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Document 62004TJ0048

Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 19. Juni 2009.
Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Zusammenschlüsse - Markt für Verkehrstelematiksysteme - Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Zusagen - Offensichtlicher Beurteilungsfehler - Ermessensmissbrauch - Begründungspflicht.
Rechtssache T-48/04.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 II-02029

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2009:212

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

19. Juni 2009 ( *1 )

„Wettbewerb — Zusammenschlüsse — Markt für Verkehrstelematiksysteme — Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird — Zusagen — Offensichtlicher Beurteilungsfehler — Ermessensmissbrauch — Begründungspflicht“

In der Rechtssache T-48/04

Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV mit Sitz in Waarle (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt G. Berrisch und D. Hull, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch K. Mojzesowicz und A. Whelan, dann durch K. Mojzesowicz und X. Lewis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch C.-D. Quassowski und S. Flockermann als Bevollmächtigte, dann durch M. Lumma als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte U. Karpenstein und A. Rosenfeld,

sowie durch

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland),

Daimler AG, vormals DaimlerChrysler AG, mit Sitz in Stuttgart (Deutschland),

und

Daimler Financial Services AG, vormals DaimlerChrysler Services AG, mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Schütze und A. von Graevenitz,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/792/EG der Kommission vom 30. April 2003 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/M.2903 — DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (ABl. L 300, S. 62)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter), der Richterin E. Cremona und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2008

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1

Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung, ABl. 1990, L 257, S. 13) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Fusionskontrollverordnung) sind Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

2

Nach Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung trifft die Kommission, wenn sie feststellt, dass ein Zusammenschluss gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 entspricht, eine Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird. Diese Entscheidung kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind. Die Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für vereinbar erklärt wird, erstreckt sich auch auf die mit seiner Durchführung unmittelbar verbundenen und für sie notwendigen Einschränkungen.

3

Gemäß Art. 20 Abs. 1 der Verordnung veröffentlicht die Kommission die nach Artikel 8 Abs. 2 bis 5 erlassenen Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.

Sachverhalt

4

Die Klägerin, die Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV (im Folgenden: Qualcomm), bietet in Europa ein satellitengestütztes Flottenmanagementsystem für Lastkraftwagen mit der Bezeichnung „EutelTRACS“ an. Über ein Satellitennetz sammelt sie die von den Lkw übertragenen Informationen, etwa Positionsdaten, Informationen über den Motor sowie Mitteilungen der Fahrer, und übermittelt sie dem Verbindungsbüro für diese Lkw, das Kunde von Qualcomm ist. Außerdem übermittelt sie Nachrichten der Verbindungsbüros an die Lkw-Fahrer. Für diese Zwecke liefert sie die notwendige Ausrüstung und Dienstleistungsinfrastruktur. Sie ist auch in der Herstellung der Ausrüstung und der Entwicklung der für den Betrieb des Systems notwendigen Software tätig.

5

Im Jahr 2002 führte das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für die deutsche Bundesregierung eine öffentliche Ausschreibung für die Errichtung und den Betrieb eines Systems zur automatischen und manuellen Erhebung von Maut, die von Lkw mit einem Gewicht von zwölf Tonnen oder mehr (im Folgenden: Lkw), die die Bundesautobahnen nutzen, zu entrichten ist. Die Verwendung einer bestimmten Technologie wurde in der Ausschreibung nicht verlangt.

6

Der Zuschlag wurde einem Konsortium erteilt, das aus der DaimlerChrysler Services AG, der Deutschen Telekom AG und der Compagnie financière et industrielle des autoroutes SA (Cofiroute) (im Folgenden zusammen: am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen) bestand.

7

Die Daimler Financial Services AG, vormals DaimlerChrysler Services AG, ist eine Tochtergesellschaft der Daimler AG, vormals DaimlerChrysler AG, die im Finanzdienstleistungsbereich und Mobilitätsmanagement tätig ist. Ihre Tätigkeiten umfassen ein Flottenmanagement für alle Fahrzeugmarken von Daimler. Daimler ist in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Pkw, Lkw, Bussen und Dieselmotoren tätig.

8

Die Deutsche Telekom ist ein Telekommunikationsunternehmen, das u. a. Mobilfunkdienste in Europa anbietet.

9

Cofiroute ist ein Unternehmen, das im Bereich der Erhebung von Autobahnmaut tätig ist.

10

Das aus diesen Unternehmen gebildete Konsortium gründete anschließend die Toll Collect GmbH, um das System zur Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen auszuarbeiten und zu betreiben.

11

Toll Collect entwickelte infolgedessen eine Telematiklösung für die automatische Mauterhebung. Sie besteht darin, dass sogenannte Onboard-Units in die Lkw eingebaut werden, für die eine automatische Mauterhebung gewünscht wird. Diese Onboard-Units arbeiten mit einem GPS (Global Positioning System)-Empfänger und einen GSM (Global System for Mobile Communications)-Sender. Der GPS-Empfänger ermittelt die aktuelle Position des Lkw, die in die Onboard-Unit eingegeben wird. Diese Daten werden danach über den GSM-Sender zwischen der Onboard-Unit und einer Zentrale für Anwendungsdienstleistungen ausgetauscht. Die Zentrale verarbeitet die Daten, d. h., sie errechnet anhand der ermittelten Position und des benutzten Autobahnabschnitts die zu zahlende Maut und stellt sie dem Eigentümer oder Nutzer des Lkw in Rechnung. Die Onboard-Unit wird den Transportunternehmen von Toll Collect gegen eine Kaution in Form eines Mautguthabens kostenlos überlassen. Der Eigentümer oder Nutzer des Lkw trägt jedoch die Kosten für den Einbau der Onboard-Unit. Neben der automatischen Mauterhebung können die Onboard-Units von Toll Collect für weitere Telematikdienste verwendet werden, u. a. solche, die ein ferngesteuertes Management von Fahrzeugen erlauben. Die Verwendung der Onboard-Units von Toll Collect durch einen anderen Anbieter zur Erbringung von Telematikdiensten ist jedoch erst möglich, wenn die Bundesrepublik Deutschland als öffentlicher Auftraggeber eine solche Verwendung zugelassen hat.

