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Document 61985CC0045

    Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 20. November 1986.
    Verband der Sachversicherer e.V. gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Wettbewerb - Prämienempfehlung in der Feuerversicherung.
    Rechtssache 45/85.

    Sammlung der Rechtsprechung 1987 -00405

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1986:436

    61985C0045

    Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 20. November 1986. - VERBAND DER SACHVERSICHERER E. V. GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - PRAEMIENEMPFEHLUNG IN DER FEUERVERSICHERUNG. - RECHTSSACHE 45/85.

    Sammlung der Rechtsprechung 1987 Seite 00405
    Schwedische Sonderausgabe Seite 00009
    Finnische Sonderausgabe Seite 00009


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1 . Grundlage jedes Versicherungsvertrags ist das Versprechen des Versicherers, dem Versicherten im Falle des Eintritts des Versicherungsfalls, gegen den er sich durch die vorherige Zahlung einer Prämie versichert hat, Deckung zu gewähren . Es geht also für den Versicherten darum, sich gegen einen etwaigen Schaden zu schützen .

    Diese Ungewißheit, die für diesen Vertragstyp kennzeichnend ist, prägt die Tätigkeit der Versicherungsunternehmen . Diese Besonderheit liegt, wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt, in der Unsicherheit, mit der die Ermittlung der genauen Kosten des durch die Versicherung gedeckten Schadensfalls behaftet ist . Der Versicherer muß sich nämlich dabei auf eine Vorausschau stützen, die sich auf die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des versicherten Risikos und auf den in Betracht kommenden Schadensumfang bezieht .

    Man kann sich vorstellen, wie wichtig, aber auch wie schwierig unter diesen Umständen vor allem bei der Versicherung grösserer Schadensfälle die Berechnung der Prämien ist, die die Bildung der "technischen Reserven" ermöglichen müssen, die bei Verwirklichung des Risikos die volle Erfuellung der Verpflichtungen der Versicherer gegenüber den Versicherten gestatten sollen . Dies bezeichnet man als den Grundsatz der Proportionalität von Prämie und Risiko .

    Der Zweck dieses Vertragstyps sowie die sozioökonomische Funktion der Versicherungen für das Gemeinwesen verlangen, daß die Erfuellung jedes Vertrages ständig gewährleistet und somit jedes Versicherungsunternehmen zahlungsfähig ist . Diese beiden leitenden Prinzipien führen dazu, daß jede Regelung auf diesem Gebiet zwingenden Rechts ist . Sie können nicht ohne Einfluß auf die für die betroffenen Unternehmen geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den Wettbewerb sein und sind im übrigen auch der Ausgangspunkt für die vom Rat erlassenen Koordinierungsrichtlinien, insbesondere für die Richtlinie 73/239 vom 24 . Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts - und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung ( mit Ausnahme der Lebensversicherung ) ( ABl . L*228, S.*3 ).

    2 . Diese Besonderheiten sind um so ausgeprägter, wenn es - wie hier - um die Deckung des Risikos durch den Brand gewerblicher Anlagen sowie durch Betriebsunterbrechungen als Folge solcher Brände geht ( im folgenden werde ich sie insgesamt als industrielle Feuerversicherung bezeichnen ). Die besonderen Merkmale dieser Versicherung ergeben sich aus den Akten .

    Dieser Versicherungszweig hat für den Versicherer oft eine Pilotfunktion, weil er im allgemeinen für die Wahl einer Versicherungsgesellschaft, bei der Versicherungen gegen andere Risiken abgeschlossen werden, den Ausschlag gibt . Die Besonderheit dieser Versicherungsart hängt mit verschiedenen Gesichtspunkten zusammen, die insbesondere erklären, weshalb die Verträge in der Regel eine kurze Laufzeit haben . Es geht dabei nämlich um die Deckung für einen grösseren Schadensfall, dessen Eintritt in hohem Masse zufallsbedingt ist und dessen besonders hohe Kosten den Versicherer zur Bildung beträchtlicher technischer Reserven zwingen, damit er über eine angemessene Sicherheitsmarge verfügt . Jeder Vertrag muß ausserdem je nach den besonderen Verhältnissen jedes versicherten Unternehmens oder Industriezweigs individualisiert werden . Schließlich wird der Vertrag immer wieder angepasst, was mit der auf die technologischen Änderungen zurückzuführenden schnellen Entwicklung der Risiken, also mit ihrer Häufigkeit und ihrer Grösse, zusammenhängt .

    Daher ist die Berechnung der Prämien auf diesem Gebiet mit zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren behaftet . Tatsächlich ist ein einzelner Versicherer nicht in der Lage, lediglich aufgrund seiner eigenen Erfahrung die angemessene Prämie zutreffend zu errechnen . Daher muß der freie Wettbewerb mit der notwendigen Zusammenfassung von Faktoren der Vorausschau in Einklang gebracht werden . Diese letztgenannte Information ist dann für die Geschäftspolitik des einzelnen Versicherers auf dem Gebiet der Risikodeckung ausschlaggebend . Sie wird ihn gegebenenfalls veranlassen, auf Techniken der Risikoverteilung, insbesondere bei der Deckung bedeutender Versicherungsfälle, zurückzugreifen . Bei der Mitversicherung können mehrere Versicherer, ohne daß zwischen ihnen ein Gesamtschuldverhältnis besteht, sich dafür entscheiden, durch einen einzigen Versicherungsvertrag die Deckung für ein und dasselbe Risiko während ein und desselben Zeitraums gegen eine Gesamtprämie zu übernehmen, wobei der führende Versicherer die Versicherungsbedingungen und die Tarifgestaltung festlegt . Hiervon wird laut Sitzungsbericht in der Bundesrepublik Deutschland bei mehr als der Hälfte der Verträge, auf die über 75 % der Prämien entfallen, Gebrauch gemacht . Noch weiter verbreitet ist dort die Rückversicherung, die dem Erstversicherer seinerseits Deckung bietet, indem sie einen Teil des von ihm versicherten Risikos auf den Rückversicherer verlagert .

    3 . Dies ist der Kontext, in den die vorliegende Rechtssache zu stellen ist . Der Sektor der industriellen Feuerversicherung durchläuft in der Bundesrepublik Deutschland Perioden ständiger Unausgewogenheit, in denen die Prämieneinnahmen zur Schadensdeckung nicht mehr ausreichen .

    So ging zwischen 1973 und 1979 der Prämiendurchschnitt in der Industrieversicherung um 44 % und in der Betriebsunterbrechungsversicherung um annähernd 50 % zurück . Das Prämienaufkommen in diesen Versicherungszweigen hätte für sich genommen nicht ausgereicht, die Gesamtkosten der Deckungsleistungen für die Versicherungsnehmer und die Betriebskosten der Gesellschaften zu decken .

    Dieses Branchendefizit veranlasste den Kläger, in dem alle in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Sachversicherer zusammengeschlossen sind, 1980 als Gegenmaßnahme eine "Unverbindliche Empfehlung zur Stabilisierung und Sanierung" der betreffenden Versicherungsbranche zu beschließen . In dieser an alle seine Mitglieder gerichteten Empfehlung befürwortet er eine vom 1.*August 1980 bis zum 31 . Dezember 1982 gestaffelte Erhöhung der Prämien unter den im Sitzungsbericht dargelegten Bedingungen .

    Die deutschen Rückversicherungsunternehmen beschlossen ihrerseits generell, in alle Verträge vom 1.*Januar 1981 an eine "Prämienberechnungsklausel" aufzunehmen, in der es hieß, die Nichteinhaltung der genannten Empfehlung werde einer Unterversicherung gleichgestellt, mit der Folge, daß sich die Deckungsleistung des Rückversicherers entsprechend vermindere .

    Gemäß §*102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( GWB ), das im Versicherungsbereich nur mißbräuchliche Maßnahmen untersagt, wurde diese Empfehlung zuvor dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen und dem Bundeskartellamt gemeldet und anschließend im Bundesanzeiger veröffentlicht . Das Bundeskartellamt erhob keine Einwände gegen ihre Vereinbarkeit mit §*102 GWB .

    4 . Die Kommission stellte in ihrer Entscheidung vom 5.*Dezember 1984, gegen die die vorliegende Nichtigkeitsklage gerichtet ist, jedoch fest, die Empfehlung des Klägers verstosse gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, und lehnte die vom Kläger beantragte Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 ab .

    Der Kläger, der vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft als Streithelfer unterstützt wird, weist in seiner Klage auf den von mir bereits erwähnten Widerspruch zwischen den allgemeinen Erfordernissen des freien Wettbewerbs und den besonderen Erfordernissen der Versicherung hin . Die Kommission meint, er müsse seine Lösung im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln finden . Der Kläger und der Streithelfer sind der Ansicht, die Wettbewerbsregeln seien auf den betreffenden Sektor nicht anwendbar; selbst wenn sie anwendbar wären, könne in der Empfehlung keine Kartellabsprache im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 gesehen werden . Sie machen schließlich hilfsweise geltend, daß dieser Kartellabsprache, soweit ihr Vorliegen unterstellt werde, nicht die in Absatz 3 vorgesehene Freistellung versagt werden dürfe .

