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Document 61984CJ0169(01)

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 12. Juli 1990.
Société CdF Chimie azote et fertilisants SA und Société chimique de la Grande Paroisse SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Niederländisches Tarifsystem.
Rechtssache C-169/84.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 I-03083

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1990:301

61984J0169(01)

URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 12. JULI 1990. - SOCIETE CDF CHIMIE AZOTE ET FERTILISANTS SA UND SOCIETE CHIMIQUE DE LA GRANDE PAROISSE SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - NIEDERLAENDISCHE TARIFREGELUNG FUER DIE LIEFERUNG VON ERDGAS. - RECHTSSACHE 169/84.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-03083


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

Staatliche Beihilfen - Begriff - System von Vorzugstarifen für Erdgas, durch das im wesentlichen eine bestimmte Gruppe von Unternehmen begünstigt wird und das wirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist

( EWG-Vertrag, Artikel 92 )

Leitsätze


Ein System von Vorzugstarifen für Erdgaslieferungen, das ein Mitgliedstaat zugunsten industrieller Großverbraucher praktiziert, die mit einer Ausnahme einem bestimmten Produktionszweig angehören, stellt eine staatliche Beihilfe dar, wenn die gewährten Preisnachlässe offensichtlich nicht den bei den Lieferkosten erzielten Einsparungen entsprechen . Der Umstand, daß ein Unternehmen dem betreffenden Sektor nicht angehört, steht der Feststellung nicht entgegen, daß dieser Tarif im wesentlichen auf jenen Sektor zielt .

Entscheidungsgründe


1 Die Compagnie française de l' azote ( Cofaz ) SA, die Société CdF Chimie azote et fertilisants SA und die Société chimique de la Grande Paroisse SA haben mit Klageschrift, die am 2 . Juli 1984 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung vom 17 . April 1984, mit der die Kommission das Verfahren eingestellt hat, das sie mit an die niederländische Regierung gerichtetem Schreiben vom 4 . November 1983 gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wegen des in den Niederlanden geltenden Tarifsystems für Erdgas eingeleitet hatte .

2 Am 25 . Oktober 1983 beschloß die Kommission, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einzuleiten, nachdem sich verschiedene französische Hersteller von Stickstoffdünger über ein System von Vorzugstarifen beschwert hatten, das in den Niederlanden zugunsten der niederländischen Hersteller von Stickstoffdünger bei der Lieferung von zur Ammoniakherstellung bestimmtem Erdgas angewandt wurde .

3 Der Kommission zufolge bestand die in Rede stehende Beihilferegelung ursprünglich in einem System, aufgrund dessen die niederländische Regierung über die Firma Gasunie - die sich unmittelbar oder mittelbar zu 50 % im Eigentum des niederländischen Staates befindet - den niederländischen Herstellern von Ammoniak einen speziellen Preisnachlaß gewährt habe, und zwar aufgrund einer Tarifstruktur auf zwei Ebenen, die die Senkung der Kosten des von diesen Herstellern als Grundstoff verwendeten Erdgases zur Folge gehabt habe .

4 Im Rahmen dieses Verfahrens erließ die Kommission am 13 . März 1984 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, wonach diese Tarifstruktur eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellte, die nicht nach Absatz 3 dieses Artikels freigestellt werden konnte .

5 Mit Fernschreiben vom 14 . April 1984 teilte die niederländische Regierung der Kommission mit, daß die Gasunie den umstrittenen Tarif abgeschafft und ihr für die Industrie geltendes Tarifschema rückwirkend zum 1 . November 1983 durch einen neuen, den sogenannten "Tarif F" ergänzt habe, der denjenigen gewerblichen Grösstabnehmern in den Niederlanden mit Ausnahme der Unternehmen des Energiesektors berechnet werden solle, die folgende Bedingungen erfuellen :

a ) Sie müssen mindestens 600 Millionen m3 Gas/Jahr verbrauchen;

b ) sie müssen eine Betriebszeit von 90 % oder mehr aufweisen;

c ) sie müssen sich mit der vollständigen oder teilweisen Unterbrechung der Lieferungen nach dem Ermessen von Gasunie einverstanden erklären;

d ) sie müssen der Belieferung mit Gasarten unterschiedlichen Heizwerts zustimmen .