12

Am 11. November 2002 meldeten DaimlerChrysler Services und die Deutsche Telekom bei der Kommission gemäß Art. 4 der Fusionskontrollverordnung ein Zusammenschlussvorhaben an, das die Übernahme der gemeinsamen Kontrolle über Toll Collect durch Kauf von Anteilen vorsah.

13

Auf diese Anmeldung hin leitete die Kommission die erste Phase des Verfahrens zur Kontrolle des Zusammenschlusses ein. In dieser ersten Phase übermittelten ihr die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen ersten Vorschlag für Zusagen. Dieser Vorschlag wurde den Marktteilnehmern, darunter Qualcomm, zur Stellungnahme vorgelegt.

14

In einer Entscheidung vom 20. Dezember 2002 vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum (EWR) Anlass zu ernsthaften Bedenken gebe, und leitete gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Fusionskontrollverordnung die zweite Phase des Verfahrens ein.

15

Mit Schreiben vom 28. Februar 2003 sandte die Kommission den anmeldenden Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie ihnen mitteilte, dass der erste Zusagenvorschlag nicht genüge, um die aus dem angemeldeten Zusammenschluss resultierenden Wettbewerbsprobleme zu lösen.

16

Am 11. März 2003 unterbreiteten die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen der Kommission einen zweiten Zusagenvorschlag.

17

Am 19. und 20. März 2003 führte die Kommission eine Anhörung durch, an der Qualcomm teilnahm. In dieser Anhörung erklärte sie u. a., dass der zweite Zusagenvorschlag nicht genüge, um die durch den angemeldeten Zusammenschluss entstehenden Wettbewerbsprobleme zu lösen.

18

Am 3. April 2003 unterbreiteten die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen der Kommission einen dritten und letzten Zusagenvorschlag.

19

Mit Entscheidung 2003/792/EG vom 30. April 2003 erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar (Sache Nr. COMP/M.2903 — DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/JV) (ABl. L 300, S. 62, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), unter der Bedingung der vollständigen Erfüllung der von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen abgegebenen Zusagen.

20

In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass der Zusammenschluss auf dem durch ihn betroffenen Markt, d. h. dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme — einschließlich Hardware, Software und Dienste — für Transport- und Logistikunternehmen, wettbewerbsrechtliche Probleme aufwerfe, weil die von Toll Collect zu schaffende Infrastruktur für die Mauterhebung von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen für die Erbringung sonstiger Telematikdienste genutzt werden könne. Diese Nutzung der Infrastruktur von Toll Collect für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten werde es DaimlerChrysler erlauben, über Toll Collect eine beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme zu erlangen, durch die wirksamer Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes erheblich behindert werde.

21

Im Einzelnen werde die Kombination aus der unentgeltlichen Abgabe der Onboard-Units durch Toll Collect und den geringen Margen, mit denen die Transportunternehmer arbeiteten, auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme zu einer beherrschenden Plattform für Transport- und Logistikunternehmen führen. Da DaimlerChrysler die führende Lkw-Herstellerin in Deutschland sowie eine wichtige Anbieterin von Telematiksystemen sei und sie in der Lage sei, den Zugang zu den von den Onboard-Units von Toll Collect generierten Daten zu kontrollieren, die von den Verkehrstelematikdiensten genutzt werden könnten, sei sie imstande, den deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme zu verschließen und dadurch eine beherrschende Stellung auf diesem Markt zu erlangen, die geeignet sei, den wirksamen Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt erheblich zu behindern.

22

Die Kommission meinte allerdings, dass der dritte und letzte Zusagenvorschlag der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ausreiche, um die Entstehung einer solchen beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler zu verhindern.

23

In diesem dritten Vorschlag verpflichteten sich die am Zusammenschuss beteiligten Unternehmen erstens, einen zentralen Telematics Gateway einzurichten, der von einer unabhängigen Gesellschaft, der Telematics Gateway GmbH (im Folgenden: TGG), betrieben wird und den Erbringern von Telematikdiensten einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Grundfunktionalitäten und Basisdaten der Onboard-Units von Toll Collect zu ermöglichen hat (im Folgenden: Zusage bezüglich des TGG-Gateways), zweitens, eine GPS-Schnittstelle für die Onboard-Units von Toll Collect zu entwickeln, über die Drittanbieter von Telematikdiensten auf die GPS-Funktionalität der Onboard-Units zurückgreifen können müssen (im Folgenden: Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle), und drittens, ein Modul zu entwickeln, das in die Ausrüstung von Dritten integriert werden kann, so dass diese ihre eigenen Geräte zur Mauterhebung entwickeln können (im Folgenden: Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls).

24

Schließlich verpflichteten sich die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen viertens, nach Erhalt der Genehmigung der Bundesrepublik Deutschland für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten über die Onboard-Units von Toll Collect diese Dienste erst anzubieten, wenn die Kommission dies genehmigt hat. Diese Genehmigung wird die Kommission erst erteilen, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen eine funktionsfähige Schnittstelle zur GPS-Funktionalität der Onboard-Units eingerichtet und es interessierten Dritten ermöglicht haben, eigene Geräte zu entwickeln, die mittels einer Verbindung mit dem von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen entwickelten Mauterhebungsmodul mautfähig sind (im Folgenden: qualitatives Moratorium).

