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Document 62005CJ0401

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 14. Dezember 2006.
VDP Dental Laboratory NV gegen Staatssecretaris van Financiën.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Steuerbefreiungen - Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e - Umfang der Steuerbefreiung - Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist - Beauftragung eines Zahntechnikers.
Rechtssache C-401/05.

Sammlung der Rechtsprechung 2006 I-12121

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:792

Rechtssache C‑401/05

VDP Dental Laboratory NV

gegen

Staatssecretaris van Financiën

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Befreiungen – Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e – Umfang der Befreiung – Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist – Beauftragung eines Zahntechnikers“

Leitsätze des Urteils

Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e)

Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auf Lieferungen von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist, den Zahnersatz aber bei einem Zahntechniker erworben hat, nicht anwendbar ist.

Die Begriffe „Zahnärzte“ und „Zahntechniker“ in diesem Artikel der Sechsten Richtlinie sind nämlich unzweideutig und können ganz offensichtlich nicht so verstanden werden, dass sie auch Zwischenhändler einschließen, die gerade keine Zahnärzte oder Zahntechniker sind, weil dadurch der Wortlaut dieser Vorschrift völlig verändert würde und das Erfordernis bezüglich der Eigenschaft des Lieferanten seine Bedeutung verlöre. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung auf Lieferungen von Zahnersatz auszudehnen, die nicht von Zahnärzten oder Zahntechnikern erbracht werden, können weder die mit dieser Befreiung verfolgten Ziele noch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dazu zwingen, Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie in diesem Punkt weit auszulegen. Ganz im Gegenteil müsste in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Voraussetzungen für die in diesem Artikel vorgesehene Steuerbefreiung jede Auslegung, die den Wortlaut dieser Vorschrift ausdehnte, als mit ihrem Zweck, wie er vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegt wurde, unvereinbar angesehen werden.

(vgl. Randnrn. 35-37, 42 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)

14. Dezember 2006(*)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Steuerbefreiungen – Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e – Umfang der Steuerbefreiung – Anfertigung und Reparatur von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist – Beauftragung eines Zahntechnikers“

In der Rechtssache C‑401/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 11. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 2005, in dem Verfahren

VDP Dental Laboratory NV

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der VDP Dental Laboratory NV, vertreten durch R. Oorthuizen, belastingadviseur,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Mol als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, K. Boskovits und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und A. Weimar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. September 2006

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e, 17 Absatz 3 Buchstabe a und 28c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der VDP Dental Laboratory NV (im Folgenden: VDP) und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär der Finanzen) über das Recht dieses Unternehmens, für die Jahre 1996 bis 1998 die Vorsteuer auf Lieferungen von Zahnersatz an in den Niederlanden und in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Zahnärzte abzuziehen.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

4        Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie lautet:

„Steuerbefreiungen im Inland

A.      Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

(1)      Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

e)      die Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker“.

5        Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie in der durch ihren Artikel 28f Nummer 1 geänderten Fassung sieht unter der Überschrift „Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“ vor:

„2.      Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

 Nationales Recht

6        In seiner vor dem 1. Dezember 1997 geltenden Fassung sah Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g der Wet op de omzetbelasting vom 28. Juni 1968 (Stb. 1968, Nr. 329, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz 1968) vor, dass von der Mehrwertsteuer befreit sind:

„von Zahnärzten und Zahntechnikern ausgeführte Lieferungen und Dienstleistungen …“

7        Seit dem 1. Dezember 1997 bestimmt Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g des Umsatzsteuergesetzes 1968, dass von der Mehrwertsteuer befreit sind:

„die von Psychologen und Zahntechnikern erbrachten Dienstleistungen; Lieferungen von Zahnersatz …“

