für Mehlzusätze als relevanter Markt anzusehen oder ob eine Vielzahl von Einzelmärkten zu berücksichtigen ist, ist zunächst ein Argument der Klägerin zurückzuweisen: Soweit Benzoylperoxid oder Kaliumbromat in verschiedenen Konzentrationen oder Stärken geliefert werden, erscheint es nicht angebracht, für jede einzelne Konzentration einen separaten Markt anzunehmen. Da die genannten Zusatzstoffe in geringen Mengen in das Mehl eingemischt werden, unterscheiden sich die verschiedenen Konzentrationen desselben Erzeugnisses nur darin, daß bei höherer Konzentration eine geringere beziehungsweise bei geringerer Konzentration eine höhere Menge des Zusatzstoffes der jeweiligen Einheit Mehl beizumischen ist. In der Verarbeitung weisen die verschiedenen Konzentrationen somit lediglich unterschiedliche Dosierungen auf, so daß angesichts der Umstellmöglichkeiten bei den Abfuellanlagen nicht von unterschiedlichen Märkten für die unterschiedlichen Konzentrationen des jeweils gleichen Erzeugnisses ausgegangen werden kann.

58. Es bleibt somit lediglich zu erörtern, ob Benzoylperoxid, Kaliumbromat, Amylasen und Vitaminmischungen als jeweils unterschiedliche Märkte anzusehen sind. Sicherlich trifft es zu, daß es sich bei den genannten Erzeugnissen chemisch oder strukturell gesehen um unterschiedliche Produkte handelt, die insbesondere auch nicht untereinander austauschbar sind. Dies spräche dafür, in Anknüpfung an das Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 das Vorliegen unterschiedlicher relevanter Märkte zu bejahen (18).

59. Gleichwohl neige ich - wenn auch mit gewissem Zögern - dazu, mit der Beklagten einen einheitlichen Markt für Mehlzusätze als relevant anzusehen. Der Umstand, daß alle oder wenigstens einige dieser Erzeugnisse gemeinsam angeboten werden, daß die Nachfrage fast immer auf mehrere von ihnen gerichtet ist, sowie der Umstand, daß die verschiedenen Erzeugnisse bisweilen in einer Mischung angeboten und verkauft werden, spricht dafür, daß es sich bei ihnen um ein zusammengehörendes Warensortiment handelt. Da die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes stets aus der Sicht der Marktgegenseite vorzunehmen ist (19) und der Bedarf der Abnehmer auf alle der genannten Erzeugnisse gerichtet ist, scheint mir dies ausschlaggebend zu sein, wobei ich nicht verkenne, daß die genannten Produkte nicht untereinander austauschbar sind.

60. Bei dieser Definition des relevanten Marktes wird nicht übersehen, daß die Klägerin zu Recht vorträgt, daß zwei verschiedene Abnehmergruppen auf dem Markt anzutreffen sind, die teilweise unterschiedliche Produkte abnehmen und die auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind. Gleichwohl werden dadurch keine grundsätzlich unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen geschaffen, da zwischen den beiden Gruppen, den Müllern und den Bäckern, erhebliche Verflechtungen bestehen.

61. Als räumlich relevanter Markt ist das Gebiet des Vereinigten Königreichs und Irlands anzusehen. Dies sind nämlich die einzigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, die die Zugabe von Bleichmitteln zur Behandlung von Mehl zulassen und den Zusatz von Vitaminanreicherungen vorschreiben und in denen die Backmethode anzutreffen ist, die den Einsatz von Bleichmitteln und Backhilfsmitteln der genannten Art erfordert.

2. Zur Frage der beherrschenden Stellung

62. Zum Nachweis der beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem britisch-irischen Markt für Mehlzusätze verweist die Beklagte zunächst auf den hohen Marktanteil der Klägerin. AKZO selbst schätze für 1982 ihren Marktanteil bei Bleichmitteln im Vereinigten Königreich auf 52 % gegenüber ECS mit 35 % und Diaflex mit nur 13 % ein (P 18).

63. Daneben trügen noch andere "Hauptfaktoren" zum Aufbau einer beherrschenden Stellung bei (P 92):

- Die Klägerin beliefere allein zwei der drei führenden Mehlproduzenten im Vereinigten Königreich;

- es bestuenden enge geschäftliche Beziehungen zu Diaflex, deren Preise die Klägerin beeinflussen könne;

- die AKZO-BV-Gruppe verfüge über grössere Finanzmittel als ECS und könne Verluste im Mehlzusatzstoffgeschäft durch den Kunststoffsektor ausgleichen;

- die Klägerin verfüge über eine stärkere Stellung ihren Lieferanten gegenüber als ECS und könne Informationen über andere Produzenten erhalten;

- die Klägerin biete ein umfangreiches Angebot an Mehlzusätzen an und verfüge über eine starke Marktstellung bei Produkten mit hohen Gewinnspannen;

- vor 1980 sei die Klägerin der Preisführer auf dem Markt für Mehlzusätze im Vereinigten Königreich gewesen;

- die Klägerin habe eingestanden, in der Lage zu sein, die Preise zu kontrollieren.

a) Zum Marktanteil der Klägerin

64. Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten ihr zugeschriebenen Marktanteile und legt Daten vor, denen zufolge ECS einen höheren Marktanteil als sie einnehme (20). Wenn man allein auf die Produkte abstelle, hinsichtlich deren sie mit Diaflex und ECS tatsächlich im Wettbewerb stehe, also Benzoylperoxid, Kaliumbromat und Vitaminmischungen, so sei auch bei ihr ein Rückgang der Verkaufszahlen von 1979 bis 1984 festzustellen, nämlich von 393 000 UKL auf 301 000 UKL. Schließlich sei es falsch, ECS als kleinen Konkurrenten darzustellen, da diese doch selbst behaupte, einen Marktanteil von 40 % zu halten.

65. Weiterhin rügt die Klägerin den Umstand, daß die Beklagte nur die drei grossen Anbieter in Betracht gezogen habe, nicht jedoch eine Reihe von anderen Unternehmen, die einzelne Mehlzusätze anböten.

66. Die Beklagte bleibt bei ihrer Darstellung. Nach ihrer Auffassung müssten die Gesamtlieferungen der Klägerin auf dem betroffenen Markt herangezogen werden, da die Unterscheidung bei den Abnehmern zwischen Mühlen und Herstellern von Zusatzstoffen wegen der strukturellen Verbindung zwischen diesen rein theoretisch sei. Darüber hinaus dürften die Hersteller eines einzigen Produkts nicht in Betracht gezogen werden, da ihre Gegenwart auf dem Markt die Geschäftspolitik der Lieferanten des Gesamtsortiments nicht spürbar beeinträchtige.

67. Zu der Auseinandersetzung über die jeweiligen Marktanteile ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die korrekte Einschätzung des Marktanteils für die Klärung der Frage, ob das betroffene Unternehmen eine beherrschende Stellung einnimmt, von besonderer Bedeutung ist. Gleichwohl ist der Marktanteil nicht der einzige Faktor, an dem die Marktbeherrschung zu messen ist. Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung kann sich nämlich aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren ergeben, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen, unter denen jedoch das Vorliegen erheblicher Marktanteile in hohem Masse kennzeichnend ist (21).

68. In Punkt 18 der Entscheidung wird zum Nachweis des Marktanteils der Klägerin auf dem britisch-irischen Markt für Mehlzusätze eine Schätzung der Klägerin für das Jahr 1982 angeführt, die sich auf den Absatz von Bleichmitteln im Vereinigten Königreich bezog und Anteile von 52 % für die Klägerin, 35 % für ECS und 13 % für Diaflex ergab.

69. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin sei der grösste Lieferant von Mehlzusätzen im Vereinigten Königreich und Irland - wobei zu ergänzen wäre: während des maßgeblichen Zeitraums (Ende 1979 und vom Jahresende 1980 bis 1985) -, wird also auf eine Schätzung der Klägerin gestützt, die sich lediglich auf das Jahr 1982, nur auf eine Produktgruppe, nämlich die Bleichmittel, und lediglich auf das Vereinigte Königreich stützt. Angaben über die Marktanteile in anderen Jahren, für die anderen Produkte oder gar für den Rest des geographisch relevanten Marktes sind in der Entscheidung nicht enthalten. Diese steht teilweise im Gegensatz zu dem entsprechenden Abschnitt in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in dem wenigstens noch hinzugefügt wird, daß der Anteil der Klägerin bei den Kaliumbromatlieferungen im Vereinigten Königreich von der Kommission ähnlich eingeschätzt ("is considered by the Commission to be of a similar order") werde.

70. Bereits in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten hatte die Klägerin darauf hingewiesen, daß es bei einem Mißbrauch, der sich über eine Reihe von Jahren erstreckt haben soll, nicht ausreiche, lediglich eine Momentaufnahme ("snapshot") des betroffenen Marktes darzustellen. Als Entgegnung hierauf hat die Beklagte in ihrer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte - wie bereits auch in den Beschwerdepunkten selbst - auf eine Anlage zur Mitteilung der Beschwerdepunkte hingewiesen, aus der sich die entsprechenden Marktanteile ergeben sollen.

71. Die Behauptungen der Beklagten lassen sich nicht auf das herangezogene Dokument stützen. Die dort dargestellten Marktanteile bei der Lieferung von Benzoylperoxid an die Mühlenindustrie im Vereinigten Königreich beziehen sich zwar - umfassender als in der Entscheidung dargestellt - auf die Jahre 1979 und 1982 und ergeben für die drei Hauptmarktteilnehmer einen relativen Marktanteil für die Klägerin von 46,7 %, für ECS von 34,8 % und für Diaflex von 18,5 %. Wie ausgeführt, sind hier lediglich die Marktanteile der drei Hauptlieferanten berücksichtigt; über die relative Stärke der anderen Marktteilnehmer wissen wir jedoch nichts (22). Darüber hinaus ist nichts ausgesagt über die Marktanteile bei der Lieferung von Kaliumbromat, von Amylasen oder von Vitaminmischungen. Und schließlich ergibt sich aus diesem Dokument für die Zeit nach 1982 überhaupt nichts. Der irische Marktanteil ist ebenfalls nicht angesprochen.

72. Die Darstellung der Beklagten, die sich lediglich auf einen Teil der Produkte, einen Teil der Lieferanten, einen Teil des geographisch relevanten Marktes und nur auf einen Teil des maßgeblichen Zeitraums bezieht, reicht somit nicht aus, ein zuverlässiges Bild von den Marktanteilen zu geben. Am Rande ist bei der Würdigung dieser Anlage zur Mitteilung der Beschwerdepunkte noch folgendes festzustellen: In der mündlichen Verhandlung wurde die Beklagte um Stellungnahme zu den unterschiedlichen Berechnungen der Marktanteile gebeten, die die Parteien vorgelegt hatten. Die Beklagte hat geantwortet, der Unterschied beruhe darauf, daß die Klägerin Angaben über die Tonnage gemacht habe, während sich die Berechnung der Beklagten auf den Geldwert der Verkäufe gestützt habe.

73. Diese Behauptung ist jedoch unrichtig. Die Beklagte hat sich bei ihrer Schätzung der Marktanteile auf die Anlage zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt. Diese gibt die Marktanteile jedoch in "MT" an, was ich nicht anders lesen kann als "metric tons". Die Daten der Beklagten stützen sich somit ebenfalls auf die Tonnage (23).

74. In einer Tabelle, die die Beklagte der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt hatte, werden allerdings - wertmässig berechnet - die Verkäufe von Mehlzusätzen sowohl in Großbritannien und Irland als auch weltweit angegeben. Da sich diese Zahlenangaben jedoch auf die Firmen AKZO und ECS beschränken, die Tabelle weder die Firma Diaflex noch gar die Lieferanten, die kein umfassenderes Sortiment anbieten, enthält, kann diese Tabelle nicht als aufschlußreich angesehen werden. Im übrigen wird in der Entscheidung auf sie nicht Bezug genommen.

75. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß die Beklagte keine schlüssigen Angaben über den Marktanteil der Klägerin auf dem Gebiet der Mehlzusätze im Vereinigten Königreich und Irland vorgetragen hat, und zwar weder in der Entscheidung selbst noch im vorausgehenden Verwaltungsverfahren. Es ist den Angaben der Beklagten nicht einmal zu entnehmen, ob die Klägerin wenigstens auf dem Teilmarkt des Benzoylperoxids über einen Marktanteil von mehr oder weniger als 50 % verfügt.

b) Zu den weiteren Indizien für das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung

76. Die weiteren von der Beklagten als "Hauptfaktoren" (P 92) bezeichneten Indizien werde ich in der Reihenfolge abhandeln, wie sie in der Entscheidung genannt sind.

77. Unter Punkt 92 i behauptet die Beklagte, AKZO UK beliefere allein zwei der drei führenden Mehlproduzenten im Vereinigten Königreich.

78. Die Klägerin bestreitet dies und weist zu Recht darauf hin, daß diese Feststellung im Widerspruch zu Punkt 20 der Entscheidung stehe. Die Beklagte hat dies eingeräumt. Der Punkt entfällt also als Indiz für eine marktbeherrschende Stellung.

