Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61956CC0007

    Schlussanträge des Generalanwalts Lagrange vom 14. Juni 1957.
    Frl. Dineke Algera, Herr Giacomo Cicconardi, Frau Simone Couturer, Herr Ignazio Genuardi und Frau Félicie Steichen gegen gemeinsame Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
    Verbundene Rechtssachen 7/56, 3/57 bis 7/57

    Englische Sonderausgabe 1957 00085

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1957:6

    Schlußanträge des Generalanwalts,

    HERRN MAURICE LAGRANGE

    Aus dem Französischen übersetzt

    GLIEDERUNG

    Seite
     

    I — Tatbestand

     

    II — Die Nichtigkeitsklage (Rechtssache Nr. 7/56)

     

    Zulässigkeit

     

    Zuständigkeit des Gerichtshofes

     

    Zur Hauptsache

     

    Tragweite der umstrittenen Entscheidungen

     

    Widerruf der individuellen Entscheidungen

     

    Auslegung des Artikels 78 des Vertrages

     

    Anwendung auf den vorliegenden Fall

     

    Antrag

     

    III — Die Klagen auf Zubilligung einer Entschädigung (Rechtssachen Nr. 3 bis ?/5?)

     

    Zulässigkeit

     

    Haftung

     

    Schadensersatz

     

    Höhe des erlittenen Schadens

     

    Antrag

    Herr Präsident, meine Herren Richter,

    Bei den Ihnen zur Entscheidung vorliegenden Klagen wird in einigen besonders heiklen Punkten die Frage nach der Auslegung der Bestimmungen des Artikels 78 des Vertrages, nach Wesen und Inhalt der mit dieser Bestimmung dem sogenannten „Ausschuß der Vier Präsidenten“ in Personalangelegenheiten, im Gegensatz zu den Organen der Gemeinschaft, verliehenen Befugnisse aufgeworfen. Der Streit geht daher bei weitem über das hinaus, was gewöhnlich den Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Behörde und ihren Bediensteten bildet: Es geht in Wirklichkeit um das im Vertrag festgelegte Gleichgewicht der Kräfte. Es genügt als Hinweis auf die Wichtigkeit des von Ihnen zu fällenden Urteils, wenn ich sage, daß dieses Urteil nach Ausräumung der Meinungsverschiedenheiten, deren Gegenstand der Artikel 78 seit dem Inkrafttreten des Vertrages gewesen ist, allen in Personalsachen zuständigen Stellen Gelegenheit geben soll, eine genauere Übersicht über die Grenzen ihrer jeweiligen Befugnisse zu gewinnen, damit Ihnen auf diese Weise die Erledigung der Verwaltungsaufgaben innerhalb der Gemeinschaft erleichtert werde. Dies auch zur Rechtfertigung des erschöpfenden Inhalts, den ich meinen Ausführungen zu geben beabsichtige, in einem Rechtsstreit, in dem die beklagte Behörde mit den Klägern in weitem Umfange „moralisch“ übereinstimmt und in ihren Anträgen die Entscheidung in das gerechte Ermessen des Gerichtshofes stellt. Ich bin schließlich der Auffassung, daß es angesichts des mehr oder minder baldigen Inkrafttretens der neuen europäischen Verträge, die diese Fragen weit anders lösen, als es im gegenwärtigen Vertrag geschehen ist, und die heikle Anpassungsmaßnahmen erforderlich machen dürften, besonders vordringlich ist, die Rechtslage innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl genau zu klären, um auf diese Weise rechtzeitig zu einer festen und unumstrittenen Praxis zu gelangen

    I — TATBESTAND

    Ich habe nicht die Absicht, die Entstehungsgeschichte des Personalstatuts der Bediensteten der Gemeinschaft im vollen Umfang wiederzugeben, die Entstehungsgeschichte, an der der Gerichtshof, als Organ, selbst beteiligt gewesen ist und die Ihnen allen noch in der Erinnerung gegenwärtig sein dürfte; ich will daraus nur das festhalten, was mir für das Verständnis des vorliegenden Rechtsstreits unerläßlich erscheint. Der Artikel 78 des Vertrages und § 7 des Abkommens über die Übergangsbestimmungen waren von Anfang an für alle Fragen im Zusammenhang mit dem Personalstatut bestimmend. Absatz 3 der letzteren Bestimmung, auf den ich noch zurückkommen werde, lautet wie folgt: „Bis zur Festsetzung der Zahl der Angestellten und ihrer Stellung durch den in Artikel 78 des Vertrages vorgesehenen Ausschuß wird das erforderliche Personal auf Grund von Dienstverträgen angestellt.“ Die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Bediensteten der vier Organe waren somit von Anbeginn an vertraglicher Natur. Gleichfalls von Anfang an hegte man jedoch auch den Gedanken, daß es sich um eine Übergangszeit handele und daß so bald wie möglich ein öffentlich-rechtliches Bedienstetenverhältnis an die Stelle der vertraglichen Rechtsbeziehungen treten sollte; — so bald wie möglich, d. h. sobald es möglich sein würde, ein allgemeines Personalstatut der Bediensteten zu erlassen. Insbesondere die Gemeinsame Versammlung hatte sich in diesem Sinne ausgesprochen, und der Präsidentenausschuß begann sich mit der Ausarbeitung dieses allgemeinen Personalstatuts zu beschäftigen. Inzwischen gewannen die Anstellungsverträge, obwohl nach wie vor zeitlich begrenzt, immer mehr an Dauer; sie wurden durch weitgehende Zusicherungen an das gesamte Personal aller Organe ergänzt (Disziplinarordnungen, Urlaubsregelungen, Unterstützungseinrichtungen usw.); schließlich wurde deren Laufzeit auf den für das Inkrafttreten des Personalstatuts vorgesehenen Zeitpunkt abgestimmt. Der Gerichtshof hat daraufhin in dem Urteil Kergall ausgesprochen, diese Verträge seien „öffentlich-rechtliche Verträge“, die eine Vorstufe zum endgültigen Statut darstellen würden, und aus dieser Tatsache ein „Anwartschaftsrecht“ der beschäftigten Bediensteten auf Gewährung einer Dauerstellung nach dem künftigen Personalstatut abgeleitet.

    Wenn auch die Ausarbeitung des Personalstatuts offensichtlich eine Voraussetzung für seine Inkraftsetzung war, so war sie jedoch nicht die einzige. Die Ersetzung des vertraglichen Anstellungsverhältnisses durch ein statutmäßiges setzt tatsächlich, ungeachtet der das eigentliche Personalstatut darstellenden Bestimmungen (allgemeine Rechte und Pflichten der Bediensteten, Einstellungen, Beförderungen, Disziplinarbestimmungen, Urlaub, Pensionsansprüche, Entlassung, Dienststellungen usw.), die Schaffung von Planstellen und die Festlegung der Personalstärke voraus, die den von der Behörde jeweils zu erfüllenden Aufgaben angemessen sind, ferner die Festsetzung der entsprechenden Gehaltsstufen. Es muß weiter vorgesehen werden, unter welchen Umständen die bereits beschäftigten Bediensteten, der geheiligten Formel gemäß, in den neuen Personalbestand „übernommen“ (integres) werden können, d. h. unter welchen Umständen ihnen die Rechts vorteile des Personalstatuts, unter Einweisung in einen bestimmten Dienstgrad und in eine entsprechende Gehaltsstufe, gewährt werden dürfen, ohne daß sie den in dieser Hinsicht vom Personalstatut für zukünftige Fälle gestellten Anforderungen genügen müßten. Die individuellen Durchführungsentscheidungen können dann erst nach Erledigung aller dieser Vorarbeiten ergehen.

    Daneben und darüber hinaus stellte sich jedoch noch die zweifache Frage: 1. Mußten diese verschiedenen Maßnahmen gemeinsam von allen vier Organen getroffen werden und, wenn ja, wie weitgehend? 2. Welche Rolle fiel in diesem Zusammenhang dem Präsidentenausschuß zu?

    Was den ersten Punkt angeht, so scheint die Notwendigkeit, nicht einer absoluten Vereinheitlichung, sondern dessen, was als „Harmonisierung“ bezeichnet worden ist, sehr bald erkannt worden zu sein, und zwar auf Grund folgender Überlegungen: ähnliche Verhältnisse bei den vier Organen in gleicher Weise zu regeln; Übereinstimmung dahin, hierunter all das zu verstehen, was ich als das eigentliche Personalstatut bezeichnet habe (allgemeine Regeln, Einstellungen, Beförderungen, Disziplinarbestimmungen usw.), wurde bald erzielt; alles Fragen, auf Grund deren schließlich beschlossen wurde, nur einen einzigen Text des Personalstatuts in Kraft zu setzen, das allgemeine, allen vier Organen gemeinsame Personalstatut der Bediensteten der Gemeinschaft, und nur gewisse, den einzelnen Organen eigene Durchführungsvorschriften für jedes einzelne von ihnen in einen besonderen Anhang zu verweisen. Gleiches gilt für die Festsetzung einheitlicher Gehaltsstufen mit einer jeweiligen Höchst- und Mindestgrenze. Was die einzelnen bei der Schaffung der Planstellen aufgetretenen Fragen angeht, nämlich die jeweiligen Entsprechungen derselben untereinander und die Festsetzung angemessener Gehaltsstufen, d. h. die eigentlichen Probleme der Harmonisierung, so haben diese in der Praxis zu den großen Schwierigkeiten geführt, die diesem Rechtsstreit zugrunde liegen.

    Was den zweiten Punkt angeht, mithin die dem Präsidentenausschuß zufallende Rolle, Art und Umfang seiner Befugnisse, im Gegensatz zu denjenigen der Organe und der Gemeinsamen Versammlung im besonderen, so bat sich unter den vier Organen keine einheitliche Auffassung herausgebildet. Es ist eher von Fall zu Fall entschieden worden, und erst seitdem das Personalstatut endgültig angenommen und in Anwendung gebracht worden ist, war es möglich, sich an Hand von dessen Text eine Meinung über die ihm zugrunde liegende rechtliche Regelung zu bilden: Dies war jedoch am 12. Dezember 1955, zu dem Zeitpunkt, an dem die Entscheidungen ergingen, deren Rechtmäßigkeit angefochten wird, noch nicht der Fall.

    Zu diesem Zeitpunkt sah die Lage folgendermaßen aus:

    1.

    Ein „Besoldungsrahmen“ mit 13 in Stufen unterteilten Besoldungsgruppen war vom Präsidentenausschuß in dessen Sitzung vom 9. Mai 1955 beschlossen worden, zur gleichen Zeit, als die entsprechenden Gehälter festgesetzt worden waren:

    2.

    Am 25. November 1955 hatte das Präsidium der Gemeinsamen Versammlung infolge der Neuordnung der Dienststellen des Sekretariats der Gemeinsamen Versammlung eine ganze Reihe von Beschlüssen gefaßt, die sich für unsere Zwecke wie folgt zusammenfassen lassen:

    Aufstellung' einer „job description list“, d.h. einer vollständigen Tabelle, aus der die Einordnung der vom Präsidentenausschuß festgelegten Planstellen nach Gruppen und Kategorien hervorgeht, und zwar unter Beschreibung der Aufgaben, die jeder einzelnen von ihnen entsprechen;

    Beschluß, ab 1. Januar 1956 die vom Präsidentenausschuß am 9. Mai 1955 festgesetzten Gehälter auszuzahlen;

    schließlich folgender Beschluß, den ich wörtlich zitiere:

    „Auf Vorschlag von Herrn Fohrmann und nach Anhörung von Herrn de Nerée, der sich dem Vorschlag des kleinen Präsidiums anschließt, beschließt das Präsidium nach Erörterung der Frage:

    Im Rahmen des Neuaufbaus des Sekretariats der Gemeinsamen Versammlung und insbesondere in Anbetracht der Beschlüsse des Präsidiums vom 27. Oktober 1954. die jährlichen und zweijährlichen Gehaltsstufen betreffend, treten die nachstehend aufgeführten Ernennungen und Beförderungen an dem Tage in Kraft, der in den vom Präsidenten jedem Betroffenen zu gegebener Zeit auszuhändigenden individuellen Entscheidungen oder Erlassen bestimmt ist.“

    Es folgt eine Aufstellung aller Bediensteten der Gemeinsamen Versammlung, aufgeteilt nach Gruppen und Stufen. Darunter befinden sich die fünf Kläger:

    Herr Genuardi,

    Gruppe 2, Stufe 1

    Herr Cicconardi,

    Gruppe 3, Stufe 5

    Frau Steichen,

    Gruppe 8, Stufe 5

    Frau Couturaud,

    Gruppe 9 A, Stufe 5

    Frl. Algera,

    Gruppe 9 A, Stufe 3

    Dies war, kurz, die Lage am Vorabend des 12. Dezember 1955. Was hat sich an diesem Tage ereignet?

    1.

    Der Präsidentenausschuß stellte in seiner vierzehnten Sitzung fest, das Personalstatut sei für die drei Organe, ausgenommen den Ministerrat, endgültig angenommen, und was letzteren angeht, so nehme er davon Kenntnis, daß dessen Präsident erklärt habe, vor einer endgültigen Zustimmung erst seine Kollegen befragen zu müssen. In der Sitzungsniederschrift heißt es weiter:

    „Was das Verfahren für die Ausarbeitung (‚redaction‘) der Anlagen betrifft, so beschließt der Ausschuß, daß die Verwaltungen der Organe miteinander Fühlung aufnehmen. Er betont gleichzeitig, daß sich diese Fühlungnahme auf eine Harmonisierung der Textfassung zu richten hat, der freiwilligen (‚facultatif‘) Natur der Anlagen jedoch keinen Abbruch tun darf.“

    Gerade zu diesen Anlagen (für die, laut Personalstatut, die Organe zuständig sind) gehören nun der in Übereinstimmung mit der „job description“ festgesetzte Stellenplan und die Tabelle mit der Einordnung der Planstellen in die vom Präsidentenausschuß beschlossenen Gehaltsstufen;

    2.

    Am gleichen Tage — „am späten Abend“, wie die Gemeinsame Versammlung dargelegt hat — händigte der Präsident dieses Organs jedem der betroffenen Bediensteten einen von ihm und vom Generalsekretär unterzeichneten Erlaß aus, wonach dem Betreffenden die Rechtsvorteile des Personalstatuts gewährt worden seien. Angesichts der Bedeutung dieser Erlasse, aus denen die Kläger die wohlerworbenen Rechte ableiten, auf die sie ihre Klagen stützen, halte ich es für erforderlich, Sie an den genauen Wortlaut zu erinnern: Hier z. B. der Frl. Algera betreffende Erlaß:

    „Le Président de l'Assemblée Commune de la Communauté européenne du charbon et de l'acier

    Vu l'article 45 du Règlement de l'Assemblée Commune, arrêté par l'Assemblée dans sa séance du 10 janvier 1955, modifié dans ses séances des 16 janvier 1955 et 12 mai 1954,

    Vu les dispositions du Règlement administratif intérieur de l'Assemblée, arrêtées par le Bureau dans sa séance du 25 novembre 1955,

    Vu les délibérations du Bureau en date du 25 novembre 1955, (die ich gerade dargelegt habe),

    Vu la déclaration écrite de Mademoiselle Algera en date du 12 décembre 1955, déclarant qu'elle veut bénéficier du Statut des fonctionnaires,

    ARRÊTE:

    1.

