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Document 61961CC0007

Schlussanträge des Generalanwalts Lagrange vom 29. November 1961.
Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegen Italienische Republik.
Rechtssache 7-61.

Englische Sonderausgabe 1961 00695

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1961:25

Schlußanträge des Generalanwalts

HERRN MAURICE LAGRANGE

29. November 1961

Aus dem Französischen übersetzt

Herr Präsident, meine Herren Richter!

Der vorliegende Rechtsstreit zwischen der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Regierung der Italienischen Republik wirft meiner Ansicht nach keine sehr schwierigen Rechtsfragen auf. Gleichwohl verdient er eine besonders aufmerksame Prüfung, da es sich hier um den ersten Rechtsstreit handelt, über den der Gerichtshof auf Grund des Vertrages von Rom zu entscheiden hat, und da es um ein für die Anwendung des Vertrages besonders wichtiges Verfahren geht, nämlich das Verfahren wegen Feststellung von Verstößen der Mitgliedstaaten gegen ihre Verpflichtungen. Anders als im EGKS-Vertrag, welcher der Exekutive, das heißt der Hohen Behörde, die Befugnis verleiht, die Vertragsverletzung eines Staates vorbehaltlich einer Anrufung des Gerichtshofes festzustellen, ist es bekanntlich nach dem Vertrag von Rom allein der Gerichtshof, der die Verantwortung für das Feststellungsurteil trägt, das er selbst auf Antrag der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaates erläßt. Berücksichtigt man weiterhin, daß die Vollziehung des Vertrages von Rom, das heißt die fortschreitende Durchführung aller Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Ziele der Gemeinschaft zu erreichen, größtenteils vom Verhalten der Mitgliedstaaten abhängt, so erkennt man, welch hervorragende Funktion dem Gerichtshof zukommt, der zum Richter über die Vertragsgemäßheit dieses Verhaltens bestellt worden ist.

Der italienischen Regierung wird im vorliegenden Rechtsstreit ein Verstoß gegen Artikel 31 des Vertrages vorgeworfen, der die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten betrifft. Es ist allgemein bekannt, daß der Gemeinsame Markt weit mehr als eine Zollunion ist; in erster Linie ist er jedoch eine Zollunion. Zu den ersten Maßnahmen im Zuge der Errichtung des Gemeinsamen Marktes mußten daher die Aufhebung der Zölle zwischen den Mitgliedstaaten und die Aufstellung eines Gemeinsamen Außenzolltarifs sowie andererseits die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten zählen, die gemeinhin als Kontingentierungen bezeichnet werden.

Grundvoraussetzung für eine ungestörte Durchführung dieses Programms ist selbstverständlich, daß auf keinen Fall eine Verschlechterung der bei Inkrafttreten des Vertrages gegebenen Lage zugelassen wird: Dies ist der sogenannte Stillhaltegrundsatz. Dieser Grundsatz ist verankert in Artikel 12 hinsichtlich der Zölle („Die Mitgliedstaaten werden untereinander weder neue Einfuhr- oder Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung einführen noch die in ihren gegenseitigen Handelsbeziehungen angewandten erhöhen“) und in Artikel 31 hinsichtlich der mengenmäßigen Beschränkungen:

„Die Mitgliedstaaten werden untereinander weder neue mengenmäßige Beschränkungen noch Maßnahmen gleicher Wirkung einführen.“

Die Verfasser des Vertrages wollten jedoch, wie die Kommission in ihrer Klage hervorhebt, den von den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen der OEEC erreichten Warenliberalisierungsstand berücksichtigen. Daher bestimmt Artikel 31 in seinem Absatz 2, die Stillhalteverpflichtung, das heißt das Verbot, neue mengenmäßige Beschränkungen einzuführen, gelte

„nur für den Liberalisierungsstand, der auf Grund der am 14. Januar 1955 gefaßten Beschlüsse des Rates der OEEC erreicht worden ist. Die Mitgliedstaaten“,

heißt es weiter,

„notifizieren der Kommission binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Vertrages ihre Listen der in Durchführung dieser Beschlüsse liberalisierten Waren. Diese Listen werden zwischen den Mitgliedstaaten konsolidiert.

Rechtlich ist es also diese Notifizierung, die hinsichtlich aller Erzeugnisse, die in der solcherart notifizierten Liste aufgeführt sind, für den in Frage stehenden Staat ohne weiteres das Verbot begründet, von diesem Zeitpunkt an irgendwelche neuen mengenmäßigen Beschränkungen einzuführen.