79. In Punkt 92 ii erwähnt die Beklagte die engen Geschäftsbeziehungen zu Diaflex und den Einfluß von AKZO UK auf die Preise dieser Firma. Die Klägerin bestreitet diesen Vorwurf. Sie unterhalte keine engen Beziehungen zu Diaflex, aufgrund deren sie Einfluß auf die Preise nehmen könnte. Diaflex könne sich jederzeit an andere Lieferanten für seine Vorprodukte wenden. Im übrigen habe Diaflex der Klägerin eine Reihe von Mühlen als Kunden streitig gemacht. Die Beklagte hält es für weniger bedeutend, ob ein direkter Beweis für eine Art "Diaflex-connection" vorliege. Obgleich sie über direkte Beweise nicht verfüge, deuteten "ernstzunehmende Hinweise" darauf hin, daß Diaflex kein wirklicher Konkurrent für die Klägerin gewesen sei.

80. Diese "ernstzunehmenden Hinweise", die die Beklagte der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt hatte, gilt es nun im einzelnen zu prüfen.

81. Ein handgeschriebener Vermerk, der das Datum des 20. Juli 1979 nennt, soll den Nachweis für eine abgestimmte Preiserhöhung für Lieferungen an Spillers und Ranks erbringen.

82. Im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin dargelegt, der Vermerk habe zur Vorbereitung eines Treffens mit einem Herrn Easter (Diaflex) gedient, welches im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen AKZO und Diaflex als Käufer und Kunde stattgefunden habe. Dieses habe sich nicht auf ihr wechselseitiges Wettbewerbsverhältnis bezogen.

83. Der handschriftliche Vermerk, der nicht einmal erkennen lässt, von wem er erstellt worden ist, enthält in der Tat gewisse Zahlen und Berechnungen. Er nennt auch Prozentzahlen, die als Kurzfassung für die Erzeugnisse Benzoylperoxid 16 % und Kaliumbromat 10 % erkannt werden könnten. Darüber hinaus ist er aber nicht aussagekräftig, da er keine weiteren verständlichen Erläuterungen enthält.

84. Die Beklagte weist zwar darauf hin, daß in diesem Vermerk einige Preiserhöhungen genannt seien, die dann später am 1. Juni 1979 in Kraft getreten seien. Darüber hinaus habe Diaflex nie Kaliumbromat von der Klägerin bezogen.

85. Unterstellt, daß der Vermerk tatsächlich aus dem Jahre 1979 stammt, ist festzuhalten, daß in der Tat bei zwei der sechs Rechenexempel Preise zutage treten, die von der Klägerin ab Juli 1979 praktiziert wurden, nämlich 556 UKL für Benzoylperoxid (16 %) sowie 373 UKL für Kaliumbromat (10 %). Bei den anderen Rechenbeispielen konnte ich entsprechende Übereinstimmungen nicht feststellen. Insbesondere weichen die angeblich von Diaflex zu praktizierenden Preise, soweit sie lesbar sind, etwas von den später tatsächlich angewandten Preisen ab.

86. Andererseits scheint auch die von der Klägerin gegebene Erläuterung nicht ganz plausibel; insbesondere lassen sich die als "discount price" genannten Preise von 374 UKL für Kaliumbromat (10 %) wohl kaum als Verkaufspreise an Diaflex interpretieren, da die Preise von Diaflex im Juli 1979 sich für dieses Produkt auf 371 bis 375 UKL belaufen hatten.

87. Ob es sich bei diesem Vermerk um eine abgestimmte Preiserhöhung oder lediglich um einen Informationsaustausch handelt, lässt sich ihm nicht entnehmen. Ebenfalls lässt es sich aus ihm nicht ableiten, daß eine konzertierte Preiserhöhung gerade für die Kunden Ranks und Spillers (24) geplant worden war.

88. Da es der Beklagten oblegen hätte, den Nachweis für ihre Behauptung zu liefern, müssen Unklarheiten zu ihren Lasten gehen. Unklarheiten gibt es jedoch in dem Vermerk genügend, so daß er nicht als Nachweis für die konzertierte Preiserhöhung Ranks und Spillers gegenüber angesehen werden kann.

89. In einem weiteren handschriftlichen Vermerk vom 4. November 1982 soll der Satz enthalten sein: "KRD will contact and have him move up". Da die Parteien übereinstimmend von diesem Inhalt ausgehen, will ich ihn akzeptieren. Entziffern kann ich die entsprechende Zeile des Vermerks allerdings nicht.

90. Die Beklagte legt diesen Ausdruck dahin aus, daß ein Herr Dines (Mitarbeiter der Klägerin) Diaflex kontaktieren solle, um diese Firma zu einer Preiserhöhung zu bewegen.

91. Die Klägerin hat auch diese Aussage bestritten und bereits im Verwaltungsverfahren eine abweichende Erläuterung gegeben. Da Diaflex für Lieferungen an die Klägerin nur schleppend gezahlt habe, habe sie ihre Preise erhöhen wollen. Als Folge davon hätte Diaflex beim Weiterverkauf des Erzeugnisses ihrerseits ihre Preise anheben müssen.

92. Da die entsprechende Passage beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt, muß ich auch hier feststellen, daß die Beklagte ihre These nicht unwiderleglich bewiesen hat.

93. Aus einem Schriftwechsel zwischen der Firma Diaflex und einem ihrer Berater soll nach Auffassung der Beklagten hervorgehen, daß ein ungeschriebenes Gesetz dahin bestehe, daß Diaflex der Klägerin keine Kunden streitig mache. Die Klägerin bestreitet dies mit dem Hinweis, sie sei nicht für die Feststellung Dritter verantwortlich zu machen. Auf jeden Fall zeige der Tonfall dieser "bizarren Korrespondenz", daß sie nicht zu ernst genommen werden dürfte.

94. In dem Schreiben vom 25. Januar 1980, welches Diaflex an ihren Berater gerichtet hatte und dem die Möglichkeit einer Konzertierung zwischen Diaflex und AKZO zu entnehmen sein soll, werden die vier grossen Kunden als A, B, C und D, die drei Lieferanten als Nummer 1, 2 und 3 bezeichnet, wonach Nr. 3 Diaflex ist. Die Marktsituation wird im wesentlichen wie folgt beschrieben:

"1 & 2 have quarrelled and are fighting a price war over C. We are in danger of losing our busineß with C. If we lower our price we make nothing and could perhaps lose B...

We can talk with 2 if necessary."

Selbst wenn man die Auffassung der Beklagten für richtig hält, daß mit Nr. 2 die Klägerin gemeint ist, halte ich es nicht für zwingend, daß aus der Gesprächsmöglichkeit mit Nr. 2 direkt auf eine Konzertierung zwischen den beiden Beteiligten geschlossen werden kann.

95. Einem Schreiben des Beraters an die Firma Diaflex ist folgende Passage zu entnehmen:

"If as I understand the situation correctly, there' s some unwritten law that you will not deliberately go out and take the busineß from AKZO, then you will have to be quite happy to take the busineß from Engineer and Chemical Supplies".

Ein Vermerk von Diaflex an seinen Berater enthält folgenden Satz:

"I am particularly interested in gaining busineß at the expense of ECS".

Auch diese beiden Unterlagen kann ich nicht als Beweis für die These der Beklagten gelten lassen. Was das ungeschriebene Gesetz angeht, daß Diaflex jedenfalls nicht vorsätzlich in den Kundenkreis der Klägerin eindringen solle, ist festzuhalten, daß es sich um die recht vorsichtig ausgedrückte Meinung eines Beraters von Diaflex handelt. Inwieweit dieser Einblick in die Beziehung zwischen Diaflex und der Klägerin hatte, steht dahin. Auch der Hinweis von Diaflex, zusätzliche Geschäfte auf Kosten von ECS machen zu wollen, kann durchaus auf eigener Absicht beruhen, die eine Konzertierung mit der Klägerin jedenfalls nicht voraussetzt.

96. Wenn die Beklagte schließlich anführt, einem weiteren handschriftlichen Vermerk der Klägerin sei zu entnehmen, Diaflex habe die Klägerin konsultiert, um zu erfahren, wie sie auf ein Preisangebot von ECS reagieren solle, so ist auch hier festzustellen, daß dieser Vermerk lediglich die Tatsache nachweist, daß ein Gespräch stattgefunden hat, in dem die Preise von ECS erwähnt und die entsprechende Reaktion besprochen wurde. Wer jedoch wen um einen Vorschlag für das künftige Verhalten gebeten hat, geht aus dem Vermerk nicht hervor. Daß Diaflex AKZO konsultiert haben soll, lässt sich somit mit diesem Dokument nicht nachweisen.

97. Auf den Hinweis der Klägerin, sie habe nach Erlaß der einstweiligen Anordnung Kunden an Diaflex verloren, entgegnet die Beklagte, dieser Umstand sei auf die Unzufriedenheit dieser Kunden zurückzuführen und habe nichts mit den Preisen zu tun. Im übrigen sei dies mit Billigung der Klägerin geschehen, die Diaflex die Grundstoffe geliefert habe, damit diese die neuen Aufträge erfuellen konnte.

98. Die Beklagte bestreitet somit die Tatsache nicht, daß die Klägerin Kunden an Diaflex verloren hat. Für den Umstand, daß dies mit Billigung der Klägerin geschehen sei, erbringt sie jedoch keinen direkten Nachweis. Der Hinweis auf die Lieferung der Grundstoffe ist ebenfalls nicht von besonderer Bedeutung, da die Grundstoffe, wie die Klägerin zu Recht ausgeführt hat, auch von anderen Lieferanten bezogen werden können.

99. Als Zwischenergebnis ist hier festzuhalten, daß die engen Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu Diaflex und deren Einfluß auf die Preise dieser Firma von der Beklagten nicht nachgewiesen sind.

100. In Punkt 92 iii nennt die Beklagte als weiteres Indiz für eine beherrschende Stellung die Struktur der AKZO-BV-Gruppe, die über grössere Finanzmittel als ECS verfüge und Verluste in ihrem Mehlzusatzstoffgeschäft durch den Kunststoff- und Elastomer-Sektor ausgleichen könne.

101. Die Klägerin bestreitet nicht, über grössere Finanzmittel als ECS zu verfügen. Dieser Umstand verschaffe ihr jedoch keinen zusätzlichen Vorteil, da sie mit Ausnahme des Jahres 1981 keine Verluste auf dem Markt für Mehlzusatzstoffe erlitten habe. Dies werde durch den Bericht eines unabhängigen Rechnungsprüfers bestätigt.

102. Abgesehen von Mittelübertragungen, die für Betriebsschließungen im Rahmen von Rationalisierungsmaßnahmen bestimmt gewesen seien, habe es während des maßgeblichen Zeitraums keine Mittelübertragungen der AKZO-Gruppe auf AKZO UK mit dem Ziel der Abdeckung von Betriebsverlusten gegeben.

103. Die Beklagte entgegnet, aufgrund von Unterlagen, die bei der Klägerin gefunden worden seien, lasse sich nachweisen, daß das Betriebsergebnis des Mehlzusatzstoff-Sektors in den Jahren 1980 und 1981 negativ gewesen sei. Die angeblich bessere Situation in den Jahren 1982 und 1983 sei weitgehend auf "buchhalterische Kreativität" zurückzuführen. Die Mittelübertragung habe darin bestanden, daß das Produkt Lucidol (aus dem Benzoylperoxid hergestellt wird) zu einem künstlich niedrigen Preis von Kunststoff- und Elastomer-Sektor auf den Mehlzusatzstoff-Sektor übertragen worden sei.

104. Unter Vorbehalt des oben unter B I 3 zur Kostenstruktur Ausgeführten ergibt sich aus der Würdigung der von der Beklagten vorgelegten Beweise folgendes:

Diese Unterlagen, die sich auf die Jahre 1980 bis 1983 beziehen, zeigen zunächst, daß die Klägerin selbst mit den Geschäftsergebnissen aus dem Mehlzusatzstoff-Sektor nicht zufrieden war. Weiter ist nachgewiesen, daß ab 1982 der Grundstoff Lucidol in der Tat nicht mehr zu den vollen, sondern lediglich noch zu den Grenzkosten geliefert wurde. Dennoch wäre das Betriebsergebnis von AKZO UK für 1982 in diesem Sektor auch dann noch positiv gewesen, wenn neben den variablen die fixen Kosten eingesetzt worden wären. Allerdings wäre das Betriebsergebnis dann von 148 172 UKL auf 98 454 UKL gesunken.

105. Der im Jahre 1980 eingetretene Verlust ist zu einem grossen Teil auf eine Lieferung nach Saudiarabien, also ausserhalb des hier relevanten Marktes, zurückzuführen, der allerdings noch nicht durch den späteren Sonderpreis für Lucidol ausgeglichen wurde.

106. Was jedoch die Aussagekraft der Unterlagen, auf die hier Bezug genommen wurde, erheblich schmälert, ist der Umstand, daß sie sich im wesentlichen auf Benzoylperoxid beziehen, die anderen Mehlzusatzstoffe, insbesondere Kaliumbromat und Vitamine, nur sporadisch erwähnen. Sie geben somit keinen vollständigen Überblick über die Geschäftsergebnisse des gesamten Mehlzusatzstoff-Sektors. Darüber hinaus enthalten verschiedene Tabellen unterschiedliche Ergebnisse, ohne daß in diesen erläutert noch gar mitgeteilt würde, in welcher Masseinheit die Zahlen wiedergegeben sind.

107. Trotz dieser Kritik ist jedoch einzuräumen, daß die Vorhaltungen, die die Beklagte der Klägerin im Gerichtsverfahren gemacht hat, weiter reichen als der entsprechende Abschnitt der Entscheidung. Dort ist lediglich gesagt, daß die AKZO-BV-Gruppe über grössere Finanzmittel verfügt und Verluste ausgleichen kann. Daß sie dies kann, daran dürften keine Zweifel bestehen.