25

Mit Telefax vom 23. Mai 2003 erhielt Qualcomm die nicht vertrauliche Fassung der angefochtenen Entscheidung, die in deutscher Sprache von der Kommission erlassen worden war. Am 18. November 2003 wurde die nicht vertrauliche Fassung der angefochtenen Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung in englischer Sprache und in den übrigen Amtssprachen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. L 300, S. 62).

Verfahren

26

Qualcomm hat mit am 10. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

27

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit am 28. Mai 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Diesem Antrag hat der Präsident der Dritten Kammer mit Beschluss vom 16. Juli 2004 stattgegeben.

28

Die Daimler AG, die Daimler Financial Services AG und die Deutsche Telekom AG haben mit am 8. November 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Diesem Antrag hat der Präsident der Dritten Kammer mit Beschluss vom 21. Januar 2005 stattgegeben. Da diese Unternehmen ihren Antrag auf Zulassung als Streithelfer nach Ablauf der in Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts genannten Frist eingereicht haben, ist ihnen nur erlaubt worden, auf der Grundlage des ihnen übermittelten Sitzungsberichts in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

29

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Verfahrensbeteiligten gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, eine Reihe schriftlicher Fragen zu beantworten. Die Verfahrensbeteiligten sind diesen Aufforderungen innerhalb der gesetzten Fristen nachgekommen.

30

In der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2008 haben die Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

31

Qualcomm beantragt,

die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32

Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Telekom, Daimler und Daimler Financial Services, beantragt,

die Klage abzuweisen;

Qualcomm die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

I — Zur Zulässigkeit

A — Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

1. Vorbringen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland

a) Zur Mitteilung der angefochtenen Entscheidung

33

Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, macht geltend, dass Qualcomm verspätet Klage erhoben habe, da ihr die angefochtene Entscheidung am 23. Mai 2003 mitgeteilt worden sei und sie ihre Nichtigkeitsklage erst am 10. Februar 2004, also lange nach der in der Verfahrensordnung festgelegten Frist von zwei Monaten und zehn Tagen, eingereicht habe.

34

Obwohl die angefochtene Entscheidung nicht an Qualcomm gerichtet sei, stelle ihre Übermittlung an dieses Unternehmen am 23. Mai 2003 eine Mitteilung im Sinne von Art. 230 Abs. 5 EG dar. Nach der Rechtsprechung könne eine Entscheidung einem Beteiligten mitgeteilt werden, der nicht der Adressat sei, durch sie aber unmittelbar und individuell betroffen sei (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, BP Chemicals/Kommission, T-11/95, Slg. 1998, II-3235, Randnr. 52, sowie, a contrario, Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T-296/97, Slg. 2000, II-3871, und vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T-190/00, Slg. 2003, II-5015, Randnr. 31), und die Mitteilung sei bereits dann ordnungsgemäß, wenn die Entscheidung einem Beteiligten, der durch sie unmittelbar und individuell betroffen sei, derart übermittelt worden sei, dass er von ihr habe Kenntnis nehmen können (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 10; Urteile des Gerichts vom 29. Mai 1991, Bayer/Kommission, T-12/90, Slg. 1991, II-219, und vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T-43/92, Slg. 1994, II-441, Randnr. 25). Die Übermittlung der angefochtenen Entscheidung am 23. Mai 2003 weise alle Merkmale einer Mitteilung auf, und Qualcomm sei als Wettbewerberin der anmeldenden Unternehmen durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen.

35

Der Wortlaut von Art. 254 Abs. 3 EG schließe eine Mitteilung an andere Personen als den Adressaten nicht aus. Im Gegenteil, eine solche Mitteilung stehe im Einklang mit dem durch den Vertrag eingeführten Rechtsbehelfssystem, in dessen Rahmen Personen, die nicht Adressaten einer Entscheidung seien, gleichwohl deren Nichtigerklärung beantragen könnten, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betreffe. Im Übrigen brauche die Kommission nach Art. 20 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung nicht den vollständigen Wortlaut der nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung erlassenen Entscheidungen zu veröffentlichen, sondern nur die Namen der Beteiligten und den wesentlichen Inhalt der Entscheidung. Zudem werde seit dem 1. Mai 2004 die nicht vertrauliche Fassung dieser Entscheidungen nicht mehr in vollem Umfang und in allen Gemeinschaftssprachen veröffentlicht; sie beschränke die Veröffentlichung der nach Art. 8 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung erlassenen Entscheidungen auf den wesentlichen Inhalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 der Verordnung. In Art. 230 Abs. 5 EG sei von einer Mitteilung an den Kläger und nicht an den Adressaten die Rede. Überdies könne Qualcomm diese der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung vorangehende Mitteilung nicht ignorieren, um den Beginn der Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage hinauszuschieben und sich damit faktisch eine vorteilhaftere Position zu verschaffen, als sie die übrigen qualifizierten Dritten oder die Adressaten der Entscheidung hätten. Die Klagefristen seien zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse eingeführt worden und entsprächen der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden.

36

Schließlich vertritt die Kommission auf eine Frage des Gerichts nach der Relevanz seines Urteils vom 15. Juni 2005, Olsen/Kommission (T-17/02, Slg. 2005, II-2031), die Auffassung, dass sich die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, von der vorliegenden Rechtssache zum einen dadurch unterscheide, dass es dort um den Bereich der staatlichen Beihilfen gegangen sei, in dem die Mitteilung der Entscheidungen an die durch die Beihilfe betroffenen Staaten ausdrücklich vorgesehen sei, und zum anderen dadurch, dass die fragliche Entscheidung mit dem ausdrücklichen Hinweis übermittelt worden sei, es gebe keine Garantie, dass die zugesandte Entscheidung der ihrem Adressaten mitgeteilten Entscheidung entspreche. Dass das Gericht die Übermittlung in der Rechtssache, in der das Urteil Olsen/Kommission ergangen sei, geprüft habe, um festzustellen, ob es sich um eine Mitteilung handle, zeige aber, dass eine Entscheidung einem Beteiligten mitgeteilt werden könne, der nicht ihr Adressat sei. Außerdem schrieben im Unterschied zu dem Fall, der jener Rechtssache zugrunde liege, die Art. 6 Abs. 5 und 8 Abs. 8 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1) die Mitteilung an die Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen vor, ohne dass diese Adressaten der fraglichen Maßnahmen seien, und dies obwohl die Verordnung die Veröffentlichung der Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union vorsehe.