    I - Ist Artikel 85 EWG-Vertrag auf den Versicherungssektor anwendbar?

    5 . Soweit es sich um die Versicherung gegen industrielle Risiken handelt, beruht die im Sitzungsbericht wiedergegebene Argumentation des Klägers und des Streithelfers darauf, daß ein unbegrenzter Prämienwettbewerb für die Versicherten, für Dritte und für die Allgemeinheit insgesamt gefährlich sein könnte . Gegen diese Argumentation lässt sich meines Erachtens im wesentlichen nichts einwenden .

    Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der wünschenswerte Prämiensatz das Ergebnis von in Zahlen ausgedrückten Schätzungen ist, die mit einem grossen Unsicherheitsfaktor behaftet sind . Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß das notwendige Gleichgewicht zwischen Prämieneinnahmen und Schadenskosten, insbesondere in dem in Rede stehenden Versicherungszweig, einmal verlorengeht .

    Kein Versicherer ist gegen eine Fehleinschätzung bei der Berechnung der notwendigen Prämien gefeit . Der vorliegende Fall zeigt, daß eine gewisse Unterbewertung auch beabsichtigt sein kann, denn der Versicherer kann versucht sein, die Prämien auf ein attraktives Niveau festzusetzen, um eine Wettbewerbsstellung auf dem Markt zu erringen, zu verbessern oder zu bewahren . In einem solchen Fall würde das Unternehmen gewissermassen nicht nur auf die Unwahrscheinlichkeit der Schadensfälle, sondern auch auf die Möglichkeit "spekulieren", neue Versicherungsverträge abzuschließen und von den Zinsen aus seinen Kapitalanlagen zu profitieren . Diese Situation würde durch den besonderen Charakter der Industrieversicherungssparte noch verstärkt, durch die die Versicherungsunternehmen versuchen, über bestimmte Anreize Kunden anzuziehen und an sich zu binden .

    Es besteht somit die Gefahr - der vorliegende Fall ist dafür aufschlußreich *-, daß die Unternehmen in dieser Sparte in Kenntnis der Sachlage bewusst ein Ungleichgewicht aufrechterhalten, wenn sie nur von den Regeln eines Prämienwettbewerbs geleitet werden . Es wird zwar kontrolliert, ob jedes Unternehmen insgesamt zahlungsfähig ist . Genau dies ist das Ziel der bereits erwähnten Richtlinie 73/239 und der zur Durchführung und zur Ergänzung der Richtlinie ergangenen deutschen Rechtsvorschriften, insbesondere was die Sicherheit der Vermögensanlage betrifft (§* 54 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, im folgenden : VAG ).

    Tritt jedoch, und sei es auch nur ausnahmsweise, ein grösserer Schadensfall ein, der nicht durch sofort verfügbare ausreichende Reserven gedeckt werden kann, so könnte dies das allgemeine Gleichgewicht des Unternehmens bis zu dessen Zahlungsunfähigkeit beeinträchtigen . Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Trennung der verschiedenen Sparten als die beste Garantie für die Erfuellung der Versicherungsverträge . Dies scheint im übrigen die Konzeption zu sein, die der erwähnten Richtlinie zugrunde liegt ( sechste Begründungserwägung, Artikel 7 Absatz 2 und 14 ).

    Aus allen diesen Gründen besteht das durch die vorliegende Rechtssache aufgeworfene Problem insbesondere in der Ermittlung der geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung einer Unterbewertung des erforderlichen Prämienniveaus, die zu den in den nationalen Rechtsvorschriften im Einklang mit derselben Richtlinie bereits vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen hinzukommen .

    Ich möchte noch bemerken, daß ich zwar die Prämisse, von der der Kläger und der Streithelfer ausgehen, nicht aber die Schlußfolgerungen teilen kann, die sie daraus für die Unanwendbarkeit des Artikels 85 EWG-Vertrag herleiten, denn die Auslegung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c, die sie insoweit vorschlagen, findet weder im Wortlaut noch im Aufbau, noch im Geist der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags eine Bestätigung .

    6 . Gemäß Artikel 87 erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission

    "1 ) ... alle zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 niedergelegten Grundsätze",

    um

    "2 ) ... insbesondere :

    c ) gegebenenfalls den Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 für die einzelnen Wirtschaftszweige näher zu bestimmen ".

    Der Sinn und die Tragweite dieses Artikels müssen im Rahmen der Gesamtregelung des EWG-Vertrags über den Wettbewerb ermittelt werden .

    Die Stellung des Artikels 85 im EWG-Vertrag ist aufschlußreich . Er hat seinen Platz im Dritten Teil betreffend "Die Politik der Gemeinschaft", Titel I, in dem die "Gemeinsamen Regeln" zusammengefasst sind . Zusammen mit Artikel 86 enthält er die für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsbestimmungen .

    Bekanntlich beruht die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft auf dem Prinzip des Verbots sämtlicher Kartelle und der Verhinderung des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung . Artikel 85 Absatz 3 ermächtigt die Kommission, der die Aufgabe übertragen ist, die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen zu gewährleisten, die Anwendung dieses Prinzips den jeweiligen Umständen anzupassen, wenn diese Anpassung für die Erreichung bestimmter, abschließend aufgezählter Ziele notwendig erscheint und den Wettbewerb nicht im wesentlichen ausschaltet .

    Artikel 85 entspricht somit einem doppelten Erfordernis, nämlich zum einen

    "Hindernisse für den freien Warenverkehr auf dem Gemeinsamen Markt (( zu )) beseitigen und die Einheit dieses Marktes (( zu )) bekräftigen und (( zu )) gewährleisten",

    und zum anderen

    "den Gemeinschaftsbehörden auch gewisse positive, obgleich mittelbare Eingriffe zur Förderung einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 2 EWG-Vertrag"

    zu gestatten ( Rechtssache 14/68, Wilhelm, Slg . 1969, 1, Randnr . 5 der Entscheidungsgründe ).

    Angesichts der wesentlichen Funktion der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln für die Verwirklichung und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes liegt es auf der Hand, daß jede Ausnahme von dem so errichteten grundlegenden System nur aus einer ausdrücklichen Bestimmung des EWG-Vertrags hervorgehen kann, die notwendigerweise eng auszulegen sein wird .

    So haben Sie in Ihrem kürzlich ergangenen Urteil vom 30 . April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209 bis 213/84 ( Asjes, Slg . 1986, 1415, Randnr . 40 der Entscheidungsgründe ) ausgeführt :

    "Soweit bestimmte Tätigkeiten von den Bestimmungen über den Wettbewerb ausgenommen sein sollten, ist das im EWG-Vertrag *... ausdrücklich vorgesehen ."

    Dies ist bei Artikel 42 der Fall, wonach die Wettbewerbsbestimmungen auf landwirtschaftliche Unternehmen nur insoweit Anwendung finden, "als der Rat dies unter Berücksichtigung der Ziele des Artikels 39 *... bestimmt ".

    Da der EWG-Vertrag keine ausdrückliche Ausnahme dieser Art für den Versicherungssektor vorsieht, müssen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen grundsätzlich auf die Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs nach Maßgabe der Artikel 85*ff . EWG-Vertrag angewendet werden . Dies ist im übrigen auch die Lösung, für die Sie sich in Ihrem Urteil in der Rechtssache 90/76 ( Van Ameyde, Slg . 1977, 1091 ) entschieden haben, in der Sie die Vereinbarkeit der Tätigkeit der nationalen Kfz-Versicherungsbüros mit den Artikeln 85 und 86 geprüft haben .

    Wir müssen also der Frage nachgehen, welche Tragweite Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c hat, und insbesondere feststellen, ob diese Bestimmung die ihr vom Kläger und vom Streithelfer zugeschriebene Vorrangstellung hat .

    7 . Ist in Anbetracht der Struktur der Durchführungsbestimmungen zu den Artikeln 85 und 86 davon auszugehen, daß "bis zum Inkrafttreten der gemäß Artikel 87 erlassenen Vorschriften" für die Versicherungstätigkeiten die Übergangsregelung gemäß Artikel 88 in Verbindung mit Artikel 89 weiter gilt?

    Wie sich aus Ihrem Urteil in der Rechtssache 13/61 ( Bosch, Slg . 1962, 97 ) unzweideutig ergibt, ist mit Inkrafttreten der Verordnung Nr . 17 des Rates vom 6.*Februar 1962, der ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86, ( ABl . Nr . 13 vom 21 . Februar 1962, S.*204 ) die Übergangsphase abgeschlossen worden . Im Verkehrssektor hat diese Verordnung zwar nicht die Fortgeltung dieser Übergangsregelung verhindert . Aus dieser Feststellung können jedoch keine Schlüsse für den Versicherungssektor gezogen werden . Es bedurfte nämlich einer ausdrücklichen Regelung, der aufgrund von Artikel 87 erlassenen Verordnung Nr . 141 des Rates vom 26 . November 1962 ( ABl . 1962, S.*2751 ), um die Geltung der Verordnung Nr . 17 für diesen Wirtschaftszweig auszuschließen . Die Übergangsregelung der Artikel 88 und 89 EWG-Vertrag gilt im übrigen nur noch für den Seeschiffs - und Flugverkehr, für den keine endgültige wettbewerbsrechtliche Regelung getroffen wurde, wie sie durch die ebenfalls gemäß Artikel 87 erlassene Verordnung Nr . 1017/78 des Rates vom 19 . Juli 1968 für den Eisenbahn -, Strassen - und Binnenschiffsverkehr ( ABl . L*175, S.*15 ) ergangen ist ( Urteil Asjes, Randnr . 51 der Entscheidungsgründe ).

