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Document 62021CJ0457
Judgment of the Court (Second Chamber) of 14 December 2023.#European Commission v Grand Duchy of Luxembourg and Others.#Appeal – State aid – Article 107(1) TFEU – Tax ruling adopted by a Member State – Aid declared incompatible with the internal market – Concept of ‘advantage’ – Determination of the reference framework – ‘Normal’ taxation according to national law – Arm’s length principle – Review by the Court of Justice of interpretation and application of national law by the General Court.#Case C-457/21 P.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 14. Dezember 2023.
Europäische Kommission gegen Großherzogtum Luxemburg u. a.
Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Von einem Mitgliedstaat erlassener Steuervorbescheid – Beihilfe, die für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde – Begriff ‚Vorteil‘ – Bestimmung des Bezugsrahmens – ‚Normale‘ Besteuerung nach dem nationalen Recht – Fremdvergleichsgrundsatz – Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch den Gerichtshof.
Rechtssache C-457/21 P.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 14. Dezember 2023.
Europäische Kommission gegen Großherzogtum Luxemburg u. a.
Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Von einem Mitgliedstaat erlassener Steuervorbescheid – Beihilfe, die für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde – Begriff ‚Vorteil‘ – Bestimmung des Bezugsrahmens – ‚Normale‘ Besteuerung nach dem nationalen Recht – Fremdvergleichsgrundsatz – Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch den Gerichtshof.
Rechtssache C-457/21 P.
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:985
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
14. Dezember 2023 ( *1 )
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Von einem Mitgliedstaat erlassener Steuervorbescheid – Beihilfe, die für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde – Begriff ‚Vorteil‘ – Bestimmung des Bezugsrahmens – ‚Normale‘ Besteuerung nach dem nationalen Recht – Fremdvergleichsgrundsatz – Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch den Gerichtshof“
In der Rechtssache C‑457/21 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. Juli 2021,
Europäische Kommission, vertreten durch P.‑J. Loewenthal und F. Tomat als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Großherzogtum Luxemburg, vertreten zunächst durch A. Germeaux und T. Uri, dann durch A. Germeaux und T. Schell als Bevollmächtigte im Beistand von J. Bracker, A. Steichen und D. Waelbroeck, Avocats,
Amazon.com Inc. mit Sitz in Seattle (Vereinigte Staaten),
Amazon EU Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), vertreten durch D. Paemen, M. Petite und A. Tombiński, Avocats,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
Irland, vertreten durch A. Joyce als Bevollmächtigten im Beistand von P. Baker, KC, C. Donnelly, SC, B. Doherty, BL, D. Fennelly, BL, und P. Gallagher, SC,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2023,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Juni 2023
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Mai 2021, Luxemburg und Amazon/Kommission (T‑816/17 und T‑318/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:252), mit dem das Gericht den Beschluss (EU) 2018/859 der Kommission vom 4. Oktober 2017 über die staatliche Beihilfe Luxemburgs SA.38944 (2014/C) (ex 2014/NN) zugunsten von Amazon (ABl. 2018, L 153, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat. |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 |
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 71 des angefochtenen Urteils in der öffentlichen Fassung wie folgt dargestellt:
…
…
…
…
…
… b) Zur Selektivität der Maßnahme
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Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
3 |
Mit Klageschrift, die am 14. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob das Großherzogtum Luxemburg die Klage in der Rechtssache T‑816/17, mit der beantragt wurde, den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären, hilfsweise, ihn insoweit für nichtig zu erklären, als die Rückforderung der darin bezeichneten Beihilfe angeordnet wurde. |
4 |
Mit Klageschrift, die am 22. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben Amazon EU Sàrl und Amazon.com (im Folgenden zusammen: Amazon) die Klage in der Rechtssache T‑318/18, mit der beantragt wurde, die Art. 1 bis 4 des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären, hilfsweise, die Art. 2 bis 4 dieses Beschlusses für nichtig zu erklären. |
5 |
Das Großherzogtum Luxemburg und Amazon machten fünf bzw. neun Klagegründe, die sich nach Auffassung des Gerichts größtenteils überschnitten, wie folgt geltend.
