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Document 61989TJ0156

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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1. Beamte - Klage - Antrag im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Statuts - Begriff - Bewerbung um einen freien Dienstposten - Einschluß

(Beamtenstatut, Artikel 90 Absatz 1)

2. Beamte - Klage - Rechtsschutzinteresse - Klage gegen die Ablehnung einer Bewerbung um einen freien Dienstposten - Versetzung des Betroffenen zu einem anderen Organ - Zulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 91)

3. Beamte - Beförderung - Erforderliche Mindestdienstzeit in der Besoldungsgruppe - Berechnung - Ausgangspunkt - Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit

(Beamtenstatut, Artikel 45 Absatz 1)

4. Beamte - Vorübergehende Verwendung - Bestimmung des Beamten, der vorübergehend mit der Verwaltung eines Dienstpostens betraut werden soll - Ausleseverfahren - Keine Auswirkungen auf den Erwerb der Beförderungsfähigkeit

5. Beamte - Einstellung - Auswahlverfahren - Ernennung eines erfolgreichen Teilnehmers in einem Dienstposten, der nicht der Stellenausschreibung entspricht - Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 27 Absatz 1 und 29 Absatz 1)

6. Beamte - Beförderung - Zusagen - Nichtbeachtung der Vorschriften des Statuts - Kein berechtigtes Vertrauen

(Beamtenstatut, Artikel 45)

7. Handlungen der Organe - Gültigkeitsvermutung - Inexistenter Rechtsakt - Begriff

8. Beamte - Einstellung - Auswahlverfahren - Prüfungsausschuß - Zusammensetzung - Ermessen der Anstellungsbehörde und des Personalausschusses hinsichtlich der Auswahl der Mitglieder - Gerichtliche Nachprüfung - Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III, Artikel 3)

9. Beamte - Einstellung - Auswahlverfahren - Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen - Möglichkeit für ein Mitglied des Prüfungsausschusses, die Anonymität der Prüfungen zu durchbrechen - Folgen

(Beamtenstatut, Anhang III)

10. Beamte - Einstellung - Auswahlverfahren - Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen - Inhalt der Prüfungen - Ermessen des Prüfungsausschusses - Gerichtliche Nachprüfung - Grenzen

11. Beamte - Einstellung - Auswahlverfahren - Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen - Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Eignungsliste - Begründungspflicht - Bedeutung im Hinblick auf die Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses - Unzureichende Begründung - Heilung während des gerichtlichen Verfahrens

(Beamtenstatut, Anhang III, Artikel 6)

12. Beamte - Klage - Schadensersatzklage - Antrag auf Feststellung eines Amtsfehlers - Zulässigkeit - Fehler, zu dem es auf einen Antrag des Betroffenen hin gekommen ist - Unbeachtlich

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

13. Beamte - Klage - Schadensersatzklage - Klagegründe - Rechtswidrigkeit einer nicht fristgerecht angefochtenen Entscheidung der Anstellungsbehörde - Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

14. Beamte - Klage - Gegenstand - Anordnung an die Verwaltung - Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

Leitsätze

1. Die Bewerbung eines Beamten um einen freien Dienstposten ist als Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts anzusehen, da die Anstellungsbehörde mit ihr um den Erlaß einer den Bewerber betreffenden Entscheidung ersucht wird.

2. Eine Klage, die auf die Aufhebung einer Entscheidung gerichtet ist, mit der die Bewerbung eines Beamten abgelehnt wird, der damit seine Ernennung in einem freien Dienstposten im Wege der Beförderung anstrebt, ist nicht schon deshalb wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, weil der Kläger inzwischen zu einem anderen Organ versetzt worden ist, da eine solche Versetzung die Durchführung eines eventuellen Aufhebungsurteils nicht unmöglich macht.

3. Die in Artikel 45 Absatz 1 des Statuts für die Beförderung eines Beamten vorgeschriebene Mindestdienstzeit ist für die erste Beförderung nach der Einstellung von der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit an zu berechnen.

