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Document 62022CC0450

    Schlussanträge der Generalanwältin L. Medina vom 18. Januar 2024.
    Caixabank SA u. a. gegen Asociación de Usuarios de Bancos, Cajas de Ahorro y Seguros de España ( Adicae ) u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13/EWG – Hypothekendarlehensverträge – Klauseln zur Beschränkung von Zinssatzschwankungen – Sogenannte ‚Mindestzinssatzklauseln‘ – Verbandsklage auf Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln und auf Rückerstattung der insoweit gezahlten Beträge, die zahlreiche Gewerbetreibende und Verbraucher betrifft – Klarheit und Verständlichkeit dieser Klauseln – Begriff ‚normal informierter und angemessen aufmerksamer sowie verständiger Durchschnittsverbraucher‘.
    Rechtssache C-450/22.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:64

     SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    LAILA MEDINA

    vom 18. Januar 2024 ( 1 )

    Rechtssache C‑450/22

    Caixabank, S.A. als Rechtsnachfolgerin der Bankia, S.A. und der Banco Mare Nostrum, S.A.,

    Caixa Ontinyent, S.A.,

    Banco Santander, S.A. als Rechtsnachfolgerin der Banco Popular Español, S.A. und der Banco Pastor, S.A.,

    Targobank, S.A.,

    Credifimo, S.A.U.,

    Caja Rural de Teruel, S.C.C.,

    Caja Rural de Navarra, S.C.C.,

    Cajasiete Caja Rural, S.C.C.,

    Caja Rural de Jaén, Barcelona und Madrid, S.C.C.,

    Caja Laboral Popular, S.C.C. (Kutxa),

    Caja Rural de Asturias, S.C.C.,

    Arquia Bank, S.A., vormals Caja de Arquitectos, S.C.C.,

    Nueva Caja Rural de Aragón, S.C.C.,

    Caja Rural de Granada, S.C.C.,

    Caja Rural del Sur S.C.C,

    Caja Rural de Albacete, Ciudad Real und Cuenca, S.C.C. (Globalcaja),

    Caja Rural Central S.C.C. u. a.,

    Unicaja Banco, S.A. als Rechtsnachfolgerin der Liberbank, S.A. und der Banco Castilla la Mancha, S.A.,

    Banco de Sabadell, S.A.,

    Banca March, S.A.,

    Ibercaja Banco, S.A.,

    Banca Pueyo, S.A.

    gegen

    ADICAE,

    M. A. G. G.,

    M. R. E. M.,

    A. B. C.,

    Óptica Claravisión, S.L.,

    A. T. M.,

    F. A. C.,

    A. P. O.,

    P. S. C.,

    J. V. M. B. als Rechtsnachfolger von C. M. R.

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof, Spanien])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern – Verbandsklage – Klage auf Unterlassung und Rückerstattung – Darlehensverträge mit einer Vielzahl von Banken und Verbrauchern – Mindestzinssatzklausel zur Begrenzung von Zinssatzänderungen – Abstrakte Transparenzkontrolle – Begriff des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“

    I. Einleitung

    1.

    Das Erfordernis der Transparenz von Vertragsklauseln spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung eines wirksamen Verbraucherschutzes im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG ( 2 ). Die Beurteilung der Transparenz von Vertragsklauseln umfasst nicht nur formale, sondern auch materielle Kriterien. Der Verbraucher muss in die Lage versetzt werden, die Vertragsklauseln und ihre wirtschaftlichen Folgen vollständig zu verstehen. Die Anwendung eines materiellen Ansatzes in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Transparenzerfordernis wird in der wissenschaftlichen Literatur als eine „allmähliche Hinwendung zu einem mehr … wohlfahrtsstaatlichen Ansatz in der Frage der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln“ bezeichnet ( 3 ).

    2.

    In dem Ausgangsverfahren stellt sich die Frage, ob die gerichtliche Kontrolle der Transparenz von Vertragsklauseln im Rahmen einer Verbandsklage möglich ist, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise. Der Gerichtshof wird auch auf den Begriff „Durchschnittsverbraucher“ im Rahmen einer Verbandsklage mit den Merkmalen eines Großverfahrens mit einer Vielzahl von Finanzinstituten und Verträgen einzugehen haben.

    II. Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 93/13

    3.

    Art. 4 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

    „(1)   Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

    (2)   Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

    4.

    Art. 5 der Richtlinie 93/13 lautet:

    „Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. Diese Auslegungsregel gilt nicht im Rahmen der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren.“

    5.

    Art. 7 der Richtline 93/13 bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

    (2)   Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen.

    (3)   Die in Absatz 2 genannten Rechtsmittel können sich unter Beachtung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors oder ihre Verbände richten, die gleiche allgemeine Vertragsklauseln oder ähnliche Klauseln verwenden oder deren Verwendung empfehlen.“

    Spanisches Recht

    Gesetz 7/1998

    6.

    Art. 12 der Ley 7/1998 sobre condiciones generales de la contratación (Gesetz 7/1998 über Allgemeine Geschäftsbedingungen) vom 13. April 1998 (BOE Nr. 89 vom 14. April 1998) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: LCGC) bestimmt:

    „1.   Gegen die Verwendung oder Empfehlung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder anderen gesetzlichen Geboten oder Verboten stehen, kann eine Unterlassungsklage und eine Widerrufsklage erhoben werden.

    2.   Ziel der Unterlassungsklage ist ein Urteil, mit dem dem Beklagten aufgegeben wird, aus seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen diejenigen Klauseln zu entfernen, die für nichtig erklärt werden, und ihre weitere Verwendung zu unterlassen, wobei gegebenenfalls der als gültig und wirksam zu betrachtende Vertragsinhalt zu bestimmen oder klarzustellen ist.

    Mit der Unterlassungsklage kann als akzessorischer Anspruch verbunden werden eine Klage auf Rückerstattung der Beträge, die aufgrund der streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen geleistet wurden, sowie eine Klage auf Ersatz des Schadens, der durch die Anwendung dieser Bedingungen entstanden ist.“

    7.

    Art. 17 LCGC bestimmt:

    „1.   Die Unterlassungsklage ist gegen jeden Gewerbetreibenden gegeben, der für nichtig erklärte Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.

    4.   Die in den vorstehenden Absätzen genannten Klagen können gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftszweigs oder gegen ihre Verbände erhoben werden, die identische für nichtig erklärte Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden oder deren Verwendung empfehlen.“

    Königliches Gesetzesdekret 1/2007

    8.

    Gemäß Art. 53 des Texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Konsolidierter Text des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz von Verbrauchern und Nutzern und anderer ergänzender Gesetze), gebilligt durch das Real Decreto Legislativo 1/2007 (Königliches Gesetzesdekret 1/2007) vom 16. November 2007 (BOE Nr. 287 vom 30. November 2007), in der für das Ausgangsverfahren geltenden Fassung ist die Unterlassungsklage darauf gerichtet, ein Urteil zu erwirken, mit dem der Beklagte zur Unterlassung seines Verhaltens verurteilt wird, und dessen künftige Wiederholung verbieten zu lassen. Die Klage kann auch erhoben werden, um ein Verhalten verbieten zu lassen, das zum Zeitpunkt der Klageerhebung beendet ist, sofern hinreichende Anzeichen bestehen, aufgrund deren zu befürchten ist, dass sich das Verhalten sofort wiederholen wird. Die Unterlassungsklage kann, wenn auf Feststellung der Nichtigkeit und Nichtigerklärung geklagt wird, verbunden werden mit der Klage wegen Nichterfüllung von Verpflichtungen, der Klage auf Vertragsauflösung oder ‑aufhebung und der Klage auf Rückerstattung der Beträge, die aufgrund der Durchführung der Praktiken, Bestimmungen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die für missbräuchlich oder nicht transparent erklärt wurden, vereinnahmt wurden.

    Gesetz 1/2000

    9.

    Nach Art. 72 der Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil (Gesetz 1/2000 über die Zivilprozessordnung) vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) in der für das Ausgangsverfahren geltenden Fassung können Klagen mehrerer Personen gegen eine Person oder einer Person gegen mehrere Personen miteinander verbunden werden, wenn zwischen ihnen wegen des Klageanspruchs oder des Klagegrundes ein Zusammenhang besteht. Der Klageanspruch oder der Klagegrund gilt als identisch oder im Zusammenhang stehend, wenn die Klagen auf denselben Sachverhalt gestützt sind.

    III. Kurze Darstellung des Sachverhalts und des Ausgangsverfahrens

    10.

    Die Asociación de Usuarios de Bancos, Cajas de Ahorros y Seguros de España (Spanischer Verband der Nutzer von Banken, Sparkassen und Versicherungen, im Folgenden: ADICAE) erhob eine Verbandsklage auf Unterlassung gegen 44 in Spanien tätige Finanzinstitute. In ihrer Klageschrift beantragte die ADICAE, diesen Instituten aufzugeben, in ihren variablen Hypothekendarlehensverträgen die Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingung zu unterlassen, nach der die variablen Zinssätze nicht unter einen bestimmten Schwellenwert sinken dürfen (sogenannte Mindestzinssatzklausel). Außerdem verband die ADICAE die Unterlassungsklage mit einer Rückerstattungsklage, um eine Verurteilung zur Rückerstattung aller gemäß dieser Klausel geleisteten Zahlungen zu erwirken. Sie beantragte zweimal die Aufnahme weiterer Beklagter in ihre Klage, wodurch sich die Gesamtzahl der Beklagten auf 101 erhöhte.

    11.

    Das erstinstanzliche Gericht erklärte die Klage für zulässig. Nach Aufrufen in den nationalen Medien meldeten sich 820 Verbraucher, um sich den in der Verbandsklage gestellten Anträgen anzuschließen.

    12.

