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Document 62021CJ0606

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 29. Februar 2024.
    Doctipharma SAS gegen Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) und Pictime Coreyre.
    Vorabentscheidungsersuchen der Cour d'appel de Paris.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Art. 85c – Anwendungsbereich – Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz – Nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – Personen, die zum Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind – Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die online verkauft werden, aufzustellen – Dienste der Informationsgesellschaft – Richtlinie 98/34/EG – Richtlinie (EU) 2015/1535 – Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht.
    Rechtssache C-606/21.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:179

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

    29. Februar 2024 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Art. 85c – Anwendungsbereich – Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz – Nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – Personen, die zum Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind – Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die online verkauft werden, aufzustellen – Dienste der Informationsgesellschaft – Richtlinie 98/34/EG – Richtlinie (EU) 2015/1535 – Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht“

    In der Rechtssache C‑606/21

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Entscheidung vom 17. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 30. September 2021, in dem Verfahren

    Doctipharma SAS

    gegen

    Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO),

    Pictime Coreyre

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2023,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Doctipharma SAS, vertreten durch V. Eppendahl, L. Lesur, M. Rivasi und A. Robert, Avocats, sowie M. Meulenbelt, Advocaat,

    der Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO), vertreten durch S. Beaugendre und M. Boccon-Gibod, Avocats,

    der französischen Regierung, vertreten durch G. Bain, V. Depenne, A.‑L. Desjonquères, M. Guiresse und N. Vincent als Bevollmächtigte,

    der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Machovičová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, Avvocato dello Stato,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und F. Thiran als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2023

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34) sowie die Auslegung von Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 (ABl. 2011, L 174, S. 74) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Doctipharma SAS und der Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) über die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit des Online-Verkaufs nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über eine von Doctipharma entworfene und verwaltete Plattform.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 98/34

    3

    In Art. 1 der Richtlinie 98/34 heißt es:

    „Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

    2.

    ‚Dienst‘: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

    Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck

    ‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;

    ‚elektronisch erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird;

    ‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird.

    …“

    Richtlinie 2001/83

    4

    In Art. 85c der Richtlinie 2001/83 heißt es:

    „(1)   Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft verboten wird, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie [98/34] festgelegt, unter folgenden Bedingungen erfolgt:

    a)

    Die natürliche oder juristische Person, die ein Arzneimittel anbietet, ist zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem diese Person niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt.

    b)

    Die unter Buchstabe a genannte Person hat dem Mitgliedstaat, in dem diese Person niedergelassen ist, mindestens folgende Angaben mitgeteilt:

    i)

    Name oder Firmenname und ständige Anschrift des Ortes der Tätigkeit, von dem aus diese Arzneimittel geliefert werden;

    ii)

    Datum des Beginns des Anbietens von Arzneimitteln zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit;

    iii)

    die Adresse der zu diesem Zweck genutzten Website und alle einschlägigen Informationen, die zur Identifizierung dieser Website notwendig sind;

    iv)

    gegebenenfalls die gemäß Titel VI vorgenommene Klassifizierung des Arzneimittels, das der Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten wird.

    Diese Angaben werden gegebenenfalls aktualisiert.

    c)

    Das Arzneimittel entspricht den nationalen Rechtsvorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats gemäß Artikel 6 Absatz 1.

    d)

    Unbeschadet der in der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (‚Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr‘) [(ABl. 2000, L 178, S. 1)] festgelegten Informationsanforderungen enthält die Website, auf der Arzneimittel angeboten werden, mindestens Folgendes:

    i)

    die Kontaktdaten der zuständigen Behörde oder der Behörde, der gemäß Buchstabe b Angaben mitgeteilt wurden;

    ii)

    einen Hyperlink zu der in Absatz 4 genannten Website des Niederlassungsmitgliedstaates;

    iii)

    das in Absatz 3 genannte gemeinsame Logo, das auf jeder Seite der Website, die sich auf das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz bezieht, gut sichtbar angezeigt wird. Das gemeinsame Logo enthält einen Hyperlink zu dem Eintrag der Person in der in Absatz 4 Buchstabe c genannten Liste.

    (2)   Die Mitgliedstaaten können aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen, die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden.