4. Das Statut schreibt zwar nicht vor, wie die Anstellungsbehörde die Beamten auszuwählen hat, die vorübergehend in Dienstposten einer höheren Laufbahngruppe verwendet werden sollen, es enthält indessen auch keine Vorschrift, wonach ein Ausleseverfahren mit diesem Ziel Rechtswirkungen bezueglich der Beförderung der ausgewählten Beamten zeitigen kann. Es ist daher ausgeschlossen, die Wirkungen eines solchen Verfahrens denen eines Auswahlverfahrens gleichzustellen, was die Möglichkeit angeht, Beamte, die nicht die gemäß Artikel 45 Absatz 1 des Statuts erforderliche Mindestdienstzeit aufweisen, zu befördern.

5. Die Anstellungsbehörde ist zwar verpflichtet, wenn sie eine Entscheidung über die Besetzung von Dienstposten trifft, für die ein Auswahlverfahren eröffnet wurde, die Ergebnisse dieses Auswahlverfahrens zu berücksichtigen; diese Ergebnisse gestatten es ihr jedoch nicht, einen in die Reserveliste aufgenommenen Beamten in einem Dienstposten zu ernennen, für dessen Besetzung das Auswahlverfahren nicht eröffnet wurde.

Eine solche Ernennung, die niemand anderem die Möglichkeit ließe, im Rahmen eines neuen Auswahlverfahrens den Nachweis zu erbringen, daß er über die für die Besetzung dieses Dienstpostens erforderlichen Eigenschaften verfügt, würde offensichtlich der Zielsetzung der Artikel 27 Absatz 1 und 29 Absatz 1 des Statuts zuwiderlaufen, nämlich die Einstellung von Beamten zu fördern, die höchsten Ansprüchen genügen.

6. Bei der Beförderung der Beamten muß die Anstellungsbehörde Artikel 45 des Statuts beachten. Zusagen, bei denen die Vorschriften des Statuts nicht berücksichtigt werden, können auf Seiten ihres Adressaten kein berechtigtes Vertrauen begründen.

7. Ein Verwaltungsakt kann unter aussergewöhnlichen Umständen wegen der ihm anhaftenden besonders schweren und offensichtlichen Fehler rechtlich inexistent sein.

Soll für eine Maßnahme die Gültigkeitsvermutung, die aus offenkundigen Gründen der Rechtssicherheit selbst für fehlerhafte Maßnahmen der Organe besteht, nicht gelten, dann muß sie eine grobe und offenkundige Fehlerhaftigkeit aufweisen, die weit über die "normale", auf einer falschen Würdigung der Tatsachen oder einer Verkennung der Rechtslage beruhende Fehlerhaftigkeit hinausgeht.

8. Der Prüfungsausschuß eines Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen muß nach Maßgabe der Vorschriften des Statuts und des Artikels 3 des Anhangs III so zusammengesetzt sein, daß eine objektive Beurteilung der Leistungen der Bewerber in den Prüfungen im Hinblick auf ihre beruflichen Fähigkeiten gewährleistet ist. Insoweit verfügen Anstellungsbehörde und Personalausschuß bei der Beurteilung der Kompetenz der Personen, die sie zu Mitgliedern des Prüfungsausschusses zu bestellen haben, über ein weites Ermessen; es ist nicht Sache des Gerichts, ihre Auswahl zu beanstanden, es sei denn, die Grenzen dieses Ermessens wären überschritten worden.

Die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses ist nicht deshalb fehlerhaft, weil eines seiner Mitglieder Beamter auf Zeit ist, da Artikel 3 des Anhangs III des Statuts nicht fordert, daß die Mitglieder eines Prüfungsausschusses Beamte sein müssen.

9. Die Anonymität der Bewerber gehört nicht zu den Einzelheiten des Auswahlverfahrens, die in Anhang III des Statuts vorgeschrieben sind. Infolgedessen reicht die blosse Möglichkeit, daß ein Mitglied des Prüfungsausschusses in der Lage gewesen sein könnte, die Bewerber aufgrund ihrer Handschrift und ihrer Sprachkombinationen auszumachen, nicht aus, um das Gericht zu der Feststellung zu veranlassen, daß der Prüfungsausschuß rechtswidrig zusammengesetzt oder nicht in der Lage war, eine objektive Bewertung der beruflichen Fähigkeiten der Bewerber des Auswahlverfahrens sicherzustellen.

