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Document 61996TJ0110

    Leitsätze des Urteils

    URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

    17. Dezember 1997

    Rechtssache T-110/96

    Dominique-François Bareth

    gegen

    Ausschuß der Regionen der Europäischen Union

    „Beamte — Internes Auswahl verfahren — Ablehnung der Ernennung eines in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerbers — Ermessensmißbrauch — Gleichbehandlungsgrundsatz — Begründungspflicht“

    Vollständiger Wortlaut in französischer Sprache   II-1163

    Gegenstand:

    Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Ausschusses der Regionen vom 20. September 1995, soweit damit die Ernennung des Klägers auf eine der freien Stellen, auf die sich die Ausschreibung des internen Auswahl Verfahrens A/02/95 bezog, abgelehnt wurde und andere Bewerber auf diese Stellen ernannt wurden

    Ergebnis:

    Aufhebung

    Zusammenfassung des Urteils

    Der Kläger trat am 1. Mai 1992 als Beamter in den Dienst des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Gemeinschaften (WSA).

    Am 11. Mai 1995 veröffentlichte das Präsidium des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union (im folgenden: AdR) eine Ausschreibung von acht Stellen für Referatsleiter und/oder Hauptverwaltungsräte der Besoldungsgruppe A 5 in verschiedenen Abteilungen des Generalsekretariats des AdR.

    Da der Präsident des AdR der Auffassung war, daß keiner der Bewerber die Voraussetzungen für eine Beförderung oder Versetzung innerhalb des Organs erfülle, beschloß er am 23. Mai 1995, gemäß Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe b des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) ein internes Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen durchzuführen.

    Es handelte sich um das Auswahlverfahren A/02/95. In der am 29. Mai 1995 veröffentlichten Ausschreibung hieß es:

    „III — AUSWAHLVERFAHREN

    Zu dem Auswahlverfahren ... werden Bewerber zugelassen, die nachweisen, daß sie die nachstehenden Voraussetzungen erfüllen:

    Erforderliche Diplome oder sonstige Befähigungsnachweise und praktische Erfahrungen

    a)

    durch Zeugnis nachgewiesenes abgeschlossenes Hochschulstudium oder vergleichbare Berufserfahrung;

    b)

    beim Ablauf der Bewerbungsfrist mindestens zehnjährige Berufserfahrung im Anschluß an das Hochschulstudium, davon wenigstens die letzten drei Jahre in einer hinsichtlich der Besoldungsgruppe und der Art der Aufgaben vergleichbaren Tätigkeit, wobei Erfahrung im Bereich der regionalen oder lokalen Verwaltung besonders berücksichtigt wird.

    Sprachkenntnisse

    ...

    V — BEWERTUNG DER PRÜFUNGEN

    Die Bewertung der Befähigungsnachweise und Prüfungen erfolgt nach folgendem Schlüssel:

    1.

    Befähigungsnachweise und Berufserfahrung

    0 bis 25 Punkte

    2.

    erste schriftliche Prüfung

    0 bis 25 Punkte

    3.

    zweite schriftliche Prüfung

    0 bis 15 Punkte

    4.

    mündliche Prüfung

    0 bis 35 Punkte

    Bewerber, die mindestens 60 % der insgesamt in den Prüfungen erreichbaren Punktzahl erzielt haben, werden in der Rangfolge ihrer Gesamtpunktzahlen in die Eignungsliste aufgenommen.“

    Es gingen 18 Bewerbungen ein. Zwölf stammten von Bewerbern aus dem Generalsekretariat des AdR und sechs, darunter diejenige des Klägers, von Bewerbern aus der gemeinsamen Organisationsstruktur.

    Mit Schreiben vom 6. Juli 1995 wurde dem Kläger seine Zulassung zu dem Auswahlverfahren mitgeteilt. Insgesamt wurden vierzehn Bewerber zugelassen, davon neun aus dem Generalsekretariat des AdR und fünf aus der gemeinsamen Organisationsstruktur. Alle neun Bewerber aus dem AdR waren als Bedienstete auf Zeit bei dieser Institution beschäftigt.

    Die Bewerber wurden aufgefordert anzugeben, welche Stelle sie vorzugsweise anstrebten. Nach Abschluß der Prüfungen stellte der Prüfungsausschuß ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf, in das diese in der Rangfolge ihrer Gesamtpunktzahlen aufgenommen wurden (Eignungsliste). Der Kläger stand auf dieser Liste an sechster Stelle.

    Am 20. September 1995 ernannte das Präsidium des AdR als Anstellungsbehörde acht der in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber auf die freien Stellen (streitige Entscheidung). Diese Bewerber waren sämtlich ehemalige Bedienstete auf Zeit des AdR. Vier von ihnen waren auf der Eignungsliste vor dem Kläger eingestuft und die übrigen vier nach ihm.

