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Document 62009CJ0188

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug

(Richtlinien des Rates 67/227, Art. 2 Abs. 1 und 2, sowie 77/388, Art. 2, Art. 10 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 1 und 2)

2. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 77/388 – Abweichende nationale Maßnahmen – Begriff

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 27 Abs. 1)

3. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Verbot, andere nationale Steuern zu erheben, die den Charakter von Umsatzsteuern haben – Begriff „Umsatzsteuern“ – Tragweite

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 33)

Leitsätze

1. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wie es in Art. 2 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie 67/227 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer und in Art. 2, Art. 10 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2004/7 geänderten Fassung definiert wurde, verwehrt einem Mitgliedstaat nicht, vorübergehend das Recht auf Vorsteuerabzug von Steuerpflichtigen einzuschränken, die bei der Aufzeichnung ihrer Verkäufe eine Formvorschrift verletzt haben, sofern die so vorgesehene Sanktion dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.

Eine solche Aufzeichnungsverpflichtung gehört nämlich zu den Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie erlassen dürfen, da sie dazu dient, eine genaue Steuererhebung sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern. Wird in diesem Zusammenhang für den Fall, dass der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkommt, eine Vorsteuerkürzung um 30 % vorgesehen, ist diese Maßnahme als Verwaltungssanktion anzusehen, deren abschreckende Wirkung die Durchsetzung dieser Verpflichtung gewährleisten soll. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob die Modalitäten für die Bestimmung der Höhe der Sanktion und die Voraussetzungen, unter denen der von der Finanzverwaltung für die Verhängung dieser Sanktion angenommene Sachverhalt ermittelt, festgestellt und gegebenenfalls entschieden wird, das Recht auf Vorsteuerabzug im Ergebnis seines Inhalts berauben und damit den Grundsatz der Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlicher Tätigkeiten beeinträchtigen. Insoweit ist ein Einbehalt, der auf 30 % begrenzt ist und damit den Großteil der Vorsteuer unberührt lässt, weder überschießend noch unzureichend, um eine Abschreckungswirkung der fraglichen Sanktion und damit ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Außerdem fehlt einem solchen auf den Aufwendungen des Steuerpflichtigen beruhenden Einbehalt nicht offensichtlich jeder Zusammenhang mit dem Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betroffenen. Da diese Sanktion zudem nicht bezweckt, Aufzeichnungsfehler zu heilen, sondern ihnen vorzubeugen, kann bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion ihr pauschaler Charakter, der aus der Anwendung eines fixen Satzes von 30 % folgt, und damit der fehlende Zusammenhang zwischen ihrer Höhe und den Beträgen, die mit den möglicherweise vom Steuerpflichtigen begangenen Fehlern zusammenhängen, nicht berücksichtigt werden.

(vgl. Randnrn. 27-28, 34-37, 39, Tenor 1)

2. Nationale Bestimmungen, nach denen gegen Steuerpflichtige eine Verwaltungssanktion verhängt wird, wenn festgestellt wird, dass sie ihrer Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse für die Aufzeichnung des Umsatzes und der geschuldeten Steuerbeträge nicht nachgekommen sind, sind keine „abweichenden Sondermaßnahmen“ zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen im Sinne von Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2004/7 geänderten Fassung. Eine solche Maßnahme fällt nicht in den Anwendungsbereich von Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, da sie ihrer Natur nach den in Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Maßnahmen entspricht, wonach die Mitgliedstaaten weitere Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich ansehen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden.

(vgl. Randnrn. 41-43, Tenor 2)

3. Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2004/7 geänderten Fassung steht der Beibehaltung von Bestimmungen wie denen des polnischen Gesetzes über die Steuer auf Waren und Dienstleistungen nicht entgegen, nach denen gegen Steuerpflichtige eine Verwaltungssanktion verhängt werden kann, wenn festgestellt wird, dass sie ihrer Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse für die Aufzeichnung des Umsatzes und der geschuldeten Steuerbeträge nicht nachgekommen sind.

(vgl. Randnr. 49, Tenor 3)

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