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6 |
In seinem Streithilfeschriftsatz im ersten Rechtszug machte Irland erstens einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV geltend, da die Kommission das Vorliegen eines Vorteils zugunsten von LuxOpCo nicht nachgewiesen habe, zweitens einen Verstoß gegen diese Vorschrift, da die Kommission die Selektivität der Maßnahme nicht nachgewiesen habe, drittens einen Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV, da die Kommission eine verschleierte steuerliche Harmonisierung vorgenommen habe, und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, soweit die Kommission mit dem streitigen Beschluss die Rückforderung der in diesem Beschluss bezeichneten Beihilfe angeordnet habe. |
7 |
Nachdem das Gericht die Rechtssachen T‑816/17 und T‑318/18 zu gemeinsamer Entscheidung durch das angefochtene Urteil verbunden hatte, erklärte es den streitigen Beschluss mit diesem Urteil für nichtig. |
8 |
Zunächst gab es der ersten und der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Klagegrundes und dem dritten Teil des ersten Klagegrundes in der Rechtssache T‑816/17 sowie dem zweiten und dem vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑318/18 statt, mit denen geltend gemacht worden war, dass die Kommission im Rahmen ihrer Feststellung das Vorliegen eines Vorteils nicht nachgewiesen habe. |
9 |
Insoweit entschied es zum einen, dass die Kommission fälschlich angenommen habe, dass LuxSCS im Rahmen der Anwendung der TNMM die zu untersuchende Partei sein müsse, und zum anderen, dass die Berechnung der „Vergütung von LuxSCS“, die die Kommission ausgehend von der Prämisse vorgenommen habe, dass LuxSCS die zu untersuchende Einheit sein müsse, mit zahlreichen Fehlern behaftet sei und nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie hinreichend zuverlässig sei oder es gestatte, zu einem fremdvergleichskonformen Ergebnis zu gelangen. Da die von der Kommission angewandte Berechnungsmethode zurückzuweisen sei, könne diese Methode nicht die Feststellung der Kommission stützen, dass die von LuxOpCo an LuxSCS gezahlte Lizenzgebühr niedriger hätte sein müssen als die Gebühr, die nach dem fraglichen Steuervorbescheid im angefochtenen Zeitraum tatsächlich bezogen worden sei. Die von der Kommission im Rahmen der Feststellung des Vorteils herangezogenen Umstände erlaubten daher nach Auffassung des Gerichts nicht den Nachweis, dass die Steuerlast von LuxOpCo aufgrund einer Überbewertung der Lizenzgebühr künstlich gesenkt worden sei (Rn. 296 und 297 des angefochtenen Urteils). |
10 |
Anschließend gab es den Klagegründen und Argumenten des Großherzogtums Luxemburg und von Amazon statt, mit denen die Begründetheit der drei ergänzenden Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils in Frage gestellt worden waren. Dazu stellte es folgende Erwägungen an:
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11 |
In Anbetracht dieser Erwägungen, die nach Auffassung des Gerichts ausreichten, um die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zu begründen, hat das Gericht die übrigen Klagegründe und Argumente nicht geprüft. |
Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens
12 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission,
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13 |
Das Großherzogtum Luxemburg beantragt,
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14 |
Amazon beantragt,
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Zum Rechtsmittel
Zur Zulässigkeit
15 |
Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht das Großherzogtum Luxemburg geltend, dass das Vorbringen, auf das der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes in Bezug auf die Auslegung und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gestützt seien, unzulässig sei, da damit die Tatsachenfeststellungen des Gerichts in Frage gestellt würden. Da die Kommission nicht bestrebt sei, darzutun, dass diese Tatsachen verfälscht worden seien, könne sie diese Tatsachen nicht im Rahmen ihres Rechtsmittels in Frage stellen. Da der Fremdvergleichsgrundsatz nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keinen eigenständigen Bestand im Unionsrecht habe, seien etwaige Fehler des Gerichts bei der Auslegung und Anwendung dieses Grundsatzes zudem als Fehler, die das nationale luxemburgische Recht beträfen, und damit als Tatsachenfehler anzusehen. Tatsachenfragen könnten aber nicht im Rahmen eines Rechtsmittels geltend gemacht werden, außer im Fall der Verfälschung von Tatsachen durch das Gericht. Das Vorbringen sei somit auch aus diesem Grund unzulässig, da die von der Kommission insoweit behaupteten Verfälschungen nicht erwiesen seien. |
16 |
Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, trägt Amazon vor, die Kommission versuche, die Tatsachenwürdigungen des Gerichts als Rechts- oder Auslegungsfragen darzustellen, damit der Gerichtshof diese Tatsachen erneut prüfe. Dieser dürfe sich aber gemäß Art. 256 AEUV und Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgesehen vom Fall einer Verfälschung nur zu Rechtsfragen äußern. Die Kommission beschränke sich im vorliegenden Fall darauf, eine Verfälschung zu behaupten, ohne auch nur zu versuchen, sie nachzuweisen. Insoweit seien das Rechtsmittel und insbesondere der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes unzulässig. |
17 |
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Rn. 25 ihrer Rechtsmittelschrift u. a. vorträgt, dass „eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Voraussetzung des Vorteils darstellt“, und in Rn. 26 der Rechtsmittelschrift geltend macht, dass „das Gericht dadurch, dass es den Fremdvergleichsgrundsatz fehlerhaft auslegt und anwendet, ‚im Rahmen [seiner] Beurteilung nach Art. 107 Abs. 1 AEUV‘ einen Fehler begeht“. Die letztgenannte Rüge wiederholt sie in Abschnitt 6.2 der Rechtsmittelschrift. |
18 |
Unabhängig davon, aus welchen Gründen die Kommission der Auffassung ist, das Gericht habe den Fremdvergleichsgrundsatz insbesondere in den Rn. 162 bis 251 des angefochtenen Urteils falsch ausgelegt und angewandt, ist folglich festzustellen, dass die Kommission den Gerichtshof ersucht, zu überprüfen, ob das Gericht diesen Grundsatz im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV zutreffend ausgelegt und angewandt hat. |
19 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs, über ein gegen eine Entscheidung des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel zu befinden, in Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV geregelt ist. Danach ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen zu beschränken und „nach Maßgabe der Bedingungen und innerhalb der Grenzen [einzulegen], die innerhalb der Satzung vorgesehen sind“. In einer abschließenden Aufzählung der Rechtsmittelgründe, die in diesem Rahmen geltend gemacht werden können, stellt Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union klar, dass das Rechtsmittel auf eine Verletzung des Unionsrechts durch das Gericht gestützt werden kann (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 46). |
20 |
Zwar kann der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels Beurteilungen des nationalen Rechts durch das Gericht prüft, die im Bereich des Beihilferechts Tatsachenwürdigungen darstellen, grundsätzlich nur prüfen, ob dieses Recht verfälscht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 82 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Dem Gerichtshof darf jedoch nicht die Möglichkeit genommen werden, zu prüfen, ob solche Würdigungen nicht selbst einen Verstoß gegen das Unionsrecht im Sinne der in Rn. 19 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darstellen. |
21 |
Die Frage, ob das Gericht das einschlägige Bezugssystem angemessen abgegrenzt und damit die Vorschriften, aus denen es besteht – hier den Fremdvergleichsgrundsatz –, richtig ausgelegt und angewandt hat, ist jedoch eine Rechtsfrage, die Gegenstand einer Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sein kann. Das Vorbringen, mit dem die Wahl des Bezugssystems oder seine Bedeutung im ersten Schritt der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils in Frage gestellt wird, ist zulässig, da diese Prüfung auf einer rechtlichen Qualifizierung des nationalen Rechts auf der Grundlage einer unionsrechtlichen Vorschrift beruht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 85, sowie vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 78). |
22 |
Mit der Annahme, dass der Gerichtshof nicht prüfen könne, ob das Gericht rechtsfehlerfrei darüber befunden hat, wie die Kommission das einschlägige Bezugssystem als entscheidenden Parameter für die Prüfung des Vorliegen eines selektiven Vorteils abgegrenzt, ausgelegt und angewandt hat, würde hingenommen, dass das Gericht gegebenenfalls einen Verstoß gegen eine Vorschrift des Primärrechts der Union, nämlich Art. 107 Abs. 1 AEUV begangen hat, ohne dass dieser Verstoß im Rahmen des Rechtsmittels sanktioniert werden könnte; dies liefe Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV zuwider, wie in Rn. 19 des vorliegenden Urteils ausgeführt. |
23 |
Indem die Kommission den Gerichtshof ersucht hat, zu prüfen, ob das Gericht den Fremdvergleichsgrundsatz im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV richtig ausgelegt und angewandt hat, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das von der Kommission zur Bestimmung einer normalen Besteuerung herangezogene Bezugssystem falsch und das Vorliegen eines Vorteils zugunsten der Amazon-Gruppe somit nicht nachgewiesen gewesen sei, hat sie Rechtsmittelgründe und Argumente vorgetragen, die entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und dem Vorbringen von Amazon zulässig sind. |