    Mit Schreiben vom 26. September 1995 bat der Kläger den Generalsekretär des AdR, ihm die Rangfolge der in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber oder zumindest seinen eigenen Platz auf der Eignungsliste mitzuteilen. Er fragte ferner, ob andere, auf der Eignungsliste nach ihm eingestufte Bewerber ernannt worden seien, und bat, gegebenenfalls die Gründe für ihre Ernennung anzugeben.

    Dieses Schreiben des Klägers blieb unbeantwortet.

    Mit Vermerk vom 11. Oktober 1995 teilte der Präsident des AdR ihm mit, daß die Anstellungsbehörde beschlossen habe, ihn nicht auf eine der freien Stellen zu ernennen.

    Mit Schreiben vom 10. November 1995 bat der Kläger den Generalsekretär des AdR, ihm mitzuteilen, ob auf der Eignungsliste nach ihm eingestufte Bewerber ernannt worden seien, und gegebenenfalls die Gründe anzugeben, aus denen die Anstellungsbehörde von der Rangfolge der Eignungsliste abgewichen sei. Er wies ferner auf „hartnäckige Gerüchte innerhalb des WSA, des AdR und der gemeinsamen Organisationsstruktur hin, nach denen alle Bewerber dieses Auswahlverfahrens in die Eignungsliste aufgenommen worden seien, jedoch nur Bewerber aus dem AdR ernannt worden seien, und zwar auch dann, wenn sie auf der Eignungsliste nach den Bewerbern vom WSA eingestuft gewesen seien“.

    Der Kläger erhielt auf dieses Schreiben keine Antwort.

    Am 18. Dezember 1995 legte er gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die streitige Entscheidung Beschwerde ein.

    Mit einer dem Kläger am 22. April 1996 mitgeteilten Entscheidung vom 18. April 1996 wies der AdR diese Beschwerde ausdrücklich zurück.

    Mit Schreiben an den Generalsekretär des AdR vom 9. Mai 1996 wies der Kläger darauf hin, daß ihm das Verzeichnis der geeigneten Bewerber und ihre Rangfolge noch immer nicht mitgeteilt worden seien.

    Am 22. Juli 1996 erhob der Kläger Klage.

    Begründetheit

    Ausden Akten ergibt sich, daß die drei Klagegründe angesichts des Zusammenhangs zwischen den vom Kläger für sie angeführten Argumenten gemeinsam zu prüfen sind. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens und Artikel 27 des Statuts sowie ein Ermessensmißbrauch geltend gemacht. Der zweite Klagegrund betrifft eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der dritte einen Verstoß gegen Artikel 25 des Statuts.

    Erstens versuchte der Kläger zu klären, wie die Anstellungsbehörde mit den Ergebnissen des internen Auswahlverfahrens A/02/95 zu verfahren beabsichtigte, seitdem er von seiner Aufnahme in die Eignungsliste unterrichtet worden war und die Ernennung der in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber auf die freien Stellen Tagesordnungspunkt einer Sitzung der Anstellungsbehörde war (Randnr. 39).

    Nachdem ihm der Präsident des AdR am 11. Oktober 1995 mitgeteilt hatte, daß die Anstellungsbehörde beschlossen habe, ihn nicht auf eine der acht Stellen zu ernennen, auf die sich das Auswahlverfahren bezogen habe, beantragte er ferner in seinem Schreiben an den Generalsekretär des AdR vom 10. November 1995 erneut, ihm mitzuteilen, ob auf der Eignungsliste nach ihm eingestufte Bewerber ernannt worden seien und gegebenenfalls die Gründe anzugeben, aus denen die Anstellungsbehörde von der Rangfolge der Eignungsliste abgewichen sei (Randnr. 41).

    Schließlich wies der Kläger trotz der Zurückweisung seiner Beschwerde in einem weiteren Schreiben an den Generalsekretär des AdR vom 9. Mai 1996 darauf hin, daß ihm das Verzeichnis der geeigneten Bewerber und ihre Rangfolge noch immer nicht mitgeteilt worden seien (Randnr. 42).

    Zweitens hatten die acht von der Anstellungsbehörde ernannten Bewerber die zu besetzenden Stellen bereits vor der Ausschreibung dieser Stellen durch das Präsidium des AdR als Bedienstete auf Zeit inne (Randnr. 43).

    Drittens räumt die Anstellungsbehörde ein, daß sie der Berufserfahrung oder Ausbildung der in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber bei ihrer Ernennung besondere Bedeutung beigemessen habe. Nach der Ausschreibung des Auswahlverfahrens A/02/95 durften jedoch für die Befähigungsnachweise und die Berufserfahrung der Bewerber nicht mehr als 25 von insgesamt 100 Punkten vergeben werden. Diese Gesichtspunkte konnten daher für die Ernennung der Bewerber nicht ausschlaggebend sein. Ferner hätte der Prüfungsausschuß laut Ausschreibung die Befähigungsnachweise und die Berufserfahrung bereits bei der Aufstellung der Eignungsliste berücksichtigen müssen (Randnr. 44).

