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Document 61986CC0039

    Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 17. September 1987.
    Sylvie Lair gegen Universität Hannover.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Hannover - Deutschland.
    Diskriminierungverbot - Zugang zum Hochschulunterricht - Ausbildungsförderung.
    Rechtssache 39/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 -03161

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1987:373

    61986C0039

    Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn vom 17/09/1987. - SYLVIE LAIR GEGEN UNIVERSITAET HANNOVER. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM VERWALTUNGSGERICHT HANNOVER. - DISKRIMINIERUNGSVERBOT - ZUGANG ZUM HOCHSCHULUNTERRICHT - AUSBILDUNGSFOERDERUNG. - RECHTSSACHE 39/86.

    Sammlung der Rechtsprechung 1988 Seite 03161
    Schwedische Sonderausgabe Seite 00475
    Finnische Sonderausgabe Seite 00481


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    Frau Lair, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist französische Staatsangehörige . Sie lebt seit mindestens 1979 in Deutschland, wo sie zweieinhalb Jahre, vom 1 . Januar 1979 bis zum 30 . Juni 1981, bei der Deutschen Bank beschäftigt war . Sie bezog vom 1 . Juli 1981 bis zum 31 . Oktober 1982 Arbeitslosenunterstützung ( wobei sie vom 1 . September 1981 bis zum 31 . August 1982 an einem Umschulungskurs teilnahm ). Während des Monats November 1982 war sie erwerbstätig, vom 1 . Dezember 1982 bis zum 20 . April 1983 war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosenunterstützung . Danach war sie drei Monate beschäftigt und dann erneut vom 2 . August 1983 bis zum 30 . September 1984 arbeitslos; während dieser Zeit wurde ihr Arbeitslosenunterstützung gewährt .

    Daraufhin nahm sie an der Universität Hannover ein Studium in den Fachrichtungen Romanistik und Germanistik ( Abschluß Magister ) auf . Sie beantragte die Gewährung von Ausbildungsförderung, die durch Bescheid vom 18 . September 1984 abgelehnt wurde . Ihr Widerspruch gegen diesen ablehnenden Bescheid wurde von der Universität am 19 . Oktober 1984 mit der Begründung zurückgewiesen, Ausländern könne Ausbildungsförderung nur gewährt werden, wenn sie mindestens fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland einer vollen Erwerbstätigkeit nachgegangen seien und dabei Steuern und Sozialabgaben entrichtet hätten . Zeiten der Arbeitslosigkeit könnten nicht berücksichtigt werden .

    Das für in Deutschland ansässige Ausländer geltende Erfordernis einer fünfjährigen rechtmässigen Erwerbstätigkeit ergibt sich aus § 8 Absatz 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ( BAföG).Nach § 8 Absatz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung unter anderen Auszubildenden geleistet, denen als Kindern von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten Freizuegigkeit in der Bundesrepublik gewährt wird oder die als Kinder im Bundesgebiet verbleibeberechtigt sind . Die Eltern dieser Kinder müssen nur drei Jahre lang gearbeitet haben, wobei Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden .

    Frau Lair erhob gegen den ablehnenden Bescheid der Universität Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover, mit der sie geltend macht, Zeiten der Umschulung und der Arbeitslosigkeit, während deren sie einen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung gehabt habe, müssten bei der Berechnung der entscheidenden fünf Jahre als gleichwertig mit Beschäftigungszeiten angesehen werden . Sie führt weiterhin aus, da Personen, deren Eltern drei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet hätten, wobei Zeiten der Arbeitslosigkeit eingerechnet würden, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung hätten, stelle es eine Artikel 7 EWG-Vertrag widersprechende Diskriminierung ( wohl innerhalb der Gruppe der Ausländer ) dar, ihr die Ausbildungsförderung zu verweigern, solange sie nicht fünf Jahre lang erwerbstätig gewesen sei . Sie macht ferner geltend, die Ausbildungsförderung sei eine soziale Vergünstigung im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr . 1612/68 ( ABl . 1968, L 257, S . 2 ).