Zur Begründetheit
24 |
Die Kommission macht zwei Rechtsmittelgründe geltend, nämlich erstens Fehler des Gerichts in Bezug auf ihre im streitigen Beschluss dargelegte Feststellung des Vorteils und zweitens Fehler des Gerichts in Bezug auf ihre erste ergänzende Feststellung hinsichtlich dieses Vorteils. |
25 |
Diese beiden Fragen sind gemeinsam zu erörtern. |
Vorbringen der Parteien
26 |
Der erste Rechtsmittelgrund der Kommission umfasst zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird geltend gemacht, das Gericht habe in den Rn. 162 bis 251 des angefochtenen Urteils den Fremdvergleichsgrundsatz falsch ausgelegt und angewandt, das angefochtene Urteil insoweit nicht begründet und gegen die Verfahrensvorschriften verstoßen, indem es die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Funktionsanalyse für LuxSCS und Auswahl von LuxSCS als untersuchte Partei zurückgewiesen habe. Mit dem zweiten Teil wird geltend gemacht, das Gericht habe einen Fehler begangen, indem es in den Rn. 257 bis 295 dieses Urteils die Berechnung des fremdvergleichskonformen Satzes der Lizenzgebühr zurückgewiesen habe. |
27 |
Zunächst macht die Kommission im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes geltend, die normale Besteuerung müsse, wie das Gericht selbst ausgeführt habe, im vorliegenden Fall anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes beurteilt werden, der ein „Instrument“ darstelle, auf das sie sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines Vorteils nach Art. 107 Abs. 1 AEUV stützen müsse. Indem das Gericht diesen Grundsatz fehlerhaft ausgelegt und angewandt habe, habe es somit gegen diese Vorschrift verstoßen. Auch unter der Annahme, die Fehler, die dem Gericht bei der Anwendung dieses Grundsatzes unterlaufen seien, beträfen nur das luxemburgische Recht, stellten diese Fehler jedenfalls offenkundige Verfälschungen dieses Rechts dar, von dem das Gericht angenommen habe, das es auf diesem Grundsatz beruhe. |
28 |
Das Großherzogtum Luxemburg und Amazon treten sämtlichen Argumenten entgegen, die zur Stützung des ersten Rechtsmittelgrundes geltend gemacht werden. |
29 |
Das Großherzogtum Luxemburg trägt in seiner Rechtsmittelbeantwortung u. a. vor, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des fraglichen Steuervorbescheids ebenso wie bei dessen Verlängerung im luxemburgischen Recht keine Bezugnahme auf die OECD-Leitlinien enthalten gewesen sei. Diese seien für die Mitgliedstaaten dieser Organisation nicht bindend, könnten die einschlägigen Vorschriften des luxemburgischen Rechts aber erläutern. |
30 |
Der zweite Rechtsmittelgrund, der gegen die Rn. 314 bis 442 und 499 bis 538 des angefochtenen Urteils gerichtet ist, bezieht sich auf die Zurückweisung der ersten ergänzenden Feststellung, die die Kommission im streitigen Beschluss getroffen hat, durch das Gericht. Im Rahmen des zweiten Teils dieses zweiten Rechtsmittelgrundes trägt die Kommission in Abschnitt 6.2 der Rechtsmittelschrift erneut vor, dass „das Gericht den Fremdvergleichsgrundsatz falsch ausgelegt und angewandt hat“. Das Großherzogtum Luxemburg und Amazon treten dem entgegen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
31 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die nicht unionsrechtlich harmonisiert sind, nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgenommen. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine steuerliche Maßnahme erlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
32 |
Insoweit ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Empfänger durch den Eingriff ein selektiver wirtschaftlicher Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
33 |
Die Voraussetzung des selektiven Vorteils erfordert die Feststellung, ob die in Rede stehende nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Zur Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ muss die Kommission in einem ersten Schritt das Bezugssystem, d. h. die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende „normale“ Steuerregelung, ermitteln und in einem zweiten Schritt dartun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme von diesem Bezugssystem insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Maßnahmen, die eine Unterscheidung zwischen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der in Rede stehenden rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, einführen und damit a priori selektiv sind, fallen jedoch dann nicht unter den Begriff „staatliche Beihilfe“, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems ergibt, in das sich die Maßnahmen einfügen (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
35 |