    Le contrat d'emploi conclu entre l'Assemblée Commune de la Communauté européenne du charbon et de l'acier, d'une part, et Mademoiselle Algera. d'autre part, et expirant le 31 décembre 1955, cessera d'être en vigueur au 31 décembre 1955.

    2.

    Le Reglement provisoire et ses annexes, mis en vigueur à dater du 1er juillet 1955, par décision du Bureau de l'Assemblée Commune en date du 15 juin 1933, cessent d'être en vigueur au 31 décembre 1955.

    3.

    A dater du 1er janvier 1956, Mademoiselle Algera, Dini

    EST ADMISE AU BÉNÉFICE DU STATUT

    est nommée au grade d'Assistant I

    prend rang au troisieme échelon d'ancienneté.

    4.

    En attendant la mise en vigueur, totale ou partielle, des dispositions du Statut et de ses annexes, et dans le cadre des modifica tions intervenues par suite de l'entrée en vigueur du Règlement administratif intérieur, les articles du contrat et du Règlement provisoire cessant l'un et l'autre d'être en vigueur au 31 décembre 1955 et énumérés en annexe seront appliqués à titre transitoire.

    L'annexe ci-jointe fait partie intégrante du présent arrêté.

    Luxembourg, le 12 décembre 1955.

    Le président de l'Assemblée Commune.

    (s) G. Pella

    Le secrétaire général de l'Assemblée Commune,

    (s) de Nerée“

    Lassen Sie midi einen Augenblick bei jenem späten Tage des 12. Dezember 1955 verweilen, um zu ergründen, wie die Dinge damals lagen, und zwar sowohl vom Standpunkt des Präsidentenausschusses wie auch von demjenigen der Gemeinsamen Versammlung aus betrachtet.

    Was die letztere angeht, so scheinen die Dinge recht klar zu liegen: Die Gemeinsame Versammlung hat sich darauf beschränkt, die Beschlüsse ihres Präsidiums durchzuführen, in der Form individueller Erlasse über die Zulassung der Bediensteten zum Statut unter Berufung in das ständige Bedienstetenverhältnis und Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe und -stufe, bei gleichzeitiger Aushändigung dieser Erlasse an die Betroffenen. Dieses Vorgehen läßt sich nur so erklären, daß nach Ansicht der Gemeinsamen Versammlung der Präsidentenausschuß die für die jeweilige Einstufung der Bediensteten erforderlichen Entscheidungen bereits erlassen habe, was soviel bedeutet, wie der Präsidentenausschuß habe dadurch, daß er am 9. Mai 1955 die Tabelle erlassen habe, welche die Gehaltsgruppen und -stufen enthält, seine Entscheidungsbefugnisse verbraucht, so daß alle weiteren Maßnahmen in den Zuständigkeitsbereich der Organe fielen. Es bleibt eine einzige Schwierigkeit übrig, die jedoch nur die talsächliche Durchführung der zwecks Übernahme in das beamtete Bedienstetenverhältnis ordnungsgemäß ergangenen Erlasse betrifft: in Ermangelung eines ordnungsgemäß beschlossenen und bekannt gemachten Personalstatuts fehlt es nämlich an der Gewißheit eines baldigen Inkrafttretens dieses Personalstatuts: Zur Behebung dieser Schwierigkeit schien der Gemeinsamen Versammlung jedoch der Beschluß des Präsidentenausschusses auszureichen, in dem es heißt, das Personalstatut sei von drei Organen, darunter der Gemeinsamen Versammlung, endgültig angenommen. (Die endgültige Annahme für alle vier Organe erfolgte tatsächlich erst am 28. Januar 1956.) Was den Passus über die Ausarbeitung der Anlagen angeht, so sah die Gemeinsame Versammlung darin sicher lediglich eine Bestätigung ihrer Unabhängigkeit, da die Sitzungsniederschrift sich darauf beschränkt, eine Fühlungnahme der Verwaltungen im Hinblick auf eine Angleichung der „Textfassungen“ vorzusehen, was der „freiwilligen“ (facultatif) Natur der Anlagen jedoch keinen Abbruch tun dürfe: Diese Wendungen sollten ohne Zweifel bedeuten, daß die Gehaltstabellen, so wie sie von den Organen beschlossen worden waren, auf jeden Fall, wie von der Gemeinsamen Versammlung für ihre Zwecke beschlossen, in die Anlage I aufzunehmen seien, die darüber hinaus, wie auch die übrigen Anlagen, vor ihrer Abfassung Gegenstand einer gemeinsamen vorbereitenden Prüfung sein würden, wobei jedoch jedem Organ und in jeder Hinsicht die endgültige Entscheidungsbefugnis vorbehalten bleibe.

    Was den Präsidentenausschuß angeht, so steht eines fest, daß er nämlich am 12. Dezember 1955 zu der Rechtsfrage, die uns beschäftigt, noch nicht offiziell Stellung genommen hatte. Andererseits hat keines der drei Organe, mit Ausnahme der Gemeinsamen Versammlung, geglaubt, für seine Zwecke eine Gehaltstabelle erlassen und noch weniger, seine Angestellten unter individueller gehaltsmäßiger Einstufung in das ständige Bedienstetenverhältnis berufen zu müssen — oder können. Es ist daher anzunehmen, daß sich die vorherigen „Harnionisierungsarbeiten“, um die er die Organe bei der Ausarbeitung der Anlagen ersucht hatte, nach Ansicht des Präsidentenausschusses nicht nur auf die eigentliche Fassung der Texte, sondern auch auf die Ausarbeitung der in die Anlage I aufzunehmenden Gehaltslabellen erstrecken sollten.

    Daß diese Rechtsunsicherheit — um nicht zu sagen Mehrdeutigkeit — Fortwirkt, muß jedoch zugegeben werden.

    Seit März 1956 kann von Mehrdeutigkeit jedoch nicht mehr die Rede sein. Tatsächlich:

    hat nämlich das Präsidium der Gemeinsamen Versammlung, wie aus der Sitzungsniederschrift vom 15. März 1956 hervorgeht, in einer vertraulichen Sitzung beschlossen:

    dem Ersuchen des Präsidenten der Hohen Behörde stattzugeben und mit den anderen Organen einen möglichst übereinstimmenden Stellenplan auszuarbeiten. Diese positive Antwort auf das Ersuchen des Präsidenten der Hohen Behörde ist in keiner Weise als Auslegung von Artikel 78 des Vertrages anzusehen und darf keineswegs die Autonomie der Beschlüsse des Präsidiums der Versammlung beeinträchtigen, sollte es trotz aller Bemühungen nicht möglich sein, eine Angleichung zu erzielen“.

    Andererseits hat der Präsidentenausschuß, der bereits am 5. März 1956

    „den einmütigen Willen der leitenden Persönliclikeiten der vier Organe … zur Harmonisierung der Besoldungsgruppen und Gehälter des Personals in allen Organen der Gemeinschaft zu gelangen“, festgestellt hat, am 29. März beschlossen, eine Arbeitsgruppe „damit zu beauftragen, eine Harmonisierung zwischen den Tabellen der Funktionen und Besoldungsgruppen anzustreben und zu erreichen, um das Inkrafttreten eines gemeinsamen Statuts für das Personal der Gemeinschaft, seiner Anlagen und der Personalordnung zu ermöglichen“.

    Die Dinge liegen jetzt somit folgendermaßen:

    1.

    Der Präsidentenausschuß und die Gemeinsame Versammlung stimmen darin überein, zunächst die Angleichungsarbeiten durchzuführen und das Personalstatut nicht sofort in Kraft zu setzen.

    2.

    Die Gemeinsame Versammlung hält ausdrücklich ihren grundsätzlichen Standpunkt der „Souveränität“ auf dem in Frage stehenden Gebiet aufrecht und behält sich für den Fall eines Scheiterns alle Rechte vor.

    5.

    Der Präsidentenausschuß nimmt zu dieser grundsätzlichen Frage auch weiterhin nicht Stellung.

    4.

    Selbst bei den nächsten Schritten sind „Schattierungen“ zu unterscheiden, die von Bedeutung sind: Die Gemeinsame Versammlung erklärt sich lediglich zur Teilnahme an der Ausarbeitung eines „möglichst übereinstimmenden“ Stellenplans bereit, so daß sie von vornherein gewisse mögliche Abweichungen hinsichtlich ähnlicher Stellen bei den verschiedenen Organen in Kauf zu nehmen gewillt erscheint; Abweichungen, die jedoch einem Inkrafttreten des gemeinsamen Personalstatuts nicht im Wege stehen sollen. Der Präsidentenausschuß dagegen macht das Inkrafttreten des Personalstatuts einschließlich der Anlagen und der Personalordnung ausdrücklich von der Beendigung, d. h. ohne Zweifel von dem vollständigen Abschluß der Angleichungsarbeiten, abhängig: Im Falle eines Scheiterns — das zu vermeiden man um jeden Preis gewillt ist — wäre daher das Ergebnis die Einführung vier verschiedener, von jedem der vier Organe erlassener Personalstatute.

    Ich werde über die nachfolgenden Zeitabschnitte, die keine Änderung der einzelnen Auffassungen erkennen lassen, schnell hinweggehen. Ich weise lediglich darauf hin, daß der vom Präsidentenausschuß mit der Durchführung der Angleichungsarbeiten beauftragte Ausschuß (nach dem Namen seines Vorsitzenden, Richter am Gerichtshof, „Delvaux-Komitee“ genannt) sich nicht darauf beschränkt hat, sich seines Auftrags in abstrakter Form zu entledigen, sondern konkrete Lösungen für die Regelung der Fälle derjenigen Bediensteten vorgeschlagen hat, die nach den neuen Gehaltstabellen, dem Grad und der Stufe nach, niedriger eingestuft worden sind, als dies am 12. Dezember 1955 geschehen war; diese Lösung bestand in der Zubilligung einer „differenzierten Entschädigung“, mit dem Ziel, den betreffenden Bediensteten die Weiterzahlung der Gehälter zu gewährleisten, die ihrer ersten Einstufung entsprachen. Ich weise weiter darauf hin, daß der Präsident der Gemeinsamen Versammlung seine grundsätzlichen Vorbehalte auch weiterhin aufrechterhalten hat, insbesondere aus Anlaß der vorgesehenen Übergangsmaßnahmen. „Er weist jedoch darauf hin“, heißt es in der Sitzungsniederschrift der Sitzung des Präsidentenausschusses vom 12. Mai 1956, „daß dieser Beschluß (es handelt sich um die vom Delvaux-Komitee vorgeschlagenen Übergangsmaßnahmen, die von den vier Präsidenten im Grundsatz gebilligt worden sind) nicht eine Haltung zugrunde legen darf, die die Gemeinsame Versammlung noch nicht endgültig annehmen kann. Diese endgültige Annahme hängt nämlich davon ab, ob es möglich sein wird, die Schwierigkeiten zu überwinden, die durch die Übergangsmaßnahmen hervorgerufen werden, eine Voraussetzung, welche notwendig ist, um die Annahme eines gesonderten Personalstatuts für die Gemeinsame Versammlung zu vermeiden“. Die Befugnis, das Personalstatut für ihre Bediensteten zu erlassen, sowie die völlige Freiheit bei deren Einstufung in die vom Präsidentenausschuß festgesetzte Gehaltstabelle werden zugunsten der Gemeinsamen Versammlung von ihrem Präsidenten, der sich den verschiedenen, zum Zwecke einer Angleichung unternommenen Anstrengungen nur des guten Willens halber anschließt, erneut ausdrücklich in Anspruch genommen.

    Ich komme jetzt zu den Entscheidungen oder Verwaltungsakten, die den angefochtenen Entscheidungen unmittelbar vorangegangen oder gleichzeitig mit diesen ergangen sind:

    1.

    Sitzung des Präsidentenausschusses am 15. Juni 1956. In der Sitzungsniederschrift heißt es wie folgt: „Was die Gemeinsame Versammlung betrifft, so wird von der Erklärung ihres Präsidenten Kenntnis genommen, daß er das Präsidium der Versammlung mit den Vorschlägen und Anregungen des Ausschusses für die Angleichung der Gehälter (des Delvaux-Komitees) befassen und schriftlich sein Einverständnis oder seine Abänderungsvorschläge bekanntgeben werde, und zwar nach Fühlungnahme mit den Bediensteten der Versammlung zum Zwecke einer eventuellen gütlichen Regelung, wie sie vom Ausschuß angeregt worden sei.“ Ich füge jedoch hinzu, daß Herr Delvaux festgestellt hat, „das besondere Komitee habe nicht alle für eine erfolgreiche Durchführung seines Auftrages erforderlichen Befugnisse gehabt; er beantragt mit Zustimmung seiner Kollegen Rasquin, Vanrullen und Finet, den Auftrag als erledigt zu betrachten, und bittet um entsprechende Entlastung“.

    2.

    Sitzung des Präsidiums der Gemeinsamen Versammlung am 19. Juni 1956. Auszug aus der Sitzungsniederschrift, Seite 4, Absatz 2 und 3, die mir am wichtigsten erscheinen, im Wortlaut:

    „2.

    Das Präsidium hat Herrn Vizepräsidenten Vanrullen beauftragt, seine Aufgabe fortzuführen, mit dem Ziel, das Problem der Neueinstufung und der damit verbundenen Maßnahmen unter Zugrundelegung der vom Delvaux-Komitee unterbreiteten und vom Ausschuß der Vier Präsidenten in seiner Sitzung vom 15. Juni 1956 angenommenen Vorschläge zu lösen;

    3.

    Das Präsidium hat alle seine Verwaltungsbefugnisse an Herrn Vanrullen zur Ausführung des unter 2. erwähnten Auftrags übertragen.

    3.

    Sitzung des Präsidiums am 22. Juni 1956. Aus der Sitzimgsniederschrift ist festzuhalten, daß das Präsidium sich damit zufriedengegeben hat, daß, wenn auch nicht das gesamte Personal, so doch der größte Teil desselben bei der Gemeinsamen Versammlung verbleibt.

    4.