6 Der neue Tarif F wird in der Weise in Rechnung gestellt, daß der sogenannte "Tarif E", der für Abnehmer gilt, deren Jahresverbrauch zwischen 50 Millionen und 600 Millionen m3 liegt, um 5 niederländische Cent/m3 verringert wird . Im Laufe des Verfahrens hat sich jedoch gezeigt, daß von den Abnehmern, die zum Tarif F beliefert zu werden wünschten, ein Mindestverbrauch von 500 Millionen m3 jährlich verlangt wurde .

7 Da die Kommission das neue Tarifschema der Gasunie für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar hielt, beschloß sie in ihrer Sitzung vom 17 . April 1984, das von ihr gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag gegen die Gasunie eingeleitete Verfahren einzustellen . Mit Schreiben vom 24 . April 1984 teilte sie den Klägerinnen mit, sie sei nach gründlicher Prüfung der technischen Faktoren der Zusammensetzung des neuen Tarifs zu dem Ergebnis gekommen, daß dieser Tarif, der Bestandteil der allgemeinen Struktur der niederländischen Haushaltstarife sei und keine Diskriminierung nach Wirtschaftszweigen begründe, keines der Tatbestandsmerkmale einer staatlichen Beihilfe erfuelle . Die Kommission zog hierbei in Betracht, daß die Gasunie mit Rücksicht auf die Bedeutung der Betriebszeit und die von den gewerblichen Grösstabnehmern erfuellten Lieferbedingungen erhebliche Einsparungen bei den Lieferkosten erziele . Die Höhe der Preise nach Tarif F decke nicht den Gesamtwert der Einsparungen ab, die diese Verträge der Gasunie ermöglichten . Schließlich sei der Tarif F auch aus wirtschaftlichen und kommerziellen Gründen gerechtfertigt, wenn man ihn mit den Preisen vergleiche, die anderen wichtigen Abnehmern berechnet würden .

8 Gegen diese Einstellungsentscheidung richtet sich die vorliegende Klage, mit der geltend gemacht wird, die Entscheidung habe die wesentlichen Tatsachen offensichtlich falsch beurteilt, indem sie insbesondere angenommen habe, der Tarif F könne als Bestandteil der allgemeinen Struktur der niederländischen Haushaltstarife angesehen werden, er sei in keiner Weise sektorspezifisch ausgerichtet und rechtfertige sich durch den Wert der Einsparungen, die die Grösstabnehmer der Gasunie ermöglichten .

9 Mit Urteil vom 28 . Januar 1986 ( Cofaz/Kommission, Rechtssache 169/84, Slg . 1986, 391 ) hat der Gerichtshof die Klage für zulässig erklärt .

10 Mit Beschluß vom 27 . Februar 1986 hat der Gerichtshof ( Zweite Kammer ) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet . Die Sachverständigen haben ihr Gutachten am 23 . Dezember 1987 erstattet .

11 Nach der von der Compagnie française de l' azote ( Cofaz ) SA erklärten Klagerücknahme hat der Gerichtshof mit Beschluß vom 16 . März 1988 die Streichung des Namens dieser Gesellschaft in der Liste der Klägerinnen angeordnet .

12 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablauf, des Parteivorbringens und der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen . Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als dies zur Begründung des Urteils des Gerichtshofes erforderlich ist .

Zur Stellung des Tarifs F innerhalb des allgemeinen Schemas der niederländischen Haushaltstarife

13 Mit ihrem ersten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, entgegen den Ausführungen, die die Kommission in ihrer Entscheidung gemacht habe, sei der streitige Tarif ein Sondertarif, der dem allgemeinen Schema der niederländischen Haushaltstarife lediglich aufgepfropft, nicht aber in dieses Schema integriert worden sei .

14 Sie stützten ihr Vorbringen in erster Linie darauf, daß der Tarif F in vollem Umfang geheim sei und daß die die Anwendung dieses Tarifs vorsehenden Lieferverträge unmittelbar mit bestimmten Abnehmern in einem vertraulichen Rahmen ausgehandelt würden . Zweitens sei die Gewährung des Tarifs F Bedingungen unterworfen, die von den bei anderen Tarifen vorgesehenen Bedingungen völlig verschieden seien . So werde die Anwendbarkeitsschwelle pro Kunde und nicht pro Werk berechnet, wodurch der Verbrauch mehrerer Betriebsstätten gebündelt werden könne . Ferner werde dieser Tarif vom ersten verbrauchten Kubikmeter Gas angewendet, während im Rahmen der Tarife B bis E die einzelnen Stufen der Tarife A bis D nacheinander auf die in diesen Tarifen jeweils vorgesehenen Mengen angewendet würden .