8        Artikel 15 Absatz 2 dieses Gesetzes sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in [Artikel] 11 … genannten Leistungen verwendet werden, besteht das Recht auf Vorsteuerabzug nur bei den Leistungen, die in Artikel 11 Buchstaben i, j und k genannt sind, sofern der Empfänger dieser Leistungen seinen Wohnsitz oder seinen Sitz außerhalb der Gemeinschaft hat oder wenn die Leistungen unmittelbar Gegenstände betreffen, die zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmt sind.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Die VDP ist ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, dessen Tätigkeit darin besteht, auf Bestellung von Zahnärzten, die in diesem Mitgliedstaat, in anderen Mitgliedstaaten und in Drittländern niedergelassen sind, zahntechnische Arbeiten wie Kronen, Inlays und Brücken anfertigen zu lassen. Die VDP prüft zunächst, ob die von den Zahnärzten hergestellten Gipsabdrücke eines Gebisses für die Anfertigung von Zahnersatz brauchbar sind, und schickt dann diese Abdrücke an ein meist außerhalb der Gemeinschaft niedergelassenes Labor, das beauftragt wird, auf dieser Grundlage den Zahnersatz herzustellen. Sobald der Zahnersatz fertig gestellt ist, liefert das Labor ihn an die VDP, die ihm den Preis dafür bezahlt und den Zahnersatz gegebenenfalls in die Gemeinschaft einführen lässt. Anschließend liefert die VDP diesen Zahnersatz gegen Bezahlung an den Zahnarzt, der ihn bestellt hat. Die VDP beschäftigt weder Zahntechniker noch Zahnärzte.

10      Die VDP stellte sich in ihren Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1998 auf den Standpunkt, dass die von ihr durchgeführten Lieferungen an in den Niederlanden niedergelassene Zahnärzte von der Mehrwertsteuer befreit seien, und zog infolgedessen nach Artikel 15 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1968 in Bezug auf diese Lieferungen keine Vorsteuer ab, wohl aber in Bezug auf die Lieferungen an außerhalb der Niederlande niedergelassene Zahnärzte.

11      Die VDP erhielt einen Nacherhebungsbescheid für diesen Zeitraum. Der Steuerinspecteur war nämlich der Ansicht, dass die VDP, da sie nur Leistungen im Sinne von Artikel 11 des Umsatzsteuergesetzes 1968 erbringe, selbst bei Lieferungen an außerhalb der Niederlande niedergelassene Zahnärzte nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, wenn das Fehlen des Abzugs zu einer Doppelbesteuerung führen würde, und zwar zum einen, sofern die Waren in ein Drittland ausgeführt würden, und zum anderen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen unter der Voraussetzung, dass die VDP die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers nenne und eine Erklärung über eine innergemeinschaftliche Lieferung abgebe. Diese Bedingungen seien im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

12      Mit Urteil vom 13. Januar 2003 entschied der Gerechtshof Amsterdam abweichend von der Auffassung des Steuerinspecteurs, dass die Leistungen der VDP im Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. November 1997 nicht nach Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g des Umsatzsteuergesetzes 1968 in seiner vor dem 1. Dezember 1997 geltenden Fassung befreit gewesen seien, so dass die Nacherhebung gegenüber der VDP für diesen Zeitraum nicht gerechtfertigt gewesen sei.

13      Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Dezember 1997 bis 31. Januar 1998 war der Gerechtshof Amsterdam dagegen der Ansicht, dass die Tätigkeiten der VDP die Voraussetzungen dieser Vorschrift in ihrer seit dem 1. Dezember 1997 geltenden Fassung erfüllten. Während die Tätigkeiten der VDP nicht als Lieferung von Zahnersatz durch einen Zahntechniker im Sinne des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie angesehen werden könnten, weil keine der bei der VDP beschäftigten Personen über ein Zahntechniker-Fachdiplom verfüge und die VDP sich auf die Annahme der Bestellung, die Beurteilung der Brauchbarkeit des Gipsabdruckes, die Beauftragung eines Dritten mit der Anfertigung des Zahnersatzes und dessen Lieferung an den Kunden beschränkt habe, stelle Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g des Umsatzsteuergesetzes 1968 im Gegensatz zur Vorschrift der Sechsten Richtlinie keine Anforderung hinsichtlich der Eigenschaft des Lieferanten, der die Lieferung durchführe. Deshalb lehnte der Gerechtshof Amsterdam die von der VDP für diesen Zeitraum vorgenommenen Steuerabzüge mit der Begründung ab, dass die Anwendung von Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe g des Umsatzsteuergesetzes 1968 untrennbar mit dem Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug verbunden sei, so dass die VDP sich nicht gleichzeitig auf die Steuerbefreiung nach diesem Artikel und für den Abzug der Umsatzsteuer auf die Bestimmung der Sechsten Richtlinie berufen könne, nach der ihre Leistungen nicht steuerbefreit seien.