Mit einem Schreiben vom 17. Dezember 1958 notifizierte die italienische Regierung der Kommission die Liste der in Anwendung der OEEC-Beschlüsse liberalisierten Waren. Hierunter befinden sich die folgenden:

Schweine, nicht zum Schlachten bestimmt,

Speck,

Fleisch, gesalzen, getrocknet, geräuchert, gekocht oder nur auf andere Art zubereitet,

Schweineschmalz jeder Art, einschließlich Schmalzöl.

Mit einer Regierungsverordnung vom 18. Juni 1960 wurde jedoch die Einfuhr folgender Waren aus allen Herkunftsländern (also auch aus den übrigen Mitgliedstaaten) bis zum 31. August 1960 gesperrt:

lebende Schweine,

Schweinefleisch und Schlachtabfälle, frisch, gekühlt oder gefroren,

Schweinespeck und Schweinefett, nicht ausgepreßt, nicht ausgeschmolzen, frisch, gekühlt, gefroren, gesalzen oder in Salzlake, getrocknet oder geräuchert,

Schweinefleisch oder genießbarer Schlachtabfall, gesalzen oder in Salzlake, getrocknet oder geräuchert,

Schweineschmalz und sonstige ausgepreßte oder ausgeschmolzene Schweinefette.

Obwohl diese Liste nicht Wort für Wort der am 17. Dezember 1958 notifizierten Liste entspricht, ist doch klar, daß die in ihr aufgeführten Waren konsolidierte Erzeugnisse waren, für die demnach eine Einfuhrsperre nicht angeordnet werden durfte. Die italienische Regierung erklärte in einem Schreiben, mit dem sie die Kommission von der Regierungsverordnung in Kenntnis setzte (Schreiben vom 20. Juni 1960), es handele sich hier um eine Maßnahme rein vorläufigen Charakters, die infolge einer auf dem Schweinemarkt aufgetretenen Krisenlage beschlossen worden sei und die die Voraussetzungen dafür schaffen solle, daß andere Maßnahmen, welche zur Wiederherstellung des Marktgleichsgewichts ergriffen worden seien, ihre Wirkung entfalten könnten.

Mit einem Berichtigungsvermerk, der am 26. Juli in der Gazzetta Ufficiale veröffentlicht wurde, wurde die Einfuhrsperrfrist bis zum 30. September verlängert. Durch eine Regierungsverordnung vom 28. Juli wurde die Sperre auf gekochten Schinken erstreckt. Schließlich wurde mit einer am 30. September veröffentlichten Regierungsverordnung vom 28. September die Sperre bis zum 31. Dezember 1960 verlängert.

Die Kommission, welche die erste Sperrmaßnahme und deren Verlängerung um einen Monat ohne Reaktion hingenommen hatte, beschloß daraufhin, das Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten, dessen Wortlaut ich Ihnen in Erinnerung bringe:

„Hat nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben,

Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof anrufen.“

Mit einem an den Außenminister der Italienischen Republik gerichteten Schreiben vom 21. Oktober 1960 gab die Kommission der italienischen Regierung „Gelegenheit zur Äußerung“ binnen einer Frist von einem Monat. Nachdem innerhalb dieser Frist keine offizielle Antwort eingegangen war, gab die Kommission am 21. Dezember 1960 eine „begründete Stellungnahme“ ab, in der sie auf den Verstoß gegen Artikel 31 hinwies, den ihrer Ansicht nach die italienische Regierung mit dem Erlaß der Sperrmaßnahmen begangen hatte, und in der sie die Regierung aufforderte, binnen einer weiteren Frist von einem Monat den vertragswidrigen Zustand zu beseitigen.

Anstatt der Aufforderung der Kommission nachzukommen, erließ die italienische Regierung bereits am 23. Dezember 1960 eine neue Regierungsverordnung, die am 31. Dezember veröffentlicht wurde und in der die Einfuhrsperre für die in Rede stehenden Waren bis zum 31. März 1961 verlängert wurde.

In einem Schreiben vom 5. Januar 1961, also vor Ablauf der in der begründeten Stellungnahme der Kommission festgesetzten Monatsfrist, erklärte jedoch die italienische Regierung, indem sie gleichzeitig die Kommission von der neuen Regierungsverordnung zur Verlängerung der Sperrfrist in Kenntnis setzte, unter anderem folgendes:

„Die italienischen Behörden hoffen, daß sich die Kommission kraft der ihr durch Artikel 226 des Vertrages von Rom eingeräumten Befugnis mit den Maßnahmen einverstanden erklären kann, die getroffen wurden, um der außergewöhnlichen Lage des italienischen Marktes zu begegnen…“

Damit berief die italienische Regierung sich zum erstenmal auf jenen Artikel 226, der es, wie Sie wissen, während der Übergangszeit jedem Mitgliedstaat, der durch Schwierigkeiten betroffen ist,

„welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen“,

gestattet,

„die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen zu beantragen, um die Lage wieder auszugleichen oder den betreffenden Wirtschaftszweig an die Wirtschaft des Gemeinsamen Marktes anzupassen“.

