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Document 62007CJ0171

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 19. Mai 2009.
Apothekerkammer des Saarlandes und andere (C-171/07) und Helga Neumann-Seiwert (C-172/07) gegen Saarland und Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht des Saarlandes - Deutschland.
Niederlassungsfreiheit - Art. 43 EG - Gesundheit der Bevölkerung - Apotheken - Vorschriften, die allein Apothekern das Recht vorbehalten, eine Apotheke zu betreiben - Rechtfertigung - Sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln - Berufliche Unabhängigkeit der Apotheker.
Verbundene Rechtssachen C-171/07 und C-172/07.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-04171

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:316

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In den verbundenen Rechtssachen C‑171/07 und C‑172/07

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht des Saarlandes (Deutschland) mit Entscheidungen vom 20. März 2007 und 21. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 2007, in den Verfahren

Apothekerkammer des Saarlandes,

Marion Schneider,

Michael Holzapfel,

Fritz Trennheuser,

Deutscher Apothekerverband e. V. (C‑171/07),

Helga Neumann-Seiwert (C‑172/07)

gegen

Saarland,

Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales,

Beteiligte:

DocMorris NV,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und T. von Danwitz, der Richter J. Makarczyk, P. Kūris, E. Juhász, G. Arestis, J. Malenovský (Berichterstatter) und L. Bay Larsen sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Apothekerkammer des Saarlandes, von Frau Schneider, Herrn Holzapfel und Herrn Trennheuser sowie des Deutschen Apothekerverbandes e. V., vertreten durch Prof. J. Schwarze im Beistand von Rechtsanwalt C. Dechamps,

– von Frau Neumann-Seiwert, vertreten durch Rechtsanwalt H.‑U. Dettling,

– des Saarlandes und des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales, vertreten durch W. Schild als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt H. Kröninger,

– der DocMorris NV, vertreten durch Prof. C. König im Beistand von Rechtsanwältin F. Diekmann,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,

– der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou als Bevollmächtigte,

– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Messmer als Bevollmächtigte,

– von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Collins, SC, und N. Travers, BL,

– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato,

– der niederländischen Regierung, vertreten durch Y. de Vries als Bevollmächtigten,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und T. Kröll als Bevollmächtigte,

– der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka und M. Kapko als Bevollmächtigte,

– der finnischen Regierung, vertreten durch J. Himmanen und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 EG und 48 EG sowie der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.

2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, in denen sich die Apothekerkammer des Saarlandes, Frau Schneider, Herr Holzapfel, Herr Trennheuser und der Deutsche Apothekerverband e. V. (C‑171/07) bzw. Frau Neumann-Seiwert (C‑172/07) auf der einen Seite sowie das Saarland und das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales auf der anderen Seite gegenüberstehen und in denen es um eine nationale Regelung geht, nach der nur Apotheker Inhaber und Betreiber von Apotheken sein können.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3. Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22) lautet:

„Diese Richtlinie gewährleistet nicht die Koordinierung aller Bedingungen für die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten des Apothekers. Insbesondere sollten die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Diese Richtlinie berührt keine Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die Gesellschaften die Ausübung bestimmter Tätigkeiten des Apothekers verbieten oder ihnen für die Ausübung solcher Tätigkeiten bestimmte Auflagen machen.“

4. Dieser Erwägungsgrund übernimmt im Kern den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten (ABl. L 253, S. 34) und den zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 85/433/EWG des Rates vom 16. September 1985 über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Apothekers und über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts für bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten (ABl. L 253, S. 37); diese Richtlinien sind mit Wirkung zum 20. Oktober 2007 aufgehoben und durch die Richtlinie 2005/36 ersetzt worden.

Nationales Recht

5. § 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen in seiner im BGBl. 1980 I, S. 1993, veröffentlichten und durch Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geänderten Fassung (im Folgenden: ApoG) lautet:

„(1) Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.

(2) Wer eine Apotheke und bis zu drei Filialapotheken betreiben will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde.