Der Bestimmung des Bezugsrahmens kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da – wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt – das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur im Vergleich zu einer sogenannten „normalen“ Besteuerung festgestellt werden kann. |
36 |
Somit hängt die Bestimmung aller Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, von der vorherigen Definition der rechtlichen Regelung ab, im Hinblick auf deren Ziel gegebenenfalls die Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Situation der durch die fragliche Maßnahme begünstigten Unternehmen und der durch sie nicht begünstigten Unternehmen zu prüfen ist (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
37 |
Bei der Beurteilung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme kommt es daher darauf an, dass das in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine Steuersystem oder Bezugssystem im Beschluss der Kommission zutreffend bestimmt und von dem mit einer gegen diese Bestimmung gerichteten Rüge befassten Gericht untersucht wird. Da die Bestimmung des Bezugssystems den Ausgangspunkt für die vergleichende Prüfung darstellt, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Selektivität zu erfolgen hat, führt ein hierbei begangener Fehler zwangsläufig dazu, dass die gesamte Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität mit einem Mangel behaftet ist (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Erstens ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich die Bestimmung des Bezugsrahmens, die nach einer kontradiktorischen Erörterung mit dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgen muss, aus einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Zusammenhangs und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften ergeben muss (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 72 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
39 |
Zweitens bestimmt außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer, die grundsätzlich das „normale“ Bezugssystem oder die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist. Dies gilt insbesondere für die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertatbestands und die etwaigen Befreiungen, die dieser vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
40 |
Daraus folgt, dass bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung nicht nur der Frage, ob ein Vorteil vorliegt, sondern auch der Frage, ob dieser selektiv ist (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 74). |
41 |
Die vorliegende Rechtssache betrifft wie diejenige, in der das Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), ergangen ist, die Frage der Rechtmäßigkeit eines von der luxemburgischen Steuerverwaltung erlassenen Steuervorbescheids, der auf der Bestimmung von Verrechnungspreisen anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes beruht. |
42 |
Aus diesem Urteil ergibt sich erstens, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nur, wenn er nach dem betreffenden nationalen Recht anerkannt ist, und nach den durch dieses Recht festgelegten Modalitäten angewandt werden kann. Anders gesagt existiert beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts kein eigenständiger Fremdvergleichsgrundsatz, der unabhängig von seiner Verankerung im nationalen Recht bei der Prüfung steuerlicher Maßnahmen im Rahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 104). |
43 |
Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass das auf Unternehmen in Luxemburg anwendbare nationale Recht im Bereich der Besteuerung integrierter Unternehmen zwar darauf abzielt, zu einer verlässlichen Annäherung an den Marktpreis zu gelangen, und dieses Ziel allgemein dem des Fremdvergleichsgrundsatzes entspricht, dies jedoch nichts daran ändert, dass die konkreten Modalitäten der Anwendung dieses Grundsatzes mangels einer Harmonisierung im Unionsrecht im nationalen Recht festgelegt werden und bei der Bestimmung des Bezugsrahmens für die Feststellung des Vorliegens eines selektiven Vorteils zu berücksichtigen sind (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 93) |
44 |
Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die OECD-Leitlinien für die Mitgliedstaaten dieser Organisation nicht bindend sind. Selbst wenn sich – wie der Gerichtshof hervorgehoben hat – zahlreiche nationale, in Steuersachen zuständige Behörden bei der Bildung und Kontrolle der Verrechnungspreise an den OECD-Leitlinien orientieren, sind für die Prüfung, ob bestimmte Transaktionen anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes zu untersuchen sind, und gegebenenfalls, ob Verrechnungspreise, die die Grundlage für die Bemessung des von einem Steuerpflichtigen zu versteuernden Einkommens und seiner Verteilung zwischen den betreffenden Staaten bilden, von einem fremdvergleichskonformen Ergebnis abweichen, ausschließlich die nationalen Bestimmungen relevant. Bei der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Steuervorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, und der Feststellung, welche Steuerbelastung ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, dürfen daher Parameter und Regeln, die wie die genannten Leitlinien außerhalb des fraglichen nationalen Steuersystems liegen, nicht berücksichtigt werden, es sei denn, das nationale Steuersystem bezieht sich ausdrücklich darauf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 96). |
