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Document 62001TJ0210
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Nichtigkeitsklage – Gegenstand – Entscheidung auf dem Gebiet der Kontrolle von Zusammenschlüssen – Entscheidung, die auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder den verfügenden Teil tragen würde – Erfüllung der Kriterien für die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zumindest im Hinblick auf einen der betroffenen Märkte – Klage unbegründet
(Artikel 230 EG; Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2 Absätze 1 Buchstabe a und 3)
2. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Wirtschaftliche Beurteilungen – Ermessen bei der Beurteilung – Gerichtliche Überprüfung – Umfang – Grenzen
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2)
3. Wettbewerb – Zusammenschlüsse– Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Keine Vermutung
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
4. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Vorausschauende Untersuchung der möglichen Entwicklungen auf dem betroffenen Markt – Notwendigkeit einer gründlichen Untersuchung – Umfang
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2 Absätze 2 und 3)
5. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Zusammenschluss des Konglomerattyps – Begriff – Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Referenzmarkt eines der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird – Zulässigkeit – Möglichkeit für die Kommission, sich auf das voraussichtliche Verhalten der durch den Zusammenschluss entstandenen Einheit zu stützen – Voraussetzungen – Vornahme einer gründlichen, auf eindeutige Beweise gestützten Untersuchung
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2 Absätze 2 und 3)
6. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Zusammenschluss des Konglomerattyps – Berücksichtigung voraussichtlicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen – Zulässigkeit – Keine Pflicht der Kommission, die Wahrscheinlichkeit solcher Verhaltensweisen eines Unternehmens im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Risiken zu beurteilen
(Artikel 82 EG; Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2 Absätze 2 und 3)
7. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Kriterien – Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, die den wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert – Kumulativer Charakter – Wechselwirkung – Keine Verpflichtung, Erwägungen betreffend das erste Kriterium, die auch in Bezug auf das zweite von Bedeutung sind, förmlich mit Letzterem zu verbinden
(Artikel 82 EG und 253 EG; Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 2 Absätze 2 und 3)
8. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Begriff
(Artikel 82 EG)
9. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Kennzeichnung durch den Besitz eines besonders hohen Marktanteils – Beurteilung der Steigerung des Marktanteils auf einem Ausschreibungsmarkt, der durch den Abschluss einer begrenzten Anzahl hochwertiger Verträge gekennzeichnet ist
(Artikel 82 EG)
10. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Auswirkung eines lebhaften Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt – Fehlen im Fall eines Unternehmens, das sein Verhalten bestimmen kann, ohne hierauf Rücksicht nehmen zu müssen – Finanzielle Konzessionen, die gemacht werden, um bestimmte Ausschreibungen betreffend hochwertiger Waren zu gewinnen – Unbeachtlich
(Artikel 82 EG)
11. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Anwendung durch die Kommission – Selbständigkeit gegenüber den Beurteilungen der Behörden von Drittländern
12. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Wettbewerbswidrige Auswirkungen, die sich aus einer unmittelbaren vertikalen Beziehung ergeben – Auswirkungen, die von der künftigen Verhaltensweise der neu entstehenden Unternehmenseinheit abhängen – Verpflichtung der Kommission, sich hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des behaupteten Verhaltens auf solide Beweise zu stützen – Freie Beweiswürdigung
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
13. Wettbewerb – Beherrschende Stellung für den Verkauf wesentlicher Bestandteile – Lieferverweigerung – Missbrauch
(Artikel 82 EG)
14. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Nachweis, dass in absehbarer Zeit ein Verhalten eintreten wird, das eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken wird – Verpflichtung, sich auf solide Beweise zu stützen
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
15. Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Neues Vorbringen – Begriff – Antwort auf eine vom Gericht als prozessleitende Maßnahme gestellte Frage – Ausschluss
(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 48 und 64 § 3)
16. Handlungen der Organe – Begründungspflicht – Von einer Entscheidung in einer früheren Sache, die sich auf eine ähnliche oder gleiche Situation bezog oder bei der es sich um dieselben Wirtschaftsakteure handelte, abweichende Entscheidung – Umfang
(Artikel 253 EG)
17. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Durchführung – Von der Kommission zu diesem Zweck erlassene Regeln – Bindungswirkung für die Kommission – Bekanntmachung über die Definition des Marktes – Umfang
(Artikel 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission)
18. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Definition des relevanten Marktes – Kriterien – Substituierbarkeit der Waren – Begriff
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nummer 36)
19. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beurteilung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Markt mit einem indirektem und verhältnismäßig schwachen Wettbewerb – Übernahme des einzigen Mitbewerbers durch ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Nachweis, dass vor dem Zusammenschluss kein effektiver Wettbewerb auf dem betreffenden Markt bestanden hat
(Artikel 82 EG; Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
20. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Prüfung durch die Kommission – Verpflichtungszusagen der betroffenen Unternehmen, die geeignet sind, das angemeldete Vorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu machen
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
21. Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Bestimmung des Streitgegenstands – Kurze Darstellung der Klagegründe
(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 44 § 1)
22. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht – Wahrung der Verteidigungsrechte – Grenzen
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates)
23. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht – Unterscheidung nach belastenden und entlastenden Umständen
24. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht – Wahrung der Verteidigungsrechte – Grenzen
25. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht – Verweigerung der Akteneinsicht zwischen der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens und der Mitteilung der Beschwerdepunkte – Keine Verletzung der Verteidigungsrechte
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c)
26. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Akteneinsicht – Kein Anspruch der am Zusammenschluss Beteiligten, während des Verfahrens abschnittsweise Einsicht in ihre Akte zu erhalten
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, Artikel 18 Absatz 1)
27. Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Verwaltungsverfahren – Kürze der Zwischenfristen des Verfahrens – Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots bei der Beurteilung der Einhaltung der Verfahrensrechte
(Verordnung Nr. 4064/89 des Rates; Verordnung Nr. 447/98 der Kommission, Artikel 13 und 21)
28. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Tätigwerden des Anhörungsbeauftragten – Beschluss, durch den seine Stellung während des Verfahrens verändert wird – Unmittelbare Ersetzung der früheren Funktion durch die neue Funktion
(Beschluss 2001/462 der Kommission, Artikel 2 Absätze 1 und 2)
29. Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Wahrung durch den Gemeinschaftsrichter – Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention
(Artikel 6 Absatz 2 EU)
1. Können bestimmte Gründe einer Entscheidung bereits für sich allein diese Entscheidung rechtlich hinreichend rechtfertigen, so haben Mängel, mit denen andere Gründe des betreffenden Rechtsakts gegebenenfalls behaftet sind, jedenfalls keinen Einfluss auf dessen verfügenden Teil.