37

Weder der Vertrag noch die Fusionskontrollverordnung enthielten Bestimmungen, die es untersagten, eine Entscheidung betroffenen Dritten mitzuteilen. Eine solche Mitteilung geschehe überdies im Interesse der Rechtssicherheit der an einem Zusammenschluss Beteiligten und im Interesse der Kontinuität des Gemeinschaftshandelns im Rahmen der Kontrolle von Zusammenschlüssen.

b) Zur Kenntnisnahme

38

Hilfsweise trägt die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, vor, dass Qualcomm, wenn man annehme, die angefochtene Entscheidung sei ihr nicht mitgeteilt worden, am 23. Mai 2003 zumindest Kenntnis von der Existenz der Entscheidung und ihrem genauen Inhalt erlangt habe, so dass die Frist für die Nichtigkeitsklage zu diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden sei und die vorliegende Klage verspätet sei.

39

Die Rechtsprechung, wonach der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der angefochtenen Handlung Kenntnis erlangt habe, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe oder der Mitteilung in Betracht komme, gelte nur für Fälle, in denen die Kläger vor der Mitteilung oder Bekanntgabe der Entscheidung nicht von ihrem genauen Wortlaut hätten Kenntnis erlangen können (Urteile BP Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 47, Alitalia/Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 61, und Regione Siciliana/Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 30). Außerdem sei der Gerichtshof nur im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Rechtsakt innerhalb von zwei Monaten nach seinem Erlass bekanntgegeben worden sei, zu dem Schluss gelangt, dass die Bekanntgabe die Klagefrist in Lauf gesetzt habe (Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 1998, Deutschland/Rat, C-122/95, Slg. 1998, I-973, Randnr. 38). Schließlich habe der Gerichtshof im Urteil vom 9. März 1994, TWD Textilwerke Deggendorf (C-188/92, Slg. 1994, I-833, Randnrn. 15 bis 18), festgestellt, dass es Beteiligten, die offensichtlich befugt seien, die Nichtigkeit eines Rechtsakts zu beantragen, nicht erlaubt sei, diesen unter Berufung auf andere Verfahrensvorschriften immer wieder in Frage zu stellen. Diese Erwägung, die auf den Zweck der in Art. 230 Abs. 5 EG festgelegten Frist gestützt sei, gilt nach Ansicht der Kommission entsprechend für einen Fall, in dem ein Dritter, der offensichtlich klagebefugt sei, individuell vom genauen Inhalt einer Entscheidung unterrichtet worden sei.

2. Vorbringen von Qualcomm

40

Qualcomm macht geltend, dass die Klage innerhalb der Frist des Art. 230 Abs. 5 EG erhoben worden sei, da die angefochtene Entscheidung am 18. November 2003 gemäß Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei. Mit der zeitigen Veröffentlichung von Entscheidungen im Bereich der Zusammenschlüsse könne die Rechtssicherheit gewährleistet werden.

41

Weiter trägt Qualcomm vor, dass die Übermittlung der angefochtenen Entscheidung am 23. Mai 2003 keine Mitteilung sei, da eine Entscheidung nur ihren Adressaten mitgeteilt werden könne. Diese Auslegung werde durch die Urteile Europemballage Continental Can/Kommission und Dunlop Slazenger/Kommission (oben in Randnr. 34 angeführt) bestätigt. Überdies könne ihr der Umstand, dass sie am 23. Mai 2003 Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung erlangt habe, nicht die Klagefrist nehmen, die mit der Veröffentlichung der Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union begonnen habe.

42

Schließlich spreche das Urteil Olsen/Kommission (oben in Randnr. 36 angeführt) für die Zulässigkeit ihrer Klage, weil danach eine Entscheidung nur ihren Adressaten mitgeteilt werden könne.

B — Würdigung durch das Gericht

1. Vorbemerkungen

43

Nach Art. 230 Abs. 5 EG ist die Nichtigkeitsklage innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erheben, die je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an läuft, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.

44

Nach Art. 102 § 1 der Verfahrensordnung ist eine Frist für die Erhebung einer Klage gegen eine Maßnahme eines Organs, die mit der Veröffentlichung der Maßnahme beginnt, vom Ablauf des vierzehnten Tages nach der Veröffentlichung der Maßnahme im Amtsblatt der Europäischen Union an zu berechnen. Nach Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung wird diese Frist zudem um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert.

45

Im vorliegenden Fall wurde die angefochtene Entscheidung am 18. November 2003 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Eine nicht vertrauliche Fassung der angefochtenen Entscheidung wurde Qualcomm allerdings am 23. Mai 2003 von der Kommission zugesandt. Die Klage von Qualcomm gegen die angefochtene Entscheidung ist am 10. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen, also innerhalb der ab dem Tag der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union laufenden Frist.