    Das Verwaltungsgericht Hannover, von dem das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gemäß Artikel 177 stammt, vertritt die Auffassung, die deutsche Rechtsvorschrift sei dahin auszulegen, daß sie eine fünfjährige tatsächliche Erwerbstätigkeit verlange, da es eindeutig die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, Ausbildungsförderung nur solchen Ausländern zu gewähren, die durch eigene Arbeit zum Bruttosozialprodukt beigetragen hätten, aus dem dann die Sozialinvestition Ausbildungsförderung finanziert werde . Auch stelle die im BAföG getroffene Unterscheidung zwischen Studenten, die eine eigene Erwerbstätigkeit in Deutschland vorweisen könnten, und denen, die sich auf die Beschäftigung ihrer Eltern beriefen, keine durch das Grundgesetz verbotene Ungleichbehandlung dar . Das Gericht hat jedoch Zweifel, ob das Fortbestehen der Arbeitnehmereigenschaft Voraussetzung für einen Anspruch gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr . 1612/68 ist und ob das Erfordernis der fünfjährigen Erwerbstätigkeit im Widerspruch zu Artikel 7 EWG-Vertrag steht . Das Argument der Universität, nach dem "Steuerzahlerprinzip" könnne nur derjenige, der zum Bruttosozialprodukt beigetragen habe, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, begegne "Bedenken"; das Gericht weist insoweit auf die Verknüpfung der Arbeitnehmereigenschaft mit dem Anspruch auf soziale Vergünstigungen nach der Verordnung Nr . 1612/68 und auf den Zusammenhang zwischen Absatz 2 und Absatz 3 des Artikels 7 dieser Verordnung hin . Deshalb sei für die Entscheidung darüber, ob die Artikel 48 und 49 EWG-Vertrag sowie Artikel 7 der Verordnung Nr . 1612/68 der Klägerin einen Anspruch auf Ausbildungsförderung verliehen oder ob, wenn dies zu verneinen sei, die Nichtgewährung der Förderung eine Artikel 7 EWG-Vertrag widersprechende Diskriminierung darstelle, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes erforderlich .

    Dem Gerichtshof liegen deshalb folgende Fragen vor :

    "1)Ist nach dem Gemeinschaftsrecht davon auszugehen, daß Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als Arbeitnehmer begeben haben und dort unter Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit ein Hochschulstudium aufnehmen, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt ( hier Hochschulstudium der Fachrichtungen Romanistik und Germanistik ), hierzu einen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung haben, wie sie als soziale Vergünstigung allen Staatsangehörigen des anderen Mitgliedstaats nach Maßgabe ihrer Eignung und Bedürftigkeit gewährt wird?

    2 ) Stellt es eine gegen Artikel 7 EWG-Vertrag verstossende Diskriminierung dar, wenn ein Mitgliedstaat Inländern nach Maßgabe ihrer Eignung und Bedürftigkeit Ausbildungsförderung für die Durchführung eines Hochschulstudiums gewährt, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt, die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein solches Hochschulstudium an Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats aber zusätzlich davon abhängig macht, daß diese vor Beginn der Ausbildung wenigstens fünf Jahre in seinem Staatsgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind?"

    Artikel 7 der Verordnung Nr . 1612/68 lautet ( soweit einschlägig ) wie folgt :

    "1 ) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs - und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer .

    2 ) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer .

    3 ) Er kann mit dem gleichen Recht und unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch nehmen ."

    Das Studium von Frau Lair ist gebührenfrei . Die von ihr beantragte Ausbildungsförderung soll nur ihren Lebensunterhalt decken und wird in Form eines Darlehens gewährt, das innerhalb einer bestimmten Zahl von Jahren nach Beendigung des Studiums zurückgezahlt werden muß .

    Zur ersten Frage ist anzumerken, daß Gegenstand der Verordnung Nr . 1612/68 die "Freizuegigkeit der Arbeitnehmer" innerhalb der Gemeinschaft ist . Zur Begründung der durch Artikel 7 verliehenen Ansprüche muß die Klägerin somit dartun, daß sie diese als "Arbeitnehmerin" geltend macht . Dies hat der Gerichtshof kürzlich in seinem Urteil vom 18 . Juni 1987 in der Rechtssache 316/85 ( Centre Public/Lebon ) entschieden und dazu ausgeführt, ein Arbeitsuchender und die Kinder eines Arbeitnehmers hätten keine Ansprüche gemäß Artikel 7 .

    Der Begriff "Arbeitnehmer" jedoch bestimmt sich eindeutig nach Gemeinschaftsrecht : Er variiert nicht von einem Mitgliedstaat zum anderen und kann nicht durch nationale Vorschriften eingeschränkt werden ( Rechtssache 75/63, Hökstra/Bestuur der Bedrijfsvereniging voor Detailhandel en Ambachten, Slg . 1964, 381 ). Obwohl unter die Vorschriften über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer "nur die Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten (( fällt )), wobei solche Tätigkeiten ausser Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen", und obwohl diese Bestimmungen "nur die Freizuegigkeit von Personen gewährleisten, die im Wirtschaftsleben tätig sind oder sein wollen", ist der Begriff "Arbeitnehmer" weit auszulegen ( Rechtssache 53/81, Levin/Staatssecretaris van Justitie, Slg . 1982, 1035, 1050 ). In seinem Urteil vom 3 . Juli 1986 in der Rechtssache 66/85 ( Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg ) hat der Gerichtshof präzisiert, das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses bestehe darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe, für die er als Gegenleistung eine Vergütung enthalte .

    Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, daß die Klägerin ihr Recht, nach Deutschland zu ziehen, gemäß Artikel 48 EWG-Vertrag als Arbeitnehmerin ausübte; während der Zeiten ihrer Erwerbstätigkeit sowie im Sinne der Verordnung Nr . 1612/68 in den Zeiten ihrer Arbeitslosigkeit, die, soweit bekannt, unfreiwillig war, und während der Umschulungszeiten, in denen sie Arbeitslosenunterstützung bezog, war sie "Arbeitnehmerin ". Sie war somit während dieses Zeitraums befugt, die von dieser Verordnung eingeräumten Rechte auszuüben, es sei denn, es wäre gerechtfertigt, ihre Arbeitnehmereigenschaft von einer mindestens fünfjährigen Erwerbstätigkeit abhängig zu machen .

    Die Frage, ob fünf Jahre als absolutes Mindesterfordernis für die Arbeiternehmereigenschaft einer Person im Sinne der Verordnung gerechtfertigt werden können, wird im Vorabentscheidungsersuchen behandelt und ist im vorliegenden Verfahren ausführlich erörtert worden . Es ist zweckmässig, zuerst auf dieses Vorbringen einzugehen, bevor ich mich besonders dem Wortlaut der Absätze 2 und 3 des Artikels 7 zuwende .

    Im Hinblick auf die sich aus Artikel 48 ergebenden Rechte kann mit Sicherheit kein qualifizierender Zeitraum vorgeschrieben werden . Das Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort zu arbeiten, setzt voraus, daß der Betroffene sich noch nicht dort aufhält . Abgesehen von der Frage, ob eine Person Freizuegigkeit zum Zwecke der Arbeitssuche genießt, kommt es für Artikel 48 Absatz 3 Buchstaben a und b darauf an, ob sie sich um eine angebotene Stelle beworben hat . Ist dies der Fall, so entsteht das Recht unmittelbar, unter Vorbehalt natürlich der vorgesehenen Beschränkungen in Bereichen wie dem der öffentlichen Sicherheit . Der Betroffene braucht nicht eine Zeitlang gearbeitet zu haben, um die Arbeitnehmereigenschaft zu erlangen .

    Nach der Verordnung ist die Lage anders . Es genügt nicht darzutun, daß eine Person sich um eine angebotene Stelle beworben hat . Sie muß Arbeitnehmer im fraglichen Mitgliedstaat sein .

    Dies impliziert meines Erachtens, daß der Betroffene sein Recht, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um eine Beschäftigung aufzunehmen und sich im Aufnahmestaat aufzuhalten, in der Eigenschaft als Arbeitnehmer wahrgenommen und daß er eine echte und tatsächliche Tätigkeit ausgeuebt haben muß ( Levin ), die den erforderlichen Merkmalen eines Arbeitsverhältnisses ( Lawrie-Blum ) genügt . Hält er sich dort als Arbeitnehmer in diesem Sinne auf, so spielen die Nebenerwägungen bei seinem Umzug ( z . B . daß er wünscht, daß seine Ehefrau und seine Kinder in einer besonders angenehmen Gegend oder in der Nähe einer bestimmten Bildungseinrichtung leben ) keine Rolle . Begibt er sich jedoch nicht eigentlich in der Eigenschaft als Arbeitnehmer dorthin, sondern zum Beispiel um zu studieren oder um vor der Aufnahme seines Studiums kurze nützliche Erfahrungen zu erwerben, so ist er meiner Meinung nach selbst dann nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 7 Absätze 2 und 3 der Verordnung anzusehen, wenn er während dieses Zeitraums einer echten und tatsächlichen Erwerbstätigkeit nachgeht, die die Kriterien des Urteils in der Rechtssache Lawrie-Blum erfuellt . Rechte werden nach diesen Vorschriften nur solchen Personen verliehen, die sich in einem Mitgliedstaat in der Eigenschaft eines echten Arbeitnehmers aufhalten .

    Sobald feststeht, daß der Betroffene ein echter Arbeitnehmer ist, kann keine Beschäftigungszeit vorgeschrieben werden, um ihre Rechte aus der Verordnung zu beschränken . Der Gerichtshof hat in seinen Urteilen in den Rechtssachen 249/83 ( Höckx/Openbaar Centrum voor Maatschappelijk Welzijn, Slg . 1985, 973 ) und 122/84 ( Scrivener/Centre Public d' Aide Sociale de Chastre, Slg . 1985, 1027 ) entschieden, daß der Anspruch auf die in Rede stehenden besonderen sozialen Vergünstigungen nicht von einer Mindestaufenthaltszeit abhängig gemacht werden darf . In beiden Fällen waren die Betroffenen jedoch zweifelsfrei Wanderarbeitnehmer und werden als solche beschrieben . Geht es jedoch darum, ob jemand Arbeitnehmer ist, so stellen sich andere Fragen . Es kann meines Erachtens sinnvoll sein, auf die Länge der Zeit abzustellen, die er in einem Mitgliedstaat verbracht hat, und darauf, was er dort getan hat, um zu entscheiden, ob er sich dort in der Eigenschaft eines echten Arbeitnehmers aufhält .