Stützt die Kommission den verfügenden Teil einer Entscheidung auf mehrere Teile ihrer Würdigung, wovon jeder allein ausreichen würde, um die Verfügung zu begründen, so ist ein derartiger Rechtsakt grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jede dieser Stützen fehlerhaft ist. In einem derartigen Fall kann ein Fehler oder ein anderer Mangel, der nur eine der genannten Stützen betrifft, nicht genügen, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung herbeizuführen, da dieser Fehler den von dem betreffenden Organ erlassenen verfügenden Teil der Entscheidung nicht entscheidend beeinflussen kann.
Diese Regel findet bei Entscheidungen über die Kontrolle von Zusammenschlüssen Anwendung. Hierbei ist zu bedenken, dass die Kommission einen Zusammenschluss verbieten muss, wenn dieser die Kriterien von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 erfüllt. Nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung berücksichtigt die Kommission bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses vor allem die Notwendigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte im Gemeinsamen Markt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu entwickeln. So muss die Kommission die Frage, ob ein Zusammenschluss eine oder mehrere beherrschende Stellungen begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, unter Zugrundelegung der Bedingungen beurteilen, die auf den einzelnen gegebenenfalls vom angemeldeten Zusammenschluss betroffenen Märkten bestehen. Stellt sie somit bereits bei einem einzigen der betroffenen Märkte fest, dass die genannten Kriterien erfüllt sind, muss der Zusammenschluss daher für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden.
Demgemäß kann eine solche Entscheidung nur dann für nichtig erklärt werden, wenn nicht nur festzustellen ist, dass bestimmte Gründe derselben fehlerhaft sind, sondern auch, dass etwaige nicht fehlerhafte Gründe nicht ausreichen, um die Unvereinbarkeit des angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt zu rechtfertigen. Dies entbindet jedoch nicht von der Notwendigkeit, zu prüfen, ob bestimmte in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Wettbewerbsaspekte sich gegenseitig verstärken, so dass es gekünstelt wäre, wollte man jeden dieser Aspekte getrennt beurteilen.
(vgl. Randnrn. 42-45, 48, 734)
2. Die Kommission verfügt in Wirtschaftsfragen über einen Beurteilungsspielraum bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, insbesondere des Artikels 2 dieser Verordnung. Daher beschränkt sich die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit des Sachverhalts und auf offensichtliche Beurteilungsfehler.
Was die Art dieser Kontrolle anbelangt, so besteht ein wichtiger Unterschied zwischen den fachlichen Gegebenheiten und Feststellungen einerseits, deren etwaige Unrichtigkeit der Richter anhand der ihm unterbreiteten Argumente und Beweise feststellen kann, und den Beurteilungen wirtschaftlicher Art andererseits.
Auch wenn der Kommission bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 4064/89 ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Gemeinschaftsrichter eine Kontrolle der rechtlichen Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur insbesondere die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.
(vgl. Randnrn. 60, 62-63, 253)
3. Die Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen gibt keine Vermutung hinsichtlich der Vereinbarkeit eines angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt vor; es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Kommission zur Genehmigung eines Zusammenschlusses, mit dem sie befasst ist, tendieren muss, wenn sie Zweifel hat. Sie muss sich eine klare Meinung über die Vereinbarkeit bilden und entsprechend entscheiden.
(vgl. Randnr. 61)
4. Angesichts des Beurteilungsspielraums, der der Kommission b ei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in wirtschaftlicher Hinsicht zusteht, ist eine wirksame gerichtliche Kontrolle besonders erforderlich, wenn die Kommission eine Untersuchung der voraussichtlichen Marktentwicklung vornimmt, die sich aus dem geplanten Zusammenschluss ergeben könnte.