    Da für den Versicherungsbereich keine Regelung dieser Art ergangen ist, gibt es keine wirkliche Übereinstimmung zwischen dem Versicherungs - und dem Verkehrssektor .

    8 . Kann man sodann aus dem Inhalt des Artikels 87 die vorherige Verpflichtung für den Rat herleiten, immer dann gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn eine Anpassung der Wettbewerbsregeln notwendig ist?

    Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit den Artikeln 85 und 86 auszulegen, deren Anwendung sie fördern soll, schreibt sie jedoch vor, daß der Rat alle hierfür "zweckdienlichen" Maßnahmen "erlässt ".

    Trotz des zwingenden Charakters der aus Artikel 87 Absatz 1 resultierenden Ermächtigung sind zum einen die Flexibilität der vorgesehenen Frist, deren Ablauf sich nur auf das Abstimmungsverfahren auswirkt, und zum anderen der Ermessensspielraum zu berücksichtigen, der dem entscheidungsbefugten Organ und dem vorschlagsberechtigen Organ - der Kommission - hinsichtlich der Zweckdienlichkeit der zu erlassenden Maßnahmen zuerkannt wird . Der gleiche Unsicherheitsfaktor ist bei Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c festzustellen, da der Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 für die einzelnen Wirtschaftszweige nur "gegebenenfalls" näher zu bestimmen ist .

    Die Beurteilung der Notwendigkeit einer besonderen Regelung für den Wettbewerb in einer bestimmten Branche steht mithin im Ermessen der Organe . Es ist ausschließlich Sache der Kommission, der das Vorschlagsrecht zusteht, und des Rates, der die Rechtsvorschriften erlässt, zu entscheiden, ob es zweckdienlich ist, in dem einen oder anderen Wirtschaftszweig in Anbetracht seiner Besonderheit spezielle Durchführungsbestimmungen zu den Artikeln 85 und 86 zu erlassen .

    Selbst wenn die Organe den Erlaß einer besonderen Regelung auf der Grundlage des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c prinzipiell für erforderlich hielten, würden die Artikel 85 und 86 bis zum Inkrafttreten der zu erlassenden besonderen Wettbewerbsvorschriften weiter gelten . Die Ermächtigung des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe c kann nicht maßgebend sein für die Anwendbarkeit der in den Artikeln 85 und 86 niedergelegten Grundsätze, denen der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine unmittelbare Wirkung zuerkannt hat ( ich verweise auf das Urteil in der erwähnten Rechtssache 13/61, a.*a.*O ., 112, und die Schlussanträge von Generalanwalt Lagrange in dieser Rechtssache, a.*a.*O ., 138 ). Artikel 85 enthält in der Tat alle erforderlichen Anordnungen, um über Absatz 3 die Besonderheiten der Zusammenarbeit in einem gegebenen Wirtschaftssektor im Einklang mit der Zielsetzung des Artikels 2 EWG-Vertrag mit einzubeziehen .

    So haben Sie in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz bekräftigt, daß für die Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Bestimmungen des Vertrages nicht maßgebend sein könne, daß die Organe oder die Mitgliedstaaten verspätet Durchführungsmaßnahmen getroffen hätten, die ausschließlich dazu bestimmt gewesen seien, die Anwendung dieser Bestimmungen zu erleichtern, nicht aber zu bedingen ( ich verweise zum Beispiel auf die Rechtssachen 2/74, Reyners, Slg . 1974, 631, Randnrn . 24/28 der Entscheidungsgründe, 33/74, van Binsbergen, Slg . 1974, 1299, Randnrn . 24/26 der Entscheidungsgründe, und 43/75, Defrenne, Slg . 1976, 455, Randnrn . 30/34 der Entscheidungsgründe ).

    Es ist auch nicht vorstellbar, daß die Aussicht auf eine etwaige Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über den Wettbewerb der Versicherungsunternehmen die Verwirklichung des - vorbehaltlich einer Freistellung bestehenden - Verbotsprinzips des Artikels 85 hinausschiebt und auf diese Weise die Erreichung der damit verfolgten Ziele der Einheit des Marktes und des freien Warenverkehrs in Frage stellt . In diesem Sinne haben Sie ausgeführt :

    "Der wesentliche Grundsatz der Einheit des Marktes und der sich daraus ergebende freie Warenverkehr können unter keinen Umständen unter den Vorbehalt einer vorherigen Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften gestellt werden, da dieser Grundsatz durch die Aufstellung eines derartigen Vorbehalts seines Inhalts beraubt würde" ( Rechtssache 193/80, Kommission/Italien, Slg . 1981, 3019, Randnr . 17 der Entscheidungsgründe ).

    Ich meine, daß diese für das Verhältnis zwischen den Artikeln 3O und 100 EWG-Vertrag formulierte Maxime auf unser Sachgebiet übertragen werden kann .

    9 . Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts unterliegt der Versicherungssektor somit den allgemeinen Bestimmungen der Artikel 85 und 86, wie sie durch die Verordnung Nr . 17 durchgeführt worden sind . dem Argument, daß die Kommission durch aufgrund von Artikel 85 Absatz 3 getroffene Einzelmaßnahmen die künftige Harmonisierung der deutschen Rechtsvorschriften über den Wettbewerb und über die Versicherungstätigkeit, also die wirtschaftspolitische Entscheidung, die dieser Harmonisierung zugrunde liege, und die durch sie gewährleistete Rechtssicherheit, in Frage stellen könnte, kann, selbst wenn diese Befürchtung begründet wäre, nicht gefolgt werden, und zwar aus zwei Gründen, die sich aus der Gemeinschaftsrechtsordnung ergeben .

    Der erste betrifft die Wahrung der Befugnisse des Gemeinschaftsgesetzgebers . Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung des Vertrages hat er allein die Befugnis, im Rahmen der Ermächtigung aus Artikel 87 eine Ausnahmeregelung zu erlassen . Wenn der Gerichtshof dem genannten Vorbringen folgen und Artikel 85 vorläufig für auf die Versicherungen unanwendbar erklären sollte, würde er an die Stelle des Gesetzgebers treten .

    Der zweite Grund leitet sich aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts ab . Wie der Gerichtshof in seinem Grundsatzurteil Wilhelm ausgeführt hat, hat

    "der EWG-Vertrag *... eine eigenständige Rechtsordnung geschaffen, die in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von ihren Gerichten anzuwenden ist",

    so daß

    "es *... dem Wesen dieser Rechtsordnung widersprechen (( würde )), wenn es den Mitgliedstaaten gestattet wäre, Maßnahmen zu ergreifen oder aufrechtzuerhalten, welche die praktische Wirksamkeit des Vertrages beeinträchtigen könnten ".

    Denn

    "die Geltungskraft des Vertrages und der zu seiner Anwendung getroffenen Maßnahmen darf nicht von Staat zu Staat aufgrund der nationalen Rechtsakte verschieden sein; anderenfalls würde die Wirkung der Gemeinschaftsordnung beeinträchtigt und die Verwirklichung der Vertragsziele gefährdet werden ".

    "Normenkonflikte zwischen Gemeinschafts - und innerstaatlichem Kartellrecht sind daher nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts zu lösen" ( Rechtssache 14/68, a.*a.*O ., Randnr . 6 der Entscheidungsgründe ).

    Im übrigen spricht nichts dafür, daß die Befürchtungen des Klägers und des Streithelfers begründet wären . Mehr noch, Einzelmaßnahmen, durch die eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 gewährt oder verweigert wird, können die Notwendigkeit einer Sonderregelung, deren Leitlinien sich hätten aus ihnen entwickeln lassen, deutlich machen und deren Ausarbeitung fördern .

    Ausserdem setzt der Erlaß einer Branchenregelung, durch die das Verbotsprinzip des Artikels 85 Absatz 1 den jeweiligen Umständen angepasst wird, im Interesse der Kohärenz voraus, daß der durch Artikel 85 Absatz 3 festgelegte Rahmen eingehalten wird . Erinnern wir uns daran, daß Artikel 87 nur "gegebenenfalls den Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 für die einzelnen Wirtschaftszweige näher *... bestimmen (( will ))" ( Hervorhebung von mir ). Dieser Wortlaut gebietet die Einheitlichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen . Tatsächlich gestattet Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c, wenn der freie Wettbewerb allein keine optimalen wirtschaftlichen Ergebnisse zeitigt, in allgemeiner Hinsicht eine spezifische Lösung von derselben Art zu realisieren, wie sie in besonderer Hinsicht in Artikel 85 Absatz 3 vorgesehen ist . Etwaige spezifische Branchenregelungen müssen deshalb, abgesehen von Ausnahmen, wohl dieselben Grenzen einhalten und dieselben Ziele verfolgen, wie sie in Absatz 3 aufgeführt sind .