10. Der Prüfungsausschuß eines Auswahlverfahrens verfügt über ein weites Ermessen bei der Festlegung des Inhalts der Prüfungen. Der Gemeinschaftsrichter kann die Auswahl der Prüfungsaufgaben nur dann beanstanden, wenn diese den in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten Rahmen überschreitet oder nicht mit dem Zweck der Prüfung oder des Auswahlverfahrens in Einklang steht. Soweit es um den Schwierigkeitsgrad der Prüfungen geht, darf das Gericht die Beurteilung des Prüfungsausschusses nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen. Allerdings ist es Sache des Prüfungsausschusses, bei der Wahrnehmung seiner Beurteilungsbefugnisse darauf zu achten, daß die Prüfungen für alle Bewerber eindeutig den gleichen Schwierigkeitsgrad aufweisen.

11. Die für einen Prüfungsausschuß bestehende Verpflichtung, die Entscheidung, einen Bewerber nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, zu begründen, ist mit der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses, die Artikel 6 des Anhangs III des Statuts anordnet, nicht unvereinbar. Diese schließt die Bekanntgabe der Standpunkte der einzelnen Mitglieder des Prüfungsausschusses oder auch die Offenlegung von Einzelheiten im Zusammenhang mit Würdigungen persönlicher oder vergleichender Art der Bewerber aus. Dagegen schließt es die Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht aus, daß jedem Bewerber die zahlenmässigen Ergebnisse mitgeteilt werden, die er bei der Bewertung seiner Befähigungsnachweise oder für seine Prüfungsleistungen erzielt hat. Die bloß allgemeine Bezugnahme auf die Prüfungsergebnisse in der dem Betroffenen mitgeteilten Entscheidung, ihn nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, stellt keine ausreichende Begründung dar.

Dieser Mangel kann jedoch dadurch geheilt werden, daß dem Betroffenen im gerichtlichen Verfahren die von ihm in den einzelnen Prüfungen erzielten zahlenmässigen Ergebnisse mitgeteilt werden, denn eine nur auf diesen Formfehler gestützte Aufhebung kann lediglich zum Erlaß einer neuen Entscheidung führen, die den gleichen Inhalt wie die aufgehobene Entscheidung hätte.

12. Im Rahmen einer Schadensersatzklage kann der Antrag eines Beamten auf Feststellung eines Amtsfehlers der Verwaltung nicht schon deshalb für unzulässig erklärt werden, weil der angebliche Amtsfehler seinen Ursprung in einem Antrag des Betroffenen hat.

13. Ein Beamter, der eine ihn beschwerende Entscheidung der Anstellungsbehörde nicht innerhalb der Fristen der Artikel 90 und 91 des Statuts angefochten hat, kann sich im Rahmen einer Schadensersatzklage nicht auf die angebliche Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen.

14. Der Gemeinschaftsrichter darf keine Anordnungen an ein Gemeinschaftsorgan richten, wenn er damit in die Befugnisse der Verwaltung eingreift. Dieser Grundsatz führt nicht nur zur Unzulässigkeit von Anträgen im Rahmen einer Aufhebungsklage, die darauf gerichtet sind, dem Organ das Ergreifen von Maßnahmen vorzuschreiben, die sich aus der Durchführung eines Aufhebungsurteils ergeben, sondern gilt grundsätzlich auch im Rahmen einer Klage im Verfahren mit unbeschränkter Nachprüfung. Hieraus folgt, daß der Kläger im Rahmen einer Schadensersatzklage nicht die Verurteilung des beklagten Organs zum Ergreifen bestimmter Maßnahmen zwecks Wiedergutmachung des behaupteten Schadens beantragen kann.

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