Eine solche vorausschauende Untersuchung muss mit großem Bedacht durchgeführt werden, da es nicht darum geht, vergangene Ereignisse, in Bezug auf die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die ein Verständnis ihrer Ursachen ermöglichen, oder auch gegenwärtige Ereignisse zu prüfen, sondern darum, Ereignisse vorherzusehen, die künftig mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit eintreten werden, wenn keine Entscheidung ergeht, mit der der Zusammenschluss zu den geplanten Bedingungen untersagt wird oder diese näher festgelegt werden. Die Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung, bei der zu prüfen ist, inwieweit ein Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen wirksamen Wettbewerb ergeben würde, erfordert es, sich die verschiedenen Kausalketten vor Augen zu führen und von denjenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auszugehen.
(vgl. Randnr. 64)
5. Zusammenschlüsse des Konglomerattyps sind solche, die nicht zu horizontalen Überschneidungen zwischen den Tätigkeiten der Fusionsparteien oder zu vertikalen Beziehungen zwischen diesen Parteien im engeren Sinne führen. Sie wirken sich zwar im Allgemeinen nicht wettbewerbswidrig aus, können jedoch in bestimmten Fällen solche Auswirkungen haben. Kommt die Kommission im Rahmen einer Untersuchung der voraussichtlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses des Konglomerattyps zu dem Ergebnis, dass wegen der von ihr festgestellten Konglomerat‑Wirkungen aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt würde, durch die wirksamer Wettbewerb auf dem betreffenden Markt erheblich behindert würde, so muss sie diesen Zusammenschluss folglich untersagen.
Hierbei bringen Zusammenschlüsse des Konglomerattyps bestimmte spezifische Probleme mit sich, da insbesondere zum einen die Untersuchung eines derartigen Zusammenschlusses mit einer Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung verbunden sein kann, bei der ein künftiger Zeitraum zu berücksichtigen ist, und zum anderen die Auswirkungen des Zusammenschlusses großenteils vom Verhalten der aus ihm hervorgehenden Einheit abhängen können. Demgemäß können die Kausalketten eines derartigen Zusammenschlusses schlecht erkennbar, ungewiss und schwer nachweisbar sein. In diesem Zusammenhang ist die Beschaffenheit der von der Kommission zum Nachweis der Erforderlichkeit einer Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, vorgelegten Beweismittel besonders bedeutsam, da diese Beweise die Auffassung der Kommission stützen sollen, dass ohne den Erlass einer solchen Entscheidung das Szenario der wirtschaftlichen Entwicklung, von dem sie ausgeht, plausibel wäre.
(vgl. Randnrn. 65-66)
6. Bei der Untersuchung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses des Konglomerattyps durch die Kommission muss die Wahrscheinlichkeit bestimmter künftiger Verhaltensweisen umfassend geprüft werden, d. h. unter Berücksichtigung sowohl der Anreize für solche Verhaltensweisen als auch der Faktoren – einschließlich der etwaigen Rechtswidrigkeit der Verhaltensweisen –, die diese Anreize verringern oder sogar beseitigen könnten.
Es widerspräche jedoch dem Präventionszweck der Verordnung Nr. 4064/89, wenn verlangt würde, dass die Kommission bei jedem geplanten Zusammenschluss prüft, inwieweit die Anreize für ein wettbewerbswidriges Verhalten aufgrund der Rechtswidrigkeit der fraglichen Verhaltensweisen, der Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung, ihrer Verfolgung durch die zuständigen Behörden sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene und möglicher daraus erwachsender Sanktionen verringert oder sogar beseitigt würden. Folglich muss die Kommission grundsätzlich den gegebenenfalls rechtswidrigen und somit sanktionierbaren Charakter einer Verhaltensweise als Faktor berücksichtigen, der die Anreize eines Unternehmens für ein bestimmtes Verhalten verringern oder sogar beseitigen kann. Dies erfordert hingegen keine umfassende und eingehende Prüfung der Regelungen der verschiedenen möglicherweise anwendbaren Rechtsordnungen und der dort praktizierten Verfolgungspolitik, da eine Analyse, die darauf abzielt, die Wahrscheinlichkeit einer Zuwiderhandlung zu belegen und sich zu vergewissern, dass sie in mehreren Rechtsordnungen mit einer Sanktion belegt wäre, zu spekulativ wäre.
Somit muss die Kommission, sofern sie ohne entsprechende spezifische und eingehende Untersuchung die Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens im Hinblick auf Artikel 82 EG oder andere in ihren Zuständigkeitsbereich fallende gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen identifizieren kann, dies feststellen und bei ihrer Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines derartigen Verhaltens der durch den Zusammenschluss entstehenden Einheit berücksichtigen.
Wenngleich sich die Kommission demnach auf eine summarische Analyse der Rechtmäßigkeit der fraglichen Verhaltensweise und des Wahrscheinlichkeitsgrads einer Ahndung derselben anhand der Anhaltspunkte, über die sie bei Erlass ihrer Entscheidung auf dem Gebiet der Fusionskontrolle verfügt, stützen kann, muss sie andererseits bei ihrer Beurteilung die von ihr vorausgesehenen Verhaltensweisen feststellen und gegebenenfalls die abschreckende Wirkung beurteilen und berücksichtigen, die eine allfällige, klare oder sehr wahrscheinliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit solcher Verhaltensweisen ausüben könnte.