    Die erste Rüge des Klägers und des Streithelfers ist folglich zurückzuweisen . Es muß nunmehr ihre zweite Rüge geprüft werden, mit der sie geltend machen, daß die Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 Absatz 1 im vorliegenden Fall nicht erfuellt seien .

    II - Sind die Tatbestandsmerkmale des Artikels 85 Absatz 1 erfuellt?

    10 . Das in Artikel 85 Absatz 1 vorgesehene Verbot gilt, wenn drei Tatbestandsmerkmale erfuellt sind : Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt, in der eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zu sehen ist . Ob sie erfuellt sind, ist "im Hinblick auf die tatsächlichen Begleitumstände" der Vereinbarung, des Verbandsbeschlusses oder des abgestimmten Verhaltens zu prüfen ( Rechtssache 5/69, Völk, Slg . 1969, 295, Randnr . 7 der Entscheidungsgründe ).

    Dabei muß zunächst der für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 im vorliegenden Fall relevante Markt unter Berücksichtigung seiner besonderen Merkmale ermittelt werden .

    A - Der relevante Markt

    12 . Dieser Markt ist bekanntlich der Markt für Versicherungen gegen die durch den Brand industrieller Anlagen verursachten Schadensfälle, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eintreten . Es handelt sich um einen nationalen Markt .

    Die Kommission hat dazu in ihrem Dreizehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik folgendes ausgeführt :

    "Die exogenen Faktoren, die das Geschäft des Sektors beeinflussen, werden durch den engen Rahmen nationaler Gesetzgebungen und Regelungen gebildet . Dadurch sollen nicht nur die Zahlungsfähigkeit der Versicherer gewährleistet, Konkurse und mißbräuchliche Verwendung von Mitteln verhindert, sondern auch in den meisten Mitgliedstaaten die Art und die Bedingungen der Versicherungsverträge überwacht werden" ( Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 1983, S.*237 ).

    Denn die Richtlinien 73/239 und 73/240 des Rates vom 24 . Juli 1973 - letztere ABl . L*228, S.*20 *-, die insbesondere für diese Schadensfälle gelten, haben zwar die Vorschriften über die nationale Überwachung koordiniert, von denen die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit der Versicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung abhängen, und für diese Tätigkeit eine Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit beabsichtigt . Doch unterliegen die Versicherungsunternehmen weiterhin zum grossen Teil den innerstaatlichen Rechtsvorschriften .

    Zwei Reihen von Bestimmungen des deutschen Rechts erscheinen in diesem Sinne als besonders bezeichnend . In erster Linie müssen gemäß §*106 Absatz 2 VAG die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versicherer, wenn sie über einen Vermittler das Direktversicherungsgeschäft betreiben wollen, zuvor eine Niederlassung im deutschen Hoheitsgebiet errichten . Dieses Erfordernis bedeutet in der Praxis, daß alle ausländischen Versicherungen daran gehindert sind, ihre Versicherungsleistungen auf dem deutschen Markt anzubieten, abgesehen von unbedeutenden Ausnahmen wie der Korrespondenzversicherung . Das Erfordernis ist bekanntlich Gegenstand eines zur Zeit anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens ( Rechtssache 205/84, Kommission/Bundesrepublik Deutschland ). Generalanwalt Sir Gordon Slynn hat in seinen am 20 . März 1986 vorgetragenen Schlussanträgen ausgeführt, daß es nach seiner Ansicht mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar sei . Ich teile diese Ansicht .

    Zweitens gilt für die in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen eine wettbewerbsrechtliche Ausnahmeregelung . §*102 GWB verbietet nämlich nur mißbräuchliche Wettbewerbsbeschränkungen .

    Aus denselben Gründen findet auch die Tätigkeit der Mitversicherung von in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Risiken im nationalen Rahmen statt . Während der Geltungsdauer der streitigen Empfehlung galt dasselbe Niederlassungserfordernis nämlich auch für Versicherungsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich an dieser Versicherungstätigkeit beteiligen wollten . Die Ausnahme für ausländische Mitversicherer, deren Vereinbarkeit mit den Artikeln 59 und 60 EWG-Vertrag in der erwähnten Rechtssache 205/84 ebenfalls in Zweifel gezogen wird, da sie nicht auch für den führenden Versicherer gilt, ist erst durch das 14.*Änderungsgesetz zum VAG vom 29 . März 1983 eingeführt worden, das die Richtlinie 78/473 des Rates vom 30 . Mai 1978 zur Koordinierung der Rechts - und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Mitversicherung auf Gemeinschaftsebene ( ABl . L*151, S.*25 ) umgesetzt hat .

    Im Hinblick auf die Rückversicherung ist schließlich darauf hinzuweisen, daß diese Dienstleistung in Deutschland gemäß dem in Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie des Rates vom 25 . Februar 1964 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf diesem Gebiet ( ABl . 1964, S.*878 ) niedergelegten Grundsatz frei erbracht werden kann . Ausländische Rückversicherer können deshalb ihre Dienste unmittelbar gegenüber einem deutschen Erstversicherer erbringen .

    Gleichwohl geht die Kommission davon aus, daß es auch in diesem Bereich einen deutschen Markt gebe, und zwar wegen der Aufsicht, die die nationalen Behörden über die deutschen Erstversicherer ausübten und die sich insbesondere auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Rückversicherers erstrecke, sowie wegen der starken Stellung der deutschen Rückversicherer auf diesem Markt . Dieser Feststellung kann ich mich nicht anschließen . Die von der Kommission ins Feld geführte behördliche Aufsicht geht insbesondere auf die erste Koordinierungsrichtlinie selbst zurück und wirkt sich auf jeden Rückversicherer unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit aus . Danach hat jeder Versicherer, der sich in einem Mitgliedstaat niederlassen will, in dem den nationalen Aufsichtsbehörden zum Zwecke der Zulassung vorgelegten "Tätigkeitsplan" die "Grundzuege der Rückversicherungspolitik" anzugeben ( Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c, Artikel 9 Buchstabe c und Artikel 11 Buchstabe c der erwähnten Richtlinie 73/239 ). Die angebliche starke Stellung der professionellen deutschen Rückversicherer auf diesem Markt ist, abgesehen davon, daß sie angesichts der umfangreichen ausländischen Konkurrenz in diesem Bereich zweifelhaft erscheinen kann, von der Kommission letztlich nicht als "entscheidender Faktor" bei der Beurteilung der fraglichen Empfehlung angesehen worden . Wie in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen der beanstandeten Bestimmungen auf die Kosten der erbrachten Dienstleistung sein mögen, es lässt sich nicht behaupten, daß es einen nationalen Rückversicherungsmarkt gibt .

    Der relevante Markt ist somit der Markt der Direktversicherungs - und der Mitversicherungsgeschäfte, die in Deutschland sowohl von inländischen Versicherungsgesellschaften als auch von Niederlassungen ausländischer Versicherungen getätigt werden, die als Direktversicherer, einfacher Mitversicherer oder führender Versicherer auftreten und an die die Empfehlung des Klägers gerichtet war .

    Die Kommission hat in der Tat unwidersprochen festgestellt, daß die Mehrzahl der 126 Versicherungsunternehmen, die die industriellen Brandrisiken decken, in dem klägerischen Verband zusammengeschlossen sei und daß 17 von ihnen ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hätten . Diese 17 Unternehmen seien in Deutschland über eine Zweigniederlassung, und zwar im wesentlichen im Bereich der Mitversicherung unter Führung eines deutschen Versicherungsunternehmens, tätig . Ihr Marktanteil liege unter 3 % des jährlichen Bruttoprämienaufkommens . Nahezu drei Viertel des jährlichen Bruttoprämienaufkommens aus Verträgen über industrielle Risiken entfielen auf die zehn grössten deutschen Versicherungsunternehmen, und mehr als die Hälfte entfalle auf die fünf grössten von ihnen .

    Ich möchte hinzufügen, daß der Versicherungsmarkt unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs durch eine unausgewogene Struktur von Angebot und Nachfrage gekennzeichnet ist, da das Angebot mengen - und wertmässig praktisch unbegrenzt, die Nachfrage dagegen viel stabiler ist . Der Preiswettbewerb ist hier deshalb besonders lebhaft .

    Im wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmen dieses oligopolistischen Marktes stellen sich die drei folgenden Fragen :

    - Stellt die Empfehlung des Klägers den Beschluß einer Unternehmensvereinigung dar? ( B )

    - Wenn ja, bezweckt oder bewirkt sie eine Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes? ( C )

    - Kann sie in diesem Fall den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen? ( D )

    B - Stellt die "unverbindliche Empfehlung" des Klägers den Beschluß einer Unternehmensvereinigung dar?

    12 . Artikel 85 erfasst jede Willensübereinstimmung oder jede Art der Abstimmung zwischen Unternehmen, die auf den Eintritt der Folgen abzielt, die er verbieten will, unabhängig davon, ob sie in die Form einer Vereinbarung oder eines Beschlusses von Unternehmensvereinigungen gekleidet ist oder durch ein abgestimmtes Verhalten zutage tritt .