    Die genannten Gesichtspunkte wirken sich auf den Umfang der Begründungspflicht des AdR im vorliegenden Fall aus (Randnr. 45).

    Die Verpflichtung, eine beschwerende Entscheidung zu begründen, soll es nämlich dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen und dem Betroffenen ausreichende Hinweise für die Feststellung geben, ob die Entscheidung begründet ist oder ob sie unter einem Mangel leidet, aufgrund dessen ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden kann. Mit der Begründungspflicht nach Artikel 25 Absatz 2 des Statuts wird nur die in Artikel 190 EG-Vertrag ausgesprochene allgemeine Verpflichtung wiederholt. Diese Pflicht stellt zudem ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar, von dem Ausnahmen nur aufgrund zwingender Erwägungen möglich sind. Im Rahmen des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft und insbesondere der Einstellungsverfahren nach Artikel 27 des Statuts soll die Begründungspflicht den Bewerbern insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß diese Verfahren frei von Günstlingswirtschaft, auf der Grundlage objektiver, unparteiischer und in angemessener Weise festgelegter Kriterien durchgeführt werden (Randnr. 46).

    Verweisung auf: Gerichtshof, 26. November 1981, Michel/Parlament, 195/80, Slg. 1981,2861, Randnr. 22; Gericht, 20. März 1991, Pérez-MínguezCasariego/Kommission, T-1/90, Slg. 1991, II-143, Randnr. 73

    Die Begründung, mit der der AdR die Abweichung von der Rangfolge in der Eignungsliste rechtfertigt, ist jedoch besonders knapp und ausweichend (Randnr. 47).

    Zwar kann die Anstellungsbehörde bei der Ernennung eines Bewerbers von der vom Prüfungsausschuß eines Auswahlverfahrens festgelegten Rangfolge der Bewerber in der Eignungsliste abweichen, doch kann die Ausübung dieser Befugnis nicht durch eine so knappe und ausweichende Begründung gerechtfertigt werden, wie sie im Vermerk vom 11. Oktober 1995 und der Entscheidung vom 18. April 1996 enthalten ist. Die Anstellungsbehörde darf nämlich von der Rangfolge in der nach Abschluß eines Auswahlverfahrens aufgestellten Eignungsliste nur aus schwerwiegenden Gründen abweichen, die sie in ihrer Entscheidung klar und vollständig anzugeben hat. Im vorliegenden Fall entspricht die Begründung des genannten Vermerks und der genannten Entscheidung diesen Erfordernissen nicht und ermöglicht es dem Gericht nicht zu prüfen, ob schwerwiegende Gründe vorlagen, die die Ernennung der vier auf der Eignungsliste nach dem Kläger eingestuften Bewerber rechtfertigten (Randnr. 48).

    Verweisung auf: Gerichtshof, 18. Dezember 1986, Kotsonis/Rat, 246/84, Slg. 1986, 3989, Randnr. 9; Gerichtshof, 20. Februar 1992, Parlament/Hanning, C-345/90 P, Slg. 1992, I-949, Randnr. 28

    Die Begründung des AdR kann ferner den Zweifel nicht zerstreuen, der durch das Bündel von Anhaltspunkten geweckt wird, die das Vorbringen des Klägers zu einem Ermessensmißbrauch und einer Ungleichbehandlung der in die Eignungsliste aufgenommenen Bewerber des internen Auswahlverfahrens A/02/95 stützen (Randnr. 49).

    Der AdR hat daher die Pflicht, die streitige Entscheidung zu begründen, nicht erfüllt, soweit damit die Ernennung des Klägers auf eine der freien Stellen, auf die sich die Ausschreibung des internen Auswahlverfahrens A/02/95 bezog, abgelehnt wurde, und soweit damit vier Bewerber, die auf der Eignungsliste nach dem Kläger eingestuft waren, auf diese Stellen ernannt wurden. Der AdR ist ferner trotz der ihm hierzu gebotenen Gelegenheiten nicht in der Lage gewesen, die Unzulänglichkeit der Begründung der streitigen Entscheidung abzustellen. Er hat keinen konkreten, objektiven und erheblichen Gesichtspunkt hinsichtlich der Ausbildung und der Berufserfahrung der vier genannten Bewerber angeführt, der die streitige Entscheidung hätte rechtfertigen können (Randnr. 50).

    Tenor:

    Die Entscheidung des Ausschusses der Regionen vom 20. September 1995 wird aufgehoben, soweit damit die Ernennung des Klägers auf eine der freien Stellen, auf die sich die Ausschreibung des internen Auswahlverfahrens A/02/95 bezog, abgelehnt wurde.

    Die Entscheidung des Ausschusses der Regionen vom 20. September 1995 wird aufgehoben, soweit damit Bewerber, die auf der Eignungsliste nach dem Kläger eingestuft waren, auf freie Stellen, auf die sich die Ausschreibung des internen Auswahlverfahrens A/02/95 bezog, ernannt wurden.

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