2. Zur Veröffentlichung oder Mitteilung der angefochtenen Entscheidung

46

Im Urteil Olsen/Kommission (oben in Randnr. 36 angeführt) ist entschieden worden, dass Mitteilung im Sinne von Art. 230 Abs. 5 EG der Vorgang ist, durch den der Urheber eines Rechtsakts von individueller Geltung diesen den Adressaten übermittelt und sie somit in die Lage versetzt, von ihm Kenntnis zu nehmen. Diese Auslegung ergibt sich ebenfalls aus Art. 254 Abs. 3 EG, wonach die Entscheidungen ihren Adressaten bekanntgegeben werden und durch diese Bekanntgabe wirksam werden (Urteil Olsen/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 74)

47

Im vorliegenden Fall wurden nur DaimlerChrysler und Deutsche Telekom als Adressaten in die angefochtene Entscheidung aufgenommen (vgl. Art. 4 der angefochtenen Entscheidung). Da Qualcomm nicht zu den Adressaten der angefochtenen Entscheidung gehört, ist das Kriterium der „Mitteilung“ des Rechtsakts auf sie nicht anwendbar. Die Kommission kann deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Klage von Qualcomm unzulässig sei, weil sie nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden sei, die mit dem Tag der „Mitteilung“ an Qualcomm begonnen habe, obwohl es sich bei Qualcomm nicht um einen der in der Entscheidung ausdrücklich genannten Adressaten handele.

48

Diese Beurteilung wird durch die Argumente, die die Kommission dafür anführt, dass eine Entscheidung nach Art. 230 Abs. 5 EG nicht nur gemäß Art. 254 Abs. 3 EG den in der fraglichen Entscheidung genannten Adressaten, sondern auch anderen Personen als den Adressaten mitgeteilt werden könne, nicht in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung die Veröffentlichung der nach dieser Verordnung getroffenen Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Union vorschreibt, so dass die Klagefrist derjenigen Personen, die in der angefochtenen Entscheidung nicht als Adressaten genannt sind, nach der ersten Alternative des Art. 230 Abs. 5 EG, also von dieser Veröffentlichung an, zu berechnen ist.

49

Würde der Begriff des Adressaten in dem von der Kommission befürworteten weiten Sinne dahin ausgelegt, dass er sowohl den oder die in einer Entscheidung genannten Adressaten als auch jede andere Person umfasst, die von der Kommission als Adressat bezeichnet wird, ohne in der Entscheidung als solcher genannt worden zu sein, stellte man letztlich die Wirkungen der Verpflichtung nach Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung in Frage und erlaubte der Kommission, nach ihrem Ermessen unter den nicht namentlich als Adressaten in eine Entscheidung aufgenommenen Personen diejenigen zu bestimmen, die eine Klage ab Mitteilung der Entscheidung und nicht ab deren Veröffentlichung erheben können. Die Gewährung eines solchen Ermessens könnte aber zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung führen, da unter den nicht namentlich als Adressaten in eine Entscheidung aufgenommenen Personen einige Personen, denen die Entscheidung „mitgeteilt“ wurde, diese ab der „Mitteilung“ werden anfechten können, während andere Personen, denen die Entscheidung nicht „mitgeteilt“ wurde, diese ab ihrer Veröffentlichung werden anfechten können. Jeder, der durch die von der Kommission erlassene Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen ist, ist aber grundsätzlich befugt, diese anzufechten. Zudem ist es der Kommission nicht immer möglich, im Voraus diejenigen Personen zu benennen, die eine Klage ab Mitteilung einer Entscheidung erheben können. So ist es z. B. schwierig, alle gegenwärtigen und potenziellen Wettbewerber zu benennen, die durch den von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zusammenschluss berührt werden können.

50

Eine solche Ungleichbehandlung kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, Rechtssicherheit so rasch wie möglich dadurch zu gewährleisten, dass die Möglichkeit einer Infragestellung der angefochtenen Entscheidung durch eine gegen diese gerichtete Klage beschränkt wird. Durch die von der Kommission befürwortete weite Auslegung kann dieses Ziel nämlich nicht erreicht werden, da die Kommission nicht in der Lage sein wird, die durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar und individuell betroffenen Personen systematisch im Voraus zu benennen. Abgesehen davon wird dieses Ziel jedenfalls durch die der Kommission nach Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung obliegende Pflicht zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union uneingeschränkt sichergestellt.

51

Das Argument der Kommission, dass es eine Ungleichbehandlung gebe zwischen den einen Zusammenschluss anmeldenden Beteiligten, die eine Nichtigkeitsklage gegen die ihnen mitgeteilte Entscheidung nur von dieser Mitteilung an gerechnet erheben könnten, auf der einen Seite und Dritten, die an dem in diese Entscheidung mündenden Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen seien und denen die Entscheidung „mitgeteilt“ worden sei, deren Klagefrist aber erst mit Veröffentlichung der Entscheidung beginne, auf der anderen Seite, geht fehl. Diesem Argument liegt nämlich die Vorstellung zugrunde, dass die Kommission ihre Entscheidung anderen als den anmeldenden Beteiligten ordnungsgemäß mitteilen könne. Aus den in den Randnrn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen kann das aber nicht der Fall sein.

52

Zu der von der Kommission angeführten Rechtsprechung (Randnr. 34 des vorliegenden Urteils) ist zu bemerken, dass sie sich zu der Frage, ob eine Entscheidung als einer Person, die nicht der Adressat ist, mitgeteilt gelten kann, auch wenn die anwendbare Regelung eine Veröffentlichung dieser Entscheidung vorsieht, nicht ausdrücklich äußert.

53

Zurückzuweisen ist auch das Argument der Kommission, dass nach Art. 20 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung nur die Namen der Beteiligten und der wesentliche Inhalt der Entscheidung veröffentlicht werden müssten und dass seit dem 1. Mai 2004 die nicht vertrauliche Fassung dieser Entscheidungen nicht mehr in vollem Umfang und in allen Gemeinschaftssprachen veröffentlicht werde. Insoweit ist nämlich festzustellen, dass im vorliegenden Fall die nicht vertrauliche Fassung der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde und am Tag ihrer Veröffentlichung in allen Amtssprachen einschließlich der von Qualcomm verwendeten Sprache vorlag, während die Übermittlung der nicht vertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung an Qualcomm nur die deutsche Fassung der Entscheidung zum Gegenstand hatte und damit in einer anderen Sprache als derjenigen der Satzung von Qualcomm erfolgte. Durch die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union war somit der Zugang zu allen wesentlichen Informationen gewährleistet, die Qualcomm für die Erhebung einer Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung benötigte.