Absatz 2 desselben Artikels legt das Verfahren fest:

„Auf Antrag des betreffenden Staates bestimmt die Kommission unverzüglich in einem Dringlichkeitsverfahren die ihres Erachtens erforderlichen Schutzmaßnahmen und legt gleichzeitig die Bedingungen und Einzelheiten ihrer Anwendung fest.“

Schließlich bestimmt Absatz 3, daß die solcherart genehmigten Maßnahmen von den Vorschriften des Vertrages abweichen dürfen, jedoch lediglich soweit und solange dies unbedingt erforderlich ist. Die italienische Regierung schien also auf dem Standpunkt zu stehen, daß 1. die auf dem Schweinemarkt aufgetretene Krisenlage einem der von Artikel 226 erfaßten Tatbestände entsprach und daß 2. die von ihr bereits ergriffenen Maßnahmen, das heißt die zeitweiligen Einfuhrverbote, angemessene Schutzmaßnahmen darstellten, die geeignet waren,

„den betreffenden Wirtschaftszweig an die Wirtschaft des Gemeinsamen Marktes anzupassen“ (oder wiederanzupassen),

wie es in Artikel 226 heißt.

In der Tat antwortete die Kommission mit Schreiben vom 10. März 1961, sie glaube diese Mitteilung als einen Antrag der italienischen Regierung auf Genehmigung der in Rede stehenden Einfuhrsperre als Schutzmaßnahme nach Artikel 226 auslegen zu müssen. Die Kommission fügte jedoch hinzu, die Prüfung eines derartigen Antrags könne nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens nach Artikel 169 führen. Sie rief infolgedessen am 20. März 1961 in Anwendung von Artikel 169 Absatz 2 den Gerichtshof an mit dem Antrag, den Verstoß der italienischen Regierung gegen die Verpflichtungen aus Artikel 31 festzustellen.

Nach Eingang der Klage ist uns zur Kenntnis gekommen, daß die Kommission in einem Schreiben vom 25. März 1961 beschlossen hat, dem auf Grund von Artikel 226 gestellten Antrag nicht stattzugeben, und statt dessen der italienischen Regierung vorgeschlagen hat, unter Beachtung der in Artikel 44 des Vertrages festgelegten Voraussetzungen ein System von Mindestpreisen einzuführen. Wir haben gleichfalls erfahren, daß die italienische Regierung nach einer erneuten Verlängerung der Einfuhrsperre bis zum 30. Juni 1961 schließlich den Vorschlägen der Kommission entsprochen und mit Wirkung vom 1. Juli 1961 für einige der in Rede stehenden Waren unter Wiederherstellung der Einfuhrfreiheit für die übrigen Waren ein System von Mindestpreisen eingeführt hat.

Wenn ich es für angebracht gehalten habe, mich mit dem Sachverhalt so eingehend zu befassen und die einschlägigen Vorschriften so lückenlos zu zitieren, so deshalb, weil meiner Auffassung nach das Ergebnis des Rechtsstreits sich sehr weitgehend allein schon aus diesen Darlegungen entnehmen läßt.

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Rechtsstreit infolge der letzten Maßnahmen, welche die italienische Regierung nach der Erhebung der Klage ergriffen hat, in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kommission ist, wie Sie wissen, nicht dieser Ansicht, denn sie beabsichtigt nicht, ihre Klage zurückzunehmen, und was die italienische Regierung anbelangt, so hat sie nicht beantragt, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Sie hat lediglich in einem am 18. November 1961 eingegangenen Schriftsatz den Antrag gestellt, der Gerichtshof möge die Kommission im Wege des Beschlusses auffordern, über die Kontakte und die Besprechungen, die zwischen den Parteien stattgefunden haben, Auskunft zu erteilen und den gesamten sich auf den Rechtsstreit beziehenden Schriftwechsel vom 1. März 1961 an vorzulegen.

Der Gerichtshof hat es stillschweigend abgelehnt, diesem Antrag zu entsprechen. Er könnte ihm jetzt, nachdem das mündliche Verfahren abgeschlossen ist, nur stattgeben mit Hilfe eines Beweisbeschlusses oder nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die wesentlichen Teile des Schriftwechsels sind jedoch im letzten Augenblick vorgelegt und zu den Akten genommen worden.