    Wenn es ( was ich bejahen würde ) für die praktische Anwendung der Verordnung gerechtfertigt ist, einen bestimmten Testzeitraum als Leitlinie für die Entscheidung der Fragen zu nehmen, ob eine Person ein Arbeitnehmer ist, darf dieser Zeitraum meines Erachtens billigerweise ein Jahr nicht überschreiten . Jedenfalls lässt sich ein Zeitraum von fünf Jahren als Beweis dafür, daß eine Person sich dort tatsächlich in der Eigenschaft eines Arbeitnehmers aufhält, nicht rechtfertigen . Wenn jedoch feststeht, daß eine Person ( und dies mag sehr wohl die Ausnahme sein ) schon vor Ablauf dieses Zeitraums zur Aufnahme einer Arbeit umgezogen und ein echter Arbeitnehmer geworden ist und dann beschlossen hat, eine Berufsausbildung zu beginnen, so stehen ihr die in Artikel 7 Absatz 3 verankerten Rechte zu . Steht dies nicht fest, so ist der Zeitraum von einem Jahr meines Erachtens ein sachgerechtes Kriterium für die Entscheidung der Frage, ob die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Artikels 7 gegeben ist .

    Es liegt auf der Hand, daß auch ein Jahr nicht unbedingt ein völlig sicheres Kriterium ist, denn ein potentieller Student lässt sich möglicherweise nicht durch eine einjährige Tätigkeit abschrecken . Andererseits muß eine Grenze gezogen werden, die die Aufnahme einer Berufsausbildung im richtigen Zeitpunkt nicht ungebührlich hinauszögert . Ein Jahr ist als praktische Richtschnur annehmbar, es sei denn, es steht, wie bereits ausgeführt, schon vor Ablauf dieser Zeit fest, daß eine Person sich dort als echter Arbeitnehmer aufhält .

    Auf der Hand liegt auch, daß sich bei dieser Betrachtungsweise Grenzfälle ergeben werden; dies ist jedoch weder für nationale Verwaltungen noch für Gerichte etwas Neues . Bis es im Hinblick auf die Ausbildungsförderung entweder eine Gegenseitigkeitsregelung zwischen den Mitgliedstaaten oder ein Übereinkommen dahin gibt, daß jeder Mitgliedstaat seine eigenen Studenten unterhält, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten, sind Schwierigkeiten wohl unvermeidbar .

    Es kann meines Erachtens nicht hingenommen werden, daß der Umstand, daß jemand während einer auch noch so kurzen Zeit gearbeitet hat, in jedem Fall ausreicht, um ihm Ansprüche auf Ausbildungsförderung gemäß Artikel 7 zu verleihen . Es ist nicht einzusehen, daß jemand, der ehrlich erklärt : "Ich gehe als Student dorthin", keine Ausbildungsförderung erhalten soll, während derjenige, der eine Arbeit für einen Tag, eine Woche oder einen Monat hauptsächlich deshalb annimmt, um sich in dem Mitgliedstaat zum Studium aufzuhalten, am ersten, siebten oder 31 . Tag sagen können soll : "Ich bin nunmehr ein Arbeitnehmer; zahlt mir eine Ausbildungsförderung gemäß Artikel 7 ."

    Aufgrund des Sachverhalts steht - meines Erachtens auch zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts - fest, daß die Klägerin in der Eigenschaft einer echten Arbeitnehmerin in die Bundesrepublik ging und dort lebte und im Gastland wirtschaftlich integriert war . Von ihr den Nachweis zu verlangen, daß sie fünf Jahre lang gearbeitet hat, wenn sie, soweit bekannt, während eines grossen Teils der acht Jahre, die sie in Deutschland gewohnt hat, unfreiwillig arbeitslos war, beschränkt meines Erachtens ihr Recht, sich auf ihre Arbeitnehmereigenschaft zu berufen und die Vergünstigungen des Artikels 7 in Anspruch zu nehmen, in nicht zu rechtfertigender Weise .