54

Die Verordnung Nr. 139/2004 schließlich ist für die Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits irrelevant, weil sie erst seit dem 1. Mai 2004, also einem Zeitpunkt nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung, anwendbar ist.

3. Zur Kenntnisnahme von der angefochtenen Entscheidung

55

Bereits aus dem Wortlaut von Art. 230 Abs. 5 EG ergibt sich, dass der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der angefochtenen Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe oder der Mitteilung in Betracht kommt (vgl. Urteil Regione Siciliana/Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Der Zeitpunkt des 23. Mai 2003, zu dem Qualcomm Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung erlangt hat, kann folglich nicht als Beginn der Klagefrist nach Art. 230 Abs. 5 EG angesehen werden, da die Entscheidung am 18. November 2003 gemäß Art. 20 Abs. 1 der Fusionskontrollverordnung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Erst zum letztgenannten Zeitpunkt begann die Frist, binnen deren Qualcomm nach Art. 230 EG Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beantragen kann.

57

Diese Beurteilung wird durch die von der Kommission angeführte Rechtsprechung (vgl. Randnr. 39 des vorliegenden Urteils) nicht in Frage gestellt. Anders als die Kommission in ihrer Auslegung meint, kann dieser Rechtsprechung nämlich nur entnommen werden, dass im Fall der Kenntnisnahme vor Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung die Klagefrist mit der Kenntnisnahme beginnt.

4. Ergebnis

58

Nach alledem ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Klagefrist des Art. 230 Abs. 5 EG mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. am 18. November 2003, begonnen hat; die Kommission kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie am 23. Mai 2003 die nicht vertrauliche Fassung der angefochtenen Entscheidung einer Person übermittelt hat, die nicht Adressat der Entscheidung war, um den Anfangspunkt der Klagefrist in Frage zu stellen und auf diese Weise zwischen den Personen, die nicht Adressat eines solchen Rechtsakts sind, danach zu unterscheiden, ob die Kommission ihnen gegenüber eine Mitteilung vornimmt oder nicht. Die vorliegende Klage ist somit nicht verspätet erhoben worden, und der von der Kommission erhobene Einwand bezüglich der Zulässigkeit der Klage ist zurückzuweisen.

II — Zur Begründetheit

A — Einleitung

59

Die verschiedenen Vorwürfe der Klägerin sind in drei Klagegründe zu unterteilen. Mit dem ersten Klagegrund werden ein offensichtlicher Beurteilungsfehler, eine unzutreffende Sachverhaltsfeststellung und eine widersprüchliche Argumentation hinsichtlich der Geeignetheit der Zusagen zur Behebung der Wettbewerbsprobleme auf dem relevanten Markt geltend gemacht. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Ermessensmissbrauch beanstandet und mit dem dritten Klagegrund ein Begründungsmangel.

B — Zum ersten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler, unzutreffende Sachverhaltsfeststellung und widersprüchliche Argumentation hinsichtlich der Geeignetheit der Zusagen zur Behebung der Wettbewerbsprobleme auf dem relevanten Markt

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

a) Vorbringen von Qualcomm

— Einleitung

60

Nach Ansicht von Qualcomm erlauben es die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Zusagen nicht, die Zweifel hinsichtlich der Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszuräumen. Insbesondere werde durch die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls kein „gleiches Spielfeld“ geschaffen für Unternehmen, die Telematiksysteme ohne Inanspruchnahme des TGG-Gateways anböten, und Unternehmen, die Telematikdienste anböten, die über den TGG-Gateway und die Onboard-Unit von Toll Collect funktionierten.

61

Die Transportunternehmen würden keine andere Plattform als die Onboard-Unit von Toll Collect verwenden, weil sie mit deren Nutzung sämtliche wichtigsten Telematikdienste erhalten könnten. Dass nach der Zusage bezüglich des TGG-Gateway die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und jeder andere Erbringer von Telematikdiensten sich für die Nutzung dieser Onboard-Units zur Erbringung von Telematikdiensten des TGG-Gateways bedienen müssten, ändere nichts an dieser Schlussfolgerung, da die Erbringer von Telematikdiensten die gleichen Dienste anbieten könnten wie sie die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, insbesondere DaimlerChrysler, hätten anbieten können, wenn sie unmittelbar Telematikdienste über die Onboard-Unit von Toll Collect hätten anbieten dürfen. Daher würden weder die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle noch die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls den Preisvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect aufwiegen.

62

Die Bemerkung der Bundesrepublik Deutschland, dass die nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Toll Collect geschlossenen Vertrag über den Betrieb eines Systems zur Erhebung von Lkw-Maut auf Bundesautobahnen vertriebenen Onboard-Units von Toll Collect nicht sofort im Rahmen der Erbringung von Telematikdiensten genutzt werden könnten, sei unzulässig und falsch. Diese Bemerkung sei unzulässig, da sie sich auf Entwicklungen stütze, die nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetreten seien. Außerdem sei sie falsch, denn Toll Collect könne über die fraglichen Onboard-Units Basis-Telematikdienste erbringen, ohne dass es einer Aktualisierung oder zusätzlicher Speicherkapazität oder Software bedürfe. Das Argument der Bundesrepublik Deutschland, wonach Toll Collect keine Telematikdienste anbieten könne, weil sie noch nicht die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland erhalten habe, sei ebenfalls unzulässig, denn es laufe darauf hinaus, die wohlfundierte und bei Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht bestrittene Annahme in Frage zu stellen, dass die Bundesrepublik Deutschland Toll Collect ermächtige, Telematikdienste zu erbringen. Die Bundesrepublik Deutschland trage auch nicht vor, dass zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung nicht vernünftigerweise hätte angenommen werden können, dass die erforderliche Zustimmung erteilt würde, sondern nur, dass sie noch nicht erteilt worden sei. Das Argument der Bundesrepublik Deutschland lasse es an Aufrichtigkeit fehlen, da die Bundesrepublik nicht behaupte, dass die Zustimmung nicht erteilt werde, sondern nur, dass sie noch nicht erteilt worden sei.

