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Document 52002DC0714
Communication from the Commission to the Council, the European Parliament, the Economic and Social Committee and the Committee of the Regions - Industrial Policy in an Enlarged Europe
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Industriepolitik in einem erweiterten Europa.
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Industriepolitik in einem erweiterten Europa.
/* KOM/2002/0714 endg. */
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Industriepolitik in einem erweiterten Europa. /* KOM/2002/0714 endg. */
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Industriepolitik in einem erweiterten Europa. ZUSAMMENFASSUNG Wettbewerbsfähigkeit - das ist die Fähigkeit der Wirtschaft, der Bevölkerung nachhaltig einen hohen und wachsenden Lebensstandard und eine hohe Beschäftigung zu sichern - ist eines der ehrgeizigen Ziele, die der Europäische Rat im Frühjahr 2000 in Lissabon der Europäischen Union gesetzt hat. Die Verwirklichung dieses Zieles hängt davon ab, ob es der Europäischen Union gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer warenproduzierenden Industrie zu erhalten und zu verbessern. Die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Industrie und Dienstleistungssektor kann nicht ignoriert werden, und der Trend zur Auslagerung von Dienstleistungsfunktionen aus Industrieunternehmen hat die Industrie scheinbar schrumpfen lassen. Europa braucht aber eine vitale Industrie, um seinen Wohlstand zu erhalten und zu mehren und um seine sozial- und umweltpolitischen sowie seine internationalen Ziele zu verwirklichen. Die europäische Industrie ist modern und in vieler Hinsicht erfolgreich. Das geringe Produktivitätswachstum gibt jedoch Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Deshalb wird nun, da die Erweiterung bevorsteht, in dieser Mitteilung untersucht, inwieweit die 1990 festgelegte Industriepolitik der EU die gewünschte Wirkung erzielt hat. Wenn dies der Fall ist, kann die EU in den kommenden Jahren ihr Industriepotenzial zu ihrem Vorteil nutzen und der Verwirklichung ihrer breiteren Ziele näher kommen. Die Erweiterung der EU wird neue Chancen für die Industrie in den neuen wie auch den derzeitigen Mitgliedstaaten schaffen. Sie dürfte einen positiven Beitrag zur industriellen Wettbewerbsfähigkeit insgesamt leisten. Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes ist ein wesentlicher Bestandteil der Strategie der EU für nachhaltige Entwicklung. Die nachhaltige Entwicklung ruht auf den drei Pfeilern wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie Umweltschutz. Um sie zu erreichen, muss die EU in diesen drei Bereichen gleichermaßen voranschreiten. Wird einer davon vernachlässigt, wird das Oberziel verfehlt. Wettbewerbsfähigkeit ist deshalb eine unerlässliche Voraussetzung für den Erfolg der Nachhaltigkeitsstrategie. Drei Schlüsselfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie verdienen besondere Aufmerksamkeit: Wissen, Innovation und unternehmerische Initiative. - Europa muss bei der Schaffung von Wissen eine führende Position einnehmen. Wiederholt ist auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, die allgemeine und berufliche Bildung und die Forschung zu verbessern damit dieses Wissen von der Industrie genutzt werden kann. Neue Technologien wie Informations- und Kommunikations-, Bio- und Nanotechnologie, sind entstanden und mit ihnen die für ihre Nutzung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten. - Europa muss außerdem innovativer werden. Jeder Sektor und alle Aktivitäten müssen ständig ihre Produkte, Dienstleistungen und Prozesse überdenken, verfeinern und verbessern. Es ist notwendig, die Bedingungen für anhaltende Innovation zu schaffen. - Europa muss auch den Unternehmergeist und die Risikobereitschaft fördern. Es scheint, dass die Europäer das unternehmerische Risiko scheuen, sich zu bereitwillig mit begrenztem Wachstum ihrer Unternehmen zufrieden geben und nicht genügend bereit sind, die Leistung derer, die zum Nutzen der Gesellschaft Risiken eingehen, anzuerkennen und zu belohnen. Die Industriepolitik der EU folgt grundsätzlich einem horizontalen Ansatz und zielt darauf ab, der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit ihrem Instrumentarium, das mit dem der Unternehmenspolitik identisch ist, will sie Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Unternehmer Initiativen ergreifen, ihre Ideen verwirklichen und ihre Chancen nutzen können. Dabei muss sie allerdings die spezifischen Bedürfnisse und Merkmale einzelner Sektoren berücksichtigen. Sie muss deshalb je nach Sektor unterschiedlich gehandhabt werden. So unterliegen viele Produkte - wie beispielsweise in den Bereichen Pharmazie, Chemie und Automobile - einer detaillierten sektorspezifischen Regulierung, die von ihren Merkmalen oder ihrer Verwendung abhängt. Industriepolitik ist folglich gekennzeichnet durch ein horizontales Grundkonzept und eine sektorspezifische Praxis. Um sicherzustellen, dass die Industriepolitik den ständig wechselnden Herausforderungen gerecht wird, sollte die Kommission deshalb eine grundlegende Analyse und eine ständige Kontrolle der Wettbewerbssituation solcher Sektoren durchführen. Diese ,Realitäts-Checks" sollten es ermöglichen, die Angemessenheit des Politik-Mix zu beurteilen. Die Industriepolitik muss außerdem dafür sorgen, dass andere Bereiche der Politik ihren Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie leisten. Sie deckt deshalb ein weites Feld ab und leiht sich einen Teil ihres Instrumentariums aus anderen Politikbereichen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie wird u. a. bestimmt von der Wettbewerbs-, der Binnenmarkt-, der Forschungs-, der Bildungs-, der Handels- und der Nachhaltigkeitspolitik. Die verschiedenen politischen Instrumente müssen dem Ziel entsprechend in ausgewogener Weise eingesetzt werden, wobei die Folgen für die Industrie zu bedenken sind. Die Industriepolitik braucht folglich eine strenge Methodik, um das Zusammenwirken der verschiedenen politischen Maßnahmen zu optimieren. Instrumente wie die Folgenabschätzung und die Kosten-Nutzen-Analyse sind bereits Bestandteile der EU-Politik, und sie werden in der Praxis weiter entwickelt und verfeinert, damit sichergestellt ist, dass politische Maßnahmen bedarfsgerecht und in ihrer Wirkung vorhersehbar sind. Die Industriepolitik muss selbst innovativ sein und beispielsweise neue Regulierungsinstrumente entwickeln die weniger stark in die Wirtschaft eingreifen sondern Ziele vorgeben, es aber der Industrie überlassen, mit welchen Mitteln sie diese Ziele erreicht, und die ihr freiwilliges Engagement fördern. In öffentlichen Anhörungen muss versucht werden, möglichst weiten Kreisen ein Verständnis der Problematik zu vermitteln. In dieser Mitteilung werden die Probleme und die Wege zu ausgewogenen, ganzheitlichen Lösungen aufgezeigt. Das Finden der für den Einzelfall richtigen Lösung und ihre richtige Umsetzung erfordert ständige Aufmerksamkeit, Analyse und Diskussion. Mit dieser Mitteilung will die Kommission einen Prozess der Überprüfung ihrer Industriepolitik auf Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit in Gang bringen. - Sie fordert erstens die anderen Organe der Gemeinschaft auf, die in dieser Mitteilung beschriebenen Konzepte zu erörtern und dazu Stellung zu nehmen. - Sie will zweitens ermitteln, wie ihre Politik in den wichtigsten Bereichen mit der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie interagiert. - Da Industriepolitik überwiegend in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, fordert sie drittens die Mitgliedstaaten auf, ihre eigene Industriepolitik im Lichte dieser Mitteilung zu überprüfen. Das vom Europäischen Rat in Lissabon etablierte offene Koordinierungsverfahren bildet einen Rahmen, in dem die Leistung der nationalen Politik diskutiert und verbessert werden kann. Die Kommission fordert interessierte Kreise auf, zu diesem Prozess beizutragen. Sie will bis Ende 2003 über die Ergebnisse Bericht erstatten und eventuell weitere Initiativen vorschlagen. MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Industriepolitik in einem erweiterten Europa Inhaltsverzeichnis I. EINFÜHRUNG II. DIE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER EU-INDUSTRIE II.1 Die Industrie, Quelle des Wohlstands in Europa II.2 Eine Momentaufnahme der europäischen Industrie: Trends, Stärken und Schwächen II.2.1. Die europäische Industrie ist in vieler Hinsicht modern und wettbewerbsfähig ... II.2.2. ... ihre Produktivität wächst aber nur langsam. II.2.3 Die KMU, die zunehmend Cluster und Produktionsnetze bilden, spielen eine zentrale Rolle. III. DIE AUSWIRKUNGEN DER EU-ERWEITERUNG AUF DIE INDUSTRIE III.1. Die bisherigen Fortschritte sind beachtlich, aber ungleichmäßig. III.2. Einige Bereiche verlangen noch besondere Aufmerksamkeit. III.3. Die Erweiterung bietet Möglichkeiten für eine wettbewerbsorientierte Neuordnung der Industrie IV. HERAUSFORDERUNGEN AN DIE INDUSTRIEPOLITIK IN EINER ERWEITERTEN EU IV.1. Globalisierung IV.2 Technischer und organisatorischer Wandel IV.3 Die Schlüsselrolle von Unternehmertum und Innovation IV.4. Nachhaltigkeit und neue gesellschaftliche Anforderungen V. DER WEITERE WEG V.1 Allgemeine Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bestimmende Faktoren V.1.1 Förderung von Innovation, Wissenserwerb und Forschung V.1.2 Unternehmerische Initiative V.1.3. Förderung einer nachhaltigen industriellen Produktion V.2. Überprüfung des industriepolitischen Konzepts der EU V.2.1. Die zentrale Bedeutung der Rahmenbedingungen V.2.2. Systematischeres Vorgehen der EU bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen V.2.3. Stärkere Integration der EU-Politikfelder, die sich auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit auswirken V.2.4. Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse der Industrie in den Beitrittsländern V.2.5. Streben nach Verbesserung des globalen politischen Handelns V.2.6. Die sektorale Bedeutung des erneuerten Ansatzes VI. ZUSAMMENFASSUNG ANHANG: I. EINFÜHRUNG Die Grundzüge der heutigen Industriepolitik der EU wurden in einer Mitteilung von 1990 [1] festgelegt. Nach dem darin wiedergegebenen Konzept sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Unternehmen ermöglichten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, und korrigierend wirkten, wo der Markt versagte. Dafür sollte das bereits in anderen Bereichen der Gemeinschaftspolitik vorhandene Instrumentarium eingesetzt werden. [1] "Industriepolitik in einem offenen, wettbewerbsorientierten Umfeld: Ansätze für ein Gemeinschaftskonzept" (KOM (90) 556 endgültig) Seither hat sich der politische Rahmen verändert. Aus der Europäischen Gemeinschaft wurde die Europäische Union mit 15 Mitgliedstaaten. 10 weitere Staaten stehen kurz vor dem Beitritt zur EU. Der europäische Binnenmarkt wurde durch die Währungsunion konsolidiert und um den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und die Beitrittsländer erweitert. In der Uruguay-Runde wurden die Regeln des Welthandels erheblich erweitert. Die 1990 festgelegte Politik wurde in mehreren Mitteilungen der letzten zwölf Jahre weiterentwickelt [2]. Das Konzept, obwohl in seinen Grundzügen unverändert, wurde so nach und nach verfeinert, vor allem um der zentralen Bedeutung von Wissen und Innovation in der globalen Wirtschaft Rechnung zu tragen. [2] Im Weißbuch "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" von 1993 wurde auf die Bedeutung der KMU, der Infrastruktur und der neuen Technologien verwiesen. In der Mitteilung "Eine Politik der industriellen Wettbewerbsfähigkeit für die Europäische Union" von 1994 (KOM (94) 319 endgültig) lag der Schwerpunkt auf immateriellen Gütern und industrieller Zusammenarbeit. Mit Fragen der Globalisierung befasste sich die Mitteilung "Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen angesichts der Globalisierung - wie man sie fördern kann" von 1999 (KOM (98) 718 endgültig). Im Mai dieses Jahres machte die Kommission in einer weiteren Mitteilung [3] darauf aufmerksam, dass die Produktivitätszunahme in der EU sich verlangsamte, und warnte, das könne das im Jahr 2000 vom Europäischen Rat in Lissabon gesetzte Ziel gefährden, Europa bis 2010 zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, der zu nachhaltigem Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und stärkerem sozialem Zusammenhalt in der Lage ist. Der auf der Tagung des Europäischen Rates von Sevilla gefasste Beschluss der Staats- und Regierungschefs, eine neue Ratsformation einzusetzen, die sich mit allen Fragen der Wettbewerbsfähigkeit befasst, unterstreicht zusätzlich die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit und die wachsende Notwendigkeit, Synergien zwischen Industriepolitik, F&E-Politik und Binnenmarkt herbeizuführen. [3] "Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen" (KOM (2002) 262 endgültig) Mit wachsendem Wohlstand gewinnen Dinge wie Nachhaltigkeit und Sicherheit für die europäischen Bürger zunehmende Bedeutung. Dementsprechend verabschiedete der Europäische Rat 2001 in Göteborg die Strategie der EU zur nachhaltigen Entwicklung, mit der gleichzeitig Ziele in den drei Hauptbereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt verfolgt werden. Die wirksame Umsetzung dieser Strategie erfordert vollständige Kohärenz der Politik in diesen drei Bereichen. Bei der Verwirklichung der in Lissabon und Göteborg gesetzten Ziele spielt die Industriepolitik eine wichtige Rolle. Da die bevorstehende Erweiterung der EU die industrielle Landschaft Europas verändern und für die Industrie in den neuen Mitgliedstaaten Schwierigkeiten mit sich bringen wird, ist es an der Zeit, die EU-Industriepolitik neu zu gestalten, damit sie den Bedürfnissen einer erweiterten EU gerecht werden kann. Diese Mitteilung soll die Entwicklung von Synergien zwischen der Industriepolitik und den anderen Politikbereichen anregen, die helfen, die Ziele der Strategie von Lissabon zu verwirklichen. Die Entwicklung des Wachstumspotenzials der Europäischen Union muss eines der Hauptziele der Industriepolitik bleiben. Diese soll die Union befähigen, höhere Wachstumsraten zu erreichen, einen hohen Lebensstandard zu sichern und zahlreiche und dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. Damit das erreicht werden kann, muss die Industriestruktur der Union durch spezifische Politiken unterstützt werden. Eine gesunde Industrie schafft positive externe Effekte für die Gesamtwirtschaft, erhöht das Wachstumspotenzial und die Dynamik der Wirtschaftsstruktur und fördert Innovation und Ausbildung durch eine erhöhte Nachfrage nach Kompetenzen. Auf der Basis eines horizontalen Ansatzes - der auf die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen zielt - sollten Prioritäten gesetzt werden, um die Entwicklung in Bereichen mit hohem Potenzial zu fördern. Dieser Ansatz muss eng mit anderen Politiken abgestimmt werden, die ebenfalls die Entwicklung der industriellen Basis der Union fördern oder begleiten. Dabei werden die Unternehmen weiterhin überwiegend selbst für ihre Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich sein. Sie tragen auch zur Verwirklichung der umwelt- und sozialpolitischen Ziele der EU bei, indem sie ihre gesellschaftliche Verantwortung in einem größeren Rahmen wahrnehmen. Diese Mitteilung ist der Beginn eines Prozesses im weiteren Kontext der Agenda von Lissabon und Göteborg. Die Kommission will mit ihr eine breit angelegte Debatte darüber anstoßen, wie die Industriepolitik besser zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie beitragen kann und wie die dafür relevanten politischen Instrumente der EU besser integriert werden können. II. DIE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER EU-INDUSTRIE [4] [4] Die Analyse in diesem Kapitel wird ergänzt durch einen statistischen Anhang (SEK (2002) 1340), auf dessen Tabelle und Grafiken im Text verwiesen wird. II.1 Die Industrie, Quelle des Wohlstands in Europa Europa braucht eine dynamische, wettbewerbsfähige Industrie, um seinen Wohlstand zu erhalten und zu mehren und um seine sozial-, umwelt- und außenpolitischen Ziele zu verwirklichen. In den letzten Jahren hat sich die Produktionsstruktur in Europa deutlich verändert. Der Anteil des Dienstleistungssektors an der Wirtschaftleistung der EU stieg von 52 % im Jahre 1970 auf 71 % im Jahre 2001, während der Anteil des verarbeitenden Gewerbes im selben Zeitraum von 30 % auf 18 % zurückging. [5] Als Folge dieser "Tertiarisierung" hat die Politik, geleitet von dem verbreiteten, doch irrigen Glauben, in einer wissensbasierten Wirtschaft und einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft spiele das verarbeitende Gewerbe keine Schlüsselrolle mehr, dem verarbeitenden Gewerbe nicht immer die nötige Aufmerksamkeit gewidmet. Die Veränderung hat zwei Ursachen: die Produktivitätssteigerung, die im verarbeitenden Gewerbe größer war als im Dienstleistungssektor, und das daraus resultierende Wohlstandswachstum, das zu einer überproportionalen Zunahme der Nachfrage nach häuslichen und persönlichen Dienstleistungen führte. [6] Außerdem sind