    (6)   Unbeschadet der Richtlinie [2000/31] und der in diesem Titel festgelegten Anforderungen ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass gegen andere als die in Absatz 1 genannten Personen, die der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft anbieten und in ihrem Hoheitsgebiet tätig sind, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden.“

    Richtlinie 2011/62

    5

    In den Erwägungsgründen 21 bis 24 der Richtlinie 2011/62 heißt es:

    „(21)

    Der illegale Absatz von Arzneimitteln über das Internet stellt eine erhebliche Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar, da gefälschte Arzneimittel auf diesem Weg die Öffentlichkeit erreichen können. Dieser Bedrohung muss begegnet werden. Dabei ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die spezifischen Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit über den Einzelhandel nicht auf [Ebene der Europäischen Union] harmonisiert sind und dass die Mitgliedstaaten daher innerhalb der vom Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gesetzten Schranken Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit festlegen können.

    (22)

    Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln mit dem Unionsrecht hat der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden ‚Gerichtshof‘) den ganz besonderen Charakter von Arzneimitteln anerkannt, deren therapeutische Wirkungen sie substanziell von anderen Waren unterscheidet. Der Gerichtshof hat auch festgestellt, dass unter den vom AEUV geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit auf ihrem Hoheitsgebiet ein Wertungsspielraum zuzuerkennen [(Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 19 und 31)].

    (23)

    Der Gerichtshof hat angesichts der Gefahren für die öffentliche Gesundheit und der den Mitgliedstaaten zugestandenen Befugnis, das Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit festzulegen, in seiner Rechtsprechung insbesondere anerkannt, dass die Mitgliedstaaten den Einzelhandelsabsatz von Arzneimitteln grundsätzlich allein Apothekern vorbehalten dürfen [(Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a.,C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 34 und 35)].

    (24)

    Daher, und im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sollten die Mitgliedstaaten durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen in Bezug auf die Abgabe von Arzneimitteln über den Einzelhandel, die durch Dienste der Informationsgesellschaft zum Verkauf im Fernabsatz angeboten werden, festlegen können. Diese Bedingungen sollten das Funktionieren des Binnenmarktes nicht unangemessen beeinträchtigen.“

    Richtlinie (EU) 2015/1535

    6

    Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) bestimmt:

    „Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

    b)

    ‚Dienst‘ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

    Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck

    i)

    ‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;

    ii)

    ‚elektronisch erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird;

    iii)

    ‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird.

    Eine Beispielliste der nicht unter diese Definition fallenden Dienste findet sich in Anhang I;

    …“

    7

    Art. 10 der Richtlinie 2015/1535 sieht vor:

    „Die Richtlinie 98/34/EG, in der Fassung der in Anhang III Teil A der vorliegenden Richtlinie aufgeführten Rechtsakte, wird unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang III Teil B genannten Fristen für die Umsetzung der dort genannten aufgehobenen Richtlinie und der in Anhang III Teil B der vorliegenden Richtlinie genannten Richtlinien in nationales Recht aufgehoben.

    Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang IV zu lesen.“

    8

    Nach Art. 11 der Richtlinie 2015/1535 trat diese am 7. Oktober 2015 in Kraft, d. h. am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union.

    Französisches Recht

    9

    Art. L. 5125-25 Abs. 2 des Code de la santé publique in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetzbuch über die öffentliche Gesundheit) bestimmt:

    „Apothekern ist es untersagt, Bestellungen von Arzneimitteln und anderen Erzeugnissen und Gegenständen, die in Art. L. 4211‑1 genannt sind, mit Hilfe dauerhaft tätiger Vermittler entgegenzunehmen und mit den vorbezeichneten Arzneimitteln, Erzeugnissen oder Gegenständen, deren Bestellung auf diese Weise bei ihnen eingegangen sind, Handel zu treiben und sie an Haushalte auszuliefern.“

    10

    Art. L. 5125-26 dieses Gesetzbuchs lautet:

    „Der Verkauf von in Art. L. 4211-1 genannten Arzneimitteln, Erzeugnissen und Gegenständen an die Öffentlichkeit über Kommissionshäuser, Einkaufsgemeinschaften oder Einrichtungen, die unter der Inhaberschaft oder der Geschäftsführung von Personen stehen, die nicht Inhaber eines der in Art. L. 4221-1 genannten Abschlüsse, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise sind, ist verboten.“

    11

    Art. L. 5125-33 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit sieht vor:

    „Elektronischer Handel mit Arzneimitteln bezeichnet die wirtschaftliche Tätigkeit, mit der ein Apotheker im Fernabsatz und elektronisch den Einzelverkauf und die Abgabe von Humanarzneimitteln an die Öffentlichkeit anbietet oder sicherstellt und zu diesem Zweck gesundheitsbezogene Informationen online bereitstellt.