    Wie Generalanwalt Mayras es formuliert hat,

    "(( unterscheidet sich )) der Beschluß einer Unternehmensvereinigung *... von der blossen Vereinbarung dadurch, daß die Unternehmer, seien es natürliche oder juristische Personen, mit dem Beitritt zur Vereinigung deren Satzungen und interne Rechtsordnung akzeptieren und an die von den Beschluß - oder Exekutivorganen mehrheitlich getroffenen Entscheidungen gebunden sind" ( Rechtssache 8/72, Cementhandelaren, Slg . 1972, 977, Schlussanträge, 998 ).

    Mit anderen Worten, wenn sich die Verbindlichkeit einer Vereinbarung aus dem unmittelbaren Austausch übereinstimmender Willenserklärungen der Parteien ergibt, so ist es die durch den Beitritt zu einer Vereinigung, der die darin zusammengeschlossenen Unternehmen satzungsmässig die Befugnis zum Erlaß verbindlicher Beschlüsse übertragen haben, zum Ausdruck gebrachte Zustimmung, die den Beschluß einer Unternehmensvereinigung offenbart . Entscheidend für die Anwendung dieses Begriffs ist somit, daß sich die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen aus dem Beitritt zu der Vereinigung ergibt, in der sie zusammengeschlossen sind und die ihre Interessen vertritt, und daß die Satzung der Vereinigung ihre Zustimmung zu den von der Vereinigung getroffenen Maßnahmen impliziert .

    Dies veranlasst mich zu zwei Bemerkungen . Ebensowenig wie die ausdrückliche Erwähnung ihrer Unverbindlichkeit ist die Bezeichnung der Maßnahme als solche ausschlaggebend . Die verschiedenen Bezeichnungen unterliegen den besonderen Regeln eines jeden Mitgliedstaats, ja sogar einer jeden Vereinigung . Von ihnen kann die einheitliche Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsbestimmungen in allen Mitgliedstaaten nicht abhängen . Diese Auslegung gebietet auch das Bestreben, unabhängig von den terminologischen Veränderungen einen wirksamen Wettbewerb im Einklang mit der Zielsetzung des Artikels 85 zu gewährleisten .

    Im übrigen ist es bekannt, daß Vereinigungen von Versicherungsunternehmen ihre Empfehlungen, wenn damit Wettbewerbsbeschränkungen beabsichtigt werden, gemäß §*102 GWB begründen und zunächst beim Bundeskartellamt anmelden müssen, bevor sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden; dadurch soll den betroffenen Unternehmen und den Verbrauchern die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb einer Frist von drei Monaten ihre Einwände vorzubringen ( Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1979-1980, S.*106 ). Bekannt ist ferner, daß diese durch §*102 gestattete Ausnahme nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn die Wettbewerbsbeschränkung nicht mißbräuchlich ist, das heisst wenn sie unter anderem "keine Automatik in Richtung auf ein abgestimmtes gleichförmiges Verhalten der Versicherer" auslöst ( so der erwähnte Bericht des Bundeskartellamtes ).

    Es wäre kaum verständlich, daß derartige Anforderungen an eine Empfehlung gestellt würden, wenn diese völlig unverbindlich wäre .

    Ich komme zu meiner zweiten Bemerkung . Die Existenz eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 kann nicht davon abhängen, daß die Mitglieder der Vereinigung dem Beschluß tatsächlich Folge leisten . Das tatsächliche Verhalten der Unternehmen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die von der Vereinigung getroffene Maßnahme als solche keinen Beschlusscharakter hat, weil die Satzung der Vereinigung, die Umstände, unter denen die Maßnahme getroffen wurde, und deren Inhalt den betroffenen Unternehmen völlige Freiheit lassen . In diesem letzteren Fall wäre Artikel 85 nur dann anwendbar, wenn die Maßnahme der Vereinigung eine Abstimmung unterstützen sollte, die darauf hinausliefe, etwas in Wirklichkeit verbindlich zu machen, was rechtlich unverbindlich wäre . Dann läge ein abgestimmtes Verhalten vor .

    Als Beschluß einer Unternehmensvereinigung ist somit entweder die Maßnahme der Vereinigung, die für ihre Mitglieder satzungsmässig verbindlich ist, oder jede andere Maßnahme, die eine solche Wirkung hat, anzusehen, wobei der Beschlusscharakter dieser Handlung noch abgerundet wird, wenn die Unternehmen ihr Verhalten nach dieser Handlung ausrichten .

    Wir müssen deshalb in erster Linie anhand der Satzung prüfen, ob die getroffene Maßnahme zwingender Natur war . War sie das nicht, so wird festzustellen sein, ob sie faktisch verbindlich war .

    13 . Nach §*2 Absatz 3 seiner Satzung kann der Kläger

    "seinen Mitgliedern gegenüber weder behördliche Befugnisse wahrnehmen noch irgendeine Kontrolle über ihre Geschäftstätigkeit ausüben ".

    In Wirklichkeit wären derartige Befugnisse auch überfluessig . Die Mitgliedsunternehmen des Klägers haben seine Satzung einzuhalten, die verschiedenen Organen eine echte Entscheidungsbefugnis überträgt . §*5 der Satzung bestimmt nämlich :

    "1 ) Die Mitglieder sind verpflichtet, den Verband bei der Erfuellung seiner Aufgaben zu unterstützen .

    2 ) Die Mitglieder haben die Verbandssatzung einzuhalten ."

    Nach §*3 Absatz 5 Buchstabe b wird ein Mitglied ausgeschlossen, wenn es sich "wiederholter oder schwerer Verstösse gegen die Verbandssatzung" schuldig macht oder "den Interessen des Verbandes gröblich zuwiderhandelt ".

    Die Prüfung der Satzung des Klägers ergibt im übrigen folgendes : Der Kläger ist ermächtigt, die Tätigkeit seiner Mitglieder unter anderem auf dem Gebiet des Wettbewerbs zu koordinieren (§* 8 Absätze 6 und 7 ). So hat vor allem der Fachausschuß für die Sparte der industriellen Brandrisiken, der Fachausschuß "Industrielle Feuer - und Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung", die satzungsmässige Befugnis erhalten, die Tarifpolitik der Verbandsmitglieder zu koordinieren, da er eine ständige Tarifierungskommission umfasst (§* 10 Absatz 2 Buchstabe a ). Die Verbandsmitglieder sind darin durch gewählte Mitglieder vertreten (§* 10 Absatz 3 ). Die "Beschlüsse" oder "Empfehlungen" des Fachausschusses gelten als endgültig, wenn nicht eines der satzungsmässig hierzu ermächtigten Gremien ihre Genehmigung durch den Hauptausschuß beantragt (§* 10 Absatz 5 ).

    All dies macht hinreichend deutlich, daß diese Maßnahmen den dem Kläger angeschlossenen betroffenen Versicherungsunternehmen zugerechnet werden und für diese verbindlich sein können, da sie notwendigerweise Ausdruck ihres in dem Ausschuß repräsentierten übereinstimmenden Willens und die Folge ihrer Zustimmung zur Satzung des Klägers sind, die die Unterwerfung unter die von diesem bewerkstelligte Koordinierung mit sich bringt .

    Mit anderen Worten, diese im Rahmen der fachlichen Untersuchungen, mit denen der Fachausschuß betraut ist, ordnungsgemäß getroffenen Maßnahmen haben unabhängig von ihrer verbandsinternen Bezeichnung keinen vorbereitenden, rein internen, sondern endgültigen und verbindlichen Charakter : Sie stellen deshalb Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung dar .

    Nun, dies ist genau der Prozeß, der zum Erlaß der streitigen Maßnahme geführt hat . Innerhalb des Fachausschusses ausgearbeitet, wurde diese "Unverbindliche Empfehlung" nach Konsultation der interessierten Kreise in ihrer endgültigen Fassung "den Vorständen der die Feuerversicherung betreibenden Mitgliedsunternehmen" zugeleitet . In dem Schreiben des Geschäftsführers des Klägers vom 13 . Juni 1980, dem sie in der Anlage beigefügt war, heisst es, die Empfehlung könne mit Zustimmung der nationalen Aufsichtsbehörden sofort angewendet werden . Das Schreiben schließt wie folgt : "Wir sprechen hiermit die unverbindliche Empfehlung aus, ab sofort entsprechend Ziffer I, IV und V der Anlage zu verfahren ."

    Der zwingende Charakter der "Empfehlung" ergibt sich eindeutig aus den Bestimmungen über die Anhebung der Tarife, deren Wortlaut dem Empfänger keine Alternative lässt . Das ist noch nicht alles . Hält man sich den wirtschaftlichen Rahmen der Empfehlung vor Augen, so kann man sich angesichts der Krise, in der sich die Feuerversicherungsbranche befand, nicht vorstellen, daß eine derartige Maßnahme nicht in der Erwartung ausgearbeitet und verabschiedet worden ist, daß sämtliche Mitglieder des Klägers ihr Folge leisten werden . Es müssen, offen gesagt, über die rechtlichen Qualifikationen hinaus die wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigt werden, die die Rechtsnatur und die Tragweite der Empfehlung bestimmen . Da wir es mit einem Oligopol zu tun haben, wird durch den Erlaß einer derartigen Maßnahme unter den erwähnten Umständen notwendigerweise wirtschaftlicher Zwang ausgeuebt, selbst wenn die Maßnahme rechtlich nur Aufforderungscharakter haben sollte . Der klägerische Verband repräsentiert den gemeinsamen Willen der wichtigsten Unternehmen der betreffenden Sparte . Der Beitritt zu ihm verpflichtet zur Einhaltung seiner Satzung . Diese sieht vor, daß die von dem Verband getroffenen Maßnahmen mehrheitlich beschlossen werden . Schließlich verfolgt der Verband den Zweck, die wirtschaftliche Tätigkeit seiner Mitglieder auf dem Gebiet des Wettbewerbs und der Tarife zumindest zu koordinieren .

