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Document 62005CJ0135
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Rechtssache C-135/05
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Italienische Republik
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Abfallbewirtschaftung — Richtlinien 75/442/EWG, 91/689/EWG und 1999/31/EG“
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 26. April 2007 I-3478
Leitsätze des Urteils
Vertragsverletzungsverfahren – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission
(Art. 226 EG)
Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Der Kommission übertragene Überwachungsaufgabe – Pflicht der Mitgliedstaaten
(Art. 10 EG, 211 EG und 226 EG; Richtlinie 75/442 des Rates in der durch die Richtlinien 91/156, 91/689 und 1999/31 geänderten Fassung)
Vertragsverletzungsverfahren – Prüfung der Begründetheit durch den Gerichtshof – Maßgebende Lage – Lage bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist
(Art. 226 EG)
Umwelt – Abfallbeseitigung – Richtlinie 75/442 – Art. 4
(Richtlinie 75/442 des Rates in der durch die Richtlinie 91/156 geänderten Fassung, Art. 4)
Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG obliegt es der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und kann sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen. Hat die Kommission jedoch genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts im Gebiet des beklagten Mitgliedstaats beigebracht, die belegen, dass sich bei den Behörden eines Mitgliedstaats eine wiederholt angewandte, fortbestehende Praxis herausgebildet hat, die gegen die Bestimmungen einer Richtlinie verstößt, so obliegt es dem Mitgliedstaat, diese Angaben und deren Folgen substantiiert zu bestreiten.
(vgl. Randnrn. 26, 30, 32)
Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 10 EG verpflichtet, der Kommission die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern, die gemäß Art. 211 EG insbesondere darin bestehen, für die Anwendung des EG-Vertrags sowie der von den Organen aufgrund des EG-Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Bei der Prüfung, ob die nationalen Bestimmungen, mit denen die wirksame Durchführung der Richtlinien — u. a. der im Umweltbereich erlassenen — sichergestellt werden soll, in der Praxis korrekt angewandt werden, ist die Kommission, die über keine eigenen Ermittlungsbefugnisse verfügt, weitgehend auf die Angaben etwaiger Beschwerdeführer, privater oder öffentlicher Einrichtungen, die im betroffenen Mitgliedstaat tätig sind, und dieses Mitgliedstaats selbst angewiesen. Unter solchen Umständen haben in erster Linie die nationalen Behörden im Geiste einer loyalen Zusammenarbeit die erforderlichen Prüfungen vor Ort vorzunehmen, entsprechend der Verpflichtung jedes Mitgliedstaats, der Kommission die Erfüllung ihrer allgemeinen Aufgabe zu erleichtern.
(vgl. Randnrn. 27-28, 31)
Das Vorliegen einer Vertragsverletzung ist anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war; später eingetretene Veränderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie eine korrekte Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung darstellen, die Gegenstand dieser Vertragsverletzungsklage ist.
(vgl. Randnr. 36)
Art. 4 der Richtlinie 75/442 in der durch die Richtlinie 91/156 geänderten Fassung bezeichnet zwar die Maßnahmen inhaltlich nicht genau, die von den Mitgliedstaaten zu treffen sind, um sicherzustellen, dass die Abfälle verwertet oder beseitigt werden, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne dass Verfahren oder Methoden verwendet werden, die die Umwelt schädigen können, doch legt er die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Zieles fest, wobei er ihnen allerdings ein Ermessen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen belässt.
Es ist somit grundsätzlich nicht möglich, aus der Unvereinbarkeit einer tatsächlichen Situation mit den in Art. 4 der Richtlinie 75/442 festgelegten Zielen unmittelbar abzuleiten, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen die ihm durch diese Vorschrift auferlegten Verpflichtungen verstoßen haben muss. Jedoch kann das Fortbestehen einer solchen tatsächlichen Situation, namentlich wenn es zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Umwelt über einen längeren Zeitraum führt, ohne dass die zuständigen Behörden eingreifen, darauf hinweisen, dass die Mitgliedstaaten das ihnen durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen überschritten haben.
(vgl. Randnr. 37)