15 Hierzu ist mit dem Sachverständigengutachten festzustellen, daß der Tarif F entgegen der Behauptung der Klägerinnen zum einen ein öffentlicher Tarif ist, dessen Anwendungsvoraussetzungen - im Unterschied zu dem bisherigen System, das in unmittelbar zwischen der Gasunie und den niederländischen Ammoniakherstellern geschlossenen Verträgen bestand - allgemein bekannt und völlig klar sind . Zum anderen ist auch der Tarif F ebenso wie der Tarif E auf den einzelnen Betrieb anwendbar . Schließlich kann er wie die Tarife A bis E von jedem Kunden in Anspruch genommen werden, der die objektiven Voraussetzungen für seine Anwendung erfuellt .

16 Wie die Klägerinnen ausgeführt haben, unterscheidet sich der Tarif F von den anderen von der Gasunie angewendeten Tarifen dadurch, daß der Abnehmer, der die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Tarifs erfuellt, vom ersten verbrauchten Kubikmeter zu diesem Tarif beliefert wird . Aus der Entscheidung der Kommission vom 17 . April 1984 geht indessen hervor, daß die Feststellung, der Tarif F sei Bestandteil der allgemeinen Struktur der niederländischen Haushaltstarife, kein diese Entscheidung tragender Grund war . Der Irrtum, dem die Kommission in diesem Punkt unterlegen ist, kann infolgedessen nicht zur Aufhebung der Entscheidung führen .

17 Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen .

Zur Sektorbezogenheit des Tarifs F

18 Die Klägerinnen machen geltend, der Tarif F sei ausschließlich für die niederländischen Ammoniakhersteller geschaffen worden; er sei daher sektorbezogen und diskriminierend .

19 Hierzu tragen die Klägerinnen vor, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Tarifs F seien absichtlich so festgesetzt worden, daß sie die niederländischen Hersteller von zur Erzeugung von Stickstoffdünger bestimmtem Ammoniak begünstigten, denn nur diese Unternehmen seien in der Lage, mindestens 500 Millionen m3 jährlich zu verbrauchen, und wiesen überdies die geforderte Betriebszeit von 90 % auf .

20 Die Kommission bestreitet dies mit dem Hinweis auf einen zwischen der Gasunie und einem Unternehmen, das keinen Ammoniak herstelle, geschlossenen Vertrag über die Anwendung des genannten Tarifs . Wenn aber der Tarif allgemein angewendet werde, liege jedenfalls keine Beihilfe mehr vor .

21 Hierzu ist daran zu erinnern, daß Artikel 92 EWG-Vertrag nur für staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gilt, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen .

22 Daß ein Unternehmen, das nicht dem Sektor der Ammoniakherstellung angehört, zum Tarif F beliefert wird, steht der Feststellung nicht entgegen, daß dieser Tarif im wesentlichen auf jenen Sektor zielt . Aus dem Sachverständigengutachten geht nämlich hervor, daß die niederländischen Ammoniakhersteller, denen das frühere Tarifsystem zugute gekommen war, in ihrer Gesamtheit weiterhin Nutzen aus diesem Tarif ziehen . Aus dem Gutachten geht ferner hervor, daß vier dieser Hersteller den Tarif F nach wie vor in Anspruch nehmen können, obwohl ihr Jahresverbrauch unter 500 Millionen m3 Gas liegt . Zudem hatte sich die Gasunie dem Gutachten zufolge in einem Schreiben vom 23 . Juni 1986 an die Nederlandse Stikstof Maatschappij NV ( Niederländische Stickstoffgesellschaft ) verpflichtet, die Höhe des mit dem Tarif F gewährten Preisnachlasses zu überprüfen, falls der neue Gaspreis die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft zu beeinträchtigen drohte .

23 Aus alledem ergibt sich, daß die Rüge der Klägerinnen, der Tarif F sei sektorbezogen, da er für bestimmte Unternehmen, nämlich die niederländischen Ammoniakhersteller gelte, begründet ist .