    Sowohl aus der Verbandssatzung als auch aus dem Vorgehen bei der Ausarbeitung der Empfehlung, aus deren Inhalt und aus den Begleitumständen ihrer Verabschiedung ergibt sich somit eine Kette übereinstimmender Indizien, aufgrund deren die Empfehlung als Beschluß einer Unternehmensvereinigung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 qualifiziert werden kann . Die Empfehlung stellt sich als die satzungsmässige Äusserung des gemeinsamen Willens der in der betreffenden Sparte tätigen Unternehmen dar, an die sie als Beitrag zur Sanierung dieses Sektors gerichtet war .

    Es erscheint folglich überfluessig zu prüfen, ob das förmliche Band, das zwischen diesen Versicherern über eine einseitige Maßnahme des von ihnen gegründeten Verbands auf diese Weise geknüpft worden ist, in Wirklichkeit zu einem den Bestimmungen der Empfehlung entsprechenden Verhalten geführt hat .

    C - Bezweckt oder bewirkt die Empfehlung eine Wettbewerbsbeschränkung?

    14 . Nach Artikel 85 Absatz 1 ist zu prüfen, ob der Beschluß des Klägers "eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs" bezweckt oder bewirkt hat . Diese Merkmale sind

    "-*wie das Bindewort 'oder' erkennen lässt - nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen . Hieraus ergibt sich zunächst die Notwendigkeit, den eigentlichen Zweck der Vereinbarung in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind" ( Rechtssache 56/66, Société technique minière, Slg . 1966, 281, 303 ).

    Mit anderen Worten, es brauchen

    "die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt" ( Rechtssachen 56 und 58/64, Consten, Slg . 1966, 321, 390*f .; siehe auch das Urteil vom 30 . Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg . 1985, 391, Randnr . 22 der Entscheidungsgründe ).

    Nun, sowohl aus ihrem Inhalt als auch aus den wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen ihrer Verabschiedung ergibt sich genau, daß die "unverbindliche Empfehlung" des Klägers die Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Versicherungsunternehmen in der Sparte der industriellen Feuerversicherung bezweckte .

    Die Prüfung der Akten, vor allem der vom Kläger vorgelegten Gutachten sowie des bereits zitierten Berichts des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 1979-1980 ergibt, daß durch die Empfehlung der Prämienwettbewerb in dem betreffenden Sektor in Schranken gehalten werden sollte . Erinnern wir uns daran, daß §*102 GWB den Versicherungsunternehmen im Hinblick auf "beabsichtigte Wettbewerbsbeschränkungen" Pflichten auferlegt, die bezueglich der in Rede stehenden Empfehlung erfuellt wurden ( Bericht des Bundeskartellamts, a.*a.*O ., S.*106 ). Die Empfehlung des Klägers zielte genau darauf ab, die Finanzlage der Unternehmen zu sanieren, die dadurch beeinträchtigt war, daß das Prämienaufkommen im Hinblick auf die voraussichtlichen Schadenskosten unzureichend war .

    Zu diesem Zweck setzte die Empfehlung bei der Ursache des Ungleichgewichts - dem Wettbewerb durch immer niedrigere Prämien - an . Sie sah vor, die Prämien zu erhöhen, und zwar

    - spürbar, da der normale Satz der Anhebung von 10*% in den ersten beiden Jahren auf 2O % im Jahr 1982 ansteigen sollte, sowie

    - selektiv, da er im Falle eines besonders unausgewogenen Vertrages auf 2O % beziehungsweise 30 % ansteigen sollte ( Abschnitt II Nrn . 1 und 2 der Empfehlung ).

    Es ist darauf hinzuweisen, daß es sich hier um Mindesterhöhungen handelte, die nicht nur auf auslaufende Verträge, sondern auch auf alle Verträge anwendbar waren, bei denen ein Schadensfall zu einem Zahlungsdefizit hätte führen können ( Abschnitt III ).

    Die Empfehlung, deren Verbindlichkeit ich unterstrichen habe, bedeutete letzten Endes, um einen der Beispielsfälle des Artikels 85 Absatz 1 aufzugreifen,

    "a ) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An - oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen",

    wodurch der Wettbewerb auf andere Faktoren als die Prämien, zum Beispiel auf die Qualität der erbrachten Dienstleistung, hingelenkt werden sollte . Wie die Kommission dargelegt hat, ergab sich der Umfang der damit beabsichtigten Beschränkung sowohl aus dem persönlichen als auch aus dem räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Maßnahme, da diese sich tatsächlich an alle Versicherungsunternehmen der betreffenden Sparte richtete und für alle im deutschen Hoheitsgebiet, einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes, geschlossenen Versicherungs - und Mitversicherungsverträge galt . Schließlich konnte ihr Einfluß auf den Wettbewerb durch die Wirkung der "Prämienberechnungsklausel" immer dann noch verstärkt werden, wenn ein deutscher Rückversicherer eingeschaltet wurde .

    Es bedarf also nicht der Prüfung, ob die durch diese Klausel flankierte Empfehlung tatsächlich den beabsichtigten Erfolg hatte . Es genügt, im Lichte aller dieser Erwägungen festzustellen, daß der klägerische Verband dieses Ergebnis als Ausdruck einer von seinen Mitgliedern akzeptierten und nach den Regeln der Satzung formalisierten Notwendigkeit angestrebt hat . Die Empfehlung hatte somit in der Tat den Zweck, den Prämienwettbewerb auf einem Markt, demjenigen der Versicherung, zu beschränken, der bereits, wie ich dargelegt habe, durch ein Überangebot gekennzeichnet war .

    Es bleibt mithin zu prüfen, ob die Empfehlung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt .

    D - Beeinträchtigt die Empfehlung den Handel zwischen Mitgliedstaaten?

    15 . Die Bedeutung und die Tragweite dieses Tatbestandsmerkmals sind Ihrer Rechtsprechung zu entnehmen .

    Es handelt sich um ein Kriterium, das die Anwendungsbereiche des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft und des nationalen Wettbewerbsrechts voneinander abgrenzt ( Rechtssache 56/65, a.*a.*O .). Artikel 85 erfasst diejenigen Kartelle, die "mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar" sind . Diese Voraussetzung muß immer dann als erfuellt angesehen werden, wenn die Gefahr besteht, daß das beabsichtigte Kartell den von der Gemeinschaft verfolgten wirtschaftlichen Zielen zuwiderläuft .

    In diesem Sinne haben Sie in Ihrem Urteil Hugin ausgeführt :

    "Unter den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen *... alle Kartelle und alle Übungen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteilig sein kann, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird ."

    Dafür ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß

    "sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, daß (( das Kartell )) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann ".

    In diesem Sinne muß festgestellt werden, ob das Kartell

    "auf dem Markt für bestimmte Waren Handelsschranken zwischen Mitgliedstaaten errichten und so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung erschweren kann" ( Rechtssache 56/65, a.*a.*O ., 303, Hervorhebung durch mich ).

    Aufgrund der durch Ihre ständige Rechtsprechung vorgegebenen Leitlinien bin ich der Ansicht, daß die Empfehlung des Klägers das dritte Tatbestandsmerkmal des Artikels 85 Absatz 1 erfuellt .

    16 . Erinnern wir uns an den Kern der Argumentation, mit der die beiden Verbände dartun wollen, daß die Empfehlung des Klägers keinerlei grenzueberschreitende Wirkung gehabt habe und insbesondere die Wettbewerbsposition der Versicherungsgesellschaften der anderen Mitgliedstaaten, deren Zweigniederlassungen Mitglieder des Klägers sind, unberührt gelassen habe .

    Es wird erstens geltend gemacht, im Bereich der industriellen Feuerversicherung gebe es keinen "Handel zwischen Mitgliedstaaten", da die ausländischen Versicherer nicht in der Lage seien, ihre Versicherungsleistungen unmittelbar im deutschen Hoheitsgebiet zu erbringen .

    Zweitens werden Einwände gegen die Bedeutung der verschiedenen Indizien erhoben, die die Kommission anführt, um die "Ausländereigenschaft" der Zweigniederlassungen darzutun, auf die sie in ihrer Entscheidung allein abstellt, um deutlich zu machen, daß sie im Gegensatz zu den Tochtergesellschaften rechtlich und wirtschaftlich von den Muttergesellschaften abhängen . Dagegen wird vorgebracht, diese Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften seien einander in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht ähnlich .

    17 . Zunächst müssen alle Zweifel über die Tragweite der in §*106 Absatz 2 VAG aufgestellten - im übrigen beanstandeten - Voraussetzung beseitigt werden . Sie schließt nämlich keineswegs einen zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr im Bereich der Versicherungsleistungen aus .