108. In Punkt 92 iv der Entscheidung wird die bevorzugte Stellung der Klägerin gegenüber ihren Lieferanten beschrieben. Da die Klägerin zu dieser Darstellung keine ausdrückliche Stellung genommen hat, ist anzunehmen, daß diese Beschreibung zutrifft.

109. In Punkt 92 v erwähnt die Entscheidung das umfangreiche Angebot der Klägerin an Mehlzusätzen, einschließlich einer starken Marktstellung bei Produkten mit hohen Gewinnspannen wie Amylasen, im Vergleich zu ECS.

110. Die Klägerin bestreitet diese Darstellung nicht, hält sie jedoch nicht für einschlägig. Bei den Erzeugnissen, die sie im Gegensatz zu ECS liefere, sei sie nicht der einzige Lieferant auf dem Markt. Insbesondere Amylasen würden von anderen Herstellern angeboten, deren Wettbewerb sie ausgesetzt sei. Dies verschaffe ihr keinen Wettbewerbsvorsprung vor ECS. Ausserdem sei es merkwürdig, daß ECS mit einem geringeren Sortiment es in einer recht kurzen Zeit erreicht habe, sich einen bedeutenden Marktanteil zu sichern.

111. Die Beklagte verweist auf ihren Vortrag, nach dem es nicht erforderlich sei, die Lieferanten nur eines einzigen Erzeugnisses in die Betrachtung mit einzubeziehen. Das Angebot eines weiten Sortiments verschaffe der Klägerin Macht in dem Sinne, daß sie eher eine von den Wettbewerbsbedingungen unabhängige Preispolitik führen könne. Insbesondere ihre bedeutende Stellung auf dem Amylasensektor mit seinen hohen Gewinnmargen erlaube es ihr, die niedrigeren Preise von Benzoylperoxid, Kaliumbromat und Vitaminen zu subventionieren.

112. Wie bereits oben ausgeführt, ist es nicht richtig, die Lieferanten nur eines einzelnen Produktes aus der Betrachtung auszuklammern. Durch ein solches Vorgehen wird nämlich die Beschreibung der Marktsituation willkürlich eingeengt. Ein solches Verhalten steht auch in einem gewissen Widerspruch dazu, daß bei der Klägerin auch diejenigen Erzeugnisse in Betracht gezogen werden, bei denen sie mit den beiden anderen Hauptlieferanten nicht im Wettbewerb steht. Weswegen zum Beispiel Lieferanten, die vier, drei oder zwei Produkte anbieten, in der Marktbetrachtung berücksichtigt werden, Lieferanten jedoch, die nur ein Produkt anbieten, dagegen nicht, dies wurde nicht ausreichend erklärt.

113. Darüber hinaus wurde in der Entscheidung nicht angegeben, welche mengenmässige Bedeutung der gewinnträchtige Sektor der Amylasen auf dem Markt spielt, so daß nicht beurteilt werden kann, inwieweit durch diesen Geschäftszweig die Verkäufe der anderen Produkte subventioniert werden konnten.

114. In Punkt 92 Absätze vi und vii wird die herkömmliche Rolle der Klägerin als Preisführer auf dem Markt im Vereinigten Königreich für Mehlzusätze vor dem Jahre 1980 sowie ihr eigenes Eingeständnis beschrieben, die Preise kontrollieren zu können. Darüber hinaus habe sie das Preisniveau erfolgreich gesenkt und niedrig gehalten.

115. Die Klägerin bestreitet das genannte Eingeständnis und weist darauf hin, daß sie gezwungen gewesen sei, ihre Preise zu senken, um ihre eigenen Kunden behalten zu können.

116. Die Beklagte entgegnet, aus dem Geheimvermerk vom 7. Dezember 1979 folge, daß sich die Klägerin für befähigt gehalten habe, eine aggressive Preispolitik durchführen zu können ("take aggressive commercial action"). Im übrigen ergebe sich ihre Möglichkeit, die Preise zu kontrollieren, aus dem Umstand, daß sie vor 1980 die Rolle eines Preisführers auf dem Mehlzusatzstoff-Markt gespielt habe.

117. Wenn diese Rolle als Preisführer für die Zeit vor 1980 wohl zutrifft, so ist dennoch nicht zu übersehen, daß gerade in dieser Zeit ECS als Produzent in den genannten Markt eindringen und sich einen Anteil von circa 40 % sichern konnte. Dies entkräftigt das Indiz, daß eine marktbeherrschende Stellung, falls sie vor 1980 gegeben war, in den späteren Jahren noch bestanden haben müsste. Im übrigen glaube ich nicht, daß das auf die Preisführerschaft gegründete Indiz hier überhaupt maßgeblich ist, da es sich auf die Zeit vor 1980, also auf einen Zeitraum bezieht, der nicht Gegenstand der Entscheidung ist.

118. Sollte man aus dem Gesamtinhalt des Vermerkes vom 7. Dezember 1979 - einen Hinweis auf eine bestimmte Stelle gibt die Beklagte nicht - die Auffassung der Klägerin herleiten wollen, diese könne die Preise bestimmen, so wird diese Auffassung, falls sie bestanden haben sollte, durch das spätere Geschehen widerlegt: Als die Klägerin anfangs 1980 ihre Preise für Benzoylperoxid und Kaliumbromat anzuheben versuchte, ECS dieser Preiserhöhung jedoch nicht folgte, konnte die Klägerin diese Erhöhung bei ihren Stammkunden Ranks und Spillers nicht durchsetzen, da diese Angebote von ECS erhalten hatten, die auf dem früheren, ohnehin schon niedrigen Preisniveau von ECS lagen. Um ihre Stammkunden zu halten, musste die Klägerin somit ihre Preise senken, und zwar auf ein Niveau, das noch unter den Preisen lag, die sie vor der beabsichtigten Preisanhebung praktiziert hatte.

119. Der Vortrag der Beklagten reicht somit nicht aus, ihre in Punkt 92 Absätze vi und vii angeführten Indizien für die angebliche Preisführerschaft zu stützen.

120. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß die strittige Entscheidung keine zweifelsfreie Feststellung des Marktanteils der Klägerin enthält. Dieser Mangel wird auch durch die Feststellungen zu den anderen Hauptfaktoren nicht wettgemacht, denn von diesen in Punkt 92 der Entscheidung genannten Indizien sind nur zwei als zutreffend anzuerkennen, nämlich die unter iii und iv genannten: das Vorhandensein grösserer Finanzmittel sowie die bevorzugte Stellung gegenüber Lieferanten.

121. Diese Indizien reichen jedoch nicht für die Annahme aus, daß durch die Entscheidung eine beherrschende Stellung der Klägerin auf dem britisch-irischen Markt für Mehlzusätze nachgewiesen wäre.

122. Dieses Ergebnis lässt sich durch zwei weitere Bemerkungen stützen: Die Haupttätigkeit der Lieferanten von Mehlzusätzen besteht darin, aktive Substanzen in Füllmittel einzumischen. Dies erfordert keine besonderen Kenntnisse und auch keine bedeutenden Investitionen. Der Ansicht der Klägerin ist somit zuzustimmen, daß der Zugang zu diesem Markt nicht unüberwindlich schwierig ist. Der Erfolg von ECS in der Zeit vor 1980 beweist dies.

123. Neben der Angebotsseite ist jedoch auch die Struktur der Marktgegenseite zu berücksichtigen. Wie Punkt 19 der Entscheidung zu entnehmen ist, entfallen etwa 85 % der britischen Bleichmittelverkäufe auf die drei wichtigsten Mühlen Ranks, Spillers und Allied Mills. Bei einer Konzentration der Nachfrage in wenigen Händen hat jedoch ein Anbieter selbst mit beträchtlichem Marktanteil oft nicht mehr die Möglichkeit, sich im Verhältnis zu seinen Kunden unabhängig zu verhalten (25). Das betroffene Unternehmen verfügt somit nicht über die Marktstellung, "die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letzlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten", wie dies der Gerichtshof für das Vorlegen einer marktbeherrschenden Stellung gerade voraussetzt (26).

3. Ergebnis

124. Da die Beklagte in ihrer Entscheidung das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin nicht zweifelsfrei dargetan hat, kann ich dem Gerichtshof nur vorschlagen, der Klage stattzugeben und die angegriffene Entscheidung für nichtig zu erklären.

125. Lediglich für den Fall, daß der Gerichtshof meine Auffassung nicht teilen würde, werde ich nunmehr in einer ergänzenden Stellungnahme auf die übrigen strittigen Fragen dieses Verfahrens eingehen.

C - Ergänzende Stellungnahme

I - Zum mißbräuchlichen Verhalten der Klägerin

126. Sollte der Gerichtshof entgegen der hier vertretenen Auffassung feststellen, daß die Klägerin auf einem der genannten Märkte über eine beherrschende Stellung verfügt habe, wäre weiter zu prüfen, ob die Klägerin diese marktbeherrschende Stellung mißbraucht hat. Im Vordergrund dieser Prüfung stehen zwei Komplexe, nämlich einmal die beiden Gespräche von November und Dezember 1979 und zum anderen die ab Ende 1980 einsetzende Preispraxis.

1. Das angebliche Vorhaben der Klägerin

127. In Punkt 82 i der Entscheidung wird als Einzelaspekt, der im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag mißbräuchlich sei, erwähnt, die Klägerin habe in zwei Sitzungen Ende 1979 direkte Drohungen gegenüber ECS ausgesprochen. Nähere Einzelheiten darüber werden in den Punkten 32 ff. dargestellt, die Verteidigungsargumente der Klägerin in Punkten 42 ff. zurückgewiesen.

128. Die Klägerin ist der Ansicht, über den Inhalt der beiden Gespräche vom 16. November und 3. Dezember 1979 herrsche keine eindeutige Klarheit. Im übrigen müssten diese im Zusammenhang mit den früher bestehenden Geschäftsbezie hungen mit ECS gesehen werden. Die Beklagte hingegen hält an ihrer Auffassung fest. Sie verweist auf den Inhalt von Aufzeichnungen über diese Gespräche.

129. Dieses Beweismaterial ist nun zu würdigen, soweit es dem Gerichtshof vorgelegt wurde.

130. In einem von ECS am 23. November 1979 erstellten Vermerk wird dargelegt, ein Herrn Dines (Senior Sales Manager der Kunststoff- und Elastomer-Gruppe von AKZO Chemie UK habe erklärt, auf Anweisung von AKZO Holland habe er ECS mitzuteilen, es würde eine allgemeine Preissenkung bei den Erzeugnissen stattfinden, die AKZO und ECS für die Mehlzusatz- und die Kunststoffindustrie herstellten, falls sich ECS nicht aus dem Kunststoffsektor zurückziehe. Notfalls werde man unter dem Kostenpreis verkaufen. ECS entgegnete mit einem Hinweis auf den Umstand, daß AKZO seit 1974 keine Dividenden mehr gezahlt habe.

131. Einem Vermerk des Verkaufsagenten von ECS, der ebenfalls an dem Gespräch teilgenommen hatte, kann entnommen werden, daß die entsprechende Drohung auf Anordnung der holländischen Firmenleitung erfolgt sei. Er vertritt jedoch die Auffassung, die Klägerin habe leere Drohungen vorgetragen, da sie früher selbst gesagt habe, der Mehlzusatzstoff-Sektor sei nicht profitträchtig. Er glaube nicht, daß die Klägerin in einen Preiskrieg eintreten werde.

132. Derselbe Verkaufsagent berichtet über das zweite Treffen vom 3. Dezember 1972, auf die Aufforderung von ECS, die früheren Drohungen zu wiederholen, habe ein Herr David (AKZO Holland Sales Director) ausgeführt, er könnte eine für ECS unangenehme Aktion einleiten. Er sei nicht bereit, das frühere freundschaftliche Verhältnis weiter aufrechtzuerhalten. Herr Dines verlangte, ECS solle den Kunststoffsektor verlassen; es sei aber nicht sein Ziel, ECS vom Mehlzusatzstoffemarkt zu verdrängen. Sie (AKZO) müssten auf dem Markt für Mehlzusätze aggressiver werden und notfalls unter Kosten verkaufen.

133. Einem Vermerk von ECS vom 4. Dezember 1979 über das Treffen vom 3. Dezember ist folgendes zu entnehmen: Zunächst habe die Klägerin bestritten, im November 1979 Drohungen geäussert zu haben. ECS müsse ihre Ausführungen mißverstanden haben. Bei ECS habe jedoch der Eindruck fortbestanden, daß die frühere Drohung aufrechterhalten werde, falls ECS sich nicht aus dem Kunststoffmarkt zurückziehe. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die Notizen der Bank von ECS.

134. In wesentlichen Punkten anders dargestellt werden die Gespräche in einer beeideten Erklärung, die Herr Dines vor dem High Court abgegeben hat. Unter Punkt 8 seiner Erklärung geht er zunächst auf die Vorgeschichte ein. In der Vergangenheit habe die Klägerin ECS mit Benzoylperoxid beliefert in Fällen, in denen die Produktionskapazität von ECS nicht ausreichte. Diese sogenannten Unterstützungslieferungen seien zu Preisen erfolgt, die etwa 20 % unter den Preisen gelegen hätten, die den Endabnehmern berechnet würden. ECS andererseits habe die Klägerin mit Vitaminen beliefert, die die Klägerin nicht mehr selbst hergestellt habe. Ausserdem habe man erwogen, von ECS eine bestimmte Form von Benzoylperoxid zum Einsatz auf dem Kunststoffsektor zu kaufen.