Wie dem auch sei, Sie haben, selbst von Amts wegen, zu prüfen, ob die Klageanträge nunmehr gegenstandslos geworden sind, so daß die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt werden müßte. Es sei gleich betont, daß logisch gesehen diese Frage erst nach der Zulässigkeit der Klage geprüft werden dürfte, denn die Zulässigkeit ist der Erledigung des Rechtsstreits, die bereits die Hauptsache betrifft, vorgeordnet. Gestatten Sie mir jedoch, diese Frage der größeren Klarheit wegen zuerst zu behandeln, da ihre Lösung im wesentlichen von der Auslegung der Artikel 169 und 171 des Vertrages abhängt und da es auf diese Auslegung auch zum Teil bei der Würdigung der von der Beklagten erhobenen Unzulässigkeitseinreden ankommt.

Sie kennen die beiden vorliegenden Rechtsansichten.

Für die italienische Regierung ist die von der Kommission gemäß Artikel 169 erlassene begründete Stellungnahme das Kernstück des Verfahrens. Die Kommission könne den Gerichtshof nur anrufen, wenn

„der Staat der Stellungnahme nicht nachkommt“.

Die Klageanträge der Kommission hätten daher lediglich wie folgt lauten dürfen: Der Gerichtshof möge feststellen, daß die italienische Regierung die nach Artikel 169 abgegebene Stellungnahme nicht befolgt und dergestalt ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag verletzt hat. Der Gerichtshof habe lediglich die Aufgabe, darüber zu entscheiden, ob die italienische Regierung der Stellungnahme der Kommission nachgekommen sei oder nicht. Die Kommission, so wird weiter ausgeführt, erkenne aber im vorliegenden Fall an, daß die italienische Regierung schließlich ihre Verpflichtungen eingehalten habe. Zwar habe sie dies nicht innerhalb der in der begründeten Stellungnahme vorgeschriebenen Frist getan, doch werde hierdurch lediglich die Frage aufgeworfen, ob diese Verzögerung von einigen Monaten für sich allein eine neue Vertragsverletzung darstelle, wegen deren dann ein neues Verfahren eingeleitet werden müßte; was die Vertragsverletzung betreffe, die zu dem vorliegenden Verfahren Anlaß gegeben habe, so entfalle sie auf Grund des Umstandes, daß die Stellungnahme schließlich befolgt worden sei. In diesem Sinne zumindest habe ich die Ansicht der Beklagten verstanden.

Völlig anders sieht der Rechtsstandpunkt der Kommission aus. Sie ist der Meinung, das Ziel der Klage sei die Feststellung des Gerichtshofes, ein Mitgliedstaat habe gegen eine Verpflichtung nach dem Vertrag verstoßen, wie sich wörtlich aus Artikel 171 entnehmen lasse. Die in Artikel 169 Absatz 1 vorgesehene begründete Stellungnahme sei nur ein Teilstück des Verwaltungsverfahrens, das der Anrufung des Gerichtshofes voranzugehen habe. Wenn der Gerichtshof ordnungsgemäß befaßt worden sei, habe' er rückblickend zu entscheiden, ob ein Verstoß begangen worden sei, ohne zu berücksichtigen, was seitdem vorgefallen sei. Wenn der betreffende Staat nach Erhebung der Klage die notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um die Vertragsverletzung zu beseitigen, so sei der Rechtsstreit möglicherweise von keiner großen praktischen Tragweite mehr, doch habe sie, so fährt die Kommission fort, weiterhin das größte Interesse daran, daß der Gerichtshof über die Frage sachlich entscheide, ob tatsächlich ein Verstoß vorgelegen habe. Sie fügt hinzu, die gegenteilige Meinung würde es einem böswilligen Staat gestatten, von seinem vertragswidrigen Verhalten erst am Vorabend der Urteilsfindung Abstand zu nehmen und dadurch eine Erledigung in der Hauptsache herbeizuführen; gleichzeitig bleibe es diesem Staat vorbehalten, sein verbotenes Tun schon am Tage darauf wieder fortzusetzen, ohne daß die Möglichkeit bestanden habe, die Vertragsverletzung im Urteilswege festzustellen.

Meine Herren, mir scheint, daß der Rechtsstandpunkt der Kommission dem Vertrag entspricht.

Die dem Gerichtshof nach Artikel 171 verliehene Kompetenz ist sehr klar umschrieben: Er hat die Aufgabe festzustellen, daß ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus dem Vertrag verstoßen hat, nicht dagegen hat er über die Ordnungsmäßigkeit der begründeten Stellungnahme zu befinden. Der Gerichtshof besitzt insoweit ein uneingeschränktes Nachprüfungsrecht. Es handelt sich hier nicht um ein Streitverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung, und es war daher nicht erforderlich, dem Gerichtshof wie in Artikel 88 des EGKS-Vertrages eine Befugnis zu unbeschränkter Rechtsprechung (pleine juridiction) einzuräumen. Hier ist keine vorgängige Verwaltungsentscheidung gegeben.