14      In ihrer beim Hoge Raad der Nederlanden eingelegten Kassationsbeschwerde trägt die VDP vor, dass sie in Bezug auf die Lieferungen nach Frankreich und Italien berechtigt gewesen sei, die Mehrwertsteuer abzuziehen. Da nach den nationalen Rechtsvorschriften dieser beiden Mitgliedstaaten über die Mehrwertsteuer für die dort von der VDP ausgeführten Lieferungen von zahntechnischen Arbeiten keine Steuerbefreiung gelte, würden nämlich die Waren und Dienstleistungen, die sie bezogen habe, um Zahnersatz an in diesen Mitgliedstaaten niedergelassene Zahnärzte zu liefern, im Rahmen von Lieferungen verwendet, die nach der Sechsten Richtlinie besteuert würden. Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie führe folglich dazu, dass die VDP insoweit ein Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer habe.

15      In seiner Vorlageentscheidung führt der Hoge Raad der Nederlanden aus, dass weder aus dem Wortlaut des Artikels 11 Absatz 1 Buchstabe g des Umsatzsteuergesetzes 1968 in der ab dem 1. Dezember 1997 geltenden Fassung noch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes hervorgehe, dass eine bestimmte Eigenschaft des Lieferanten Voraussetzung für die Anwendung der Befreiung sei. Das Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob diese Schlussfolgerung eine korrekte Anwendung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie darstelle. Einerseits könne das Ziel der Senkung der Gesundheitskosten für eine Steuerbefreiung bei den streitgegenständlichen Leistungen sprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache C‑76/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I‑249, Randnr. 23). Andererseits könne eine engere Auslegung zu der Entscheidung führen, dass unter dem Begriff „Lieferungen von Zahnersatz durch Zahntechniker“ nur die Lieferung durch einen Zahntechniker zu verstehen sei, der in dieser Eigenschaft handele.

16      Der Hoge Raad der Nederlanden stellt sich die Frage, ob Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dem Vorsteuerabzug entgegenstehe, wenn eine Lieferung von Zahnersatz aus einem Mitgliedstaat, der sie gemäß der Richtlinie von der Steuer befreie, in Mitgliedstaaten wie die Französische Republik und die Italienische Republik erfolge, wo die Lieferung gemäß Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit ihrem Anhang E Nummer 2 besteuert werde, oder ob der Grundsatz der steuerlichen Neutralität den Mitgliedstaat des Versands verpflichte, den Abzug zuzulassen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts knüpft zwar Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug nicht an die in ihrem Artikel 13 vorgesehene Steuerbefreiung, Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie eröffne jedoch ein Recht auf Vorsteuerabzug zugunsten der in Artikel 28c vorgesehenen Steuerbefreiung in Bezug auf innergemeinschaftliche Lieferungen.

17      Der Hoge Raad der Nederlanden hat festgestellt, dass der Gerichtshof mit dieser Problematik in der bei ihm anhängigen Rechtssache C–240/05 (Eurodental) befasst ist, und beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter die „Lieferungen von Zahnersatz durch Zahntechniker“ auch die Lieferung von Zahnersatz durch einen Steuerpflichtigen fällt, der mit dessen Herstellung einen Zahntechniker beauftragt?