135. Von Mitte 1979 an habe man festgestellt, daß ECS den Kunden der Klägerin in der Plastikindustrie Angebote unterbreitet habe, die erheblich unter den Preisen der Klägerin gelegen hätten. Daraufhin habe die Klägerin beschlossen, eine energischere Verkaufspolitik anzuwenden und die früher bestehende Zusammenarbeit mit ECS zu beenden. Insbesondere die Unterstützungslieferungen sollten eingestellt werden, da diese ECS Kapazitätsreserven schüfen, die diese dazu nutzen konnte, der Klägerin sowohl auf dem Markt für Mehlzusätze wie auf dem Kunststoffmarkt zu Discountpreisen Wettbewerb zu machen. Die Klägerin habe den Eindruck gehabt, sie subventioniere einen Preiskrieg, den ECS gegen sie führe.

136. Zweck des Gespräches vom November 1979 sei es gewesen, ECS über die eben beschriebene Entscheidung zu unterrichten. Die Vermerke, die ECS über das Gespräch angefertigt habe, gäben das Besprochene nur verzerrt wieder.

137. ECS habe die Frage aufgeworfen, ob die Klägerin ihre Absicht ändern würde, falls ECS den Kunststoffsektor verließe. Er (Dines) habe geantwortet, er nehme dies an. Gleichfalls habe ECS und nicht er die Frage der Preissenkungen aufgeworfen und angeführt, falls die Klägerin ihre Preise senke, müsse ECS die eigenen weiter senken. Er (Dines) habe darauf hingewiesen, daß dies die Klägerin dazu bringen könnte, unter den Kostenpreis zu gehen und, falls erforderlich, Verluste zu ertragen. Diesen Punkt habe er jedoch vor dem Treffen nicht umfassend durchdacht. Er habe weiter ausgeführt, daß die Klägerin bereit sein könnte, einen Verlust von bis zu 250 000 UKL auf sich zu nehmen. Eine schon vorher festgelegt Politik der Klägerin habe es jedoch nicht gegeben.

138. Im Zusammenhang mit dem Treffen vom 3. Dezember 1979 äussert sich Herr Dines zu einer beeideten Erklärung, die Herr Sullivan (Direktor und Haupteigentümer von ECS) abgegeben hatte, die jedoch in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht enhalten ist. Herr Sullivan habe anerkannt, daß er und nicht Dines den Vorschlag unterbreitet habe, daß sich ECS vom Kunststoffmarkt zurückziehe.

139. Auch in dem Treffen vom Dezember seien keine Drohungen geäussert oder Ultimaten gestellt worden. Allerdings habe Herr David ausgeführt, ECS werde die neue Marktpolitik der Klägerin unangenehm finden. Weder Herr David noch er (Dines) hätten ausgeführt, daß Preissenkungen unmittelbar nach diesem Treffen durchgeführt würden.

140. In einem Vermerk der Klägerin vom 7. Dezember 1979 wird über das Gespräch vom 3. Dezember 1979 berichtet, ECS sei darüber informiert worden, daß sie keine Zusammenarbeit auf dem Mühlensektor erwarten könne, wenn sie in die Kunststoffindustrie vordringen wolle. Es sei ECS bestätigt worden, daß die Klägerin auf dem Mühlensektor eine aggressive Handelsstrategie einleiten würde ("would take aggressive commercial action"), falls sie die Lieferungen ihrer Erzeugnisse an die Kunststoffindustrie nicht einstelle.

141. Im Anschluß an diese Vorbemerkung enthält der Vermerk vom 7. Dezember 1979 einen Aktionsplan, nach dem auf dem Markt für Mehlzusatzstoffe vorgegangen werden könnte. Insbesondere werden potentielle neue Kunden genannt und die Verluste berechnet, die bei Verwirklichung dieser Maßnahmen für die Klägerin enstehen würden.

142. Aufgrund der eben beschriebenen Unterlagen lässt sich folgendes als erwiesen festhalten: Die Klägerin hatte beschlossen, ihre frühere Zusammenarbeit mit ECS und insbesondere die Unterstützungslieferungen einzustellen. Ob sie allerdings bereits vor den Gesprächen mit ECS einen Beschluß über weitere Maßnahmen getroffen hatte, ist nicht nachgewiesen. Die beeidete Erklärung von Herrn Dines spricht eher dafür, daß die Idee, eine Verbindung zwischen dem Rückzug von ECS vom Kunststoffmarkt und der möglichen Reaktion der Klägerin auf dem Markt für Mehlzusatzstoffe erst von ECS während der beiden Gespräche hergestellt worden war. Die - dem Gerichtshof nicht vorliegende - beeidete Erklärung von Herrn Sullivan bestätigt dies, wenn ihr Inhalt zutrifft, wie er in der beeideten Erklärung des Herrn Dines geschildert wurde. Am Ende der Gespräche jedenfalls muß die Drohung der Klägerin im Raum gestanden haben; zumindest wurde dies von ECS und einem Verkaufsleiter der Klägerin so verstanden.

143. In seinem Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 (27) hat der Gerichtshof entschieden, daß ein Unternehmen, das eine marktbeherrschende Stellung hinsichtlich der Herstellung der Rohstoffe einnehme und deswegen die Belieferung der Produzenten von Derivaten zu kontrollieren in der Lage sei, sich nicht bloß, weil es beschlossen habe, diese Derivate nunmehr im Wettbewerb zu seinen früheren Kunden selbst herzustellen, so verhalten könne, daß es deren Wettbewerb beseitige. Da ein solches Verhalten den in Artikel 3 Buchstabe f des Vertrages niedergelegten und in den Artikeln 85 und 86 näher ausgeführten Zielen zuwiderlaufe, mißbrauche ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86, wenn es eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Rohstoffe habe und sich in der Absicht, sich den Rohstoff für die Herstellung seiner eigenen Derivate vorzubehalten, weigere, einen Kunden, der seinerseits Hersteller dieser Derivate ist, zu beliefern, auch auf die Gefahr hin, jeden möglichen Wettbewerb durch diesen Kunden auszuschalten.

144. Dasselbe muß dann gelten, wenn im umgekehrten Fall sich der Kunde des marktbeherrschenden Unternehmens entschließt, den Rohstoff zum Derivat weiterzuverarbeiten und zu dem Lieferanten des Rohstoffes auf der Verarbeitungsstufe in Wettbewerb zu treten. Eine Lieferungsverweigerung im vorliegenden Falle würde nämlich gleichfalls in die Wettbewerbsstruktur eingreifen, weil ein potentieller Wettbewerber am Markteintritt gehindert würde.

145. Der Abbruch der bestehenden Geschäftsverbindung und die Einstellung der Lieferung von Benzoylperoxid würde somit bei einem marktbeherrschenden Unternehmen einen Mißbrauch darstellen (28).

146. Da darüber hinaus nach dem Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72 (29) ein mißbräuchliches Verhalten nicht nur in Verhaltensweisen zu sehen ist, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch in solchen, die in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs eingreifen, habe ich keine Zweifel, daß ein Verdrängungswettbewerb, der mit niedrigen oder verlustbringenden Kampfpreisen geführt wird, unter Artikel 86 EWG-Vertrag fallen kann.

147. Daß die beiden von der Klägerin angedrohten Maßnahmen im unmittelbaren Anschluß an die Drohungen nicht durchgeführt worden sind, schließt nicht aus, dennoch einen Mißbrauch anzunehmen. Besteht nämlich der Mißbrauch in der Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit anderer Unternehmen, so kann bereits die Androhung wirtschaftlicher Nachteile für die Annahme eines Verstosses gegen Artikel 86 EWG-Vertrag ausreichen. Ein Verstoß liegt vor, wenn der bedrohte Wettbewerber oder Handelspartner aufgrund eigener oder fremder Erfahrung damit rechnen muß, daß der Marktbeherrscher seinen Ankündigungen Taten folgen lässt. Da die Einschränkung der Willensfreiheit eines anderen Unternehmens schon für sich betrachtet mißbräuchlich ist, kommt es nicht darauf an, ob dieses dem auf ihn ausgeuebten Druck standhält oder nachgibt. Unerheblich ist auch, ob das beherrschende Unternehmen die angedrohten Maßnahmen durchführt oder auf sie verzichtet (30).

2. Zum Preisverhalten der Klägerin

148. Bereits im ersten Abschnitt meiner Stellungnahme (B I 3) habe ich darauf hingewiesen, daß die Marktuntersuchung der Beklagten unvollständig gewesen ist. Insbesondere fehlt es an zuverlässigen Aussagen über die Kosten und die Produktionskapazitäten von zwei der drei Hauptmarktteilnehmer. Ich habe deswegen die Auffassung vertreten, daß nicht festgestellt werden kann, welche Preise wirtschaftlich vertretbar oder angemessen waren.

149. Eine Untersuchung des Preisgebarens der Klägerin ist somit nur von begrenztem Wert. Noch stärker eingeschränkt wird deren Wert durch den Umstand, daß den Verfahrensakten häufig nicht zu entnehmen ist, ob sich die genannten Preise lediglich auf Angebote oder auf tatsächliche Lieferungen beziehen. Darüber hinaus fehlt es an Angaben, welchen Umfang die jeweiligen Geschäfte hatten. Gerade aber bei dem Vorwurf, die Klägerin habe Preissenkungen selektiv vorgenommen, wäre es von Bedeutung gewesen, zu wissen, auf welches Geschäftsvolumen sich die selektive Preisbildung bezogen hat. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß die Preisangaben häufig - allerdings nicht immer - keine Angaben über die nähere Ausgestaltung enthalten, wie zum Beispiel Zahlungsziele, Rabatte oder sonstige Lieferbedingungen.

150. Bei meiner Würdigung des Preisgebarens der Klägerin, werde ich mich folglich auf zwei Komplexe beschränken: Einmal werde ich die von der Beklagten auf Anordnung des Gerichtshofes vorgelegten Zahlentabellen daraufhin betrachten, ob ihnen irgendwelche Absonderlichkeiten zu entnehmen sind. Soweit erforderlich, werden auch die von der Klägerin vorgelegten Tabellen herangezogen. Danach werde ich dem Vorwurf der Beklagten nachgehen, die Klägerin habe ihre Preise selektiv gesenkt und insbesondere ihren Stammkunden höhere Preise berechnet.

a) Lieferungen von Benzoylperoxid (16 %) an Spillers (Tabelle 1)

151. Diese Übersicht weist bis Anfang 1980 keine Besonderheiten auf. Die Preise der Klägerin haben steigende Tendenz; sie werden auch im Februar 1980 erneut angehoben auf 605 UKL, bis ein Angebot von ECS in Höhe von 532 UKL gemacht wird, dem sich AKZO anpasst. Ein Preis vom 15. Oktober 1980 in Höhe von 512 UKL ist in der Übersicht, die die Klägerin vorgelegt hat, nicht enthalten. Auch in Punkt 37 der Entscheidung, die sich mit den Verkäufen in dem genannten Zeitraum befasst, wird er nicht genannt. Dies kann aber dahinstehen bleiben, da die Klägerin im November 1980 einen Preis von 489 UKL anbietet, der um 1 UKL unter einem Angebot von Diaflex liegt.

152. In bezug auf das eben genannte Geschäft ist zwar nicht der Preis bemerkenswert, jedoch der Umstand, daß er im Rahmen einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung für Benzoylperoxid und Kaliumbromat galt. Derartige ausschließliche Bezugsverpflichtungen verstossen jedoch gegen Artikel 86 EWG-Vertrag, wenn sie von einem Unternehmen in marktbeherrschender Stellung vereinbart werden (31).

153. Der später praktizierte niedrigere Preis von 425 UKL lässt sich dadurch erklären, daß er sich auf Abnahmemengen von 10 Tonnen ab Werk bezog. Auch in ihrer einstweiligen Anordnung vom 29. Juli 1983 hat die Beklagte bei Käufen in 10-Tonnen-Einheiten einen Abzug von 50 UKL pro Tonne für Großmengenselbstabholung für zulässig erklärt. Nach Erlaß der einstweiligen Anordnung im Juli 1983 hat die Klägerin dann den vorgeschriebenen Preis von 537 UKL angewandt.

154. Bei den Lieferungen von Benzoylperoxid (16 %) der Klägerin an Spillers lassen sich - abgesehen von der ausschließlichen Bezugsverpflichtung - keine auffälligen Besonderheiten feststellen.

b) Lieferungen von Kaliumbromat (10 %) an Spillers (Tabelle 2)

155. Auch bei den Lieferungen von Kaliumbromat (10 %) an Spillers ist zunächst ein stetiger Anstieg bis zum Februar 1980 auf 405 UKL festzustellen. Im März 1980 tritt die Klägerin dann in den niedrigeren Preis von 336 UKL ein, den ECS geboten hatte. Im November 1980 wird dieser dann auf 309 UKL gesenkt, um ein Angebot von Diaflex (310 UKL) knapp zu unterbieten. Auch hier wurde eine ausschließliche Bezugsvereinbarung getroffen.