Zum Wert der Einsparungen, die die auf der Grundlage des Tarifs F geschlossenen Verträge der Gasunie ermöglichen

24 In ihrem Schreiben vom 24 . April 1984, mit dem sie den Klägerinnen die angefochtene Entscheidung bekanntgab, hat die Kommission namentlich geltend gemacht, der zwischen den Tarifen E und F bestehende Preisunterschied von 5 Cent/m3 werde durch die Differenz zwischen den Kosten der jeweils erbrachten Leistung gerechtfertigt . Zur Erklärung dieser Kostendifferenz beruft sich die Kommission auf die erheblichen Einsparungen, die sich für Gasunie aus der hohen Betriebszeit und den Lieferbedingungen im Falle der gewerblichen Grösstabnehmer ergäben . Der Kommission zufolge deckte das Preisniveau des Tarifs F nicht den Wert der Einsparungen ab, die diese Verträge der Gasunie ermöglichten .

25 In ihrer Antwort vom 1 . April 1986 auf die Frage des Gerichtshofes hat die Kommission im einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen die Differenz zwischen den Tarifen E und F den Gesamtwert der Einsparungen, die die Gasunie dank dieser Verträge habe erzielen können, nicht abgedeckt habe . Die Preissenkung habe im Vergleich zum Tarif E 5 Cent/m3 betragen, während sich der Gesamtwert der Einsparungen, wie nachstehend näher ausgeführt, auf 5,5 bis 7 Cent/m3 belaufen habe :

Objektive Bedingungen Einsparungen ( in Cent/m3 )

Verbrauchte Menge und

Regelmässigkeit der Abnahme 3

Unterbrechung der Lieferungen 1-2

Änderung der Gasqualität 1,5-2

Insgesamt 5,5-7

26 Demgegenüber behaupten die Klägerinnen unter Berufung auf das Gutachten eines französischen Erdgassachverständigen, die objektiv gerechtfertigte Differenz zwischen Tarif E und Tarif F müsse bei 1 Cent/m3 liegen und könne nicht höher sein als 1,60 Cent/m3 . Die Beihilfe betrage daher 4, mindestens 3,40 Cent/m3 . Demnach sei die Feststellung der Kommission, die Preisdifferenz von 5 Cent/m3 zwischen den Tarifen E und F stehe im Einklang mit der Differenz zwischen den Kosten der erbrachten Leistung, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet .

27 Um feststellen zu können, ob dieses Vorbringen begründet ist, muß der Wert der Einsparungen ermittelt werden, die die Gasunie bei den Kosten der erbrachten Leistungen erzielen kann, wenn sie Erdgas an die Unternehmen liefert, die in der Lage sind, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Tarifs F zu erfuellen .

28 Angesichts der einander widersprechenden Auffassungen der Kommission und der Klägerinnen hinsichtlich des Umfangs der Einsparungen, die sich für die Gasunie aus den für die Gewährung des Tarifs F festgesetzten Voraussetzungen ergeben können ( verbrauchte Mengen und Betriebszeit, Möglichkeit der Unterbrechung der Lieferung und Substituierbarkeit ), hat der Gerichtshof beschlossen, auf die Unterstützung durch von den Parteien unabhängige Wirtschaftssachverständige zurückzugreifen . Das Vorbringen der Parteien ist daher anhand der Ergebnisse des von diesen Sachverständigen erstatteten Gutachtens zu würdigen .

a ) Zu den Einsparungen infolge der Menge des verbrauchten Gases und der Betriebszeit

29 Nach Ansicht der Kommission sind die Einsparungen an Lieferkosten, die die Gasunie durch die Verträge über die Anwendung des Tarifs F im Verhältnis zu den Verträgen, die die Anwendung des Tarifs F vorsehen, aufgrund der Menge des verbrauchten Gases und der Regelmässigkeit der Abnahme ( Betriebszeit ) erzielen kann, auf 3 Cent/m3 zu veranschlagen .

30 Die Sachverständigen schätzen, daß die auf die Verbrauchsmengen und die Betriebszeit bei den zum Tarif F belieferten Verbrauchern zurückzuführenden Einsparungen, in Cent/m3 ausgedrückt, innerhalb folgender Spanne liegen :

- Einsparungen infolge der gelieferten Gasmenge ( Minimum : 600 x 106 m3 jährlich ): 0,07-0,242;

- Einsparungen infolge der Regelmässigkeit der Abnahme ( Betriebszeit ): 0,273-0,512 .

Sie haben ferner ausgeführt, daß der Gesamtbetrag der sich aus der Abnahmemenge und der Betriebszeit ergebenden Einsparungen mit Rücksicht auf die Beziehungen zwischen Betriebszeit und verbrauchter Menge bei den zum Tarif F belieferten Kunden im Verhältnis zu den nach Tarif E belieferten Kunden niedriger sein müsse als die Summe der oben angegebenen Hoechstwerte, das heisst 0,754 .