(vgl. Randnrn. 70-75, 303-304, 424-425, 468)
7. Nach Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen müssen zwei kumulative Voraussetzungen vorliegen, nämlich, erstens, die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung und, zweitens, eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt. Folglich kann ein Zusammenschluss nur untersagt werden, wenn die beiden in Artikel 2 Absatz 3 vorgesehenen Kriterien erfüllt sind.
Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung kann jedoch vorliegen, wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dergestalt verstärkt, dass der erreichte Beherrschungsgrad den Wettbewerb wesentlich behindert, dass also nur noch Unternehmen auf dem Markt bleiben, die in ihrem Marktverhalten von dem beherrschenden Unternehmen abhängig sind. Folglich kann die Verstärkung einer beherrschenden Stellung als solche den Wettbewerb erheblich behindern, und zwar so, dass sie bereits allein einen Missbrauch dieser Stellung darstellt.
Umso mehr kann die Verstärkung oder Begründung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 in bestimmten Fällen eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zum Ausdruck bringen. Dies bedeutet indessen nicht, dass das zweite in Artikel 2 der Verordnung Nr. 4064/89 enthaltene Kriterium rechtlich mit dem ersten verschmilzt, sondern lediglich, dass ein und dieselbe sachliche Untersuchung eines bestimmten Marktes ergeben kann, dass beide Kriterien erfüllt sind.
Die Umstände, auf die sich die Kommission berufen kann, um darzutun, dass die Handlungsfreiheit der Mitbewerber eines Unternehmens so weit eingeschränkt wird, dass von der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung dieses Unternehmens auszugehen ist, sind häufig auch relevant, um zu beurteilen, ob diese Begründung oder Verstärkung zur Folge hat, dass ein wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert wird. Ein Umstand, der die Freiheit der Mitbewerber hinsichtlich der Selbstbestimmung ihrer Handelspolitik erheblich beeinträchtigt, kann nämlich auch bewirken, dass ein wirksamer Wettbewerb behindert wird.
Ergibt sich also aus den Begründungserwägungen einer Entscheidung, die die Unvereinbarkeit eines angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt feststellt – mag es sich dabei auch um Begründungserwägungen handeln, die förmlich mit einer Untersuchung der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu tun haben –, dass der betreffende Zusammenschluss erhebliche wettbewerbswidrige Wirkungen mit sich bringen wird, so ist diese Entscheidung nicht allein deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil die Kommission ihre Darlegung dieser Umstände nicht ausdrücklich und spezifisch mit dem zweiten Kriterium des Artikels 2 der Verordnung Nr. 4064/89 verbunden hat; dies gilt sowohl in Bezug auf die Begründungspflicht des Artikels 253 EG als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht. Anderenfalls würde der Kommission die rein förmliche Verpflichtung auferlegt, eine Reihe von Erwägungen zweifach wiederzugeben, nämlich, erstens, in ihrer Untersuchung über die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf einem bestimmten Markt und, zweitens, im Zusammenhang mit der erheblichen Behinderung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt.
(vgl. Randnrn. 84, 86-89)
8. Eine beherrschende Stellung liegt vor, wenn ein Unternehmen eine wirtschaftliche Machtposition innehat, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. Für den Nachweis einer beherrschenden Stellung muss die Kommission nicht dartun, dass die Mitbewerber eines Unternehmens, sei es auch nur kurzfristig, vom Markt verdrängt werden.
(vgl. Randnrn. 85, 114, 243)
9. Wenngleich die Bedeutung der Marktanteile von einem Markt zum anderen unterschiedlich sein kann, stellen besonders hohe Anteile – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung dar. Dies kann bei einem Marktanteil von 50 % der Fall sein.
Bei einem durch den Abschluss einer begrenzten Anzahl hochwertiger Verträge gekennzeichneten Markt bedeutet indessen der Umstand, dass ein bestimmtes Unternehmen die letzten Ausschreibungen gewonnen hat, nicht zwangsläufig, dass einer seiner Mitbewerber nicht bei der nächsten Ausschreibung siegreich sein kann. Vorausgesetzt, er hat ein wettbewerbsfähiges Erzeugnis, und vorausgesetzt, dass nicht andere Faktoren vorrangig für das erstgenannte Unternehmen sprechen, kann ein Mitbewerber jederzeit einen wichtigen Auftrag erlangen und seine Marktanteile mit einem Mal erheblich steigern.
Dadurch verlieren die Marktanteile jedoch nicht ihre Bedeutung für die Beurteilung der Stärke der verschiedenen Hersteller auf einem derartigen Markt, zumal wenn diese Anteile verhältnismäßig stabil sind oder eine tendenzielle Stärkung der Position eines Unternehmens erkennen lassen. Auch auf einem Ausschreibungsmarkt ist die Tatsache, dass ein Hersteller seine Marktanteile in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren hält und sogar ausbaut, ein Zeichen der Marktstärke. Es kommt nämlich zwangsläufig der Zeitpunkt, zu dem der Unterschied zwischen den Marktanteilen eines Herstellers und seiner Mitbewerber nicht mehr der begrenzten Anzahl von Ausschreibungen, die die Nachfrage auf dem Markt darstellen, zugeschrieben werden kann.