    Mit der Kommission bin ich der Ansicht, daß der Kläger und der Streithelfer bei ihrer Argumentation in diesem Zusammenhang den Begriff des Wirtschaftsverkehrs zu eng sehen, wenn sie ihn auf den Fall beschränken, daß die Versicherungsgesellschaft eines anderen Mitgliedstaats die Dienstleistung unmittelbar von ihrem Hauptsitz aus anbietet .

    Aber täuschen wir uns hier nicht . Das Niederlassungserfordernis ist nur die juristische Projektion eines Wettbewerbs, der gleichwohl ein ausländischer bleibt . Die Tatsache, daß Versicherungsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, wenn sie auf dem deutschen Markt eine wettbewerbsfähigere Leistung anbieten wollen, dort Niederlassungen errichten müssen, erweist sich somit letztlich als Beweis dafür, daß es einen innergemeinschaftlichen Handel gibt, wobei dessen Modalitäten durch das Niederlassungserfordernis geregelt werden .

    Die angebliche Ähnlichkeit zwischen den Tochtergesellschaften und den Zweigniederlassungen kann nicht die vom Kläger und vom Streithelfer erhoffte Wirkung haben . Denn die eine wie die andere Form ist nur die - durch das Niederlassungserfordernis erzwungene - rechtliche Einkleidung des Wettbewerbs der ausländischen Versicherungsgesellschaften . In Anbetracht der mit dieser Niederlassung verbundenen Kostenlast wird die wirtschaftliche Abhängigkeit der Tochtergesellschaft und der Zweigniederlassung so groß sein, daß ihre rechtliche Unabhängigkeit unter Wettbewerbsgesichtspunkten aller Wahrscheinlichkeit nach artifiziell erscheinen dürfte .

    Die Prüfung der Tragweite von §*106 Absatz 2 VAG ergibt somit zum einen, daß in der Errichtung einer Niederlassung in Deutschland durch einen ausländischen Versicherer der Ausdruck eines Wirtschaftsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Versicherung zu sehen ist, und zum anderen, daß die Rechtsform dieser Niederlassung insoweit relativiert werden muß, als bei der Tochtergesellschaft deren wahrscheinliche Abhängigkeit von der ausländischen Gesellschaft hervorzuheben ist . Was die Zweigniederlassungen anbelangt, so besteht insoweit nicht nur eine blosse Wahrscheinlichkeit, sondern eine völlige Gewißheit .

    18 . Gehen wir weiter . Selbst wenn es eine derartige Bestimmung nicht gäbe, würde die Empfehlung gleichwohl - und dies ist das entscheidende - den innergemeinschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigen . Die deutschen Rechtsvorschriften haben zwar tatsächlich die Rechtsstellung der Zweigniederlassungen und der Tochtergesellschaften einander angenähert, nicht aber vereinheitlicht .

    Ohne den Zweigniederlassungen eine eigene Rechtspersönlichkeit verleihen zu können, zielen die durch die deutschen Rechtsvorschriften insoweit im Einklang mit der genannten Richtlinie 73/239 auferlegten Verpflichtungen darauf ab, die Garantie am Ort des Schadenseintritts zu lokalisieren . Tatsächlich sollen die Unternehmen aus den anderen Mitgliedstaaten durch die ihnen mit diesen Rechtsvorschriften auferlegten administrativen, rechnungsmässigen, finanziellen und verfahrensmässigen Verpflichtungen im wesentlichen gezwungen werden, wenn sie Zweigniederlassungen errichten, die damit verbundene Tätigkeit auf dem deutschen Markt zu zentralisieren, damit sich die Versicherten im Bedarfsfall nicht an die ausländische Gesellschaft selbst zu wenden brauchen, um ihre Forderungen geltend zu machen . Diese Erfordernisse sind bei weitem kein Ausdruck für die Selbständigkeit der Zweigniederlassungen; vielmehr lassen sie erkennen, daß diese, wie die Kommission dargelegt hat, nur der "verlängerte Arm" der ausländischen Gesellschaft sind .

    Der Hauptbevollmächtigte handelt somit für Rechnung der ausländischen Gesellschaft, die an die von ihm geschlossenen Versicherungsverträge sowohl hinsichtlich der Rechte als auch der Pflichten gebunden ist . Diese grundsätzliche rechtliche Abhängigkeit nimmt insbesondere dann Gestalt an, wenn die Gesellschaft vor allem ihren Zweigniederlassungen Anweisungen über die auf dem deutschen Markt durchzuführende Geschäftspolitik erteilt . Zu diesem letzteren Punkt heisst es in dem erläuternden Rundschreiben R*1/62 des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 22 . Februar 1962 :

    "Der Hauptbevollmächtigte ist *... für die gesamte Geschäfts - und Anlagepolitik verantwortlich, wobei die Erteilung interner Anweisungen durch die Generaldirektion zulässig erscheint ."

    In diesem Zusammenhang ist nicht bestritten worden, daß die Gewinne wie auch die Verluste der Zweigniederlassung auf die Gesellschaft übertragen werden können . Was deren Ansehen betrifft, so kann dieses nur auf ihre Zweigniederlassung zurückstrahlen .

    Man wird also zu der Auffassung gebracht, daß in der Tätigkeit der deutschen Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsgesellschaften der Ausdruck eines Wirtschaftsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten zu sehen ist .

    19 . Es besteht deshalb kein Zweifel daran, daß die Empfehlung geeignet war, den beschriebenen Wirtschaftsverkehr unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu beeinflussen .

    Eine solche Maßnahme zwang nämlich die Zweigniederlassungen dazu, bei der Aushandlung der Versicherungs - oder Mitversicherungsverträge die beschriebenen Prämienerhöhungen vorzunehmen, und wirkte sich auf diese Weise auf die Wettbewerbsstellung derjenigen ausländischen Versicherer aus, die in der Lage waren, eine wettbewerbsfähigere Leistung anzubieten . In diesem Zusammenhang schließt die Lokalisierung des Risikos in Deutschland nicht die Möglichkeit eines tatsächlichen innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehrs aus, denn derjenige, der wirtschaftlich gesehen die Schadensdeckung tatsächlich schuldet, kann seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben . Es verstieß daher gegen die Bestimmungen des Artikels 85 Absatz 1, wenn ihm über eine für seine Zweigniederlassung verbindliche Empfehlung eine Prämienerhöhung vorgeschrieben wurde, die seine Betriebskosten nicht gerechtfertigt hätten . Der von der Kommission angeführte Umstand, daß der führende Versicherer auf dem Gebiet der Mitversicherung im allgemeinen ein deutscher Versicherer ist, bestätigt den Einfluß der Empfehlung auf den Wirtschaftsverkehr; den ausländischen Versicherern wird nämlich auf diese Weise mittels der Empfehlung vorgeschrieben, die empfohlenen Erhöhungen vorzunehmen . Hinzu kommt schließlich die Gefahr, daß diese Tendenz angesichts der ständigen Geschäftsbeziehungen, die zwischen diesen führenden Versicherern und den deutschen Rückversicherern wahrscheinlich bestehen, durch die "Prämienberechnungsklausel" noch konsolidiert wird .

    Wie die Kommission ausgeführt hat, steht das Ausmaß der so festgestellten eventuellen Beeinträchtigung im Verhältnis zum Umfang des Wirtschaftsverkehrs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den übrigen Mitgliedstaaten . Nun, die Empfehlung galt für alle von den Zweigniederlassungen ausländischer Versicherer in der betreffenden Sparte abgeschlossenen Verträge, was in der Praxis nahezu den gesamten derzeitigen Umfang dieses Wirtschaftsverkehrs ausmachte . Aufgrund dieser Grössenverhältnisse ist die Beeinträchtigung bedeutsam .

    Abschließend ist festzustellen, daß beim gegenwärtigen Stand des deutschen Rechts die Empfehlung des Klägers zusammen mit dem Niederlassungserfordernis

    "schon ihrem Wesen nach die Wirkung (( hatte )), die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem sie die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung (( behindert hat ))" ( Urteil vom 11 . Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia, Slg . 1985, 2545, Randnr . 22 der Entscheidungsgründe ).

    Die Beeinträchtigung wäre jedoch auch ohne dieses gesetzliche Erfordernis sicher . Sie haben nämlich folgendes ausgeführt :

    "Preisvereinbarungen zwischen in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen, die nur für den Markt dieses Mitgliedstaats gelten, berühren *..., auch wenn durch sie keine Handelsschranken errichtet werden, den zwischenstaatlichen Handelsverkehr im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag, sofern sie sich, sei es auch nur teilweise, auf ein Erzeugnis beziehen, das aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, und zwar selbst dann, wenn die Beteiligten das Erzeugnis von einem Unternehmen erhalten haben, das demselben Konzern angehört wie sie" ( Urteil vom 10 . Dezember 1985 in den Rechtssachen 240 bis 242, 261, 262, 268 und 269/82, SSI, Slg . 1985, 3831, Randnr . 49 der Entscheidungsgründe, Hervorhebung durch mich ).