45 |
Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 121 und 122 des angefochtenen Urteils ausgeführt:
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46 |
In Rn. 121 des angefochtenen Urteils ist dem Gericht ein erster Rechtsfehler unterlaufen, als es dort befand, dass die Kommission den Fremdvergleichsgrundsatz im Rahmen der Durchführung von Art. 107 Abs. 1 AEUV allgemein habe anwenden dürfen, obwohl dieser Grundsatz keinen eigenständigen Bestand im Unionsrecht hat, ohne darauf hinzuweisen, dass die Kommission sich vorher vergewissern musste, dass dieser Grundsatz im betreffenden nationalen – im vorliegenden Fall dem luxemburgischen – Steuerrecht verankert war und dass darin ausdrücklich auf diesen Grundsatz als solchen Bezug genommen wurde. Diesem Fehler wird nicht dadurch abgeholfen, dass das Gericht in Rn. 137 des angefochtenen Urteils – aus den in den Rn. 54 und 55 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen allerdings unzutreffend – angenommen hat, dass dieser Grundsatz im maßgeblichen Zeitraum im luxemburgischen Recht verankert gewesen sei. |
47 |
Indem das Gericht in Rn. 122 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die Leitlinien, auch wenn sie für die Kommission nicht bindend seien, eine „gewisse praktische Bedeutung“ bei der Beurteilung der Beachtung dieses Grundsatzes hätten, hat es zudem versäumt, darauf hinzuweisen, dass diese Leitlinien auch für die Mitgliedstaaten der OECD nicht bindend waren und damit praktische Bedeutung nur hatten, sofern das Steuerrecht des betreffenden Mitgliedstaats ausdrücklich auf sie Bezug nahm. Somit hat es nicht geprüft, ob sich die Kommission vergewissert hatte, ob dies auf das luxemburgische Steuerrecht zutraf, und hat die Anwendbarkeit dieser Leitlinien selbst für gegeben erachtet und damit einen zweiten Rechtsfehler begangen. |
48 |
Obwohl Irland, wie sich aus Rn. 132 des angefochtenen Urteils ergibt, geltend gemacht hatte, dass ein Fremdvergleichsgrundsatz keine Grundlage im Unionsrecht finde, hat das Gericht, das dieses Vorbringen als unzulässig zurückwies und folglich nicht prüfte, obwohl es die Richtigkeit des Bezugssystems, das die Kommission zur Bestimmung einer normalen Besteuerung herangezogen hatte, und damit das Vorliegen eines Vorteils zugunsten der Amazon-Gruppe in der Sache in Frage stellte, somit eine Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgenommen, die dem Unionsrecht zuwiderläuft, worauf insbesondere in den Rn. 96 und 104 des Urteils vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859) hingewiesen wurde, und mithin die Bestimmung des Bezugssystems durch die Kommission zu Unrecht bestätigt. |
49 |
Die gesamte Prüfung, die das Gericht in den Rn. 162 bis 251, 257 bis 295, 314 bis 442 und 499 bis 538 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Voraussetzung des Vorliegens eines selektiven Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV durchgeführt hat, beruht auf der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne der OECD-Leitlinien zum Zweck der Beurteilung des Vorliegens eines solchen Vorteils, unabhängig von einer Verankerung dieses Grundsatzes im luxemburgischen Recht. |
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Folglich ist diese Prüfung, da sie auf einer fehlerhaften Bestimmung des für die Beurteilung des Vorliegens eines selektiven Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV relevanten Bezugssystems durch das Gericht beruht, nach der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung ebenfalls fehlerhaft. |
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Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, wenn die Gründe des Urteils des Gerichts zwar eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, der Tenor des Urteils sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, ein solcher Verstoß nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils nach sich ziehen kann und eine Ersetzung von Gründen vorzunehmen sowie das Rechtsmittel zurückzuweisen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. März 2021, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, C‑611/16 P, EU:C:2021:245, Rn.149, und vom 24. März 2022, PJ und PC/EUIPO, C‑529/18 P und C‑531/18 P, EU:C:2022:218, Rn. 75 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Das ist hier der Fall. |