(vgl. Randnrn. 115, 149-151, 540, 571)
10. In der Regel ist es mit der Unabhängigkeit des Verhaltens, die für eine beherrschende Stellung charakteristisch ist, unvereinbar, wenn ein Unternehmen unter dem Druck der Preissenkungen seiner Mitbewerber ebenfalls die Preise senken muss.
Jedoch schließt ein selbst lebhafter Wettbewerb auf einem Markt eine beherrschende Stellung auf diesem Markt nicht aus, da eine solche Stellung wesentlich durch die Fähigkeit gekennzeichnet ist, dass man sein Verhalten in der Marktstrategie ohne Rücksichtnahme auf diesen Wettbewerb bestimmen kann, ohne aufgrund dieser Haltung Nachteile hinnehmen zu müssen. Somit ist ein Wettbewerb auf dem Markt insbesondere bei der Beurteilung, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, zwar ein relevanter Umstand, er ist jedoch als solcher in dieser Hinsicht nicht ausschlaggebend.
So sind in einem Markt für Erzeugnisse, die im Rahmen gelegentlicher Ausschreibungen abgesetzt werden, wobei jeweils hochwertige Aufträge vergeben werden, die durch iterative Verhandlungen gekennzeichnet sind, zwangsläufig finanzielle Konzessionen der einen oder anderen Art von Seiten der Anbieter erforderlich, da dies Bestandteil eines derartigen Verhandlungsprozesses ist. In einem solchen Zusammenhang ist der bloße Umstand, dass ein Unternehmen Preisnachlässe angeboten hat, um bestimmte Ausschreibungen zu gewinnen, als solcher nicht mit dem Vorliegen einer beherrschenden Stellung dieses Unternehmens unvereinbar.
(vgl. Randnrn. 116-117, 184, 215, 249)
11. Dass die zuständigen Behörden eines oder mehrerer Drittländer im Rahmen ihrer eigenen Verfahren eine Frage in bestimmter Weise beurteilen, genügt für sich allein nicht, um eine gegebenenfalls davon abweichende Beurteilung durch die zuständigen Gemeinschaftsbehörden zu entkräften. Die im Verwaltungsverfahren der Gemeinschaft vorgebrachten Faktoren und Argumente sind ebenso wie die geltenden rechtlichen Regeln nicht zwangsläufig die gleichen wie diejenigen, die von den Behörden der betreffenden Drittländer zu berücksichtigen sind, so dass die jeweiligen Beurteilungen voneinander abweichen können. Ist eine Partei der Auffassung, dass die Überlegungen zur Begründung des Standpunkts der Behörden eines Drittlandes besonders zutreffen und auf ein Gemeinschaftsverfahren übertragbar sind, so kann sie diese stets inhaltlich heranziehen, jedoch können derartige Überlegungen keine entscheidende Beweiskraft erlangen.
(vgl. Randnr. 179)
12. Die wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Zusammenschlusses, die sich aus der unmittelbaren vertikalen Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer ergeben, hängen von der künftigen Verhaltensweise der neu entstehenden Unternehmenseinheit ab, ohne die dieser Aspekt der Fusion keine schädlichen Folgen hätte. Die Kommission muss daher aussagekräftige Beweise für die Wahrscheinlichkeit dieses Verhaltens erbringen.
Diese Beweise können in bestimmten Fällen aus Wirtschaftsstudien bestehen, die die voraussichtliche Entwicklung der Marktsituation aufzeigen und erkennen lassen, dass für die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit der Anreiz besteht, sich in bestimmter Weise zu verhalten.
Da jedoch im Gemeinschaftsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, ist das Fehlen eines Beweises dieser Art als solches nicht entscheidend. Insbesondere wenn offensichtlich ist, dass das Geschäftsinteresse eines Unternehmens überwiegend ein bestimmtes Verhalten erwarten lässt, wie etwa die Ausnutzung einer Möglichkeit zur Störung eines Konkurrenzunternehmens, begeht die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler mit dem Schluss, dass die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit das erwartete Verhalten voraussichtlich in die Tat umsetzen wird. Unter diesen Umständen können die bloßen wirtschaftlichen und geschäftlichen Realitäten des Einzelfalls den nach der Rechtsprechung erforderlichen aussagekräftigen Beweis darstellen.
(vgl. Randnrn. 295-297, 433)
13. Eine beherrschende Stellung nimmt einem Unternehmen zwar nicht das Recht, seine eigenen Interessen zu wahren, doch sind bestimmte Verhaltensweisen missbräuchlich, wenn damit spezifisch bezweckt wird, diese beherrschende Stellung zu verstärken und sie zu missbrauchen. Somit begründet die Weigerung eines sich in einer beherrschenden Stellung befindlichen Unternehmens, eine wesentliche Komponente an die Mitbewerber zu verkaufen, als solche einen Missbrauch dieser Stellung.
