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Document 61994TJ0177

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1 Einrede der Rechtswidrigkeit - Inzidentcharakter - Zulässigkeit der Klage - Zulässigkeit der Einrede

(EAG-Vertrag, Artikel 156)

2 Beamte - Klage - Gegenstand - Anordnung an die Verwaltung - Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 91)

3 Beamte - Klage - Identität des Gegenstands zweier Klagen - Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Artikel 91)

4 Verfahren - Urteil des Gerichtshofes, das das Gericht bindet - Voraussetzungen - Auf ein Rechtsmittel erfolgende Zurückverweisung - Vom Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittels endgültig entschiedene Rechtsfragen - Rechtskraft

(EAG-Satzung des Gerichtshofes, Artikel 55)

5 Beamte - Personal eines gemeinsamen EAG-Unternehmens - Gleichbehandlung - Ausnahmen - Objektive Rechtfertigung

6 Einrede der Rechtswidrigkeit - Gegenstand - Würdigung der Rechtmässigkeit - Kriterien

(EAG-Vertrag, Artikel 146 und 156)

7 Gemeinschaftsrecht - Grundsätze - Gleichbehandlung - Ausnahme - Gültigkeit - Grenzen

8 Beamte - Klage - Schadensersatzklage - Ursprung - Dienstverhältnis - Rechtsgrundlage

(EAG-Vertrag, Artikel 152; Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

9 Beamte - Klage - Schadensersatzklage - Klage gegen das Organ, das die beschwerende Handlung erlassen hat, nicht gegen das Organ, das die Haftung der Gemeinschaft ausgelöst haben soll - Schadensersatzantrag, der mit dem Aufhebungsantrag in Zusammenhang steht - Zulässigkeit

(EAG-Vertrag, Artikel 152; Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

10 Beamte - Ausservertragliche Haftung der Organe - Voraussetzungen - Rechtssatz - Hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm

(EAG-Vertrag, Artikel 152; Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

Leitsätze

11 Die Möglichkeit, nach Artikel 156 EAG-Vertrag die Unanwendbarkeit einer Verordnung geltend zu machen, stellt kein selbständiges Klagerecht dar und kann nur inzident zur Unterstützung von zulässigen Anfechtungsanträgen ausgeuebt werden.

12 Es ist nicht Sache des Gemeinschaftsrichters, im Rahmen der von ihm ausgeuebten Rechtmässigkeitskontrolle nach Artikel 91 Beamtenstatut den Gemeinschaftsorganen Anweisungen zu erteilen, da es Sache der betreffenden Verwaltung ist, die Maßnahmen zur Durchführung eines auf eine Anfechtungsklage ergangenen Urteils zu ergreifen.

13 Die Rechtskraft des Urteils, mit dem der Gerichtshof eine Klage als unbegründet abgewiesen hat, steht der Zulässigkeit einer späteren Klage nur entgegen, wenn die beiden Klagen dieselben Parteien betreffen, auf dieselben Ziele gerichtet und auf dieselben Gründe gestützt sind. Der angefochtene Rechtsakt stellt einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Feststellung des Streitgegenstands dar.

Selbst wenn die zur Stützung einer Klage erhobenen Rügen teilweise mit den in der früheren Sache erhobenen übereinstimmen, stellt die Klage keine Wiederholung dieser Sache dar, sondern einen neuen Rechtsstreit, wenn sie die Entscheidung noch nicht entschiedener Fragen betrifft.

14 Das Gericht ist an eine Entscheidung des Gerichtshofes nur nach Maßgabe des Artikels 55 der EAG-Satzung des Gerichtshofes sowie im Rahmen der Rechtskraft gebunden.

15 Eine Ungleichbehandlung auf der Ebene des Beamtenstatuts und der Beschäftigungsbedingungen von Personen, die in einem gemeinsamen EAG-Unternehmen beschäftigt sind, nach Maßgabe der Stelle, die sie zur Verfügung gestellt hat, ist nur zulässig, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist. Bei dieser Frage sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die das fragliche gemeinsame Unternehmen seinem Wesen wie seiner Organisation nach kennzeichnen.