Die begründete Stellungnahme gemäß Artikel 169 hat in Wirklichkeit einen doppelten Zweck. Sie soll zunächst die rechtlichen und tatsächlichen Gründe darlegen, aus denen die Kommission der Ansicht ist, daß der in Rede stehende Staat gegen eine seiner Verpflichtungen verstoßen hat, und sie soll in zweiter Linie die Regierung dieses Staates darüber unterrichten, welche Maßnahmen die Kommission für erforderlich hält zur Behebung der Vertragsverletzung. Dieser zweite Zweck der Stellungnahme ergibt sich aus der in Artikel 169 Absatz 2 enthaltenen Wendung:

„Kommt der Staat dieser Stellungnahme … nicht nach …“

Es ist also nicht ausreichend, daß die Kommission die Vertragsverletzung feststellt; sie muß darüber hinaus die zu ihrer Beseitigung geeigneten Mittel angeben.

Unzweifelhaft können die von der Kommission erteilten Auflagen in dieser Hinsicht je nach Art des Verstoßes und nach den Umständen jeden Einzelfalles unterschiedlich sein. In vielen Fällen wird es schwierig, ja unmöglich sein, eine rückwirkende Beseitigung aller Folgen der Vertragsverletzung neben deren Wegfall für die Zukunft zu verlangen. Insoweit besitzt die Kommission einen weiten Ermessensspielraum. Es ist jedoch möglich, daß von den Maßnahmen, zu deren Empfehlung sie sich veranlaßt sehen wird, manche gerade den Zweck haben, die bereits eingetretenen Folgen des vertragswidrigen Verhaltens des betreffenden Staates mehr oder weniger auszugleichen. Es besteht auch die Möglichkeit, daß die Kommission hierauf verzichtet und sich damit begnügt, eine Beendigung des verbotenen Verhaltens innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu erreichen.

In diesem Falle jedoch ist die Rechtslage sehr unterschiedlich, je nachdem, ob der Staat den Anordnungen der Stellungnahme innerhalb der vorgeschriebenen Frist nachkommt oder ob er ihnen nicht nachkommt. Im ersten Falle endet der vorstreitige Verfahrensabschnitt ohne weiteres und die Kommission kann den Gerichtshof nicht anrufen. Würde sie dies tun, so müßte der Gerichtshof, nachdem er festgestellt hätte, daß der in Rede stehende Staat — wie unterstellt wird — der Stellungnahme tatsächlich nachgekommen ist, aus diesem Grunde die Klage abweisen.

Ist dagegen der Staat der Stellungnahme nicht nachgekommen, so verliert er den Rechtsvorteil, der sich für ihn aus den möglicherweise mehr oder weniger abgeschwächten Auflagen der Stellungnahme ergeben kann. Die Kommission ist berechtigt, den Gerichtshof anzurufen, und Gegenstand des Rechtsstreits ist dann nicht die Frage, ob die Stellungnahme befolgt worden ist, sondern das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Vertrag. Hat der betreffende Staat gegen eine seiner Verpflichtungen verstoßen? Das ist es, was der Gerichtshof, wie es in Artikel 171 heißt, „festzustellen“ hat. Es scheint mir auf der Hand zu liegen, daß diese Feststellung erfolgen muß, sofern ein Verstoß begangen worden ist, vorausgesetzt, daß nicht seine Folgen rechtlich beseitigt werden konnten, was selten der Fall sein wird. Es kann dann schwierig sein festzustellen, welches die „Maßnahmen“ sind, „die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergeben“ und die der Staat nach Artikel 171 „zu ergreifen“ hat. Sollte insoweit ein neuer Rechtsstreit entstehen, etwa weil die Kommission die Ansicht vertritt, daß die ergriffenen Maßnahmen unangemessen sind, so müßte dieser Rechtsstreit in einem neuen Verfahren ausgetragen werden, das von der Kommission nach Artikel 169 eingeleitet wird. In einem solchen Falle müßte nämlich davon ausgegangen werden, daß der in Rede stehende Staat gegen die sich aus Artikel 171 selbst ergebende Verpflichtung verstoßen hat. Hoffen wir, daß es niemals dahin kommen wird.