63

Außerdem habe die Kommission gegen die Fusionskontrollverordnung verstoßen, da sie es in der angefochtenen Entscheidung für ausreichend gehalten habe, dass die Zusagen die Entwicklung der Onboard-Unit von Toll Collect zur beherrschenden Plattform „einschränkten“ oder „weitgehend“ beschränkten (vgl. Begründungserwägungen 71 und 72 der angefochtenen Entscheidung).

— Zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

64

Qualcomm ist der Ansicht, die Kommission lege nicht dar, weshalb die mit einem Betrag zwischen 150 und 200 Euro pro Gerät angesetzte Kostenersparnis, die aufgrund der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle erzielt werden könne, es Dritten ermöglichen solle, mit der Onboard-Unit von Toll Collect in Wettbewerb zu treten und die zu erwartende Dominanz dieser Onboard-Units als Plattform „weiter einzuschränken“. Die Beurteilung der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle durch die Kommission sei auf unzutreffende Tatsachen gestützt und stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar.

65

Erstens führe die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle nicht zu einer Kostenersparnis von 150 bis 200 Euro je Gerät. Qualcomm trägt insoweit vor, dass sie GPS-Units zur Ausrüstung ihrer Telematikgeräte zu Preisen von 30 bis 55 Euro habe erwerben können. Außerdem unterstelle die Kommission, dass die aufgrund dieser Zusage zu erzielende Kostenersparnis so hoch sei wie die Kosten einer GPS-Unit. Den Dritten, die die GPS-Schnittstelle der Onboard-Unit von Toll Collect verwendeten, würden aber zusätzliche Kosten entstehen, die sie nicht zu tragen hätten, wenn sie ihr eigenes System entwickelten.

66

Diese zusätzlichen Kosten setzten sich aus folgenden Positionen zusammen: Entwicklungskosten für die erforderliche Anpassung ihrer Hard- und Software im Hinblick auf den Anschluss ihres Systems an die GPS-Schnittstelle; Erstattung der mit der Entwicklung der Schnittstelle verbundenen Kosten, Zahlung einer Lizenzgebühr nach Punkt B.III.3 der Zusagen; Kosten, die sich aus der Notwendigkeit ergäben, parallel zwei Produktlinien zu entwickeln, nämlich ein „anschlussfähiges“ System zur Verwendung in Deutschland und ein einsatzfähiges System mit GPS-Funktionalität zur Verwendung außerhalb Deutschlands.

67

Auch wenn diese Kosten gegenwärtig nicht mit hinreichender Genauigkeit quantifiziert werden könnten, weil die technischen Details der GPS-Schnittstelle noch nicht bekannt seien, würde der Gesamtbetrag dieser Kosten die aufgrund der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle erzielten Einsparungen wahrscheinlich völlig aufzehren. Außerdem sei es wirtschaftlich interessanter, ein Telematikgerät mit einer GPS-Unit herzustellen und zu verkaufen.

68

Zweitens beseitige die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle auch dann nicht den Wettbewerbsvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect, wenn sie zu Kosteneinsparungen in Höhe von 150 bis 200 Euro je Gerät führen sollte. Die Kommission habe in Begründungserwägung 62 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich der Preis der zurzeit auf dem Markt befindlichen Telematikgeräte zwischen 1000 und 2500 Euro bewege. Selbst wenn daher die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle zu einer Kostenersparnis von 150 bis 200 Euro je Gerät führen würde und die von der Kommission in der Klagebeantwortung angegebenen Beträge eingespart werden könnten, wären Drittanbieter von Telematikgeräten immer noch mit einem erheblichen Preisnachteil im Vergleich zur Onboard-Unit von Toll Collect konfrontiert, die kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Zuzüglich zu den Kosten für den Erwerb alternativer Telematikgeräte hätten die Transportunternehmen nämlich auch Einbaukosten und Kosten aufgrund des Stillstands ihres Lkw zu tragen, was die Kommission in Begründungserwägung 72 der angefochtenen Entscheidung einräume. Die letztgenannten Kosten beliefen sich auf ca. 100 bis 120 Euro je Lkw. Im Übrigen liefere die Kommission keine Erklärung oder Beweis dafür, wie die Drittanbieter auf diese Weise mit der Onboard-Unit von Toll Collect konkurrieren könnten.

69

Drittens müssten Drittanbieter von Telematikgeräten, die an Onboard-Units von Toll Collect über deren GPS-Schnittstelle angeschlossen werden könnten, ein zweites Gerät liefern, das im Führerhaus des Lkw Platz beanspruche.

— Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls

70

Qualcomm wendet sich erstens gegen die Behauptung in Begründungserwägung 71 der angefochtenen Entscheidung, wonach Lkw-Hersteller und ihre Ausrüster wahrscheinlich die Entwicklung und Herstellung mautfähiger Geräte und die Erbringung von Telematikdiensten übernehmen würden. Qualcomm ist der Ansicht, dass die Kommission mit Ausnahme einer ungenauen Bezugnahme auf einen Markttest keine Erläuterung hinsichtlich der Erwägungen und der Beweise liefere, auf die sich ihre Behauptung stütze.