    Der elektronische Geschäftsverkehr wird von der Website einer Apotheke aus durchgeführt.

    Das Erstellen und der Betrieb einer solchen Website sind ausschließlich folgenden Apothekern vorbehalten:

    Apothekern, die Inhaber einer Apotheke sind;

    Apothekern, die eine Kassenapotheke oder Knappschaftsapotheke betreiben, ausschließlich für deren Mitglieder.

    Der Apotheker, der Inhaber einer Apotheke oder Betreiber einer Kassenapotheke oder Knappschaftsapotheke ist, ist für den Inhalt der von ihm herausgegebenen Website und für die Bedingungen, unter denen der elektronische Handel mit Arzneimitteln ausgeübt wird, verantwortlich.

    Stellvertreter eines Apothekers, denen von einem der in Abs. 6 genannten Apotheker die Befugnis dazu übertragen wurde, können am Betrieb der Website der Apotheke teilnehmen.

    Apotheker, die den Inhaber oder Betreiber einer Apotheke nach dem Tod des Inhabers ersetzen, können die vom Inhaber der Apotheke zuvor erstellte Website der Apotheke betreiben.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    12

    Doctipharma entwarf die von Pictime Coreyre gehostete Website www.doctipharma.fr, auf der Internetnutzer über Websites von Apotheken nicht verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel kaufen konnten.

    13

    Da die UDGPO, eine Dachvereinigung von Apothekenverbänden, der Ansicht war, dass Doctipharma durch den Dienst, den sie mittels ihrer Website erbringe, am elektronischen Arzneimittelhandel teilnehme, obwohl sie nicht die Eigenschaft eines Apothekers habe, erhob sie beim Tribunal de commerce de Nanterre (Handelsgericht Nanterre, Frankreich) Klage gegen Doctipharma und Pictime Coreyre, um die Rechtswidrigkeit dieser Website feststellen und, unter Androhung eines Zwangsgelds, die Einstellung der Aktivitäten dieser Website anordnen zu lassen.

    14

    Mit Urteil vom 31. Mai 2016 gab das Tribunal de commerce de Nanterre (Handelsgericht Nanterre) den Anträgen der UDGPO statt. Es entschied, dass die Website www.doctipharma.fr für den Verkauf von Arzneimitteln rechtswidrig sei; im Wesentlichen verurteilte es Doctipharma, den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf dieser Website einzustellen.

    15

    Doctipharma legte Berufung bei der Cour d’appel de Versailles (Berufungsgericht Versailles, Frankreich) ein, die das erstinstanzliche Urteil mit Urteil vom 12. Dezember 2017 u. a. mit der Begründung aufhob, dass die Website www.doctipharma.fr eine technische Plattform sei, die Arzneimittel nicht direkt vertreibe.

    16

    Mit Urteil vom 19. Juni 2019 hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) dieses Urteil wegen Verstoßes gegen Art. L. 5125-25 Abs. 2 und gegen Art. L. 5125-26 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit auf und verwies die Rechtssache an die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich), das vorlegende Gericht, zurück. Die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) schloss aus der Tätigkeit von Doctipharma, die insbesondere darin bestehe, Apotheker und potenzielle Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln zusammenzuführen, dass dieser Gesellschaft eine Vermittlerrolle zukomme und diese somit am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne über die Eigenschaft eines Apothekers zu verfügen, so dass ein Verstoß gegen diese Bestimmungen gegeben sei.