(vgl. Randnr. 306)
14. Bei der Untersuchung der Auswirkungen eines Zusammenschlusses muss die Kommission im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Marktes anhand aussagekräftiger Beweise und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit betreffend diese Entwicklung nicht nur nachweisen, dass ein etwaiges von ihr vorausgesehenes Verhalten in absehbarer Zeit eintreten wird, sondern auch, dass dieses Verhalten in absehbarer Zeit eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken wird. Es genügt nicht, dass die Kommission eine Reihe logischer, jedoch hypothetischer Schritte aufzeigt, bei denen sie befürchtet, dass ihre praktische Umsetzung abträgliche Folgen für den Wettbewerb auf einer Anzahl verschiedener Märkte mit sich bringen wird. Sie muss vielmehr spezifisch die voraussichtliche Entwicklung jedes Marktes untersuchen, für den sie ihres Erachtens die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung infolge des Zusammenschlusses aufzeigt, und hierfür aussagekräftige Beweise liefern.
(vgl. Randnrn. 327, 429, 433, 464)
15. Wenn das Gericht die Antworten berücksichtigt, die eine Partei auf Fragen erteilt, die als prozessleitende Maßnahmen nach Artikel 64 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellt wurden, und die andere Partei gegebenenfalls die Möglichkeit hatte, in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt Stellung zu nehmen, so wird dadurch Artikel 48 der Verfahrensordnung nicht verletzt.
(vgl. Randnr. 505)
16. Daraus, dass die Kommission sich – anders als bei einer Entscheidung, die eine ständige Entscheidungspraxis fortsetzt – nicht auf eine summarische Begründung beschränken kann, sondern eine ausdrückliche Begründung geben muss, wenn sie eine Praxis erweitern möchte, kann nicht geschlossen werden, dass sie über eine Begründung ihrer Entscheidung unter Bezugnahme auf die einschlägigen Unterlagen der Sache hinausgehen und speziell die Gründe darlegen muss, aus denen sie zu einem anderen Schluss gelangt ist als in einer früheren Sache, die sich auf eine ähnliche oder gleiche Situation bezog oder bei der es sich um dieselben Wirtschaftsakteure handelte.
(vgl. Randnr. 513)
17. Die Kommission kann nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst gegeben hat. Soweit demnach die Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft verbindlich die Methode angibt, mit der die Kommission die Märkte künftig zu definieren hat, und keinen Beurteilungsspielraum freigibt, muss die Kommission dem Wortlaut dieser Bekanntmachung effektiv Rechnung tragen.
Äußert sich die Kommission in einer Bekanntmachung in einer Weise, die es ihr ermöglicht, unter den theoretisch relevanten Arten von Anhaltspunkten oder Beurteilungsgrundlagen diejenigen zu wählen, die unter den Umständen des jeweiligen Falles am geeignetsten sind, so verfügt sie über eine weitgehende Handlungsfreiheit.
Die Kommission hat sich, was dies angeht, in der Bekanntmachung über die Definition des Marktes nicht dazu verpflichtet, eine bestimmte und besondere Methode anzuwenden, um die Nachfragesubstituierbarkeit zu beurteilen. Sie hat vielmehr festgestellt, dass ihr Vorgehen je nach den Umständen des Einzelfalls variieren muss, und sie hat sich einen großen Teil ihres Beurteilungsspielraums erhalten, um jeden einzelnen Fall in geeigneter Weise behandeln zu können.
(vgl. Randnrn. 516, 519)
18. In Bezug auf die Prüfung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich aus Nummer 36 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, wonach „[funktionale] Austauschbarkeit oder ähnliche Merkmale als solche [unter Umständen] noch keine ausreichenden Kriterien [sind], da die Kundenreaktion auf Änderungen bei den relativen Preisen auch von anderen Faktoren abhängen kann“, im Umkehrschluss, dass Erzeugnisse, die funktional austauschbar sind und ähnliche Merkmale aufweisen, in bestimmten Fällen oder sogar im Allgemeinen substituierbar sind, abgesehen von besonderen Umständen, aus denen das Gegenteil hervorgeht.
(vgl. Randnr. 524)
19. In Bezug auf die Anwendung von Artikel 82 EG beinhaltet die Feststellung, dass eine marktbeherrschende Stellung gegeben ist, für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen, sondern bedeutet nur, dass dieses unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt. Zudem ist der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung im Sinne von Artikel 82 EG ein objektiver Begriff; er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt‑ oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktteilnehmer abweichen.
Ist der einzige gegenwärtige Wettbewerb auf einem Markt indirekt und bereits verhältnismäßig schwach, so ist es besonders schädlich, wenn ein Unternehmen den einzigen Wettbewerber, der noch einen Absatz auf diesem Markt aufzuweisen hat, übernimmt. Die Grundsätze, die im Hinblick auf das Verbot der Ausnutzung einer beherrschenden Stellung erstellt wurden, sind entsprechend auf den verwandten rechtlichen Rahmen der Fusionskontrolle anzuwenden; je ausgeprägter hierbei die beherrschende Stellung eines Unternehmens ist, desto mehr trägt es eine besondere Verantwortung dafür, dass es alles unterlässt, was den auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerb weiter schwächen oder gar beseitigen könnte.
Folglich müssen unter solchen Umständen die Fusionsparteien nachweisen, dass vor dem Zusammenschluss kein effektiver Wettbewerb auf dem betreffenden Markt bestanden hat.