    Am 27. Juni 1956, ein im Namen des Präsidenten von Herrn Vanrullen an jeden der von den Angleichungsmaßnahmen betroffenen Bediensteten gerichtetes Schreiben. Ich halte es für erforderlich, Ihnen den wesentlichen Inhalt dieses Schreibens vorzutragen:

    „Mademoiselle (ich zitiere stets das an Frl. Algera gerichtete Schreiben)

    Par arrête du 12 décembre 1955, vous avez été admise au bénéfice du Statut et nominé au grade d'Assistant I.

    Le bureau de l'Assemblée Commune se propose de mettre prochainement en application le Statut commun aux quatre Institutions, adopté par la Commission des quatre Présidents le 28 janvier 1956.

    D'après les dispositions de ce Statut et de ses annexes et notamment du barême des traitements et du tableau de correspondance entre les grades et les emplois, les fonctions que vous exercez correspondent au grade 11 et à la catégorie C (Assistant II).

    En conséquence et compte tenu de votre ancienneté, votre titularisation, conformément à l'article 2-2o et aux dispositions transitoires du Statut, interviendra dans les conditions suivantes:

    1o

    Vous serez nommée fonctionnaire titulaire de la catégorie C. grade 11, échelon 8, avec une ancienneté d'échelon au 1. 1. 1956.

    2o

    Le point de départ de votre ancienneté générale de service sera fixé au 1. 2. 1955.

    3o

    Si le classement ci-dessus entraîne pour vous des émoluments inférieurs à ceux que vous percevez actuellement, vous bénéficierez jusqu'au 30 juin 1958, d'une indemnité compensatoire calculée conformément aux dispositions de l'art. 60 du Statut.

    4o

    Le maximum de bonification d'ancienneté prévue à l'art. 108 du Règlement Général de la Communauté (Régime des Pensions) vous sera accordé.

    Afin de permettre au bureau de l'Assemblée de statuer dans les meilleurs délais, je considérerai votre acceptation des propositions ci-dessus comme acquise, si je ne suis pas en possession d'une réponse négative de votre part avant le 10 juillet 1956.

    Veuillez agréer, Mademoiselle, l'expression de mes sentiments distingués.

    Pour le président de l'Assemblée Commune

    (s) Emile Vanrullen

    vice-président

    5.

    Am 7. Juli weigern sich eine Reihe von Bediensteten, die in dem Schreiben vom27. Juni enthaltenen Bedingungen anzunehmen, und bestehen auf der Aufrechterhaltung der Entscheidung vom 12. Dezember 1955 schlechthin.

    6.

    Am 12. Juli teilt Herr Vanrullen in einem wieder im Namen des Präsidenten unterzeichneten Schreiben folgendes mit:

    „Mademoiselle,

    Par lettre du 7 juillet 1956 vous m'avez marqué votre désaccord sur les conditions dans lesquelles pourrait intervenir votre titularisation en application des dispositions de l'art. 2-2o et des dispositions transitoires du Statut.

    Dans ces conditions, et pour autant que vous maintenez le point de vue exprimé dans votre lettre précitée, le Statut, lors de sa mise en application par le bureau de l'Assemblée Commune, ne pourra vous être appliqué qu'en qualité de fonctionnaire temporaire, bénéficiaire d'un contrat d'un an, renouvelable deux fois dans les limites de l'art. 2-3o du Statut.

    Je vous prie de me faire savoir avant le 21 juillet si ces propositions rencontrent votre accord. Vous trouverez ci-joint un modèle de contrat.

    Si, au 20 juillet je n'étais pas en possession de votre réponse, je devrais considérer que vous renoncez au bénéfice des dispositions de l'arrêté à vous remis le 12-12-1955 et que par là devient caduque votre renonciation au bénéfice des dispositions de votre contrat, du Règlement provisoire du personnel de l'Assemblée Commune du 1er juillet 1953 et de l'application du tableau de hiérarchie et de traitements arrêté par le bureau en sa réunion du 27 octobre 1954, qui rentrent pour vous en vigueur.

    Votre contrat, qui normalement est venu à expiration le 31-12-1955 sera alors prorogé une dernière fois du 1er janvier 1956 au 31 décembre 1956 au traitement de 2.754 UEP., fixé par le bureau au cours de sa réunion du 25 novembre 1955.

    Veuillez agréer, Mademoiselle, l'expression de mes sentiments distingués.

    Pour le président de l'Assemblée Commune

    (s) Emile Vanrullen

    vice-président“

    7.

    Am 19. Juli, Schreiben der Kläger: keine Änderung ihrer Haltung.

    8.

    Am 10. Oktober erhält das Personal die „Mitteilung“ Nr. 56/12, in welcher die vom Präsidium am 1. Oktober gefaßten Beschlüsse mitgeteilt werden. Die wesentlichen Stellen sind die folgenden:

    a)

    Einführung des gemeinsamen Personalstatuts und der Personalordnung rückwirkend zum 1. Juli 1956 für diejenigen Bediensteten, die die Vorschläge von Herrn Vanrullen mit oder ohne Vorbehalt angenommen hatten.

    b)

    Einführung der Anlagen zum gemeinsamen Personalstatut für die gleichen Bediensteten und mit der gleichen rückwirkenden Kraft

    „unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikels 62 Absatz 3“

    dieses Personalstatuts, wonach die Anlagen von jedem Organ beschlossen werden und nach Anhörung des Personals und nach erfolgter Stellungnahme des Präsidentenausschusses abgeändert werden können.

    c)

    schließlich (ich zitiere)

    „über die Frage derjenigen Bediensteten, welche die Vorschläge von Herrn Vanrullen nicht angenommen haben, wird das neugewähltePräsidium (das seine Tätigkeit einen Monat später aufnehmen sollte) beschließen. Auf diese Bediensteten bleibt die Vorläufige Regelung über die Rechtsstellung des Personals anwendbar. Das Präsidium hat den Vize-Präsidenten Vanrullen und mich beauftragt, sofort alle Unterlagen zusammenzustellen, die erforderlich sind, um es dem neuen Präsidium zu ermöglichen, seine Entscheidung in voller Sachkenntnis zu treffen.

    Die Mitteilung trägt die Unterschrift des Generalsekretärs.

    Die Sitzungsniederschrift des Präsidiums vom 1. Oktober enthält folgenden Passus, der offensichtlich in der Mitteilung nicht wiedergegeben ist:

    „Herr Pella unterstreicht, daß der vom Präsidium gefaßte Beschluß in politischer, aber auch in rechtlicher Hinsicht von Bedeutung ist, und nach seiner Ansicht, der sich seine Kollegen anschließen, stellt der Beschluß des Präsidiums, die allen vier Organen gemeinsame Anlage I anzunehmen, die Rechtsgrundlage dar für die Vornahme bestimmter Abänderungen an den der Mehrzahl des Personals ausgehändigten Erlassen vom 12. Dezember 1955.“

    9.

    Am 15. Oktober Mitteilung Nr. 56/13 an das Personal, deren erster Satz wie folgt lautet:

    „Die Bezüge derjenigen Bediensteten, welche die im Rahmen der Harmonisierung unterbreiteten Vorschläge angenommen haben, sind für den Monat Oktober 1956 auf der Grundlage der Neueinstufung berechnet worden.“

    10.

    Schließlich hat das neugewählte Präsidium am 30. November 1956, unterAufrediterhaltung der angefochtenen Entscheidungen“, beschlossen, den Klägern den beantragten Aufschub zu bewilligen.

    Ich bitte wegen der Länge und Eintönigkeit der Aufzählung dieser Tatsachen um Entschuldigung: Ich hielt diese zur Klärung der Rechtslage in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht für erforderlich.

    Verfahrenstechnisch gesehen, stellt sich der Rechtsstreit, wie Sie wissen, unter zwei Aspekten dar, da die Kläger vermittels ihres Anwalts eine gemeinsame Nichtigkeitsklage und fünf Einzelklagen auf Zubilligung einer Entschädigung erhoben haben: die letzteren sind nur hilfsweise erhoben, für den Fall, daß nach der bei den französischen Anwälten so beliebten Formel „par impossible“ (was nicht zu erwarten steht) die Nichtigkeitsklage nicht zulässig sein sollte.

    II — DIE NICHTIGKEITSKLAGE (Rechtssache Nr. 7/56)

    Zulässigkeit

    In der Rechtssache Nr. 7/56 wird beantragt: (ich zitiere) „Nichtigerklärung der Entscheidung des Vize-Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung vom 12. Juli 1956, enthalten in einer Mitteilung Nr. 56/13 vom 15. Oktober 1956; mit dieser Entscheidung wird den Klägern, die die Angleichungsmaßnahmen, die sich für sie als Rückstufung auswirken, nicht hingenommen haben, die ihnen gewährte Zulassung zum Statut entzogen, und zwar unter Zurückverweisung in ein vertragliches Anstellungsverhältnis, das am 31. Dezember 1956 abläuft.“

    In der Klagebeantwortung äußert der Anwalt der Gemeinsamen Versammlung Zweifel in Hinsicht auf die' Zulässigkeit der Klage, weil diese sich gegen die Entscheidung 56/13 vom 15. Oktober richte. Er stellt die Entscheidung über diese Frage jedoch, und zwar ohne weiteren Nachdruck, in das billige Ermessen des Gerichtshofes.

    Tatsächlich wird, wie Sie gesehen haben, diese „Mitteilung“ vom 15. Oktober nicht gesondert angefochten; es wird die Nichtigerklärung der Entscheidung des Vize-Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung vom 12. Juli verlangt. Demgegenüber wird der in der Mitteilung 56/12 vom 10. Oktober enthaltene Beschluß des Präsidiums vom 1. Oktober 1956 nicht angefochten.

    Nach Artikel 43 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Gemeinsamen Versammlung, erlassen auf Grund des Artikels 25 des Vertrages und veröffentlicht im Amtsblatt der Gemeinschaft Nr. 13 vom 9. Juni 1954, Seite 402, werden die Zusammensetzung und die Organisation des Sekretariats der Gemeinsamen Versammlung, „insbesondere das Personalstatut und die Anstellungsbedingungen, vom Präsidium bestimmt…“. In Absatz 3 des gleichen Artikels heißt es ferner: „Das Präsidium bestimmt die Zahl der Bediensteten, die Gehaltsstufen, die Entschädigungen und Versorgungsbezüge und stellt die Voranschläge für die außerordentlichen Ausgaben, die für die Tätigkeit der Versammlung erforderlich sind, auf. Der Präsident der Versammlung schlägt dem in Artikel 78 Absatz 3 des Vertrages genannten Ausschuß der Präsidenten die Annahme dieser Schlußfolgerungen vor.“

    Die im Namen der Gemeinsamen Versammlung ausgeübten Befugnisse stehen also auf dem Gebiet, das uns hier angeht, dem Präsidium zu.

    Das Präsidium selbst hat eine „Innere Verwaltungsordnung“ erlassen, die nicht veröffentlicht worden ist, die jedoch bei den Akten liegt. Darin sind, für die gleiche Materie, die Bestimmungen der Geschäftsordnung der Gemeinsamen Versammlung übernommen worden. Es heißt dort jedoch darüber hinaus (Artikel 3 § 2), das Präsidium nimmt „gleichfalls zu allen möglicherweise zwischen der Verwaltung der Gemeinsamen Versammlung und ihren Bediensteten entstehenden Rechtsstreitigkeiten Stellung“. Schließlich wird die Gemeinsame Versammlung „gerichtlich und in allen die Verwaltung und die Finanzen betreffenden Verwaltungsakten“ durch den Präsidenten vertreten. Dieser kann seine Befugnisse durch Erlaß übertragen (Artikel 1 und 5).

    Im vorliegenden Falle steht zwar fest, daß die Entscheidungen vom Präsidium getroffen worden sind, es ist. aber sehr schwer zu sagen, durch melchen Verwaltungsakt und auf welche Weise diese Entscheidungen den fünf Klägern zugestellt oder ihnen einfach mitgeteilt worden sind. Es läßt sich sogar schwer erkennen, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidungen ergangen sind und ob durch das alte oder durch das neue Präsidium. Es hat den Anschein, daß sie das alte Präsidium erlassen hat, vorbehaltlich einer Bestätigung durch das neue, das im November 1956 in Tätigkeit treten sollte und das diese dann ausdrücklich bestätigt hat.

    Was die Beantwortung der Frage angeht, durch welchen Verwaltungsakt die Entscheidung des Präsidiums den Klägern gegenüber wirksam geworden sei, so ist ein Zögern erlaubt. Vergleicht man das Schreiben von Herrn Vanrullen vom 12. Juli 1956 mit demjenigen vom 27. Juni, so wird offenbar, daß es sich hierbei um eine Entscheidung handelt, die lediglich von der Bedingung abhing, daß der Betroffene nicht antwortet, d. h. nicht im bejahenden Sinne antwortet, wohlgemerkt: In dieser Hinsicht scheint mir die aufrechterhaltene Weigerung einer Nichtbeantwortung gleichzukommen. Die Bedingung ist erfüllt, weil die Weigerung tatsächlich bestätigt worden ist. Lassen Sie mich ferner daran erinnern, daß das Präsidium in seiner Sitzung vom 19. Juni 1956„alle seine Verwaltungsbefugnisse an Herrn Vanrullen zur Ausführung des unter 2. erwähnten Auftrages übertragen“ hatte, d. h. um „das Problem der Neueinstufung und der damit verbundenen Maßnahmen unter Zugrundelegung der vom Delvaux-Komitee unterbreiteten und vom Ausschuß der vier Präsidenten in seiner Sitzung vom 4. Juni 1956 angenommenen Vorschläge zu lösen“. War die Übertragung dieser Befugnisse rechtmäßig, und war Herr Vanrullen ermächtigt, von sich aus den Bediensteten gegenüber endgültige Entscheidungen zu erlassen? Dies ist sehr zweifelhaft, gleichwohl läßt sich daraus aber schwerlich auf die Nichtexistenz der Entscheidung schließen. Man könnte höchstens verlangen, sie hätte vom Präsidium bestätigt werden müssen, was tatsächlich auch geschehen ist.

    Wie der Anwalt der Kläger andererseits in einem Schriftsatz, in welchem er ihm vom Gerichtshof gestellte Fragen beantwortet, völlig richtig hervorgehoben hat, haben die Kläger sich „lediglich durch die Mitteilung 56/13 darüber Rechenschaft geben können, und zwar auf ein Auskunftsverlangen ihrerseits über die Höhe der zur Abführung an die Pensionskasse einbehaltenen Abzüge, um hierdurch die Flöhe ihrer tatsächlichen Bezüge zu erfahren, daß die von Herrn Vanrullen gemachten Vorschläge vom Präsidium … bestätigt worden waren; in der Mitteilung 56/12 war dies mit Stillschweigen übergangen worden“.