(3) Die Erlaubnis gilt nur für den Apotheker, dem sie erteilt ist, und für die in der Erlaubnisurkunde bezeichneten Räume.“

6. § 2 ApoG bestimmt:

„(1) Die Erlaubnis ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller

1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes, Angehöriger eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum … ist;

2. voll geschäftsfähig ist;

3. die deutsche Approbation als Apotheker besitzt;

4. die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit besitzt; …

7. nicht in gesundheitlicher Hinsicht ungeeignet ist, eine Apotheke ordnungsgemäß zu leiten;

(4) Die Erlaubnis zum Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken ist auf Antrag zu erteilen, wenn

1. der Antragsteller die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 bis 3 für jede der beantragten Apotheken erfüllt und

2. die von ihm zu betreibende Apotheke und die von ihm zu betreibenden Filialapotheken innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen.

(5) Für den Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken gelten die Vorschriften dieses Gesetzes mit folgenden Maßgaben entsprechend:

1. Der Betreiber hat eine der Apotheken (Hauptapotheke) persönlich zu führen.

2. Für jede weitere Apotheke (Filialapotheke) hat der Betreiber schriftlich einen Apotheker als Verantwortlichen zu benennen, der die Verpflichtungen zu erfüllen hat, wie sie in diesem Gesetz und in der Apothekenbetriebsordnung für Apothekenleiter festgelegt sind.

…“

7. § 7 ApoG bestimmt:

„Die Erlaubnis verpflichtet zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung. …“

8. § 8 ApoG lautet:

„Mehrere Personen zusammen können eine Apotheke nur in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betreiben; in diesen Fällen bedürfen alle Gesellschafter der Erlaubnis. …“

9. § 13 Abs. 1 ApoG bestimmt:

„Nach dem Tode des Erlaubnisinhabers dürfen die Erben die Apotheke für längstens 12 Monate durch einen Apotheker verwalten lassen.“

10. Nach § 14 ApoG können die Krankenhäuser wählen, ob sie ihre Arzneimittelversorgung einer internen Apotheke, d. h. einer in den Räumen des betreffenden Krankenhauses betriebenen Apotheke, der Apotheke eines anderen Krankenhauses oder einer Apotheke außerhalb eines Krankenhauses anvertrauen wollen. Die Erlaubnis zum Betrieb einer internen Apotheke wird erteilt, wenn das Krankenhaus u. a. die Anstellung eines Apothekers nachweist, der die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4, 7 und 8 ApoG erfüllt.

Ausgangsrechtsstreite und Vorlagefragen

11. Die DocMorris NV (im Folgenden: DocMorris) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, die u. a. ein Versandunternehmen für Arzneimittel betreibt. Mit Bescheid vom 29. Juni 2006 erteilte ihr das Ministerium mit Wirkung vom 1. Juli 2006 die Erlaubnis zum Betrieb einer Filialapotheke in Saarbrücken mit der Maßgabe, einen Apotheker für die persönliche Leitung der betreffenden Apotheke unter eigener Verantwortung einzustellen (im Folgenden: Bescheid vom 29. Juni 2006).

12. Am 2. und am 18. August 2006 erhoben die Kläger der Ausgangsverfahren beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage gegen den Bescheid vom 29. Juni 2006.

13. Die Kläger brachten in diesen Klagen vor, dass dieser Bescheid gegen das ApoG verstoße, da er das „Fremdbesitzverbot“, nämlich den Grundsatz, dass nur Apotheker Eigentümer und Betreiber von Apotheken sein dürften, wie er sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit den §§ 7 und 8 ApoG ergebe (im Folgenden: Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern), verletze.

14. Das von DocMorris unterstützte Ministerium machte geltend, dass der Bescheid vom 29. Juni 2006 rechtsgültig sei, weil es gezwungen gewesen sei, die betreffenden Bestimmungen des ApoG unangewendet zu lassen, weil sie Art. 43 EG verletzten, der die Niederlassungsfreiheit garantiere. Eine Kapitalgesellschaft, die rechtmäßig in einem Mitgliedstaat eine Apotheke betreibe, habe nämlich keinen Zutritt zum deutschen Apothekenmarkt. Eine solche Beschränkung sei aber zur Erreichung des legitimen Ziels des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung nicht erforderlich.

15. Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden, in den beiden Rechtssachen C‑171/07 und C‑172/07 wortgleich gefassten Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit für Kapitalgesellschaften (Art. 43 EG, 48 EG) so auszulegen, dass sie einem Fremdbesitzverbot für Apotheken, wie es in § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und 7, § 7 Satz 1 und § 8 Satz 1 ApoG geregelt ist, entgegenstehen?

2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird:

Ist eine nationale Behörde aufgrund des Gemeinschaftsrechts, insbesondere im Hinblick auf Art. 10 EG und den Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts berechtigt und verpflichtet, die von ihr für gemeinschaftswidrig erachteten nationalen Vorschriften nicht anzuwenden, auch wenn es sich nicht um einen evidenten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht handelt und eine Unvereinbarkeit der betreffenden Vorschriften gegen das Gemeinschaftsrecht vom Gerichtshof nicht festgestellt worden ist?

16. Mit Beschluss vom 1. Juni 2007 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑171/07 und C‑172/07 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

17. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 43 EG und 48 EG einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt.

Vorbemerkungen

18. Erstens geht sowohl aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs als auch aus Art. 152 Abs. 5 EG und dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/36 hervor, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit und insbesondere für den Erlass von Vorschriften zur Organisation von Diensten im Gesundheitswesen wie der öffentlichen Apotheken unberührt lässt. Jedoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Bestimmungen des Vertrags über die Verkehrsfreiheiten einschließlich der Niederlassungsfreiheit beachten. Diese Bestimmungen untersagen es den Mitgliedstaaten, ungerechtfertigte Beschränkungen der Ausübung dieser Freiheiten im Bereich der Gesundheitsversorgung einzuführen oder beizubehalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2006, Watts, C‑372/04, Slg. 2006, I‑4325, Randnrn. 92 und 146, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 29).

19. Bei der Prüfung, ob das genannte Gebot beachtet worden ist, ist zu berücksichtigen, dass unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband, C‑322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnr. 103, vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C‑141/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 51, und Hartlauer, Randnr. 30).

20. Zweitens ist festzustellen, dass weder die Richtlinie 2005/36 noch eine andere Maßnahme zur Durchführung der im Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeiten des Apothekers vorsieht, die den Kreis der Personen klarstellen würden, die zum Betrieb einer Apotheke berechtigt sind. Folglich ist die nationale Regelung allein anhand der Bestimmungen des Vertrags zu prüfen.

21. Drittens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Regelung, die für Personen gilt, die mit dem Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln betraut sind, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheidet. Während in manchen Mitgliedstaaten nur selbständige Apotheker Inhaber und Betreiber von Apotheken sein können, lassen es andere Mitgliedstaaten zu, dass Personen, die keine selbständigen Apotheker sind, Eigentümer einer Apotheke sind, wobei sie aber deren Führung angestellten Apothekern anvertrauen.

Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

22. Nach ständiger Rechtsprechung steht Art. 43 EG jeder nationalen Maßnahme entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Gemeinschaftsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. u. a. Urteile vom 31. März 1993, Kraus, C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32, und vom 14. Oktober 2004, Kommission/Niederlande, C‑299/02, Slg. 2004, I‑9761, Randnr. 15).

23. Eine Beschränkung im Sinne von Art. 43 EG liegt insbesondere in einer Regelung, die die Niederlassung eines Wirtschaftsteilnehmers eines anderen Mitgliedstaats im Aufnahmemitgliedstaat von der vorherigen Erteilung einer Erlaubnis abhängig macht und die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bestimmten Wirtschaftsteilnehmern vorbehält, die zuvor festgelegten Anforderungen entsprechen, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung dieser Erlaubnis ist. Eine derartige Regelung hält Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon ab, im Aufnahmemitgliedstaat ihren Tätigkeiten mittels einer Betriebsstätte nachzugehen, oder hindert sie sogar daran (vgl. in diesem Sinne Urteil Hartlauer, Randnrn. 34, 35 und 38).