2.      Wenn diese Frage bejaht wird, ist Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der die vorgenannten Lieferungen von der Mehrwertsteuer befreit hat, mit diesen Lieferungen ein Recht auf Vorsteuerabzug verbinden muss, soweit die Lieferungen (insbesondere nach Artikel 28b Teil B Absatz 1 erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie) in einem anderen Mitgliedstaat erfolgen, der sie nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang E Nummer 2 der Sechsten Richtlinie von der Befreiung ausgeschlossen hat?

 Zu den Vorlagefragen

18      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung auf Lieferungen von Zahnersatz Anwendung findet, die von einem Lieferanten durchgeführt werden, der Zahntechniker mit der Anfertigung beauftragt hat.

19      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass diese Frage im Hinblick auf Lieferungen gestellt wird, die durch einen Händler – die VDP – erbracht werden, der selbst weder Zahnärzte noch Zahntechniker beschäftigt, sondern Geschäftstätigkeiten eines Zwischenhändlers ausübt, in deren Rahmen er Zahnersatz bei Zahntechnikern kauft, um ihn an Zahnärzte oder an Einzelpersonen weiterzuverkaufen.

20      Folglich ist zu untersuchen, ob die Lieferung von Zahnersatz durch einen solchen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist, unter Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie fällt.

21      Die niederländische Regierung ist der Ansicht, dass alle Lieferungen von Zahnersatz, der von Zahntechnikern angefertigt worden sei, unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung fielen, gleichgültig, ob der Zahnersatz unmittelbar von Zahntechnikern oder mittelbar über einen Zwischenhändler geliefert werde. Dagegen sind die VDP, die griechische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften der Ansicht, dass diese Steuerbefreiung nicht anwendbar sei.

22      In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass die Sechste Richtlinie den Anwendungsbereich für die Mehrwertsteuer sehr weit fasst und alle wirtschaftlichen Aktivitäten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden darin einbezieht (vgl. u. a. Urteil vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87, Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, I‑1737, Randnr. 10).

23      Artikel 13 der Richtlinie befreit jedoch bestimmte Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer. Nach der Rechtsprechung sind die Begriffe, mit denen diese Steuerbefreiungen umschrieben sind, jedoch eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Lieferung eines Gegenstands oder Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Dezember 2005 in den Rechtssachen C‑394/04 und C‑395/04, Ygeia, Slg. 2005, I‑10373, Randnr. 15, vom 9. Februar 2006 in der Rechtssache C‑415/04, Stichting Kinderopvang Enschede, Slg. 2006, I‑1385, Randnr. 13, und vom 8. Juni 2006 in der Rechtssache C‑106/05, L.u.P., Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 24).

24      Darüber hinaus befreit Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer, sondern nur diejenigen, die dort einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 1998 in der Rechtssache C‑149/97, Institute of the Motor Industry, Slg. 1998, I‑7053, Randnr. 18, und vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑212/01, Unterpertinger, Slg. 2003, I‑13859, Randnr. 36).

25      Zwar gelten diese Befreiungen zugunsten von Tätigkeiten, die bestimmten Zwecken dienen; in den meisten Bestimmungen des Artikels 13 Teil A der Sechsten Richtlinie werden jedoch außerdem die Wirtschaftsteilnehmer genannt, die die von der Steuer befreiten Leistungen erbringen dürfen, und diese werden also nicht unter Verwendung rein materieller oder rein funktioneller Begriffe definiert (Urteile vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 107/84, Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 2655, Randnr. 13, Stichting Uitvoering Financiële Acties, Randnr. 12, und vom 7. September 1999 in der Rechtssache C‑216/97, Gregg, Slg. 1999, I‑4947, Randnr. 13).

