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Document 61997CJ0295

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1 Vorabentscheidungsverfahren - Zuständigkeit des Gerichtshofes - Grenzen - Staatliche Beihilfen - Rolle der nationalen Gerichte - Vollständiger Schutz der Rechte des einzelnen - Möglichkeit zur Befragung der Kommission oder zur Anrufung des Gerichtshofes durch Vorabentscheidungsersuchen

    (EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG], 93 Absatz 3 und 177 [jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG und 234 EG])

    2 Staatliche Beihilfen - Begriff - Anwendung einer vom allgemeinen Konkursrecht abweichenden Regelung auf zahlungsunfähige Grossunternehmen - Einschluß - Voraussetzungen

    (EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG])

    3 Staatliche Beihilfen - Bestehende und neue Beihilfen - Anmeldung bei der Kommission - Durchführung vor der Entscheidung der Kommission - Verbot - Tragweite

    (EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG] und 93 [jetzt Artikel 88 EG])

    Leitsätze

    1 Der Gerichtshof ist in einem nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eingeleiteten Verfahren nicht zur Auslegung des nationalen Rechts oder zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Gemeinschaftsrecht befugt.

    Was jedoch die Kontrolle angeht, ob die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) und 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) eingehalten haben, so kann ein nationales Gericht für die Entscheidung, ob eine staatliche Maßnahme, die ohne Beachtung des nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag vorgeschalteten Prüfungsverfahrens eingeführt worden ist, diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen, zur Auslegung des Begriffes der Beihilfe im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag gezwungen sein. Hat es Zweifel, ob die betreffende Maßnahme als staatliche Beihilfe zu qualifizieren ist, kann es die Kommission um entsprechende Erläuterungen bitten, oder es kann oder muß nach Artikel 177 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Artikels 92 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorlegen.

    2 Der Begriff der Beihilfe ist weiter als der Begriff der Subvention, denn er umfasst nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen. Im übrigen schließt der Begriff Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) zwangsläufig Vorteile ein, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln finanziert werden oder die eine zusätzliche Belastung für den Staat oder die für diesen Zweck benannten oder errichteten Einrichtungen darstellen.

    Wird eine Regelung, die von den allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften zugunsten von in Schwierigkeiten befindlichen grossen Industrieunternehmen abweicht, die sehr hohe Schulden gegenüber bestimmten Kategorien von - überwiegend öffentlich-rechtlichen - Gläubigern haben, auf ein Unternehmen angewendet, ist dies als Gewährung einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen, wenn feststeht, daß diesem Unternehmen

    - erlaubt worden ist, seine wirtschaftliche Tätigkeit unter Umständen fortzusetzen, unter denen dies bei Anwendung der allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen gewesen wäre, oder

    - eine oder mehrere Vergünstigungen wie eine staatliche Bürgschaft, ein verringerter Abgabensatz, ein Erlaß von Geldbussen und anderen Zwangsgeldern oder ein völliger oder teilweiser tatsächlicher Verzicht auf öffentliche Forderungen gewährt worden sind, auf die ein anderes zahlungsunfähiges Unternehmen bei Anwendung der allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch hätte erheben können.

    3 Sowohl aus dem Inhalt als auch aus den Zielsetzungen der Bestimmungen des Artikels 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) ergibt sich, daß als bestehende Beihilfen im Sinne des Absatzes 1 dieses Artikels die Beihilfen anzusehen sind, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages bestanden oder die unter den Voraussetzungen des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt werden durften, einschließlich derjenigen, die der Kommission mitgeteilt wurden, ohne daß diese zur Vereinbarkeit der Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt Stellung genommen hat, wie sich aus der Auslegung dieser Bestimmung durch den Gerichtshof in dem Urteil vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73 (Lorenz) ergibt. Dagegen sind als neue Beihilfen, für die die Anzeigepflicht gemäß der letztgenannten Bestimmung gilt, die Maßnahmen anzusehen, die auf die Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen gerichtet sind, wobei sich die Umgestaltung auf bestehende Beihilfen oder auf der Kommission mitgeteilte ursprüngliche Vorhaben beziehen kann.

    Wenn feststeht, daß eine Regelung, die von den allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften abweicht, als solche staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag gewähren kann, kann sie nicht angewandt werden, wenn sie der Kommission nicht gemeldet worden ist, und falls sie gemeldet worden ist, bevor eine Entscheidung der Kommission ergangen ist, mit der die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, oder falls die Kommission keine Entscheidung lässt, bevor eine Frist von zwei Monaten vom Zeitpunkt der Anmeldung an abgelaufen ist.

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