24. Die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern stellt eine derartige Beschränkung dar, weil sie den Betrieb von Apotheken Apothekern vorbehält und die übrigen Wirtschaftsteilnehmer von der Aufnahme dieser selbständigen Tätigkeit im betreffenden Mitgliedstaat ausschließt.

Zur Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

25. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sind, können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil Hartlauer, Randnr. 44).

26. In den Ausgangsverfahren ist erstens festzustellen, dass die fragliche nationale Regelung ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit Anwendung findet.

27. Zweitens gehört der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Beschränkungen der vom Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten wie der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (vgl. u. a. Urteil Hartlauer, Randnr. 46).

28. Im Einzelnen lassen sich Beschränkungen der genannten Verkehrsfreiheiten mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Deutscher Apothekerverband, Randnr. 106, und vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, Randnr. 47).

29. Drittens ist zu prüfen, ob die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern zur Erreichung eines derartigen Ziels geeignet ist.

30. Hierbei muss der Mitgliedstaat, wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit bleibt, Schutzmaßnahmen treffen können, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. Außerdem kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, wozu im Einzelnen eine Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gehört, weitestmöglich verringern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2007, Rosengren u. a., C‑170/04, Slg. 2007, I‑4071, Randnr. 49).

31. In diesem Zusammenhang ist der ganz besondere Charakter der Arzneimittel zu betonen, deren therapeutische Wirkungen sie substanziell von den übrigen Waren unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 1991, Delattre, C‑369/88, Slg. 1991, I‑1487, Randnr. 54).

32. Aufgrund dieser therapeutischen Wirkungen können Arzneimittel, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann.

33. Eine übermäßige Einnahme oder falsche Verwendung von Arzneimitteln führt außerdem zu einer Verschwendung finanzieller Mittel, die umso schädlicher ist, als der Pharmabereich erhebliche Kosten verursacht und wachsenden Bedürfnissen entsprechen muss, während die finanziellen Mittel, die für die Gesundheitspflege bereitgestellt werden können, unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung nicht unbegrenzt sind (vgl. entsprechend für die Krankenhausversorgung Urteile vom 13. Mai 2003, Müller-Fauré und van Riet, C‑385/99, Slg. 2003, I‑4509, Randnr. 80, sowie Watts, Randnr. 109). Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass zwischen diesen finanziellen Mitteln und den Gewinnen von auf dem Pharmasektor tätigen Wirtschaftsteilnehmern eine unmittelbare Beziehung besteht, denn in den meisten Mitgliedstaaten wird die Verschreibung von Arzneimitteln von den betreffenden Krankenversicherungsträgern erstattet.

34. In Anbetracht dieser Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherungssysteme können die Mitgliedstaaten die mit dem Einzelhandelsvertrieb der Arzneimittel betrauten Personen, u. a. was die Modalitäten ihrer Vermarktung und das Gewinnstreben anbelangt, strengen Anforderungen unterwerfen. Insbesondere können sie den Verkauf von Arzneimitteln im Einzelhandel grundsätzlich Apothekern vorbehalten wegen der Garantien, die diese bieten müssen, und der Informationen, die sie den Verbrauchern geben können müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Delattre, Randnr. 56).

35. Da die Mitgliedstaaten befugt sind, über das Niveau des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu entscheiden, ist anzuerkennen, dass sie verlangen können, dass die Arzneimittel von Apothekern vertrieben werden, die über tatsächliche berufliche Unabhängigkeit verfügen. Sie können auch Maßnahmen treffen, die geeignet sind, eine Gefahr der Beeinträchtigung dieser Unabhängigkeit zu beseitigen oder zu verringern, da eine derartige Beeinträchtigung geeignet wäre, sich auf das Niveau der Sicherheit und der Qualität der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auszuwirken.