    Die Bundesregierung und die dänische Regierung, die beide Erklärungen eingereicht haben, haben jedoch übereinstimmend geltend gemacht, daß die Klägerin ihre Arbeitnehmereigenschaft verloren habe, als sie Studentin geworden sei, so daß sie in jedem Fall während ihrer Studentenzeit keine Ansprüche nach der Verordnung mehr habe . Auf das Argument, der Kreis der durch Artikel 7 der Verordnung Begünstigten erstrecke sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf ehemalige Arbeitnehmer und auf die Familie ehemaliger oder verstorbener Arbeitnehmer ( siehe zum Beispiel die Rechtssache 32/75, Cristini/SNCF, Slg . 1975, 1085 ), haben die beiden Regierungen erwidert, derartige mittelbare Vergünstigungen würden aufgrund des Arbeitnehmereigenschaft des ehemaligen Arbeitnehmers gewährt .

    Auch wenn bestimmte durch die Verordnung gewährte Rechte Studenten nicht zustehen mögen, solange sie Studenten sind, folgt daraus nicht, daß ein Arbeitnehmer, der sich entschließt, Vollzeitstudent zu werden, keine Rechte nach der Verordnung hat . Dies hängt von der Art des eingeräumten Rechts ab .

    Obwohl in der Frage nicht ausdrücklich auf den Wortlaut des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Bezug genommen wird, ist es zweckmässig, mit diesem Absatz zu beginnen, da er in dem Vorlagebeschluß im Zusammenhang mit Artikel 7 Absatz 2 erörtert wird; dies auch, weil die Klägerin, wenn die Sondervorschrift des Artikels 7 Absatz 3 eingreift, sich nicht auf Artikel 7 Absatz 2 zu berufen braucht oder sich möglicherweise nicht darauf berufen kann .

    Das Recht ist nach der englischen Fassung des Artikels 7 Absatz 3 auf "acceß to training in vocational training schools and retraining centres" unter den gleichen Bedingungen wie ausländische Arbeitnehmer gerichtet . Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Begriff "acceß" (" Zugang ") in den anderen sprachlichen Fassungen offensichtlich nicht verwendet wird . So lautet die französische Fassung : "Il bénéficie également au même titre et dans les mêmes conditions que les travailleurs nationaux, de l' enseignement des écoles professionelles et des centres de réadaptation ou de rééducation ." Die deutsche Fassung ist ähnlich formuliert : "Er kann mit gleichem Recht und unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch nehmen ."

    Eindeutig wird dieses Recht, ob es sich nun auf Zugang oder auf Inanspruchnahme richtet, dem Arbeitnehmer gewährt . Er kann es ausüben und in vollem Umfang nutzen, auch wenn dies bedeutet, daß er während der Ausbildung nicht mehr arbeitet . Die Auffassung, daß er das Recht ausüben kann, indem er eine Berufsschule besucht, daß er damit jedoch alle den inländischen Arbeitnehmern gewährten Vergünstigungen verliert, nimmt der Vorschrift jeden Inhalt, ja jeden Sinn . Folglich hat der Arbeitnehmer, der eine Berufsschule besucht, einen Anspruch auf die gleiche Behandlung wie der inländische Arbeitnehmer, der die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Vorschrift wohl nicht verliert, wenn er Student wird, und der die im vorliegenden Fall umstrittene Ausbildungsförderung erhält .

    Ich teile nicht die Auffassung, daß Artikel 7 Absatz 3 auf Arbeitnehmer beschränkt ist, die einem Teilzeitstudium nachgehen und unstreitig Rechte als Arbeitnehmer geltend machen können . Wenn sie einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, brauchen sie möglicherweise keine Ausbildungsförderung . Eine Förderung braucht im wesentlichen der Student, der einem Vollzeitstudium nachgeht .

    Es ist jedoch versucht worden, eventuelle Ansprüche davon abhängig zu machen, daß das begonnene Studium mit der zuvor ausgeuebten Tätigkeit zusammenhängt . Artikel 7 Absatz 3 enthält diese Beschränkung, soweit ich sehe, bezueglich der Ausbildung in Berufsschulen weder ausdrücklich noch implizit . Diese vorgeschlagene Beschränkung steht im Widerspruch zum Zweck der Verordnung, der auf die Mobilität der Arbeitskräfte unter gleichen Bedingungen abzielt und den engen Zusammenhang zwischen Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, Beschäftigung und beruflicher Bildung anerkennt .

    Obwohl die Argumentation, die angeblich hinter der Ablehnung steht ( daß nämlich nur diejenigen, die fünf Jahre lang zum Bruttosozialprodukt beigetragen und Steuern bezahlt haben, in den Genuß der Ausbildungsförderung kommen sollen ), verständlich ist, bin ich, wie wohl auch das Verwaltungsgericht, der Meinung, daß dieser Gesichtspunkt nicht ins Spiel gebracht werden darf . Die Rechte werden den Arbeitnehmern als solchen und nicht aufgrund ihres Beitrags zum Bruttosozialprodukt gewährt . Im übrigen würde es eine ungerechtfertigte Beschränkung des Rechts aus Artikel 7 Absatz 3 bedeuten, wollte man fünf Jahre als Bedingung festlegen, weil die meisten Hochschulstudiengänge fünf Jahre dauern . Es erscheint sehr unwahrscheinlich, daß die meisten Arbeitnehmer überhaupt während dieses Zeitraums den Betrag der Förderung durch Sozialabgaben aufbringen . Zudem kann dieses Argument, wenn man es logisch zu Ende denkt, zu der Schlußfolgerung führen, daß Studenten eine Förderung nur in Höhe des Betrags erhalten sollten, den sie zum Sozialhaushalt, aus dem die Förderung gewährt wird, beigesteuert haben . Ich kann dem nicht zustimmen .