156. Abgesehen von der ausschließlichen Bezugsverpflichtung weisen somit die Verkäufe von Kaliumbromat an Spillers keine Besonderheiten auf.

c) Lieferungen von Benzoylperoxid (20 %) an Ranks (Tabelle 3)

157. Auch hier ist zunächst bis Februar 1980 ein stetiger Anstieg auf 768 UKL festzustellen. Im November 1980 tritt die Klägerin dann in einen von ECS im August vorgeschlagenen Preis von 660 UKL ein und senkt diesen nach einem Angebot von Diaflex von 640 UKL auf den eben genannten Preis. Die Senkung des Preises auf 629 UKL lässt sich anhand der Tabelle von der Beklagten nicht erklären. Die entsprechende Tabelle der Klägerin weist hier einen Preis von 629 UKL auf, den sie ECS zuschreibt. In der mündlichen Verhandlung hat es sich herausgestellt, daß dieser Preis zwar nicht von ECS angeboten worden, daß aber ein Preis in dieser Höhe tatsächlich von einem unabhängigen Händler geboten worden war.

158. Den in der einstweiligen Anordnung festgesetzten Preis von 728 UKL unterschreitet die Klägerin im Oktober 1983, indem sie sich an ein Angebot von Diaflex in Höhe von 672 UKL vom Juni 1983 anpasst. Im November 1984 unterschreitet die Klägerin ein Angebot von Diaflex in Höhe von 732 UKL um 4 UKL und gelangt somit zu einem Preis von 728 UKL.

159. Auch den Verkäufen von Benzoylperoxid (20 %) an Ranks kann ich nichts Auffälliges entnehmen.

d) Lieferungen von Kaliumbromat (10 %) an Ranks (Tabelle 4)

160. Erneut stellen wir einen stetigen Anstieg bis zum Februar 1980 auf 405 UKL fest. Auf ein Angebot von 336 UKL seitens ECS vom August 1980 reagiert die Klägerin mit einem Angebot von 330 UKL im November 1980. Im Januar 1981 passt sie sich einem von Diaflex angebotenen Preis 314 UKL an. Eine weitere Preissenkung auf 309 UKL im März 1982 lässt sich jedoch nicht mehr erklären. Dieser Preis entspricht demjenigen, der Spillers im November 1980 jedoch im Zusammenhang mit einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung gemacht worden war. Darüber hinaus hatte Diaflex seinen Preis im Februar 1982 auf 330 UKL angehoben. Im Jahre 1983 erfolgen wiederum leichte Preiserhöhungen auf 325 und 339 UKL.

161. Den in der einstweiligen Anordnung festgesetzten Preis von 455 UKL hält die Klägerin unter Hinweis auf ein Angebot von Diaflex vom Juni 1983 in Höhe von 330 UKL nicht ein. Das Preisangebot von Diaflex ist allerdings in der Tabelle der Beklagten nicht enthalten, sondern lediglich in der der Klägerin. Die Beklagte hat jedoch nicht behauptet, daß die Angaben der Klägerin insoweit unrichtig seien.

162. Preisangebote der Klägerin in Höhe des von der Beklagten festgesetzten Preises führen nicht zu Geschäftsabschlüssen, während eine Preisangleichung an Diaflex in Höhe von 370 UKL im Oktober 1984 erfolgreich ist.

163. Abgesehen von dem im März 1982 praktizierten Preis von 309 UKL weisen die hier dargestellten Preise keine Besonderheiten auf.

e) Allied Mills angebotene Preise für Benzoylperoxid (16 %) (Tabelle 5)

164. Auch bei den Angeboten beziehungsweise Lieferungen an Allied Mills (die Klägerin hat nur einzelne Mühlen der Allied-Gruppe beliefert) ist bis zum Juli 1979 ein Anstieg auf 665 UKL bei den Preisen der Klägerin festzustellen. Im August 1979 beläuft sich das Preisniveau von ECS auf 532 UKL, im September 1980 dasjenige von Diaflex auf 495 UKL. Anfang 1981 bietet die Klägerin der Zentralen Einkaufsstelle von Allied erfolglos einen Preis von 517,90 UKL an, erfolgreich jedoch einzelnen Mühlen der Allied-Gruppe. Im Jahr 1983 senkt ECS seinen Preis auf 512 UKL, dem die Klägerin im Februar folgt, ohne jedoch ein Geschäft zu tätigen.

165. Den in der einstweiligen Anordnung festgesetzten Preis von 587 bzw. 696 UKL hält die Klägerin mit einer Ausnahme ein: Im März 1984 passt sie sich an ein Angebot von Diaflex in Höhe von 567 UKL an.

166. Ergebnis: ebenfalls keine Auffälligkeiten.

f) Angebote/Lieferungen von Kaliumbromat (10 %) an Allied Mills (Tabelle 6)

167. Erneut ist auch hier zunächst ein Anstieg auf 468 UKL im Juli 1979 festzustellen. Der Preis von ECS liegt im August 1979 bei 336 UKL, der von Diaflex im April 1980 bei 335 UKL, im September 1980 bei 290 UKL. Ein Angebot der Klägerin an die Zentrale Einkaufsstelle von Allied im Januar 1981 von 314,90 UKL bleibt erfolglos, während dieser Preis von einer einzelnen Mühle akzeptiert wird.

168. Im September 1983 hält sich die Klägerin an die beiden von der Beklagten festgesetzten Mindestpreise von 556 bzw. 455 UKL. Nach Angeboten von Diaflex und ECS, die sich beide im September 1983 auf 330 UKL belaufen hatten, passt sich die Klägerin diesem Preis an, den sie jedoch nach einer Preiserhöhung von Diaflex ebenso wie diese auf 340 UKL bringt. Im November 1984 senkt die Klägerin ihren Preis erneut auf 330 UKL.

169. Abgesehen von dem letztgenannten Preis kann ich auch hier keine Besonderheiten feststellen.

g) Verkäufe von Vitaminmischungen an Allied Mills (Tabelle 7)

170. Vitaminmischungen wurden von der Klägerin nur sporadisch verkauft, die Verkäufe wurden im August oder September 1983 völlig eingestellt. Die Preise hatten sich im Mai 1980 auf 660 UKL, im Juli 1968 auf 625 UKL belaufen, um dann im September 1981 auf 565 UKL zu sinken. Die Preise von ECS betrugen 1980 590 UKL und im Juni 1981 465 UKL für eine billigere Mischung. Im Oktober 1982 berechnete die Klägerin für eine billigere Mischung 455 UKL, während ECS im Jahre 1983 seinen Preis auf 460 UKL und Diaflex im September 1983 auf 450 UKL senkte.

171. Angesichts der nur sporadisch getätigten Geschäfte kann den Preisen für Vitaminmischungen kaum etwas Aussagekräftiges entnommen werden.

h) Preise für die grossen unabhängigen Mühlen für Benzoylperoxid (16 %) (Tabellen 8, 12, 14, 16)

172. Auch hier stossen wir bei den Preisen der Klägerin zunächst auf einen ständigen Anstieg bis auf 665 UKL im Juli 1979. Der Preis von ECS beträgt im Januar 1979 572 UKL und im August 1979 630 UKL. Bei traditionellen Kunden, wie zum Beispiel Cadge & Coleman, behält die Klägerin den Preis von 665 UKL bis 1983 bei. Kunden von ECS (wie Carrs, Smiths und Timms) gegenüber macht die Klägerin Angebote, die zunächst zwischen 570 UKL und 563 UKL schwanken und dann auf 530 UKL zurückgehen (Dezember 1980 bis Juli 1983). ECS schließt sich dem Preis von 530 UKL im Juli 1982 an.

173. Der in der einstweiligen Anordnung festgesetzte Preis von 696 UKL wird bei den grossen unabhängigen Mühlen bis November 1984 nicht angewandt. Bei Carrs tritt die Klägerin zunächst in den von ECS angebotenen Preis von 530 UKL ein, erhöht diesen nach entsprechenden Angeboten von Diaflex auf 580 UKL. Im Januar 1984 führt ein Angebot in Höhe des Preises der einstweiligen Anordnung zu keinem Geschäft, worauf die Klägerin wieder in den erneut von Diaflex angebotenen Preis von 580 UKL eintritt. Erst ab November/Dezember 1984 wird dann der Preis von 696 UKL praktiziert, bis im März 1985 sich die Klägerin erneut einem Preis von Diaflex in Höhe von 640 UKL anpasst.

174. Bei Smiths gelangt die Klägerin im August 1983 bei einem Preis von 696 UKL zu keinem Geschäft. Auch im April 1984 bleibt eine Anpassung an den Preis von ECS in Höhe von 645 UKL ohne Erfolg. Erst die Anpassung an den Preis von Diaflex in Höhe von 587 UKL führt im März 1984 zum Erfolg. In den Jahren 1984 und 1985 folgt die Klägerin jeweils den Preiserhöhungen von Diaflex auf 640 UKL beziehungsweise 690 UKL.

175. Bei Timms tritt die Klägerin im August 1983 zunächst in den von Diaflex gebotenen Preis von 570 UKL ein, um dann im November 1984 einer Preiserhöhung von Diaflex auf 630 UKL zu folgen. Ab Juli 1985 wird dann der Preis der einstweiligen Anordnung von 696 UKL angewandt.

176. Bei den Angeboten und Verkäufen an die grossen unabhängigen Mühlen ist somit ein Eindringen der Klägerin in den Kundenkreis von ECS im Dezember 1980 festzustellen, der mit einer Preissenkung einhergeht, die sich zunächst auf etwa 100 UKL im Vergleich zu den traditionellen Kunden der Klägerin und auf etwa 70 UKL im Vergleich zu den Preisen von ECS beläuft, die sich aber dann auf einen Unterschiedsbetrag von etwa 160 UKL beziehungsweise 100 UKL erhöht.

i) Angebote/Lieferungen von Kaliumbromat (10 %) an die grossen unabhängigen Mühlen (Tabellen 9, 10, 13, 15, 17)

177. Erneut ist zunächst ein ansteigender Preis der Klägerin auf 468 UKL im Jahr 1979 festzustellen, der bis August 1983 den herkömmlichen Kunden der Klägerin gegenüber auch beibehalten wird. Den Kunden von ECS gegenüber werden im Dezember 1980 Angebote über 375 UKL und 339 UKL, im Mai 1981 über 336 UKL und im Jahre 1982 über 325 UKL gemacht, wie die Beklagte ausführt. In ihrer entsprechenden Tabelle gibt die Beklagte jedoch nicht an, welchen Kunden diese Preisangebote gemacht worden sind. Ein Blick in die von der Klägerin vorgelegte Tabelle zeigt, daß die erwähnten Zahlen unter den Angeboten für die Firma Carrs zu finden sind. Dort ist jedoch gleichfalls vermerkt, daß es nicht zu Geschäftsabschlüssen gekommen ist.

178. Der in der einstweiligen Anordnung festgesetzte Preis von 556 UKL kommt nicht zur Anwendung, da die Klägerin im März 1984 den Preis von Diaflex in Höhe von 360 UKL und im März 1985 einen Preis von Diaflex in Höhe von 392 UKL für Smiths übernimmt. Bei Timms tritt die Klägerin August 1983, November 1984 und Juli 1985 in die jeweiligen Preise von 340 UKL, 382 UKL und 435 UKL ein, die Diaflex angeboten hatte.

179. Bei den grossen unabhängigen Mühlen ist somit seit November 1980 der Versuch der Klägerin festzustellen, mit Preisen, die unter den Preisen liegen, die sie von ihren Stammkunden verlangt, in den Kundenkreis von ECS einzudringen.

j) Preise/Lieferungen von Kaliumbromat (6 %) an die grossen unabhängigen Mühlen (Tabellen 10, 13, 15, 17)

180. Auch hier treffen wir auf eine vergleichbare Situation: Bis Juli 1979 steigt der Preis der Klägerin auf 393 UKL an und wird auch in dieser Höhe für ihre traditionellen Kunden beibehalten (so die Tabelle der Beklagten; die Tabelle der Klägerin weist für einige ihrer Stammkunden wie zum Beispiel Cadge & Coleman noch etwas höhere Preise auf).

181. Für Kunden von ECS senkt die Klägerin ihre Preise um etwa ein Drittel auf 260 und später auf 245 UKL; das Preisniveau von ECS lag im August 1979 bei 362 UKL; im Jahre 1981 hat ECS dann ebenfalls die Preise auf 260 UKL abgesenkt.

182. Der in der einstweiligen Anordnung festgesetzte Preis von 488 UKL war auf dem Markt nicht durchzusetzen. Was die Lieferungen AKZOs an Carrs angeht, bestehen allerdings Divergenzen zwischen den Tabellen, die die Beklagte und die Klägerin vorgelegt haben. Nach der Tabelle der Beklagten soll die Klägerin im September 1983 einen Preis von 330 UKL angewandt haben, der dem Preis entspräche, den ECS vor dem Erlaß der einstweiligen Anordnung angeboten haben soll. In der Tabelle der Klägerin ist von diesen Preisen nicht die Rede ebensowenig wie in der Tabelle, die die Beklagte für die Lage vor der einstweiligen Anordnung vorgelegt hat. Angesichts dieser Unstimmigkeiten glaube ich nicht, daß wir uns insoweit auf diese Tabellen (10 und 15) stützen können.

183. Hinsichtlich der Preise für Smiths hingegen ist festzuhalten, daß die Klägerin im März 1984 einen Preis von 440 UKL (allerdings ohne Erfolg) angeboten hat, der dem Preis von ECS im August 1983 entsprochen hatte. In den Jahren 1984 und 1985 hat die Klägerin dann jeweils die Preise von Diaflex übernommen, und zwar in Höhe von 392 UKL und später 435 UKL.