36. In diesem Zusammenhang sind drei Kategorien möglicher Betreiber einer Apotheke zu unterscheiden, nämlich die der natürlichen Personen, die Apotheker sind, die der auf dem Sektor der pharmazeutischen Produkte als Hersteller oder Großhändler tätigen Personen und die der Personen, die weder Apotheker sind noch einer Tätigkeit in dem genannten Sektor nachgehen.

37. Für den Betreiber, der Apotheker ist, lässt sich nicht leugnen, dass er ebenso wie andere Personen das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften. Als Berufsapotheker ist bei ihm aber davon auszugehen, dass er die Apotheke nicht nur aus rein wirtschaftlichen Zwecken betreibt, sondern auch unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel. Sein privates Interesse an Gewinnerzielung wird somit durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt, da ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder berufsrechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz erschüttert.

38. Nichtapotheker unterscheiden sich von Apothekern dadurch, dass sie definitionsgemäß keine derjenigen der Apotheker entsprechende Ausbildung, Erfahrung und Verantwortung haben. Demnach ist festzustellen, dass sie nicht die gleichen Garantien wie Apotheker bieten.

39. Folglich kann ein Mitgliedstaat im Rahmen seines in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Wertungsspielraums der Ansicht sein, dass der Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker im Unterschied zu einer von einem Apotheker betriebenen Apotheke eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere für die Sicherheit und Qualität des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel, darstellen kann, weil das Gewinnstreben im Rahmen eines derartigen Betriebs nicht mit mäßigenden Faktoren wie den in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils angeführten einhergeht, die die Tätigkeit der Apotheker kennzeichnen (vgl. entsprechend für Leistungen der Sozialhilfe Urteil vom 17. Juni 1997, Sodemare u. a., C‑70/95, Slg. 1997, I‑3395, Randnr. 32).

40. Es ist somit einem Mitgliedstaat insbesondere unbenommen, im Rahmen des genannten Wertungsspielraums zu beurteilen, ob eine derartige Gefahr bei Herstellern und Großhändlern pharmazeutischer Produkte deshalb vorliegt, weil sie die Unabhängigkeit der angestellten Apotheker dadurch beeinträchtigen könnten, dass sie diese zu einer Förderung derjenigen Arzneimittel anhalten, die sie selbst herstellen oder vertreiben. Ein Mitgliedstaat darf außerdem beurteilen, ob die Gefahr besteht, dass Betreiber, die keine Apotheker sind, die Unabhängigkeit der angestellten Apotheker dadurch beeinträchtigen, dass sie diese dazu anhalten, Arzneimittel zu verkaufen, deren Bevorratung nicht mehr einträglich ist, oder dass diese Betreiber Betriebskostenkürzungen vornehmen, die geeignet wären, die Modalitäten des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel zu beeinträchtigen.

41. In ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen haben die Kommission und DocMorris außerdem geltend gemacht, dass sich die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern in den Ausgangsverfahren nicht mit dem Allgemeininteresse rechtfertigen lasse, da dieses Ziel nicht in kohärenter Weise verfolgt werde.

42. Hierzu geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. Urteile vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 53 und 58, vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética, C‑500/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 39 und 40, sowie Hartlauer, Randnr. 55).

43. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die nationale Regelung den Betrieb von Apotheken durch Nichtapotheker nicht absolut ausschließt.

44. Zunächst sieht § 13 Abs. 1 ApoG als Ausnahme vor, dass die Erben eines Apothekers, die selbst keine Apotheker sind, die Apotheke, die sie geerbt haben, für längstens zwölf Monate betreiben dürfen.

45. Diese Ausnahme erweist sich indes im Hinblick auf den Schutz der legitimen Rechte und Vermögensinteressen der Familienmitglieder des verstorbenen Apothekers als gerechtfertigt. Insoweit ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten der Ansicht sein können, dass die Interessen der Erben eines Apothekers nicht geeignet sind, die Anforderungen und Garantien in Frage zu stellen, die sich aus ihren jeweiligen Rechtsordnungen ergeben und denen die Betreiber, die Apotheker sind, entsprechen müssen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass die ererbte Apotheke während der gesamten Übergangszeit unter der Verantwortung eines diplomierten Apothekers betrieben werden muss. Folglich lassen sich die Erben in diesem konkreten Zusammenhang anderen Betreibern, die keine Apotheker sind, nicht gleichstellen.

