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Document 61997TJ0242

    Leitsätze des Urteils

    URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

    4. Mai 1999

    Rechtssache T-242/97

    Z

    gegen

    Europäisches Parlament

    „Disziplinarverfahren — Sanktion der Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe — Anfechtungsklage“

    Vollständiger Wortlaut in französischer Sprache   II-401

    Gegenstand:

    Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments vom 28. Oktober 1996, durch die gegen den Kläger die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe verhängt wurde.

    Entscheidung:

    Die Klage wird abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

    Leitsätze

    1. Beamte – Disziplinarordnung – Untersuchung vor Einleitung des Disziplinarverfahrens – Nach Abschluß der ersten Untersuchung eingeleitete neue Untersuchung mit anschließendem Disziplinarverfahren – Zulässigkeit

      (Beamtenstatut, Anhang IX)

    2. Beamte – Disziplinarordnung – Verfahren vor dem Disziplinarrat – In Artikel 7 des Anhangs IX festgesetzte Fristen – Nichtbeachtung – Keine Ausschlußfristen

      (Beamtenstatut, Anhang IX Artikel 7)

    3. Beamte – Klage – Vorherige Verwaltungsbeschwerde – Gegenstand – Übereinstimmung von Beschwerde und Klage – Nicht in der Beschwerde enthaltene Rüge – Prüfung einer Frage zwingenden Rechts von Amts wegen

      (Beamtenstatut, Artikel 90 und 91; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 113)

    4. Beamte – Disziplinarordnung – Disziplinarverfahren – Rechtmäßigkeit – Gerichtliche Kontrolle – Grenzen

      (Beamtenstatut, Artikel 86; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 64 § 3 Buchstabe d und 4)

    5. Beamte – Disziplinarordnung – Sanktion – Ermessen der Anstellungsbehörde – Gerichtliche Kontrolle – Umfang – Grenzen

      (Beamtenstatut, Artikel 86 bis 89)

    1.  Der bloße Umstand, daß eine rein verwaltungsmäßige Untersuchung keine Bestätigung für bestimmte gegen einen Beamten erhobene Vorwürfe erbracht hat, hindert die Anstellungsbehörde nicht daran, jederzeit aus eigenem Antrieb eine neue Untersuchung und im Anschluß daran ein Disziplinarverfahren gemäß Anhang IX des Statuts einzuleiten. Denn im Statut ist keine Verjährungsfrist oder Bestandskraft vorgesehen, die der Einleitung oder Durchführung eines Disziplinarverfahrens entgegenstehen würde.

      (Randnr. 28)

      Vgl. Gericht, 17. Oktober 1991, De Compte/Parlament, T-26/89, Slg. 1991, II-781, Randnrn. 68 und 88

    2.  Die in Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts festgesetzten Fristen sind keine Ausschlußfristen, sondern stellen Regeln guter Verwaltungsführung dar, deren Nichteinhaltung die Haftung des Organs für etwaige den Betroffenen entstehende Schäden begründen kann, ohne jedoch die Gültigkeit der nach ihrem Ablauf ausgesprochenen Disziplinarstrafe zu berühren. Die Gültigkeit einer nach Fristablauf ausgesprochenen Disziplinarstrafe kann nur in Einzelfällen bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zweifelhaft sein.

      (Randnrn. 39 und 41)

      Vgl. Gerichtshof, 4. Februar 1970, Van Eick/Kommission, 13/69, Slg. 1970, 3, Randnrn. 3 ff.; Gerichtshof, 29. Januar 1985, F./Kommission, 228/83, Slg. 1985, 275, Randnr. 30; Gerichtshof, 19. April 1988, M./Rat, 175/86 und 209/86, Slg. 1988, 1891, Randnr. 16

    3.  Das vorprozessuale Verfahren soll eine einverständliche Beilegung der zwischen dem Beamten und der Verwaltung bestehenden Streitpunkte ermöglichen. Es kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn die Anstellungsbehörde von den Beanstandungen, die die Betroffenen gegen die angefochtene Entscheidung erheben, hinreichend genau Kenntnis nehmen kann. Folglich sind Beanstandungen, die der Betroffene in der Verwaltungsbeschwerde nicht erhoben hat, obwohl er dazu in der Lage war, als unzulässig zurückzuweisen. Sofern diese Zulässigkeitsfrage vom Beklagten nicht aufgeworfen worden ist, kann das Gericht sie gemäß Artikel 113 der Verfahrensordnung von Amts wegen prüfen, da es sich um eine Frage zwingenden Rechts handelt.