    Mit dem erstinstanzlichen Urteil wurde der Klage, außer in Bezug auf drei Finanzinstitute, teilweise stattgegeben und entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Hypothekendarlehensverträge enthaltenen Mindestzinssatzklauseln („clausulas suelo“) nichtig seien. Die Finanzinstitute wurden verurteilt, die fraglichen Klauseln aus den Verträgen zu entfernen und ihrer nicht transparenten Verwendung ein Ende zu setzen. Sie wurden ferner zur Rückerstattung der aufgrund dieser Klauseln zu Unrecht gezahlten Beträge ab dem Tag der Veröffentlichung des Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) vom 9. Mai 2013 verurteilt.

    13.

    Gegen dieses Urteil legten die beklagten Banken Berufungen bei der Audiencia Provincial de Madrid (Provinzgericht Madrid, Spanien) ein, die zum überwiegenden Teil zurückgewiesen wurden. In seinem Urteil legte dieses Gericht dar, wie die Transparenz von Vertragsklauseln im Rahmen einer Verbandsklage zu prüfen sei (abstrakte Kontrolle). Insbesondere müsse festgestellt werden, ob das Finanzinstitut die wirtschaftliche Wirkung der betreffenden Klausel verdeckt oder verschleiert habe. Eine solche Verdeckung oder Verschleierung liege vor, wenn die Bank die Mindestzinssatzklausel nicht in gleicher Weise darstelle wie andere Klauseln, denen der Durchschnittsverbraucher seine Aufmerksamkeit widme, insbesondere diejenigen über die Vertragskosten.

    14.

    Die Audiencia Provincial de Madrid (Provinzgericht Madrid) führte aus, dass es bestimmte Verhaltensweisen gebe, die einen Beweis für die mangelnde Transparenz der beanstandeten Klausel darstellen könnten nämlich insbesondere: 1) eine Darstellung der Mindestzinssatzklausel im Zusammenhang mit Informationen, die keinen Bezug zum Preis des Vertrags aufwiesen, oder mit nebensächlichen Informationen, die diesen Preis verbilligen könnten, wodurch der Anschein erweckt werde, dass die Klausel bestimmten Bedingungen oder Voraussetzungen unterliege, die dazu führten, dass sie in der Praxis nur selten zur Anwendung komme, 2) das Einfügen der Klausel in der Mitte oder am Ende langer Absätze, die mit anderen Themen begännen, so dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers davon abgelenkt werde, und 3) eine Darstellung der Mindestzinssatzklausel zusammen mit der Klausel über die Begrenzung der Anpassung des Zinssatzes nach oben (Höchstzinssatzklausel), wodurch sich die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf die scheinbare Sicherheit einer Obergrenze gegenüber einem möglichen Ansteigen des Referenzindex richte und von der Bedeutung des Mindestzinssatzes abgelenkt werde.

    15.

    Gegen dieses Urteil haben die Banken Rechtsmittel beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) eingelegt.

    16.

    In seinem Vorabentscheidungsersuchen geht es dem vorlegenden Gericht vor allem um zwei Fragen. Die erste bezieht sich darauf, ob eine Verbandsklage auf Unterlassung ein geeigneter Verfahrensmechanismus ist, um die Transparenz von Vertragsklauseln zu beurteilen. Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass eine Verbandsklage auf Unterlassung von der Definition her eine abstrakte Prüfung der betreffenden Klausel voraussetze, während die Transparenzkontrolle eine konkrete Prüfung des spezifischen Vertragsverhältnisses erfordere, zu dem die fragliche Klausel gehöre, wobei der Schwerpunkt auf den vorvertraglichen Informationen für die Verbraucher liege. Es stelle sich daher die Frage, ob eine Verbandsklage zur Kontrolle der Transparenz einer Klausel geeignet sei. Darüber hinaus sei fraglich, ob eine Verbandsklage zur Überprüfung der Transparenz gegen alle Finanzinstitute (über hundert), die das Bankensystem eines ganzen Landes bildeten, erhoben werden könne, wenn die einzige Gemeinsamkeit zwischen diesen Instituten darin bestehe, dass sie eine ähnliche Klausel in ihren Hypothekendarlehensverträgen verwendeten.

    17.

    Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Definition des Durchschnittsverbrauchers in Fällen, in denen es Unterschiede zwischen den zahlreichen am Rechtsstreit beteiligten Finanzinstituten, den verwendeten Vertragsmodellen und den betroffenen Kunden gebe und in denen die betreffenden Klauseln über einen langen Zeitraum verwendet worden seien.

    18.

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die innerstaatliche Rechtsprechung die Schwierigkeiten verdeutliche, die mit der abstrakten Transparenzkontrolle verbunden seien. Es verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien). Nach einer Entscheidung dieses Gerichts könne es die Willensfreiheit des Verbrauchers, der nicht die Nichtigkeit des Vertrags in der mit der Verbandsklage verfolgten Weise erreichen wolle, verletzen, wenn die Wirkungen einer Verbandsklage auf eine Gesamtheit von Verträgen erstreckt würden. Das vorlegende Gericht verweist außerdem auf seine eigene Rechtsprechung. Es habe in der Vergangenheit festgestellt, dass eine solche abstrakte Gültigkeitskontrolle von Mindestzinssatzklauseln unter Berücksichtigung der Definition eines Durchschnittsverbrauchers und der Umstände des Abschlusses von Musterverträgen möglich sei. In den betreffenden Fällen habe sich die Verbandsklage allerdings gegen ein einzelnes Finanzinstitut oder gegen eine sehr begrenzte Anzahl von Instituten gerichtet, so dass die beanstandeten Praktiken und Klauseln leichter auf Standardfälle hätten reduziert werden können und es auch eher möglich gewesen sei, eine Beurteilung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu treffen.

    19.

    Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich eine zusätzliche Komplexität für die abstrakte Transparenzkontrolle, wenn, wie im vorliegenden Rechtsstreit, eine Klage auf Rückerstattung mit einer Unterlassungsklage verbunden werde. Für die Entscheidung über die konkreten vermögensrechtlichen Folgen, die eine Nichtigerklärung für den einzelnen betroffenen Verbraucher haben könne, seien Individualklagen einzelner Verbraucher besser geeignet.

    20.

    In Anbetracht dieser Erwägungen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist es mit Art. 4 Abs. 1 (Bezugnahme auf alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände) und Art. 7 Abs. 3 (Bezugnahme auf ähnliche Klauseln) der Richtlinie 93/13 vereinbar, Klauseln, die von über hundert Finanzinstituten in Millionen von Bankverträgen verwendet wurden, mit dem Ziel der Transparenzkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage abstrakt zu beurteilen, ohne die Qualität der zur Verfügung gestellten vorvertraglichen Informationen über die rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile der jeweiligen Klausel oder die übrigen im jeweiligen Einzelfall den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen?

    2.

    Ist es mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 vereinbar, eine abstrakte Transparenzkontrolle aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers vorzunehmen, wenn mehrere Vertragsangebote an verschiedene spezifische Verbrauchergruppen gerichtet sind oder wenn die verwendenden Unternehmen zahlreich sind, wirtschaftlich und geografisch sehr unterschiedliche Tätigkeitsbereiche aufweisen und die fraglichen Klauseln über einen sehr langen Zeitraum verwendet haben, in dem sich das öffentliche Bewusstsein darüber nach und nach entwickelt hat?

    21.

    Schriftliche Erklärungen wurden von folgenden Finanzinstituten eingereicht: Caixabank, S.A., Banco Santander, S.A., Targobank, S.A., Caja Rural de Teruel, S.C.C., Caja Rural de Navarra, S.C.C., Caja Rural de Jaén, Barcelona und Madrid, S.C.C., Caja Rural de Asturias, S.C.C., Arquia Bank, S.A., vormals Caja de Arquitectos, S.C.C., Nueva Caja Rural de Aragón, S.C.C., Caja Rural de Granada, S.C.C., Caja Rural del Sur, S.C.C., Caja Rural de Albacete, Ciudad Real und Cuenca, S.C.C. (Globalcaja), Caja Rural Central, S.C.C. u. a., Unicaja Banco, S.A., Banco de Sabadell, S.A. und Ibercaja Banco S.A. Auch die ADICAE, die spanische, die polnische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Der Gerichtshof hat den Verfahrensbeteiligten schriftliche Fragen zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt. Mit Ausnahme der polnischen und der portugiesischen Regierung waren diese Beteiligten auch in der Sitzung vom 28. September 2023 vertreten.

    IV. Würdigung

    Vorbemerkung zur gerichtlichen Überprüfung der fraglichen Mindestzinssatzklauseln („clausulas suelo“)

    22.

    Vor der Erörterung der Vorlagefragen sind einige Vorbemerkungen zur gerichtlichen Überprüfung von Mindestzinssatzklauseln in Spanien und vor dem Gerichtshof angebracht.

    23.

    Mindestzinssatzklauseln waren Standardklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Hypothekendarlehensverträgen mit variablem Zinssatz, die von zahlreichen Finanzinstituten in Spanien mit Verbrauchern abgeschlossen wurden. Mit ihnen wurde ein Mindestsatz festgelegt, unter den der variable Zinssatz nicht absinken durfte, auch wenn der Referenzsatz diesen Mindestsatz unterschritt. Der in diesen Darlehensverträgen festgelegte Mindestzinssatz lag in der Regel zwischen zwei und fünf Prozent ( 4 ). Als die in Hypothekendarlehensverträgen verwendeten Referenzzinssätze (in der Regel der Euribor) deutlich unter den Schwellenwert fielen, der durch die Mindestzinssatzklauseln festgelegt worden war, mussten die Verbraucher, die Darlehensverträge mit solchen Klauseln abgeschlossen hatten, feststellen, dass sie von dieser Senkung nicht profitieren konnten und trotz einer Hypothek mit variablem Zinssatz weiterhin den Mindestzinssatz zahlen mussten ( 5 ). Einzelne Verbraucher und Verbraucherverbände haben in Spanien Tausende von Klagen erhoben, mit denen sie die Rechtswidrigkeit der Mindestzinssatzklauseln und die Rückerstattung der zu viel gezahlten Zinsen geltend machten.

    24.

    Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hat in einem wegweisenden Urteil vom 9. Mai 2013 (bestätigt durch das Urteil vom 25. März 2015) die Zulässigkeit von Mindestzinssatzklauseln im Rahmen einer Verbandsklage eines Verbraucherverbands gegen mehrere Bankinstitute geprüft. Es stellte fest, dass solche Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags beträfen, für die Verbraucher grammatikalisch verständlich seien und demnach dem Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 genügten. Die in jener Rechtssache fraglichen Mindestzinssatzklauseln seien zwar an sich rechtmäßig, genügten jedoch nicht dem Erfordernis der materiellen Transparenz ( 6 ). Diese Feststellung wurde damit begründet, dass die Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ausreichend über die rechtlichen und finanziellen Folgen der beanstandeten Klausel informiert worden seien. Das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) würdigte diese Klauseln anhand der allgemeinen Kriterien von Treu und Glauben, der Ausgewogenheit der vertraglichen Rechte und Pflichten und der Transparenz gemäß den Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 und erklärte sie für nichtig.

    25.

    In seinem Urteil vom 9. Mai 2013 hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Restitutionswirkung der Nichtigkeitsfeststellung auf Überzahlungen beschränkt, die nach der Verkündung seines Urteils geleistet wurden, da eine Rückwirkung schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für den Bankensektor gehabt hätte. Diese zeitliche Begrenzung der Restitutionswirkung hat der Gerichtshof in seinem Urteil Gutiérrez Naranjo u. a. ( 7 ) für mit Art. 6 der Richtlinie 93/13 unvereinbar erklärt.

    26.

    Vor diesem Hintergrund werde ich die beiden Vorlagefragen prüfen.

    Zur ersten Frage

    27.

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie es einem nationalen Gericht erlauben, im Rahmen einer Verbandsklage eine abstrakte Beurteilung der Transparenz von Vertragsklauseln vorzunehmen, wenn die Klage gegen eine Vielzahl von Finanzinstituten gerichtet ist und eine große Zahl von Verträgen betrifft.

    28.

    Die Zweifel des vorlegenden Gerichts, dass eine Verbandsklage für eine abstrakte Prüfung von Vertragsklauseln geeignet sei, ergeben sich erstens aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13. Danach ist die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen. Zweitens weist das vorlegende Gericht auf den unterschiedlichen Charakter von Individual- und Verbandsklage hin: Bei der Individualklage gehe es um eine konkrete Prüfung des Vertragsverhältnisses, in dessen Rahmen die fragliche Klausel verwendet werde, während es bei der Verbandsklage um eine abstrakte Prüfung der betreffenden Klausel gehe. Drittens verweist das vorlegende Gericht auf die Komplexität des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, die auf der sehr großen Zahl der Beklagten und betroffenen Verträge sowie auf den zahlreichen unterschiedlichen Formulierungen der Mindestzinssatzklausel beruhe.

    29.

    Um diese Bedenken auszuräumen, ist zunächst an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Art der gerichtlichen Überprüfung bei Verbands- und bei Individualklagen sowie zur Prüfung des Erfordernisses der Transparenz von Vertragsklauseln zu erinnern. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung werde ich sodann prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Transparenzkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage von einer Größenordnung wie der des Ausgangsverfahrens möglich ist.

    a) Art der gerichtlichen Überprüfung bei Verbands- und bei Individualklagen

    30.

    Das durch die Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem stützt sich auf zwei Arten von Klagen: Individualklagen und Verbandsklagen. Diese beiden Arten von Klagen stehen in einem Verhältnis der Komplementarität ( 8 ). Parallel zu dem subjektiven Recht des Verbrauchers, ein Gericht mit der Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Klausel eines von ihm geschlossenen Vertrags zu befassen, erlaubt der in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 vorgesehene Mechanismus den Mitgliedstaaten, eine Kontrolle der in Musterverträgen enthaltenen missbräuchlichen Klauseln mit von Verbraucherschutzvereinigungen im öffentlichen Interesse erhobenen Unterlassungsklagen einzuführen ( 9 ).

    31.

    Der Zweck, die Verwendung missbräuchlicher Klauseln zu unterbinden, wird auch mit der Richtlinie 2009/22/EG ( 10 ) verfolgt, die den durch die Richtlinie 93/13 angestrebten Verbraucherschutz um die Bereitstellung angemessener verfahrensrechtlicher Mittel bei Unterlassungsklagen ergänzt ( 11 ).

    32.

    Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Individual‑ und Verbandsklagen im Rahmen der Richtlinie 93/13 unterschiedliche Gegenstände und Rechtswirkungen haben und sich in ihrem Charakter unterscheiden ( 12 ). So müssen die Gerichte bei der Klage eines einzelnen Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel im Rahmen eines bereits geschlossenen Vertrags konkret beurteilen. Das nationale Gericht hat gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Im Fall einer Unterlassungsklage ist es Aufgabe der Gerichte, die Missbräuchlichkeit von Klauseln, die Gewerbetreibende in Verträgen mit Verbrauchern verwenden, abstrakt zu beurteilen. Der präventive Charakter und der Abschreckungszweck der Unterlassungsklagen sowie ihre Unabhängigkeit von einzelnen konkreten Streitigkeiten haben außerdem zur Folge, dass diese Klagen auch dann zur Verfügung stehen müssen, wenn die Klauseln, deren Verbot beantragt wird, nicht konkret in Verträgen verwendet worden sind ( 13 ).

    33.

    Hervorzuheben ist, dass die abstrakte Kontrolle missbräuchlicher Klauseln eine Besonderheit des kollektiven Rechtsschutzsystems nach Art. 8 der Richtlinie 93/13 darstellt ( 14 ). Die Berücksichtigung aller individuellen Umstände des Vertragsabschlusses ist nur im Rahmen einer Individualklage angebracht ( 15 ). Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, wonach die Würdigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände „unbeschadet des Artikels 7“ erfolgt. Bei einer Verbandsklage ist die gerichtliche Überprüfung also immer abstrakt, unabhängig davon, ob die zu prüfenden Klauseln in konkreten Verträgen verwendet wurden oder nicht.

    34.

    Was die Wirkungen von Individual- und Verbandsklagen betrifft, so gilt die Feststellung der Missbräuchlichkeit auf eine Individualklage hin nur für den Verbraucher, der als Partei an dem Verfahren beteiligt ist. Bei Verbandsklagen kann es sein, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit eine umfassendere Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das nationale Recht vorsehen, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit bei einer Unterlassungsklage gegen einen Gewerbetreibenden eine Ultra-partes-Wirkung hat ( 16 ).

    35.

    Die Mechanismen zur abstrakten Überprüfung im Rahmen einer Verbandsklage ergänzen das subjektive Recht des Verbrauchers, eine Individualklage zu erheben, bei der alle Umstände seines Vertrags zu berücksichtigen sind. Da die Verbands- und die Individualklage in einem Verhältnis der Komplementarität zueinander stehen, muss die Möglichkeit der Inanspruchnahme beider Klagearten im Rahmen des durch die Richtlinie 93/13 geschaffenen Rechtsschutzsystems gewährleistet sein. Die für eine Individualklage geltenden Anforderungen, insbesondere das Erfordernis, alle individuellen Umstände des Vertrags zu berücksichtigen, stehen daher der Erhebung einer Verbandsklage, die von einer konkreten Streitigkeit und von individuellen Umständen unabhängig ist, nicht entgegen.

    36.

    Individualklage und Verbandsklage sind Bestandteile des umfassenden Schutzsystems, das mit der Richtlinie 93/13 eingeführt wurde.

    b) Überprüfung der Transparenz von Vertragsklauseln

    37.

    Das Transparenzerfordernis kommt in der Bestimmung zum Ausdruck, dass Vertragsklauseln klar und verständlich abgefasst sein müssen (Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13) ( 17 ). Im Übrigen ergibt sich aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 und aus Nr. 1 Buchst. i ihres Anhangs, dass der Verbraucher vorab Kenntnis von allen Vertragsklauseln erlangen muss, um in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können, ob er durch diese Klauseln gebunden sein will ( 18 ).

    38.

    Insbesondere darf die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 weder den „Hauptgegenstand des Vertrages“ noch die „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, [betreffen,] sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind“. Daraus folgt, dass die Ausnahme von der Kontrolle der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln bei den zentralen Vertragsklauseln (im Folgenden: Ausnahme für zentrale Klauseln) nur dann greift, wenn diese Klauseln transparent sind.

    39.

    Art. 5 der Richtlinie 93/13 stellt eine allgemeinere Regel zur Transparenz auf, wonach Vertragsklauseln „stets klar und verständlich abgefasst sein“ müssen. Man könnte, wie in der wissenschaftlichen Literatur vertreten, davon ausgehen, dass diese Bestimmung ein „übergeordnetes Gebot“ der Transparenz aufstellt ( 19 ).

    40.

    Der Gerichtshof hat festgestellt, dass das Transparenzerfordernis, wie es in Art. 4 der Richtlinie 93/13 enthalten ist, dieselbe Tragweite hat wie das in Art. 5 dieser Richtlinie genannte ( 20 ).

    41.

    Seinen Ausführungen zufolge ist das Transparenzerfordernis umfassend zu verstehen ( 21 ) und beinhaltet sowohl formale als auch materielle Kriterien ( 22 ). Im Allgemeinen bezieht sich die formale Transparenz auf den Wortlaut und die Art der Darstellung der relevanten Informationen für den Verbraucher. Zur Veranschaulichung werden in den Kommissionsleitlinien zu missbräuchlichen Klauseln die folgenden Aspekte der Darstellung von Vertragsklauseln als relevante Faktoren für die Bewertung der Transparenz aufgeführt: Klarheit der visuellen Darstellung, die Frage, ob ein Vertrag logisch aufgebaut ist und ob wichtige Bestimmungen gebührend dargestellt und nicht unter anderen Bestimmungen verborgen werden, oder die Frage, ob die Klauseln in einem Vertrag oder Kontext enthalten sind, in dem sie nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können (auch in Verbindung mit anderen mit ihnen in Zusammenhang stehenden Vertragsklauseln) ( 23 ).