infolge der Produktivitätssteigerung die Preise von Waren relativ gesunken. [5] Zum "Dienstleistungssektor" gehören Groß- und Einzelhandel, Hotels und Gaststätten, Verkehr und Lagerei, Nachrichtenübermittlung, Kreditinstitute, Versicherungen, Immobilien, Dienstleistungen für Unternehmen, öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung sowie sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen. [6] Mit steigenden Einkommen nimmt die Nachfrage nach Dienstleistungen überproportional zu. Anders gesagt: Die Einkommenselastizität der Nachfrage nach Dienstleistungen ist größer als 1. Die wechselseitige Abhängigkeit von Dienstleistungssektor und verarbeitendem Gewerbe hat ebenfalls zugenommen, wie die Input-Output-Daten belegen. Die aggregierten Statistiken über volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen verschleiern die Tatsache, dass Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes Tätigkeiten auslagern, die sie als nicht zu ihrem Kerngeschäft gehörig betrachten, die aber vorher dem verarbeitende Gewerbe zugerechnet wurden. Die gestiegene Nachfrage des verarbeitenden Gewerbes nach Vorleistungen hat das Volumen der Dienstleistungen für Unternehmen wachsen lassen. Im Jahr 2000 machten sie 48,3 % des BIP von EU15 aus (siehe Schaubild 1.3). [7] [7] Dienstleistungen für Unternehmen im weitesten Sinne, d. h. der gesamte Dienstleistungssektor mit Ausnahme von öffentlicher Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung. Die beschriebene Entwicklung hat mit der Qualität und Menge des Wissens zu tun, auf das Wirtschaftstätigkeiten angewiesen sind. Wissen und die Fähigkeit der Wirtschaft, es technisch und kommerziell anzuwenden, sind die Grundlagen von Produktivitätssteigerungen und Wettbewerb. Der Wissensbestand und die Geschwindigkeit seiner Zunahme sind dabei entscheidend. Die zunehmende Komplexität des Wissens hat zu wachsender Spezialisierung in der Industrie geführt und ist ursächlich für den Trend zur Auslagerung von Unternehmenstätigkeiten, vor allem von IKT-Leistungen und anderen wissensintensiven Tätigkeiten, die als Quellen von Innovation und Produktdifferenzierung zur Steigerung der Produktivität beitragen. Die Verflechtung von verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungssektor geht jedoch weit über die Auslagerung von Tätigkeiten hinaus. Es hat sich eine ganze Palette von produktbezogenen oder an Produkte gebundenen Dienstleistungen entwickelt. Sie werden überwiegend von Spezialfirmen erbracht, die vom verarbeitenden Gewerbe abhängig sind. Innovative Industrieprodukte haben auch völlig neue Dienstleistungskonzepte möglich gemacht, so in der Telekommunikations- und Informationstechnik. Im Gegenzug hängt die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie von der Qualität und Wirtschaftlichkeit von Transport-, Finanz- und unternehmensbezogenen Dienstleistungen ab. Dennoch werden die meisten technischen Innovationen im verarbeitenden Gewerbe eingeführt und schaffen dort wirtschaftliche Werte, und bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse werden nur dann in neue Produkte umgesetzt, wenn eine leistungsfähige Industrie vorhanden ist, die diese Produkte herstellen kann. Wegen der Bedeutung dieser Entwicklungen und Zusammenhänge bildet die Verflechtung von verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungssektor den Schwerpunkt dieser Mitteilung. II.2 Eine Momentaufnahme der europäischen Industrie: Trends, Stärken und Schwächen II.2.1. Die europäische Industrie ist in vieler Hinsicht modern und wettbewerbsfähig... Angesichts des verschärften weltweiten Wettbewerbs haben die meisten Branchen der europäischen Industrie erhebliche Anstrengungen zur Modernisierung ihrer Produktionsstätten und zur Einführung neuer Organisationsformen unternommen. Dank Anlageinvestitionen, eigener Forschung oder Kontakten mit der Wissenschaft haben neueste Erkenntnisse in weiten Teilen der Textil-, Nahrungsmittel- und Möbelindustrie, der Landwirtschaft und Fischerei, der Bauindustrie und der chemischen Industrie Verbreitung gefunden. Diese als Branchen mit niedriger oder mittlerer Technologieintensität eingestuften Industriezweige arbeiten heute alle mit innovativen und technologiebasierten Produktionsverfahren. Diese Entwicklung hat zu höheren Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten geführt und ist mehr als der wachsende Anteil der Hochtechnologiebranchen an der Gesamtproduktion Ursache der steigenden Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften. Die wachsende Abhängigkeit der Industrie von der Qualität der Ausbildung ihrer Beschäftigten findet ihren Niederschlag darin dass die durchschnittliche Ausbildungsdauer der EU-Erwerbsbevölkerung kontinuierlich zunimmt. Mit lediglich 87 % bzw. 90 % der Werte für die USA und Japan bleibt Europa aber immer noch hinter seinen Hauptkonkurrenten zurück. (siehe Schaubild 6.1). Die öffentlichen Ausgaben für allgemeine und berufliche Bildung in Prozent des BIP sind zwar immer noch recht hoch, sanken aber von 5,7 % im Jahr 1990 auf 5 % im Jahr 2001. Das läuft dem in Lissabon gesetzten Ziel zuwider, die Pro-Kopf-Investitionen in Humanressourcen deutlich zu steigern. Die privaten Investitionen in Bildung, lebenslanges Lernen und wissenschaftliche Forschung sind ebenfalls deutlich niedriger als bei unseren Haupthandelspartnern. Zudem läst die Effizienz der Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung zu wünschen übrig. Mit erheblichen Investitionen in den Umweltschutz [8], in saubere Technologien und in umweltfreundliche Produktionsverfahren hat die Industrie sich die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung zu eigen gemacht, so dass Produktionsvolumen und Luftschadstoffemissionen nicht mehr korrelieren wie bisher. [9] [8] Die Gesamtausgaben für den Umweltschutz sind auf 2 % der industriellen Wertschöpfung gestiegen. [9] So sind trotz einer Zunahme der Industrieproduktion um 30 % seit 1985 die Kohlendioxidemissionen im selben Zeitraum um 11 % und die Emissionen säurebildender Gase um rund 50 % zurückgegangen. (Bericht der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit 2002) Teils wegen der zunehmenden Bedeutung des Binnenmarktes und der Einführung des Euro, aber auch im Zuge weltweiter Konsolidierungs- und Umstrukturierungsprozesse kam es in der EU-Industrie in der zweiten Hälfte der 90er Jahre zu zahlreichen Fusionen und Übernahmen. Im Dienstleistungssektor war nach 1995 eine deutlich stärkere Zunahme der auf die EU gerichteten Fusionen und Übernahmen zu verzeichnen als in der übrigen Wirtschaft. Hauptgründe dafür waren die (im Vergleich zur übrigen Wirtschaft) späte Liberalisierung des Dienstleistungssektors und die Lockerung der Beschränkungen, denen die Tätigkeit staatlicher Monopole unterliegt. Der Höhepunkt wurde im Jahr 2000 mit 16 750 Fusionen und Übernahmen erreicht, danach trat ein gewisser Rückgang ein. Es ist allerdings möglich, dass mit breiterer Streuung des Aktienbesitzes die Zahl wieder steigt. [10] [10] Siehe "Fusionen und Übernahmen", Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Nr. 12, Dezember 2001. Die europäische Industrie ist im internationalen Handel weiterhin dominant. Die stärkere Präsenz neuer Handelspartner auf dem Weltmarkt hat den Anteil der EU an den weltweiten Exporten allerdings sinken lassen. Dieser Trend ist bei der EU jedoch weniger ausgeprägt als bei den USA und bei Japan. Im Zeitraum 1991-95 sank der Anteil der EU von 19,3 % auf 18,4 %, der der USA von 15,1 % auf 12,1 % und der Japans von 12,2 % auf 8,2 % (siehe Tabelle 2.1 und Schaubild 2.3). Zudem sind EU-Unternehmen in Schlüsselbranchen wie Automobilbau und Luft- und Raumfahrt und in einigen Bereichen der Telekommunikationstechnik zu Weltmarktführern geworden. Die Handelsbilanz für Waren, die in 9 der letzten 10 Jahre einen Überschuss in Höhe von 1 bis 2 % des BIP auswies, und der Aufwärtstrend der Exportquote für Waren bestätigen die solide Wettbewerbsposition der EU-Industrie auf dem Weltmarkt (siehe Schaubilder 2.1 und 2.2). II.2.2. ...ihre Produktivität wächst aber nur langsam In den 90er Jahren lag das in der EU verzeichnete Produktivitätswachstum des verarbeitenden Gewerbes unter dem der USA, wenn auch einige kleine Mitgliedstaaten außerordentliche Verbesserungen erzielen konnten (siehe Tabelle 4.2). Eine breite Kluft entstand in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Im Zeitraum 1996-2000 betrug das Wachstum in der EU 3,2 %, in den USA dagegen 5,5 %. Trotz möglicher Ungenauigkeiten bei der Messung der Produktivität belegen diese Zahlen, dass sich das Wachstum der Arbeitsproduktivität in den USA beschleunigt hat, vor allem im Vergleich zur zweiten Hälfte der 80er Jahre. Das Produktivitätswachstum in der Gesamtwirtschaft der EU ist geringer als im verarbeitenden Gewerbe allein, weil der Dienstleistungssektor in dieser Hinsicht weniger erfolgreich ist. Es ist deutlich zurückgegangen, von 1,9 % in der ersten Hälfte der 90er Jahre auf 1,2 % im Zeitraum 1995-2001. Diese Zahlen bedeuten eine bedenkliche Verringerung des Wachstumspotenzials der EU und eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie. In den Berichten der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit aus den Jahren 2001 und 2002 werden ungenügende Innovationstätigkeit und geringe Verbreitung von IKT als Hauptursachen des ungenügenden Produktivitätswachstums in Europa benannt. Dass zwischen IKT-Verbreitung und Produktivitätswachstum ein Zusammenhang besteht, wird inzwischen allgemein anerkannt. Die Ausgaben für IKT in der EU sind beständig gestiegen, von 5,4 % des BIP im Jahr 1996 auf 7,1 % des BIP im Jahr 2001. Damit zieht die EU fast gleich mit den USA, wo die IKT-Ausgaben 2001 stark zurückgingen. Die in den letzten Jahren verzeichnete Steigerung der IKT-Ausgaben hat sich aber noch nicht in einer Zunahme der Produktivität niedergeschlagen. Obgleich einige EU-Unternehmen Innovatoren von Weltklasse sind, zeigt die im Vergleich zu ihren Hauptkonkurrenten geringe Patent- und F&E-Tätigkeit der EU, dass ihre Innovationsleistung zu wünschen übrig lässt. Aus dem Innovationsanzeiger 2001 ist ersichtlich, dass zwar die Leistung der besten EU-Mitgliedstaaten über der der USA und Japans liegt, dass aber die EU insgesamt bei den meisten der 17 Innovationsindikatoren hinter den USA und Japan zurückbleibt. Die Forschungsinvestitionen in der EU, 1,9 % vom BIP im Jahr 2000 gegenüber 2,7 % in den USA und 3 % in Japan, sind immer noch viel zu niedrig, und ein noch größerer Rückstand ergibt sich, wenn nur die Forschung des Privatsektors berücksichtigt wird (84 % der Differenz zwischen der EU und den USA entfallen auf den Privatsektor allein). Deutlich erkennbar wird dieser Rückstand an der Zahl der Hochtechnologie-Patente je Million Einwohner. Sie beträgt 28 für die gesamte EU, ihre leistungsfähigsten Mitgliedstaaten erreichen dagegen 138 (Finnland), 95 (Schweden) und 58 (Niederlande). Ein weiterer wichtiger Indikator ist die Zahl der Forscher. [11] [11] Der Anteil der Forscher an der Gesamtzahl der Arbeitkräfte beträgt in der EU 5,1 von Tausend. In den USA und in Japan beträgt er 7,4 bzw. 8,9 von Tausend. Im Privatsektor allein betragen die Anteile 2,5, 7,0 und 6,3 von Tausend. Diese Fakten sind der Hintergrund der unbefriedigenden Wettbewerbsfähigkeit der EU in einigen Wirtschaftszweigen mit hoher Wertschöpfung. Die Bereiche "Elektronik" und "Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräte" sind zwei herausragende Beispiele von wissensintensiven Wirtschaftszweigen, in denen die EU besser werden muss. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der EU an den Gesamtexporten der OECD in diesen beiden Bereichen 16,4 % bzw. 12,3 %, die USA kamen dagegen auf 23,7 % bzw. 24 %. [12] Verschiedene Indikatoren der komparativen Exportvorteile lassen erkennen, dass die EU sich tendenziell auf ein mittleres/gehobenes Technologieniveau und kapitalintensive, traditionelle Industriezwiege spezialisiert (siehe Abschnitt 2). Wenn die EU auch ihre Stärke in diesen Sektoren behalten muss, weil auf sie der größere Teil der Wirtschaftsleistung und der Beschäftigung entfällt, so sollte sie sich doch bemühen, ihre Position in Grundlagentechnologien wie IKT, Elektronik, Biotechnologie und Nanotechnologie zu stärken, wo sie oft hinter ihren Hauptkonkurrenten zurückliegt. Technologieintensive Industriezweige sind eine Wissensquelle, und ihre Entwicklungen können Eingang in andere Wirtschaftszweige finden. Doch nicht nur das, sie sind auch die Bereiche mit dem höchsten Produktivitätswachstum (siehe Schaubild 4.1). Die relative Schwäche der europäischen Industrie in diesen Bereichen und deren niedriger Anteil an der Gesamtwirtschaftsleistung drücken das allgemeine Wachstums- und Produktivitätsniveau in der EU. Außerdem hat der relativ langsame Wandel der europäischen Produktionsstruktur eine rasche Umschichtung der Ressourcen zur Wahrnehmung neuer Marktschancen behindert. [13] [12] OECD Main Science and Technology Indicators. [13] Strukturwandel spiegelt die Fähigkeit eines Wirtschaftssystems, seine Ressourcen rasch umzuschichten, um unter Nutzung seiner Stärken neue Chancen zu nutzen. Im Bericht der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit 1999 wird eine Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit des Strukturwandels einerseits und der Wirtschaftsleistung und des Exportwachstums andererseits hergestellt. Schließlich kann das schwache Produktivitätswachstum und die relativ niedrige Beschäftigungsquote in Europa auch auf ungelöste strukturelle Probleme zurückgeführt werden. Zu ihnen gehören die Zersplitterung bestimmter Waren- und Dienstleistungsmärkte (trotz der in den 90er Jahren erzielten Fortschritte), weiterhin bestehende Hemmnisse für die räumliche Mobilität und anhaltende Qualifikationsdefizite bei vielen Gruppen von Arbeitnehmern. II.2.3 Die KMU, die zunehmend Cluster und Produktionsnetze bilden, spielen eine zentrale Rolle Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der europäischen Industrie (siehe Tabelle 7.1). [14] Auf sie entfallen rund zwei Drittel aller Arbeitsplätze und 60 % der gesamten Wertschöpfung. Sie fördern die Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zwingen Großunternehmen zur Steigerung ihrer Effizienz und zu Innovationen. Außerdem sind zahlreiche europäische KMU Weltunternehmen auf Nischenmärkten. Die europäischen KMU erzielen 13 % ihres Umsatzes im Exportgeschäft. [14] Beobachtungsnetz der europäischen KMU 2002/Nr. 2. Die Zahlen entsprechen einer weiten Definition der KMU, die auch Kleinstunternehmen einschließt. Neue Organisationsformen, bei denen Großunternehmen oft mit einem EU-weiten Netz von Zulieferern und Unterauftragnehmern arbeiten, haben die Rolle der KMU gestärkt. Mithilfe der IKT können Großunternehmen auch Lieferantennetze mit großer räumlicher Ausdehnung managen, die Hunderte von KMU umfassen können. Die Leistung von Großunternehmen hängt in wachsendem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit ihrer kleinen und mittleren Unterauftragnehmer ab, die wiederum auf wirtschaftlich gesunde größere Partner angewiesen sind. Innovative Unternehmenscluster schöpfen ihre Wettbewerbsfähigkeit zwar aus regionalen Quellen, sind aber in zunehmendem Maße Teil transnationaler Wissens- und Produktionsnetze. Die Unternehmen solcher Cluster, überwiegend KMU, sind dabei, zu einem vitalen Bestandteil der europäischen Industrielandschaft und eine Quelle innovativer Ideen zu werden. Einige europäische Cluster, deren Unternehmen häufig spin-offs der Hochschulen sind, sind Weltklasse, so etwa die Biotechnologie-Cluster um München und Stockholm und der Textil-Cluster in Norditalien. [15] [15] Mit regionalen Clustern in Europa befasst sich das Beobachtungsnetz der europäischen KMU in Heft 3/2002. Expandierende Zulieferernetze schaffen zunehmend Verbindungen zwischen Unternehmen, die nicht verwandten Branchen angehören oder in verschiedenen Regionen und Ländern der EU ansässig sind. So sind Maschinenbauunternehmen, auch KMU, in den mitteleuropäischen Ländern ohne Zugang zum Meer auf Aufträge von Schiffbauunternehmen an weit entfernten Orten angewiesen und KMU der Bekleidungsindustrie auf hochwertige und kostengünstige Stoffe aus Rohmaterialien, die von der chemischen Industrie entwickelt werden. Die von Großunternehmen betriebene Verkleinerung und Auslagerung von Tätigkeiten zu Zulieferern verursacht zwar vorübergehende Anpassungsprobleme, schafft aber auch neue Chancen und Anreize für die Selbständigkeit. Leider wollen immer noch zu wenig Europäer selbständig tätig sein (siehe Schaubild 7.3), und relativ wenige europäische Klein- und Kleinstunternehmen wachsen auf die kritische Größe, die sie brauchen, um mit den dominierenden Unternehmen ihrer Branche zu konkurrieren oder um sich auf fremden Märkten zu etablieren. III. DIE AUSWIRKUNGEN DER EU-ERWEITERUNG AUF DIE INDUSTRIE [16] [16] Die Auswirkungen der Erweiterung auf die Industrie werden in einem demnächst erscheinenden Dokument der Kommission eingehender untersucht. III.1. Die bisherigen Fortschritte sind beachtlich, aber ungleichmäßig Die Beitrittsländer haben große Anstrengungen unternommen, um ihre Struktur zu