46. Außerdem ist festzustellen, dass die genannte Ausnahme nur befristete Auswirkungen hat, da die Erben binnen zwölf Monaten die Rechte zum Betrieb der Apotheke auf einen Apotheker übertragen müssen.

47. Diese Ausnahme zielt somit darauf ab, es den Rechtsnachfolgern zu ermöglichen, die Apotheke innerhalb einer Frist, die sich nicht als unvernünftig erweist, einem Apotheker zu übertragen, so dass sie als ungefährlich für die Sicherheit und die Qualität der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung angesehen werden kann.

48. Sodann kann sich eine derartige Gefahr auch nicht aus der Tatsache ergeben, dass Krankenhäuser interne Apotheken betreiben dürfen. Denn diese Apotheken sollen nicht die Versorgung von Personen außerhalb dieser Krankenhäuser mit Arzneimitteln sicherstellen, sondern den Einrichtungen, in denen sie sich befinden, Arzneimittel bereitstellen. Die derartige Apotheken betreibenden Krankenhäuser können somit grundsätzlich keinen Einfluss auf das allgemeine Niveau der Sicherheit und der Qualität der Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Arzneimitteln haben. Außerdem gibt in Anbetracht dessen, dass diese Krankenhäuser Erbringer medizinischer Dienstleistungen sind, nichts zu der Vermutung Anlass, dass sie ein Interesse an der Erzielung von Gewinnen zulasten der Patienten hätten, für die die Arzneimittel der Apotheken, die sich in ihrem Haus befinden, bestimmt sind.

49. Schließlich gestattet zwar die genannte Regelung Apothekern, bis zu drei Filialen ein und derselben Apotheke zu betreiben, doch hängt eine derartige Möglichkeit von mehreren Voraussetzungen ab, die darauf abzielen, die zwingenden Gebote der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen. Zunächst betreibt der betreffende Apotheker die Filialapotheken in eigener Verantwortung und bestimmt somit die allgemeine Geschäftspolitik dieser Filialen. Für die genannten Filialen ist mithin davon auszugehen, dass auch sie unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel betrieben werden, wobei das private Interesse an Gewinnerzielung in dem gleichen Maße gezügelt wird, wie dies beim Betrieb von Apotheken, die nicht den Status von Filialapotheken haben, der Fall ist. Sodann müssen diese Filialen in einem bestimmten räumlichen Umkreis liegen, damit eine hinreichende Anwesenheit des betreibenden Apothekers in den Filialen und deren tatsächliche Überwachung durch diesen gewährleistet ist. Schließlich hat der betreibende Apotheker für jede Filiale einen Apotheker als Verantwortlichen zu benennen, der für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und dafür zu sorgen hat, dass die Führung der betreffenden Filialapotheke mit der allgemeinen Geschäftspolitik, die der betreibende Apotheker festgelegt hat, übereinstimmt.

50. Da der Betrieb der genannten Filialapotheken von diesen Bedingungen abhängig ist, kann die in den Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht als inkohärent angesehen werden.

51. Nach alledem ist festzustellen, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche Regelung geeignet ist, die Erreichung des Ziels zu gewährleisten, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und somit den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen.

52. Viertens ist zu prüfen, ob die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht über dasjenige hinausgeht, was zur Erreichung des genannten Ziels erforderlich ist, ob es also keine die von Art. 43 EG garantierte Freiheit weniger beschränkenden Maßnahmen gibt, die es erlauben würden, dieses Ziel ebenso wirksam zu erreichen.

53. Hierzu haben die Kommission und DocMorris beim Gerichtshof geltend gemacht, dass sich der genannte Zweck durch weniger beschränkende Maßnahmen wie die Verpflichtung zur Anwesenheit eines Apothekers in der Apotheke, zum Abschluss einer Versicherung oder ein System angemessener Kontrollen und wirksamer Maßregeln erreichen lasse.