    42.

    Die Prüfung der materiellen Transparenz ( 24 ) von Vertragsklauseln geht über die Beurteilung der Frage, ob eine Klausel klar und verständlich abgefasst ist, hinaus und erstreckt sich auf die Frage, ob eine Klausel es dem Verbraucher ermöglicht, ihre tatsächlichen Folgen zu verstehen.

    43.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung, dass er vor Abschluss eines Vertrags über die Vertragsbedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Information entscheidet er, ob er sich durch die vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen binden möchte ( 25 ). Folglich ist dieses Transparenzerfordernis so zu verstehen, dass die betreffende Vertragsklausel nicht nur in formeller und grammatikalischer Hinsicht für den Verbraucher nachvollziehbar sein muss, sondern auch, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt werden muss, die konkrete Funktionsweise dieser Klausel zu verstehen und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen ( 26 ).

    44.

    Der Gerichtshof hat das Transparenzerfordernis bisher im Rahmen von Individualklagen anhand von Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 geprüft, und zwar hauptsächlich in Bezug auf Darlehensverträge. In einem solchen Zusammenhang ist die Frage, ob das Transparenzerfordernis beachtet wurde, unter Berücksichtigung aller einschlägigen Informationen und aller relevanten Tatsachen zu prüfen, einschließlich der Werbung und der Informationen, die im Rahmen der Aushandlung des betreffenden Darlehensvertrags nicht nur vom Darlehensgeber selbst, sondern auch von jeder anderen Person, die für diesen Gewerbetreibenden am Vertrieb der Darlehen beteiligt war, bereitgestellt wurden ( 27 ). Insbesondere hat das nationale Gericht in Anbetracht aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zu prüfen, ob dem Verbraucher in dem betreffenden Fall sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtung auswirken könnten und ihm u. a. erlauben, die Gesamtkosten seines Darlehens einzuschätzen ( 28 ). Zu den Gesichtspunkten, die für diese Beurteilung relevant sind, gehört auch der Sprachgebrauch des Finanzinstituts in den vorvertraglichen und vertraglichen Unterlagen ( 29 ).

    45.

    Daraus folgt, dass das nationale Gericht im Rahmen einer Individualklage bei der Prüfung der Transparenz alle den Abschluss des Darlehensvertrags begleitenden Umstände zu berücksichtigen hat. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es bei den meisten im Rahmen der gerichtlichen Beurteilung der Transparenz untersuchten Faktoren um eine objektive Beurteilung geht. Das nationale Gericht beurteilt eine Standardvertragsklausel, die in den vorformulierten Standardvertrags- und vorvertraglichen Unterlagen enthalten ist, die der Darlehensgeber im Voraus für Darlehen erstellt hat, die er einer unbestimmten Zahl von Verbrauchern anbietet. Ferner ist bei der Prüfung der Transparenz nicht auf den einzelnen konkreten Verbraucher, sondern auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ( 30 ).

    46.

    Bei dem Begriff des Durchschnittsverbrauchers handelt es sich um eine juristische Fiktion, die darauf abzielt, eine sehr vielschichtige Wirklichkeit auf einen gemeinsamen Nenner zu reduzieren ( 31 ). Als solche stellt er einen objektiven Maßstab dar. Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass die Einhaltung des Transparenzerfordernisses anhand des objektiven Maßstabs des normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchers zu prüfen ist ( 32 ), dem insbesondere weder der unterdurchschnittlich noch der überdurchschnittlich verständige Verbraucher entspricht ( 33 ).

    47.

    In Anbetracht der im Rahmen der Transparenzprüfung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigenden Faktoren wurde in der Lehre zutreffend ausgeführt, dass die „Schwelle für die Erfüllung des Transparenzkriteriums“ erheblich angehoben ( 34 ) und damit das Leitbild des Durchschnittsverbrauchers „der Wirklichkeit des Verbraucherverhaltens beim Abschluss von Standardverträgen“ angepasst worden ist ( 35 ).

    48.

    Zur Veranschaulichung ein weiteres Beispiel: In einer Rechtssache, die auf Fremdwährung lautende Verträge betraf, hat der Gerichtshof entschieden, dass es zur Erfüllung des Transparenzerfordernisses nicht ausreicht, dem Verbraucher, der in dem konkreten Fall eine beträchtliche Menge an Informationen erhalten hatte, lediglich Informationen, selbst zahlreiche, zu übermitteln. Der Verbraucher muss auch auf den wirtschaftlichen Kontext hingewiesen werden, der Auswirkungen auf die Schwankungen der Wechselkurse haben könnte, und in die Lage versetzt werden, die potenziell schwerwiegenden Folgen für seine finanzielle Situation konkret zu verstehen ( 36 ).

    49.

    Je höher die Schwelle zur Erfüllung des Transparenzerfordernisses ist, desto geringer sind die Anforderungen, die man an den Durchschnittsverbraucher stellen kann ( 37 ). Darüber hinaus obliegt es dem Gewerbetreibenden, vor Gericht den Beweis für die ordnungsgemäße Erfüllung der vorvertraglichen und vertraglichen Pflichten zu erbringen, die u. a. mit dem Erfordernis der Transparenz vertraglicher Klauseln, wie es sich u. a. aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ergibt, verknüpft sind ( 38 ).

    50.

    Vor dem Hintergrund eines objektiven Maßstabs für das Leitbild des Durchschnittsverbrauchers und der Festlegung einer hohen Schwelle für die Erfüllung des Transparenzerfordernisses ist die gerichtliche Überprüfung der Transparenz von Vertragsklauseln im Rahmen von Individualverfahren objektiver geworden und stellt auf die Standardisierung der Vertragsschlüsse ab.

    51.

    Im Licht dieser Erwägungen werde ich als Nächstes prüfen, ob eine Verbandsklage ein geeigneter gerichtlicher Mechanismus zur Transparenzkontrolle ist.

    c) Geeignetheit einer Verbandsklage zur Überprüfung der Transparenz von Vertragsklauseln

    52.

    In dem mit der Richtlinie 93/13 geschaffenen Schutzsystem hängt die gerichtliche Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln und ihrer Transparenz nicht von der Art der Klage ab, sei es Individualklage oder Verbandsklage. Bereits am Anfang von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, der eine individuelle Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel vorsieht, heißt es, dass diese Prüfung „unbeschadet des Artikels 7“ erfolgt. Im Einklang mit dem oben erwähnten Grundsatz der Komplementarität schließt die individuelle Beurteilung der potenziellen Missbräuchlichkeit einer in einem bestimmten Vertrag enthaltenen Klausel deren abstrakte Beurteilung im Rahmen einer Verbandsklage nicht aus.

    53.

    Was das Erfordernis der Transparenz angeht, so enthält die Richtlinie 93/13 nichts, was seine Überprüfung im Rahmen einer Verbandsklage ausschlösse. Erstens ist die Transparenz gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 eine Vorbedingung der „Ausnahme für zentrale Klauseln“. Wäre es in Verbandsklagen nicht möglich, die Transparenz von Vertragsklauseln zu prüfen, hieße das, dass „zentrale Klauseln“ in solchen Verfahren immer einer Überprüfung entzogen wären. Es gäbe nämlich keine andere Möglichkeit zu prüfen, ob sie klar und verständlich abgefasst sind.

    54.

    Zweitens macht Art. 5 der Richtlinie 93/13 ( 39 ), außer in Bezug auf die anzuwendende Auslegungsregel, keinen Unterschied zwischen Individual- und Verbandsklagen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die für den Verbraucher günstigste Auslegungsregel im Rahmen des in den Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 Abs. 2 vorgesehenen Rechtsschutzes durch Verbandsklagen keine Anwendung findet ( 40 ).

    55.

    Die in Art. 5 der Richtlinie festgelegte enge Ausnahme zeigt, dass sich das Transparenzerfordernis auf die Standardklausel bezieht und nicht auf die Art der Klage, die bei den Gerichten erhoben wird, um diese Klausel überprüfen zu lassen. Wie ich bereits erwähnt habe ( 41 ), handelt es sich bei Art. 5 um eine zentrale Bestimmung, in der ein „übergeordnetes Gebot“ verankert ist, das nicht allein auf Individualklagen beschränkt werden kann. In Anbetracht seiner Bedeutung für das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Kontrollsystem muss das Transparenzerfordernis daher die gleiche Gültigkeit für die in Art. 7 Abs. 2 vorgesehenen Mechanismen des kollektiven Rechtsschutzes besitzen ( 42 ).

    56.

    Statt die Transparenzkontrolle bei einer Verbandsklage auszuschließen, ist es vielmehr erforderlich, die gerichtliche Überprüfung an den Zweck und die Rechtswirkungen von Verbandsklagen anzupassen.

    57.

    Eine andere Auslegung würde, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, den Zweck von Verbandsklagen unterlaufen, indem sie das Transparenzerfordernis von der gerichtlichen Kontrolle ausnähme, obwohl der kollektive Rechtsschutz einen wesentlichen Bestandteil des in der Richtlinie 93/13 festgelegten Schutzsystems darstellt.

    58.

    Darüber hinaus wäre ein solcher Ausschluss mit dem durch die Richtlinie 2009/22 gewährten Rechtsschutz unvereinbar, der, wie oben dargelegt, den in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbraucherschutz ergänzt. Mit der Richtlinie 2009/22 erfolgt eine Harmonisierung von Unterlassungsklagen zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen, die von den in ihrem Anhang I aufgeführten Richtlinien, zu denen die Richtlinie 93/13 gehört, erfasst werden. Mit einer Unterlassungsklage kann ein Verstoß gegen jedwede Bestimmung der Richtlinie 93/13, einschließlich derjenigen, die sich auf die Transparenz beziehen, geltend gemacht werden.

    59.