    Ich glaube auch nicht, daß Artikel 7 Absatz 3 sich auf das Recht beschränkt, ein Studium aufzunehmen, und keinerlei Ansprüche auf Studienförderung umfasst . Wenn die Gewährung einer Förderung eine der Voraussetzungen ist, unter denen ein inländischer Arbeitnehmer ein solches Studium aufnehmen kann, so ist die Studienförderung eine der Voraussetzungen, die der Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat erfuellen können muß . Diese Auffassung ist meines Erachtens voll und ganz vereinbar mit den Entscheidungen des Gerichtshofes zu Artikel 12 der Verordnung, wonach die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, einen Anspruch darauf haben, "unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings - und Berufsausbildung teil((zu))nehmen ". Nach dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 9/74 ( Casagrande/Landeshauptstadt München, Slg . 1974, 773 ) zielt dies "nicht nur auf die Zulassungsbedingungen, sondern auch auf die allgemeinen Maßnahmen ab, welche die Teilnahme am Unterricht erleichtern sollen" und zu denen in jenem Fall eine vom Einkommen der Eltern abhängige Ausbildungsförderung für Kinder von inländischen Arbeitnehmern gehörte . So auch das Urteil in der Rechtssache 68/74 ( Alaimo/Préfet du Rhône, Slg . 1975, 109 ): Artikel 12 betrifft "alle Rechte, die sich aus der Zulassung zu einem Studium ergeben" und die den Kindern eines Inländers gewährt werden . Die Worte "unter den gleichen Bedingungen" werden sowohl in Artikel 12 als auch in Artikel 7 Absatz 3 verwandt und sollten meines Erachtens die Ausbildungsförderung in beiden Fällen gleichermassen umfassen .

    Die Frage ist somit, ob die hier angestrebte Ausbildung in einer Berufsschule stattfindet . Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß "Berufsausbildung" an einer Universität stattfinden kann ( siehe meine Schlussanträge in den Rechtssachen 293/85, Kommission/Belgien, und 24/86, Blaizot/Universität Lüttich u . a .). In der Rechtssache Brown scheinen sowohl Deutschland als auch Dänemark dies zu bejahen . Wenn dies zutrifft, ist eine Universität meines Erachtens insoweit als eine Berufsschule anzusehen, und ich sehe keinen vernünftigen Grund dafür, Artikel 7 Absatz 3 nur auf einige Bildungsanstalten anzuwenden, an denen eine Berufsausbildung vermittelt wird . Das Wort "Schule" hat nichts Magisches : Innerhalb einer Universität ist es nicht ungewöhnlich für die Bezeichnung eines Teils der Universität wie zum Beispiel in "law school" oder "medical school ".

    Ob die Ausbildung eine Berufsausbildung ist, richtet sich nach den vom Gerichtshof in der Rechtssache Gravier aufgestellten Kriterien, wie sie nunmehr in der Rechtssache 293/85 ( Belgien ) zu berücksichtigen sind . In den Vorlagefragen ist die Rede von einem "Hochschulstudium, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt", im vorliegenden Fall einem Hochschulstudium der Fachrichtungen Romanistik und Germanistik . Ich verstehe dies dahin, daß das vorlegende Gericht davon überzeugt ist, daß das Studium der Berufsausbildung dient, nicht zuletzt weil anderenfalls die Bezugnahmen auf Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung und auf die Artikel 7 und 128 EWG-Vertrag sowie auf die Rechtssache Gravier schwer verständlich wären . Trifft dies zu, so bin ich aufgrund des im Vorlagebeschluß festgestellten Sachverhalts der Auffassung, daß ein Arbeitnehmer, der eine derartige Berufsausbildung beginnt, unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Vergünstigung des Artikels 7 Absatz 3, das heisst auf eine Ausbildungsförderung hat . Sollte das vorlegende Gericht diesen Punkt noch nicht entschieden haben, so wird es unter Berücksichtigung der Urteile in den Rechtssachen Gravier und Belgien zu entscheiden haben, ob eine Berufsausbildung vorliegt .