    Es ist also im Ergebnis nicht ersichtlich, welcher andere, den Klägern zur Kenntnis gebrachte Verwaltungsakt geeignet gewesen wäre, von ihnen als Wiedergabe der vom Präsidium getroffenen Entscheidung angefochten zu werden.

    Ich halte die Klage daher für zulässig.

    Es stellt sich eine weitere Vorfrage, die, soweit dabei Zweifel auftauchen sollten, von Amts wegen zu prüfen ist: die Frage nach der Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Entscheidung dieses Rechtsstreits. Man kann, um diese Zuständigkeit zu begründen, sich auf Artikel 42 des Vertrages, der die Schiedsklausel enthält (und der die Rechtsgrundlage für die Regelung der Zuständigkeitsfrage in der Vorläufigen Regelung über die Rechtsstellung des Personals war, soweit es sich noch um vertragliche Anstellungsverhältnisse handelte), oder auf Artikel 58 des neuen allgemeinen Personalstatuts berufen, wonach „Streitfälle zwischen der Gemeinschaft und einer unter dieses Statut fallenden Person bei dem Gerichtshof anhängig“ zu machen sind. Beide Bestimmungen können auch zusammengezogen werden: Fest steht, daß es keine „Lücke“ zwischen den beiden Regelungen geben darf und daß der Gerichtshof, zuständig für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, die aus den Anstellungsverträgen und aus dem Personalstatut erwachsen sollten, notwendigerweise auch für die Entscheidung eines Rechtsstreits zuständig sein muß, in dem ein vertraglich angestellter Bediensteter wohlerworbene Rechte aus einer Entscheidung geltend macht, in der das Personalstatut zu seinen Gunsten vorzeitig zur Anwendung gelangt ist.

    Ich komme jetzt zu der Frage nach der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen. Es wird ein einziger Klagegrund vorgetragen: die Verletzung der jedem Kläger aus den Erlassen vom 12. Dezember 1955 erwachsenen wohlerworbenen Rechte.

    Ich stelle zunächst die Frage nach der Tragweite dieser verschiedenen Erlasse, und zwar unter dem Gesichtspunkt, der uns hier angeht. Handelt es sich hier um eine, subjektive Rechte verleihende, individuelle Entscheidung?

    Die Bejahung steht außer Zweifel. Ich zitiere Absatz 3 der Erlasse:

    „A dater du 1er janvier 1956, Mademoiselle Algera, Dini … Est adinis(e) au bénéfice du Statut… nonmé(e) au grade d'assistant I prend rang au troisième échelon d'ancienneté.“

    Die Entscheidung enthält keinerlei Vorbehalt, keinerlei Bestimmung, aus der auf ihre vorübergehende Natur zu schließen wäre. Sie wurde schließlich ordnungsgemäß zugestellt.

    Ich bin ferner der Ansicht, daß sie nicht in ihre Bestandteile getrennt werden kann. Ich behaupte insbesondere, daß die Zulassung zum Statut und die Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe und -stufe nicht gesondert betrachtet werden dürfen. Die Zulassung eines Bediensteten zum Statut stellt tatsächlich einen Gesamtvorgang dar, mit dem Ziel der Eingliederung der bereits beschäftigten Bediensteten in den neuen Personalbestand unter Berücksichtigung der Natur der zu besetzenden Planstellen und der Befähigung der Betreffenden zur Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben.

    Diese Auffassung dürfte in Artikel 59 des Personalstatuts zum Ausdruck gekommen sein, wenn es dort heißt: „die Bediensteten (zu unterstellen: die bereits beschäftigten) können in einer der in Artikel 24 dieses Statuts genannten Kategorien oder Kader als beamtete Bedienstete angestellt werden“, soweit sie gewisse Voraussetzungen erfüllen. Die Zulassung zum Statut erfolgt in der Form der Berufung in das beamtete Bedienstetenverhältnis — endgültig oder auf Probe — unter Einstufung in eine bestimmte Gehaltsgruppe (Artikel 60), genau wie bei den zukünftig einzustellenden Bediensteten (Artikel 1 und 2), so daß der einzige Zweck der Übergangsbestimmungen, wie bereits ausgeführt, darin besteht, die bereits beschäftigten Bediensteten von den Erfordernissen, die bei zukünftigen Einstellungen zu beachten sind, zu befreien und deren sofortige Einstufung in irgendeine der vorgesehenen Gehaltsgruppen und -stufen zu ermöglichen. Da die endgültige Übernahme in das beamtete Bedienstetenverhältnis den Verzicht der Bediensteten auf alle ihnen aus den Anstellungsverträgen zustehenden Rechte voraussetzt, so haben diese, um sich in völliger Kenntnis aller Umstände entscheiden zu können, einen Anspruch darauf, zu erfahren, welchen Dienstgrad und welches Dienstalter die Verwaltung bei der Übernahme für sie vorgesehen hat und nicht nur die Grundsatzentscheidung, sie für würdig zu befinden, unter das Personalstatut fallende Bedienstete zu werden: Dieser Vorgang enthält einen gewissen vertragsartigen Bestandteil durch die Tatsache, daß den Bediensteten hier ein Wahlrecht offensteht.

    Nachdem feststeht, daß die Entscheidung nicht in ihre Bestandteile getrennt werden kann und daß sie als subjektive Rechte verleihende individuelle Entscheidung anzusehen ist, stellt sich die Frage, ob sie widerrufen oder abgeändert werden konnte.

    Ich halte es hier für angebracht, auf die im Verwaltungsrecht überlieferte Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Entscheidungen zurückzugreifen.

    Es gilt dort der Grundsatz, daß individuelle Entscheidungen, soweit sie rechtmäßig sind, nicht widerrufen werden können: Dem Empfänger erwachsen aus diesen Entscheidungen subjektive Rechte, deren Beachtung er verlangen kann. Hierin gerade unterscheiden sich diese Entscheidungen von einem Gesetz und einer Verordnung, die, soweit nichts anderes bestimmt sein sollte, auf alle beschäftigten Bediensteten Anwendung finden würden, ohne daß diese sich auf subjektive, angeblich kraft vorangegangener Gesetze oder Verordnungen erworbene „Rechte“ berufen könnten; es genügt nach den allgemeinen Grundsätzen, daß das betreffende Gesetz oder die betreffende Verordnung keine rückwirkende Kraft besitzt. So würde z. B. eine neue, selbst niedrigere Gehaltstabelle, eine neue, selbst niedrigere Altersgrenze mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes oder der Verordnung, die diese Gehaltstabelle oder diese Altersgrenze festsetzen, für alle dann bereits beschäftigten Bediensteten verbindlich. Dagegen schafft eine individuelle Entscheidung (z. B. eine Ernennung, Beförderung) mit dem Zeitpunkt, zu dem sie rechtmäßig ergeht, einen wohlerworbenen Anspruch auf ihre Aufrechterhaltung.

    Diese Lösung, die dauerhafte Rechtsverhältnisse gewährleistet und die im Rahmen der einseitigen Rechtsbeziehungen im öffentlichen Recht den Auswirkungen eines Vertrages bei mehrseitigen Rechtsbeziehungen entspricht, ist in allen unseren sechs Ländern geltendes Recht.

    Heikler ist die Frage des Widerrufs rechtswidriger individueller Entscheidungen. In Frankreich ist, laut ständiger — man könnte fast sagen, klassischer — Rechtsprechung des Conseil d'Etat, der Widerruf subjektive Rechte verleihender individueller Entscheidungen zulässig, wenn diese rechtswidrig sind, jedoch nur innerhalb der Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage und, falls bereits eine Anfechtungsklage erhoben sein sollte, bis zum Erlaß des Urteils. Auf diese Rechtsprechung berufen sich die Kläger, da im vorliegenden Falle jedoch eine Anfechtungsfrist nicht vorgesehen ist (diese ist erst mit der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vom 21. Februar 1957 eingeführt worden), behaupten sie, die Erlasse hätten überhaupt nicht widerrufen werden dürfen, was darauf hinausliefe, rechtswidrige Entscheidungen als ebenso schutzwürdig anzuerkennen wie rechtmäßig ergangene Entscheidungen.

    Diese Behauptung, meine Herren, ist unhaltbar. Unter den sechs Ländern der Gemeinschaft scheint lediglich in Frankreich der Widerruf der rechtswidrigen Verwaltungsakte an die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage gebunden zu sein. In Deutschland war die Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte der Beamten in der Weimarer Verfassung (Artikel 129) feierlich verankert worden; sie stellt einen der „hergebrachten Grundsätze“ dar, die gemäß Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes ausdrücklich zu beachten sind: Als wohlerworbene Rechte der Beamten beeinträchtigende Maßnahmen sind z. B. solche betrachtet worden, die sich mit rückwirkender Kraft auf die Einstufung bezogen (BGH, Großer Senat, 11. Juni 1952, Neue Juristenzeitung, 52/933; § 87 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953). Wenn auch subjektive Rechte verleihende Verwaltungsakte nicht willkürlich widerrufen werden können, so kann dies doch in einer Reihe von Fällen geschehen und insbesondere dann, wenn der Verwaltungsakt einer zwingenden gesetzlichen Bestimmung zuwiderläuft oder in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen ist (z. B. Fehlen der erforderlichen Zustimmung einer anderen Behörde); die Tatsache, daß subjektive öffentliche Rechte durch Verwaltungsakt begründet werden (z. B. Ernennung, Einstufung usw.), steht einem Widerruf dieses Verwaltungsaktes, soweit die Rechtsgrundlage fehlen sollte, nicht entgegen (Hessischer VGH, 2. Dezember 1949, DVBL 50/681).

    Der Gerichtshof wird darüber zu befinden haben, inwieweit, sobald Artikel 58 anwendbar sein wird (und er ist es heute), eine aus der französischen Rechtsprechung hergeleitete, die wohlerworbenen Rechte der Beamten wahrende Rechtsprechung erwünscht ist. Was ich in diesem Augenblick persönlich einzuräumen gewillt bin, ist die Vorstellung einer „angemessenen Frist“: Es würde das Billigkeitsgefühl tatsächlich schwer verletzen, wollte man einer Behörde den Widerruf selbst rechtswidrig verliehener, wohlerworbener Rechte gestatten, die während vieler Monate, ja sogar Jahre, ihre Wirksamkeit entfaltet haben. Ich stimme hierin mit Fischbach, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz 1954, Seite 137, überein. Hiervon kann jedoch im vorliegenden Falle offensichtlich nicht die Rede sein.

    Ist es daher erforderlich, die Erlasse vom 12. Dezember 1955 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen, und zwar dahingehend, ob die Gemeinsame Versammlung und der Präsidentenausschuß ihre jeweilige Zuständigkeit nicht etwa überschritten haben?

    Ich kann diese Prüfung nicht eher für notwendig erachten, bevor nicht eine weitere Frage geklärt ist.

    Man kann sich tatsächlich die Frage stellen, ob die Entscheidung der Gemeinsamen Versammlung, die vom Delvaux-Komitee unterbreiteten Angleichungsvorschläge anzunehmen, nicht etwa eine novierende Wirkung gehabt habe, die es ihr gestattet hätte, die Erlasse vom 12. Dezember 1955, die sich auf eine andere Gehaltstabelle bezogen, zu widerrufen. Ich habe soeben darauf hingewiesen, daß die Bediensteten keinen wohlerworbenen Anspruch auf Aufrechterhaltung der auf Verordnungsebene ergangenen Entscheidungen haben, sondern lediglich darauf, daß diese keine rückwirkende Kraft entfalten. Andererseits müssen individuelle Verwaltungsakte einer Behörde mit den Verordnungen übereinstimmen, einschließlich derjenigen, die sie selbst erlassen hat. Wenn man daher behauptet, die Gemeinsame Versammlung habe, als sie die gemeinsame Angleichungstabelle annahm, eine Entscheidung auf Verordnungsebene getroffen, muß man dann nicht auch behaupten, daß sie infolgedessen die vorher kraft anderer Normen erfolgte Einstufung rückgängig machen durfte, ja sogar mußte? Es würde sich dann erübrigen, auf die grundsätzliche Frage einzugehen, denn:

    entweder man bekennt sich zu der von der Gemeinsamen Versammlung und ihrem Präsidenten ständig vertretenen Auffassung, wonach diese befugt gewesen sei, die den Planstellen entsprechenden Gehälter selbst festzusetzen: dann wären die Erlasse vom 12. Dezember 1955 rechtmäßig ergangen, die späteren individuellen Entscheidungen jedoch, die auf Grund eines neuen Stellenplanes mit entsprechender Gehaltstabelle (freiwillige Annahme des angeglichenen Stellenplanes) ergangen sind, gleichfalls. Dies scheint mir der Sinn der von Herrn Pella am 1. Oktober 1956 vor dem Präsidium abgegebenen Erklärung zu sein, die ich angeführt habe und in der es heißt, „die Entscheidung des Präsidiums, die allen vier Organen gemeinsame Anlage I (die wohlgemerkt den angeglichenen Stellenplan enthält) anzunehmen“, stelle „eine Rechtsgrundlage zur Vornahme gewisser Änderungen an den am 12. Dezember 1955 an die Mehrzahl der Bediensteten ausgehändigten Erlassen“ dar;

    oder man vertritt eine engere .Theorie über die Befugnisse der Gemeinsamen Versammlung, wonach die Erlasse vom 12. Dezember 1955 rechtswidrig ergangen seien, so daß diese rechtswidrigen Erlasse, wie ich ausgeführt habe, gleichfalls, wenn auch aus völlig anderen Gründen, widerrufen werden konnten; es bliebe dann lediglich zu prüfen, ob die neuen Entscheidungen nach ordnungsgemäßem Eingreifen des Präsidehtenausschusses ergangen sind und nicht etwa auch, wie die ersten, rechtswidrig sind.

    Diese Alternative ist verführend, weil sie es gestattet, dem Problem des Artikels 78 auszuweichen, ich glaube jedoch nicht, daß sie haltbar ist.

    Wenn man nämlich behauptet, die Gemeinsame Versammlung sei befugt gewesen, die Gehaltstabelle für die entsprechenden Planstellen selbst festzusetzen, so würde sich dies lediglich als eine interne, eng mit dem Dienststellenaufbau verbundene Maßnahme nicht satzungsmäßigen Inhalts darstellen: Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, wäre der einzige, der Eingliederung des Personals vorangegangene Rechtsetzungsakt der Erlaß der Gehaltstabelle mit den dazugehörigen Gehaltsstufen durch den Präsidentenausschuß. Mit der Festsetzung dieser Gehaltstabelle durch eine nicht zur Gemeinsamen Versammlung gehörende Behörde, wie sie der Präsidentenausschuß darstellt, muß der Gemeinsamen Versammlung in ihrer Eigenschaft als Organ die Befugnis zustehen, die individuellen Einstufungen in voller Freiheit vorzunehmen; ist dies einmal geschehen, dann haben die davon Betroffenen Rechte erworben, solange die Gehaltstabelle und die entsprechenden Gehälter nicht geändert werden.