    Es stünde auch im Widerspruch zu den jüngsten Entwicklungen in der Gesetzgebung zur Stärkung der verfahrensrechtlichen Mechanismen zum Schutz der kollektiven Interessen der Verbraucher, nämlich dem Erlass der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen ( 43 ), wenn Vertragsklauseln im Rahmen von Verbandsklagen von der Transparenzkontrolle ausgenommen würden. Die Richtlinie 2020/1828 findet Anwendung auf Verbandsklagen ( 44 ) gegen Verstöße gegen die in ihrem Anhang I enthaltenen Vorschriften des Unionsrechts einschließlich der Richtlinie 93/13 ( 45 ). Diese Entwicklungen zu ignorieren und die Richtlinie 93/13 in dem Sinne auszulegen, dass eine Transparenzkontrolle bei einer Verbandsklage nicht in Betracht käme, würde das System des Verbraucherschutzes, das nunmehr durch die Richtlinie 2020/1828 ergänzt wird, ernsthaft fragmentieren und in seiner Wirksamkeit untergraben. Dies wäre ein schwerwiegender Rückschlag für den Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher.

    60.

    Was die Elemente der gerichtlichen Überprüfung des Transparenzerfordernisses bei einer Verbandsklage anbelangt, lässt sich die im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Rechtsprechung mit den im Hinblick auf den verwendeten Verfahrensmechanismus erforderlichen Anpassungen übertragen. Die für eine Individualklage spezifischen Elemente, d. h. die Berücksichtigung der den jeweiligen Vertragsschluss begleitenden Umstände, sind nicht anwendbar. Hingegen finden die objektiven Elemente der Transparenzkontrolle im Rahmen einer abstrakten Prüfung der Transparenz Anwendung. In diesem Kontext muss es, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen ausgeführt hat, möglich sein, die Vertragsklausel unabhängig von den konkreten und individuellen Umständen der einzelnen Verträge zu beurteilen. Dies gilt aufgrund der Standardisierung der Vertragsabschlüsse, die sich in der objektiven Auslegung des Maßstabs eines Durchschnittsverbrauchers widerspiegelt, und zwar unabhängig von dem zur Transparenzkontrolle verwendeten Verfahrensmechanismus.

    61.

    Um die formale und materielle Transparenz einer Klausel in Darlehensverträgen zu beurteilen, hat sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere auf die Standarddokumente und die üblichen vertraglichen und vorvertraglichen Praktiken zu konzentrieren, die der betreffende Gewerbetreibende gegenüber dem Durchschnittsverbraucher bei der Werbung für den Vertrag und beim Vertragsangebot verwendet bzw. anwendet. Die Überprüfung erstreckt sich auf die Vertragspraktiken des betreffenden Gewerbetreibenden, aber auch auf seine vorvertraglichen Praktiken, d. h. auf die an jeden Verbraucher gerichtete Werbung und die vorvertraglichen Standardinformationen oder Hinweise jeder anderen Person, die für den Gewerbetreibenden am Vertrieb des betreffenden Darlehens beteiligt war. Alle diese Elemente bilden das, was das nationale Rechtsmittelgericht treffend als „Standardmuster“ für den Vertragsabschluss bezeichnet hat ( 46 ). Je nach Art der Vertragsklausel muss das nationale Gericht die maßgeblichen Kriterien für die Erfüllung des Transparenzerfordernisses bestimmen. Anhand dieser Kriterien hat das Gericht zu prüfen, ob der Durchschnittsverbraucher in der Lage ist, die konkrete Funktionsweise dieser Klausel zu verstehen und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen.

    62.

    Was speziell die Prüfung der Mindestzinssatzklauseln im Ausgangsverfahren angeht, ist zu prüfen, ob die Aufnahme dieser Klauseln eine allgemeine Praxis in Standard-Bankunterlagen darstellte. Die gerichtliche Überprüfung konzentriert sich sodann auf die üblichen vertraglichen und vorvertraglichen Praktiken der betreffenden Gewerbetreibenden, um die Kriterien zu ermitteln, die die konkrete Klausel transparent machen oder nicht.

    63.

    Wie das vorlegende Gericht ausführt, hat das nationale Berufungsgericht bestimmte Praktiken genannt, die für die Transparenzkontrolle der Mindestzinssatzklauseln von Bedeutung sind, wie das Verdecken oder Verschleiern der Wirkungen der Klausel, ihre Position im Vertrag oder ihre Darstellung zusammen mit der Klausel, die die Anpassung nach oben begrenzt ( 47 ). Bezieht sich die gerichtliche Überprüfung auf mehrere Beklagte, muss für jede Bank ermittelt werden, ob die Transparenzkriterien in ihrer Vertragspraxis erfüllt wurden oder nicht ( 48 ).

    64.

    Ein relevantes Kriterium für die Beurteilung der Transparenz der Mindestzinssatzklausel in Standardverträgen kann zudem die Frage sein, ob die Laufzeit des Vertrags in den dem Verbraucher zur Verfügung gestellten Informationen zum Ausdruck kommt. Ein Hypothekenvertrag ist ein langfristiger Vertrag oder manchmal sogar, wie es in der wissenschaftlichen Literatur heißt, ein „lebenslanger“ Vertrag ( 49 ). Der Verbraucher muss in der Lage sein, die Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Klausel, künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen und den wirtschaftlichen Folgen für seine finanzielle Situation anhand von Simulationen zu verstehen. Zur Erfüllung des Transparenzerfordernisses genügt es also nicht, dass dem Verbraucher irgendeine Art von Information über die Mindestzinssatzklausel übermittelt wird, wenn diese Information auf der Hypothese beruht, dass der wirtschaftliche Kontext über die gesamte Laufzeit des Vertrags unverändert bleiben wird ( 50 ). Der Verbraucher muss darüber informiert werden, dass veränderte wirtschaftliche Umstände zur Auslösung der Mindestzinssatzklausel und damit zu schwerwiegenden Folgen für seine finanzielle Situation führen können.

    65.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gerichtliche Überprüfung der Transparenz bei Verbandsklagen geeignet und möglich ist. Die vom nationalen Berufungsgericht angewandte Methode, wie sie vom vorlegenden Gericht beschrieben wird, ist insoweit ein konkretes Beispiel. Die gerichtliche Kontrolle muss dem für Verbandsklagen spezifischen Abstraktionsniveau angepasst sein und sich auf die übliche Vertragspraxis des Gewerbebetreibenden gegenüber dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher richten.

    d) Transparenzkontrolle bei einer Verbandsklage gegen eine Vielzahl von Gewerbetreibenden

    66.

    Das vorlegende Gericht wirft als Nächstes die Frage auf, ob die „mengenmäßigen“ Besonderheiten des Ausgangsverfahrens nicht zu dem Ergebnis führen müssten, dass die abstrakte Transparenzkontrolle nicht geeignet sei. Im Gegensatz zu einer Verbandsklage gegen ein einzelnes Finanzinstitut oder eine sehr kleine Zahl von Finanzinstituten betreffe das Ausgangsverfahren eine Vielzahl von beklagten Finanzinstituten und eine große Zahl von Verträgen mit vielen verschiedenen Formulierungen, die über einen langen Zeitraum verwendet worden seien.

    67.

    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 vorsieht, dass sich die kollektiven Rechtsmittel unter Beachtung der nationalen Rechtsvorschriften „getrennt oder gemeinsam“ gegen „mehrere“ Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors richten können, die gleiche allgemeine Vertragsklauseln oder „ähnliche“ Klauseln verwenden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass das maßgebliche Kriterium in Bezug auf die Beklagten bei einer Verbandsklage nicht ihre genaue Zahl, sondern ihre Zugehörigkeit zu demselben Wirtschaftssektor darstellt. Was den Streitgegenstand anbelangt, so bezieht sich die gerichtliche Überprüfung auf ähnliche Klauseln.

    68.

    Die beklagten Finanzinstitute, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, sowie die spanische Regierung haben ausgeführt, dass die „Gleichartigkeit“ des Sachverhalts eine notwendige Voraussetzung für eine Verbandsklage sei. Diese Voraussetzung sei im Wesentlichen erfüllt, wenn die verschiedenen individuellen Sachverhalte, weil sie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht so ähnlich seien, dass eine einheitliche Beurteilung möglich sei, gemeinsam entschieden werden könnten. Nach ihrer Auffassung hätte die Verbandsklage im Ausgangsverfahren nicht zugelassen werden dürfen, weil das Erfordernis der Gleichartigkeit nicht erfüllt sei.

    69.

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass weder die Richtlinie 93/13 noch die Richtlinie 2009/22 die „Gleichartigkeit“ der Sachverhalte als Voraussetzung für den Rechtsschutz durch eine Verbandsklage vorsieht. Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 nennt als materielle Voraussetzungen, dass es sich um Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors und um ähnliche Vertragsklauseln handeln muss. Er enthält keine verfahrensrechtlichen Anforderungen hinsichtlich des erforderlichen Grades der Ähnlichkeit der einzelnen Ansprüche als Voraussetzung für die Erhebung einer Verbandsklage bei Gericht; dies ist eine Frage des nationalen Verfahrensrechts. Zwar hat der Gerichtshof bereits mehrfach und unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und unterliegen damit gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass diese Verfahren nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte gelten (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( 51 ).

    70.

    Das nationale Verfahrensrecht kann also vorsehen, dass die „Gleichartigkeit“ der betreffenden Klagen eine notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verbandsklage zur Überprüfung missbräuchlicher Klauseln ist. Da Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 die gerichtliche Überprüfung ähnlicher Klauseln in Verbandsklageverfahren vorsieht, darf das Erfordernis der Gleichartigkeit jedoch nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass bei der betreffenden Klage alle Umstände identisch sein müssen. Wenn eine Verbandsklage dieselbe Kategorie von Beklagten, dieselbe Art von Klausel mit denselben Wirkungen und dieselbe Art von Rechtsverhältnissen betrifft, könnten alle diese Elemente ein starker Anhaltspunkt dafür sein, dass der Streitgegenstand hinreichend ähnlich ist, um diese Verbandsklage zuzulassen. Wenn es möglich ist, eine objektive gerichtliche Beurteilung von standardisierten Vertragsklauseln vorzunehmen, sollte es nicht erforderlich sein, die tatsächlichen und rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen, die für die einzelnen von diesen Klauseln betroffenen Verträge und Verbraucher spezifisch sind.