(vgl. Randnrn. 549-551)
20. Die Kommission ist im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nur befugt, solche Verpflichtungserklärungen anzunehmen, die das angemeldete Vorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar machen können. Von den Unternehmen vorgeschlagene strukturelle Verpflichtungen erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn die Kommission mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass sie umgesetzt werden können, und wenn die dadurch entstehenden neuen Unternehmensstrukturen so existenzfähig und beständig sind, dass sie in absehbarer Zeit keine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung oder Behinderungen eines wirksamen Wettbewerbs, die durch die Verpflichtungen verhindert werden sollen, ergeben können.
(vgl. Randnrn. 555, 612)
21. Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und einer ordnungsgemäßen Rechtspflege ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, jedoch zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Zwar kann der Text der Klageschrift zu bestimmten Punkten durch Bezugnahmen auf in der Anlage beigefügte Aktenauszüge untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlage beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der rechtlichen Ausführungen ausgleichen, die in der Klageschrift enthalten sein müssen.
(vgl. Randnr. 592)
22. Das Verfahren der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen soll die Empfänger einer Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzen, die Beweisstücke in der Akte der Kommission zur Kenntnis zu nehmen, damit sie sich sinnvoll zu den Schlussfolgerungen äußern können, zu denen die Kommission aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Das Recht auf Akteneinsicht soll sicherstellen, dass sich die betroffenen Unternehmen wirkungsvoll gegen die ihnen gegenüber in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Beanstandungen verteidigen können.
Die Einsicht in bestimmte Schriftstücke kann jedoch verweigert werden, insbesondere in Schriftstücke oder Teile davon, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen enthalten, in interne Schriftstücke der Kommission, in Angaben, die die Identifizierung von Beschwerdeführern ermöglichen, die ihre Identität nicht preisgeben lassen möchten, sowie in Auskünfte, die der Kommission mit der Bitte um vertrauliche Behandlung übermittelt wurden.
Zwar haben die Unternehmen Anspruch auf Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse, doch muss dieses Recht mit der Gewährleistung der Verfahrensrechte in Einklang gebracht werden. So kann die Kommission gehalten sein, die gegensätzlichen Interessen dadurch miteinander in Einklang zu bringen, dass sie nichtvertrauliche Fassungen von Schriftstücken anfertigt, die Geschäftsgeheimnisse oder andere sensible Gegebenheiten enthalten. Die gleichen Grundsätze gelten für die Akteneinsicht bei Zusammenschlüssen im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, obwohl die Anwendung dieser Grundsätze mit dem Beschleunigungsgebot in Einklang gebracht werden muss, das für die allgemeine Systematik dieser Verordnung kennzeichnend ist. In Bezug auf die Verfahrensrechte ist bei der Fusionskontrolle kein anderer oder umfassenderer Schutz geboten als bei Verfahren, die Verstöße betreffen.
(vgl. Randnrn. 629-631)
23. In einem Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet des Wettbewerbs ist bei der Akteneinsicht zwischen ausschließlich belastenden Umständen und entlastenden Schriftstücken oder Schriftstücken zu unterscheiden, die entlastende Umstände enthalten. Belastende Umstände sind nur relevant, wenn sie die Kommission verwertet, so dass es in diesem Fall wesentlich ist, dass sie mitgeteilt werden; werden sie jedoch nicht verwertet, so wird die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht dadurch beeinflusst, dass sie nicht mitgeteilt werden. Hatte hingegen ein Unternehmen im Verwaltungsverfahren keine Einsicht in ein entlastendes Schriftstück, d. h. in einen Umstand, der seiner Verteidigung hätte dienlich sein können und durch den das Verwaltungsverfahren somit möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn dieses Unternehmen den fraglichen Umstand hätte geltend machen können, so ist der durch dieses Schriftstück betroffene Teil der Entscheidung grundsätzlich als fehlerhaft anzusehen.
(vgl. Randnr. 649)
24. Ein Antrag auf vertrauliche Behandlung in Wettbewerbsverfahren kann die Verweigerung der Einsicht in von Dritten stammende Schriftstücke, wie etwa Beschwerden, rechtfertigen. Ein marktbeherrschendes Unternehmen könnte nämlich Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Mitbewerbern, Lieferanten oder Abnehmern ergreifen, die bei der Untersuchung der Kommission mitgewirkt haben, und Drittunternehmen, die der Kommission im Zuge ihrer Ermittlungen Schriftstücke übergeben, deren Übergabe nach Ansicht dieser Unternehmen Vergeltungsmaßnahmen ihnen gegenüber auslösen könnten, können daher zu dieser Übergabe nur bereit sein, wenn sie die Gewissheit haben, dass ihr Antrag auf vertrauliche Behandlung berücksichtigt wird.
(vgl. Randnr. 650)
25. Das Anhörungsrecht in Wettbewerbsverfahren bezieht sich nur auf die Beanstandungen, die die Kommission zu berücksichtigen gedenkt.