26      Die in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen stellen nach der Rechtsprechung eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar und erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition. Dies muss auch für die spezifischen Bedingungen gelten, von denen die Gewährung dieser Befreiungen abhängig gemacht wird, und insbesondere für diejenigen, die die Eigenschaft oder die Identität des Wirtschaftsteilnehmers betreffen, der die von der Befreiung erfassten Leistungen erbringt. Zwar setzen die Mitgliedstaaten nach dem Eingangssatz von Artikel 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie die Bedingungen für die Steuerbefreiungen fest, um deren korrekte und einfache Anwendung zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaige Missbräuche zu verhüten, doch können sich diese Bedingungen nicht auf den Inhalt der vorgesehenen Steuerbefreiungen erstrecken (vgl. u. a. Urteil vom 26. Mai 2005 in der Rechtssache C‑498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I‑4427, Randnrn. 22 bis 24 und die dort zitierte Rechtsprechung).

27      Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie sieht nach dem Wortlaut seines zweiten Teils die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerbefreiung für „die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker“ vor.

28      Wie die meisten der in Artikel 13 Teil A der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen und im Gegensatz zu mehreren der in ihrem Artikel 13 Teil B vorgesehenen Steuerbefreiungen (vgl. u. a. Urteile vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C‑305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, Slg. 2003, I‑6729, Randnr. 64, und vom 4. Mai 2006 in der Rechtssache C‑169/04, Abbey National, Slg. 2006, I‑4027, Randnr. 66) ist diese Steuerbefreiung nicht nur nach der Art der gelieferten Gegenstände, sondern auch nach der Eigenschaft des Lieferanten definiert.

29      Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung ergibt sich ausdrücklich aus der Gesamtheit der Sprachfassungen des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie (vgl. neben der deutschen Fassung die dänische Fassung – „tandlaegers og tandteknikeres levering af tandproteser“ –, die englische Fassung – „dental prostheses supplied by dentists and dental technicians“ –, die französische Fassung – „les fournitures de prothèses dentaires effectuées par les dentistes et les mécaniciens-dentistes“, die italienische Fassung – „le forniture di protesi dentarie effettuate dai dentisti e dagli odontotecnici“ – und die niederländische Fassung – „het verschaffen van tandprothesen door tandartsen en tandtechnici“).

30      Sie wird auch dadurch bestätigt, dass der erste Teil des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie die von Zahntechnikern im Rahmen ihrer Berufsausübung erbrachten Dienstleistungen befreit, so dass diese Befreiung für sämtliche Tätigkeiten gilt, die den spezifischen Gegenstand dieses Berufes bilden.

31      Aus dem Wortlaut des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie ergibt sich somit eindeutig, dass diese Vorschrift nicht alle Lieferungen von Zahnersatz von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die von Angehörigen zweier bestimmter Berufsgruppen erbracht werden, und zwar von „Zahnärzten“ und von „Zahntechnikern“.

32      Folglich können Lieferungen von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der kein Zahnarzt oder Zahntechniker ist, nicht in den Anwendungsbereich der in dieser Vorschrift vorgesehenen Steuerbefreiung fallen.

33      Die im Umsatzsteuergesetz 1968 vorgesehene Steuerbefreiung, die seit dem 1. Dezember 1997 unabhängig von der Eigenschaft des Lieferanten für alle Lieferungen von Zahnersatz gilt, steht somit im Widerspruch zum Wortlaut der entsprechenden Vorschriften der Sechsten Richtlinie. Die von der niederländischen Regierung in diesem Punkt vertretene weite Auslegung steht nicht im Einklang mit der in Randnummer 23 des vorliegenden Urteils zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die in Artikel 13 der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen und insbesondere die Begriffe „Zahnärzte“ und „Zahntechniker“ eng auszulegen sind.