Auch bei der Preisgestaltung für Kaliumbromat (6 %) ist somit festzustellen, daß die Klägerin in den Kundenkreis von ECS unter Anwendung von Preisen eingedrungen ist, die beachtlich unter den Preisen lagen, die sie für ihre traditionellen Kunden anwandte.

k) Angebote und Lieferungen für Vitaminmischungen (Nutramin) an die grossen unabhängigen Mühlen (Tabelle 11)

184. Auch hier steigt der Preis der Klägerin zunächst bis zum Jahr 1979 auf 695 UKL an. Dieser Preis wird bei ihren traditionellen Abnehmern bis zum Juni 1983 beibehalten, dann auf 757 UKL erhöht. Die Preise von ECS steigen zunächst auf 704 UKL im August 1979, um dann im Oktober 1980 auf 654 UKL gesenkt zu werden. Die Klägerin bietet ab Dezember 1980 Nutramin zunächst für 595 UKL an, senkt diesen Preis jedoch, nachdem Diaflex einen Preis von 585 UKL geboten hatte, auf 575 UKL. Daraufhin nimmt im Juni 1981 ECS seinen Preis auf 545 UKL zurück. Es folgen in der Tabelle der Beklagten dann noch weitere Zahlenangaben, die sich jedoch auf eine andere Zusammensetzung beziehen und somit nicht vergleichbar sind.

185. Gleichwohl ist festzuhalten, daß auch hier die Klägerin dem traditionellen Kundenstamm von ECS Preise angeboten hat, die unter denjenigen lagen, die sie selbst von ihren Stammkunden verlangte.

186. Das in Punkt 82 ii der Entscheidung von der Beklagten dargestellte Verhalten der Klägerin lässt sich somit bei einer Würdigung jedes Preisgebarens nicht nachweisen.

187. Anders ist es jedoch mit dem in Punkt 82 iii genannten Vorwurf, Kunden von ECS selektiv niedrige Angebote gemacht zu haben, während für ähnlich gestellte Abnehmer, die bereits Kunden der Klägerin waren, wesentlich höhere Preise galten.

188. Die Klägerin hat ihr Verhalten mit dem Umstand zu rechtfertigen versucht, daß sie einige unabhängige Mühlen, die sie zuvor beliefert habe, an ECS und Diaflex verloren hatte. Um den verlorengegangenen Marktanteil zurückzugewinnen, habe sie sich mit günstigeren Preisen an die Kunden von ECS wenden müssen.

189. Die selektiven Preisunterschiede ließen sich dadurch erklären, daß die Klägerin bei einigen ihrer herkömmlichen Kunden keinem Wettbewerb seitens ECS oder Diaflex ausgesetzt gewesen sei. Deswegen habe sie bei diesen ihre alten Preise weiter praktizieren können. Wo es jedoch Wettbewerb gegeben habe, habe sie auch bei ihren herkömmlichen Kunden die Preise senken müssen. Preisunterschiede seien somit nicht zwischen herkömmlichen Kunden der Klägerin und Kunden von ECS praktiziert worden, sondern zwischen solchen, bei denen es einerseits Wettbewerb gegeben habe, andererseits hingegen nicht.

190. Die Beklagte tritt dieser Rechtfertigung mit dem Einwand entgegen, die Ereignisse bei den herkömmlichen Kunden der Klägerin, bei denen diese ihre Preise habe ebenfalls senken müssen, seien Randerscheinungen und somit zu vernachlässigen.

191. In der Tat lässt sich aufgrund der Entscheidung nicht feststellen, in welchem Umfang selektive Preise praktiziert worden sind. Daß sie teilweise praktiziert worden sind, wird von der Klägerin eingeräumt. Andererseits beweist die Beklagte ein derartiges Preisverhalten in ihren eingereichten Preistabellen für die Zeit vor dem Erlaß der einstweiligen Anordnung nur pauschal und für den Zeitraum danach lediglich hinsichtlich der Firmen Carrs, Smiths und Timms. Das Preisverhalten bei den herkömmlichen Kunden der Klägerin wird jedoch nur allgemein beschrieben, ohne daß eine Differenzierung nach Kunden oder Geschäftsumfang erkennbar wäre.

192. Es lässt sich somit feststellen, daß der in Punkt 82 iii enthaltene Vorwurf zwar dem Grunde nach erwiesen ist; in welchem Umfang das vorgeworfene Verhalten jedoch praktiziert wurde beziehungsweise wie schwer es wiegt, ist nicht dargestellt.

3. Zur Praktizierung von Lockpreisen bei Kaliumbromat und Vitaminmischungen (P 82 iv)

193. Daß der Vorwurf, Kaliumbromat zu Lockpreisen angeboten zu haben, im vorliegenden Verfahren aufgrund eines Verfahrensfehlers (mangelnde Anhörung) nicht berücksichtigt werden kann, wurde bereits eingangs dargelegt (vgl. B I 2). Es bleibt somit dieser Vorwurf nur noch hinsichtlich des Einsatzes von Vitaminmischungen zu Lockpreisen zu prüfen. Aber auch diese Prüfung kann nur eingeschränkt vorgenommen werden, da die Frage nach den angemessenen Kosten mangels hinreichender Sachaufklärung ebenfalls ausser Betracht zu bleiben hat (vgl. oben B I 3).

194. Die Klägerin tritt dem Vorwurf mit dem Hinweis entgegen, eine Reihe ihrer Abnehmer habe nie Vitaminmischungen von ihr bezogen. Dasselbe gelte für die Firma Timms, die ein Angebot von Benzoylperoxid (16 %) und von Kaliumbromat (10 %) angenommen habe, eines über Nutramin jedoch nicht. Der Grund dafür ist in dem besonders wirksamen Wettbewerbsverhalten der Firma Vitrition Ltd. zu sehen.

195. Soweit Vitaminmischungen, die die Klägerin nicht mehr selbst hergestellt habe, angeboten beziehungsweise geliefert worden seien, habe es sich um einen Dienst am Kunden gehandelt, bei dem selbstverständlich die wettbewerbswirksamen Preise der Firma Vitrition zu beachten gewesen seien.

196. Die Beklagte entgegnet, auf den Umstand, ob Verkäufe von Vitaminmischungen tatsächlich stattgefunden hätten, komme es nicht an, das Angebot allein sei entscheidend. Aus einem bei der Klägerin gefundenen Dokument gehe eindeutig die Verkaufsstrategie der Klägerin hervor.

197. Das von der Beklagten herangezogene Dokument vom 4. Juli 1980 stellt meiner Auffassung nach eine vorbereitende Notiz für ein Gespräch dar. Unter der Zwischenüberschrift "Topics for Discussion or Elucidation, 1. Marketing" heisst es dort unter Buchstabe j: "Are there any 'knock-on' effects? (products necessary as 'loß leaders' to achieve sales of others)".

198. Es mag sein, daß die Klägerin den Einsatz von Lockangeboten erwogen hat. Mit Gewißheit geht dies aus dem Diskussionspapier jedoch nicht hervor, da wir nicht wissen, welchen Inhalt die möglicherweise folgende Diskussion gehabt hat und auf welche Erzeugnisse sich die zitierte Passage überhaupt bezieht.

199. Angesichts dieser Feststellung und angesichts des Umstandes, daß die Sachverhaltsermittlung auch hier recht dünn erscheint, scheint mir der in Punkt 82 iv der Entscheidung enthaltene Vorwurf nicht mit hinreichender Sicherheit erwiesen zu sein.

4. Unterkostenpreise für Spillers und Ranks während eines längeren Zeitraums (P 82 v)

200. Der in diesem Abschnitt enthaltene Vorwurf kann ebenfalls nicht untersucht werden, da, wie oben dargelegt (B I 3), die Sachverhaltsermittlung der Beklagten zur Kostenfrage unvollständig ist.

5. Zu den Preisinformationen

201. In Punkt 82 vi wirft die Beklagte der Klägerin vor, sie habe im Falle von Ranks und Spillers eine Verdrängungspolitik betrieben, indem von Kunden genaue Einzelheiten der Preise anderer Hersteller verlangt wurden und sodann ein gerade unter dem Preis des Konkurrenzunternehmens liegender Preis angeboten wurde, um den Auftrag zu erhalten, wozu im Falle von Spillers noch eine Alleinbezugsverpflichtung gekommen sei, durch die andere Lieferanten ausgeschaltet worden seien.

202. Zur Rechtswidrigkeit der Alleinbezugsverpflichtung habe ich bereits Stellung genommen (vgl. oben C I 2 a, b). Im übrigen kann der hier genannte Vorwurf nicht in Betracht gezogen werden, da er im Verwaltungsverfahren noch nicht als Mißbrauch gekennzeichnet und folglich die Klägerin nicht hinreichend zu diesem Vorwurf angehört worden war (vgl. oben B I 2).

6. Zum Ziel, ECS zu schädigen und/oder als Wettbewerber zu verdrängen

203. Abschließend wird in Punkt 82 unter vii der Klägerin der Vorwurf gemacht, die vorgenannten Praktiken seien mit dem langfristigen Ziel durchgeführt worden, ECS zu schädigen und/oder als Wettbewerber von dem gesamten Markt für organische Peroxide zu verdrängen. Dieser Vorwurf wird auf den Inhalt der Gespräche von November und Dezember 1979 sowie auf den Vermerk vom 7. Dezember 1979 gestützt. Für die ab Herbst 1980 einsetzenden Ereignisse beruft sich die Beklagte auf eine Reihe von Dokumenten, die in Punkt 47 der Entscheidung genannt sind.

204. Hinsichtlich der Ereignisse von 1979 kann ich auf das unter C I 1 Ausgeführte verweisen. An der 1979 festgestellten Absicht der Klägerin, Druck auf ECS auszuüben und sie vom Markt für Kunststoffe zu verdrängen, bestehen für mich keine Zweifel. Schwieriger fällt jedoch die Beurteilung der Absicht, die bei den ab Herbst 1980 einsetzenden Ereignissen zugrunde gelegen haben soll. Schließlich ist die Ende 1979 entwickelte Strategie nicht zum Tragen gekommen, und sei dies nur, weil das Eingreifen des High Court dies verhinderte. Ob die im Jahre 1979 vorliegende Absicht im Jahr 1980 noch fortbestanden hat oder ob sich die Ereignisse anders erklären lassen, ist zumindest fraglich.

205. Da sich die Beklagte zum Nachweis, daß die ursprüngliche Absicht von 1979 nicht aufgegeben worden war, auf eine Reihe späterer Unterlagen stützt, sollen zunächst diese in Betracht gezogen werden.

206. Die Beklagte verweist auf einen Bericht vom 22. November 1982 über einen Vergleich der Verkäufe der Klägerin auf dem Markt für Mehlzusätze im Vereinten Königreich im Jahre 1979 mit denen des Jahres 1982. Es wird ausgeführt, daß ECS ein Viertel seiner unabhängigen Mühlen verloren habe (weitere werden folgen) und eine erhebliche Verringerung der Gewinnspannen habe in Kauf nehmen müssen. Mit Befriedigung werde darüber berichtet, daß der allgemeine Preissturz aus verschiedenen Gründen die Spannen von AKZO nicht so erheblich beeinträchtigt habe, wie dies bei ECS der Fall habe sein müssen. Allied Mills habe sich als eine schwer zu knackende Nuß erwiesen, insbesondere mit den durch die Verfügung des High Court vorgeschriebenen Preiszwängen, mit der Zeit würden einige Mühlen ECS jedoch verlassen, da der Druck aufrechterhalten werde (P 47).

207. In dem entsprechenden Vermerk der Klägerin wird die Marktentwicklung mit dem Hinweis darauf beschrieben, daß Diaflex seinen Marktanteil weitgehend eingebüsst, ECS ein Drittel der unabhängigen Mühlen verloren habe und beträchtliche Einbussen seiner Gewinnspanne habe hinnehmen müssen. Der allgemeine Preisverfall habe die Gewinnspannen der Klägerin im Gegensatz zu denjenigen von ECS nicht ernsthaft beeinträchtigt.

208. Wenn dem Einwand der Klägerin, mit dem Ausdruck, weiterhin Druck auszuüben, sei der Druck auf Allied Mills, nicht jedoch auf ECS gemeint, auch keine grössere Bedeutung beizumessen sein wird, da geschäftlicher Druck auf Allied Mills eben auch als mittelbarer Druck auf ECS aufgefasst werden kann, kann ich den genannten Vermerk vielleicht als Indiz, jedoch nicht als letztlich zwingenden Beweis für die Absicht der Klägerin, ECS vom Markt zu verdrängen beziehungsweise zu schädigen, ansehen.

209. Auch der handschriftliche Vermerk vom 15. September 1981 stellt lediglich dar, daß ECS drei grosse unabhängige Mühlen an AKZO verloren habe und seine Preise für die ihr verbleibenden grösseren unabhängigen Mühlen habe senken müssen. Auch hier sehe ich eine Beschreibung der Marktsituation, nicht jedoch zwingend die einer Absicht der Klägerin.

210. Im Jahresbericht 1980 der Abteilung Kunststoffe und Elastomere der Klägerin vom 5. März 1981 steht, daß man sich bemüht habe, die Preise anzuheben, daß dies jedoch teilweise nicht ausreichend gelungen sei. Die Klägerin habe ihren Marktanteil von 1979 gehalten, obgleich gerade in Rezessionszeiten Marktführer verwundbar seien. Die Stellung der Klägerin sei wiederum ohne Erfolg von Firmen wie SCADO, AZTEC und ECS angegriffen worden. SCADO habe Boden verloren, im wesentlichen aufgrund des Vorgehens der Klägerin.