reformieren, makroökonomische Stabilität zu erzielen und wirtschaftliche Integration mit der EU zu erreichen. Auf makroökonomischer Ebene gingen Liberalisierung und Privatisierung einher mit einer durchgreifenden Umstrukturierung der Industrie. Die Beitrittsländer haben auch ihre Institutionen und ihr Rechts- und Verwaltungssystem modernisiert. Dennoch bestehen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern weiterhin deutliche Unterschiede in der Struktur des verarbeitenden Gewerbes. In den Betrittsländern ist die Industrie weniger spezialisiert und stärker auf Branchen mit niedrigem Technologieniveau konzentriert, u. a. Nahrungsmittel und Getränke, Textilien, Holzverarbeitung und Metallerzeugung. Doch das ändert sich. In den weiter entwickelten Ländern verlagert sich die Produktion erkennbar auf technisch anspruchsvollere Erzeugnisse. Die Arbeitsproduktivität erreicht derzeit zwar in allen Ländern nur 50 % oder weniger vom EU-Durchschnitt, wächst aber rasch. Mit zunehmenden Auslandsinvestitionen und staatlicher Heranführungshilfe haben alle Betrittsländer und ihre Institutionen von umfangreichen Transfers technischen und organisatorischen Wissens profitiert. Im Jahr 2001 betrugen die Direktinvestitionen ausländischer Anleger zwischen EUR 521 pro Kopf in der Slowakei und EUR 2.284 pro Kopf in Tschechien. [17] Der Trend geht erkennbar hin zur Konvergenz mit den in der EU vorherrschenden Industriestrukturen. [17] Quelle: Eurostat, laut Angabe der betreffenden Länder; Rumänien und Bulgarien nicht eingeschlossen; für Malta, Zypern und die Türkei liegen keine Daten vor. In den derzeitigen EU-Mitgliedstaaten profitiert die Industrie ebenfalls von der bevorstehenden Erweiterung. Sie erhält in den Beitrittsländern bessere Investitionsmöglichkeiten und findet dort hoch qualifizierte Arbeitskräfte zu relativ niedrigen Kosten. Zugleich haben die Liberalisierung des Handels mit Industriegütern im Rahmen der Europa-Abkommen und die allmähliche Einführung des Gemeinschaftsrechts in den meisten Bereichen der EU-Industrie einen großen neuen Markt eröffnet (ca. 110 Millionen Verbraucher in den Beitrittsländern plus Bulgarien und Rumänien). III.2. Einige Bereiche verlangen noch besondere Aufmerksamkeit Wenn auch die Industrie in den künftigen Mitgliedstaaten im großen und ganzen für den Wettbewerb in einer erweiterten EU gerüstet ist, wird ihre weitere Integration doch einige örtliche Probleme mit sich bringen. Der Umstrukturierungsprozess muss fortgesetzt werden, vor allem in der Stahlindustrie, wo weiterhin Überkapazitäten bestehen. In anderen traditionellen Branchen haben große, noch nicht privatisierte Betriebe Schwierigkeiten mit dem verschärften Wettbewerb. In einigen Industriezweigen wirken sich die Kosten der Anpassung an das EU-Recht, vor allem an das Umweltrecht, kurzfristig nachteilig auf die Kostenstruktur der Unternehmen aus. Allerdings dürften die Übergangsfristen dieses Problem mildern, und die Beitrittsländer bekommen mit ihrem Beitritt leichteren Zugang zu nachhaltigen Technologien aus den bisherigen Mitgliedstaaten. Das Unternehmertum und die KMU haben sich in den Beitrittsländern nur langsam entwickelt. Die Gründe dafür sind u. a. ein Mangel an Fähigkeiten in Management und Organisation und an technischen Kenntnissen, schwieriger Zugang zu Finanzmitteln, geringe Unterstützung durch Institutionen und Verbände und Schwierigkeiten bei der Integration in Produktionsnetze. In einigen Ländern sind die Rahmenbedingungen für kleinere Unternehmen noch zu ungünstig. Die Unterstützung insbesondere der KMU bei der Bewältigung der heutigen gesellschaftlichen und Umweltschutzanforderungen ist eine Voraussetzung dafür, dass auch sie von stabilen, akzeptierten und vorhersehbaren Bedingungen für wirtschaftliche Tätigkeit uneingeschränkt profitieren. In den Mitgliedstaaten werden am ehesten KMU in Grenzregionen unter verstärkten Wettbewerbsdruck geraten. Vor allem Unternehmen arbeitsintensiver Branchen droht Konkurrenz aus Ländern mit niedrigem Lohnniveau. Doch mit Ausnahme von Textilien können Industrieerzeugnisse aus den Beitrittsländern schon seit 1995 fast unbeschränkt in die EU eingeführt werden, so dass die notwendigen Anpassungen überwiegend bereits stattgefunden haben. Zudem eröffnen sich Unternehmen in Grenzregionen auch die größten neuen Marktchancen, denn in vielen Industrie- und Dienstleistungsbranchen sind sie ihren Konkurrenten in den Betrittsländern nach wie vor überlegen. III.3. Die Erweiterung bietet Möglichkeiten für eine wettbewerbsorientierte Neuordnung der Industrie Da sich in einer erweiterten EU die Unterschiede in den Lohnstrukturen und im technischen Know-how vergrößern, bietet sich der Industrie die Möglichkeit, sich nach dem Gesetz des Wettbewerbs neu zu ordnen. In der Übergangsphase tendieren die Beitrittsländer zur Spezialisierung auf Billigprodukte. Das kommt daher, dass die Mitgliedstaaten zu ihnen Teile ihrer Produktion verlagern, die sonst vielleicht in außereuropäische Länder verlagert worden wären. Viele Unternehmen verfolgen inzwischen aber eine Strategie, die über die bloße Auslagerung von Produktionen mit niedriger Wertschöpfung hinausgeht. Sie organisieren ihre Wertschöpfungskette neu und integrieren darin Unternehmen in den Beitrittsländern entsprechend ihrer technischen Kompetenz. Wenn solche Zulieferer oder Tochterunternehmen infolge Kompetenzgewinn auf einen höheren Platz in der Wertschöpfungskette rücken, profitieren sie von verstärktem spill-over technologischer Kompetenz. Die Automobilindustrie ist dafür ein Beispiel. Für die Industrie ist die Erweiterung bereits Realität, und das hat ihr zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. Die Betrittsländer stehen vor der Aufgabe, ihre Kompetenz zu entwickeln und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ihren Unternehmen ermöglichen, sich erfolgreich in internationale Produktionsnetze zu integrieren. Die Industriepolitik sollte versuchen, solche Bestrebungen zu fördern, um die wirtschaftliche Konvergenz der Beitrittsländer mit den Mitgliedstaaten nach Möglichkeit zu beschleunigen. Zugleich müssen die industriepolitischen Instrumente so eingesetzt werden, dass den besonderen Belangen der Beitrittsländer Rechnung getragen wird. IV. HERAUSFORDERUNGEN AN DIE INDUSTRIEPOLITIK IN EINER ERWEITERTEN EU IV.1. Globalisierung 1990 begann die Globalisierung gerade erst, zu einem Thema der Politik zu werden. Sie wird heute allgemein als einer der Hauptfaktoren für den Wandel von Wirtschaftssystemen und Gesellschaften erkannt. Die Kommission hat ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU bereits untersucht und dabei analysiert, welche Chancen sie bietet, welche Herausforderungen sie stellt und wie ihr politisch zu begegnen ist. [18] [18] Siehe Fußnote 2. Der größte Teil der Welt, einschließlich China und Russland, nimmt heute an der internationalen Marktwirtschaft teil. Damit eröffnen sich neue Märkte für Waren und Dienstleistungen aus der EU. Wie bereits angesprochen setzen EU-Unternehmen einen wachsenden Teil ihrer Produktion in Drittländern ab. Gleichzeitig öffnet sich damit der EU-Markt für Unternehmen aus Drittländern, und das kann zur Verlagerung von Produktionstätigkeiten aus der EU in Länder mit niedrigeren Faktorkosten führen. Da Europa bei den Kosten schwer konkurrieren kann, muss in erster Linie Wissen der europäischen Industrie helfen, dem Globalisierungsdruck standzuhalten, und das gilt für alle Branchen, ob Hochtechnologie oder traditionell. Damit die erweiterte EU wissensbasierte Wirtschaftstätigkeiten mit hoher Wertschöpfung in ihren Grenzen halten kann, ist es notwendig, Innovation zu fördern und hoch qualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, zu halten oder von außen anzuziehen. Paradoxerweise ist auch in einer globalen Wirtschaft der Standort entscheidend für die Forschungs- und Innovationsleistung. [19] Die EU als attraktiven Produktionsstandort zu erhalten, ist deshalb weiterhin ein vorrangiges Ziel. Die EU sollte in diesem Zusammenhang einmal untersuchen, ob die Kosten der Produktionsfaktoren, wie beispielsweise Energie, ihre Attraktivität nicht mindern. In einer zunehmend vernetzten Wirtschaft kommt ferner der Bildung von Clustern innovativer Unternehmen große Bedeutung zu. [19] Das ist so wegen der Bedeutung des "impliziten Wissens", das anders als Information oder "kodifiziertes Wissen" nicht schriftlich festgehalten ist und nur durch soziale Interaktion weitergegeben werden kann. Diese Unterscheidung stammt aus: R. Nelson und S.G.Winter, "An evolutionary theory of economic change" (1982). In einer stärker integrierten Weltwirtschaft kann auch Instabilität rasch um sich greifen. Das hat sich in den letzten Jahren gezeigt, als mehrere Schwellenländer hintereinander in eine Wirtschaftskrise gerieten. Globalisierung erfordert deshalb eine Industriepolitik, die auf Unvorhergesehenes schnell reagieren kann. Globalisierung erfordert auch zunehmende Konvergenz in der Regulierung. Doch wegen unterschiedlicher Konzepte der EU und ihrer Konkurrenten ist das nicht leicht zu erreichen. So begegnet die EU den von Industrieprodukten ausgehenden Gefahren (für Umwelt, Sicherheit, Gesundheit usw.) vorausschauend, etwa durch Rechtsvorschriften. In den USA werden entsprechende Normen oft auf privater Ebene in Zivilprozessen, also im Nachhinein gesetzt. Das Problem besteht darin, zwischen Systemen, die auf staatlichen Normen basieren, und solchen, die auf Rechtsstreitigkeiten basieren, eine Zusammenarbeit zu erreichen. Technische Normen und Vorschriften sind ein weiterer Bereich, in dem es schwer miteinander vereinbare unterschiedliche Konzepte gibt. IV.2 Technischer und organisatorischer Wandel Die Globalisierung wird von technischem Wandel begleitet und verstärkt. Am deutlichsten wird das in der Informations- und Kommunikationstechnik. Die IKT ist eine Grundlagentechnik mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Sie kann in allen Industriezweigen helfen, die Produktivität zu steigern, und beeinflusst Gestaltung, Fertigung, Distribution und Vermarktung der meisten Produkte und Dienstleistungen. Sie ermöglicht auch neue Organisationsformen wie die Auslagerung von Teilproduktionen und die bereits angesprochene enge Vernetzung von verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungssektor. Sie bestimmt das Wirtschaftswachstum weit über die IKT-Branche hinaus. Zu wesentlichen Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit führt die Kombination von IKT, neuen Management- und Organisationsmethoden und qualifizierten Arbeitskräften. Parallel zum technischen und organisatorischen Wandel muss deshalb die Qualifikation der Mitarbeiter weiterentwickelt werden, auch von solchen, deren Tätigkeit traditionell als niedrig qualifiziert gilt. Deshalb müssen Arbeitnehmer lebenslang lernen. Die gesamte Arbeitsorganisation muss darauf ausgerichtet sein, den Wandel anzunehmen. Dazu gehören genügende Anreize für die Mitarbeiter, sich auf neue Anforderungen einzustellen. Eine wesentliche Herausforderung an die EU besteht darin, in allen Industriezwiegen, auch in den als traditionell geltenden, für weite Verbreitung und effektive Nutzung der IKT zu sorgen. Die in Lissabon formulierte Strategie hat u. a. zum Ziel, bessere Voraussetzungen für die Verbreitung der IKT zu schaffen. Deshalb ist es so dringlich, die wesentlichen Fragen des Lissabon-Prozesses zu klären. Der technische Wandel findet nicht nur in der IKT statt. Es entstehen neue, zukunftsträchtige Technologien mit großem Potenzial zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Dazu gehören die Bio- und die Nanotechnologie sowie Technologien zur sauberen Energieerzeugung, und auch in der Werkstofftechnologie gibt es bahnbrechende Entwicklungen. Damit entstehen neue Marktchancen, doch die kann die EU-Industrie nur nutzen, wenn sie anpassungsfähig ist und ihre Ressourcen rasch umschichtet, um auf die neue technische Entwicklung zu reagieren. IV.3 Die Schlüsselrolle von Unternehmertum und Innovation Ein wesentliches Merkmal hochentwickelter Wirtschaftssysteme besteht darin, dass Unternehmertum und Innovation die Haupttriebkräfte ihres Wachstums sind. Motivierte, risikobereite Unternehmer gründen neue Firmen und schaffen damit neue Arbeitsplätze. Die laufende Gründung neuer und das Wachstum bestehender Unternehmen sorgen in Zeiten raschen technischen Fortschritts dafür dass neue Marktchancen genutzt werden, Innovation stattfindet und die Produktivität steigt. Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum sind auch in zunehmendem Maße von Innovation abhängig, d. h. von der Entwicklung und der wirtschaftlichen Nutzung neuer oder verbesserter Produkte und Dienstleistungen und der Optimierung wirtschaftlicher Prozesse. Innovation verändert laufend Märkte und schafft neue Bereiche wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit. Sie findet in allen, neuen wie alten Industriezweigen statt. Wissen ist der wichtigste Rohstoff für Innovation. Innovation ist zumeist das Ergebnis komplexer, interaktiver Prozesse, in denen Unternehmen sich zusätzliches, in anderen Unternehmen und Institutionen entstandenes Wissen zunutze machen. Innovationen werden zudem häufig durch neue, IKT-basierte Management- und Organisationsmethoden und durch Investitionen in neue Ausrüstung und neue Fähigkeiten ermöglicht. Die Innovation im Bereich der Vermarktungstechniken (sog. Präsentationsinnovation) gewinnt ebenfalls an Bedeutung für die Schaffung wirtschaftlicher Werte. Die Kommission hat vor kurzem darauf hingewiesen, dass Europa für F&E einen geringeren Teil des BIP ausgibt als seine Hauptkonkurrenten. [20] Die Zersplitterung der F&E-Tätigkeit, geschlossene, isolierte nationale Forschungssysteme, ungenügend entwickelte Beziehungen zwischen Forschung und Industrie und von Land zu Land unterschiedliche rechtliche und administrative Rahmenbedingungen sind Gründe dafür, dass Europa bei den F&E-Investitionen und der Schaffung neuen Wissens zurückfällt. Außerdem ist die "Produktivität" der europäischen Forschung niedrig. Das Innovationssystem der EU ist nicht hinreichend fähig, neues Wissen in neue oder verbesserte Produkte, Dienstleistungen und Prozesse umzusetzen, mit denen zusätzliche Werte geschaffen werden. [20] In ihrer Mitteilung "Mehr Forschung für Europa - hin zu 3% des BIP" (KOM (2002) 499 endgültig). IV.4. Nachhaltigkeit und neue gesellschaftliche Anforderungen Mit dem Lebensstandard sind in Europa auch die Anforderungen an den Umweltschutz, die Arbeitszufriedenheit, die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, den Gesundheits- und den Verbraucherschutz gestiegen. Es ist Aufgabe der staatlichen Institutionen, auf die Anliegen der Gesellschaft einzugehen. Dementsprechend wurde auf der Tagung des Europäischen Rates 2001 in Göteborg beschlossen, die nachhaltige Entwicklung zu einem vorrangigen Ziel der Politik zu machen. Sie ruht auf den drei Pfeilern wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie Umweltschutz. Die Industriepolitik ist damit gefordert, wachsende soziale und ökologische Anforderungen zu erfuellen. Auch die Wirtschaft muss ihren Teil zur Erfuellung dieser Anforderungen beitragen. Darum geht es im wesentlichen in der Debatte über die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen. Die EU hat bereits erreicht, dass die Emissionen bestimmter Schadstoffe nicht mehr proportional der Industrieproduktion zunehmen. Das zeigt, dass die Industrie den Umweltschutz und zugleich ihre Wettbewerbssituation verbessern kann, wenn sie durch einen geeigneten Politikmix unterstützt wird. Die wachsenden Anforderungen an Sicherheit, Gesundheits- und Verbraucherschutz widerspiegeln u. a. die Besorgnis der Öffentlichkeit über die Auswirkungen bestimmter neuer Technologien auf Umwelt und Gesundheit oder über deren ethische Konsequenzen. Sie können auch der Furcht entstammen, dass die Globalisierung zum Verlust kultureller Identität, zu verschärftem Wettbewerb mit Billigländern und zur Schwächung der Wirtschaftsstrukturen führen könnte. Das ist eine legitime Entscheidung der Öffentlichkeit über die Nutzung des gestiegenen Wohlstands. Die Forderung nach größerer gesellschaftlicher Verantwortung der Unternehmen lässt erkennen, dass die Art und Weise, in der Unternehmen geführt, verwaltet und kontrolliert werden, überprüft werden muss. Wachsende gesellschaftliche Anforderungen können auch neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. So haben die Anforderungen an den Umweltschutz den Unternehmen in der EU zu einer führenden Position in der Umwelttechnik verholfen und sie dazu gebracht, auf der Grundlage einer Analyse des Produktlebenszyklus eine nachhaltige Produktion zu entwickeln. Die Forderung nach höherer Lebensqualität hat den Markt für Waren und Dienstleistungen für die Freizeitgestaltung wachsen lassen. Das Bedürfnis der Verbraucher nach hochwertigen Nahrungsmitteln und nach Sicherheit hat ebenfalls neue Marktnischen entstehen lassen. Doch neue Anforderungen können auch zusätzliche Kosten verursachen. Die Politik muss deshalb den richtigen Kompromiss finden, damit die in Lissabon und Göteborg gesetzten ehrgeizigen Ziele erreicht werden können. Starkes