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Document 62003TJ0095

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen

    (Artikel 88 Absätze 2 und 3 EG und Artikel 230 Absatz 4 EG)

    2. Staatliche Beihilfen – Begriff

    (Artikel 87 Absatz 1 EG)

    3. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang

    (Artikel 253 EG)

    4. Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission

    (Artikel 88 Absatz 3 EG)

    5. Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Vorprüfungsphase und kontradiktorische Phase

    (Artikel 87 Absatz 1 EG und Artikel 88 Absätze 2 und 3 EG; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Artikel 4 Absatz 4)

    Leitsätze

    1. Stellt die Kommission, ohne das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten, durch eine Entscheidung aufgrund von Artikel 88 Absatz 3 EG fest, dass eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so können die Personen, denen die in Artikel 88 Absatz 2 EG vorgesehenen Verfahrensgarantien zugutekommen, deren Beachtung nur durchsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, die auf Artikel 88 Absatz 3 EG gestützte Entscheidung vor dem Gemeinschaftsrichter anzufechten.

    Deshalb erklärt der Gemeinschaftsrichter eine Klage auf Nichtigerklärung einer auf Artikel 88 Absatz 3 EG gestützten Entscheidung, die von einem Beteiligten im Sinne des Artikels 88 Absatz 2 EG erhoben wird, für zulässig, wenn der Kläger mit der Erhebung der Klage die Verfahrensrechte wahren möchte, die ihm nach der letztgenannten Bestimmung zustehen.

    Stellt der Kläger dagegen die Begründetheit der Entscheidung selbst, mit der die Beihilfe beurteilt wird, in Frage, so kann der Umstand, dass er als Beteiligter im Sinne von Artikel 88 Absatz 2 EG betrachtet werden kann, nicht für die Annahme der Zulässigkeit der Klage ausreichen. Er muss daher dartun, dass ihm eine besondere Stellung im Sinne des Urteils Plaumann/Kommission (25/62) zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Marktstellung des Klägers durch die Beihilfe, die Gegenstand der betreffenden Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird.

    (vgl. Randnrn. 45-46, 48)

    2. Nationale Rechtsvorschriften, die den Zugang von Hypermärkten zum Markt für den Handel mit Mineralölprodukten erleichtern sollen, indem sie bestimmte städtebauliche Beschränkungen aufheben und die Verwaltungsverfahren für die Errichtung von Tankstellen erleichtern, ohne jedoch dadurch die Eigentümer von Hypermärkten von einer im geltenden Recht vorgesehenen oder sich aus einer allgemeinen Verwaltungspraxis der örtlichen Behörden ergebenden Abführungspflicht gegenüber dem Staat zu befreien, führen weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel und können daher nicht als staatliche Beihilfe angesehen werden.

    Eine staatliche Maßnahme, die weder zu einer mittelbaren noch zu einer unmittelbaren Übertragung staatlicher Mittel führt, kann nämlich nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft werden, auch wenn sie dessen weitere Voraussetzungen erfüllt.

    (vgl. Randnrn. 87, 91, 104)

    3. Bei der Begründungspflicht handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört.

    Die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Artikels 253 EG genügt, ist nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Was insbesondere eine Entscheidung der Kommission anbelangt, mit der verneint wird, dass es sich bei einer von einem Beschwerdeführer gerügten Maßnahme um eine staatliche Beihilfe handelt, hat die Kommission dem Beschwerdeführer in hinreichender Weise die Gründe darzulegen, aus denen die in der Beschwerde angeführten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte nicht zum Nachweis des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe genügt haben. Die Kommission braucht jedoch nicht zu Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, die offensichtlich neben der Sache liegen oder keine oder eindeutig untergeordnete Bedeutung haben.