    Hier zeigt sich deutlich der grundlegende Unterschied zwischen den Vorschriften mit Gesetzescharakter und den Regeln über den Dienststellenaufbau.

    Aus dem Begriff „Personalstatut“ selbst läßt sich entnehmen, daß der ordnungsgemäß ernannte oder, wie es in der französischen Rechtslehre (zur Unterscheidung des einseitigen statutmäßigen vom vertraglichen Anstellungsverhältnis) heißt, „belehnte“ („investi“) Bedienstete Inhaber — man sagt sogar zuweilen Eigentümer — seines Dienstgrades ist, der ihm nur unter den im Personalstatut vorgesehenen Voraussetzungen entzogen werden kann. Das gegenwärtige Personalstatut scheint mit diesen Grundsätzen übereinzustimmen, wenn man insbesondere Artikel 59 in Betracht zieht, wo von der „Anstellung in einer der Gruppen der in diesem Statut genannten Kategorien oder Kader“ die Rede ist. Sollte daher die Gehaltstabelle mit den entsprechenden Gehaltsstufen geändert werden, so könnte diese Änderung, wenn sie keine rückwirkende Kraft entfalten sollte, auf die zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Bediensteten erst in der Zukunft Anwendung finden, d. h. bei einer späteren Beförderung; dies kann unter den geschilderten Voraussetzungen deswegen geschehen, weil das Personalstatut der Gemeinschaft den Unterschied zwischen Dienstgrad und Dienststellung, wie er z. B. in Frankreich oder England geläufig ist, nicht kennt, sondern im Gegenteil Dienstgrad und Dienststellung zu einer rechtlichen Einheit verknüpft; die Abänderung der Gehaltstabelle gestattet jedoch keine Zurückstufung mit sofortiger und um so weniger mit rückwirkender Wirkung. Jede andere Auslegung käme einer Verkennung des Begriffs des Personalstatuts selbst gleich.

    Unter diesen Umständen scheint sich die wahre Alternative wie folgt zu stellen:

    Entweder die Gemeinsame Versammlung war befugt, die Gehaltstabelle mit den entsprechenden, vom Präsidentenausschuß festgesetzten Gehaltsstufen selbst zu erlassen: nachdem dies geschehen war — und zwar nach dieser Auffassung in rechtmäßiger Weise —, hätte sie nach Vornahme der individuellen Einstufung der Bediensteten unter Verleihung eines bestimmten Dienstgrades mit entsprechender Gehaltsstufe ihre Befugnisse erschöpft und wäre nicht berechtigt gewesen, diese individuellen Entscheidungen zum Zwecke einer neuen, die erste abändernden Einstufung zu widerrufen;

    oder der Gemeinsamen Versammlung stand diese Befugnis nicht allein, sondern nur gemeinsam mit dem Präsidentenausschuß zu. In diesem Falle wären die individuellen Entscheidungen rechtswidrig und hätten widerrufen werden können.

    Sie werden sich deshalb meines Erachtens mit der Auslegung des Artikels 78 des Vertrages zu beschäftigen haben.

    Es würde wohl eine Zumutung bedeuten, Ihnen den Artikel 78 wörtlich zu zitieren, den Sie auswendig kennen und der, wenn er auch in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten bereitet, doch nicht so unklar ist, wie behauptet worden ist: Die Trübung der Sicht ist, wie im Seekrieg, mitunter gewollt…

    Diese Vorschrift darf jedoch ohne Zweifel nur im Rahmen der großen Zusammenhänge des Vertrages betrachtet werden.

    Der Vertrag beruht auf einer Souveränitätsbeschränkung der Mitgliedstaaten zugunsten supranationaler Organe und zu einem festumrissenen Zweck, nämlich zur Errichtung eines Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl. Der den Vertrag beherrschende Rechtsgrundsatz ist der der begrenzten Zuständigkeit. Die Gemeinschaft ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, und als solche hat sie „die für die Durchführung ihrer Aufgaben und Erreichung ihrer Ziele erforderliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit“ (Artikel 6), jedoch auch nur diese; es handelt sich hier um eine Ausgestaltung des im öffentlichen Recht geläufigen Grundsatzes der Spezialität. Die Art und Weise der Ausübung der Befugnisse und die zu erreichenden Ziele sind im Vertrag genau festgelegt.

    Ferner wird (gleicher Artikel) „die Gemeinschaft… durch ihre Organe im Rahmen ihrer Befugnisse vertreten“. Diese Befugnisse selbst sind in allen Bestimmungen des Vertrages, in denen sie verliehen werden, eingehend festgelegt, und der Grundsatz der begrenzten Zuständigkeit (das, was als „verliehene Zuständigkeit“ [compétence d'attribution] bezeichnet wird) ist im Hinblick auf jedes Organ ausgesprochen: für die Hohe Behörde, die „für die Erreichung der in diesem Vertrage festgelegten Zwecke nach Maßgabe des Vertrages zu sorgen hat“, in Artikel 8. Für die Gemeinsame . Versammlung, die „die Kontrollbefugnisse“ ausübt, „die ihr nadi diesem Vertrag zustehen“, in Artikel 20. Für den Ministerrat, der „in den in diesem Vertrage vorgesehenen Fällen und in der dort angegebenen Weise“ seine Befugnisse ausübt, in Artikel 26. Schließlich in Artikel 31 für den Gerichtshof, der „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages und der Durchführungsvorschriften“ sichert.

    Es handelt sich hierbei um einen ganz wesentlichen Aspekt des Vertrages. Die Mitgliedstaaten haben sich nur unter der Bedingung eines Teils ihrer Souveränität zugunsten von Organen begeben, daß diese sich an festumrissene, in sich selbst verständliche Regeln halten.

    Keines der Organe kann daher Befugnisse ausüben, die ihm nicht durch den Vertrag verliehen worden sind, und zwar weder anderen Organen noch auch Dritten, ob Staaten oder Privatpersonen, gegenüber. Dagegen ist jedes Organ im Rahmen seines Aufgabenbereichs völlig autonom und braucht sich von keiner Seite bevormunden zu lassen; es übt im Rahmen der im Vertrag vorgesehenen Bedingungen seine Befugnisse völlig frei und unmittelbar aus, wobei kraft Artikel 33 und 38 dem Gerichtshof die Entscheidung bei Kompetenzkonflikten zusteht.

    Diese „Autonomie“ konnte natürlich auf der finanziellen Ebene nicht unumschränkt sein, da keine, selbst supranationale, Behörde sich einer gewissen Kontrolle auf diesem Gebiet entziehen kann. Daher Artikel 78, der eine dem Rechnungsprüfer übertragene Kontrolle über die Finanzgebarung vorsieht, und zwar im Hinblick auf die Ausgaben sowie die Prüfung der Bücher, ferner eine Haushaltskontrolle hinsichtlich der Aufstellung des Ausgabenhaushalts (da es an einem Einnahmenhaushalt fehlt und daher an dem Erfordernis eines Haushaltsausgleichs). Artikel 78 versucht daher zweierlei miteinander in Einklang zu bringen:

    1.

    Seiner Fassung nach versucht er den Grundsatz der Autonomie der Organe mit der Einheit der Gemeinschaft, die allein eine juristische Person darstellt, in Einklang zu bringen: Er sieht Haushaltsvoranschläge vor, die jedes Organ für seine eigenen Zwecke aufstellt, die jedoch in einem gemeinsamen Haushaltsvoranschfag zusammengefaßt werden.

    2.

    Im Grunde sucht er das Recht, das jedem Organ zusteht, den Aufbau und die Arbeitsweise seiner Dienststellen frei zu bestimmen, ein Recht, das sich aus dem Grundsatz der Autonomie herleitet, und das Erfordernis einer wirksamen Kontrolle des Haushalts und der Finanzgebarung miteinander in Einklang zu bringen.

    Um lediglich die vorherige Haushaltskontrolle, die Aufstellung des Ausgabenhaushalts betreffend, zu erwähnen, so wird der Einklang in zweierlei Weise hergestellt:

    a)

    Zunächst durch die Befugnis des Präsidentenausschusses zur „Verabschiedung“ des allgemeinen Haushaltsvoranschlags, der Summe der vier Haushaltsvoranschläge: Der Ausdruck „verabschieden“ („arrêter“), der schwächer ist als z. B. „billigen“ („approuver“), jedoch stärker als solche Ausdrücke wie „bekanntmachen“ („promulguer“) oder „durchführen“ („mettre à exécution“), verleiht ohne Zweifel durch die Befugnis, „die Verabschiedung zu verweigern“, ein Kontrollrecht. Die Wahl eines solchen Ausdrucks weist auf das Bestreben hin, die verwaltungsmäßige Autonomie und die nicht minder erforderliche Ausgabenkontrolle durch eine nicht zu den Organen gehörende Behörde, die ihrer Zusammensetzung nach jedoch gleichwohl als ein Ausfluß der Gemeinschaft erscheint, miteinander in Einklang zu bringen.

    b)

    Diese Befugnis, die im letzten Stadium der Aufstellung des Ausgabenhaushalts in Erscheinung tritt, wurde jedoch mit Recht als solche allein für völlig ungeeignet empfunden, eine einigermaßen wirksame Haushaltskontrolle zu gewährleisten. Dies ist leicht begreiflich, da dieser Ausgabenhaushalt lediglich Verwaltungsausgaben aufweist, die zum größten Teil auf Ausgaben für das Personal entfallen, die in einem innerstaatlichen Haushalt fast vollständig den notwendigen Ausgaben entsprechen würden, d. h. sie würden lediglich die Wiedergabe bereits bestehender Ansprüche in Zahlen bedeuten. Es ist allgemein bekannt, daß die einzig wirksame Kontrolle auf diesem Gebiet vorbeugender Natur ist und sich insbesondere auf die Festsetzung der Personalstärke, der Höhe der Gehälter und anderer finanzieller Zuwendungen erstrecken muß. Aus diesem Grunde ist dem Präsidentenausschuß die Aufgabe übertragen worden, die Anzahl der Bediensteten, die Stufen ihrer Gehälter, Vergütungen und Ruhegehaltsansprüche sowie die außerordentlichen Ausgaben, d. h. alles, was dem Wesen nach die Verwaltungsausgaben ausmacht, im voraus festzusetzen. Diese Befugnis ist natürlich ihrerseits in einer Weise auszuüben, die mit der Autonomie der Organe verträglich ist, nämlich so, wie ich es beschrieben habe.

    Meine Herren, solange man diese Grundgedanken nicht aus den Augen läßt — und sie scheinen mir recht klar sowohl aus Artikel 78 wie auch aus den institutionellen Bestimmungen des Vertrages und insbesondere aus Artikel 6 hervorzugehen —, halte ich eine Lösung der Schwierigkeiten, deren Spiegelung der vorliegende Rechtsstreit darstellt, für relativ leicht.

    Dies führt zunächst zur Ausscheidung zweier Theorien, von denen die eine in tatsächlicher und die andere in rechtlicher Hinsicht zur Verkennung der Befugnisse des Präsidentenausschusses führt.

    A)

    Die eine ist mit sehr viel Überzeugung und großem Geschick von dem Berichterstatter des Buchhaltungs- und Verwaltungsausschusses der Gemeinsamen Versammlung in einem Schreiben dargelegt worden, das weitgehend in den Schriftsatz von Herrn Professor de Soto Eingang gefunden hat. Sie besteht darin, dem Präsidentenausschuß jegliche Entscheidungs- und Kontrollbefugnis in Hinsicht auf die Ausgaben der Gemeinsamen Versammlung, und zwar unter Berufung auf die „Souveränität“ dieser parlamentarischen Körperschaft, abzusprechen.

    Ich werde mich bei dieser Theorie nicht lange aufhalten, nicht nur weil sie zu den grundlegenden Bestimmungen des Vertrages, die ich gerade dargelegt habe, im Widerspruch steht, sondern auch deswegen, weil sie in der Folgezeit von dem Berichterstatter nicht in der gleichen unbedingten Form aufrechterhalten worden ist. Der Fehler, den er meines Erachtens begeht, rührt — einmal mehr — aus einer Verkennung des Wortes „Souveränität“ her, das in diesen Zeiten die Ursache für so manches Mißverständnis und der Anlaß für so manche Verwirrung gewesen ist. Wenn nach dem Vertrag irgend jemand „souverän“ ist, so ist es die Gemeinschaft, und nur sie; auch müßte man sich noch über den Sinn dieses Wortes einigen. Die Gemeinsame Versammlung ist jedoch genausowenig „souverän“ wie die anderen Organe: Sie ist es, wie auch die letzteren, nur insoweit, als sie die ihr nach dem Vertrag übertragenen Befugnisse auszuüben hat, wobei, um die Wahrheit zu sagen, die Entscheidungsbefugnisse selbst nur eine geringe Rolle spielen; man kann diese Regelung bedauern, der Richter kann sie jedoch nur feststellen. Die Gemeinsame Versammlung hat übrigens glücklicherweise andere Mittel und Wege gefunden als die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen, um ihre Aufgaben als Kontrollinstanz der Exekutive zu erfüllen und sich damit an dem Fortschritt innerhalb der Gemeinschaft zu beteiligen. Ich ziehe es aus diesen Gründen vor, bei den Organen eher von „Autonomie“ als von „Souveränität“ zu sprechen.

    In Wirklichkeit läßt sich bei einer Durchsicht dieses Gutachtens deutlich die Absicht des Verfassers erkennen — und hierin dürfte er bestimmt die Ansicht seiner Kollegen wiedergeben —, die Unabhängigkeit der Gemeinsamen Versammlung in bezug auf „die Schaffung der Dienststellen“ zu wahren, „die diese zwecks ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Rechte und Pflichten der Kontrolle für erforderlich hält“; nachdem kurz darauf auf den Präsidentenausschuß eingegangen wird, heißt es weiter: „… dieser Ausschuß kann sicher nicht eingreifen, weil die Gemeinsame Versammlung dann an der Schaffung der Dienststellen, die sie selber für erforderlich hält, gehindert wäre,“ Wie ich im übrigen gleich zeigen werde, bin ich der Ansicht, daß die Unabhängigkeit der Organe in diesem Punkte tatsächlich anzuerkennen ist.