Wirtschaftswachstum verschafft uns die Mittel zur Erfuellung steigender ökologischer und sozialer Anforderungen. Vor allem letztere werden infolge der Überalterung der Bevölkerung deutlich steigen. Einige der Probleme können nur innerhalb eines globalen Ordnungsrahmens zufriedenstellend gelöst werden. Ein solcher Rahmen besteht weitgehend für den Handel mit Waren. In anderen Bereichen wie Wettbewerb wurden durch Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit bei der Formulierung und Anwendung von Sach- und Verfahrensregeln deutliche Fortschritte in dieser Richtung erzielt. Für Umwelt und Soziales ist der globale Ordnungsrahmen dagegen noch sehr unvollständig. Weltordnungen werden oft nicht wirksam umgesetzt oder werden von wichtigen Beteiligten ignoriert. Verbesserungen in diesem Bereich können verhindern, dass EU-Unternehmen Kosten und andere Lasten tragen müssen, die ihren Hauptkonkurrenten erspart bleiben, zugleich zur Verwirklichung wichtiger politischer Ziele der EU beitragen und es der Industrie ermöglichen wettbewerbsfähig zu bleiben, während sie gleichzeitig den sozialen und politischen Anforderungen des europäischen Marktes gerecht wird. V. DER WEITERE WEG Die Industriepolitik bleibt auf eine Reihe von Faktoren angewiesen, die Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bestimmen. Dazu gehören nicht nur stabile makroökonomische Verhältnisse, sondern vor allem auch Innovation, Wissen, unternehmerische Initiative und Nachhaltigkeit. Von dieser Grundannahme ausgehend wird im Folgenden das industriepolitische Konzept der EU überprüft. V.1 Allgemeine Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bestimmende Faktoren Europa besitzt eine Reihe von Vorzügen, die das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen begünstigen. Das sind insbesondere: - stabile politische und makroökonomische Verhältnisse und ein etablierter Rechtsrahmen, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre Zukunft zu planen, zu investieren und zu wachsen; - der Binnenmarkt; - starker gesellschaftlicher Zusammenhalt und hoch qualifizierte und anpassungsfähige Arbeitskräfte, wie sie für eine wissensbasierte Wirtschaft kennzeichnend sind; die Qualifikation der Arbeitskräfte muss aber durch lebenslanges Lernen und laufende Fortbildung ständig verbessert werden; - ein seit langem bestehender Dialog zwischen den Sozialpartnern auf allen Ebenen, der darauf abzielt, im Modernisierungsprozess einen Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu erreichen; - eine Grundversorgung mit hochwertigen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu akzeptablen Preisen, die zur Wettbewerbsfähigkeit der Nutzerbranchen beiträgt. Das für Frühjahr 2003 angekündigte Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird eine Debatte darüber fördern, wie diese Dienstleistungen den Anforderungen der Unternehmen an Infrastruktur, Bildung und Ausbildung besser gerecht werden können; - eine hochentwickelte Infrastruktur für Energieversorgung, Verkehr und Telekommunikation, die allerdings erheblich ausgebaut werden muss, [21] vor allem in den Beitrittsländern. [21] Priorität haben dabei der Ausbau von Breitband-Telekommunikationsnetzen und die Entwicklung transeuropäischer Netze. Zwar müssen diese Vorzüge durch ständige Bemühungen gewahrt und verstärkt werden, doch ist eine solide Basis bereits vorhanden. Die unmittelbaren Triebkräfte von Wachstum und Produktivität der europäischen Industrie sollten entsprechend der Strategie von Lissabon stärker in das Zentrum der Politik gerückt werden. Nachdem IKT inzwischen weit verbreitet sind, wurde in neueren Veröffentlichungen der OECD und der Kommission [22] die zentrale Bedeutung von Innovation und unternehmerischer Initiative als Haupttriebkräfte von Wachstum und Produktivität herausgestellt. In zunehmendem Maße wird auch die nachhaltige Entwicklung zur Triebkraft von Wachstum und Produktivität der EU-Wirtschaft. Die Industriepolitik muss sich besonders um den Ausbau dieser Stärken bemühen. [22] Insbesondere im Bericht über das "Growth project" der OECD (2001) und in den Berichten der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit. V.1.1 Förderung von Innovation, Wissenserwerb und Forschung Die EU sollte sich besonders um die Verbesserung ihrer Innovationsleistung bemühen und sich dazu bestimmter für die Innovation maßgebender Dinge annehmen, die noch unzureichend entwickelt sind. Entsprechend dem vom Europäischen Rat in Barcelona gesetzten Ziel, die F&E-Ausgaben in der EU bis zum Jahr 2010 auf 3 % des BIP zu steigern, weist die Kommission in einer vor kurzem verabschiedeten Mitteilung [23] darauf hin, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die Anreize für private F&E-Investitionen bieten und eine bessere Nutzung öffentlicher Mittel für die industrielle Forschung gewährleisten. Sie hat auch die Initiative zur Schaffung eines europäischen Forschungsraumes gestartet [24], um die Zersplitterung der europäischen Forschung zu überwinden. [23] Mitteilung der Kommission "Mehr Forschung für Europa - Hin zu 3 % des BIP" (KOM (2002) 499 endgültig). [24] Mitteilung "Der Europäische Forschungsraum" (KOM (2002) 565 endgültig). Die F&E-Politik ist ein Schlüssel zur Steigerung des Wachstumspotenzials der EU. Wissen und Innovation sind die Grundlagen, auf denen Industriezweige mit hoher Wertschöpfung wie IKT, Biotechnologie und Nanotechnologie aufbauen können. Industriepolitik und F&E-Politik müssen - entsprechend dem für den Europäischen Rat im Frühjahr angekündigten F&E-Aktionsplan - gemeinsam die passenden Bedingungen zur Förderung von Innovation schaffen. Technologische Plattformen könnten eingerichtet werden, um die Entstehung von Börsen für die Kooperation von Interessengruppen zu fördern und einen langfristigen strategischen Plan für F&E zu bestimmten Technologien auszuarbeiten, die größere wirtschaftliche oder gesellschaftliche Herausforderungen stellen, wie beispielsweise die Nutzung von Wasserstoff als neue Energiequelle. Solche Plattformen ermöglichen Synergieeffekte zwischen staatlichen Stellen, Anwendern, Regulierungsbehörden, Industrie, Verbrauchern und den Kompetenzzentren, in denen Grundlagenforschung und Technologietransfer eng miteinander verknüpft sind. Kohärenz ist notwendig zwischen Forschung, die neue Möglichkeiten eröffnen kann, und dem Regulierungsrahmen innerhalb dessen diese Technologien entwickelt und vermarktet werden können. Außerdem müssen Investitionen in immaterielle Güter und Humankapital gefördert werden, damit das vorhandene Wissen wirksam genutzt und möglichst weit verbreitet werden kann. Die bessere Berücksichtigung der Belange wissensintensiver Dienstleistungsbranchen kann helfen, dieses Ziel zu verwirklichen. [25] Eine weitere Priorität der Industriepolitik ist die Förderung der Entwicklung von Clustern und Netzen innovativer Unternehmen. [26] Die Kommission hat bereits erkannt, dass es sinnvoll ist, öffentliche Mittel vermehrt für Investitionen in Humankapital und F&E zu verwenden, wie es auch der Strategie von Lissabon entspricht. [27] [25] Auch die OECD hat die Bedeutung der wissensintensiven Dienstleistungsbranchen für Innovation und Wachstum untersucht (Bericht "Innovation and productivity in services", 2001). [26] Aktuelle Forschungen bestätigen, dass es wichtig ist, die verschiedenen Beteiligten am Innovationsprozess, auch neue Beteiligte wie Forschungsunternehmen, Gründerzentren, Innovationszentren u. a. miteinander zu vernetzen. [27] Mitteilung "Öffentliche Finanzen in der WWU - 2002 (KOM (2002) 209 endgültig). Die Politik kann die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen gestalten (Wettbewerbsrecht, Schutz geistigen Eigentums). Sie kann Innovation auch mit steuerlichen Anreizen (Steuererleichterungen für innovationsbezogene Aufwendungen) und Finanzierungsmöglichkeiten (Forschungsförderung, Finanzdienstleistungen, Regionalfonds) fördern. Zwischen all diesen Politikbereichen sollten Synergien entwickelt werden, um den innovationsfördernden Effekt zu maximieren. Die zentrale Bedeutung der Innovation in der wissensbasierten Wirtschaft erfordert entschlossenes Handeln der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Die Kommission will in einer künftigen Mitteilung die Grundlagen einer europäischen Innovationspolitik prüfen und eine Innovationsstrategie entwerfen. Die Verteidigungsindustrie spielt dabei eine besondere Rolle. Zu ihren Besonderheiten gehört, dass ihre Dynamik von Staatsaufträgen und der dazugehörigen Forschung und Innovation abhängt. Innovationen - als Ergebnis von Investitionen in diesen Industrien - wirken sich anschließend in der Gesamtwirtschaft aus, wie das Beispiel der USA zeigt. Es ist unabdingbar, dass die EU - nach den Erfolgen auf Gebieten wie der Luftfahrt oder dem Satellitenbau - nun auch mit Überlegungen im Bereich der Verteidigung beginnt. V.1.2 Unternehmerische Initiative Es sollten günstige Rahmenbedingungen für Gründung, Wachstum und Entwicklung von KMU und für unternehmerische Tätigkeit allgemein herrschen. Eingeschränkter Zugang zu Finanzmitteln in der frühen und mittleren Entwicklungsphase, Mangel an Fähigkeiten, administrative und relativ höhere steuerliche Belastungen behindern das Wachstum von KMU (siehe Schaubild 7.1). Die Innovationsleistung der KMU ließe sich weiter verbessern durch Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg und besseren Zugang zu Forschungsprogrammen, wodurch es jungen Unternehmen möglich wäre, fremdes Wissen zu nutzen und die notwendigen Fähigkeiten für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Schließlich sollte auch der Unternehmergeist in der allgemeinen und beruflichen Bildung intensiver propagiert werden. Seine Förderung ist wie die Innovationsförderung ein allgemeines Ziel und erfordert gemeinsame Anstrengungen in mehreren Politikbereichen wie allgemeine und berufliche Bildung, Binnenmarkt, Finanzdienstleistungen und Steuern. Die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Gründung und Entwicklung neuer Unternehmen ist Teil der Lissabon-Strategie und Gegenstand der Europäischen Charta für Kleinunternehmen, die im Jahr 2000 vom Europäischen Rat in Feira verabschiedet wurde. Mit dem geplanten Grünbuch zur unternehmerischen Initiative soll die Debatte über ein stärker unternehmerisch geprägtes Europa erneut in Gang gebracht werden. V.1.3. Förderung einer nachhaltigen industriellen Produktion Die Forderung an die Industrie, ihre Produktion stärker am Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten, führt zu mehr Wachstum und Produktivität, wie auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg deutlich wurde. Vorausschauende Unternehmen, nicht zuletzt KMU, können durch Innovation umweltfreundlichere Produkte und neue Märkte schaffen, wie es Regulierungsbehörden und Verbraucher zunehmend fordern, und damit Gewinn erzielen. Die EU muss sich weiter bemühen ihre nachhaltige Produktionspolitik zu entwickeln und zu stärken, mit der sie ihre auf dem Johannesburger Gipfel eingegangene Verpflichtung zu nachhaltigeren Produktions- und Verbrauchsmustern erfuellt. Dabei wird auf bestehenden Initiativen aufgebaut und deren Konsistenz gewährleistet. Das soll in umfassender Konsultation mit der Industrie und anderen Interessengruppen geschehen, um ihre volle und freiwillige Mitwirkung zu sichern. Wesentliche Bestandteile einer solchen Politik könnten sein: - Förderung der Verbreitung beispielhafter Methoden zur Verbesserung der Ökoeffizienz des Ressourceneinsatzes und zur Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer Ressourcen; - Förderung einer wirtschaftlich lebensfähigen Recyclingindustrie und Verbreitung beispielhafter Methoden; - Umsetzung des Lebenszykluskonzepts der integrierten Produktpolitik durch freiwillige Vereinbarungen und umweltorientierte Produktnormen und -spezifikationen; - Förderung der Entwicklung und Verbreitung sauberer Technologien durch Beseitigung von Hemmnissen für ihre Einführung und Förderung der Zusammenarbeit öffentlicher und privater Stellen in der F&E; - Verbreitung von Umweltmanagementsystemen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale von KMU und Ausweitung der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen. Förderung einer nachhaltigen industriellen Produktion würde auch bedeuten, dass die Industrie befähigt wird, Veränderungen der Arbeitsorganisation zu initiieren, zu bewältigen und vorauszusehen. V.2. Überprüfung des industriepolitischen Konzepts der EU In diesem Abschnitt wird zunächst die Bedeutung der Rahmenbedingungen dargelegt, unter denen Unternehmen arbeiten. Anschließend werden die Instrumente betrachtet, mit denen der Einfluss dieser Rahmenbedingungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und Möglichkeiten für Verbesserungen ermittelt werden können. Danach wird im Rahmen der Strategie von Lissabon untersucht, wie sich positive Wechselwirkungen zwischen den politischen Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und damit eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt erzielen lassen. Betrachtet wird ferner, welche Politik die künftigen Mitgliedstaaten benötigen und inwieweit eine globale Ordnungspolitik gefördert werden muss. Schließlich wird der Frage nachgegangen, wie die Wirkung der Industriepolitik auf bestimmte Branchen bewertet werden kann. V.2.1. Die zentrale Bedeutung der Rahmenbedingungen Europäische Unternehmen stehen zunehmend in weltweitem Wettbewerb, doch für ihr Wachstum, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Beschäftigungsleistung sind die Rahmenbedingungen ausschlaggebend, unter denen sie im europäischen Binnenmarkt arbeiten. Diese Rahmenbedingungen werden weitgehend von Institutionen und Strukturen bestimmt, die staatlich, halbstaatlich oder privat sein können. Die Dienste, die diese Institutionen und Strukturen leisten, und die Effizienz des "Systems", das sie bilden und in das die Unternehmen eingebettet sind, haben starken Einfluss auf deren Leistung. Es ist erkannt worden, dass die Korrektur von Fehlern in diesem System die Wirksamkeit der Industriepolitik erheblich steigern kann. [28] Die EU sollte ein systemorientiertes industriepolitisches Konzept entwickeln das den erkannten Bedürfnissen der Industrie möglichst weitgehend entspricht. [28] Systemfehler haben viele Erscheinungsformen. Beispiele dafür sind ein ungenügender Verbund zwischen Industrie und Forschung, ein Patentsystem, das zu wenig Anreize bietet, die Ergebnisse öffentlicher Forschung zu verbreiten und wirtschaftlich zu nutzen, für KMU schwieriger Zugang zu neuen Technologien und Mangel an Finanzmitteln in bestimmten Lebensphasen eines Unternehmens. Es lassen sich vier Kategorien von industriepolitisch relevanten Rahmenbedingungen unterscheiden: - Regelungen, [29] die den allgemeinen Rahmen der Wirtschaft bilden (wie Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, [30] Wettbewerbsrecht, Binnenmarktrecht, Sozialrecht, Patentrecht, Steuer- und Arbeitsrecht, Vorschriften für Kapitalanlagen, Regeln für den internationalen Handel, Verbraucherschutzrecht); [29] Regelungen im Sinne dieser Betrachtung sind Rechts- und Verwaltungsvorschriften und alternative Regelungsinstrumente wie freiwillige Übereinkommen der Beteiligten, z. B. zwischen den Sozialpartnern oder zwischen Herstellern und Verbrauchern. [30] Die öffentliche Anhörung, die nach Verabschiedung der Mitteilung zum europäischen Vertragsrecht (KOM (2001) 398 endgültig) stattfand, ergab, dass zahlreiche Hemmnisse und hohe Transaktionskosten grenzübergreifende Vertragsabschlüsse behinderten und so die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, vor allem der KMU, beeinträchtigten. Die Kommission will im Jahr 2003 einen Aktionsplan vorlegen, in dem sie Abhilfemaßnahmen vorschlägt. - Regelungen, die unmittelbar für bestimmte Kategorien von Produkten und Dienstleistungen gelten (z. B. Regeln für das Inverkehrbringen von Waren, für Sicherheit und Kompatibilität, Normen und handelspolitische Regelungen wie Zolltarife und Antidumpingmaßnahmen); branchenspezifische Regelungen können sich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit anderer Branchen auswirken, wenn sie etwa den Preis oder die Verfügbarkeit wichtiger Vorleistungen bestimmen; - Institutionen, die das Funktionieren der Wirtschaft gewährleisten; sie können staatlich sein (wie Gerichte, Unternehmensregister, Wettbewerbsbehörden und Patentämter), oder halbstaatlich oder privat (wie Institute für Technologietransfer, Normungsorganisationen und Konformitätsprüfstellen); - allgemeine Bedingungen, deren unmittelbarer Einfluss schwerer zu ermitteln ist und die sich nicht so leicht kurzfristig verändern lassen, wie der makroökonomische Rahmen, gesellschaftliche Werte, die unternehmerische Tätigkeit beeinflussen und die politische Stabilität eines Landes. Seit die Kommission 1990 ihre Mitteilung zur Industriepolitik verabschiedet hat, ist es gelungen, die Rahmenbedingungen der europäischen Industrie deutlich zu verbessern. Die Währungsunion ist inzwischen vollzogen, und der Binnenmarkt ist in vielen Bereichen verwirklicht. Der Binnenmarkt hat die Strukturreformen mit sich gebracht, die notwendig waren, um neue Geschäftsfelder zu