Ich bin also letzten Endes der Ansicht, daß nicht zu untersuchen ist, ob die italienische Regierung der begründeten Stellungnahme der Kommission nachgekommen ist, weil die dafür in Betracht kommenden Maßnahmen erst nach Ablauf der in der Stellungnahme vorgeschriebenen Frist, ja sogar erst nach Klageerhebung durch die Kommission getroffen worden sind und weil diese Maßnahmen die Folgen der Vertragsverletzung rechtlich nicht ex tunc beseitigen. Jede andere Lösung würde, wie mir scheint, nicht nur dem Wortlaut des Artikels 171 widersprechen, sondern wäre auch geeignet, das Verfahren wegen Feststellung von Vertragsverletzungen der Staaten weitgehend seiner Wirksamkeit zu berauben. Auch wenn man nicht annehmen will, daß ein Mitgliedstaat sich eines Tages des von der Klägerin ausgedachten Winkelzuges bedienen könnte (aber wer weiß? Die wirtschaftlichen Interessen sind mächtig und können vom nationalen Standpunkt aus durchaus legitim sein), so ist es doch normal, daß demjenigen Staat ein Vorteil gewährt wird, welcher der Stellungnahme der Kommission innerhalb der ihm vorgeschriebenen Frist nachkommt und welcher so den streitigen Verfahrensabschnitt vor dem Gerichtshof vermeidet. Es kann im Interesse beider Parteien liegen, sich mit Hilfe des vorstreitigen Verfahrensabschnitts über eine gütliche Beilegung des Streits zu einigen. Denn nach Einleitung des Verfahrens vor dem Gerichtshof ist lediglich auf eine strenge Anwendung des Vertrages zu sehen, und es darf dann allein um die Frage gehen, ob der betreffende Staat gegen die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen verstoßen hat. Ist ein solcher Verstoß begangen worden, so obliegt es dem Gerichtshof, ihn festzustellen, auch wenn der vertragswidrige Zustand nach Erhebung der Klage beseitigt worden sein sollte. Die Klage kann rechtlich nicht für gegenstandslos erklärt werden.

Die Prüfung der von der italienischen Regierung vorgetragenen Argumente — ich stand im Begriff zu sagen „Klagegründe“ — kann jetzt kurz ausfallen. In diesem „umgekehrten“ Verfahren des Vertrages von Rom geht nämlich alles so vor sich, als ob der eigentliche Kläger die Regierung und der eigentliche Beklagte die Kommission wäre. Dies erklärt sich im vorliegenden Fall ohne Schwierigkeit aus der Tatsache, daß die Unvereinbarkeit der von der italienischen Regierung angeordneten Sperrmaßnahmen mit Artikel 31 nicht bestritten und im übrigen auch nicht bestreitbar ist und daß die italienische Regierung ihre Argumente in gewisser Hinsicht so aufgebaut hat, als ob es darum gehe, eine Klage gegen eine Entscheidung der Kommission zu begründen. Die begründete Stellungnahme gemäß Artikel 169 ist jedoch keine Entscheidung.

Gegen die Klage werden drei Unzulässigkeitseinreden erhoben.

Die erste Einrede wird darauf gestützt, daß das Schreiben der Kommission vom 21. Dezember 1960 nicht als eine „begründete Stellungnahme“ im Sinne des Artikels 169 angesehen werden könne. Die Beklagte wirft der Kommission in dieser Hinsicht vor, sie habe sich darauf beschränkt, in Erinnerung zu bringen, daß die von der italienischen Regierung ergriffenen Maßnahmen bestimmte Waren beträfen, deren Liberalisierung konsolidiert worden sei, ohne die Schlüssigkeit des Vorbringens der italienischen Regierung zu prüfen, das sich auf die Existenz und die Schwere der Krise auf dem Schweinemarkt bezog sowie auf die Erforderlichkeit der zur Beseitigung dieser Krise beschlossenen vorläufigen Maßnahmen.

Meine Herren, zunächst ist eine allgemeine Bemerkung am Platze. Es darf hier nicht formalistisch vorgegangen werden, denn die begründete Stellungnahme ist, wie ich bereits ausgeführt habe, kein Verwaltungsakt, den der Gerichtshof auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen hat. Es kann hier keine „unzureichende Begründung“ geben, die einen Formfehler bedeuten würde. Die begründete Stellungnahme ist ausschließlich dazu bestimmt, den Standpunkt der Kommission genau zu umgrenzen, damit die betroffene Regierung und gegebenenfalls der Gerichtshof sich darüber ein klares Bild machen können. Ist die Stellungnahme unzureichend begründet, so ergibt sich daraus lediglich die Gefahr, daß der Gerichtshof nicht in der Lage ist, eine Vertragsverletzung festzustellen, und aus diesem Grunde zu einer Klageabweisung gelangt. Das ist jedoch eine materiellrechtliche und keine formellrechtliche Frage.

