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Document 62008TJ0377

Leitsätze des Urteils

Zusammenfassung des Urteils (Beamtensache)

Zusammenfassung des Urteils (Beamtensache)

Leitsätze

1. Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Krankheitskosten – Erstattung – Ablehnung – Beschwerde – Zurückweisung – Begründungspflicht

(Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2)

2. Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Krankheitskosten – Erstattung – Ablehnung – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Art. 72)

3. Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Berücksichtigung der Interessen des Beamten

(Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge, Art. 35 Abs. 2)

1. Die Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde ist auch für die Entscheidung maßgebend, gegen die die Beschwerde gerichtet war.

Lehnt die Abrechnungsstelle daher nach einer abschlägigen Stellungnahme des Vertrauensarztes die Übernahme bestimmter Krankheitskosten gemäß Art. 20 der Gemeinsamen Regelung ab und legt der Betroffene eine Beschwerde ein, mit der er die Begründung für diese Ablehnung als zu allgemein oder zu knapp beanstandet, so kann die Verwaltung die Beantwortung dieser Beschwerde im Vorverfahren auf eine eingehendere Begründung stützen. Bei einer solchen einzelfallspezifischen Begründung, die vor Klageerhebung mitgeteilt wird, ist davon auszugehen, dass sie auch für die ablehnende Entscheidung gilt und deshalb als eine für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung relevante Information anzusehen ist.

(vgl. Randnrn. 55 und 56)

Verweisung auf: Gerichtshof, 9. Dezember 1993, Parlament/Volger, C‑115/92 P, Slg. 1993, I‑6549, Randnr. 22; Gerichtshof, 23. September 2004, Hectors/Parlament, C‑150/03 P, Slg. 2004, I‑8691, Randnrn. 47 bis 49; Gericht, 22. März 1995, Kotzonis/WSA, T‑586/93, Slg. 1995, II‑665, Randnr. 105; Gericht, 11. März 1999, Gaspari/Parlament, T‑66/98, Slg. ÖD 1999, I‑A‑55 und II‑287, Randnrn. 30 bis 33; Gericht, 11. Mai 2000, Pipeaux/Parlament, T‑34/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑79 und II‑337, Randnrn. 18 und 19; Gericht, 6. Juli 2004, Huygens/Kommission, T‑281/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑203 und II‑903, Randnr. 107

2. Die richterliche Kontrolle erstreckt sich nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn, die als endgültig anzusehen sind, wenn sie unter ordnungsgemäßen Voraussetzungen erfolgt sind.

Stellungnahmen eines Vertrauensarztes und eines Ärztebeirats, die allein mit der – rein technischen – Frage befasst sind, ob ein defekter Rollstuhl in Anbetracht des zu seiner Herstellung verwendeten Materials und der Ursache für den Bruch der Rückenlehne bei vernünftiger Betrachtungsweise repariert werden konnte oder ob es aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt war, die Anschaffung eines neuen Rollstuhls zu finanzieren, enthalten keine ärztliche Beurteilung im eigentlichen Sinn. Die Rechtsprechung zur beschränkten gerichtlichen Kontrolle ärztlicher Gutachten ist daher in einem solchen Fall nicht einschlägig.

(vgl. Randnrn. 68 bis 70)

Verweisung auf: Gerichtshof, 19. Januar 1988, Biedermann/Rechnungshof, 2/87, Slg. 1988, 143, Randnr. 8; Gericht, 16. März 1993, Blackman/Parlament, T‑33/89 und T‑74/89, Slg. 1993, II‑249, Randnr. 44; Gericht, 12. Mai 2004, Hecq/Kommission, T‑191/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑147 und II‑659, Randnr. 62

3. Die der Verwaltung obliegende Fürsorgepflicht, die das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat, erfordert insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt.

Die Anstellungsbehörde verstößt gegen ihre Fürsorgepflicht, wenn sie die Lage eines Klägers und Ruhestandsbeamten, der die Übernahme der Kosten für den Austausch des beschädigten Rollstuhls seiner Tochter beantragt, nicht berücksichtigt, obwohl ihr bekannt ist, dass der Kläger in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Tochter wohnt und dass der Rollstuhl in dem ersten Mitgliedstaat gekauft und in dem zweiten Mitgliedstaat repariert worden war. Hierdurch wird die Aufgabe des Klägers, die Ursache für die Beschädigung des Rollstuhls nachzuweisen und zu belegen, dass seine querschnittsgelähmte Tochter einen neuen Rollstuhl benötigt, um ein angemessenes Privat- und Berufsleben führen zu können, besonders erschwert.

Unter diesen Umständen ist die Anstellungsbehörde verpflichtet, eine aktivere Rolle bei der Behandlung des Vorgangs einzunehmen und insbesondere eine entsprechende Anwendung von Art. 35 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften ins Auge zu fassen, wonach die Verwaltung vor der Entscheidung über eine Beschwerde, wenn der Streitfall medizinische Fragen betrifft, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen kann, wobei „die Kosten des Gutachtens … zu Lasten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems“ gehen. Da ein solcher Streitfall technische Fragen betrifft, muss sich die Anstellungsbehörde daher fragen, ob es finanziell günstiger wäre, zusammen mit dem Kläger einen technischen Gutachter zu suchen, und zwar auf Kosten des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems, oder die Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls –gegebenenfalls bis zu einer bestimmten Obergrenze – in Erwägung zu ziehen.

(vgl. Randnrn. 87 bis 89)

Verweisung auf: Gerichtshof, 28. Mai 1980, Kuhner/Kommission, 33/79 und 75/79, Slg. 1980, 1677, Randnr. 22; Gerichtshof, 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Randnr. 38; Gericht, 27. September 2006, Lantzoni/Gerichtshof, T‑156/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑189 und II‑A‑2‑969, Randnr. 88

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