    17

    Vor dem vorlegenden Gericht macht Doctipharma geltend, ihre Tätigkeit beschränke sich auf die technische Wartung einer gemeinsamen Lösung für Apotheker, um es diesen zu ermöglichen, ihre Website herauszugeben und zu betreiben. Hierzu beruft sie sich zum einen auf Art. 85c der Richtlinie 2001/83. Zum anderen macht sie geltend, die im Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), entwickelte Lösung, die sich auf die Tätigkeit von nicht berufsmäßigen Fahrern von Uber beziehe, sei nicht auf den Ausgangsrechtsstreit übertragbar.

    18

    Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Apotheker im Unterschied zu nicht berufsmäßigen Fahrern von Uber den Arzneimittelverkauf als Berufstätigkeit ausüben würden, wobei der Verkauf elektronisch im Fernabsatz nur dessen Fortführung darstelle, und dass nicht ersichtlich sei, dass Doctipharma in die Festsetzung der Preise der Arzneimittel eingreife, die auf diesem Weg verkauft würden, so dass es zweifelhaft sei, dass die Auslegung des Gerichtshofs in dem Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne.

    19

    Schließlich seien die Merkmale des von Doctipharma angebotenen Dienstes und die Auslegung von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 Gegenstand entgegengesetzter Auffassungen der französischen Gerichte gewesen, die über den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden gehabt hätten.

    20

    Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 einzustufen?

    2.

    Fällt in diesem Fall die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich von Art. 85c der Richtlinie 2001/83?

    3.

    Ist Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass das sich aus einer Auslegung der Art. L. 5125-25 und L. 5125-26 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit ergebende Verbot der Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, eine durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Beschränkung darstellt?

    4.

    Ist, falls das nicht der Fall ist, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, zulässt?

    5.

    Ist in diesem Fall das sich aus der Auslegung der Art. L. 5125-25 und L. 5125-26 des Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheit durch die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) ergebende Verbot der Tätigkeit von Doctipharma durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 gerechtfertigt?

    6.

    Ist, falls dies nicht der Fall ist, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er die von Doctipharma angebotene Tätigkeit eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ zulässt?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    21

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 einzustufen ist.

    22

    Zum einen ist hervorzuheben, dass die Richtlinie 98/34, wie sich aus den Art. 10 und 11 der Richtlinie 2015/1535 ergibt, mit Wirkung vom 7. Oktober 2015 aufgehoben wurde. Doctipharma führt in ihren Erklärungen aus, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienst bis zum Jahr 2016 erbracht worden sei, und aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass Doctipharma mit Urteil vom 31. Mai 2016 dazu verurteilt wurde, den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf ihrer Website einzustellen. Somit können die Bestimmungen der Richtlinie 2015/1535 auch in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens Anwendung finden.

    23

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535, die den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ definieren, den gleichen Wortlaut haben.

    24

    Zum anderen geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der von Doctipharma angebotene Dienst auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben.

    25

    Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 dahin auszulegen sind, dass ein Dienst, der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt.

    26

    Insoweit definieren Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.

    27

    Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der ersten in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzung darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Vergütung für einen Dienst, den ein Anbieter im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt, nicht notwendig von denjenigen bezahlt werden muss, denen der Dienst zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 2016, Mc Fadden, C‑484/14, EU:C:2016:689, Rn. 41, und vom 4. Mai 2017, Vanderborght, C‑339/15, EU:C:2017:335, Rn. 36).

    28

    Daher wäre es für die Einstufung eines Dienstes wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 fallend unerheblich, dass dieser Dienst gegenüber der Person, die das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel kauft, unentgeltlich erbracht wird, da der Dienst dazu führt, dass zwischen dessen Anbieter und jedem Apotheker, der ihn in Anspruch nimmt, ein mit einer Zahlung verbundener Dienstleistungsvertrag geschlossen wird.

    29

    Ebenso wäre in diesem Zusammenhang unerheblich, dass Doctipharma, wie sie selbst ausgeführt hat, von den Apothekern, die den Zugang zu ihrer Plattform abonnierten, nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Grundlage einer Pauschale vergütet wurde oder dass, wie die französische Regierung ausgeführt hat, für den von Doctipharma erbrachten Dienst von den Apothekern als Kunden eine monatliche Abonnementgebühr an Doctipharma gezahlt und ein Prozentsatz des Verkaufsbetrags durch die Plattform einbehalten wurde.