Im vorliegenden Fall war es im übrigen nicht ungewöhnlich, daß die Kommission sich zu dem tatsächlichen Vorbringen der italienischen Regierung nicht äußerte. Nach ihrer Ansicht handelte es sich ausschließlich um eine Rechtsfrage, da kein Umstand geeignet ist, die Verletzung der Vorschriften des Artikels 31 hinsichtlich der ordnungsgemäß konsolidierten Waren zu rechtfertigen.

Zweite Unzulässigkeitseinrede (sie richtet sich ebenfalls gegen die begründete Stellungnahme und ist lediglich eine Abart der vorhergehenden): Es bestehe ein Widerspruch zwischen der Haltung der Kommission vom 21. Dezember 1960, dem Tag des Erlasses der begründeten Stellungnahme, und der Haltung, die sie am 10. März 1961 in Beantwortung des Antrags auf Anwendung des Artikels 226 eingenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Kommission mitgeteilt, der Antrag werde geprüft, bis die erforderlichen Auskünfte eingeholt worden seien. Es sei daher unerfindlich, wieso sie sich dann am 21. Dezember 1960 habe imstande sehen können, die Lage zu würdigen und eine begründete Stellungnahme abzugeben.

Auf dieses Argument bin ich im voraus eingegangen: Die Kommission ist der Auffassung, daß für die Anwendung von Artikel 169 (Feststellung der Vertragsverletzung) keine tatsächliche Würdigung erforderlich war, da der Verstoß auf Grund der bloßen Tatsache feststehe, daß Artikel 31 nicht beachtet worden sei. Im Gegensatz hierzu führt die Prüfung eines auf Artikel 226 gestützten Antrags ganz offensichtlich zu einer Tatsachenwürdigung und zur Einholung der erforderlichen Auskünfte. Hierin kann keinerlei Widerspruch gesehen werden.

Dritte Unzulässigkeitseinrede. Die Klage nach Artikel 169 Absatz 2 ist nur unter der Voraussetzung zulässig, daß der betreffende Staat der begründeten Stellungnahme nicht nachgekommen ist. Die italienische Regierung behauptet nun, sie sei der Stellungnahme der Kommission nachgekommen, indem sie am 5. Januar 1961, das heißt innerhalb der in der Stellungnahme vorgeschriebenen Frist, bei der Kommission einen Antrag auf Anwendung des Artikels 226 gestellt habe, um die Anwendung von Schutzmaßnahmen zu erreichen.

Dieses Argument scheint mir nicht durchzugreifen. Die italienische Regierung konnte der begründeten Stellungnahme nur in der Weise nachkommen, daß sie sofort die notwendigen innerstaatlichen Verfahren in Gang setzte, um so schnell wie möglich die nach Ansicht der Kommission gegen Artikel 31 verstoßenden Sperrmaßnahmen zu beseitigen. Die Stellungnahme ist in dieser Hinsicht völlig klar. Die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 226, das heißt die Einreichung eines Antrags, mit dem Ziel, in den Genuß von Schutzvorschriften zu kommen, hatte offensichtlich nicht denselben Zweck.

Ich gehe nunmehr zur Prüfung der Hauptsache über.

Die erste Frage lautet, ob es den Vorschriften von Artikel 31 des Vertrages widerspricht, wenn ein Staat — sei es auch nur zeitweilig — mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen für Erzeugnisse wiedereinführt, die gemäß den Vorschriften des Absatzes 2 dieses Artikels zwischen den Staaten konsolidiert worden sind.

Diese Frage ist ohne Zweifel zu bejahen. Das Vorbringen der Kommission wird in diesem Punkte von der Beklagten im übrigen auch nicht ernsthaft bestritten.

Die Beklagte bringt jedoch eine Reihe von Gründen vor, mit denen sie nachweisen will, daß gleichwohl diese Verletzung des Artikels 31 unter den Umständen des vorliegenden Falls keinen Verstoß des italienischen Staates gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag bilde.

Zunächst wird die Ansicht vertreten, Artikel 226 sei im vorliegenden Fall anwendbar und die Kommission hätte über seine Anwendung entscheiden müssen, obwohl vor dem Schreiben vom 5. Januar 1961 nicht förmlich darum ersucht worden sei.

