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Document 61993TJ0244
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
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1. Staatliche Beihilfen ° Verbot ° Ausnahmen ° Entscheidung der Kommission, mit der die Genehmigung der Auszahlung einer Beihilfe von der Rückzahlung einer vorher erhaltenen rechtswidrigen Beihilfe durch das Unternehmen abhängig gemacht wird ° Bedingung, mit der eine Kumulierung von Beihilfen verhindert werden soll, durch die die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigt würden ° Entscheidung, die in die Zuständigkeit der Kommission fällt
(EWG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c, 93 Absatz 2 und 169)
2. Staatliche Beihilfen ° Jeweilige Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ° Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß einer Entscheidung, mit der die Auszahlung einer Beihilfe von der vorherigen Rückzahlung einer rechtswidrigen Beihilfe abhängig gemacht wird, obwohl das betroffene Unternehmen im Hinblick auf die Gewährleistung des Vertrauensschutzes im nationalen Recht und auf das nationale Verwaltungsverfahrensrecht das Bestehen einer Rückzahlungspflicht bestreitet
(EWG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c und 93 Absatz 2)
3. Staatliche Beihilfen ° Verbot ° Ausnahmen ° Beihilfen, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können ° Ermessen der Kommission ° Gerichtliche Nachprüfung ° Grenzen
(EWG-Vertrag, Artikel 92 Absatz 3)
4. Einrede der Rechtswidrigkeit ° Erhebung gegenüber einer Rechtshandlung, die der Kläger nicht rechtzeitig angefochten hat ° Unzulässigkeit
(EWG-Vertrag, Artikel 173 und 184)
1. Die Kommission überschreitet ihre Befugnisse nicht, wenn sie in bezug auf ein Beihilfevorhaben eines Mitgliedstaats zugunsten eines Unternehmens, das bei ihr angemeldet wurde, eine Entscheidung erlässt, mit der diese Beihilfe zwar gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt, ihre Auszahlung aber untersagt wird, solange das Unternehmen eine Beihilfe, die es vorher erhalten hat und die von der Kommission wegen Nichtanmeldung und Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt in einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung für rechtswidrig erklärt wurde, nicht zurückgezahlt hat.
Zum einen schließt nämlich die der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zustehende Befugnis, zu entscheiden, daß eine Beihilfe umzugestalten ist, notwendig ein, daß eine Entscheidung, mit der eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt wird, mit Bedingungen verbunden werden kann, um zu verhindern, daß die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigt werden. Zum anderen sind bei der Prüfung, ob eine Beeinträchtigung droht, alle einschlägigen Umstände zu berücksichtigen, zu denen auch die mögliche kumulierende Wirkung der alten und der neuen Beihilfe sowie die unterbliebene Rückzahlung der alten, rechtswidrigen Beihilfe gehört. Schließlich kann nicht gesagt werden, die Kommission habe durch das Aufstellen dieser Bedingung ein im Vertrag nicht vorgesehenes Verfahren angewendet, obwohl sie doch im Wege der Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 oder nach Artikel 169 des Vertrages hätte vorgehen können, denn die Kommission, die über ein Beihilfevorhaben zu befinden hatte, wollte, wie sich aus den Begründungserwägungen der Entscheidung ergibt, nicht einen Verstoß gegen eine frühere Entscheidung feststellen, sondern pflichtgemäß sicherstellen, daß sich die zu gewährende Beihilfe nicht in einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Weise auswirkte.
2. Die Kommission hat durch den Erlaß einer Entscheidung, mit der, um eine Beeinträchtigung der Handelsbedingungen in einem dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufenden Masse auszuschließen, die Auszahlung einer Beihilfe an ein Unternehmen davon abhängig gemacht wurde, daß dieses zuvor Beihilfen zurückzahlt, für die in einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung festgestellt ist, daß sie sowohl wegen unterbliebener Anmeldung als auch wegen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt rechtswidrig sind, nicht gegen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten verstossen, und zwar ungeachtet dessen, daß das nationale Recht, das in dem zu entscheidenden Fall für die Rückzahlung gilt, einen Grundsatz des Vertrauensschutzes, auf den sich das Unternehmen vor dem nationalen Gericht beruft, sowie eine Vorschrift des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts enthält, nach der für die Rücknahme von Verwaltungsakten eine Frist gilt, die im vorliegenden Fall abgelaufen ist.
Zum einen darf nämlich die Kommission an der Ausübung ihrer Befugnisse nicht durch das Vorliegen eines nationalen Rechtsstreits gehindert werden, der für die Kommission nicht zu einem Zwang führen darf, die Zahlung einer Beihilfe zu genehmigen, die zusammen mit rechtswidrigen, nicht zurückgezahlten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar wäre. Zum anderen dürfen die Bestimmungen des nationalen Rechts, und zwar die zum Schutz eines berechtigten Vertrauens ebenso wie die, die für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts eine Frist vorsehen, nicht auf eine Weise angewendet werden, daß die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung praktisch unmöglich gemacht wird. Das Gemeinschaftsrecht gewährt bei einer mangels vorheriger Anmeldung rechtswidrigen Beihilfe dem Unternehmen einen Vertrauensschutz nur in aussergewöhnlichen Fällen im Sinne Gemeinschaftsrechts.
3. Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages räumt der Kommission für die Entscheidung, daß eine Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann, ein Ermessen ein, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. Das Gericht hat daher seine Prüfung einer solchen Wertung auf die Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen.
4. Eine natürliche oder juristische Person kann die in Artikel 184 des Vertrages vorgesehene Einrede der Rechtswidrigkeit nicht gegenüber einer Rechtshandlung erheben, die sie gemäß Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages hätte anfechten können, aber nicht innerhalb der vorgesehenen Frist angefochten hat.