    Artikel 7 Absatz 2 verleiht einen Anspruch auf dieselben Vergünstigungen, wie sie den inländischen Arbeitnehmern zustehen . Der Gerichtshof hat in einer Reihe von Fällen entschieden, daß dieser Begriff alle Vergünstigungen umfasst, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnsitzes im Inland gewährt werden ( siehe die Rechtssache 261/83, Castelli/Office National des Pensions pour Travailleurs Salariés, Slg . 1984, 3199 ). Die Frage lautet daher, ob ein Arbeitnehmer und Angehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um einer Beschäftigung nachzugehen, und dann ein Hochschulstudium aufnimmt, das zu einem berufsqualifizierenden Abschluß führt, einen Anspruch auf Ausbildungsförderung als soziale Vergünstigung unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Staates geltend machen kann .

    Das Vereinigte Königreich verneint diese Frage, da die lex specialis der lex generalis vorgehe . Artikel 7 Absatz 3 regele die entsprechende Materie und schließe die Anwendung des Artikels 7 Absatz 2 aus . Wäre dies nicht so, so läge eine Doppelregelung vor . Das Vereinigte Königreich weist auch auf das Wort "also" in der englischen Fassung von Artikel 7 Absatz 3 hin, das zeige, daß die Ausbildung in einer Berufsschule ( und daher vermutlich Ausbildung im allgemeinen ) etwas ganz anderes sei als die in Artikel 7 Absatz 2 erwähnten sozialen Vergünstigungen .

    Ich stimme diesem Argument nicht zu, obwohl ich seine Überzeugungskraft anerkenne . Erstens hat der Gerichtshof den Begriff "soziale Vergünstigung" weit augelegt, was zweifellos der Absicht der Verordnung entspricht . So hat er in der Rechtssache 65/81 ( Reina/Landeskreditbank Baden-Württemberg, Slg . 1982, 33 ), in der es um aus demographischen Gründen gewährte Darlehen an inländische Arbeitnehmer anläßlich der Geburt eines Kindes ging, ausgeführt, daß "unter den Begriff 'soziale Vergünstigung' des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung nicht nur aufgrund eines Rechtsanspruchs gewährte Vorteile, sondern auch solche Leistungen fallen, die auf Ermessensbasis erbracht werden ". Solche Vergünstigungen sind mit Sicherheit nicht auf Geldleistungen beschränkt, schließen diese aber ein . Auch Artikel 12 ist, wie bereits dargelegt, weit ausgelegt worden ( siehe das Urteil in der Rechtssache Casagrande ). Meiner Meinung nach kann die Ausbildungsförderung allgemein ohne weiteres unter den Begriff "soziale Vergünstigung" für Arbeitnehmer fallen, ohne daß es nötig wäre, diesen Begriff besonders weit auszulegen .

    Wird Artikel 7 Absatz 2 nun durch Artikel 7 Absatz 3 ausgeschlossen?

    Artikel 7 Absatz 3 ist auf die Ausbildung in Berufsschulen beschränkt . Es bleiben andere Arten von Ausbildung, insbesondere die allgemeine Ausbildung . Wenn Artikel 7 Absatz 3 so auszulegen ist, daß er sich ausschließlich auf die Ausbildung in Berufsschulen bezieht, dann fallen andere Ausbildungsförderungen unter Artikel 7 Absatz 2 . Desgleichen fallen, wenn Artikel 7 Absatz 3 - entgegen meiner Auffassung - als nur auf Gebühren oder den Zugang zur Ausbildung anwendbar auszulegen ist, Leistungen der Ausbildungsförderung für Arbeitnehmer an Berufsschulen ebenso unter Artikel 7 Absatz 2 wie die Leistungen zur Förderung der allgemeinen Ausbildung .

    Das Wort "also" in der englischen Fassung von Artikel 7 Absatz 3, "également" in der französischen Fassung, spricht meines Erachtens nicht gegen dieses Ergebnis . Der Verordnungsgeber hat möglicherweise die Auffassung für vertretbar gehalten, daß - obwohl die allgemeine Ausbildung eine "soziale" Vergünstigung ist - die Berufsausbildung eine "mit der Beschäftigung zusammenhängende" Vergünstigung darstelle, so daß durch die Sonderregelung des Artikels 7 Absatz 3 habe verhindert werden müssen, daß diese Vergünstigung im Auslegungswege von Artikel 7 Absatz 2 ausgeschlossen werde .

    In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, daß die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften sich auf eine Kategorie von Inländern insgesamt und nicht nur auf inländische Arbeitnehmer oder ihre Kinder beziehen ( Rechtssache 76/72, Michel S./Fonds National de Reclassement Social des Handicapés, Slg . 1973, 457, 464 ).