Meine Herren, ich bin nicht dieser Ansicht. Die in Artikel 226 vorgesehenen Schutzmaßnahmen können nur im Rahmen des in diesem Artikel geregelten besonderen Verfahrens genehmigt werden, das heißt auf Antrag der betroffenen Regierung. Es handelt sich um ganz außergewöhnliche Maßnahmen, denn sie können Abweichungen von den Vorschriften des Vertrages enthalten und Störungen für den Gemeinsamen Markt mit sich bringen. Das Geringste, was man als Voraussetzung verlangen kann für die Einleitung eines Verfahrens, das geeignet ist, derart schwerwiegende Folgen hervorzurufen, ist ein förmlicher und unzweideutiger Antrag der betroffenen Regierung. Vor dem 5. Januar 1961 ist jedoch kein Antrag dieser Art gestellt worden, und zwar weder ausdrücklich noch auch nur stillschweigend: Das Schreiben der italienischen Regierung vom 20. Juni 1960 insbesondere erwähnt nur die von der italienischen Regierung ergriffenen Maßnahmen und nicht Schutzmaßnahmen, welche die Kommission genehmigen sollte.

Andererseits beruft die italienische Regierung sich auf die Dringlichkeit, durch die sie veranlaßt worden sei, die angesichts der Umstände erforderlichen vorläufigen Maßnahmen selbst zu ergreifen. Sie verweist auf die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Rechts, wonach jeder Staat befugt sei, die bei schwerwiegenden Ereignissen gebotenen vorläufigen Maßnahmen zu treffen.

Meine Herren, es ist eine sehr heikle Frage, ob und inwieweit diese allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Rechts, die auf der Souveränität der Staaten beruhen, noch geltend gemacht werden können gegenüber den Vorschriften eines Vertrages wie des Vertrages von Rom, der, wie der EGKS-Vertrag, alles vorhersehen wollte, auch das Unvorhergesehene. Fest steht jedoch, daß dieses Argument im vorliegenden Fall nicht tragen kann, denn es ist eben eine förmliche Vorschrift vorhanden: der Artikel 226, der selbst ein Dringlichkeitsverfahren vorsieht. Wohl kann, wie die Beklagte hervorhebt, die Dringlichkeit in bestimmten Fällen so ausgeprägt sein, daß in Anbetracht der Lage selbst die für ein Dringlichkeitsverfahren erforderlichen kurzen Fristen unangemessen sind. Demgemäß wäre es verständlich gewesen, wenn die italienische Regierung gleich am ersten Tag bei der Kommission einen auf Artikel 226. gestützten Antrag gestellt hätte. Dies ist aber, wie Sie wissen, erst mehrere Monate später geschehen. Das auf die angebliche Dringlichkeit gestützte Vorbringen ist daher meiner Ansicht nach zu verwerfen.

Schließlich beruft die Beklagte sich auf Artikel 36 des Vertrages, dessen Wortlaut ich zitiere:

„Die Bestimmungen der Artikel 30 bis 34 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts' von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.“

Meine Herren ich gestehe offen, daß mir die Erklärungen nicht sehr überzeugend erscheinen, die man uns gegeben hat, um den Eindruck zu erwecken, daß die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen durch Gründe der „öffentlichen Ordnung“ gerechtfertigt werden konnten oder daß diese Maßnahmen auf den „Schutz der Gesundheit und des Lebens“ der Gattung Schwein in Italien abzielten. Sie sind jedenfalls in dem mit der Kommission geführten Schriftwechsel nie geltend gemacht worden.

Im schriftlichen Verfahren wurde im übrigen nicht so sehr diese, die Hauptsache betreffende Rechtsauffassung verfochten, sondern auch hier wurde eher prozeßrechtlich argumentiert: Die Kommission hätte, nachdem sie mit der Frage befaßt worden sei, von sich aus prüfen müssen, ob Artikel 36 anwendbar ist.

Das erscheint mir nicht richtig. Da zu Anfang keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, daß die von der italienischen Regierung plötzlich beschlossenen zeitweiligen Einfuhr- beschränkungen auf Grund der Vorschriften des Artikels 36 gerechtfertigt sein könnten, wäre es zumindest erforderlich gewesen, daß die genannte Regierung sich auf diese Vorschriften berufen hätte. Dies hat sie jedoch nicht getan.

Ich beantrage daher,

festzustellen, daß die Italienische Republik gegen eine Verpflichtung aus dem Vertrag verstoßen hat, indem sie, wie geschehen, die Einfuhr von

lebenden Schweinen, nicht zum Schlachten bestimmt,

Schweinespeck und Schweinefett, nicht atisgepreßt, nicht ausgeschmolzen, frisch, gekühlt, gefroren, gesalzen oder in Salzlake, getrocknet oder geräuchert,

Schweineschmalz und sonstigen ausgepreßten oder ausgeschmolzenen tierischen Fetten,

gekochten Schinken

aus den Mitgliedstaaten gesperrt hat;

der Regierung der Italienischen Republik die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

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