Da mit einer Einleitungsentscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen den Parteien keine Beanstandungen übermittelt werden sollen, sondern durch sie lediglich vorläufig zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Kommission erhebliche Bedenken hat, die sie dazu veranlassen, zur zweiten Untersuchungsstufe überzugehen, kann ein Unternehmen nicht geltend machen, dass die vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte unterbliebene Akteneinsicht seine Verteidigungsmöglichkeit beeinträchtigt habe. Indem das Unternehmen Gelegenheit hatte, sich nach Einsicht in die Verwaltungsakte der Kommission schriftlich und mündlich zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zu äußern, konnte es seinen Standpunkt hinsichtlich der berücksichtigten Beschwerdepunkte rechtzeitig zum Ausdruck bringen.
(vgl. Randnrn. 692-693)
26. Wenn die Parteien eines Zusammenschlusses nach dem Wortlaut von Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in der Lage sein müssen, sich von der Einleitung des Verfahrens an zu äußern, so bedeutet dies nicht, dass die Kommission in diesem vorzeitigen Stadium Einsicht in ihre Verwaltungsakte geben müsste. Dass die Parteien Einsicht in die Verwaltungsakte der Kommission nehmen können müssen, um sich letztlich gegen die Einwände der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte verteidigen zu können, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission verpflichtet wäre, ihnen während des gesamten Verfahrens abschnittsweise Einsicht in ihre Akte zu gewähren, wodurch die Kommission unverhältnismäßig belastet würde.
(vgl. Randnr. 694)
27. Damit die Kommission den Zeitplan der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen einhalten kann, müssen die je Verfahrensabschnitt festgelegten Zwischenfristen ebenfalls kurz sein. Dadurch werden naturgemäß die Arbeitsbedingungen für alle Verfahrensbeteiligten erschwert; der Gesetzgeber hat jedoch den Zeitgewinn für das Verfahren als Ganzes als Rechtfertigung für diesen Nachteil betrachtet, um insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Parteien eines angemeldeten Zusammenschlusses aus geschäftlichen Gründen an einer möglichst schnellen Umsetzung ihres Vorhabens interessiert sind. Insoweit muss bei der Beurteilung behaupteter Verletzungen der Verfahrensrechte in Verfahren nach der Verordnung Nr. 4064/89 das Beschleunigungsgebot berücksichtigt werden, das für die allgemeine Systematik dieser Verordnung kennzeichnend ist.
Nach Artikel 21 der Verordnung Nr. 447/98 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung Nr. 4064/89, der u. a. auf die nach Artikel 13 dieser Verordnung festzusetzende Frist für die Erwiderung auf eine Mitteilung der Beschwerdepunkte Anwendung findet, trägt die Kommission überdies dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand und der Dringlichkeit des Falles Rechnung. Demnach muss die Kommission die Verfahrensrechte der Anmelder und das Erfordernis einer baldigen endgültigen Entscheidung nach Möglichkeit miteinander in Einklang bringen.
Folglich können sich die Anmelder eines Zusammenschlusses nur dann auf die Kürze der ihnen in einem derartigen Verfahren eingeräumten Fristen berufen, wenn diese Fristen nicht im Verhältnis zur Dauer des gesamten Verfahrens stehen.
(vgl. Randnrn. 701-703)
28. Wenngleich der Beschluss 2001/462 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren die Stellung des Anhörungsbeauftragten insbesondere dadurch verändert hat, dass er nach Artikel 2 Absatz 2 dieses Beschlusses nunmehr verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission und nicht mehr der Generaldirektion Wettbewerb untersteht, geht klar aus dem Beschluss hervor, dass die neue Funktion „Anhörungsbeauftragter“ unmittelbar an die Stelle der früheren im Beschluss 94/810 vorgesehenen gleichnamigen Funktion tritt. Somit ist der frühere Anhörungsbeauftragte in Ermangelung einer Entscheidung zur Beendigung seines Mandats nach Artikel 2 Absatz 1 des Beschlusses 2001/462 nach Inkrafttreten dieses Beschlusses im Amt geblieben.
Diese Auslegung der vorgenannten Texte wird bestärkt durch die objektive Notwendigkeit, für die Tätigkeit des Anhörungsbeauftragten eine funktionale Kontinuität nach dem Grundsatz einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu gewährleisten. Der Beschluss 2001/462 ist zwangsläufig in Kraft getreten, als bestimmte Verfahren schon im Gange waren. Würde das Inkrafttreten des Beschlusses 2001/462 ohne Ernennung eines neuen Anhörungsbeauftragten bewirken, dass niemand mit dieser Funktion betraut wäre, so könnten die laufenden Verfahren nicht fortgeführt werden, wodurch sowohl die Vorschriften der Verordnung Nr. 4064/89 als auch die Bestimmungen des Beschlusses 2001/462 bei diesen Verfahren unwirksam würden. Folglich bleibt ein bei Inkrafttreten des Beschlusses 2001/462 bereits berufener Anhörungsbeauftragter befugt, diese Funktion bis auf Weiteres wahrzunehmen, um zumindest Verfahren, mit denen er bereits befasst war, abzuschließen.
(vgl. Randnrn. 719-720)
29. Die Grundrechte gehören zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat. Dabei lassen sich der Gerichtshof und das Gericht von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Insoweit kommt der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte besondere Bedeutung zu. Nach Artikel 6 Absatz 2 EU „[achtet zudem] die Union die Grundrechte, wie sie in der … Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte … gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben[, als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts]“.
(vgl. Randnr. 725)