erschließen, die Produktivität zu steigern und Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen anbieten oder beschaffen, größere Märkte zu eröffnen. Die einheitliche Währung schafft Transparenz, senkt die Transaktionskosten und erhöht das wirtschaftliche Potenzial des Binnenmarktes. Erhebliche Fortschritte sind auch bei der Liberalisierung von Sektoren wie Telekommunikation, Energieversorgung und Verkehr zu verzeichnen. Damit verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit der Branchen, die Kunden dieser Betreibe sind. Diese Liberalisierung muss fortgesetzt und so ausgestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Kunden gestärkt wird, während gleichzeitig eine flächendeckende Grundversorgung (Universaldienst) gewährleistet bleibt. In einigen Bereichen ist die Situation immer noch unbefriedigend. Rechtliche und technische Hemmnisse für Handel und Niederlassung behindern in einigen Bereichen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. Die Finanzierungsbedingungen von Unternehmen, vor allem KMU, könnten sich erheblich verbessern, wenn es größere, effizientere und liquidere integrierte Finanzmärkte gäbe. Im Dienstleistungsbereich besteht eine große Kluft zwischen der Vision eines integrierten europäischen Marktes und der von Dienstleistungsanbietern und -nutzern erlebten Wirklichkeit. [31] Außerdem gefährdet unzureichender Schutz geistiger Eigentumsrechte die Wettbewerbsfähigkeit. Das Gemeinschaftspatent könnte erhebliche Vorteile für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, für Innovation und Forschung bringen. Für die Mitgliedstaaten haben jedoch weiterhin die nationalen Interessen Vorrang, so dass - ein Jahr nach Verstreichen des in Lissabon gesetzten Termins Dezember 2001 - nur wenig Fortschritt zu verzeichnen ist. Unterschiedliche indirekte Besteuerung kann den Wettbewerb verzerren und zur Zersplitterung des Marktes für Waren und Dienstleistungen führen. Die Komplexität von 15 nationalen Steuersystemen behindert grenzübergreifende Wirtschaftstätigkeit und mindert die Vorteile des Binnenmarktes. Die Langsamkeit des Fortschritts in manchen Bereichen wie dem öffentlichen Beschaffungswesen ist mit dem in Lissabon gesetzten Ziel ebenfalls nicht vereinbar. Die unterschiedliche Umsetzung von Vereinbarungen mindert den Nutzen der wirtschaftlichen Integration. [31] Siehe hierzu den Bericht der Kommission über den Stand des Binnenmarktes für Dienstleistungen, KOM (2002) 441, vom 30. Juli 2002. Unternehmenskonkurse haben in jüngster Zeit zur Vernichtung immenser Werte geführt und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Markt erschüttert. Ein solider Rahmen für die Unternehmensführung (,corporate governance") wird allgemein als eine der Grundvoraussetzungen für die effiziente und nachhaltige Entwicklung wettbewerbsfähiger Unternehmen anerkannt. Sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten richtig auf die einzelnen Unternehmensorgane verteilt, können unternehmerische Chancen optimal beurteilt und wahrgenommen werden. Das fördert Wachstum, Innovation und Beschäftigung. Wird das öffentliche Interesse angemessen gewahrt, ohne dass dadurch Anreize für jene verloren gehen, die bereit sind, Risiken auf sich zu nehmen, und besteht Vertrauen in das unternehmerische Urteilsvermögen, so wächst das Vertrauen der Finanzmärkte, und das verschafft den Unternehmen leichteren Zugang zu kostengünstigerer Finanzierung. Ein ausgewogenes Konzept der Unternehmensführung sorgt zudem dafür, dass mehr auf die Belange der Anleger geachtet wird die Unternehmen sich ihrer sozialen Verantwortung stärker bewusst werden. Mit der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft sind Aktionen auf nationaler Ebene nicht mehr ausreichend. Die Kommission beabsichtigt, auf Basis der vor kurzem veröffentlichten Empfehlungen der Hochrangigen Expertengruppe für Gesellschaftsrecht [32] einen Aktionsplan zum Gesellschaftsrecht (einschließlich der Unternehmenskontrolle) vorzulegen. Er wird Teil einer Mitteilung sein, die im ersten Quartal von 2003 verabschiedet werden soll. [32] Die Hochrangige Expertengruppe für Gesellschaftsrecht, von der Kommission im September 2001 einberufen, um Vorschläge für einen zeitgemäßen europäischen Rechtsrahmen für diesen Bereich auszuarbeiten, legte ihre Empfehlungen am 4. November 2002 vor. Sie enthalten ein wichtiges Kapitel zur Unternehmensführung und detaillierte Vorschläge zu folgenden Bereichen: Offenlegung der Unternehmensstruktur und -praktiken, Stärkung der Rechte von Anteilseignern, Rolle von (unabhängigen) Aufsichtsgremien, Qualität der Unternehmensberichte sowie Zuverlässigkeit und Integrität der externen Wirtschaftsprüfung, Koordinierung der Bemühungen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Unternehmensführung (corporate governance). Einige dieser wichtigen Rahmenbedingungen werden unmittelbar auf EU-Ebene festgelegt, doch dort besteht trotz des bisher Erreichten noch erheblicher Handlungsbedarf, vor allem bei der Gestaltung des Rechtsrahmens. Andere Rahmenbedingungen werden von den Mitgliedstaaten oder ihren Gebietseinheiten festgelegt. Die direkten Steuern und das Sozialrecht sind Beispiele hierfür. Selbst in den in die Zuständigkeit der EU fallenden Bereichen kann mangelhafte Umsetzung des EU-Rechts oder seine uneinheitliche Anwendung auf nationaler oder regionaler Ebene die Rahmenbedingungen verschlechtern. Es sollte weiter nach Wegen gesucht werden, wie die EU trotz dieser besonderen Konstellation die Rahmenbedingungen verbessern kann. V.2.2. Systematischeres Vorgehen der EU bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen Welches Instrumentarium in der Industriepolitik zum Einsatz kommt, wird von ihrem Hauptziel bestimmt, nämlich der Verbesserung der Rahmenbedingungen, unter denen die Unternehmen arbeiten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Industriepolitik nicht von der Unternehmenspolitik im Sinne der Definition in der Arbeitsunterlage der Kommission "Unternehmen Europa: Arbeitsprogramm für die Unternehmenspolitik 2000-2005". [33] Dort wird die Unternehmenspolitik definiert als Politik, die die gesamte Wirtschaft erfasst und allen Unternehmen unabhängig von Größe, Rechtsform, Branche und Standort die Möglichkeit geben will, zu wachsen und sich zu entwickeln. Im "Unternehmen Europa" soll jeder, der eine wirtschaftlich tragfähige Geschäftsidee hat, sie mit der besten verfügbaren Technologie verwirklichen und seine Leistungen optimal vermarkten können. Industriepolitik kann deshalb definiert werden als die Anwendung des unternehmenspolitischen Instrumentariums auf die Industrie. [33] SEK (2000) 771. Die EU hat eine Reihe von Konzepten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen ausgearbeitet, unter denen Unternehmen arbeiten. Die Bestrebungen gehen in zwei Hauptrichtungen. In ihrem Zuständigkeitsbereich sucht die EU nach neuen Regulierungskonzepten, die für Unternehmen weniger Belastungen mit sich bringen. Die wichtigsten Ergebnisse sind: - das neue Konzept der Produktpolitik, bei dem die Regulierung sich auf grundlegende Anforderungen an die Sicherheit oder die Kompatibilität der Produkte beschränkt. Die Hersteller können frei entscheiden, mit welchen technischen Mitteln sie diese Anforderungen erfuellen. Das fördert Innovation und Wettbewerb und stärkt die Verantwortung des Herstellers. Harmonisierte Normen, deren Anwendung freigestellt ist, spielen hier eine wichtige Rolle, denn ihre Anwendung begründet die Vermutung, dass die grundlegenden Anforderungen erfuellt sind. - das Gesamtkonzept der Konformitätsbewertung, das mit dem neuen Konzept verknüpft ist und das den Herstellern wo immer möglich eine Wahl zwischen verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren lässt. In vielen Fällen reicht die Erklärung des Herstellers aus, dass sein Produkt die grundlegenden Anforderungen erfuellt. Dieses Konzept ist weniger präskriptiv und hat den Vorteil, das Verantwortungsgefühl des Herstellers zu stärken. - Anreize für die Normungsgremien, weiterhin europäische Normen auszuarbeiten und neue Normungsprodukte zu entwickeln, die sehr schnell ausgearbeitet werden können. Letzteres ist wichtig in Bereichen der Technik, die sich sehr rasch entwickeln, denn es gewährleistet, dass die Normen auch dort den Stand der Technik widerspiegeln. Im Juni 2002 legte die Kommission entsprechend der Aufforderung durch den Europäischen Rat von Lissabon einen Aktionsplan zur "Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds" [34] vor. Darin ist vorgesehen, die Vorbereitung von Maßnahmen der EU zu verbessern (Abschätzung der Folgen legislativer und politischer Initiativen, Ermittlung der voraussichtlichen Auswirkungen verschiedener politischer Optionen auf die Interessengruppen, darunter die Industrie, Mindestanforderungen für die öffentliche Anhörung), das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und zu straffen, [35] die Wahl der geeigneten Regulierungsinstrumente (einschließlich "alternativer" Regulierungsinstrumente wie Koregulierung und Selbstregulierung) zu vereinfachen und die Beachtung des EU-Rechts zu verbessern. Ein großer Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen, die, wie vom Europäischen Rat in Sevilla gefordert, bis Ende 2002, zu einer interinstitutionellen Vereinbarung über eine bessere Rechtsetzung führen sollen. [34] KOM(2002) 278. [35] Der Aktionsplan bekräftigt das Ziel der Kommission, den Umfang des Gemeinschaftsrechts bis Ende 2004 um mindestens 25 % zu reduzieren, und kündigt ein Vereinfachungsprogramm an, das auf der Erfahrung mit ähnlichen Initiativen wie SLIM (Simpler Legislation for the Internal Market - Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt) aufbauen soll. Auf dieser Grundlage sollte die EU in den vom Vertrag gesetzten Grenzen und unter Beachtung der Rechte des Europäischen Parlaments und des Rates ihre Erfahrung in der Verbesserung von Regelungen ausbauen und sie in Bereichen nutzen, in denen noch Richtlinien mit detaillierten Bestimmungen gelten, die vereinfacht werden können. Mit dem Aktionsplan wird es u. a. leichter, Alternativen zu herkömmlichen Regelungen in Betracht zu ziehen, wo das angemessen erscheint. Im Rahmen der interinstitutionellen Vereinbarung könnte die Kommission Koregulierungen, Selbstregulierungen in Form von Vereinbarungen zwischen den Interessengruppen [36] oder Selbstverpflichtungen von Produktherstellern und Dienstleistungsanbietern (wie Verhaltenskodizes) initiieren. Solche Regulierungsinstrumente eignen sich vor allem für Bereiche, in denen die technische Entwicklung rasch fortschreitet. Das europäische Normungskonzept könnte auch im Dienstleistungsbereich angewandt werden. [36] Im Bereich der Arbeitsbeziehungen gibt es Beispiele für solche Vereinbarungen im Rahmen des sozialen Dialogs. Die Vorschläge der Kommission im Grünbuch zum Verbraucherschutz und der anschließenden Mitteilung der Kommission folgen hinsichtlich innovativer regulatorischer Ansätze dieser Linie. Damit Unternehmen durch Regelungen nicht unnötig belastet werden, brauchen sie Planungssicherheit. Sie brauchen zum einen ausreichend Zeit, um sich an neue Regelungen anzupassen, damit die Kosten der Umstellung ihrer Produkte und Verfahren nicht untragbar werden, zum anderen müssen die Regelungen stabil sein, d. h. sie dürfen sich nicht zu häufig ändern, vor allem dann nicht, wenn sie erhebliche Anpassungskosten verursachen. [37] [37] Freiwillige Regelungen kombiniert mit einer gewissen staatlichen Regelung sind Teil eines Ansatzes, mit dem ein angemessener Schutz legitimer Interessen, z. B. der Verbraucherinteressen, und zugleich eine verbesserte Transparenz und Sicherheit der regulatorischen Rahmenbedingungen für Unternehmen erreicht werden soll. Für Bereiche, die überwiegend in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, hat die EU ebenfalls ein neues Konzept entwickelt, um die Auswirkungen einzelner Rahmenbedingungen auf den Wettbewerb zu messen und zu vergleichen und die Verbesserung dieser Rahmenbedingungen zu fördern. Seit der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon ist dieses Konzept als das offene Koordinierungsverfahren bekannt. Es hat der EU ermöglicht, wirksam zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen in solchen Bereichen beizutragen. Dazu können folgende Instrumente eingesetzt werden: - Eingehende, durch Erhebungen gestützte Analysen bestimmter für besonders relevant erachteter Rahmenbedingungen. Ihre Ergebnisse werden in den Anzeigern zur Unternehmenspolitik und zur Innovation und in den Berichten der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit veröffentlicht und gehen ein in die zusammengefassten Indikatoren der Wissensgesellschaft für die Bereiche F&E und Humankapital. - Leistungsvergleiche (Benchmarking) zwischen Mitgliedstaaten und ausgewählten Drittländern und darauf aufbauende Folgemaßnahmen; - Ermittlung, Austausch und Umsetzung vorbildlicher Methoden; - Festlegung quantitativer Ziele [38]. Die Ziele werden von den Mitgliedstaaten gesetzt, an ihnen können die Fortschritte bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden, wenn entsprechende Erhebungen durchgeführt werden. [38] Hierzu Näheres in der Mitteilung der Kommission zur Verbesserung des Unternehmensumfelds (KOM (2002) 610endgültig). Diese Konzepte wurden bereits für einige Bereiche entwickelt, die für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, vor allem von KMU, ausschlaggebend sind: Verfahren zur Unternehmensgründung, Zugang zu Finanzierungsquellen, Unterstützungsdienste für Unternehmen, Gründerzentren, Unternehmensübertragung, Innovation und Forschung, Humanressourcen u. a. An der Entwicklung der entsprechenden politischen Instrumente wird allerdings noch gearbeitet. Die EU könnte diese Methodik auf weitere Bereiche ausdehnen, um eine größere Zahl für die Wettbewerbsfähigkeit relevanter Faktoren zu erfassen. Das erfordert in einigen Fällen ausreichende und zuverlässige statistische Daten. V.2.3. Stärkere Integration der EU-Politikfelder, die sich auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit auswirken Da Wettbewerbsfähigkeit von vielfältigen Vorraussetzungen und Faktoren abhängt, beeinflussen alle Politikfelder, die sich auf diese Faktoren auswirken, auch die Wettbewerbsfähigkeit. Daher sollte die EU sicherstellen, dass die Möglichkeiten, die sie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bieten, nicht ungenutzt bleiben. Darüber hinaus muss es das Ziel der Industriepolitik sein, die nötigen Anpassungen der Produktionssysteme früh zu erkennen und zu erleichtern und so dafür zu sorgen, dass deren Auswirkungen zu bewältigen sind. In Artikel 157 EG-Vertrag ist dazu festgelegt: ,Die Gemeinschaft trägt durch die Politik und die Maßnahmen, die sie aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags durchführt, zur Erreichung der Ziele [der Industriepolitik] bei", zusätzlich zu spezifischen Maßnahmen die darauf abzielen, Aktionen der Mitgliedstaaten zu unterstützen. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, eine geeignete Integration all jener EU-Politikfelder zu gewährleisten, die zur Erreichung dieser Ziele beitragen können. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsstrategie hat dies noch mehr an Bedeutung gewonnen, da zwischen ihren drei Dimensionen - nämlich der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Dimension - ein sinnvolles Gleichgewicht hergestellt werden muss. Die Integration einiger Politikfelder mit der Industriepolitik ist bereits weit entwickelt: - So ist es eines der Hauptziele der Handelspolitik, das Welthandelssystem noch offener zu gestalten und insbesondere die geschützten Märkte von Drittländern für Produkte und Dienstleistungen aus der EU zu öffnen. Indem sie für die Hersteller in der EU den Bezug von Gütern aus dem Ausland verbilligt und sie gleichzeitig einem erhöhten Wettbewerbsdruck aus Drittländern aussetzt, ermöglicht sie es ihnen nicht nur, sondern zwingt sie sogar dazu, ihre Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. - Auch Politikfelder mit Binnenmarktbezug haben, wie bereits dargelegt wurde, weit reichende positive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, da sie die Liberalisierung des Marktes und die Angleichung der Rechtsvorschriften fördern, obgleich nicht in allen Bereichen einheitlich gute Fortschritte gemacht wurden und manchmal noch Handlungsbedarf herrscht. - Dies gilt in Großen und Ganzen auch für die eng damit verbundene Energie- und Verkehrspolitik. - Die FuE-Politik stellt ebenfalls einen wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie dar, da sie die Wissensbasis verstärkt und sich auf die wichtigsten Grundlagentechnologien konzentriert. Sie ließe sich noch stärker dafür mobilisieren, spezifische Unterstützung für Projekte mit europäischem Interesse (z. B. Galileo) bereitzustellen, wobei die spezifischen Wettbewerbsvorschriften bei Verbundforschung genutzt werden könnten. - Auch die Wettbewerbspolitik stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Sie schafft rechtliche Rahmenbedingungen, die Unternehmen dazu veranlassen, ihre Effizienz zu steigern, so dass sie in der Lage sind, sich auf den Märkten besser zu behaupten. Sie bereitet die Unternehmen der EU auch für die Herausforderungen der Märkte in Drittländern vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele Märkte in zunehmendem Maße global ausgerichtet sind. Aufgrund ihrer Besonderheiten und ihrer praktischen Umsetzung haben die Wettbewerbs- und die Industriepolitik jeweils ihre eigenen Schwerpunkte, denen im Laufe des Entscheidungsfindungsprozesses auf ausgewogene Weise Rechnung zu tragen ist. [39] [39] In ihrer Mitteilung ,Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen", KOM(2002) 262, (insbesondere in Kapitel sieben) zeigt die Kommission eine Reihe von Arbeitsbereichen auf, die eine Herausforderung darstellen. - Wie in der Vergangenheit muss das Potenzial der Regionalpolitik voll ausgeschöpft werden, um die Umstrukturierung zu begleiten, zu der es aufgrund von Nachfrageverlagerungen und der Verschärfung des weltweiten Wettbewerbs in einigen Sektoren auch weiterhin unweigerlich kommen wird. Eine entscheidende Rolle spielt sie zudem für die Unterstützung der künftigen Mitgliedstaaten beim Schließen der Wettbewerbslücke und bei der Linderung der sozialen Folgen, die damit verbunden sind. - Die Kohärenz zwischen der makroökonomischen Politik und den strukturpolitischen Maßnahmen wird durch die Grundzüge der Wirtschaftspolitik gewährleistet. In anderen Politikfeldern, die häufig aus neuen gesellschaftlichen Forderungen entstanden sind, spiegeln sich jüngere Aufgabenstellungen. Aufgrund dessen ist ihre Schnittstelle mit der Industriepolitik weiter verbesserungsfähig. An dieser Schnittstelle ist die Nachhaltigkeitsstrategie der EU in vollem Umfang zu berücksichtigen, was bedeutet, dass die Zielsetzung jeder ihrer drei Säulen - Ökonomie, Ökologie und soziale Entwicklung - gleichzeitig verfolgt werden muss. Zwar scheinen die Ziele der politischen Maßnahmen, die im Rahmen dieser drei Säulen getroffen werden, auf den ersten Blick schwer vereinbar zu sein, doch das Ziel der Nachhaltigkeit ist ein ,Positivsummenspiel", sofern einige Voraussetzungen gegeben sind. Zunächst müssen die dynamischen Wechselwirkungen zwischen den politischen Maßnahmen voll berücksichtigt werden. Zweitens ist ein ,Realitätstest" erforderlich, um sicherzustellen, dass die Entwicklung einer Säule der Nachhaltigkeit nicht zu Lasten der beiden anderen geht. Mit anderen Worten ist ständig zu überwachen, dass parallel Fortschritte in allen drei Dimensionen erzielt werden und die Wettbewerbsfähigkeit dabei gefördert wird. - Die Politikfelder Soziales und Beschäftigung, wozu auch die Berufsbildungspolitik gehört, spielen eine Schlüsselrolle, wenn sichergestellt werden soll, dass die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in die ausgewogene Umsetzung der Strategie von Lissabon einbezogen wird. Indem sie dabei helfen, die Qualifikation der Arbeitskräfte zu verbessern und so die Qualität der Arbeitsleistung anzuheben, tragen sie dazu bei, die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu decken, sie leisten dadurch aber auch einen zentralen Beitrag zur wissensbasierten Wirtschaft. Ferner lässt sich durch sie die Akzeptanz der erforderlichen industriellen Umstrukturierung erhöhen, indem ihre negativen sozialen Begleiterscheinungen gelindert werden. Dass Einzelpersonen, Unternehmen und Behörden in Humanressourcen investieren, ist wesentlich für eine Gestaltung des Wandels und die Verbindung von Flexibilität mit neuen Formen der Sicherheit für Arbeitnehmer. - Die Verbraucherschutzpolitik und die Gesundheitspolitik stellen unabdingbare Voraussetzungen für das Verbrauchervertrauen dar, das wiederum die Grundlage für eine stabile und steigende Nachfrage ist. Natürlich können sie strenge gesetzliche Auflagen beinhalten, sie lassen aber auch Wachstumschancen entstehen, da sie den Unternehmen berechenbare rechtliche Rahmenbedingungen bieten. Sie können zudem eine wichtige Rolle dabei spielen, angesichts immer anspruchsvollerer Konsummärkte die öffentliche Akzeptanz bestimmter Technologien oder Handelsverfahren zu fördern. - Aus Gründen des Umweltschutzes kann es erforderlich sein, die Verwendung bestimmter Güter oder Technologien zu beschränken oder sogar zu verbieten, was kurzfristig höhere Produktionskosten bedingen mag. Langfristig kann dies den EU-Unternehmen jedoch einen weltweiten Wettbewerbsvorsprung verschaffen und zum Entstehen neuer Märkte für umweltschonende Produkte und Technologien führen. - Die immer lauter werdenden Forderungen nach einer sozialen Verantwortung der Unternehmen (corporate social responsibility - CSR) stellen sowohl die Unternehmen als auch die Politiker zwar vor neue Herausforderungen, letztlich kann dies jedoch positive Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen haben, da es den Konsens im Hinblick auf das europäische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell stärkt. In allen genannten Fällen ist es einer der zentralen Punkte, dafür zu sorgen, dass die Mittel zur Erreichung dieser legitimen Ziele möglichst kostenwirksam sind, dass die Industrie wettbewerbsfähig bleibt und weiterhin in der Lage ist, an den Bestrebungen unserer Gesellschaft aktiv mitzuwirken. Die EU muss daher das richtige Gleichgewicht zwischen allen innerhalb der einzelnen Politikfelder ergriffenen Maßnahmen herstellen. Aufgabe der Mitgliedstaaten ist es, das Gleiche in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu tun. Sobald festgestellt wird, dass ein unausgewogener Policy Mix vorliegt, sollten geeignete korrigierende Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt keine Patentlösung dafür, wie sich in jedem Einzelfall das richtige Gleichgewicht herstellen lässt. Die EU hat jedoch begonnen, eine ganze Reihe unterschiedlicher Instrumente zu entwickeln, die sich je nach Lage einsetzen lassen. Diese werden im Rahmen des weiter oben erwähnten Aktionsplans zur Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds (vgl. Abschnitt V.2.2) behandelt. Zusätzlich sind folgende Überlegungen zu berücksichtigen: - Die Kombination zweckmäßiger politischer Instrumente kann dazu beitragen, die Ziele sich scheinbar widersprechender Politikfelder miteinander zu vereinbaren. So bietet das unternehmensfreundliche Vorgehen der EU bei Produktvorschriften auch den Verbrauchern und Nutzern wirkungsvolle Garantien durch effiziente Marktaufsichtsmechanismen, wie sie beispielsweise in der überarbeiteten Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit festgelegt sind; - neue Vorgehensweisen und eine Verschärfung bei der Überwachung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften können auch zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen beitragen. Ausgehend von diesen Elementen wird die EU ihre Methodik weiter verfeinern. Und schließlich dürfte sich auch ein noch relativ junges Politikfeld, nämlich die Justiz- und Innenpolitik, positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und die unternehmerische Initiative auswirken. Im Zusammenhang mit der gemeinsamen Einwanderungspolitik hat die Kommission Vorschläge eingebracht, die helfen sollen, dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu begegnen, indem die Mobilität von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen und die Einreise von Drittstaatsangehörigen zwecks abhängiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit erleichtert wird. V.2.4. Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse der Industrie in den Beitrittsländern Die Erweiterung bietet der Industrie neue Chancen und einen Zuwachs an Wettbewerbsfähigkeit. Die Erfahrungen, die bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmenstätigkeit bereits gesammelt wurden, können helfen, solche Entwicklungen auch in den Beitrittsländern voranzutreiben. Analyse- und Benchmarkinginstrumente können aufzeigen, wo die Infrastruktur, die Qualifikation der Arbeitskräfte und die lokalen Institutionen verbesserungsfähig sind. Möglicherweise müssen manche industriepolitischen Instrumente angepasst werden, um den spezifischen Bedürfnissen der Beitrittsländer gerecht zu werden. Politische Maßnahmen zur Schaffung eines für unternehmerische Initiative förderlichen Umfeldes, zur besseren Qualifizierung der Arbeitskräfte und zur KMU-Entwicklung könnten in den Beitrittsländern besonders nachdrücklich umgesetzt werden. Sie haben sich im April 2002 zu den Grundsätzen der Europäischen Charta für Kleinunternehmen als Grundlage für ihre Politik in diesem Bereich bekannt. Welchen Fortschritt sie dabei erzielten, wurde von der Kommission begleitend beobachtet. [40] Durch einen echten Ausgleich zwischen den Säulen der Strategie für nachhaltige Entwicklung ist sicherzustellen, dass bei der Erreichung der gesellschaftlichen, umweltschutzrelevanten und wirtschaftlichen Ziele stets parallele Fortschritte gemacht werden. Zu den übrigen Bereichen, denen besonderes Augenmerk gebührt, gehört auch die Unterstützung der Entwicklung von Unternehmensdienstleistungen, die Förderung einer Kultur der firmenübergreifenden Kooperation und die Verbesserung der Entwicklung innovativer Cluster. Die Erreichung der industriepolitischen Prioritäten sollte auch durch Strukturfondsmittel unterstützt werden. [40] Bericht über die Maßnahmen der Beitrittsländer zur Förderung von unternehmerischer Initiative und Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, SEK(2001) 2054. Abschließend ist zu sagen, dass die Kommission bereits eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet hat, durch die sie jene spezifischen Fälle unterstützt, in denen die Umstrukturierung noch nicht abgeschlossen ist, und zwar insbesondere im Stahlsektor. Zudem wird die Kommission, wie sie in ihrem Strategiepapier über die Fortschritte jedes Bewerberlandes auf dem Weg zu Beitritt [41] betont, bis zum Beitrittstermin aufmerksam überwachen, wie die Beitrittsländer ihren Verpflichtungen nachkommen. [41] Strategiepapier und Bericht der Europäischen Kommission über die Fortschritte jedes Bewerberlandes auf dem Weg zum Beitritt, KOM (2002) 700 endg. V.2.5. Streben nach Verbesserung des globalen politischen Handelns Wie wirkungsvoll die EU-Politik im Bereich Wettbewerbsfähigkeit ist, hängt zum Teil davon ab, wie gut es ihr gelingt, weltpolitisches Handeln zu verbessern. In manchen Bereichen, wie der Wettbewerbspolitik, wurden dabei deutliche Fortschritte erzielt. [42] In anderen Bereichen wiederum, wie im Umweltschutz, bei der Verbrauchersicherheit und bei den Sozial- und Arbeitsnormen, muss die Entwicklung global akzeptierter Regeln auch weiterhin vorrangig verfolgt werden. Entsprechende Fortschritte sollten es der EU besser ermöglichen, auf globaler Ebene jene Fragen aufzugreifen, die globale Lösungen erfordern, indem die Standards weltweit angehoben werden und gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass die Kosten, die durch die Lösung globaler Fragen entstehen, nicht unverhältnismäßig stark zu Lasten europäischer Unternehmen gehen. [42] Neben der Einrichtung von bilateralen wettbewerbsbezogenen Kooperationsmechanismen mit Drittländern hat die EU beispielsweise auch aktiv am Aufbau des Internationalen Verbunds der Wettbewerbsbehörden mitgewirkt. Es handelt sich dabei um eine projektorientierte und auf Konsens aufbauende Organisation aus über 70 Kartellbehörden. Während sich die EU-Politik auch weiterhin für solche legitimen politischen Anliegen aktiv einsetzt, sollte es aber auch ihr klares Ziel sein, auf die Entstehung eines internationalen Rahmens hinzuwirken, der gewährleistet, dass solchen Verpflichtungen auf breiterer Basis als bisher nachgekommen wird. Durch die Verhandlungen, die derzeit im Rahmen der Entwicklungsagenda von Doha (DDA) geführt werden, wird die Kommission wesentlich zu dieser Diskussion beitragen können. Zu diesem Zweck lassen sich auch andere politische Instrumente einsetzen. Der Dialog zwischen den Rechtsetzungsbehörden der EU und jenen aus wichtigen Drittländern kann sich als nützlich erweisen, um Fortschritte auf dem Weg zu gerechteren Wettbewerbsbedingungen in allen Ländern zu erzielen, während ein Dialog zwischen Vertretern der Geschäftswelt [43] die Entscheidungsträger dazu bringen kann, die Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. [43] Zentrale Beispiele für diesen Dialog sind u. a. der Transatlantische Wirtschaftsdialog (TABD), der europäisch-japanische Wirtschaftsdialog am Runden Tisch, der Runde Tisch führender Industrieller aus der EU und Russland sowie das Mercosur-EU-Business Forum (MEBF). Wie bereits erwähnt, hat die EU zudem in zahlreichen Bereichen wesentliche Erfolge erzielt, so z. B. bei der Erarbeitung erfolgreicher, unternehmensfreundlicher Vorgehensweisen in den Bereichen Produktregulierung und verbesserte Regulierung im Allgemeinen oder auch bei wegweisenden Versuchen, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz miteinander zu vereinbaren. Sie sollte auch weiterhin diese Erfolge auf internationaler Ebene aktiv verbreiten, um so zur Verbesserung des globalen politischen Handelns beizutragen. Konkret sollte die EU jenen Initiativen erneut ihre Unterstützung gewähren, die dazu führen könnten, dass ihre regulatorischen Ansätze auch von ihren unmittelbaren Nachbarn außerhalb der erweiterten EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) übernommen werden. Die geplante Schaffung einer Freihandelszone Europa-Mittelmeerraum bis zum Jahr 2010, aber auch die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den westlichen Balkanländern und die immer engeren Beziehungen zu Russland und anderen osteuropäischen Ländern könnten dabei interessante Chancen eröffnen. V.2.6. Die sektorale Bedeutung des erneuerten Ansatzes Die Industriepolitik der EU wird auch weiterhin einem horizontalen Ansatz folgen. Dies zeigt sich beispielsweise in politischen Maßnahmen zur Förderung der unternehmerischen Initiative oder der Innovation, die allen Unternehmen zugute kommen. Ferner haben auch politische Maßnahmen zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs für Industriegüter eine horizontale Zielsetzung. Allerdings richtet sich ihre Umsetzung nach sektoralen Merkmalen. So unterliegen beispielsweise Erzeugnisse der pharmazeutischen oder der Automobilindustrie aufgrund ihrer typischen Eigenschaften oder Verwendung detaillierten Regelungen. Dies bedeutet, dass eine horizontale Politik je nach Sektor unterschiedlich umzusetzen ist. Ähnliches gilt für Fördermaßnahmen, wie beispielsweise im Bereich Forschung und Entwicklung, die sich an thematischen Prioritäten orientieren. Die Industriepolitik umfasst daher unweigerlich eine horizontale Basis samt ihrer sektorspezifischen Umsetzung. Anhand von eingehenden Analysen und einer regelmäßigen Beobachtung der Wettbewerbssituation einzelner Sektoren sollte die Kommission daher beurteilen können, ob ihr Policy Mix den Anforderungen gerecht wird. Bei dieser Beurteilung und der anschließenden Entscheidung, welcher Policy Mix sich am Besten zur Umsetzung eignet, kommt einer Konsultation der Interessengruppen große Bedeutung zu. Wie bisher wird die Kommission, falls zweckmäßig, die grobe Linie, der sie folgen will, in politischen Grundsatzdokumenten ausführen. Diese Mitteilung enthält in ihrem Anhang Betrachtungen zu einer Reihe von Industriesektoren mit unterschiedlichen Eigenschaften und Herausforderungen. Dabei handelt es sich lediglich um Beispiele, die so ausgewählt wurden, dass sie ein breites Spektrum unterschiedlicher Situationen wiedergeben. Sie sollen ausgehend von einer Kurzanalyse der jeweiligen Stärken und Schwächen des Sektors veranschaulichen, wie sich im Einklang mit dem überarbeiteten industriepolitischen Gesamtansatz bewerten lässt, ob die Kombination von Faktoren und politischen Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen Sektors beeinflussen, zweckmäßig ist oder verändert werden sollte. Die Tatsache, dass bei der Umsetzung der Politik den spezifischen Eigenschaften jedes Sektors Rechnung zu tragen ist, bedeutet jedoch keine Fragmentierung der Industriepolitik. Ganz im Gegenteil: sie setzt eine umfassende Sichtweise voraus. Dadurch lässt sich gewährleisten, dass die Umsetzung der Industriepolitik in einem bestimmten Sektor sich im Einklang mit den Interessen anderer Sektoren befindet. Außerdem können Vorgehensweisen, die sich in einem bestimmten Sektor bewährt haben, in den Bestand industriepolitischer Instrumente übernommen und als Modell für andere, mit ähnlichen Erfordernissen konfrontierte Sektoren eingesetzt werden. Die neuartigen Ansätze, die die Europäische Kommission entwickelt hat, um eine Beteiligung der Interessengruppen an der Analyse und der Gestaltung der Politik sicherzustellen, sind gute Beispiele dafür. Eine ganze Reihe von Initiativen erwies sich als erfolgreich bei dem Bemühen, die Herausforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Sektoren und die möglichen politischen Antworten darauf zu ermitteln. Dazu gehören die Neufassung der Arzneimittelrechtsvorschriften und die hochrangige G10-Arzneimittelgruppe [44] im pharmazeutischen Sektor, der Bericht STAR 21 [45] über die Luft- und Raumfahrtindustrie - wiederum eine Folgemaßnahme zur Initiative ACARE [46] - oder auch der Aktionsplan für Biowissenschaften und Biotechnologie [47]. Sie können