Wenn die besondere Regelung der Einstellung und der Zuweisung des Personals, die bei der Errichtung des gemeinsamen Unternehmens gewählt wurde, nämlich die Bildung zweier getrennter Personalgruppen nach Maßgabe der Mitgliedsorganisation, die sie zur Verfügung stellt, später in wesentlichen Punkten geändert wird und die ihr ursprünglich zugedachten Ziele nicht mehr erreichen kann, dann ist die Ungleichbehandlung nicht mehr objektiv gerechtfertigt, wenn die beiden Personalgruppen unterschiedliche Laufbahnerwartungen und nicht dieselben Arbeitsplatzsicherheit haben.

16 Artikel 156 EAG-Vertrag ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht einräumt, zum Zwecke der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidung im Wege der Vorfrage die Gültigkeit der Organhandlungen zu beanstanden, die die Rechtsgrundlage dieser Entscheidung bilden, wenn diese Partei keine Möglichkeit hatte, gemäß Artikel 146 EAG-Vertrag direkte Klage gegen diese Handlungen zu erheben, deren Folgen sie also tragen müsste, ohne sie anfechten zu können.

Da die Rechtmässigkeit des angefochtenen Individualaktes nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu würdigen ist, ist auch die Rechtmässigkeit des Rechtssatzes, auf dem er beruht, nach Maßgabe dieses Datums, nicht aber nach dem Datum seines Erlasses zu würdigen.

17 Da jede Ungleichbehandlung Ausnahmecharakter hat und von einem Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts abweicht, kann sie selbst dann, wenn die Bestimmung, mit der sie eingeführt wurde, nicht ausdrücklich befristet ist, keine Gültigkeit mehr haben, wenn die Voraussetzungen, die sie objektiv gerechtfertigt haben, weggefallen sind.

Das gilt insbesondere dann, wenn die Befristetheit einer gegebenen Lage einer der Gesichtspunkte ist, die eine Ungleichbehandlung objektiv rechtfertigen. Zudem muß sich der Gesetzgeber vergewissern, daß diese Lage nicht unangemessen über das hinaus verlängert wird, was bei Beginn beabsichtigt war.

Das widerspricht dem Grundsatz der Rechtsgemeinschaft nicht, der den Bürgern das Recht gibt, die Gültigkeit von Verordnungen vor Gericht anzufechten, und damit zugleich all diejenigen, die das Gemeinschaftsrecht zu beachten haben, verpflichtet, die volle Wirksamkeit von Verordnungen anzuerkennen, solange ihre Ungültigkeit nicht von einem zuständigen Gericht festgestellt ist.

18 Ein Rechtsstreit zwischen einem Beamten und seinem derzeitigen oder früheren Dienstherrn, in dem es um Schadensersatz geht, fällt, wenn er seinen Ursprung in einem Dienstverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn hat, unter Artikel 152 EAG-Vertrag und die Artikel 90 und 91 Beamtenstatut und liegt namentlich hinsichtlich der Zulässigkeit ausserhalb des Anwendungsbereichs der Artikel 151 und 188 EAG-Vertrag.

19 Die Gemeinschaft wird bei Klagen, in denen es um ihre durch die Handlung eines ihrer Organe ausgelöste Haftung geht, vor dem Gerichtshof von dem oder den Organen vertreten, dem oder denen die die Haftung auslösende Handlung vorgeworfen wird. Bei einer Klage im Rahmen des Artikels 152 EAG-Vertrag und der Artikel 90 und 91 Beamtenstatut folgt daraus jedoch nicht, daß eine Klage gegen das Organ, das die beschwerende Handlung erlassen hat, nicht aber gegen das Organ, dem die die Haftung auslösende Handlung vorgeworfen wird, unzulässig wäre, wenn die Klage eng mit einer zulässigen Anfechtungsklage verbunden ist.

20 Die Feststellung, daß eine Rechtslage, die sich aus einem Rechtssatz der Gemeinschaft ergibt, rechtswidrig ist, genügt nicht für sich allein, um die Haftung der Gemeinschaft im Rahmen der Artikel 152 EAG-Vertrag und 90 und 91 Beamtenstatut auszulösen. Hierfür ist vielmehr eine hinreichend schwere Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm erforderlich.

Da die Organe bei der Festsetzung der Regeln über die Verfassung und das Funktionieren der gemäß Kapitel 5 des Titels II des EAG-Vertrags errichteten gemeinsamen Unternehmen durch allgemeine Bestimmungen über ein weites Ermessen verfügen, kommt eine Haftung der Gemeinschaft nur in Betracht, wenn das betreffende Organ die Grenzen seines Ermessens offenkundig und erheblich verkannt hat.

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