211. Es wird zwar ausgeführt, daß sich die Klägerin weiter bemühen wolle, SCADOs Marktposition zu schwächen, von ECS jedoch wird Vergleichbares nicht gesagt.

212. Im folgenden Jahresbericht vom 11. Februar 1982 wird berichtet, SCADO sei praktisch vom Markt verschwunden und dies zeige, daß es richtig gewesen sei, dieser Firma einen harten Wettbewerb zu liefern, wenn auch andere Umstände, wie die Entwicklung des Dollarkurses, zu dieser Entwicklung beigetragen hätten.

213. ECS produziere Benzoylperoxid und habe durch die Firma Pergan ernsthaft Geschäfte auf dem Kontinent aufgenommen. Obgleich ihr Marktanteil noch klein sei, sei die Möglichkeit vorhanden, ihre Stellung zu verbessern. Es bestehe die Gefahr, daß Pergan andere Produkte in sein Sortiment aufnehmen werde. Ein Vorgehen wie bei SCADO ("SCADO approach") sei wahrscheinlich auch in dieser Situation das Beste.

214. Die letztgenannte Stelle könnte einen Nachweis für die Absicht der Klägerin darstellen. Allerdings ist offen, ob sich der Ausdruck "SCADO approach" auf ECS insgesamt oder lediglich auf die deutsche Firma Pergan bezog, an der ECS zum damaligen Zeitpunkt einen Anteil von 20 % besaß. Was mir hier jedoch wichtig erscheint, ist, daß die "SCADO approach" als Reaktion auf die mögliche verstärkte Tätigkeit von Pergan (und vielleicht auch ECS) in Betracht gezogen wird. Ein entsprechend geplantes Vorgehen könnte somit als Reaktion auf die Geschäftsausweitung gesehen werden, nicht jedoch als Fortführung der ursprünglich im Jahre 1979 bestehenden Absicht, ECS grundsätzlich zu schädigen, um diese Firma aus dem Kunststoffsektor zu verdrängen. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß dem Jahresbericht für 1980 nichts für das Fortbestehen dieser Absicht zu entnehmen, ECS vielmehr unter anderem als erfolgreicher Wettbewerber dargestellt worden ist.

215. Wenn es somit zumindest offen ist, ob bei der Klägerin die ursprünglich gehegte Absicht im Jahre 1980 beziehungsweise im Jahre 1982 noch fortbestand, so scheint mir gerade ein Umstand von besonderer Wichtigkeit zu sein: Das Verhalten der Klägerin lässt sich auch ohne die von der Beklagten behauptete Absicht erklären. Nachdem der Klägerin zumindest durch das Verfahren vor dem High Court in gewisser Weise die Hände gebunden waren, hat ECS den Stammkunden von AKZO - wenn auch auf deren Anforderung hin - Angebote gemacht, die erheblich unter den Preisen der Klägerin gelegen haben. Ob ECS damit den Preiswettbewerb intensivieren oder gar einen Preiskrieg auslösen wollte, sei dahingestellt. Aus der Sicht der Klägerin konnte sich dieses Verhalten so darstellen, daß sie sich für berechtigt halten konnte, nunmehr eine aktive Preispolitik einzuleiten ("to compete them as violently as possible").

216. Da es somit verschiedene Erklärungsmöglichkeiten für das Ende 1980 einsetzende Verhalten der Klägerin gibt, ist nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen, daß die ursprünglich im Jahre 1979 gehegte Absicht, ECS zu schädigen und aus dem Kunststoffmarkt zu verdrängen, während des gesamten Untersuchungszeitraums fortbestanden hat.

217. Zum Abschluß sei noch auf eine redaktionelle Ungenauigkeit in Punkt 82 vii hingewiesen. Es wird gesagt, die vorgenannten Praktiken würden mit dem langfristigen Ziel durchgeführt, ECS zu schädigen und/oder als Wettbewerber vom gesamten Markt für organische Peroxide zu verdrängen. Es ist nicht klar, ob diese Wendung alternativ oder kumulativ zu verstehen ist. Darüber hinaus ist es sicherlich nicht richtig, daß ECS vom gesamten Markt für organische Peroxide verdrängt werden sollte, da zu diesem Markt auch der Teilmarkt des Benzoylperoxids zu rechnen ist, welches im Mehlzusatzstoff-Sektor verwandt wird. Von diesem Teilmarkt jedoch sollte ECS unstreitig nicht verdrängt werden.

II - Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten

218. Die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben ist vom Verbot des Artikels 86 EWG-Vertrag nur dann erfasst, wenn sie dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

219. Daß eine potentielle Handelsbeeinträchtigung vorliegt, lässt sich unschwer bejahen. Schließlich sollte das Vordringen von ECS insbesondere auf dem Kunststoffmarkt in Deutschland verhindert werden, so daß der Bezug zum Handel zwischen Mitgliedstaaten gegeben ist. Es ist deswegen nicht erforderlich, sich zur Begründung, daß dieses Tatbestandselement verwirklicht wurde, auf die Rechtsprechung zu beziehen, nach der es unwesentlich sei, ob eine entsprechende Verhaltensweise sich unmittelbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten bezieht, wenn aufgezeigt wurde, daß die Ausschaltung eines Wettbewerbers Rückwirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Gemeinsamen Markt haben würde (32).

III - Zur Geldbusse

220. Bevor zu den Ausführungen der Entscheidung zur Geldbusse im einzelnen eingegangen wird, muß zunächst noch einmal zusammenfassend dargestellt werden, welche Vorwürfe sich als berechtigt erwiesen haben, falls man das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin für erwiesen hält:

- die Drohungen vom November/Dezember 1979 (P 82 i);

- ein Teil der behaupteten selektiven Preispolitik (von Ende 1980 an) (P 82 iii);

- die Verabredung einer Alleinbezugsverpflichtung bei Spillers in einem Fall bei zwei Erzeugnissen (P 82 vi).

221. Die in Punkt 82 vii angeführte Rüge kann, soweit sie als berechtigt anerkannt wurde, lediglich als subjektive Seite des Vorwurfs angesehen werden, der bereits in Punkt 82 i enthalten war.

222. Alle übrigen in Punkt 82 der Entscheidung behaupteten Verstösse sind im hier vorliegenden Verfahren nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden. Bereits dieser Umstand muß zu einer erheblichen Herabsetzung der Geldbusse führen.

223. In den Punkten 96 ff. der Entscheidung stützt die Beklagte die Höhe der Geldbusse auf folgende Umstände: Die Klägerin habe sich bemüht, auf systematische Weise einen Plan zur Schädigung des Geschäftsbetriebes von ECS durchzuführen. Die Geschäftsausweitung eines kleinen Wettbewerbers in einen anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft habe verhindert werden sollen; dies stelle eine Missachtung eines grundlegenden Zieles des EWG-Vertrages, der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes der Mitgliedstaaten, dar. Die Zuwiderhandlung sei um so schwer wiegender, da die Klägerin ihre mißbräuchliche Verhaltensweise noch lange nach dem Verfahren vor dem High Court und nach dem Erlaß der einstweiligen Anordnung durch die Beklagte fortgesetzt habe. Ein weiterer schwerwiegender Faktor sei, daß die Klägerin in dem Verfahren vor dem High Court eine völlig irreführende Darstellung abgegeben habe und daß sie möglicherweise erfolgreich ihre Absicht erreicht hätte, wenn die Beklagte nicht Beweismaterial entdeckt hätte. Das Verhalten gegenüber ECS sei kein einmaliges Vorkommnis, sondern habe sich im Zusammenhang mit einer festgelegten Gesamtpolitik ereignet, die Macht zu festigen oder unerwünschte Wettbewerber auszuschalten. Die Zuwiderhandlung sei mit Absicht begangen worden, da sich die Klägerin voll über den Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln bewusst gewesen sei: Im November 1979 sei sie von ECS darauf hingewiesen worden, daß ihre Drohungen einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellten. Die Zuwiderhandlung sei von langer Dauer gewesen, die Drohungen seien im Dezember 1979 ausgesprochen und ein Jahr später in ernsthafter Weise durchgeführt worden.

224. Die Klägerin tritt all diesen Vorwürfen entgegen und verweist zusätzlich darauf, sie habe ihre Preispolitik für rechtmässig gehalten, da sie angenommen habe, ihre Preise seien nicht zu beanstanden, solange sie für die betreffenden Geschäfte über den Grenzkosten gelegen hätten. Darüber hinaus hätte berücksichtigt werden müssen, daß das Gemeinschaftsrecht in bezug auf das hier aufgeworfene Problem keineswegs klar und eindeutig sei. Zusätzlich weist die Klägerin darauf hin, daß sie seit Juli 1983 unter der Aufsicht der Beklagten gestanden habe, die jederzeit aufgrund ihrer einstweiligen Anordnung gegen sie hätte vorgehen können, um Verstösse gegen Artikel 86 EWG-Vertrag abzustellen. Da die Beklagte jedoch nicht aufgrund der einstweiligen Anordnung, die sie im übrigen jederzeit hätte verschärfen können, vorgegangen sei, könne sie sich nicht auf die Dauer des angeblichen Mißbrauchs stützen.

225. Die Beklagte ihrerseits tritt all den genannten Einwänden entgegen.

226. Zunächst ist die Bedeutung des Verfahrens vor dem High Court und der einstweiligen Anordnung für die Bemessung der Geldbusse zu untersuchen, da die Beklagte deren Nichtbeachtung als schwerwiegenden Faktor gewertet hat.

227. In diesem Zusammenhang ist zunächst näher auf die einstweilige Anordnung des High Court einzugehen. Die Anordnung vom 5./6. Dezember 1979 untersagt es der Klägerin, unter Verletzung von Artikel 86 EWG-Vertrag ihre Preise für Benzoylperoxid zu senken. Allerdings ist festzuhalten, daß es sich hier um eine "ex-parte-injunction" handelt, also um eine einstweilige Anordnung, die ohne Anhörung des Antragsgegners erlassen wird. In ihr kann somit noch keine rechtliche Würdigung des Sachverhalts gesehen werden.

228. Es folgt dann die Entscheidung des High Court vom 17. März 1980. In ihr wird das Verfahren eingestellt und werden der Klägerin des hier vorliegenden Verfahrens die Kosten auferlegt. Die Klägerin wird verpflichtet, ihren normalen Verkaufspreis nicht in der Absicht zu reduzieren oder festzusetzen, ECS vom Markt für Mehlzusatzstoffe oder vom Kunststoffmarkt zu verdrängen. Diese Verpflichtung ist jedoch in einem gerichtlichen Vergleich enthalten, der für die Dauer von zweieinhalb Jahren, also bis Herbst 1982, gelten sollte.

229. Es ist somit festzustellen, daß sich der vor dem High Court geschlossene Vergleich nur auf eines der in Betracht gezogenen Erzeugnisse und nur auf einen Teil des Zeitraums erstreckt hat, der der Entscheidung der Beklagten zugrunde liegt. Somit ist seine Bedeutung für das hier vorliegende Verfahren bereits eingeschränkt.

230. Zur Ahndung von Verstössen gegen Entscheidungen innerstaatlicher Gerichte scheinen mir zunächst diese selbst befugt zu sein. Dies schließt es jedoch nicht aus, daß die beklagte Kommission einen solchen Verstoß, wenn er gleichzeitig einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht enthält, ebenfalls mit einer Sanktion belegt, wenn sie auch möglicherweise innerstaatliche Sanktionen zu berücksichtigen hat (33). Ausgeschlossen erscheint mir jedoch, daß die Beklagte einen Verstoß gegen die Entscheidung eines innerstaatlichen Gerichts zusätzlich dafür heranzieht, um einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht festzustellen, da die Entscheidung des innerstaatlichen Gerichts insoweit lediglich deklaratorischer Natur ist.

231. Was schließlich die angebliche Nichtrespektierung der einstweiligen Anordnung vom 29. Juli 1983 angeht, ist darauf hinzuweisen, daß diese Anordnung in Artikel 6 einen eigenen Sanktionsmechanismus enthält und sich die Beklagte in Artikel 7 die Möglichkeit vorbehalten hat, jederzeit auf Antrag von ECS oder von Amts wegen die Bestimmungen dieser Entscheidung zu ändern, wenn sie dies für angezeigt hält. Beides hat die Beklagte jedoch nicht getan, obwohl sie in Anwendung des Artikels 5 der Entscheidung voll über die Geschäftstätigkeit der Klägerin informiert war.

232. Bereits der Umstand, daß die Beklagte keinen Anlaß gesehen hatte, gemäß ihrer einstweiligen Anordnung einzuschreiten, führt zu Zweifeln, ob der Umstand, daß auch nach Erlaß der einstweiligen Anordnung die mißbräuchliche Verhaltensweise fortgesetzt worden sein soll, bei der Bemessung der Geldbusse herangezogen werden kann.