als Beispiel dafür dienen, wie sich gewährleisten lässt, dass die Industriepolitik der EU den Bedürfnissen der Wirtschaft besser gerecht wird. [44] Die hochrangige Arbeitsgruppe ,Innovation und Bereitstellung von Arzneimitteln", auch ,G10" genannt. [45] ,Luft- und Raumfahrtstrategie für das 21. Jahrhundert" (Strategic Aerospace Review for the 21st century - STAR 21). [46] Rat für Luft- und Raumfahrtforschung in Europa (Advisory Council for Aeronautics Research in Europe, ACARE). [47] Bestandteil der Kommissionsmitteilung ,Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa", KOM(2002) 27 endg. VI. ZUSAMMENFASSUNG Die Industriepolitik der Europäischen Union hat eine Schlüsselfunktion bei den folgenden drei Aufgaben. - Die erste Aufgabe besteht darin, die Grenzen festzulegen, innerhalb deren Industrie und Unternehmer ihre Ziele verfolgen können. Dazu muss ein berechenbarer Rechtsrahmen festgelegt werden, der sich an die politischen Erfordernisse anpassen lässt. Im Gegenzug dazu müssen die Unternehmen bei Einhaltung dieser Vorschriften die Gewissheit haben, dass ihre Aktivitäten in der gesamten europäischen Gesellschaft auf Akzeptanz stoßen. Der Kommission wie den Mitgliedstaaten fällt dabei eine aktive Rolle zu, denn sollte es ihnen nicht gelingen, diese Rahmenbedingungen richtig festzusetzen, wären möglicherweise eine Gefährdung der Öffentlichkeit, die Verschwendung industrieller Ressourcen und die Frustration der unternehmerischen Initiative die Folgen. - Ihre zweite Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Industrie die Voraussetzungen dafür vorfindet, sich zu entwickeln und ihr Wettbewerbspotenzial auszuschöpfen. In Bezug auf die Quelle ihres Wohlstands kann sich die europäische Gesellschaft nicht passiv verhalten. Die Verfügbarkeit von Technologie, Wissen, qualifizierten Arbeitskräften, positiver Einstellung gegenüber risikobereiten Unternehmern, Kapital und anderen Faktoren, die für ein wirklich wettbewerbsfähiges und innovatives Unternehmensumfeld ausschlaggebend sind, müssen ein vordringliches Anliegen aller Politiker sein. - Drittens liegt ihre Aufgabe darin, zu gewährleisten, dass die Rahmenbedingungen, Institutionen und Instrumente im weitesten Sinn, die für Wirtschaft und Industrie erforderlich sind, damit sie im Einklang mit ihren öffentlichen Verpflichtungen handeln können, vorhanden sind und effizient funktionieren. Dies ist ihrem Wesen nach zwar eine Querschnittsaufgabenstellung, sie muss jedoch so erfuellt werden, dass die spezifischen Eigenheiten der einzelnen Sektoren dabei berücksichtigt werden. Die Zielsetzung des Europäischen Rats von Lissabon und die Herausforderungen, vor die uns die Nachhaltigkeit stellt, sind äußerst schwierig und lassen sich nur dann meistern, wenn die EU ihre Industriepolitik in vollem Umfang mobilisiert. Ein solides und bewährtes politisches Instrumentarium steht bereits zur Verfügung und unter den Interessengruppen herrscht allgemein die Bereitschaft zur Mitarbeit. Ein Erfolg und damit auch das Entstehen zahlreicherer, besserer Arbeitsplätze und eines größeren sozialen Zusammenhalts sind allerdings nur möglich, wenn die Kräfte voll auf diese Ziele konzentriert werden. Daher beabsichtigt die Kommission, in den kommenden Monaten zu überprüfen, welche Berührungspunkte und Wechselwirkungen ihre wichtigsten politischen Maßnahmen mit der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie aufweisen. Auf diese Weise kann die Industriepolitik in ihrem Beitrag zur Erreichung der Ziele anderer Politikfelder unterstützt werden. Diese Diskussion darf jedoch nicht auf die Kommission begrenzt bleiben. Sämtliche Institutionen der EU, aber auch die Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer müssen sich ihrerseits dieser Herausforderung stellen. Die Industriepolitik der EU so zu verbessern, dass sie die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt und fördert, liegt im Interesse aller. Daher fordert die Kommission alle betroffenen Gruppen dazu auf, sich zu den in dieser Mitteilung aufgeworfenen Fragen zu äußern. Dem kürzlich eingerichteten Rat (Wettbewerbsfähigkeit) fällt die wichtige Aufgabe zu, den mit dieser Mitteilung eingeleiteten Prozess voranzutreiben. Er eignet sich als Forum, in dem festgelegt wird, wann und wie die Industriepolitik zur Zielsetzung von Lissabon beitragen kann, und in dem die Fortschritte beobachtet werden. Er kann die Kohärenz zwischen der Politik auf EU-Ebene und jener auf Ebene der Mitgliedstaaten sicherstellen und deren Wechselwirkung verstärken. Er ist in der Lage, sowohl die allgemeine Wettbewerbslage als auch jene einzelner Industriesektoren zu überprüfen. Dieser Prozess steckt noch in den Anfängen. Die Kommission wird sich später erneut mit dieser Thematik befassen, um angesichts der erzielten Fortschritte weitere Schlussfolgerungen zu ziehen und eventuell Initiativen vorzuschlagen. ANHANG: Industriepolitik: der Policy Mix auf dem Prüfstand einige Sektoren als Beispiel 1. Der Stahlsektor Die EU ist nach China der zweitgrößte Stahlproduzent weltweit, steht aber in Bezug auf die Qualität der Erzeugnisse an erster Stelle. Auf die EU entfallen rund 20 % der Weltstahlerzeugung bei einem Umsatz von 70 Mia. EUR und 250 000 Beschäftigten. Abgesehen von der wirtschaftlichen Bedeutung, die diese Industrie für sich genommen hat, ist sie auch wichtiger Zulieferer für die größten und vielleicht am stärksten international ausgerichteten Sektoren des verarbeitenden Gewerbes, wie z. B. dem Baugewerbe, dem Fahrzeug- und Maschinenbau sowie der Metallbearbeitung und Herstellung von Metallerzeugnissen. Gekennzeichnet wird er durch das Nebeneinander von sehr großen Unternehmen (die zahlreichen Fusionen der vergangenen Jahre ließen in der EU einige echte ,Global Players" entstehen) und kleineren, stärker spezialisierten Herstellern. Der Sektor weist eine starke Integration auf: auf die fünf größten Hersteller entfallen 60 % der gesamten EU-Produktion und einer von ihnen ist der weltweit größte Stahlproduzent. Die Konzentration im Stahlsektor liegt nicht nur darin begründet, dass Synergieeffekte genutzt und durch Maßnahmen zur Effizienzsteigerung Kosteneinsparungen erzielt werden müssen, sondern auch darin, dass ein Unternehmen die kritische Größe in Bezug auf das verfügbare Kapital erreichten muss, damit es in der Lage ist, in die nötige, äußerst kostspielige innovative Technologie investieren zu können. Der Stahlsektor gilt in der Regel als traditionelle Branche, er hat sich aber erheblich modernisiert, um sich an die wandelnden Wettbewerbsbedingungen anzupassen. Der Stahlsektor in der EU ist einer der weltweit wettbewerbsfähigsten. Dieses gute Ergebnis ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass man sich über zwanzig Jahre lang intensiv um eine Umstrukturierung bemüht hat. In dieser Zeit musste die EU-Stahlindustrie 50 Millionen Tonnen Überkapazitäten abbauen und die Arbeitsplätze von 900 000 auf 250 000 reduzieren. Will sie einen technologiebedingten Wettbewerbsvorteil behalten, hängt die EU-Industrie stark von ihrer Innovationsfähigkeit ab, die eine umfassende Forschungsaktivität voraussetzt. Zudem liegt der Schlüssel des Erfolgs in der zunehmenden Konzentration auf die Herstellung von Qualitätsstählen, die genau auf die Bedürfnisse der Abnehmer ausgerichtet sind. Sich in qualitativer Hinsicht im Wettbewerb zu behaupten, gilt als entscheidend, da die EU-Stahlindustrie durch eine begrenzte Flexibilität bei den Kosten gekennzeichnet und weiterhin mit Wettbewerbern konfrontiert ist, denen relative Kostenvorteile bzw. weniger strenge Auflagen (staatliche Beihilfen, Umweltschutz) zugute kommen. Die Ertragslage im Stahlsektor wird immer noch durch Preisschwankungen aufgrund rascher Nachfrageveränderungen in Verbindung mit starren Lieferstrukturen und/oder einer Neufestsetzung der Währungsparitäten beeinflusst. Die EU hat die Bemühungen der Industrie um Umstrukturierung im Rahmen des EGKS-Vertrags unterstützt. Dazu gehörte auch, dass staatliche Beihilfen nur dann geduldet wurden, wenn sie mit Kapazitätsabbau, Begleitmaßnahmen zur Linderung der sozialen Folgen der Umstrukturierung und Förderung von Forschung und Entwicklung (insbesondere angewandte Forschung und Förderung von Pilot-/Demonstrationsprojekten) einhergingen. Zwar ist der EGKS-Vertrag nun ausgelaufen, aber die EU wird im Rahmen des EG-Vertrags die Modernisierung des Sektors weiter unterstützen. Der derzeitige Policy Mix, der insbesondere einen starken Anteil FuE- sowie Fortbildungspolitik enthält, scheint daher den Bedürfnissen des Sektors auf angemessene Weise gerecht zu werden, wenn auch weitere Bemühungen erforderlich sein werden, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Insbesondere die Erweiterung wird die EU mit unwirtschaftlichen Kapazitäten und niedriger Produktivität in einigen neuen Mitgliedstaaten konfrontieren, und die derzeitigen Bemühungen um Umstrukturierung werden auch nach der Erweiterung fortgesetzt werden müssen. Die Erfahrung, die die EU bei der Unterstützung früherer Anpassungsprozesse in den heutigen Mitgliedstaaten sammeln konnte, was auch den koordinierten Einsatz der Wettbewerbs-, FuE-, Berufsbildungs- und Regionalpolitik umfasst, lässt sich dabei als Inspirationsquelle nutzen. Eine weitere bedeutende Herausforderung für den Stahlsektor in den neuen Mitgliedstaaten wird auch die Übernahme des ,acquis" der Gemeinschaft, darunter vor allem der EU-Umweltschutzvorschriften, darstellen. In beiderlei Hinsicht könnte eine zielgerichtete Unterstützung durch die EU hilfreich sein. Zusätzlich ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Stahlproduzenten in der EU durch protektionistische Maßnahmen in Drittländern sowie durch Lieferprobleme bei wichtigen Einsatzmitteln, insbesondere bei Eisenschrott, dessen Ausfuhr von manchen Drittländern beschränkt wird, bedroht. Um diese Hindernisse zu beseitigen werden auch weiterhin handelspolitische Instrumente mobilisiert werden müssen. Die Industriepolitik muss gewährleisten, dass all diese Instrumente gut koordiniert werden, damit maximale Wirkung erzielt wird, wobei stets auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den drei Säulen der Nachhaltigkeit zu achten ist. 2. Die chemische Industrie Die chemische Industrie der EU ist sehr heterogen und weist äußerst unterschiedliche Unternehmensgrößen auf. In ihr sind sowohl KMU als auch weltweit führende Unternehmen vertreten. Dieser Sektor spielt eine wichtige Rolle für die EU, da er in 11 der 15 Mitgliedstaaten zu den drei bedeutendsten Industriezweigen gehört. Zudem spielt er eine Schlüsselrolle als Zulieferer für die unterschiedlichsten nachgeschalteten Sektoren, die seine Erzeugnisse verwenden und die von der Landwirtschaft über die Textilindustrie bis zum Fahrzeugbau reichen. Seine Wettbewerbsposition ist insgesamt positiv. [48] Im Laufe der neunziger Jahre wuchs die Wertschöpfung dieses Industriezweigs um jährlich 3,2 % gegenüber 1,9 % im verarbeitenden Gewerbe insgesamt. Auf die chemische Industrie entfallen 16,2 % der Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in der EU. Zu ihrer derzeitigen Wettbewerbsposition hat vor allem eine jährliche Zunahme der Arbeitsproduktivität um 3,4 % seit 1996 beigetragen. Darüber hinaus ist sie mit einem Außenhandelsüberschuss von 50 Mia. EUR der zweitgrößte Sektor des verarbeitenden Gewerbes in der EU und eine der wichtigsten Einkommensquellen für die EU insgesamt. [48] Quelle: Eurostat, Europäische Unternehmen - Zahlen und Fakten 1990 - 2000. Der Preiswettbewerb durch günstige Vorprodukte aus dem Mittleren Osten und der starke Wettbewerbsdruck aus China bei kostengünstigen Produkten mit niedriger Gewinnspanne dürfte sich wahrscheinlich noch verschärfen. Dies verstärkt den bereits bestehenden Trend zur Umwandlung chemischer Erzeugnisse in massenmarkttaugliche Handelsware. Um seinen Vorsprung zu wahren und seine Wettbewerbsposition zu halten, werden die Forschungs- und Innovationsausgaben des Sektors gesteigert werden müssen. Allerdings sind die Gewinnspannen niedriger als in den USA, so dass es schwieriger ist, Kapital für Investitionen und Forschung aufzubringen. Zudem wird weithin von einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften berichtet. Darüber hinaus stellen immer strengere Auflagen zum Schutz der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit die Unternehmen dieses Sektors, und zwar insbesondere die KMU, vor besondere Herausforderungen. Eine Kombination aller dieser Faktoren könnte zu einer Verschlechterung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Europa führen. Diese Gefahr macht eine erhöhte Wachsamkeit der EU erforderlich. Die EU hat einen Binnenmarkt für chemische Stoffe geschaffen, der zu einem wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors wurde. Die in Öffentlichkeit und Politik herrschende Besorgnis um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor einer möglichen Gefährdung durch die derzeit schätzungsweise 30 000 chemischen Stoffe, die in Mengen von mehr als einer Tonne/Jahr in Verkehr gebracht werden (99 % des Chemiemarktes), machte eine umfassende politische Reform erforderlich. Dabei stand man vor der Aufgabe, bei allen chemischen Stoffen ein hohes Schutzniveau zu erreichen und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Um diese Aufgabe zu bewältigen, hat die Kommission eine Strategie vorgeschlagen. [49] Mit ihrem Paket von Rechtsvorschriften bezweckt die Kommission eine kostenwirksame Umsetzung der Vorschläge ihrer Strategie [50] und die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus, wie es die Bürger der EU für ihre Gesundheit und die Umwelt fordern. Hier ist jedoch eine umsichtige Umsetzung und Handhabung vonnöten, soll die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewahrt werden. [49] Weißbuch - Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik (KOM(2001) 88). [50] Die direkten Gesamtkosten, die der Industrie durch die Risikobewertung nach den derzeitigen Vorschlägen entstuenden, werden auf 1,4 Mia. EUR bis 7 Mia. EUR geschätzt, sie dürften höchstwahrscheinlich jedoch bei 3,6 Mia. EUR liegen. Eine weitere Herausforderung liegt in der Modernisierung der chemischen Industrie in den künftigen neuen Mitgliedstaaten und in der Umsetzung des ,acquis" der Gemeinschaft, was in einigen Bereichen hohe Kosten verursachen wird. Daher ist ein über Rechtsetzungsfragen hinausgehendes, vorausdenkendes Vorgehen erforderlich, wenn die chemische Industrie der EU in die Lage versetzt werden soll, die bevorstehenden Wettbewerbsherausforderungen erfolgreich zu bestehen. Dies könnte, eine sorgfältige Beobachtung der Entwicklungen auf dem Chemiesektor vorausgesetzt, vielfältige Maßnahmen umfassen: - Die Innovation ist, wie in anderen Sektoren auch, ein Schlüsselfaktor und durch einen integrierten Ansatz ließen sich alle einschlägigen EU-Politikfelder mobilisieren, insbesondere aus den Bereichen FuE und Humanressourcen, um den Bedürfnissen der chemischen Industrie gerecht zu werden; - da die chemische Industrie einen hohen Energieverbrauch hat, würde sie mehr als andere Sektoren von einer weiteren Liberalisierung des Energiemarktes profitieren, die einen stärkeren Wettbewerb und damit niedrigere Preise zur Folge hätte; - in Bezug auf die Rechtsetzung müssen die Entscheidungsträger in der Politik den richtigen Ausgleich zwischen kurzfristigen Belastungen für die Industrie einerseits und langfristigen Verbesserungen für Umwelt und Gesundheit sowie Innovationsanreizen andererseits finden, so dass die Opportunitätskosten, gemessen an den entgangenen Investitionsalternativen, und ihre Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie berücksichtigt werden; - dem Chemiesektor käme auch die Entwicklung weltweiter Umweltschutzregelungen, soweit dies möglich ist, klar zugute; - und schließlich sind handelspolitische Instrumente unerlässlich, um den Unternehmen der EU Chancen auf den Märkten von Drittländern zu eröffnen. Die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und dem Golf-Kooperationsrat wäre ein ebenso positiver Beitrag dazu wie die Erweiterung des Chemical Tariffs Harmonisation Agreement (CTHA) auf weitere Handelspartner oder langfristig ein vollständiger Abbau der Zölle auf chemische Erzeugnisse. Eine ausgewogene Kombination dieser politischen Instrumente dürfte dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiesektors zu bewahren und gleichzeitig deutliche Fortschritte bei der Erreichung der ökologischen und sozialen Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie der EU zu machen. 