31 Angesichts der ausführlichen, in sich geschlossenen und auf genaue Angaben gestützten Begründung des Gutachtens ist festzustellen, daß die Kommission, indem sie die sich aus den verbrauchten Mengen und der Betriebszeit ergebenden Einsparungen auf 3 Cent/m3 schätzte, diese Einsparungen zu hoch angesetzt hat, nämlich auf einen Betrag, der sechsmal so hoch ist wie die Schätzung des Sachverständigengutachtens .

32 Der Kommission ist infolgedessen bei der Beurteilung des Sachverhalts insoweit ein offensichtlicher Fehler unterlaufen .

b ) Zu den Einsparungen infolge der Möglichkeit, die Gaslieferungen zu unterbrechen

33 Nach Ansicht der Klägerinnen ist die Annahme, die Gasunie könne sich genötigt sehen, ihre Lieferungen zu unterbrechen, angesichts der Verhältnisse auf dem niederländischen Markt unrealistisch, da die Produktions - und Beförderungskapazitäten der Gesellschaft derart seien, daß sie jede aussergewöhnliche Nachfrage befriedigen könne .

34 Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Möglichkeit, die Lieferungen zu unterbrechen, führe nicht zu Einsparungen bei der Gasunie, den übrigen Kunden werde deswegen kein Rabatt gewährt und es sei im übrigen durch nichts zu rechtfertigen, den niederländischen Ammoniakherstellern im allgemeinen aus diesem Grund einen Preisnachlaß zu gewähren .

35 Nach Ansicht der Kommission hat die Möglichkeit, die Lieferungen zu unterbrechen, nicht nur theoretische Bedeutung; im Winter 1983/84 sei die Belieferung eines Ammoniakherstellers mit Gas teilweise eingestellt worden . Weiterhin mache es diese Möglichkeit für die Gasunie weniger dringlich, in zusätzliche Sicherheitssysteme zu investieren, und bedeute für die Gesellschaft daher eine sichere Ersparnis . Die Kommission schätzt die Einsparungen für die Gasunie aufgrund der Unterbrechungsklausel in den auf der Grundlage des Tarifs F abgeschlossenen Verträgen auf einen Betrag zwischen 1 und 2 Cent/m3 .

36 Aus dem Sachverständigengutachten geht hervor, daß in den Niederlanden die in einem allgemeinen Vertrag festgelegten Bedingungen für die Belieferung mit Gas grundsätzlich für alle gewerblichen Abnehmer gleich sind . Es bestehen jedoch Sonderbedingungen für diejenigen Kunden, die zum Tarif F beliefert werden .

37 Daher ist zu prüfen, ob die Gasunie ihr Recht, die Versorgung der beiden Kundengruppen zu unterbrechen, unterschiedlich ausübt .

38 In dem allgemeinen Vertrag, der auch den Tarif E umfasst, heisst es hierzu : "Stellt es sich als erforderlich heraus, den Gasverbrauch infolge von Lieferschwierigkeiten zu senken oder zu unterbrechen, so ist der Lieferant ermächtigt, entsprechende Anweisungen zu erteilen, denen der Kunde Folge zu leisten hat ." Die entsprechenden Sonderbedingungen der nach Tarif F abgeschlossenen Verträge lauten wie folgt : "Sobald die Gasunie erstmalig eine entsprechende Forderung stellt, ist der Kunde je nach Lage des Falles verpflichtet, seine Gasabnahme entsprechend den Anweisungen der Gasunie zu verringern oder einzustellen . Macht die Gasunie von diesem Recht Gebrauch, kann der Kunde dies nicht als Ungleichbehandlung rügen . Die Gasunie wird sich soweit wie möglich bemühen, dem Kunden eine solche Aufforderung zur Senkung oder Einstellung des Verbrauchs mindestens 12 Stunden im voraus zugehen zu lassen . Jede auf die Durchführung dieses Artikels zurückzuführende Nichtabnahme gilt für den Kunden als Fall höherer Gewalt ."

39 Daraus geht hervor, daß für die zum Tarif E belieferten Kunden im wesentlichen die gleichen Verpflichtungen gelten wie für diejenigen, denen der Tarif F berechnet wird, wenn die Gasunie ihr Recht ausübt, die Gaslieferungen zu unterbrechen .