    B)

    Die zweite Theorie, die meines Erachtens verworfen werden muß, ist die einer allzu weiten Auslegung des in § 3 Absatz 2 des Artikels 78 enthaltenen Halbsatzes, der wie folgt lautet: „Die Anzahl der Bediensteten, die Stufen ihrer Gehälter, Vergütungen und Ruhegehälter, soweit sie nicht auf Grund einer anderen Bestimmung des Vertrages oder einer Durchführungsvorschrift geregelt werden, und die außerordentlichen Ausgaben werden jedoch im voraus durch einen Ausschuß festgesetzt…“.

    Es ist behauptet worden, unter die hier genannten „Durchführungsvorschriften“ würden insbesondere die „Geschäftsordnung“ der Gemeinsamen Versammlung (Artikel 25), die „Geschäftsordnung“ des Ministerrates (Artikel 30), die „von der Hohen Behörde erlassene allgemeine Organisationsordnung“ (Artikel 16) und, was den Gerichtshof angeht, die Verwaltungsverordnung, die dieser im Hinblick auf die Stellung seines Personals zu erlassen befugt sei (Artikel 16 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes), fallen. Kraft dieser Bestimmungen sei jedes Organ befugt, die Rechtsstellung seines Personals in völliger Unabhängigkeit zu regeln, auch insoweit, als die einzelnen Bestimmungen dieser Verwaltungsverordnungen die in Artikel 78 § 3 Absatz 2 aufgezählten Gegenstände betreffen sollten, d. h. die Anzahl der Bediensteten, die Stufen ihrer Gehälter und die Pensions-ansprüche. Nur für den Fall, daß eines der Organe von diesen seinen Befugnissen keinen oder nur teilweise Gebrauch gemacht habe, sei dann der Präsidentenausschuß zuständig. Artikel 78 könne daher selbst mit den Bestimmungen des § 3 Absatz 2 den Grundsatz der Autonomie der Organe nicht zu Fall bringen, und der Präsidentenausschuß sei lediglich eine Koordinationsinstanz.

    Ich teile diese Ansicht nicht. Ich glaube, und ich stimme insoweit mit Herrn de Soto überein, daß es sich bei dem hier in Frage stehenden Halbsatz lediglich um eine Auffangbestimmung handelt. Falls in einer besonderen Bestimmung des Vertrages (oder einer Durchführungsverordnung, die auf Grund einer solchen Bestimmung ergangen wäre) die Befugnis zur Festsetzung der Personalstärke oder der Höhe der Gehälter gewisser Bediensteter einer anderen Stelle als dem Präsidentenausschuß übertragen worden wäre, so versteht es sich von selbst, daß diese besondere Bestimmung der allgemeinen Regel des Artikels 78 vorgehen würde. Es muß sich dann aber unbedingt um eine besondere Bestimmung handeln. Dies könnte gegebenenfalls bei den Hilfsberichterstattern der Fall sein, falls deren Statut, das auf Vorschlag des Gerichtshofes vom Ministerrat festgelegt wird (Artikel 16), die Zuständigkeit des Ministerrats für die Festsetzung ihrer Gehälter begründen würde. Die entsprechende Entscheidungsbefugnis würde dann einem anderen Organ zustehen als demjenigen, in dessen Diensten die Betroffenen stehen; die in Artikel 78 geforderte Kontrolle wäre gegeben und „die Ausnahme der Ausnahme“ wäre äußerst sinnvoll. Einer außenstehenden Behörde, wie sie der Präsidentenausschuß darstellt, würde es dann nicht mehr bedürfen.

    Kurz, diese Theorie enthält eine Lösung, wie sie der Vertrag selbst im Hinblick auf die Mitglieder der Hohen Behörde, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes, deren Gehälter auf Grund einer besonderen Bestimmung des Vertrages (Artikel 29) vom Ministerrat festgesetzt werden, vorsieht. Im übrigen bestimmt Artikel 15 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes, daß „das Gehalt, die Vergütungen und das Ruhegehalt des Kanzlers … auf Vorsdilag des in Artikel 78 § 3 des Vertrages vorgesehenen Ausschusses (d. h. des Präsidentenausschusses) … vom Rat festgesetzt werden“; dies zeigt, daß man es selbst in einem Falle, in dem infolge der besonderen Bedeutung der wahrzunehmenden Aufgaben die Zuständigkeit dem Rat übertragen worden ist, für notwendig erachtet hat, bei der Festsetzung der Gehälter dieser Beamten den Präsidentenausschuß einzuschalten: Wäre es dann noch denkbar, daß es in allen anderen Fällen, in denen die Garantie einer Entscheidung von dritter Seite fehlt, vom bloßen Willen der Organe abhängen sollte, sich etwa der Kontrolle des Präsidentenausschusses zu entziehen? Dies erscheint mir völlig ausgeschlossen.

    Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß Artikel 78 dem Präsidentenausschuß gewisse Entscheidungsbefugnisse verleiht (der Wortlaut ist in diesem Punkt übrigens völlig eindeutig), daß diese Zuständigkeitsverlcihung jedoch, durch welche die Autonomie der Organe eingeschränkt wird, wie jede Ausnahmebestimmung unter Berücksichtigung des eigentlichen Zweckes dieses Artikels, der eine finanz- und haushalt sreditliche Bestimmung darstellt, eng auszulegen ist.

    Aus diesem Ergebnis sind jetzt die Folgerungen zu ziehen.

    Die erste — die ohne Zweifel für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits entbehrlich ist, die ich jedoch gleichwohl erwähnen will, um einen Gesamtüberblick über den Artikel 78 zu gewinnen — ist die, daß der Präsidentenausschuß nicht für den Erlaß des Personalstatuts der Bediensteten der Gemeinschaft in dessen gesamtem Umfange selbst zuständig ist. Zum Beweise der gegenteiligen Ansicht ist oft der Absatz 3 des § 7 des Abkommens über die Übergangsbestimmungen (auf den sich das gegenwärtige Personalstatut ausdrücklich bezieht) ins Feld geführt worden; dieser lautet wie folgt: „Bis zur Festsetzung der Zahl der Angestellten und ihrer Stellung durch den in Artikel 78 des Vertrages vorgesehenen Ausschuß (d. h. den Präsidentenausschuß) wird das erforderliche Personal auf Grund von Dienstverträgen angestellt.“

    Ich halte es aber für unzulässig, meine Herren, aus einer solchen reinen Übergangsbestimmung (die sich auch tatsächlich in dem Abkommen über die Übergangsbestimmungen befindet) zu folgern, dem Präsidentenaussclmß habe auf zeitlich unbegrenzte Dauer eine Befugnis verliehen werden sollen, die ihm der Vertrag in Artikel 78, der die sedes materiae darstellt, nicht zuerkennt und die, wie ich gezeigt habe, dem Zweck dieses Artikels auch fremd wäre.

    In Wirklichkeit hat § 7 des Übergangsabkommens keinen anderen Zweck — und konnte es auch nicht haben — als das „Anlaufen“ der Gemeinschaft, wenn mir der Ausdruck gestattet ist, zu ermöglichen, bis die im Vertrag und insbesondere in Artikel 78 vorgesehenen finanziellen Regelungen ihre Wirksamkeit entfalten konnten. Aus diesem Grunde sieht auch der zweite Absatz dieses § 7 rückzahlbare Vorschüsse von seiten der Mitgliedstaaten vor, bis die Umlagen vereinnahmt werden, weil diese gemäß Artikel 78 erst nach Aufstellung des allgemeinen Haushaltsvoranschlages erhoben werden durften, der wiederum vom Präsidentenausschuß zu verabschieden war. Die Festsetzung der Anzahl der Bediensteten, der Stufen ihrer Gehälter, Entschädigungs- und Pensionsleistungen oblag gleichermaßen dem Präsidentenausschuß. Die Bestimmung des § 7 Absatz 3 des Übergangsabkommens sollte lediglich eine sofortige Einstellung des unbedingt erforderlichen Personals ermöglichen und insbesondere von dem Erfordernis befreien, zunächst die Entscheidungen des Präsidentenausschusses im Rahmen der diesem nach Artikel 78 § 3 Absatz 2 zustehenden Befugnisse abzuwarten. Es besteht zwischen diesen beiden Bestimmungen ersichtlich ein enger Zusammenhang, und wenn § 7 zu diesem Punkt den gleichen Wortlaut enthält wie Artikel 78, nämlich: „Bis zur Festsetzung der Zahl der Angestellten und ihrer Stellung durch den in Artikel 78 des Vertrages vorgesehenen Ausschuß wird das erforderliche Personal auf Grund von Dienstverträgen angestellt“, so kann nur die Festsetzung der Gehälter gemeint sein, wie sie in Artikel 78 niedergelegt ist. Weder § 7 des Übergangsabkommens noch Artikel 78 des Vertrages tragen zur Klärung der Rechtsnatur der zukünftigen Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten bei, ob nämlich öffentlich-rechtliche Personalordnung oder An-stellungsverträge. Es handelt sich, ich wiederhole, um rein finanzrechtliche Bestimmungen.

    Rechtlich gesehen, kann daher jedes Organ die Rechtsstellung seines Personals nach Belieben regeln, es kann sich auf Anstellungsverträge oder übrigens auf jede anderweitige Form beschränken (der Begriff des Personalstatuts schließt Anstellungsverträge nicht aus, was die entsprechende Regelung bei vielen internationalen Organisationen beweist); — es kann insoweit nach Belieben handeln, diejenigen Punkte ausgenommen, die in den Zuständigkeitsbereich des Präsidentenausschusses fallen (Festsetzung der Personalstärke und der Gehälter).

    Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, erscheint der Artikel 16 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes, wonach die Stellung der Beamten und Angestellten dieses Organs „vom Gerichtshof festgelegt wird“, als Anwendung der allgemeinen Regel und nicht etwa als Ausnahme, noch dazu etwa als Ausnahme von einer im Abkommen über die Übergangsbestimmungen enthaltenen allgemeinen, zeitlich unbegrenzten Bestimmung!

    Diese Unabhängigkeit jedes Organs im Hinblick auf die Regelung der Rechtsstellung seines Personals steht, wohlgemerkt, einer koordinierenden Tätigkeit des Präsidentenausschusses keinesfalls im Wege, es ist nämlich höchst wünschenswert, daß in einer Gemeinschaft ein einheitliches Personalstatut gelte, zumal alle Organe ihren Sitz in der gleichen Stadt haben, so daß man sich über das hierin erzielte Ergebnis nur freuen kann. Die Dinge müssen jedoch meines Erachtens so gesehen werden, daß dieses gemeinsame Personalstatut von jedem Organ in voller Unabhängigkeit angenommen worden ist, und von einem streng rechtlichen (ich spreche hier nicht vom politischen) Standpunkt aus betrachtet, wäre es ohne Zweifel richtiger gewesen, vier getrennte Texte in Kraft zu setzen, wobei jeder derselben die für erforderlich gehaltenen Abweichungen enthalten hätte; man wäre dann nicht gezwungen gewesen, diese Abweichungen in die Anlagen zu verweisen.

    Man gelangt daher tatsächlich zu dem paradoxen Ergebnis, daß diejenigen Regeln, in bezug auf welche die Organe autonom sind (d. h. das gesamte Personalstatut als solches), in einem einzigen Text zusammengefaßt sind, der „vom Präsidentenausschuß ausgearbeitet worden“ ist, während diejenigen Punkte, die in den Zuständigkeitsbereich des Präsidentenausschusses fallen, in Anlagen verwiesen werden, „die von jedem Organ auszuarbeiten“ sind (Artikel 62). Das wenigste, was man sagen kann, ist, daß diese Tatsache geeignet ist, nicht eingeweihte Geister zu verwirren …

    Nachdem somit feststeht, daß erstens der Präsidentenausschuß gewisse Entscheidungsbefugnisse besitzt und daß diese Befugnisse zweitens jedoch auf Fragen des Haushalts und der Finanzen beschränkt sind und mit den eigentlichen, bei den Organen verbliebenen verwaltungsmäßigen Zuständigkeiten in Einklang zu bringen sind, bleibt noch zu prüfen, was bei einem derart komplexen Vorgang wie der Eingliederung der Bediensteten in die Gruppen und Kategorien des neuen Personalstatuts in den ersten oder in den zweiten Zuständigkeitsbereich fällt: Ich komme hiermit zu der Kernfrage des Rechtsstreits.

    In einem hervorragenden, von der Gemeinsamen Versammlung vorgelegten Gutachten hat Herr Professor de Soto von der juristischen Fakultät der Universität Straßburg sehr zutreffend die einzelnen Vorgänge der sogenannten Eingliederung getrennt dargestellt (Seite 12 ff). Ich kann nichts Besseres tun, als mich, mit geringfügigen Ergänzungen, auf dieses Gutachten zu beziehen.

    In logischer, wenn nicht sogar in zeitlicher Folge handelt es sich um folgende Vorgänge:

    1.

    Ausarbeitung eines Personalstatuts, mit allgemeinen Regeln über Einstellungen und Beförderungen, mit Disziplinarbestimmungen, Pensionsordnung usw…;

    2.

    Aufbau der Dienststellen in Übereinstimmung mit den jeweiligen von dem Organ wahrzunehmenden Aufgaben;

    3.

    Aufstellung des Stellenplans, der diesem Dienststellenaufbau entspricht;

    4.

    Festsetzung der Dienstgrade und Gehaltsstufen und unter Umständen Einteilung des gesamten Personals in Kategorien (Leitende, Selbständige und Ausführende beispielsweise);

    5.

    Festsetzung der jedem Dienstgrad und jeder Gehaltsstufe entsprechenden Gehälter;

    6.

    Beschreibung der jeder Planstelle entsprechenden Aufgaben (die sogenannte „job description“);

    7.

    Einstufung jeder Planstelle in die Gehaltsstufen, unter Berücksichtigung der job description;

    8.

    Festsetzung der Personalstärke, d. h. der Anzahl der Planstellen pro Dienstgrad, immer noch unter Berücksichtigung der job description:

    9.

    schließlich Zulassung zum Statut und individuelle Einstufung jedes Bediensteten in eine Gehaltsgruppe und -stufe, entsprechend der ihm übertragenen Planstelle (ich habe bereits ausgeführt, daß diese beiden Vorgänge meines Erachtens zusammenfallen).

    Eine solche Auflösung ist ohne Zweifel etwas gewollt, in dem Sinn, daß nicht jeder Vorgang notwendigerweise eine besondere Entscheidung voraussetzt, sie gewährt jedoch meines Erachtens einen klareren Überblick darüber, was jeweils zu den Aufgaben des Präsidentenausschusses und was zu denjenigen des Organs gehört, wobei man sich immer vor Augen zu halten hat, inwieweit es sich um Verwaltungstätigkeit und inwieweit um Haushaltskontrolle handelt.