54. Jedoch kann im Hinblick auf den den Mitgliedstaaten überlassenen Wertungsspielraum, auf den in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, ein Mitgliedstaat der Ansicht sein, dass die Gefahr besteht, dass in der Praxis gegen die Rechtsvorschriften zur Sicherstellung der beruflichen Unabhängigkeit der Apotheker verstoßen wird, weil das Interesse eines Nichtapothekers an der Erzielung von Gewinnen nicht entsprechend dem der selbständigen Apotheker gemäßigt würde und die Unterstellung von Apothekern als Angestellte unter einen Betreiber es für sie schwierig machen könnte, sich den von diesem Betreiber erteilten Anweisungen zu widersetzen.

55. Abgesehen von allgemeinen Erwägungen hat die Kommission nichts vorgetragen, woraus sich ergeben könnte, welches konkrete System geeignet wäre, ebenso wirksam wie die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern zu gewährleisten, dass trotz der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Erwägungen in der Praxis nicht gegen die genannten Rechtsvorschriften verstoßen würde.

56. Außerdem lassen sich entgegen dem Vorbringen von DocMorris und der Kommission die Gefahren für die Unabhängigkeit des Apothekerberufs auch nicht ebenso wirksam dadurch ausräumen, dass eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung wie der zivilen Haftpflichtversicherung auferlegt wird. Eine solche Maßnahme würde zwar dem Patienten erlauben, für einen etwa erlittenen Schaden einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, doch würde sie im Nachhinein greifen und wäre weniger wirksam als die genannte Regel, da sie in keiner Weise den betreffenden Betreiber davon abhalten würde, auf die angestellten Apotheker Einfluss auszuüben.

57. Demnach ist nicht erwiesen, dass eine andere Maßnahme, die die von Art. 43 EG garantierte Freiheit weniger beschränkt als die Regel des Ausschlusses von Nichtapothekern, es erlauben würde, ebenso wirksam das sich aus der Anwendung dieser Regel ergebende Niveau der Sicherheit und Qualität der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

58. Folglich erweist sich die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung als geeignet, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und geht nicht über dasjenige hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Die aus dieser Regelung folgenden Beschränkungen lassen sich daher durch dieses Ziel rechtfertigen.

59. Dieses Ergebnis wird durch das Urteil vom 21. April 2005, Kommission/Griechenland (C‑140/03, Slg. 2005, I‑3177), auf das sich das Saarland, das Ministerium, DocMorris und die Kommission berufen, nicht in Frage gestellt, in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 48 EG verstoßen hat, dass sie nationale Bestimmungen erlassen und aufrechterhalten hat, die die Möglichkeit, dass eine juristische Person ein Optikergeschäft eröffnet, u. a. von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Geschäfts auf den Namen eines anerkannten Optikers als natürlicher Person ausgestellt wird und dass die Person, die die Erlaubnis für den Betrieb des Geschäfts besitzt, mit mindestens 50 % am Gesellschaftskapital sowie an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft beteiligt ist.

60. In Anbetracht des besonderen Charakters der Arzneimittel und ihres Marktes und beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts lassen sich die Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Kommission/Griechenland nicht auf den Bereich des Einzelhandelsvertriebs von Arzneimitteln übertragen. Denn im Unterschied zu Optikerprodukten können aus therapeutischen Gründen verschriebene oder verwendete Arzneimittel sich trotz allem, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann, als für die Gesundheit sehr schädlich erweisen, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden. Zudem führt ein medizinisch nicht gerechtfertigter Verkauf von Arzneimitteln zu einer ungleich größeren Verschwendung öffentlicher Finanzmittel als der nicht gerechtfertigte Verkauf von Optikerprodukten.

61. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 43 EG und 48 EG einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt.

Zur zweiten Frage

62. Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Kosten

63. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 43 EG und 48 EG stehen einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt.

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