40 Ausserdem ist mit den Klägerinnen festzustellen, daß die Gasunie, wenn sie eine Möglichkeit zur Unterbrechung ihrer Lieferungen suchen sollte, sich vorrangig an Unternehmen wenden müsste, die Gas als Brennstoff verwenden . Diese verfügen nämlich zumeist über Ausrüstungen, die es ihnen gestatten, Gas durch einen anderen Brennstoff zu ersetzen . Die Ammoniakhersteller nutzen dagegen das Gas als Grundstoff und haben keine andere Möglichkeit, als ihre Produktion anzuhalten, wenn ihre Versorgung mit Gas unterbrochen wird .

41 Für ihre Behauptung, die Gasunie habe ihre Gaslieferungen an einen Ammoniakhersteller teilweise unterbrochen, hat die Kommission keinen Beweis erbracht; die Sachverständigen haben festgestellt, daß die Gasunie selbst während des besonders strengen Winters 1984/85 in keinem Falle die Belieferung eines Ammoniakherstellers unterbrochen hat .

42 Nach alledem ist festzustellen, daß sich für die Gasunie aus den Sonderklauseln des Tarifs F, die die Möglichkeit einer Unterbrechung vorsehen, kein wirtschaftlicher Vorteil ergibt . Der Kommission ist somit auch insofern ein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts unterlaufen, als sie einen solchen Vorteil auf 1 bis 2 Cent/m3 geschätzt hat .

c ) Zu den Einsparungen infolge der Substituierbarkeit der Gassorten ( Möglichkeit, Gas mit unterschiedlichen Heizwerten zu liefern )

43 Die Klägerinnen machen geltend, die Substituierbarkeit führe nicht zu einer wesentlichen Kostenersparnis, da die Umstellung von einer Gassorte auf eine andere langwierige und sorgfältige Regulierungen erfordere, weswegen sie nur für einen längeren Zeitraum vorgenommen werden könne und somit für alle Industriezweige möglich sei .

44 Die Kommission meint, da eine Substituierung weder beim Haushaltsverbrauch noch bei der Ausfuhr möglich, jedoch für die Gasunie in gewissem Umfang notwendig sei, damit sie ihre Lagerungskosten für H-Gas senken könne, könne sie durch die Belieferung von Grösstabnehmern, nämlich den zum Tarif F belieferten Abnehmern, ihre Kosten senken . Die Kommission schätzt diese Kostenersparnis auf einen Betrag zwischen 1,5 und 2 Cent/m3 .

45 Was die für Gasunie bestehende Möglichkeit betrifft, zur Lieferung von Gasqualitäten überzugehen, die von den im Vertrag niedergelegten Spezifizierungen abweichen, müssen zwar, wie das Sachverständigengutachten feststellt, die zum Tarif F belieferten Kunden im Unterschied zu den zum Tarif E belieferten Abnehmern von der Gasunie angehört werden, damit die Beteiligten einvernehmlich zu einer vernünftigen Lösung gelangen können; das ändert jedoch nichts daran, daß den Sachverständigen zufolge eine Reihe von jeweils zu den Tarifen E und F belieferten Abnehmern von derselben Versorgungsstelle aus beliefert werden und somit unter dem Gesichtspunkt der Substitutionsmöglichkeiten den gleichen Bedingungen unterliegen .

46 Nach den Feststellungen der Sachverständigen können nicht alle Kunden, denen der Tarif F berechnet wird, wahlweise mit G - oder H-Gas beliefert werden, weil die Beschaffenheit der Anschlüsse dies nicht gestatte . Die Sachverständigen haben insbesondere einen Betrieb erwähnt, der jährlich eine Gasmenge verbraucht, die ungefähr 30 % der Gesamtabnahme nach Tarif F entspricht, und der nicht mit H-Gas versorgt werden kann .

47 Andererseits haben die Sachverständigen festgestellt, daß bestimmte Unternehmen, die nicht zum Tarif F beliefert werden, an das H-Gas - und das G-Gasnetz angeschlossen werden konnten . Aus diesen Gründen sind die Sachverständigen zu der Ansicht gelangt, daß sich ein aus den Sonderklauseln des Tarifs F herzuleitender wirtschaftlicher Vorteil nicht ausmachen lasse .