    Somit hat die Klägerin entweder - wenn ihr Studium als Ausbildung an einer Berufsschule anzusehen ist - nach Artikel 7 Absatz 3, oder - wenn es zur allgemeinen Ausbildung gehört - nach Artikel 7 Absatz 2 einen Anspruch darauf, im Hinblick auf die Gewährung von Ausbildungsförderung ebenso behandelt zu werden wie inländische Arbeitnehmer .

    Es ist geltend gemacht worden, daß dieses Ergebnis nicht richtig sein könne, weil die Bildungs - und die Sozialpolitik in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verblieben und die Gemeinschaft sich hier nicht einmischen dürfe .

    Richtig ist, daß es den Mitgliedstaaten nach wie vor freisteht, die Bildungs - und die Sozialpolitik zu gestalten . Der Gerichtshof hat jedoch überaus deutlich gemacht, daß diese so ausgestaltet werden müssen, daß sie nicht zum Gemeinschaftsrecht im Widerspruch stehen . So hat er in der Rechtssache Casagrande ausgeführt : "Die Bildungspolitik gehört zwar als solche nicht zu den Materien, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen hat . Daraus folgt aber nicht, daß die Ausübung der der Gemeinschaft übertragenen Befugnisse irgendwie eingeschränkt wäre, wenn sie sich auf Maßnahmen auswirken kann, die zur Durchführung etwa der Bildungspolitik ergriffen worden sind" ( Randnr . 6 der Entscheidungsgründe ). Ebenso hat der Gerichtshof in der Rechtssache Reina, in der Gesichtspunkte der Bevölkerungspolitik geltend gemacht wurden und die Freiheit eines Mitgliedstaats zur Gestaltung dieser Politik bejaht wurde, ausgeführt : "Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Gemeinschaft die Grenzen ihrer Zuständigkeit schon dadurch überschreitet, daß sich deren Ausübung auf Maßnahmen auswirkt, die zur Durchführung dieser Politik getroffen wurden" ( Randnr . 15 der Entscheidungsgründe ). Daher könne nicht davon ausgegangen werden, daß Geburtsdarlehen nur deshalb vom Geltungsbereich des Artikels 7 Absatz 2 ausgeschlossen seien, "weil sie aus bevölkerungspolitischen Gründen gewährt werden ".

    Die Bundesregierung hat sich auf die Verordnung ( EWG ) Nr . 1251/70 vom 29 . Juni 1970 ( ABl . L 142, S . 24 ) berufen und vorgetragen, diese verleihe Studenten keinen Anspruch darauf, im Hoheitsgebeit eines Mitgliedstaats zu verbleiben, nachdem sie in diesem Staat berufstätig gewesen seien . Dementsprechend könnten sie keine Ansprüche als Arbeitnehmer auf Verbleib und Aufnahme eines Studiums geltend machen . Meines Erachtens hilft diese Verordnung hier nicht weiter . Sie behandelt besondere Fälle, in denen zum Beispiel ein Arbeitnehmer das Rentenalter erreicht hat oder arbeitsunfähig geworden ist und seine Arbeit endgültig aufgibt oder in denen er in einem anderen Mitgliedstaat arbeitet, während er seinen Wohnsitz in dem Staat beibehält, in dem er zuvor gearbeitet hat und in den er einmal im Monat zurückkehrt . Aus dem Umstand, daß Studenten in dieser Verordnung nicht erwähnt werden, ergibt sich meines Erachtens nichts für die im vorliegenden Fall zu entscheidenden Fragen .

    Hat die Klägerin zusätzlich einen Anspruch auf eine derartige Förderung nach Artikel 7 EWG-Vertrag? Ein solcher Anspruch kann nur gegeben sein, wenn der in der Rechtssache Gravier entwickelte Grundsatz auf Ausbildungsförderung für Berufsausbildung anwendbar ist . Meines Erachtens ist dies aus den in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Brown angeführten Gründen nicht der Fall . Obwohl die Kommission in anderen Fällen die Gegenmeinung vertreten hat, hat sie, soweit ich sehe, dieser Auffassung in der Rechtssache Brown zugestimmt . A fortiori ist Artikel 7 nicht auf Ausbildungsförderung für nicht berufsspezifische Ausbildung anwendbar .

    Die Vorlagefragen sind daher meines Erachtens wie folgt zu beantworten :

    "Ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und dort eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer aufnimmt, hat nach denselben Kriterien und unter den gleichen Bedingungen wie inländische Arbeitnehmer Anspruch auf die Gewährung einer Ausbildungsförderung zur Bestreitung des Lebensunterhalts a ) für die allgemeine Ausbildung als soziale Vergünstigung gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr . 1612/68 und b ) für die Ausbildung in Berufsschulen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung ."

    Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin ist Sache des vorlegenden Gerichts . Die Auslagen der Mitgliedstaaten, die Erklärungen eingereicht haben, und der Kommission sind nicht erstattungsfähig .

    (*) Aus dem Englischen übersetzt .

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