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Erstens hat die Kommission nämlich den Fremdvergleichsgrundsatz angewandt, wie wenn er als solcher im Unionsrecht anerkannt gewesen wäre. Dies lassen insbesondere die Erwägungsgründe 402, 403, 409, 519, 520 und 561 des streitigen Beschlusses erkennen. Aus Rn. 104 des Urteils vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), geht aber hervor, dass es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keinen eigenständigen Fremdvergleichsgrundsatz gibt, der unabhängig von seiner Verankerung im nationalen Recht gilt. |
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Zweitens war sie, wie sich aus den Erwägungsgründen 241 und 242 des streitigen Beschlusses ergibt, der Auffassung, dass Art. 164 Abs. 3 der Loi concernant l’impôt sur le revenu von der luxemburgischen Steuerbehörde dahin ausgelegt worden sei, dass er den „Fremdvergleichsgrundsatz“ im luxemburgischen Steuerrecht verankert habe. Wie den Rn. 96 und 104 des Urteils vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), zu entnehmen ist, darf die Kommission diesen Grundsatz bei der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, jedoch nur anwenden, wenn er als solcher im nationalen Recht verankert ist, wofür mindestens erforderlich ist, dass das nationale Recht ausdrücklich auf ihn Bezug nimmt. |
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Wie die Kommission im 243. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses selbst eingeräumt hat, regelt aber erst seit dem 1. Januar 2017, d. h. nach dem Erlass des fraglichen Steuervorbescheids, ein neuer Artikel des Einkommensteuergesetzes „die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im luxemburgischen Steuerrecht ausdrücklich“. Damit steht fest, dass die Anforderung, auf die in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung hingewiesen wurde, nicht erfüllt war, als der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahme erließ, die nach Ansicht der Kommission eine staatliche Beihilfe darstellte, so dass die Kommission diesen Grundsatz im streitigen Beschluss nicht rückwirkend anwenden durfte. |
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Drittens hat die Kommission, indem sie in den Erwägungsgründen 246 ff. dieses Beschlusses die OECD-Leitlinien zu Verrechnungspreisen anwandte, ohne nachgewiesen zu haben, dass diese Leitlinien – ganz oder teilweise – ausdrücklich ins luxemburgische Recht aufgenommen worden waren, gegen das Verbot verstoßen, auf das in Rn. 96 des Urteils vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), hingewiesen wurde, wonach bei der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Steuervorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, und der Feststellung, welche Steuerbelastung ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, Parameter und Regeln, die wie diese Leitlinien außerhalb des fraglichen nationalen Steuersystems liegen, nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn sich das nationale Steuersystem nicht ausdrücklich darauf bezieht. |
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass solche Fehler bei der Bestimmung der nach dem einschlägigen nationalen Recht tatsächlich anwendbaren Vorschriften und folglich bei der Ermittlung der „normalen“ Besteuerung, anhand deren der fragliche Steuervorbescheid zu beurteilen war, zwangsläufig auf alle Erwägungen zum Vorliegen eines selektiven Vorteils durchschlagen (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Nach allen diesen Erwägungen hat das Gericht in Rn. 590 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass die Kommission das Vorliegen eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zugunsten der Amazon-Gruppe nicht nachgewiesen hat, und den streitigen Beschluss infolgedessen zu Recht für nichtig erklärt. |
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Nach alledem und aufgrund einer Ersetzung von Gründen gemäß der in Rn. 51 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung sind daher die beiden Rechtsmittelgründe und somit das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. |
Kosten
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Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. |
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Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
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Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Großherzogtums Luxemburg und von Amazon gemäß deren Antrag aufzuerlegen. |
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Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 ebenfalls auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Irland trägt daher als Streithelfer seine eigenen Kosten. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprachen: Englisch und Französisch.