48 Aufgrund dieser Gegebenheiten ist festzustellen, daß die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie die Einsparungen, die durch die Substituierungsklausel bewirkt werden könnten, auf einen Betrag zwischen 1,5 und 2 Cent/m3 geschätzt hat .

d ) Zum Gesamtwert der durch die einzelnen Lieferbedingungen bewirkten Einsparungen

49 In ihrer auf Ersuchen des Gerichtshofes abgegebenen Stellungnahme zum Gesamtwert der Einsparungen bei den Lieferkosten, die die Gasunie angeblich durch die zu den Bedingungen des Tarifs F im Vergleich zu den gemäß Tarif E abgeschlossenen Verträgen erzielt, haben die Sachverständigen dargelegt, daß Gesamteinsparungen in einer Höhe von über 0,5 Cent/m3 nur schwer auszumachen seien, namentlich wenn man andere Faktoren berücksichtige wie den flexiblen Betrieb der Lagerstätte Groningen oder die äusserst günstige Beschaffenheit des niederländischen Netzes, insbesondere die Rückführungsmöglichkeiten und den grossen Durchmesser der Leitungen ( bis zu 48 Zoll ), die es gestatteten, 45 % des Ausstosses der Ausfuhr zuzuleiten; diese Faktoren führten zu bedeutenden Lagerkapazitäten .

50 Nach Ansicht der Sachverständigen folgt aus diesen Überlegungen, daß die Kostenersparnis, die die Gasunie dank der Bedingungen erzielt, die für die zum Tarif F belieferten Kunden gelten, erheblich niedriger ist als die zwischen diesen beiden Tarifen festzustellende Preisdifferenz . Die Sachverständigen schließen hieraus, daß die den Kunden, für die der Tarif F gilt, gewährten Nachlässe auf andere Überlegungen zurückzuführen seien .

51 Mit ihrer Behauptung, die Preisdifferenz von 5 Cent/m3 zwischen den Tarifen E und F entspreche der Kostendifferenz zwischen den erbrachten Leistungen, ist der Kommission infolgedessen ein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts unterlaufen . Die Rüge der Klägerinnen ist daher in diesem Punkt begründet .

52 Aus alledem ergibt sich, daß die den Klägerinnen mit Schreiben der Kommission vom 24 . April 1984 zur Kenntnis gebrachte Entscheidung vom 17 . April 1984, mit der die Kommission das gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wegen des niederländischen Tarifsystems für Erdgas eingeleitete Verfahren eingestellt hat, aufzuheben ist .

Kostenentscheidung


Kosten

53 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen . Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich zweier Drittel der Kosten des gemäß dem Beschluß vom 27 . Februar 1986 erstatteten Sachverständigengutachtens aufzuerlegen .

54 Nach Artikel 69 § 4 ist jedoch eine Partei, die ihre Klage zurücknimmt, zur Tragung der Kosten zu verurteilen, es sei denn, daß die Rücknahme durch das Verhalten der anderen Partei gerechtfertigt ist . Die Compagnie française de l' azote ( Cofaz ) SA hat ihre Klage mit bei der Kanzlei am 29 . Dezember 1987 eingegangenem Schriftsatz zurückgenommen, das heisst nach Erlaß des Zwischenurteils vom 28 . Januar 1986 ( Rechtssache 169/84 ) und nach der Erstattung des Sachverständigengutachtens ( 23 . Dezember 1987 ). Diese Rücknahme ist nicht durch das Verhalten der Kommission gerechtfertigt, sondern beruht ausschließlich auf Gründen, die bei der betroffenen Gesellschaft selbst liegen . Diese Klägerin ist daher zur Tragung eines Drittels der der Kommission bis zur Klagerücknahme entstandenen Kosten einschließlich eines Drittels der Kosten des Sachverständigengutachtens zu verurteilen .

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Sechste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die den Klägerinnen mit Schreiben der Kommission vom 24 . April 1984 zur Kenntnis gebrachte Entscheidung vom 17 . April 1984, mit der die Kommission das gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wegen des niederländischen Tarifsystems für Erdgas eingeleitete Verfahren eingestellt hat, wird aufgehoben .

2 ) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich zweier Drittel der Kosten des gemäß dem Beschluß vom 27 . Februar 1986 erstatteten Sachverständigengutachtens .

Die Compagnie française de l' azote ( Cofaz ) SA trägt ein Drittel der der Kommission bis zur Klagerücknahme entstandenen Kosten einschließlich eines Drittels der Kosten des vorerwähnten Gutachtens .

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