    Zu 1: (Ausarbeitung des allgemeinen Personálstatuts) habe ich mich bereits geäußert, ich komme daher nicht mehr darauf zurück.

    Zu 2: (Aufbau der Dienststellen) Hier handelt es sich meines Erachtens um eine den Organen eigene Zuständigkeit; dies ist ein wichtiger Punkt, dem die Gemeinsame Versammlung auch mit Recht großen Wert beimißt, da er die wesentliche Garantie der sogenannten Autonomie der Organe enthält.

    Zu 5: (Aufstellung des Stellenplans, der diesem Dienststellenaufbau entspricht) Auch diese Tätigkeit fällt meines Erachtens in den Zuständigkeitsbereich der Organe, eine notwendige Folge von 2.

    Zu 4: (Festsetzung der Dienstgrade und Gehaltsstufen und unter Umständen Einteilung in Kategorien) Die Zuständigkeit des Präsidentenausschusses steht außer Zweifel; er hat sie im übrigen auch ausgeübt.

    Das gleiche gilt zu 5 (Festsetzung der jedem Dienstgrad und jeder Gehaltsstufe entsprechenden Gehälter).

    Ich komme jetzt zu den Vorgängen 6 und 7, deren Unterscheidungsmerkmale von Herrn de Soto sehr gut herausgearbeitet worden sind und die, wie ich glaube, den Schlüssel zur Lösung des Problems darstellen: Der Vorgang Nr. 6 (Aufstellung der „job description“) fällt meines Erachtens in den Zuständigkeitsbereich der Organe, der Vorgang Nr. 7 (Einstufung jeder Planstelle in die Gehaltsstufen, unter Berücksichtigung der „job description“) dagegen in den Zuständigkeitsbereich des Präsidentenausschusses. Im ersten Falle handelt es sich um die Beschreibung der von dem Inhaber der Planstelle wahrzunehmenden Aufgaben, worüber die Organe allein entscheiden können; im zweiten Falle handelt es sich, unter Berücksichtigung dieser Beschreibung, um die Entscheidung, „wieviel ist die Planstelle wert“; es geht also um eine Haushaltsfrage: Wenn Artikel 78 dem Präsidentenausschuß die Befugnis zur Festsetzung „der Stufen ihrer Gehälter“ (die Gehälter der Bediensteten) verleiht, so soll dies offensichtlich unter Berücksichtigung der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben, und zwar im Vergleich mit anderen Planstellen und nicht lediglich kraft einer abstrakten und willkürlichen Gehaltstabelle, erfolgen. Nur auf diese Weise kann der Präsidentenausschuß seine Aufgabe wahrnehmen und zu dem gelangen, was als Harmonisierung bezeichnet worden ist, d. h. zu dem Ergebnis, daß vergleichbare Planstellen, die genau den gleichen, bei zwei verschiedenen Organen wahrzunehmenden Aufgaben entsprechen, gleich eingestuft werden. Diese Lösung scheint mir im Ergebnis die einzige zu sein, die mit dem Geist und dem Buchstaben des Artikels 78 vereinbar ist. Ich glaube ferner, daß Artikel 25 erster Absatz des Personalstatuts der Gemeinschaft in diesem Sinne zu verstehen ist, wenn es dort heißt: „Ein Verzeichnis der Stellen, die innerhalb jeder Kategorie und innerhalb jeden Kaders den einzelnen Gruppen entsprechen, wird gemäß Artikel 78 des Vertrages über die Gründung der Gemeinschaft aufgestellt.“

    Ich möchte der Vollständigkeit halber meine Aufzählung kurz zu Ende führen:

    Was den Vorgang Nr. 8 angeht, die Festlegung der Anzahl der Planstellen pro Dienstgrad, immer unter Berücksichtigung der job description, so glaube ich, daß diese in den Zuständigkeitsbereich des Präsidentenausschusses fällt, und zwar aus den gleichen Gründen; es leuchtet ein, daß die Festsetzung der gesamten Personalstärke eines Organs als solche, wenn sie im voraus erfolgt, willkürlich sein muß und jede wirkliche Haushaltskontrolle illusorisch machen würde. Der Ausschuß könnte in diesem Falle erst dann daran denken, eine Kontrolle auszuüben, wenn er den allgemeinen Haushaltsvoranschlag „verabschiedet“, diese wäre dann aber aus den Gründen, die ich zu Anfang meiner Ausführungen dargelegt habe, praktisch wirkungslos, außerdem würde es sich dabei nicht um die in Artikel 78 geforderte Kontrolle handeln, da diese gemäß dem ausdrücklichen Wortlaut eine vorherige sein soll. Bei der Kontrolle der personalmäßigen Besetzung nach Dienstgraden müssen natürlich die Erfordernisse des Dienststellenaufbaus der Organe, und zwar in der von diesen gewollten Ausgestaltung, berücksichtigt werden; die Haushaltskontrolle und Einsparungsmaßnahmen dürfen nicht als Vorwand für eine tatsächliche Lahmlegung der Organe dienen, es würde dies eine Art „Ermessensmißbrauch“ darstellen; wir haben es hier jedoch mit einem Problem zu tun, das sich im Zusammenhang mit einer Kontrolle der Finanzgebarung bei allen Behörden der Welt stellt und das gewöhnlich durch gegenseitige Rücksichtnahme zu lösen ist, an deren Vorhandensein bei der Gemeinschaft zu zweifeln kein Anlaß besteht. Diese Befugnis dagegen leugnen, hieße demgegenüber eine rationelle Verwirklichung von Einsparungsmaßnahmen, falls diese einmal erforderlich werden sollten, illusorisch machen oder, was noch schlimmer wäre, diese auf die Vornahme globaler und anteilmäßiger Streichungen an den Haushaltsplänen aller Organe beschränken, wodurch der Ungerechtigkeit trotz der anscheinend gleichen Opfer Tür und Tor geöffnet würde. Ich muß in diesem Zusammenhang jedoch feststellen, daß in Artikel 25 Absatz 2 des Personalstatuts anscheinend die entgegengesetzte Lösung Eingang gefunden hat, als sie hier vertreten wird.

    Der Vorgang Nr. 9 schließlich, die individuellen Maßnahmen der Einstufung betreffend, kann offensichtlich nur in den Zuständigkeitsbereich der Organe fallen.

    Nachdem so die einzelnen Vorgänge gewissermaßen „zerlegt“ und die entsprechenden Zuständigkeitsbereiche abgegrenzt und aufgezeigt worden sind, bleibt noch eine Frage zu prüfen, die Herr Professor de Soto sehr wohl gesehen hat und die recht heikel ist, nämlich: Auf welche Weise sind diese jeweiligen Befugnisse auszuüben? In der Praxis kann man tatsächlich, wie bereits ausgeführt, nicht verlangen, jeder einzelne dieser Vorgänge solle seinen Niederschlag in voneinander verschiedenen Entscheidungen finden, auch darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Präsidentenausschuß, obwohl mit eigenen Befugnissen ausgestattet, kein Organ der Gemeinschaft ist. Er übt seine Befugnisse im internen Rahmen aus, es ist jedoch zweifelhaft, ob er sofort vollstreckbare und für Dritte verbindliche Entscheidungen veröffentlichen oder zustellen kann; es ist dies bisher jedenfalls noch nie geschehen. Daraus folgt, daß die Entscheidungen, die er zu treffen hat, in die individuellen oder auf Verordnungsebene ergehenden Entscheidungen der verschiedenen Organe, für die sie verbindlich sind, eingehen müssen, und erst „vermittels“ dieser letzteren könnte die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Präsidentenausschusses eventuell in Frage gezogen werden, wie dies im vorliegenden Rechtsstreit geschehen ist.

    Es könnte übrigens auch gar nicht anders sein, weil Artikel 58 des Personalstatuts für einen Rechtsstreit auf diesem Gebiete die einzige Rechtsgrundlage darstellt und die Zuständigkeit des Gerichtshofes lediglich für die Streitfälle „zwischen der Gemeinschaft und einer unter dieses Statut fallenden Person“ begründet und weil nach Artikel 6 des Vertrages „die Gemeinschaft durch ihre Organe vertreten“ wird, was der Präsidentenausschuß nicht ist.

    Aus diesen Gründen spricht sich Herr de Soto in seinem Gutachten für eine, um die Wahrheit zu sagen, sehr findige Lösung aus, für die „Zustimmung“. Dies sei der Weg, auf dem der Präsidentenausschuß die ihm nach Artikel 78 zustehenden Befugnisse auszuüben habe.

    Ich für meinen Teil bin nicht der Ansicht, daß dieses Verfahren, trotz seiner Geschmeidigkeit, zulässig wäre. Die Zustimmung gestattet nämlich nur die negative Ausübung einer Befugnis, sie ist ein Vetorecht. Ich glaube nun, daß dem Präsidentenausschuß innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs die volle Ausübung seiner Befugnisse zusteht. Wenn er z. B. „die Anzahl der Bediensteten“ festsetzt, so hat er diese Anzahl positiv festzulegen und nicht etwa seine Zustimmung zu Vorschlägen zu verweigern, so lange, bis diese etwa mit seiner Auffassung übereinstimmen sollten. Desgleichen in der Frage, die uns beschäftigt: Von den Organen mit Vorschlägen über die Einstufung der Planstellen in die verschiedenen Gehaltsgruppen befaßt, muß er diese Einstufungen unter Umständen abändern und von sich aus eine neue Gehaltstabelle aufstellen können, vorausgesetzt, daß er nicht ohne Einverständnis des Organs die job description der Planstellen ändert.

    Dies hindert in keiner Weise, daß die endgültige Entscheidung, die er zu treffen hat, den Organen zugestellt werde, die dieser dann durch die Aufstellung der in die Anlagen zu verweisenden Tabellen, die Dritten gegenüber allein verbindlich sind, zu entsprechen haben.

    Wenn ich in diesem Zusammenhang einen Wunsch äußern darf, so würde ich sagen, daß es meines Erachtens sehr zu begrüßen wäre, wenn sich sowohl der Präsidentenausschuß wie auch die Organe an festere Formen halten würden. Es wäre insbesondere sehr wünschenswert, wenn der Präsidentenausschuß nach Abschluß seiner Beratungen förmliche, von den Sitzungsniederschriften getrennte Beschlüsse fassen und diese den Organen ordnungsgemäß zustellen würde. Was die Organe angeht, so sollten sie sich in ihren eigenen Entscheidungen gegebenenfalls auf diese Beschlüsse des Präsidentenausschusses beziehen; soweit es sich bei ersteren um Verwaltungsverordnungen handeln sollte (wie bei den Anlagen zum Personalstatut und den darin enthaltenen Tabellen), würden sie im Amtsblatt der Gemeinschaft oder in Ermangelung dessen durch Anschlag in den Dienstgebäuden oder auf jede andere Art der Veröffentlichung bekanntgemacht, wodurch sie dem Personal ordnungsgemäß und offiziell zur Kenntnis gebracht würden. Auf diese Weise würden die auf die Gemeinschaft beschränkte interne Natur der Tätigkeit des Präsidentenausschusses und das Erfordernis einer Regelung, aus der deutlich hervorgeht, um welchen Zuständigkeitsbereich es sich handelt, miteinander im Einklang stehen. Auch die von Herrn de Soto im Verlaufe des Rechtsstreits geäußerten Befürchtungen würden auf diese Weise beschwichtigt, durch den Umstand, daß allein die Entscheidungen der Organe gerichtlich anfechtbar wären, was, wohlgemerkt, die Parteien nicht daran hindern würde, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen im vollen Umfange, nämlich auch insoweit anzugreifen, als sie vom Präsidentenausschuß ausgegangen sind.

    Ich bin im Ergebnis der Auffassung, daß die individuellen Erlasse vom 12. Dezember 1955 rechtswidrig waren, weil sie ergangen sind, bevor der Präsidentenausschuß sich kraft seiner Zuständigkeit zu der Frage der Entsprechung zwischen Planstellen und Gehaltsgruppen geäußert hatte, und daß sie daher widerrufen werden konnten.

    Es bleibt noch zu prüfen, ob die neuen Entscheidungen der Gemeinsamen Versammlung selbst rechtmäßig waren, in Anbetracht dessen, daß der Präsidentenausschuß vorher tätig werden mußte. In dieser Hinsicht scheint mir aus allen im Laufe des Jahres 1956 vom Präsidentenausschuß gefaßten Beschlüssen hervorzugehen, daß dieser, nachdem er die Ausarbeitung einer Harmonisierungstabelle veranlaßt hatte (sie war das Werk des Delvaux-Komitees), sich diese zu eigen gemacht hat, sei es auch nur derart, daß er die Zustimmung der Organe zu dieser Tabelle feststellte. In Wahrheit ist diese nie förmlich gebilligt worden, da es dem Präsidentenausschuß — sehr zu Recht — vor allem darum zu tun war, ein Einverständnis unter den Organen herbeizuführen, auch ist die Regelung einiger Punkte in der Schwebe verblieben. Gleichwohl lassen sich gelegentlich einige auf die Ausübung einer eigenen Entscheidungsgewalt hinweisende Anzeichen wahrnehmen: In der Sitzungsniederschrift vom 15. Juni 1956 heißt es z. B.: „… 3. Was den Gerichtshof angeht, so stimmt der Präsidentenausschuß darin überein, daß der Verwalter mit dem Titel ‚administrateur de la Cour de Justice, faisant fonction de directeur-adjoint‛ in die Gruppe 3 einzustufen ist.“ Es ist auf jeden Fall unbestritten geblieben, daß die neue Einstufung der fünf Kläger, die diese im übrigen abgelehnt haben, sich mit demjenigen Teil der Harmonisierungstabelle im Einklang befand, über die ein Einverständnis erzielt morden war und die vom Präsidentenausschuß gebilligt worden ist.

    Aus diesen Gründen beantrage ich

    die Klage (Rechtssache Nr. 7/56) abzuweisen

    und den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

    III — DIE KLAGEN AUF ZUBILLIGUNG EINER ENTSCHÄDIGUNG (Rechtssachen 3 bis 7/57)

    Auch hier ist zu prüfen, ob die Klagen zulässig und ob sie begründet sind.

    Die Gemeinsame Versammlung behauptet, die Klagen auf Zubilligung einer Entschädigung seien unzulässig, weil sie im Verhältnis zu der alleinigen Nichtigkeitsklage lediglich hilfsweise erhoben worden seien und zu letzterer, mit deren Abweisung sie rechnet, im Widerspruch stehen würden. Auf diese Weise vorzugehen, sei unzulässig.