3. Die Luft- und Raumfahrtindustrie Die zivile und militärische Luft- und Raumfahrtindustrie wird durch besondere strukturelle Gegebenheiten gekennzeichnet: auf dem Markt für zivile Großflugzeuge dominieren zwei weltweit agierende Großkonzerne, während auf dem militärischen Markt ausschließlich staatliche Stellen als Abnehmer auftreten. Dieser Sektor ist traditionell stark durch staatliche Intervention geprägt, in einigen Fällen ist der Staat sogar direkter Eigentümer, wobei in mehreren Mitgliedstaaten der Privatisierungsprozess gute Fortschritte macht. Auch die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durch öffentliche Mittel ist üblich. Es handelt sich dabei um einen forschungsintensiven Industriezweig und weder zivile noch militärische Flugzeuge unterliegen den üblichen Regelungen des Welthandels. Auch wenn Europa das Entstehen eines wettbewerbsstarken Global Player im Bereich zivile Großflugzeuge gefördert hat und verstärkt in andere Bereiche eingedrungen ist (Helikopter, Satelliten und deren Trägerraketen), so ist dieser Industriezweig doch einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt, was auf eine Kombination folgender Faktoren zurückzuführen ist: - unzureichende EU-weite Konsolidierung des Sektors: Zwar wurden Anstrengungen unternommen, um die geografische Zersplitterung der Märkte zu überwinden, der Prozess einer europaweiten Konsolidierung ist jedoch noch nicht abgeschlossen; - isolierte und unkoordinierte FuE-Arbeit; - ein unvollendeter Binnenmarkt: Soweit die militärischen Märkte betroffen sind, ist die Marktfragmentierung aufgrund unvereinbarer nationaler Anforderungen immer noch die Regel. Auch der Aktionsplan, den die Kommission 1997 als Bestandteil der Mitteilung über die ,Umsetzung der Unionsstrategie im Bereich der Verteidigungsindustrie" [51] vorgeschlagen hatte, mündete bisher noch nicht in konkrete Folgemaßnahmen, und zwar hauptsächlich wegen des mangelnden Einsatzes der Mitgliedstaaten. Zudem waren die Mitgliedstaaten nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen beim öffentlichen Auftragswesen im Verteidigungssektor bereit. Im Zivilsektor dagegen wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat beschlossen, eine Europäische Flugsicherheitsbehörde einzurichten, einheitliche Regelungen für die Lärmemissionen und die Sicherheit von Flugzeugen zu schaffen und den Weg für die Entstehung eines einheitlichen europäischen Luftraums zu bereiten, was der europäischen Luftfahrtindustrie die Chance eröffnet, in einem einheitlicheren technischen Umfeld tätig zu werden, das die Folgen der derzeit noch voneinander abweichenden nationalen Vorschriften ausgleicht; [51] KOM (97) 583 endg. - ein allgemeiner Nachfragerückgang: Die Hersteller von Militärflugzeugen sind seit dem Ende des kalten Krieges mit schrumpfenden Märkten konfrontiert, während der Zivilflugzeugsektor immer noch unter der Krise zu leiden hat, die die Fluglinien infolge der Ereignisse vom 11. September 2001 traf. [52] Entscheidend für die strukturelle Situation der Flugzeugindustrie ist ihre Fähigkeit, auf europäischer Ebene zu fusionieren und sich zu konsolidieren. [53] [52] Die Vitalität der EU-Luftfahrtindustrie hängt somit in erheblichem Maße von der wirtschaftlichen Lage der Fluggesellschaften ab. [53] Die kürzlich ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs, in denen die alleinige Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft in den Bereichen, die internen Gemeinschaftsregelungen unterliegen, anerkannt wurde, dürften die Anpassung des einschlägigen rechtlichen Rahmens erleichtern. Aufgrund all dieser Erschwernisse haben die europäischen Hersteller an Boden verloren und können nur unter Schwierigkeiten das Investitions- und Innovationsniveau halten, das erforderlich ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher befindet sich die Industrie in einer schwierigen Wettbewerbssituation und rasches und entschlossenes Eingreifen ist nötig, um diese Entwicklung umzukehren. Der Policy Mix, der auf EU-Ebene bisher in der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrtindustrie umgesetzt wurde, ging in der Regel nicht über die Förderung von FuE-Aktivitäten hinaus. Dies reicht mit Sicherheit nicht aus, um den Herausforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit dieser Sektoren erfolgreich zu begegnen. Die Kommission hat eine beratende Gruppe eingerichtet, die sich aus Führungskräften der Industrie und Mitgliedern der Kommission und anderer EU-Institutionen zusammensetzt. Diese Initiative mit dem Titel STAR 21 [54] ergab einen Bericht, in dem, ausgehend von einer Analyse der Situation, eine Reihe von Empfehlungen für politische Maßnahmen gegeben wurden, die insbesondere auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet sind. [54] Luft- und Raumfahrtstrategie für das 21. Jahrhundert (Strategic Aerospace Review for the 21st century - STAR 21). Die Empfehlungen beziehen sich auf Forschung und Entwicklung, Humanressourcen und die Mobilität von Forschern, Angleichung der militärischen Anforderungen, um das Entstehen eines Binnenmarktes zu erleichtern, eine ehrgeizige Weltraumpolitik (v. a. durch das Galileo-Programm) und die Förderung einer Steuerung der zivilen Luftfahrt auf europäischer Ebene sowie das Entstehen einer echten Europäischen Verteidigungspolitik. Die Instrumente einer ehrgeizigeren Industriepolitik in diesem Sektor ließen sich problemlos weiterentwickeln, wenn sie auf einer klaren Verpflichtung aufbauen würden. Daher müssen alle betroffenen Parteien - in erster Linie die Mitgliedstaaten - eine klare Verpflichtung dazu eingehen, konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit dieser zentralen Industriezweige zu ergreifen. 4. Die Biotechnologie Die Biotechnologie ist eine höchst innovative Aktivität mit hoher Abhängigkeit von Wissen und Fachressourcen, die sich in zunehmendem Maße auf die Wettbewerbsfähigkeit der ihr nachgelagerten Industriezweige wie die Arzneimittel-, die Pflanzenschutz- oder die Landwirtschafts- und Ernährungsindustrie auswirkt. Großunternehmen sind stark vertreten, aber der Stellenwert der KMU für die Innovation und ihre Verknüpfungen mit Hochschulen und Forschungszentren (deren Spin-offs sie häufig sind) erklären einige der Hauptmerkmale dieses Industriezweiges, wie z. B. das Clustering und die räumliche Konzentration. Obwohl einige europäische Firmen Weltniveau haben, liegt die Innovationskapazität im europäischen Biotechnologiesektor insgesamt deutlich unter dem US-Niveau und nichts deutet darauf hin, dass der Abstand schrumpft. Das Verhältnis der Patente, die vom US-amerikanischen bzw. vom europäischen Patentamt an amerikanische und europäische Unternehmen erteilt wurden, liegt bei rund 3 zu 1 bzw. 3 zu 2. Die Biotechnologiefirmen in den USA wachsen zudem rascher und haben mehr neue Erzeugnisse in Vorbereitung als die Unternehmen in der EU. [55] [55] Mit diesen Fragen befasste sich die Kommission auch in ihrem Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit 2001. Die genannten Verhältniszahlen für erteilte Patente beziehen sich im Fall des Patentamtes der USA (USPTO) auf 2000 und im Fall des Europäischen Patentamtes (EPA) auf 1997. Diese Entwicklungen sind hauptsächlich die Folge jener Probleme, die den KMU aus diesem Bereich zu schaffen machen, wie z. B. lange Entwicklungszeiten, strenge Zulassungsverfahren und Kapitalknappheit, was bedeutet, dass die KMU, die eine Vorreiterrolle bei neuen Produkten und Verfahren spielen, häufig nicht in der Lage sind, die Vermarktung sicherzustellen. Anstatt eines raschen inneren Wachstums führt dies vielmehr dazu, dass sie ihre Patente in Lizenz an größere Firmen abgeben oder eine Übernahme hinnehmen müssen. Zudem haben es Fragen der Ethik, des Umwelt- und Verbraucherschutzes erschwert, einen allgemein akzeptierten und praktikablen rechtlichen Rahmen festzulegen, so dass es für die Unternehmen schwierig wurde, Produkte und Verfahren zu entwickeln, die sich unter berechenbaren Bedingungen in Verkehr bringen lassen. Dies wiederum hat Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit nachgeschalteter Industriezweige, und zwar in erster Linie des Arzneimittelsektors. Alle diese Fragen zusammen deuten auf gravierende Lücken in den politischen Rahmenbedingungen für diese wissensintensive Aktivität hin. Nur wenn dem Abhilfe geschaffen wird, kann dieser Sektor seinen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der EU leisten. Zwar hat die EU bereits sehr früh die Bedeutung der Biotechnologie erkannt, ihr politischer Schwerpunkt lag zunächst jedoch auf den Aspekten Umwelt- und Verbraucherschutz, ohne dass sie sich mit der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Biotechnologie (abgesehen von der Förderung von FuE-Tätigkeiten) direkt beschäftigt hätte. Dies reichte eindeutig nicht aus, um ihre Schwächen zu kompensieren, so dass die Kommission anhand von Studien, durch eingehende Konsultation der Interessengruppen und durch Benchmarking der Mitgliedstaaten untereinander und im Vergleich mit den USA eine gründliche Analyse der Wettbewerbssituation im Biotechnologiesektor der EU vorgenommen hat. Dadurch ließen sich die Erfordernisse der Industrie feststellen und es konnte ein gründlicher Einblick in ihre Stärken und Schwächen gewonnen werden. In dem kürzlich veröffentlichten Aktionsplan für Biowissenschaften und Biotechnologie [56] wird eine integrierte umfassende Strategie vorgeschlagen, in der Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors mit Maßnahmen zur Gewährleistung eines verantwortungsvollen politischen Handelns verbunden werden. Er basiert auf einer ausführlichen Konsultation der Interessengruppen, um gesellschaftlichen Bedenken Rechnung zu tragen. Zu den Hauptelementen des Aktionsplans gehören folgende Aspekte: [56] Er ist Bestandteil der Kommissionsmitteilung ,Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa" (KOM (2002) 27 endg.). - Die Stärkung der Wertschöpfungskette ist von grundlegender Bedeutung. Die Biotechnologie baut in hohem Maße auf Wissen und Ressourcen auf. Die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, eine wirksame Unterstützung von Weltklasseforschung, die Verknüpfung von Exzellenzzentren im Europäischen Forschungsraum, ein zugängliches und wirkungsvolles System für den Schutz geistigen Eigentums und die ausreichende Verfügbarkeit von Kapital sind daher hohe Prioritäten. - Es ist verantwortungsvolles politisches Handeln zu gewährleisten. Eine wirkungsvolle Erforschung der gesellschaftlichen Akzeptanz und ein anhaltender öffentlicher Dialog sind die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der Biotechnologie in Europa. Der Dialog muss sich unbedingt auch auf ethische Fragen erstrecken, die im Mittelpunkt bestimmter Felder der Biotechnologie stehen. Hauptsächlich ist ein wissensbasierter, transparenter, effizienter und verhältnismäßiger Rechtsrahmen erforderlich, der das Vorbeugungsprinzip und die angemessene Aufklärung der Verbraucher beachtet, damit Vertrauen aufgebaut werden kann; er darf jedoch keine unnötigen bürokratischen Belastungen und Hindernisse für eine verantwortungsvolle Innovation mit sich bringen. - Auf internationaler Ebene sollte die EU Vorreiter bei der Entwicklung von international abgestimmten Leitlinien, Standards und Empfehlungen werden und sie sollte auch dafür Sorge tragen, dass die Entwicklungsländer entsprechend ihren politischen Zielen an der Nutzung der Biotechnologie beteiligt werden. Diese Prioritäten lassen sich nur erreichen, wenn man eine Kombination von Instrumenten aus verschiedenen Politikfeldern zu Hilfe nimmt (dazu gehören auch die Bereiche öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz, Binnenmarkt, Umweltpolitik, Handelspolitik ebenso wie die rechtlichen Rahmenbedingungen - Marktzugangsbedingungen, Gesetze zur Zulassung oder zum Verbot bestimmter Praktiken, Forschungsrichtungen oder Technologien - usw.). Eine angemessene Koordinierung der Instrumente aus verschiedenen EU-Politikfeldern ist daher von grundlegender Bedeutung für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Biotechnologie. 5. Der Telekommunikationssektor Die Telekommunikation ist ein Sektor mit enormer Bedeutung für die Wirtschaft der EU. Er ist gekennzeichnet durch eine enge Verflechtung von Dienstleistung und Herstellung. Seine Einnahmen liegen über 300 Mrd. EUR und er bietet Arbeitsplätze für mehr als 1,5 Mio. Menschen. In den vergangenen Jahren verzeichnete er zweistellige Wachstumsraten und trägt in vielen Teilen der Wirtschaft zu Produktivitätswachstum und Wohlstand bei. Im Bereich Dienstleistungen und Ausrüstung sind in Europa weltweite Spitzenunternehmen entstanden, die ihre internationale Expansion überwiegend auf einer europaweiten Präsenz aufbauten. Diese Lage ist das Ergebnis eines tiefgreifenden Wandels, der sich in den vergangenen zehn Jahren in diesem Industriezweig ereignete und der dadurch gekennzeichnet ist, dass eine Verlagerung von nationalen Festnetzmonopolen hin zu einer Situation stattfand, in der unterschiedliche Betreiber den Endverbrauchern eine breites Spektrum innovativer Dienstleistungen anbieten. Die wichtigsten Faktoren für diesen Wandel waren der EU-weite Liberalisierungsprozess in Verbindung mit dem Fortschritt der digitalen Technologien. Zudem wurden im Telekommunikationsbereich internationale Handelshemmnisse überwiegend abgebaut, so dass in nahezu allen Marktsegmenten nunmehr ein weltweiter Wettbewerb stattfinden kann. Im Dienstleistungsbereich wird die Struktur des Sektors noch immer von den früheren etablierten Betreibern dominiert, allerdings ist ihr Marktanteil an den Festnetzdiensten, v. a. bei Fern- und Auslandsgesprächen, ständig zurückgegangen. Bei den Mobilfunkdiensten sind die nationalen Märkte durch das Vorhandensein mehrer Betreiber gekennzeichnet, wobei in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten der Marktanteil der führenden Anbieter unter 50 % liegt. [57] [57] Siebter Bericht über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor, KOM(2001) 706. Bei der Telekommunikationsausrüstung haben Größenersparnisse in den vergangenen 15 Jahren zu einer starken Konzentration der Industrie geführt, so dass heute nur noch wenige europäische Firmen in allen Produktsegmenten präsent sind. Das rasante Wachstum der Mobilfunk- und Internetdienste hat allerdings einige Unternehmen dazu veranlasst, sich allein auf Mobiltechnologien zu konzentrieren, während die Großkonzerne dem Wettbewerbsdruck durch kleinere innovative Unternehmen, vor allem aus Nordamerika, Japan und Südostasien, ausgesetzt waren. Der Policy Mix, der in diesem Sektor umgesetzt wurde, besteht aus der Liberalisierung der Märkte für die Infrastruktur und die damit verbundenen Dienste, die auf dem EU-Wettbewerbsrecht basiert, in Verbindung mit der Festlegung EU-weit angeglichener Regulierungsgrundsätze, die von den nationalen Behörden angewandt werden. Zusätzlich hat die Förderung der FTE-Aktivitäten im Bereich der Technologien der Informationsgesellschaft durch die EU dazu beigetragen, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen dieser Industrie in Europa auszuweiten, so dass sie sich im internationalen Wettbewerb leichter behaupten konnte. Der Sektor ist jedoch mit Problemen konfrontiert, die die Folge einer Kombination mehrerer Faktoren sind: das Platzen der Internetblase, die rückläufige Konjunkturentwicklung und die Überkapazitäten. Gleichzeitig steht der Mobilfunksektor vor dem Übergang von der zweiten zur dritten Generation (3G) von Mobilfunktechnologien. Die hohen Lizenzkosten für 3G-Technologien belasten einige europäische Betreiber. Vor diesem Hintergrund haben die Betreiber ihre Investitionsausgaben gekürzt. Dies hat dazu geführt, dass die europäischen Ausrüstungshersteller in großem Maßstab Stellen abgebaut haben. Damit ist die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors starkem Druck ausgesetzt, so dass alle verfügbaren politischen Instrumente mobilisiert werden müssen. Fortschritte in dieser Hinsicht würden voraussetzen, dass die Nachfrage angeregt und die Investitionssicherheit erhöht wird. Die Initiativen in Rechtsetzung und Politik, die derzeit umgesetzt werden, sollten einen deutlichen Beitrag dazu leisten, dass folgende Ziele erreicht werden: - Der neue Rechtsrahmen, der von den Mitgliedstaaten bis Juli 2003 umzusetzen ist, ist flexibler als der bisherige. Er wird für mehr Stabilität und Transparenz der rechtlichen Vorschriften sorgen, den Wettbewerb verbessern und die Auswahl der Verbraucher vergrößern. Dazu muss der neue Rechtsrahmen in vollem Umfang umgesetzt werden und er muss stabil bleiben. - Der Aktionsplan eEurope 2005 soll insbesondere sichere Dienste, Anwendungen und Inhalte auf der Grundlage einer weithin verfügbaren Breitbandstruktur entstehen lassen. Die Breitbandtechnologie ist bis heute nur langsam gewachsen, doch aufgrund der neuen Produkte und Dienste wird erwartet, dass sie künftig einen der größten Wachstumsmärkte für die Ausrüstungshersteller darstellen wird. - Die derzeitigen Forschungs- und Entwicklungsprogramme und die damit verbundenen Initiativen sollten mit zum Ausbau der Breitbandinfrastruktur, einschließlich der 3G-Technologien, sowie zur Entwicklung neuer Anwendungen beitragen, indem sie beispielsweise Projekte für mehrsprachige Inhalte, innovative mobile Zahlungssysteme und die Erprobung innovativer 2.5-3G-Dienste fördern. - Speziell im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs werden die Bemühungen der EU um Vertrauensbildung bei den Verbrauchern durch Datenschutz, Internetsicherheit und Aufbau von Vertrauen in die Unternehmen (e-confidence) zum Entstehen eines stabilen und berechenbaren Umfelds beitragen und Verbrauchern die Scheu vor Online-Transaktionen mit Unternehmen nehmen, was eine Grundvoraussetzung für ein wettbewerbsfähiges Marktumfeld ist.