34      Die niederländische Regierung macht jedoch geltend, dass nicht allein der Grundsatz der engen Auslegung von Steuerbefreiungen für die Bestimmung des Anwendungsbereichs dieser Befreiungen maßgeblich sei, sondern dass auch deren Ziel und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten seien. Zum einen verfolge Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie wie dessen Absatz 1 Buchstaben b und c das Ziel, zu verhindern, dass der Zugang zu ärztlichen Heilbehandlungen, im vorliegenden Fall zahnärztliche Behandlungen, durch die höheren Kosten versperrt werde, die entstünden, wenn die Behandlungen der Mehrwertsteuer unterworfen wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache C‑76/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I‑249, Randnr. 23, und vom 10. September 2002 in der Rechtssache C‑141/00, Kügler, Slg. 2002, I‑6833, Randnr. 29). Dies wäre jedoch der Fall, wenn die von Zwischenhändlern erbrachten Lieferungen von Zahnersatz nicht steuerbefreit wären, da die Zahnärzte, die selbst steuerbefreite Umsätze erbrächten, die entrichtete Vorsteuer nicht abziehen könnten und diese Steuer folglich auf ihre Patienten abwälzen würden. Zum anderen erbrächten Zwischenhändler und Zahntechniker identische Leistungen, da es für den Zahnarzt ohne Bedeutung sei, ob der Lieferant den Zahnersatz selbst anfertige oder ob er einen Zahntechniker mit diesem Umsatz beauftrage.

35      In dieser Hinsicht ist jedoch festzustellen, dass die Begriffe „Zahnärzte“ und „Zahntechniker“ in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie unzweideutig sind und ganz offensichtlich nicht so verstanden werden können, dass sie auch Zwischenhändler einschließen, die gerade keine Zahnärzte oder Zahntechniker sind, weil dadurch der Wortlaut dieser Vorschrift völlig verändert würde und das Erfordernis bezüglich der Eigenschaft des Lieferanten seine Bedeutung verlöre.

36      Da der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung auf Lieferungen von Zahnersatz auszudehnen, die nicht von Zahnärzten oder Zahntechnikern erbracht werden, können weder die mit dieser Befreiung verfolgten Ziele noch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dazu zwingen, Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie in diesem Punkt weit auszulegen.

37      Ganz im Gegenteil müsste in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Voraussetzungen für die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung jede Auslegung, die den Wortlaut dieser Vorschrift ausdehnte, als mit ihrem Zweck, wie er vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegt wurde, unvereinbar angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Stichting Uitvoering Financiële Acties, Randnr. 14).

38      Der Vorschrift wird durch eine enge Auslegung der darin vorgesehenen Steuerbefreiung auch nicht die Wirkung genommen, da Lieferungen durch einen Zahntechniker an einen Zwischenhändler, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, von der Mehrwertsteuer befreit sind, so dass Letzterer keine Mehrwertsteuer auf solche Lieferungen entrichten muss.

39      Daraus folgt, dass Lieferungen von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist, nicht unter die in Artikel 13 A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung fallen und daher der in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie aufgestellten allgemeinen Regel der Mehrwertbesteuerung unterliegen. Nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie berechtigen solche Lieferungen zum Vorsteuerabzug.

40      Nach der Rechtsprechung verleiht Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit ihren Artikeln 2 und 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e dem Einzelnen Rechte, die er gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat vor einem innerstaatlichen Gericht geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C‑62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I‑1883, Randnrn. 35 und 36, sowie vom 18. Januar 2001 in der Rechtssache C‑150/99, Stockholm Lindöpark, Slg. 2001, I‑493, Randnrn. 32, 33 und 35).

41      Ein Unternehmen wie die VDP, das sich einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit der Begründung widersetzt, sie sei nicht mit der Sechsten Richtlinie vereinbar, kann sich deshalb unmittelbar auf deren Vorschriften berufen, um zu erreichen, dass Mehrwertsteuer auf die betreffenden Lieferungen von Zahnersatz erhoben wird, und kann folglich die Vorsteuer in Bezug auf solche Lieferungen abziehen.

42      Somit ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf Lieferungen von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist, den Zahnersatz aber bei einem Zahntechniker erworben hat, nicht anwendbar ist.

43      Die zweite Vorlagefrage braucht daher nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

44      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auf Lieferungen von Zahnersatz durch einen Zwischenhändler wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der weder Zahnarzt noch Zahntechniker ist, den Zahnersatz aber bei einem Zahntechniker erworben hat, nicht anwendbar ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.

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