    71.

    Letztlich ist es Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob im Fall des Ausgangsverfahrens ein ausreichender Grad an Ähnlichkeit besteht, um die Verbandsklage für zulässig zu erklären. Insoweit kann es berücksichtigen, dass die Beklagten allesamt Bankinstitute sind, dass es sich bei den fraglichen Klauseln durchweg um standardisierte Mindestzinssatzklauseln handelt, dass die Rechtsverhältnisse, zu denen die Mindestzinssatzklauseln gehören, Hypothekenverträge sind und dass die Wirkung dieser Klauseln darin besteht, eine Absenkung des Zinssatzes unter eine bestimmte Schwelle auszuschließen.

    72.

    Von Bedeutung ist meines Erachtens, dass auch die Richtlinie 2020/1828 – das wichtigste Beispiel für eine Harmonisierung im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes – nicht alle Aspekte der von ihr geregelten Verbandsklagen harmonisiert hat. Im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie obliegt es nach dem 12. Erwägungsgrund dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten darüber zu entscheiden, „welchen Grad der Ähnlichkeit die Einzelansprüche aufweisen müssen …, damit eine Verbandsklage in einer Angelegenheit zulässig ist“. In diesem Erwägungsgrund wird jedoch an die Begrenzung durch den Effektivitätsgrundsatz erinnert, wenn gesagt wird, dass „[d]iese nationalen Vorschriften … das wirksame Funktionieren eines Verbandsklageverfahrens gemäß der … Richtlinie [2020/1828] nicht beeinträchtigen [sollten]“.

    73.

    Auch wenn die Richtlinie 2020/1828 im Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist, haben einige Finanzinstitute in der mündlichen Verhandlung auf Beispiele für nationale Umsetzungen dieser Richtlinie und insbesondere auf das deutsche und das italienische Recht verwiesen, die beide für Verbandsklagen das Erfordernis der „Gleichartigkeit“ vorsehen.

    74.

    Daraus, dass es nationale Rechtsvorschriften gibt, die das Erfordernis der „Gleichartigkeit“ vorsehen, lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Verbandsklage aufgrund dieses Erfordernisses in einem Fall, in dem sie sich gegen eine Vielzahl von Finanzinstituten richtet und eine große Anzahl von Verträgen betrifft, nicht geeignet wäre. Zu prüfen ist, ob mit der Umsetzung des Erfordernisses der Gleichartigkeit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Ähnlichkeit der von der Verbandsklage erfassten Sachverhalte, der Verfahrensökonomie und der Effektivität des kollektiven Rechtsschutzes erreicht wird ( 52 ).

    75.

    Einige Finanzinstitute haben in ihren Schriftsätzen vorgetragen, dass der Rechtsstreit nicht zu bewältigen sei. Es ist jedoch nicht Sache des Gerichtshofs, empirische Aspekte des Rechtsstreits zu untersuchen. Wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass die betreffende Sach- und Rechtslage eine einheitliche Beurteilung der fraglichen Vertragsklauseln erlaubt, obliegt es diesem Gericht, die für den Fortgang des Verfahrens erforderlichen Prozessführungsmaßnahmen zu treffen.

    76.

    Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Umfang des Rechtsstreits nicht das Recht der einzelnen Finanzinstitute auf wirksamen Rechtsschutz beeinträchtigen darf. Da die Richtlinien 93/13 und 2009/22 keine Bestimmung enthalten, die ein System des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für den Gewerbetreibenden ausdrücklich vorsieht, sind diese Richtlinien im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen ( 53 ). Jedes Finanzinstitut muss die Möglichkeit haben, den Nachweis zu erbringen, dass seine eigene standardisierte Praxis die Transparenzkriterien erfüllt.

    77.

    Eine letzte vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage betrifft die zusätzliche Komplexität, die sich in der vorliegenden Rechtssache dadurch ergibt, dass die Unterlassungsklage mit einer Klage auf Rückerstattung der aufgrund der für missbräuchlich erklärten Klausel geleisteten Beträge verbunden wird. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des nationalen Verfahrensrechts ist, die Art und Weise der Vollstreckung des Urteils in Verbandsklageverfahren zu bestimmen. Etwaige Schwierigkeiten in der Vollstreckungsphase sind kein rechtliches Kriterium für den Ausschluss kollektiver Rechtsschutzverfahren.

    78.

    Nach alledem bin ich der Auffassung, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, soweit er sich auf die Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände bezieht, und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13, soweit er sich auf ähnliche Vertragsklauseln bezieht, dahin auszulegen sind, dass sie es einem nationalen Gericht in Fällen, in denen sich eine Verbandsklage gegen eine Vielzahl von Finanzinstituten richtet und eine große Zahl von Verträgen betrifft, erlauben, in dem betreffenden Verfahren die Transparenz von Vertragsklauseln abstrakt zu beurteilen. Um diese Beurteilung vorzunehmen, hat das nationale Gericht die üblichen vertraglichen und vorvertraglichen Geschäftspraktiken der einzelnen betroffenen Finanzinstitute anhand des objektiven Maßstabs eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu überprüfen.

    Zur zweiten Frage

    79.

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die abstrakte Prüfung der Transparenz aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 vereinbar ist, wenn es sich um eine Verbandsklage handelt, die eine Vielzahl von Finanzinstituten, eine große Zahl unterschiedlicher Verträge und Verbraucher sowie Klauseln betrifft, die über einen langen Zeitraum hinweg in den Verträgen verwendet wurden.

    80.

    Der zweiten Vorlagefrage und der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht Zweifel daran hat, dass der Begriff des „Durchschnittsverbrauchers“ im Rahmen eines Verbandsklageverfahrens mit den „mengenmäßigen“ Merkmalen des Ausgangsrechtsstreits überhaupt definiert werden kann. Das vorlegende Gericht hat dazu festgestellt, dass von der Verbandsklage betroffen sind: 1) eine Vielzahl von Finanzinstituten unterschiedlicher Größe und Struktur, die in verschiedenen geografischen Gebieten tätig sind (von kleinen lokalen Sparkassen bis hin zu einigen der europäischen Großbanken, die international tätig sind), 2) unterschiedliche Vertragsmodelle, die von den einzelnen Finanzinstituten angewendet werden, 3) Klauseln, die über eine lange Zeit verwendet wurden, und 4) verschiedene Verbrauchergruppen, die sich nur schwer standardisieren lassen, wie z. B. Verbraucher, die in von Bauträgern geschlossene Darlehensverträge eintreten, Verbraucher, die an Programmen des sozialen Wohnungsbaus oder an Programmen für den Zugang zu Wohnraum für bestimmte Altersgruppen teilnehmen, oder Verbraucher, die ein Darlehen aufgrund ihres Berufs erhalten (z. B. Beamte oder Angestellte bestimmter Unternehmen).

    81.

    Zum Begriff des Durchschnittsverbrauchers wurde bereits oben im Rahmen der Prüfung der ersten Frage ausgeführt ( 54 ), dass die Einhaltung des Transparenzerfordernisses anhand des objektiven Maßstabs des normal informierten und angemessen aufmerksamen sowie verständigen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen ist ( 55 ), dem insbesondere weder der unterdurchschnittlich noch der überdurchschnittlich verständige Verbraucher entspricht ( 56 ).

    82.

    Die Vorgabe des objektiven Maßstabs des Durchschnittsverbrauchers im Rahmen der Richtlinie 93/13 beruht auf dem Begriff des „Verbrauchers“ gemäß Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13. Aus diesem Begriff ergibt sich, dass der durch die Richtlinie gewährte Schutz von den Zwecken abhängt, zu denen eine natürliche Person handelt, d. h. Zwecken, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, und nicht von den besonderen Kenntnissen, über die diese Person verfügt ( 57 ). Davon ausgehend hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Umstand, dass eine natürliche Person, die einen Vertrag mit der Bank abschließt, Angestellter dieser Bank ist, es als solcher nicht ausschließt, dass diese Person als „Verbraucher“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 einzustufen ist ( 58 ).

    83.

    Wenn die besonderen Kenntnisse, die einem Verbraucher im Rahmen einer Individualklage unterstellt werden können, nicht geeignet sind, eine Abweichung von der Norm des Durchschnittsverbrauchers zu rechtfertigen, so muss dies auch für die individuellen Merkmale verschiedener Verbraucher im Rahmen einer Verbandsklage gelten. Der objektive Begriff des Durchschnittsverbrauchers entspricht der standardisierten Form des Vertragsabschlusses, unabhängig von den Merkmalen oder der Anzahl der beteiligten Verbraucher.

    84.

    Wie die ADICAE in ihren mündlichen Ausführungen im Wesentlichen vorgetragen hat, sind Unterschiede im Alter der Verbraucher, in ihrem Bildungsstand oder in ihrem Beruf keine entscheidenden Kriterien für die Unterscheidung zwischen diesen Verbrauchern und für die Bildung verschiedener Verbrauchergruppen. Diese Feststellung ist richtig, sofern die betreffenden natürlichen Personen außerhalb ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handeln ( 59 ).

    85.

    Was die Unterschiede zwischen den betroffenen Finanzinstituten und die von diesen verwendeten unterschiedlichen Vertragsmodelle angeht, so sind diese Unterschiede meines Erachtens nicht geeignet, sich auf den Begriff des Durchschnittsverbrauchers auszuwirken. Wie bereits in den Ausführungen zur ersten Frage dargelegt, konzentriert sich die gerichtliche Kontrolle im Rahmen der abstrakten Prüfung des Transparenzerfordernisses nicht auf die einzelnen Verträge bzw. Verbraucher. Sie konzentriert sich vielmehr auf die üblichen vertraglichen und vorvertraglichen Praktiken, die der jeweilige Gewerbetreibende gegenüber dem Durchschnittsverbraucher bei der Werbung und dem Vertragsangebot anwendet ( 60 ). Es obliegt dann dem jeweiligen Gewerbetreibenden (im Ausgangsverfahren dem jeweiligen Finanzinstitut), nachzuweisen, dass seine eigenen Praktiken dem Transparenzerfordernis entsprechen.