    (vgl. Randnrn. 107-108)

    4. Hat der betreffende Mitgliedstaat die Kommission nicht von den im Hinblick auf das Verbot staatlicher Beihilfen streitigen staatlichen Maßnahmen unterrichtet, ist sie nicht verpflichtet, diese Maßnahmen innerhalb einer bestimmten Frist einer Vorprüfung zu unterziehen. Wenn betroffene Dritte bei ihr Beschwerden in Bezug auf nicht gemeldete staatliche Maßnahmen erhoben haben, ist sie jedoch verpflichtet, diese Beschwerden im Rahmen der in Artikel 88 Absatz 3 EG vorgesehenen Vorprüfungsphase im Interesse einer ordnungsgemäßen Anwendung der grundlegenden Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen. Daraus folgt insbesondere, dass die Kommission die Vorprüfung staatlicher Maßnahmen, gegen die eine Beschwerde erhoben wurde, nicht unbegrenzt verlängern kann, da diese Prüfung der Kommission lediglich ermöglichen soll, sich eine erste Meinung über die Qualifizierung der ihrer Beurteilung unterliegenden Maßnahmen und über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu bilden.

    Die Angemessenheit der Dauer eines Vorprüfungsverfahrens ist anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere von dessen Kontext, der verschiedenen Verfahrensabschnitte, die die Kommission abzuschließen hat, der Komplexität der Angelegenheit sowie ihrer Bedeutung für die verschiedenen Beteiligten zu beurteilen.

    Die Beachtung einer angemessenen Frist bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren ist zwar ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung einer staatlichen Beihilfe Anwendung findet und für dessen Einhaltung der Gemeinschaftsrichter sorgt; eine Entscheidung, mit der die Kommission eine Vorprüfung gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG abschließt, ist jedoch nicht schon deswegen rechtswidrig, weil sie nach Ablauf einer solchen Frist ergangen ist.

    (vgl. Randnrn. 121-122, 130)

    5. Aus Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 659/1999 und der Rechtsprechung geht hervor, dass die Kommission verpflichtet ist, das Verfahren des Artikels 88 Absatz 2 EG einzuleiten, wenn sie bei einer ersten Prüfung nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ausräumen konnte, ob eine ihrer Kontrolle unterliegende staatliche Maßnahme eine Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn sie bei dieser ersten Prüfung nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass die betreffende Maßnahme, wenn sie denn eine Beihilfe sein sollte, auf jeden Fall mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

    Dass wesentlich mehr Zeit vergangen ist, als für eine erste Prüfung im Rahmen des Artikels 88 Absatz 3 EG normalerweise benötigt wird, kann zusammen mit anderen Faktoren zu der Feststellung führen, dass die Kommission auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten gestoßen ist, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG verlangten.

    Der Umstand, dass die Kommission anhand der ihr vorliegenden Informationen Zweifel hinsichtlich der Frage äußert, ob eine staatliche Maßnahme Beihilfecharakter hat, diese Vorbehalte aber nach Vorlage zusätzlicher Informationen durch die Beschwerdeführer nicht mehr zum Ausdruck bringt, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass sie auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen ist. Zwar verfügt sie nämlich hinsichtlich der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens über keinerlei Ermessen, wenn sie ernsthafte Schwierigkeiten feststellt, doch hat sie einen gewissen Spielraum bei der Ermittlung und Prüfung der Umstände des Einzelfalls, um festzustellen, ob diese ernsthafte Schwierigkeiten begründen. Nach dem Zweck des Artikels 88 Absatz 3 EG und ihrer Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung kann die Kommission insbesondere einen Dialog mit den Beschwerdeführern führen, um sich etwa ergebende Schwierigkeiten im Verlauf des Vorverfahrens zu überwinden. Aufgrund dieser Befugnis muss es der Kommission jedoch auch möglich sein, ihren Standpunkt den Ergebnissen des Dialogs anzupassen, ohne dass diese Anpassung von vornherein als Beleg für ernsthafte Schwierigkeiten zu verstehen ist.

    Da die Kommission nicht zur Anhörung der Beschwerdeführer verpflichtet ist und ihnen deshalb nicht mitzuteilen braucht, auf welche Grundlage im nationalen Recht sie ihre Entscheidung stützen möchte, bedeutet zudem auch das Fehlen einer solchen Mitteilung nicht bereits, dass die Kommission auf derartige Schwierigkeiten gestoßen wäre.

    (vgl. Randnrn. 134-135, 139-140)

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