    30

    Daraus folgt, dass – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen – der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienst jedenfalls als gegen Entgelt erbracht anzusehen ist.

    31

    Was die zweite und dritte Bedingung nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 betrifft, kann der von Doctipharma erbrachte Dienst in Anbetracht seiner – vom vorlegenden Gericht zu überprüfenden – Merkmale als im Fernabsatz und elektronisch im Sinne dieser Bestimmungen erbracht angesehen werden, da die Zusammenführung von Kunde und Apotheker über eine Website ohne gleichzeitige Anwesenheit des Diensteanbieters einerseits und des Kunden oder Apothekers andererseits erfolgt.

    32

    Was die vierte Voraussetzung gemäß Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 betrifft, ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und insbesondere aus der Beschreibung des von Doctipharma erbrachten Dienstes, dass dieser Dienst zum einen auf individuellen Abruf der Apotheker erbracht wird, da diese den Zugang zur Website von Doctipharma abonnieren müssen, um den Dienst in Anspruch nehmen zu können, und zum anderen auf individuellen Abruf der Kunden, die ein Kundenkonto einrichten müssen, um Zugang zu den Websites der Apotheker ihrer Wahl zu erhalten, um auf Bestellung nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu kaufen.

    33

    Daraus folgt, dass ein Dienst, wie der von Doctipharma erbrachte, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 einzustufen ist.

    34

    Diese Schlussfolgerung wird nicht durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112), und vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980), in Frage gestellt.

    35

    Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass ein Dienst, der dazu dient, Kunden und Anbieter einer sich von diesem Dienst der Art nach unterscheidenden Dienstleistung zusammenzuführen, und der alle in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist, wenn er unabhängig von der genannten Dienstleistung dieser Anbieter ist. Etwas anderes hat jedoch zu gelten, wenn dieser Dienst der Zusammenführung offensichtlich integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, die rechtlich hauptsächlich anders einzustufen ist als ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ (Urteil vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App,C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    36

    Wie der Generalanwalt in den Nrn. 28 und 29 seiner Schlussanträge aber ausgeführt hat, kann ein Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, nicht integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung sein, die hauptsächlich nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen ist.

    37

    Folglich sind mangels einer gesonderten rechtlichen Regelung für einen solchen Dienst die Auslegung und die Kriterien, die sich aus den in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannten Urteilen ergeben, bei der Beantwortung der ersten Frage nicht zu berücksichtigen.

    38

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 dahin auszulegen sind, dass ein Dienst, der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt.

    Zu den Fragen 2 bis 6

    39

    Mit seinen Fragen 2 bis 6, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Bestimmung die Erbringung eines Dienstes verbieten können, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben.

    40

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass durch Art. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2011/62 ein Titel VIIa („Verkauf an die Öffentlichkeit im Fernabsatz“) in die Richtlinie 2001/83 eingefügt wurde. Dieser Titel enthält u. a. deren Art. 85c über den Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz.

    41

    Aus dieser Bestimmung ergibt sich erstens, dass die Mitgliedstaaten den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie 98/34 festgelegt, gestatten müssen. Ein in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehenes Verbot eines Angebots an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz ist nämlich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig.

    42

    Zweitens legt Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 die für Personen, Arzneimittel und Websites geltenden Bedingungen fest, an die der Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft geknüpft ist und deren Einhaltung die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen.

    43

    Was insbesondere die Personen betrifft, die zu einem solchen Verkauf ermächtigt oder befugt sind, stellt Art. 85c Abs. 1 Buchst. a klar, dass die natürliche oder juristische Person, die ein solches Arzneimittel anbietet, zur Abgabe dieser Arzneimittel im Fernabsatz, „entsprechend den … Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem diese Person niedergelassen ist“, ermächtigt oder befugt sein muss.

    44

    Die Zuständigkeit, über die die Mitgliedstaaten somit verfügen, wird durch Art. 85c Abs. 6 dieses Artikels ergänzt, wonach diese auch für Sanktionen gegen andere als die in Art. 85c Abs. 1 genannten Personen zuständig sind, die der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie 98/34 festgelegt, anbieten.