    Meine Herren, ich sehe nicht ein, weshalb. Es geschieht sehr häufig, daß mehrere Klagen erhoben werden, sei es vor ein und demselben Richter, sei es vor verschiedenen Richtern, und nichts steht dem entgegen, soweit es sich um selbständige Verfahren handelt, die sich auf verschiedene Rechtsgebiete beziehen, und soweit jede Klage auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt wird. Es ist völlig in der Ordnung, wenn z. B. Bedienstete die Nichtigerklärung sie betreffender Verwaltungsakte beantragen und andererseits die Zubilligung einer Entschädigung zum Ausgleich für die Nachteile, die sie durch das betreffende Vorgehen der Behörde erlitten zu haben glauben. Es kann dann allerdings der Fall eintreten, daß durch die Nichtigerklärung, infolge deren rückwirkender Kraft und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zu einer „restitutio in integrum“, der Antrag auf Zubilligung einer Entschädigung gegenstandslos wird, dies ist aber jedem „Hilfsantrag“ eigen. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Hilfsanträge Gegenstand getrennter Klagen sind, erklärt sich aus der unterschiedlichen Rechtsnatur der Klage auf Zubilligung einer Entschädigung und der Nichtigkeitsklage.

    Zur Hauptsache werde ich mich nach den langen Ausführungen, die ich im Zusammenhang mit der Nichtigkeitsklage für erforderlich hielt, sowie in Anbetracht der ausgezeichneten mündlichen Ausführungen der Anwälte von gestern morgen kurz fassen.

    Wie bei jeder Schadensersatzklage stellen sich drei Fragen: 1. Ist die Haftung gegeben? 2. Bejahendenfalls, ist ein Schaden entstanden? 3. Wenn ja, in welcher Höhe?

    A)

    Haftung. Die Kläger haben nicht dargetan, auf welche Reditsgrundlage sie ihre Klagen auf. Zubilligung einer Entschädigung stützen. Sie haben sich lediglich auf Artikel 34 Absatz 7 des Personalstatuts der Gemeinschaft bezogen, der im Falle eines Stellen Wegfalls gewisse Zuwendungen an die in den Wartestand versetzten Bediensteten vorsieht. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Falle offensichtlich nicht unmittelbar anwendbar: Sie könnte meines Erachtens (und so scheinen es auch die Kläger aufzufassen, wenn sie von „analoger“ Anwendung sprechen) nur als Anhaltspunkt für die Ermittlung des Umfangs der von den Klägern erlittenen Nachteile dienen, falls man der Auffassung sein sollte, sie seien einer mißbräuchlichen Auflösung der sie mit der Verwaltung verbindenden Rechtsbeziehungen zum Opfer gefallen. Eine ausdrückliche Berufung auf Artikel 40 des Vertrages fehlt.

    Allein, meine Herren, wenn auch die Rechtsgrundlage nicht ausdrücklich angeführt worden ist, so steht doch, vor allem seit der mündlichen Verhandlung, ziemlich eindeutig fest, auf welchen Rechtsstandpunkt („terrain juridique“) die Kläger sich stellen.

    Ich sehe in Wahrheit zwei Rechtsstandpunkte: Behauptet wird die mißbräuchliche Auflösung des Vertrages und das Vorliegen eines Amtsfehlers. Der Anwalt der Kläger hat tatsächlich von der „mißbräuchlichen Auflösung“ der die Bediensteten mit der Verwaltung verbindenden Rechtsbeziehungen gesprochen, auch von dem „unerlaubten Vorgehen“, der „Überstürzung“, dem „Leichtsinn“ und der „Leichtfertigkeit“ im Verhalten der Verwaltung gegenüber den Klägern. All dies sind Tatbestandsmerkmale eines nach Artikel 40, der Rechtsgrundlage der quasi-deliktischen Haftung im Vertrage, die Haftung der Gemeinschaft begründenden Amtsfehlers.

    a)

    Eine Haftung aus Vertrag läßt sich in keiner Weise begründen. Bei der angeblichen Auflösung der Rechtsbeziehungen kann es sich nur um die Vorgänge im Juli oder Oktober 1956 handeln. Nun hat es sich aber seinerzeit, wie Sie gesehen haben, keineswegs um die Auflösung vertraglicher Rechtsbeziehungen gehandelt. Es lag eine einseitige, die Einstufung der Bediensteten im Rahmen des neuen Personalstatuts betreffende Entscheidung vor, durch welche die Gemeinsame Versammlung die in den Erlassen vom 12. Dezember 1955 erfolgte Einstufung abgeändert hat. Was die Dienstverträge angeht, so sind sie mieder in Kraft gesetzt worden, während sie nach der ersten Entscheidung (mit der den Klägern, nach ihrer Ansicht, subjektive Rechte verliehen worden seien) am 31. Dezember 1955 ablaufen sollten. Von einer Vertragsverletzung kann unter diesen Umständen keine Rede sein, im übrigen übersteigen die den Klägern seit dem 1. Januar 1956 gewährten Bezüge ohne Zweifel bei weitem die in den Anstellungsverträgen vereinbarte Abgangsentschädigung. Das Urteil Kergall schließlich kann hier in keiner Weise herangezogen werden, da es sich weder um eine Nichterneuerung der Anstellungsverträge noch auch in Verkennung einer vorstatutmäßigen „Anwartschaft“ um eine Verweigerung der Zulassung zum Statut handelt.

    b)

    Es kommt also tatsächlich — einzig und allein — auf den unter Artikel 40 fallenden Amtsfehler an. Allein auf welchen Amtsfehler?

    Das Verhalten der Gemeinsamen Versammlung betreffend die Entscheidung vom Juli und Oktober 1956 scheidet als möglicher Amtsfehler von vornherein aus, zumindest dann, wenn man diese Entscheidung als rechtmäßig betrachtet. Daß sie dies sei, habe ich vor einem Augenblick dargelegt, weil die Gemeinsame Versammlung die Erlasse vom Dezember 1955 rechtswirksam widerrufen durfte und weil die Entscheidung selbst auf Grund der vom Präsidentenausschuß beschlossenen Einstufung, zumindest was die von den Klägern eingenommenen Planstellen angeht, ergangen ist. Wenn eine Behörde rechtmäßige Verwaltungsakte erläßt, so kann dies mitunter eine Haftung begründen, keinesfalls jedoch unter dem Gesichtspunkt des Amtsfehlers.

    Dagegen stellt sich die Frage im vollen Ausmaß hinsichtlich der Erlasse vom Dezember 1955, die ich für rechtswidrig halte.

    Ich bin der Ansicht, meine Herren, und ich sage es offen, daß ein solcher Amtsfehler vorliegt; ich sage weder, daß es sich um einen „schweren“ Amtsfehler, noch auch um einen „schwerwiegenden“ oder „unverzeihlichen“ Amtsfehler handelt, weil jedem dieser Ausdrücke in der Rechtssprache eine Bedeutung zukommt, die den hier vorliegenden Tatsachen in keiner Weise gerecht wird. Es hat weder unerlaubte Machenschaften gegeben noch lag eine Schädigungsabsicht vor, ganz im Gegenteil! Auch ist der Rechtsirrtum, der der Entscheidung zugrunde liegt, wie wir gesehen haben, entschuldbar, zudem hat die Gemeinsame Versammlung ihren Rechtsstandpunkt nie aufgegeben. Der eigentliche Amtsfehler ist woanders zu suchen.

    Er liegt in Wirklichkeit in einem allgemeinen Verhalten, das der Anwalt der Kläger, und hier stimme ich mit ihm voll überein, als „überstürzt“, „leichtsinnig“ und „leichtfertig“ bezeichnet hat. An diesen überstürzten Maßnahmen ist zweifellos zum großen Teil die Gemeinsame Versammlung als beschließende Körperschaft, der schon seit langer Zeit an einer baldigen Inkraftsetzung des Personalstatuts gelegen war, schuld gewesen, ferner aber auch die Bediensteten selbst, die auf das gleiche Ziel hingearbeitet haben dürften.

    Dies vermindert jedoch nicht die Haftung des Organs als solche. Zwei Verhaltensweisen waren tatsächlich denkbar: Die Gemeinsame Versammlung hätte entweder, von ihrem Rechtsstandpunkt überzeugt, der Ansicht sein können, der Augenblick sei gekommen, um ohne weiteres Zuwarten die ihre Bediensteten betreffenden Entscheidungen selbst zu erlassen und als logische Folge hiervon ihr eigenes Personalstatut in Kraft zu setzen; oder (und dies wäre offensichtlich das vernünftigste gewesen) sie hätte sich, unter Aufrechterhaltung ihrer Vorbehalte in bezug auf ihr Selbstbestimmungsrecht bei der Einstufung der Planstellen (entsprechend ihrer Rechtsauffassung) freiwillig bereit erklären können, unter der Oberhoheit des Präsidentenausschusses zusammen mit den anderen Organen an den Harmonisierungsarbeiten teilzunehmen. Ich sage, dies wäre die vernünftigste Verhaltensweise gewesen, weil sie als einzige dem Begriff einer Gemeinschaft angemessen gewesen wäre, wenn dieser Begriff der Ausdruck einer lebendigen Wirklichkeit und nicht nur ein abstrakter, in Artikel 6 des Vertrages niedergelegter Rechtsbegriff sein soll; der Präsident der Gemeinsamen Versammlung hat dies später dann auch eingesehen. Dann hätte die individuelle Durchführung selbstverständlich bis zum Abschluß der Harmonisierungsarbeiten oder bis zum Beweise des guten Willens, zu einem solchen Abschluß zu gelangen, zurückgestellt werden müssen: anders handeln, hieße sich in eine Sackgasse begeben.

    Ich bin daher der Ansicht, daß die Gemeinsame Versammlung einen ihre Haftung begründenden „Amtsfehler“ im Sinne von Artikel 40 des Vertrages begangen hat.

    B)

    Wiedergutmachung des Schadens. Hier ist zu prüfen, in welchem Umfange den Klägern durch den Amtsfehler Nachteile entstanden sind, die zur Wiedergutmachung verpflichten.

    Von solchen Nachteilen kann zunächst insoweit nicht die Rede sein, als es sich dabei um die Folgen der Entscheidung vom Juli und Oktober 1956 handeln würde (zumindest, falls Sie meiner Auffassung folgen sollten, diese als rechtmäßig zu betrachten), d.h. um die Auswirkungen der neuen, niedrigeren Einstufung der Kläger (die diese abgelehnt haben). Es besteht keinerlei Anspruch auf Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes, dessen Rechtswidrigkeit ordnungsgemäß festgestellt worden ist, noch auch auf eine finanzielle Entschädigung für den Entzug der Vorteile, die in Zukunft aus einem solchen Zustand erwachsen wären: Das hieße nämlich aus der ursprünglichen, rechtswidrigen Entscheidung hergeleitete wohlerworbene Rechte anerkennen, während doch, wie hier behauptet wird, solche Rechte infolge der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung nie entstanden sind. Hier halte ich jeden Zweifel für ausgeschlossen.

    Es hätte hier lediglich eine Frage zur Erörterung gestellt werden können, dann nämlich, wenn die Verwaltung auf die Vergangenheit zurückgegriffen hätte, d. h. wenn sie diejenigen Beträge, um welche die neuen Gehälter hinter den in Durchführung der ersten Entscheidung geleisteten Gehältern zurückbleiben, für die zurückliegende Zeit von den neuen Gehältern in Abzug gebracht hätte. Sie hätte dann einen Ausgleich für diese Abzüge in der Form der Gewährung einer Entschädigung für den begangenen Amtsfehler in Erwägung ziehen können. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht, weil die Verwaltung anders vorgegangen ist; sie hat, da die Kläger die neue Einstufung abgelehnt haben, diese nicht in das beamtete Bedienstetenverhältnis berufen, sondern sie auf ihre Anstellungsverträge verwiesen und keinerlei Gehaltsabzüge vorgenommen.

    Heißt dies nun, die Kläger hätten keinerlei zur Wiedergutmachung verpflichtende Nachteile erlitten? Ich glaube nicht. Fest steht, daß ihnen durch das Verhalten der Gemeinsamen Versammlung, wie ich es beschrieben habe und worauf ich nicht zurückkommen möchte, ich würde sagen, Schwierigkeiten entstanden sind. In den gesamten Begleitumständen der Episoden dieser Angelegenheit, wie sie sich uns dargeboten haben, würde ich zwar schwer zu beziffernde, aber bestimmte Nachteile erblicken.

    C)

    Höhe des Schadens. Meine Herren, wenn man alle von der Gemeinsamen Versammlung den Klägern gegenüber getroffenen Maßnahmen in Betracht zieht, so läßt sich behaupten, daß die erlittenen Nachteile, soweit sie materieller Natur waren, sehr weitgehend ausgeglichen worden sind. Es genügt, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß nicht nur, wie ich dargelegt habe, keinerlei Gehaltsabzüge vorgenommen worden sind, sondern daß: 1. den Klägern für die Dauer von zwei Jahren in der Form einer differenzierten Entschädigung die Gewährung der gleichen Bezüge angeboten worden ist, wie sie bei der ersten Einstufung vorgesehen waren; 2. trotz der Ablehnung dieses Angebotes und der Aufrechterhaltung ihrer Anstellungsverträge diese Verträge bis zum 31. Dezember 1956 verlängert worden sind; 3. den Klägern infolge der von der Verwaltung bewilligten Aussetzung auch gegenwärtig noch alle Vorteile aus den Erlassen vom 12. Dezember 1955 zugute kommen. Ferner muß darauf hingewiesen werden, daß die Kläger für ihre Behauptungen, sie hätten auswärtige „Anstellungsangebote“ erhalten, die sie infolge der höheren Einstufung, auf die sie ein Recht zu haben glaubten, ausgeschlagen hätten, keinerlei Beweis angeboten haben.

    Demgegenüber glaube ich, meine Herren, daß diese Angelegenheit eine moralische Seite hat, welche Bedeutung dieser auch immer zukommen möge; die moralischen Auswirkungen können durch die von der Gemeinsamen Versammlung gewährten materiellen Vorteile nicht wiedergutgemacht werden. Ich bin der Auffassung, daß der Gerichtshof das Verhalten der Gemeinsamen Versammlung verurteilen sollte; ein Urteil, das, mit welcher Begründung auch immer, zu einer Abweisung der Klagen gelangen sollte, würde dieses Ziel jedoch verfehlen. In Anlehnung an eine in einigen Ländern unserer Gemeinschaft sehr geläufige Praxis glaube ich daher, daß die Gemeinsame Versammlung zu einer symbolischen Schadensersatzleistung von 1 Franken verurteilt werden könnte.

    Ich beantrage in den Rechtssachen 3 bis 7/57:

    die Gemeinsame Versammlung zur Zahlung von 1 Franken an jeden der Kläger zu verurteilen;

    die Klagen im übrigen abzuweisen

    und die Gemeinsame Versammlung zur Tragung der gesamten Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

    Top