    Diese Feststellungen gelten auch für eine Empfehlung der vorliegenden Art, die sich nicht auf Erzeugnisse, sondern auf Dienstleistungen von Unternehmen bezieht ( Rechtssache 22/79, Greenwich Film Production, Slg . 1979, 3275, Randnr . 11 der Entscheidungsgründe ).

    Die Empfehlung des Klägers stellte deshalb einen Beschluß einer Unternehmensvereinigung dar, der unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt .

    Zu prüfen bleibt, ob für ihn eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 in Frage kommen konnte .

    III - Sind die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 erfuellt?

    20 . Vorab möchte ich daran erinnern, daß nach Artikel 4 der Verordnung Nr . 17 eine etwaige Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 nur für die Zeit nach der Anmeldung der Empfehlung am 23 . September 1982 in Betracht kommen kann .

    Dieser Absatz macht die Unanwendbarkeit des Verbots nach Absatz 1 davon abhängig, daß vier Voraussetzungen kumulativ erfuellt sind . Der Kommission ist bei seiner Anwendung ein weites Ermessen zuzugestehen . Die gerichtliche Nachprüfung muß sich "auf die Richtigkeit der *... zugrunde liegenden Tatsachen und deren Subsumtion unter die Begriffe des geltenden Rechts beschränken" ( Rechtssachen 56 und 58/64, Consten, a.*a.*O ., 396 ). Im vorliegenden Fall ist deshalb festzustellen, ob die Kommission durch ihre Entscheidung, daß die Empfehlung des Klägers die Freistellungsvoraussetzungen nicht erfuelle, den ihr zustehenden Ermessensspielraum offensichtlich nicht überschritten hat .

    21 . Wegen der Besonderheit dieses Versicherungssektors sowie der Unsicherheitsfaktoren, mit denen die Schätzung der Schadenshäufigkeit und -grösse und somit der von einem Versicherer für den Fall des Schadenseintritts bereitzuhaltenden Summen behaftet ist, müssen die Versicherer über informative statistische Daten verfügen, die so allgemein sind, daß sich daraus Durchschnittswerte ermitteln lassen .

    Diese Notwendigkeit geht an sich aus der reinen Logik des freien Wettbewerbs nicht hervor, der im Extremfall das Verschwinden der insbesondere wegen Mißmanagements unrentablen Unternehmen zur Folge hätte . Ohne daß ein solcher Fall ganz auszuschließen wäre, muß er doch möglichst - unter Beachtung des Wettbewerbsprinzips - verhindert werden . Die Belange der Geschädigten, die sich versichert haben, und der Allgemeinheit generell, die für den insolventen Versicherer aufzukommen hätte, gebieten dies . Nur die Erbringung der vertraglichen Versicherungsleistung gewährleistet, daß die gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Schadensfalles nicht auf die Allgemeinheit zurückfallen . Es muß deshalb ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen den Erfordernissen des normalen Spiels des Wettbewerbs und denjenigen des öffentlichen Interesses, die gebieten, daß ein Versicherungsvertrag immer eingehalten wird .

    In diesem Zusammenhang soll durch die nationalen Überwachungsvorschriften, die durch die erste Richtlinie des Rates vom 24 . Juli 1973 teilweise koordiniert worden sind, die Zahlungsfähigkeit der Versicherungsunternehmen garantiert werden . Zu diesem Zweck müssen die Versicherer aufgrund der Richtlinie

    - über "ausreichende" technische Reserven, bestehend aus Aktivwerten, die den eingegangenen Verpflichtungen entsprechen, verfügen ( Artikel 15 ),

    - über eine zusätzliche "Solvabilitätsspanne" verfügen, um für alle "Wechselfälle des Geschäftsbetriebes" gerüstet zu sein ( neunte Begründungserwägung und Artikel 16 ),

    - über einen "Mindestgarantiefonds" verfügen, dessen Höhe sich nach dem Risiko in den einzelnen betriebenen Zweigen richtet ( zehnte Begründungserwägung und Artikel 17 ).

    Die Richtlinie verpflichtet somit unter der Aufsicht der Mitgliedstaaten zur Bildung von Garantierücklagen . Damit beseitigt sie aber nicht die Ungewißheit über die Berechnungsgrundlagen für die Prämien, im Verhältnis zu denen die technischen Reserven veranschlagt werden . Aus den dargelegten Gründen ist die Zuverlässigkeit dieser Berechnungen auf einem solchen Gebiet entscheidend .

    22 . Es kann jedoch nicht unter Berufung auf alle diese Feststellungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 jede Sanierungsmaßnahme gerechtfertigt werden, die von Unternehmen zur Einschränkung des Wettbewerbs in einem bestimmten Wirtschaftszweig getroffen worden ist .

    Es unterliegt zwar kaum einem Zweifel, daß der Kläger mit seiner Empfehlung einen Versicherungszweig im öffentlichen Interesse sanieren wollte, in dem das erforderliche Gleichgewicht zwischen den Schadenskosten und den vereinnahmten Prämien insgesamt nicht mehr gegeben war . Dennoch erscheint mir das zu diesem Zweck eingesetzte Mittel - pauschale und lineare Anhebung der Versicherungsprämien - nicht durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt .

    Die festgelegten Erhöhungen beziehen sich auf die Prämien, die in den während der Geltungsdauer der Empfehlung auslaufenden Versicherungsverträgen tatsächlich vereinbart worden sind . Wie jeder Preis setzt sich eine Versicherungsprämie regelmässig aus drei Bestandteilen zusammen : den zur Deckung des versicherten Gegenstands bestimmten Einnahmen, den Betriebskosten und schließlich dem Gewinn des Versicherers . Nur die ersten beiden werden durch die in Aussicht genommene Sanierung berührt . Die in der Empfehlung vorgeschriebenen Erhöhungssätze waren aber auf den Bruttobetrag der Prämie bezogen, das heisst unterschiedslos auf deren drei Bestandteile . In diesem Zusammenhang geht aus der vom Kläger auf Verlangen der Kommission vorgelegten Tabelle der durchschnittlichen Betriebskosten für 1980 eindeutig hervor, daß zwischen den einzelnen Unternehmen beträchtliche Unterschiede bestanden, die in manchen Fällen mehr als 100 % ausmachten .

    Da sich die vorgeschriebenen Erhöhungen somit auf die Bruttoprämien bezogen, waren sie nicht deshalb gerechtfertigt, weil sie zur Erreichung der angestrebten Sanierung unbedingt erforderlich gewesen wären . Unternehmen mit niedrigen Betriebskosten konnten darin nämlich die Quelle zusätzlicher Gewinne sehen . Diejenigen mit einer ungünstigen Kostensituation dagegen konnten dabei den Anreiz für eine Sanierung ihres Geschäftsbetriebs verlieren . In dem einen wie im anderen Fall wurden die durch die Erhöhungen erzielten Einnahmen nicht automatisch teilweise den zur Deckung der Schadensfälle vorgesehenen technischen Reserven zugeführt; die Empfehlung konnte insoweit deshalb keinen spürbaren objektiven Vorteil für diejenigen mit sich bringen, denen sie zugute kommen sollte, nämlich den Versicherten sowie Dritten .

    Da die Erhöhung der Bruttoprämien allgemein und undifferenziert war, konnte nicht davon ausgegangen werden, daß sie ausschließlich der Verbesserung der Versicherungsleistungen diente . Mit der Kommission bin ich vielmehr der Ansicht, daß es, um eine Unterbewertung des Teils der Prämien zu verhindern, der für die jederzeitige Deckung der durch die versicherten Schadensfälle verursachten Kosten notwendig war, ausgereicht hätte, bei den Nettoprämien anzusetzen, das heisst bei den Prämien nach Abzug der Betriebskosten - und Gewinnkomponente . In diesem Sinne hat die Kommission in ihrer Entscheidung ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß sie es anerkennen könnte, wenn ein Verband von Versicherungsunternehmen seinen Mitgliedern auf der Grundlage einer objektiven Berechnung der Schadensquote, der voraussichtlichen Schadensentwicklung und des Schadensbedarfs "die Anwendung von Nettoprämientarifen oder von Mindestwerten für solche Tarife" vorschriebe .

    Die Lösung hätte somit in der Aufstellung von Nettoreferenztarifen gesucht werden müssen . Dies hätte die Regulierung des Wettbewerbs auf das unbedingt Notwendige begrenzt . Selbst wenn nämlich die wünschenswerte Verbesserung der Versicherungsleistungen in der Feuerversicherungssparte nur durch eine gewisse Steuerung zu erreichen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß das im vorliegenden Fall eingesetzte Mittel "spürbare objektive Vorteile mit sich (( brachte )), die geeignet (( waren )), die mit (( ihm )) verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen" ( Rechtssachen 56 und 58/84, a.*a.*O ., 397 ).

    Die Vergünstigung des Artikels 85 Absatz 3 kann also dem Kläger für die streitige Empfehlung, die eine pauschale und gestaffelte Erhöhung der Versicherungsprämien in der betreffenden Sparte zum Gegenstand hat, nicht gewährt werden .

    23 . Ich beantrage mithin, die Klage abzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die dieser selbst zu tragen hat .

    (*) Aus dem Französischen übersetzt .

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