    45

    Daher sind allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die natürlichen oder juristischen Personen zu bestimmen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind.

    46

    Zu den Bedingungen, an die ein Verkauf an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft geknüpft werden kann, ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen können, die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden.

    47

    Wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, dürfen die Mitgliedstaaten solche Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb jedoch nur aufstellen, wenn sie „aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit [gerechtfertigt]“ sind.

    48

    Um festzustellen, ob ein Dienst wie der von Doctipharma erbrachte auf der Grundlage von gemäß Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verboten werden kann, hat das vorlegende Gericht zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung der Merkmale dieses Dienstes, der darin besteht, Apotheker und Kunden für den Online-Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zusammenzuführen, davon auszugehen ist, dass sich der Anbieter dieses Dienstes durch eine eigene und vom Verkauf unabhängige Leistung darauf beschränkt, Verkäufer mit Kunden zusammenzuführen, oder ob dieser Anbieter selbst als Verkäufer anzusehen ist.

    49

    Dabei hat das vorlegende Gericht im Wege einer reinen Tatsachenfeststellung nicht die Art des von Doctipharma erbrachten Dienstes zu bestimmen, der ausweislich der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage jedenfalls ein Dienst der Informationsgesellschaft ist, sondern zu ermitteln, wer die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel verkauft – Doctipharma oder die Apotheker, die den von Doctipharma erbrachten Dienst in Anspruch nehmen.

    50

    Sollte diese Prüfung in Anbetracht der Besonderheiten des von Doctipharma erbrachten Dienstes zu dem Ergebnis kommen, dass Doctipharma selbst als Verkäuferin anzusehen ist, stünde Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 dem Verbot dieses Dienstes durch den Mitgliedstaat, in dem Doctipharma ihren Sitz hat, nicht entgegen.

    51

    Wie sich nämlich aus den Rn. 43 bis 45 des vorliegenden Urteils ergibt, sind allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Personen zu bestimmen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft ermächtigt oder befugt sind. Die französischen Behörden können daher den Verkauf solcher Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch diese Dienste allein Personen vorbehalten, die die Eigenschaft eines Apothekers haben.

    52

    Sollte das vorlegende Gericht hingegen feststellen, dass dieser Dienst ausschließlich darin besteht, Verkäufer mit Kunden zusammenzuführen, so dass Doctipharma eine eigene und vom Verkauf unabhängige Dienstleistung erbringt, könnte dieser Dienst nicht auf der Grundlage von Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 mit der Begründung verboten werden, dass Doctipharma am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne die Eigenschaft eines Apothekers zu haben.

    53

    Außerdem würde in einem solchen Fall der von Doctipharma erbrachte Dienst nicht unter den Begriff der „Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb“ von Arzneimitteln, die im Fernabsatz an die Öffentlichkeit verkauft werden, im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 fallen und könnte auch nicht auf der Grundlage dieser Bestimmung verboten werden.

    54

    Wie sich nämlich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, ist ein Dienst, der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 einzustufen.

    55

    Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 sieht jedoch ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten, unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz verboten wird, sicherstellen, dass das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie 98/34 festgelegt, erfolgt.

    56

    Es wäre daher nicht schlüssig, anzunehmen, dass die Mitgliedstaaten es auf der Grundlage von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 verbieten könnten, einen solchen Dienst in Anspruch zu nehmen.

    57

    Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 6 zu antworten, dass Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Bestimmung die Erbringung eines Dienstes verbieten können, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben, wenn sich unter Berücksichtigung der Merkmale dieses Dienstes herausstellt, dass dessen Anbieter selbst solche Arzneimittel verkauft, ohne dazu nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt zu sein.

    Kosten

    58

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung und Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft

    sind dahin auszulegen, dass

    ein Dienst, der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt.

     

    2.

    Art. 85c der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung

    ist dahin auszulegen, dass

    die Mitgliedstaaten auf der Grundlage dieser Bestimmung die Erbringung eines Dienstes verbieten können, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben, wenn sich unter Berücksichtigung der Merkmale dieses Dienstes herausstellt, dass dessen Anbieter selbst solche Arzneimittel verkauft, ohne dazu nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt zu sein.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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