    86.

    Die polnische Regierung hat in ihren Erklärungen ausgeführt, dass es möglich sei, sich auf verschiedene Arten von Durchschnittsverbrauchern zu beziehen, um verschiedene Gruppen von Verträgen zu beurteilen. Wenn ein Darlehensvertrag nach einem bestimmten Muster für eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern geschlossen werde, entspreche der Begriff des Durchschnittsverbrauchers dem durchschnittlichen Mitglied der Gruppe, mit der die Verträge geschlossen worden seien.

    87.

    Letztlich ist es Sache des nationalen Gerichts, das Verfahren zu leiten und im Einzelfall die geeigneten Mittel dafür zu bestimmen. Sollte dieses Gericht der Ansicht sein, dass die tatsächlichen und rechtlichen Umstände der Klage eine gängige Praxis widerspiegeln und dass die Einteilung der Verbraucher in verschiedene Gruppen zu dieser Beurteilung beiträgt, so ist ihm dies zu gestatten. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Begriff des Durchschnittsverbrauchers nichts mit den Kenntnissen oder Fähigkeiten des einzelnen Verbrauchers zu tun hat. Daher darf eine Kategorisierung der an Verbandsklagen beteiligten Verbraucher nicht auf der Grundlage von Kriterien erfolgen, die dem objektiven Maßstab des Durchschnittsverbrauchers widersprechen. Es ist daher nicht zulässig, Untergruppen auf der Grundlage des unterschiedlichen Kenntnisstands der Verbraucher, ihres Alters oder ihres Berufs (sofern sie zu einem Zweck handeln, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann) zu bilden. Außerdem können die verwendeten Vertragsmodelle nur dann ein unterscheidungskräftiges Element sein, wenn dieses Element sich tatsächlich auf den Begriff des Durchschnittsverbrauchers, der einen bestimmten Vertragstyp abschließt, auswirkt. Wenn die Fähigkeit des Verbrauchers, die konkreten Folgen der Verwendung der Mindestzinssatzklausel zu verstehen, nicht von der Art des verwendeten Vertrags beeinflusst wird, kann die Art des Vertrags kein Kriterium sein, um bestimmte Verbrauchergruppen von allen anderen zu unterscheiden.

    88.

    Der letzte vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Punkt betrifft die Bedeutung des verstrichenen Zeitraums für die Anwendung des Begriffs des Durchschnittsverbrauchers.

    89.

    Es stimmt, dass sich Wahrnehmungen im Lauf der Zeit verändern. In der mündlichen Verhandlung wurden wir an die altgriechische Lehre des Heraklit vom ständigen Wandel erinnert: „Alles fließt und nichts bleibt“ ( 61 ).

    90.

    Allerdings erfordert, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Begriff des Durchschnittsverbrauchers im Hinblick auf die Gewährleistung der Rechtssicherheit doch eine gewisse Stabilität. Die allgemeine Entwicklung von Wahrnehmungen im Lauf der Zeit reicht für sich genommen nicht aus, um zu beweisen, dass sich das Verständnis, das ein Durchschnittsverbraucher von den betreffenden Vertragsklauseln hat, geändert hat. Es muss ermittelt werden, ob es ein bestimmtes Ereignis gegeben hat, das die Vorstellung des Durchschnittsverbrauchers von Mindestzinssatzklauseln deutlich verändert hat. In diesem Zusammenhang kann eine Änderung des Rechtsrahmens oder ein Grundsatzurteil zu der betreffenden Klausel von besonderer Bedeutung sein.

    91.

    Im Ausgangsverfahren ist der Zeitraum zwischen dem Abschluss der in Rede stehenden Verträge und dem Rückgang der Zinssätze weder relevant noch ausreichend, um den Begriff des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen. Wie die spanische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wusste der Durchschnittsverbraucher im Jahr 2010 (vor dem Einbruch der Zinssätze) nicht mehr über Mindestzinssatzklauseln als der Durchschnittsverbraucher im Jahr 2000. Vor dem starken Rückgang der Zinssätze und dem dadurch verursachten Greifen der Mindestzinssatzklauseln hatte deren bloße Existenz in den Verträgen nämlich keine praktischen Auswirkungen.

    92.

    Daher scheint mir die Frage, die es zu klären gilt, nicht so sehr die des verstrichenen Zeitraums zu sein, sondern vielmehr die Frage, ob der Durchschnittsverbraucher, der nach 2009 oder 2010 einen Darlehensvertrag schloss, anders behandelt werden sollte als der Durchschnittsverbraucher, der dies vorher tat. Insofern ist es Sache des nationalen Gerichts, zu bestimmen, ob der Rückgang der Zinssätze zu einer Stärkung des Bewusstseins für Mindestzinssatzklauseln geführt hat und ob die Finanzinstitute ihre Praktiken geändert und die Transparenzerfordernisse erfüllt haben. Das nationale Gericht hat auch zu prüfen, ob die Verbraucher eine falsche Vorstellung von der Rechtmäßigkeit dieser Klauseln hatten, bevor über diese gerichtlich entschieden wurde. Es kann außerdem prüfen, ob sein eigenes Urteil vom 9. Mai 2013, in dem es entschieden hat, dass Mindestzinssatzklauseln zwar grundsätzlich zulässig, aber nicht transparent und missbräuchlich sind, dazu geführt hat, dass sich die Wahrnehmung ab diesem Zeitpunkt geändert hat. Es ist letztlich Sache des nationalen Gerichts, diese Feststellungen zu treffen.

    93.

    Nach alledem bin ich der Auffassung, dass die abstrakte Prüfung der Transparenz aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 vereinbar ist. Der Durchschnittsverbraucher bildet einen objektiven Maßstab für die Beurteilung von Standardvertragsklauseln, und zwar unabhängig von den Merkmalen oder der Zahl der beteiligten Verbraucher. Dass die im Ausgangsverfahren erhobene Verbandsklage eine Vielzahl von Finanzinstituten sowie eine große Zahl von verschiedenen Verträgen und Verbrauchern betrifft und dass die fraglichen Klauseln über einen langen Zeitraum hinweg in diesen Verträgen verwendet wurden, hat als solches keinen Einfluss auf den Begriff des Durchschnittsverbrauchers.

    V. Ergebnis

    94.

    Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    1.

    Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, soweit er sich auf die Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände bezieht, und Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie, soweit er sich auf ähnliche Vertragsklauseln bezieht,

    sind dahin auszulegen, dass sie es einem nationalen Gericht in Fällen, in denen sich eine Verbandsklage gegen eine Vielzahl von Finanzinstituten richtet und eine große Zahl von Verträgen betrifft, erlauben, in dem betreffenden Verfahren die Transparenz von Vertragsklauseln abstrakt zu beurteilen. Um diese Beurteilung vorzunehmen, hat das nationale Gericht die üblichen vertraglichen und vorvertraglichen Praktiken der einzelnen betroffenen Finanzinstitute anhand des objektiven Maßstabs eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu überprüfen.

    2.

    Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/13

    sind dahin auszulegen, dass sie mit einer abstrakten Prüfung der Transparenz aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vereinbar sind. Der Durchschnittsverbraucher bildet einen objektiven Maßstab für die Beurteilung von Standardvertragsklauseln, und zwar unabhängig von den Merkmalen oder der Zahl der beteiligten Verbraucher. Dass die im Ausgangsverfahren erhobene Verbandsklage eine Vielzahl von Finanzinstituten sowie eine große Zahl von Verträgen und Verbrauchern betrifft und dass die fraglichen Klauseln über einen langen Zeitraum hinweg in diesen Verträgen verwendet wurden, hat als solches keinen Einfluss auf den Begriff des Durchschnittsverbrauchers.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

    ( 3 ) Howells, G., Twigg-Flesner, C., und Wilhelmsson, T., Rethinking EU Consumer Law, Routledge, London 2017, S. 153.

    ( 4 ) Vgl. de Elizalde, F., „The Rain does not Stay in the Plain – Or How the Spanish Supreme Court Ruling of 25 March 2015, on Minimum Interest Rate Clauses, affects European Consumers“, Journal of European Consumer and Market Law (EuCML), Bd. 4(5), 2015, S. 184.

    ( 5 ) Vgl. de Elizalde, F., und Leskinen, C., „The control of terms that define the essential obligations of the parties under the Unfair Contract Terms Directive: Gutiérrez Naranjo“, Common Market Law Review, Bd. 55(5), 2018, S. 1595 bis 1617.

    ( 6 ) Eine kurz gefasste Wiedergabe der Begründung der Entscheidung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 9. Mai 2013 findet sich im Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 18 ff.).

    ( 7 ) Urteil vom 21. Dezember 2016 (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980).

    ( 8 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:15, Nrn. 53 ff.) und Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Invitel (C‑472/10, EU:C:2011:806, Nr. 37).

    ( 9 ) Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 21).

    ( 10 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. 2009, L 110, S. 30).

    ( 11 ) Urteil vom 21. Dezember 2016, Biuro podróży Partner (C‑119/15, EU:C:2016:987, Rn. 31). Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt gab es noch kein verbindliches Rechtsinstrument der Union über die verfahrensrechtlichen Mittel zur Erlangung von Schadensersatz. Das spanische Recht sah die Möglichkeit vor, eine Unterlassungsklage mit einer Klage auf Rückerstattung von Zahlungen zu verbinden, die gemäß den für missbräuchlich erklärten Allgemeinen Geschäftsbedingungen geleistet worden waren. Im Ausgangsverfahren hat der klagende Verbraucherverband von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

    ( 12 ) Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 30).

    ( 13 ) Urteile vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 29), und vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242, Rn. 37).

    ( 14 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Invitel (C‑472/10, EU:C:2011:806, Nr. 37).

    ( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2016, Sales Sinués und Drame Ba (C‑381/14 und C‑385/14, EU:C:2016:252, Rn. 37 und 40).

    ( 16 ) Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242), in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Verbraucherverträgen im Rahmen einer Unterlassungsklage im Sinne von Art. 7 der Richtlinie, die von einer nach innerstaatlichem Recht benannten Stelle im öffentlichen Interesse und im Namen der Verbraucher gegen einen Gewerbetreibenden erhoben worden ist, nach diesem Recht Wirkungen gegenüber allen Verbrauchern entfaltet, die mit diesem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen AGB anwendbar sind, einschließlich derjenigen Verbraucher, die nicht Partei des Unterlassungsverfahrens waren.

    ( 17 ) Vgl. Abschnitt 3.1 der Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 2019, C 323, S. 4, im Folgenden: Kommissionsleitlinien zu missbräuchlichen Klauseln).

    ( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2023, Ocidental – Companhia Portuguesa de Seguros de Vida (C‑263/22, EU:C:2023:311, Rn. 31).

    ( 19 ) Grundmann, S., „A Modern Standard Contract Terms Law from Reasonable Assent to Enhanced Fairness Control“, European Review of Contract Law, Bd. 15(2), 2019, S. 148 bis 176 (157).

    ( 20 ) Urteil vom 16. März 2023, Caixabank (Provision für die Bereitstellung des Darlehens) (C‑565/21, EU:C:2023:212).

    ( 21 ) Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 72).

    ( 22 ) Vgl. allgemein Ebers, M., „Unfair Contract Terms Directive (93/13)“, in: Schulte-Nölke, H., Twigg-Flesner, C., und Ebers, M., EC Consumer Law Compendium: the Consumer Acquis and Its Transposition in the Member States, Sellier European Law Publishers, München 2008. Vgl. zu Verbraucherkrediten Luzak, J., und Junuzović, M., „Blurred Lines: Between Formal and Substantive Transparency in Consumer Credit Contracts“, EuCML, Bd. 8(3), 2019, S. 97 bis 107.

    ( 23 ) Kommissionsleitlinien zu missbräuchlichen Klauseln, Abschnitt 3.3.1., S. 25 und 26.

    ( 24 ) Zur Verwendung des Begriffs „materielle Transparenz“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 49).

    ( 25 ) Urteile vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑609/19, EU:C:2021:469, Rn. 43), und vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 26 ) Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 27 ) Vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑609/19, EU:C:2021:469, Rn. 45), vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 66), und vom 16. März 2023, Caixabank (Provision für die Bereitstellung des Darlehens) (C‑565/21, EU:C:2023:212, Rn. 33).

    ( 28 ) Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 67).

    ( 29 ) Ebd., Rn. 75.

    ( 30 ) Siehe oben, Nr. 43 der Schlussanträge.

    ( 31 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:11, Nr. 49).

    ( 32 ) Urteil vom 21. September 2023, mBank (Polnisches Register unzulässiger Klauseln) (C‑139/22, EU:C:2023:692, Rn. 61 und 66).

    ( 33 ) Ebd., Rn. 66.

    ( 34 ) Howells, G., Twigg-Flesner, C., und Wilhelmsson, T., oben zitiert in Fn. 3, S. 152.

    ( 35 ) Gardiner, C., Unfair Contract Terms in the Digital Age: The Challenge of Protecting European Consumers in the Online Marketplace, Edward Elgar Publishing, 2022, S. 96.

    ( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑609/19, EU:C:2021:469, Rn. 53).

    ( 37 ) Vgl. insoweit Howells, G., Twigg-Flesner, C., und Wilhelmsson, T., oben zitiert in Fn. 3, S. 151, wo es heißt, dass der Gerichtshof bei dem Versuch zu definieren, was man vom Durchschnittsverbraucher ganz konkret erwarten kann, „anscheinend nicht sehr fordernd ist“.

    ( 38 ) Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 86).

    ( 39 ) Wie bereits erwähnt, hat das Transparenzerfordernis in Art. 4 der Richtlinie 93/13 denselben Anwendungsbereich wie in Art. 5 der Richtlinie (siehe Nr. 40 der vorliegenden Schlussanträge).

    ( 40 ) In seinem Urteil vom 9. September 2004, Kommission/Spanien (C‑70/03, EU:C:2004:505, Rn. 16), hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine objektive Auslegung (im Rahmen einer Verbandsklage) es in einer höheren Zahl von Fällen ermöglicht, die Verwendung einer unklaren oder zweideutigen Klausel zu verbieten, was einen weiter gehenden Verbraucherschutz zur Folge hat.

    ( 41 ) Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 42 ) Vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowohl bei Individual- als auch bei Verbandsklagen Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Invitel (C‑472/10, EU:C:2011:806, Nr. 50).

    ( 43 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22 (ABl. 2020, L 409, S. 1).

    ( 44 ) Nach der Definition in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1828 ist eine „Verbandsklage“ eine „Klage zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher, die von einer qualifizierten Einrichtung als antragstellender Verfahrenspartei im Interesse von Verbrauchern erhoben wird, um eine Unterlassungsentscheidung oder eine Abhilfeentscheidung oder beides zu erwirken“.

    ( 45 ) Art. 2 der Richtlinie 2020/1828.

    ( 46 ) In Rn. 83 ihres Urteils Nr. 603/2018 vom 12. November 2018, das Teil der nationalen Akten der Rechtssache ist, spricht die Audiencia Provincial de Madrid (Provinzgericht Madrid) von der Beurteilung des Standardmusters des Vertragsschlusses („patrón estándar de contratación“) gegenüber dem Durchschnittsverbraucher.

    ( 47 ) Siehe oben, Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 48 ) Das nationale Berufungsgericht untersuchte den „unterschiedlichen Grad der Bemühungen“, die jede der beklagten Banken unternommen hatte, um eine wirksame Transparenz der Aufnahme der Mindestzinssatzklausel zu gewährleisten (Urteil der Audiencia Provincial de Madrid [Provinzgericht Madrid]), Rn. 28).

    ( 49 ) Vgl. Nogler, L., und Reifner, U., „The Contractual Concept of Life-Time Contracts under Scrutiny“, in Ratti, L., Embedding the Principles of Life-Time Contracts, Eleven International Publishing, Den Haag 2018, S. 3, wo auf den „menschlichen oder existenziellen“ Aspekt von langfristigen Verträgen zur Deckung grundlegender Bedürfnisse hingewiesen wird.

    ( 50 ) Vgl. in diesem Sinne das Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑609/19, EU:C:2021:469, Rn. 53).

    ( 51 ) Urteil vom 17. Mai 2022, SPV Project 1503 u. a. (C‑693/19 und C‑831/19, EU:C:2022:395, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 52 ) Was das deutsche Recht betrifft, so hat der deutsche Gesetzgeber von der im 12. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1828 gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und in Art. 15 des Gesetzes zur gebündelten Durchsetzung von Verbraucherrechten (Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz – VDuG) vom 8. Oktober 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 272) eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung in Bezug auf die Vergleichbarkeit der von der Verbandsklage erfassten Sachverhalte vorgesehen. Danach müssen die von der Klage betroffenen Ansprüche von Verbrauchern „im Wesentlichen gleichartig“ sein. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT – Drs. 20/6520, S. 77 und 78) müssen die betroffenen Verbraucheransprüche in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht so ähnlich sein, dass dem Prozessgericht die Entscheidung über eine Vielzahl von Ansprüchen in demselben Verfahren möglich ist. Dies setzt voraus, dass das Gericht keine umfangreichen Tatsachenfeststellungen in tatsächlich verschieden gelagerten Fällen betreiben oder sich mit diversen unterschiedlichen Rechtsfragen, die individuell abweichende Fallkonstellationen aufwerfen, befassen muss. Es ist ein Grad von Ähnlichkeit der Ansprüche erforderlich, der eine schablonenhafte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch das Gericht zulässt und ihm keine individuell abweichenden Einzelfallprüfungen abverlangt. So würde es sich z. B. um vergleichbare Sachverhalte handeln, „wenn mehrere Verbraucherinnen und Verbraucher zu unterschiedlichen Zeitpunkten individuelle Sparverträge abschließen, die unterschiedlichen Verträge oder Vertragstypen aber alle die gleiche unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung beinhalten“. In diesem Zusammenhang halte ich es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass der deutsche Gesetzgeber die Bedingung der „Gleichartigkeit“ im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens durch Hinzufügung der Worte „im Wesentlichen“„gelockert“ hat. Diese Lockerung wurde eingeführt, um mögliche Einwendungen zu verhindern, die Gewerbetreibende auf individuelle Merkmale oder Handlungen einzelner betroffener Verbraucher stützen könnten, um die Erhebung einer Verbandsklage zu verhindern (vgl. die im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens vom Bundesrat abgegebenen Empfehlungen BR‑Drs. 145/1/23, S. 4 und 5). Folglich war der deutsche Gesetzgeber der Ansicht, dass der Begriff „im Wesentlichen gleichartig“ offen genug ist, um in jedem Fall zu angemessenen Ergebnissen zu führen.

    ( 53 ) Urteil vom 21. Dezember 2016, Biuro podróży Partner (C‑119/15, EU:C:2016:987, Rn. 26).

    ( 54 ) Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 55 ) Urteil vom 21. September 2023, mBank (Polnisches Register unzulässiger Klauseln) (C‑139/22, EU:C:2023:692, Rn. 61 und 66).

    ( 56 ) Ebd., Rn. 66.

    ( 57 ) Ebd., Rn. 67.

    ( 58 ) Ebd., Rn. 69.

    ( 59 ) Anderenfalls unterlägen die betreffenden natürlichen Personen nicht dem Schutzbereich der Richtlinie 93/13 (siehe Nr. 82 der vorliegenden Schlussanträge).

    ( 60 ) Siehe oben, Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 61 ) Im Altgriechischen bedeutet „τα πάντα ῥεῖ, μηδέποτε κατά τ’αυτό μένειν“ wörtlich „alles ist im Fluss und nichts bleibt gleich“.

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