233. Entscheidend erscheint mir aber auch hier folgendes zu sein: Es ist nicht erwiesen, daß die einstweilige Anordnung überhaupt in der Lage war, einen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag zu verhindern. Dies räumt auch die Beklagte ein. Das hat zur Folge, daß ein Verhalten, welches den Inhalt der einstweiligen Anordnung korrekt beachtete, dennoch möglicherweise gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen konnte. Umgekehrt ist nicht sicher, daß ein Verstoß gegen die einstweilige Anordnung unbedingt auch einen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag darstellen muß. Die Klägerin hat zwar die einstweilige Anordnung nicht angegriffen; die Anordnung war somit bestandskräftig geworden. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, daß ihr Inhalt in allen Einzelheiten notwendig war, um die Respektierung der Bestimmungen des Artikels 86 EWG-Vertrag zu gewährleisten. Zweifeln ist insoweit zumindest die Höhe der festgesetzten Mindestpreise ausgesetzt. Wie im Punkt 36 der Entscheidung vom 29. Juli 1983 angegeben ist, wurden diese anhand der bei der Klägerin ermittelten Produktionskosten vom Mai 1983, der Frachtkosten von 1982 sowie eines absoluten Bruttogewinns festgesetzt, der dem absoluten Bruttogewinn der Klägerin in der Zeit vor dem 3. Dezember 1979 entsprochen hatte. Da wir wissen, daß es sich bei dem Jahr 1979 um ein sehr gewinnträchtiges Jahr gehandelt hat, liegt es nahe, daß die von der Beklagten festgesetzten Mindestpreise überhöht gewesen sein könnten. Auf dem Markt haben sie sich jedenfalls nicht durchsetzen lassen.

234. Aus alledem folgt, daß die Beachtung der einstweiligen Anordnung im Rahmen des Sanktionssystems zu erfolgen hat, das von der einstweiligen Anordnung selbst eingerichtet wurde. Es handelt sich bei ihm um ein eigenständiges Verfahren, welches unabhängig von dem hier vorliegenden Gerichtsverfahren zu würdigen ist. Dem Umstand, daß die mißbräuchlichen Verhaltensweisen auch noch nach dem Erlaß der einstweiligen Anordnung fortgesetzt worden sein sollen, kann somit bei der Bemessung der Geldbusse im Rahmen der Endentscheidung keine Bedeutung zukommen. Diese Feststellung schließt es jedoch keineswegs aus, die Dauer des Verstosses bei der Bemessung der Geldbusse zu berücksichtigen.

235. Was die Berücksichtigung der Dauer des vorgeblichen Mißbrauchs angeht, ist auf das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 zu verweisen (34). Dort ist ausgeführt, daß die Dauer der Zuwiderhandlung hätte kürzer sein können, wenn die Kommission schneller eingeschritten wäre. Dies hat der Gerichtshof berücksichtigt und in dem genannten Verfahren die Geldbusse herabgesetzt.

236. Es wird durchaus anerkannt, daß es sich hier um ein komplexes Verfahren gehandelt hat, bei dem es erforderlich war (oder besser: gewesen wäre), eine umfassende und sorgfältige Sachverhaltsaufklärung durchzuführen. Dies verlangt natürlich eine angemessene Zeit; dennoch glaube ich, daß hier der Zeitraum zwischen dem Eingang des Antrags von ECS (15. Juni 1982) bis zum Erlaß der Entscheidung am 14. Dezember 1985 unangemessen lang war. Schließlich hatte sich die Beklagte bereits am 29. Juli 1983 in der Lage gesehen, ihre einstweilige Anordnung zu erlassen. Sie musste somit bereits in diesem Zeitpunkt über erhebliche Kenntnisse und genügend Material verfügen, um das Verhalten der Klägerin wenigstens vorläufig beurteilen zu können. Dann hat es noch über ein Jahr bis zum 3. September 1984 gedauert, bis der Klägerin die Beschwerdepunkte mitgeteilt wurden. Die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erfolgte am 21. April 1985, die Anhörung fand am 18. Juni 1985 statt. Wenn die Beklagte dies als ein im Hinblick auf die Komplexität der Sache schnelles Verfahren kennzeichnet und auch noch ausführt, die Entscheidung habe schon sechs Monate nach der Anhörung getroffen werden können, so ist dies keine ausreichende Erklärung dafür, warum die Anhörung erst fast zwei Jahre nach der einstweiligen Anordnung stattgefunden hat, obgleich die Beklagte der Klägerin für die Einreichung ihrer jeweiligen Stellungnahmen recht kurze Fristen eingeräumt hatte. Da eine Verfahrensdauer von einem Jahr zwischen dem Erlaß der einstweiligen Anordnung und der Anhörung hätte genügen müssen, ist bei der Berücksichtigung der Dauer des Verstosses ein Jahr von der gesamten Verfahrensdauer abzuziehen.

237. Die überlange Dauer des Verfahrens wird bei der Bemessung der Geldbusse zu berücksichtigen sein.

238. Da somit von den Vorwürfen, die die Beklagte der Klägerin gegenüber erhoben hat, lediglich die Drohung von November und Dezember 1979, ein Teil der behaupteten selektiven Preispolitik von Ende 1980 an sowie die Verabredung einer Alleinbezugsverpflichtung bei Spillers in einem Fall bei zwei Produkten erwiesen worden sind und gleichzeitig bei der festgestellten Verstoßdauer ein Jahr in Abzug zu bringen ist, halte ich eine erhebliche Herabsetzung der Geldbusse für angebracht. Eine Höhe von etwa 500 000 ECU scheint mir angemessen zu sein.

IV - Zu den besonderen Auflagen

239. In Artikel 3 bis Artikel 5 der Entscheidung hat die Beklagte der Klägerin eine Reihe von Auflagen in bezug auf ihre künftige Geschäftstätigkeit gemacht. Zur Begründung dieser Anordnung wird unter Punkt 99 f. der Entscheidung angeführt, es seien Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, daß die Zuwiderhandlung sich nicht wiederhole oder fortgesetzt werde. Die genannten Maßnahmen sollten der Bedrohung angemessen sein und nicht über das Maß hinausgehen, das erforderlich sei, um einen angemessenen Schutz für den Beschwerdeführer vorzusehen und Wettbewerbsverhältnisse im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten.

240. Die Beklagte knüpft somit an das bereits zitierte Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 an. In dieser Entscheidung ist ausgeführt, daß die Beklagte gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung verpflichten kann, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. Die Anwendung dieser Vorschrift müsse der Natur der festgestellten Zuwiderhandlung angepasst sein und könne deshalb sowohl die Anordnung zur Vornahme bestimmter Tätigkeiten oder Leistungen beinhalten als auch das Verbot, bestehende Tätigkeiten, Praktiken oder Zustände, die dem Vertrag widersprechen, fortzuführen oder fortdauern zu lassen (35). Die angeordneten Maßnahmen müssen somit, wie sich aus dem genannten Urteil ergibt, im Zusammenhang mit der festgestellten Zuwiderhandlung stehen. Darüber hinaus müssen sie, so würde ich ergänzen, zu der festgestellten Zuwiderhandlung auch in einem angemessenen Verhältnis stehen.

241. Da selektive Preispraktiken lediglich im Verhältnis der Klägerin zu den grossen unabhängigen Mühlen festgestellt werden konnten, gehen somit die in Artikel 3 der Entscheidung gemachten Auflagen zu weit. Sie sind deswegen insoweit aufzuheben, als sie an Vorwürfe anknüpfen, die nicht als erwiesen angesehen werden können.

V - Schlussantrag aufgrund der ergänzenden Stellungnahme

242. Falls entgegen der hier vertretenen Auffassung eine marktbeherrschende Stellung der Klägerin festgestellt würde, würde ich dem Gerichtshof vorschlagen, wie folgt zu entscheiden:

1) Die folgenden Bestimmungen der Entscheidung der Kommission vom 14. Dezember 1985 (IV/30.698-ECS/AKZO) werden für nichtig erklärt:

Artikel 1 ii;

Artikel 1 iii, soweit nicht berücksichtigt wird, daß die Klägerin bei einigen ihrer Stammkunden ebenfalls niedrigere Preise angewandt hatte;

Artikel 1 iv und v;

Artikel 1 vi mit Ausnahme des letzten Satzteiles;

Artikel 2;

Artikel 3 mit der Ausnahme des ersten Absatzes sowie des zweiten, soweit dieser sich auf nicht für nichtig erklärte Be- stimmungen des Artikels 1 bezieht.

2) Die verhängte Geldbusse wird auf 500 000 ECU, das sind 1 234 800 HFL, festgesetzt.

3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

243. Mein eigentlicher Schlussantrag folgt jedoch erst in Teil D.

D - Schlussantrag

244. Im Anschluß an meine Stellungnahme (vgl. oben Teil B) schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1) Die Entscheidung der Kommission vom 14. Dezember 1985 (IV/30.698-ECS/AKZO) wird für nichtig erklärt.

2) Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

(*) Originalsprache: Deutsch.

(1) Dem Sprachgebrauch der angegriffenen Entscheidung folgend wird unter "AKZO" die aus AKZO Chemie BV und ihren Tochtergesellschaften bestehende Wirtschaftseinheit verstanden. Soweit im jeweiligen Zusammenhang zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu unterscheiden ist, wird AKZO Chemie BV als "AKZO Chemie" und AKZO Chemie UK Ltd. als "AKZO UK" bezeichnet.

(2) Rechtssache 5/85 (AKZO Chemie BV und AKZO Chemie UK Ltd./Kommission, Slg. 1986, 2585); Rechtssache 53/85 (AKZO Chemie BV und AKZO Chemie UK Ltd./Kommission, Slg. 1986, 1965).

(3) ABl. 1983 L 252, S. 13.

(4) ABl. 1985 L 374, S. 1

(5) Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. April 1986 in der Rechtssache 62/86 R (Slg. 1986, 1503).

(6) Die Beklagte hat ihre Sicht der Sach- und Rechtslage im fünfzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik zusammengefasst (Zweiter Teil, Kapitel II § 7, S. 90 ff.).

(7) Urteil vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, 59).

(8) Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69 (ACF Chemiefarma NV/Kommission, Slg. 1970, 661, 690).

(9) Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, a. a. O., S. 687.

(10) ABl. 1986 L 230, S. 1.

(11) P = Punkt der Begründung der Entscheidung vom 14. Dezember 1985.

(12) Die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Marktbeherrschung und Mißbrauch wurde allerdings in der Literatur verlangt, vgl. Everling in Wohlfahrt u. a., Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Berlin/Frankfurt 1960, Artikel 86 Randnr. 1 ff.; Joliet, Monopolisation et abus de position dominante, RTDE 1969, S. 645, 682.

(13) Urteil vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Cie Inc./Kommission, Slg. 1973, 215, 246); Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche und Co. AG/Kommission, Slg. 1979, 461, 540).

(14) Eine solche Konstellation wird zwar von Generalanwalt VerLoren van Themaat in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache 322/81 (N. V. Nederlandsche Banden-Industrie Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3529, 3530) für möglich gehalten. Der Gerichtshof hat jedoch in seinem Urteil vom 9. November 1983 (Slg. 1983, 3461, 3501 ff.), soweit ersichtlich, aus dieser allgemeinen Bemerkung keine Folgerung gezogen.

(15) Vgl. dazu Koch, in: Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, Artikel 86, Randnr. 34.

(16) A. a. O., S. 516 f.

(17) Damit entfällt auch die Notwendigkeit, die Frage zu prüfen, ob die Klägerin auf dem Markt für organische Peroxide eine beherrschende Stellung einnimmt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß auch hier die "Feststellungen" der Beklagten, die sich auf die Schätzungen der Klägerin beziehen, nicht über jeden Zweifel erhaben sind und sich darüber hinaus nur auf den Zeitraum 1979 bis 1982 beziehen.

(18) A. a. O., S. 515 ff.

(19) Vgl. dazu Schröter, in: Gröben/Böckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Auflage, Baden-Baden 1983, Artikel 86, Randnr. 31 mit weiteren Nachweisen.

(20) AKZO 34 %, ECS 53 %, Diaflex 13 % der verkauften Tonnage im Jahre 1982.

(21) Vgl. das Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., S. 520.

(22) Wie zum Beispiel über die Lieferanten von nur einem Produkt.

(23) Damit ist jedoch nichts darüber ausgesagt, welche Berechnungsmethode die richtige ist. Gerade wenn der angemessene Preis strittig ist, dürfte eine Berechnung nach Volumen die zutreffendere sein. Allerdings müssten dann die verschiedenen Produkte dennoch wertmässig in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gebracht werden.

(24) Vielleicht ist die Buchstabenfolge "Sippl." als Abkürzung für "Spillers" zu lesen. Eine entsprechende Erklärung der Beklagten fehlt jedoch.

(25) Vgl. dazu Schröter, a. a. O., Anmerkung 22.

(26) Vgl. das Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., S. 520; Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., S. 3503.

(27) Urteil vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Istituto Chemioterapico Italiano SpA und Commercial Solvents Corporation/Kommission, Slg. 1974, 223, 252).

(28) Vgl. ebenfalls das Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (SA Centre Belge d' Etudes de marché, Slg. 1985, 3261, 3278).

(29) A. a. O., S. 246.

(30) S. Schröter, a. a. O., Randnr. 45 a.

(31) Vgl. das Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, a. a. O., S. 540.

(32)

Vgl. das Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76 (United Brands Company und United Brands Continentaal BV/Kommission, Slg. 1978, 207, 299).

(33) Vgl. das Urteil vom 14. Dezember 1972 in der Rechtssache 7/72 (Böhringer Mannheim GmbH/Kommission, Slg. 1972, 1281, 1290).

(34) Istituto Chemioterapico Italiano SpA und Commercial Solvents Corporation/Kommission (Slg. 1974, 223, 258 ff.).

(35) A. a. O., S. 257.

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