      (Randnr. 58)

      Vgl. Gericht, 29. März 1990, Alexandrakis/Kommission, T-57/89, Slg. 1990, II-143, Randnrn. 8 und 9; Gericht, 27. November 1990, Kobor/Kommission, T-7/90, Slg. 1990, II-721, Randnrn. 34 und 35; Gericht, 28. Mai 1997, Burban/Parlament, T-59/96, Slg. ÖD 1997, II-331, Randnrn. 31 und 33

    4.  Das Statut überträgt der Anstellungsbehörde und dem Disziplinarrat die ausschließliche Verantwortung für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Die Disziplinarordnung des Statuts enthält keine Bestimmung, die es dem Gericht ermöglicht, das Disziplinarverfahren aus eigenem Antrieb unabhängig von den ordnungsgemäß vom Kläger geltend gemachten Klagegründen wiederaufzurollen. Die Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gemeinschaftsrichter in Anfechtungsverfahren beschränkt sich daher auch im Disziplinarbereich darauf, ausschließlich im Hinblick auf die vorgebrachten Klagegründe die Rechtmäßigkeit des Ablaufs des Disziplinarverfahrens sowie das tatsächliche Vorliegen, die Tragweite und die Schwere der Handlungen, von denen die Anstellungsbehörde bei der Festsetzung der angefochtenen Disziplinarstrafe ausgegangen ist, zu prüfen.

      Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, das Gericht hätte selbst Einsicht in die gesamten Verwaltungsakten haben müssen, war es somit ohne entsprechende rechtzeitig gestellte Anträge des Klägers nicht Sache des Gerichts, das streitige Disziplinarverfahren von Amts wegen auf der Grundlage der Verwaltungsakten wiederaufzurollen.

      Außerdem hätte der Kläger gemäß Artikel 64 §§ 3 Buchstabe d und 4 der Verfahrensordnung beantragen können, dem Parlament aufzugeben, bestimmte in seinem Besitz befindliche Unterlagen vorzulegen. Er hätte die gewünschten Unterlagen jedoch bezeichnen und dem Gericht zumindest einen Anhaltspunkt für ihren Nutzen für das Verfahren geben müssen, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Anordnung der Vorlage dieser Unterlagen dem ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens dienlich sein würde.

      (Randnrn. 19, 61 und 62)

      Vgl. Gericht, 16. Juli 1998, Y/Parlament, T-144/96, Slg. ÖD 1998, II-1153, Randnr. 38; Gerichtshof, 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnrn. 93 und 94

    5.  Sind die dem Beamten zur Last gelegten Handlungen bewiesen, so ist die Wahl der angemessenen Disziplinarstrafe allein Sache der Anstellungsbehörde. Der Gemeinschaftsrichter kann diese Wahl nicht beanstanden, sofern die verhängte Strafe nicht offensichtlich im Mißverhältnis zu den festgestellten Tatsachen steht. Die Festsetzung der Disziplinarstrafe beruht auf einer Gesamtwürdigung aller konkreten Tatsachen und aller Umstände des jeweiligen Falles durch die Anstellungsbehörde, da die Artikel 86 bis 89 des Statuts das Verhältnis zwischen den Strafen und den verschiedenen Arten der von den Beamten begangenen Pflichtverletzungen nicht festlegen und auch nicht regeln, wie sich das Vorliegen von erschwerenden oder mildernden Umständen auf die Wahl der Strafe auswirkt. Die Prüfung des Gemeinschaftsrichters beschränkt sich daher auf die Frage, ob die Anstellungsbehörde die erschwerenden und mildernden Umstände angemessen gewichtet hat; dabei darf das Gericht die Bewertung der Anstellungsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen.

      (Randnr. 113)

      Vgl. Gericht, 17. Februar 1998, E/WSA, T-183/96, Slg. ÖD 1998, II-159, Randnr. 58; Gericht, 19. März 1998, Tzoanos/Kommission, T-74/96, Slg. ÖD 1998, II-343, Randnr. 352, sowie die zitierte Rechtsprechung

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