71

Zweitens beseitige die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls auch nicht das Problem, das darin bestehe, dass das System der Dritten stets Geld koste, während die Onboard-Unit von Toll Collect kostenlos sei, so dass kein Transportunternehmen das System Dritter erwerben werde. Die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls ermögliche folglich keine Kostenersparnis für die Drittanbieter von mit diesem Modul ausgestatteten Telematikgeräten, da die Transportunternehmer für sie mindestens zwischen 1000 und 2500 Euro zahlen müssten, während sie die Onboard-Unit von Toll Collect kostenlos erhalten könnten. Außerdem hätten die Drittanbieter von Telematikgeräten keinen Zugang zu den von der Onboard-Unit von Toll Collect generierten Daten, so dass sie sämtliche für die Telematikdienste bestimmten Daten selbst generieren und die erforderliche Hardware (GPS, Bildschirm, Nachrichtenübermittlungseinheit, Mobilfunksystem usw.) und Software herstellen müssten.

72

Schließlich kämen auf die Unternehmen, die aufgrund der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls ihr eigenes Mauterhebungsmodul konstruierten, zusätzliche Kosten zu. Unter Bezugnahme insbesondere auf Punkt B.IV.2.4 der Zusagen führt Qualcomm aus, dass es sich nicht um unbedeutende Kosten handele, da Drittanbieter von Telematikgeräten u. a. folgende Kosten zu tragen hätten:

Entwicklungskosten im Zusammenhang mit der für die Integrierung des Mauterhebungsmoduls erforderliche Anpassung ihres Systems;

Entwicklungskosten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Mauterhebungsmoduls durch die Partner des Gemeinschaftsunternehmens und/oder Gebühr für die den Drittanbietern in Rechnung gestellte Lizenz;

Kosten im Zusammenhang mit der entgeltlichen Zurverfügungstellung der Mauterhebungsmodule;

Kosten für die Zertifizierung ihrer Systeme.

73

Da die technischen Details des Mauterhebungsmoduls noch nicht bekannt seien, sei es gegenwärtig nicht möglich, diese Zusatzkosten genauer zu veranschlagen.

74

Drittens beseitige die von der Bundesrepublik Deutschland gegebene Zusicherung, dass Drittanbieter von Telematikgeräten mit integriertem Mauterhebungsmodul in Bezug auf die Betriebskosten des Mautsystems nicht anders gestellt würden (Begründungserwägung 70 der angefochtenen Entscheidung), nicht den Preisvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect, denn für dessen Beseitigung hätte sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichten müssen, sämtliche Kosten der Dritten für die kostenlose Zurverfügungstellung der Telematikgeräte mit integriertem Mauterhebungsmodul zu übernehmen.

75

Viertens schließlich wendet sich Qualcomm dagegen, dass die Kommission erstmals in ihrer Klagebeantwortung geltend mache, dass die Lkw-Hersteller das Mauterhebungsmodul in die Telematikgeräte integrieren könnten, die sie serienmäßig in ihre Fahrzeuge einbauten, so dass sie nicht die Onboard-Units von Toll Collect erwerben würden. Qualcomm trägt dazu zunächst vor, dass alle gegenwärtig am Verkehr teilnehmenden Lkw und die Lkw, die in den nächsten zwei bis fünf Jahren gebaut würden, mit einem nachgerüsteten „Telematikendgerät“ ausgestattet würden, was bedeute, dass die Kunden die Wahl hätten zwischen der kostenlosen Onboard-Unit von Toll Collect und einem kostenpflichtigen Telematikgerät, das zusätzliche Dienste biete. Sodann seien ihrer Erfahrung nach die Flottenmanager nicht für den serienmäßigen Einbau von Telematikendgeräten in Lkw, da sie grundsätzlich verschiedene Fahrzeugmarken nutzten. Würden bei jeder Fahrzeugmarke andere Telematikgeräte serienmäßig eingebaut, könnten die Fahrzeuge nicht untereinander kommunizieren. Außerdem wäre die Zentrale des Flottenmanagers nicht ausgestattet für die Kommunikation mit verschiedenen Typen von Telematikgeräten, und die Schulung der Fahrer wäre komplizierter. Schließlich erläutere die Kommission nicht, aus welchem Grund der serienmäßige Einbau der Telematikgeräte mit integriertem Mauterhebungsmodul die Entwicklung der Onboard-Unit von Toll Collect zur dominierenden Plattform zwangsläufig beschränke. Selbst wenn die Kunden serienmäßig eingebaute Telematikendgeräte vorziehen sollten, habe die Kommission nicht dargetan, dass diese Tendenz die Entwicklung der Onboard-Unit von Toll Collect zur dominierenden Plattform beschränken würde.

— Zur fehlenden Stichhaltigkeit des Vorbringens der Kommission im gerichtlichen Verfahren

76

Qualcomm tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen, wonach in Anbetracht dessen, dass die Zusage bezüglich des TGG-Gateways ausreiche, um den wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt insgesamt zu wahren, die Auswirkungen der anderen Zusagen auf diesen Markt unerheblich seien. Die Kommission habe zwar in der angefochtenen Entscheidung als relevanten Markt den deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme festgestellt, doch habe sie die Auswirkungen von Toll Collect auf diesen Markt in zwei verschiedenen Abschnitten der Entscheidung analysiert (vgl. Abschnitte IV.D.2.1 und IV.D.2.2 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission habe damit gezeigt, dass es verschiedene Wettbewerbsprobleme auf dem relevanten Markt gebe, die durch geeignete Zusagen gelöst werden müssten. Qualcomm habe sich daher auf die Zusage bezüglich des TGG-Gateways und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls konzentriert, da diese den Wettbewerb in dem Segment des relevanten Marktes eröffnen sollten, der für sie als Anbieterin von Telematiksystemen wichtig sei. Außerdem, selbst wenn die Zusage bezüglich des TGG-Gateways ausreichen würde, um einen wirksamen Wettbewerb für Telematikdienste zu gewährleisten, würde dies nicht ausreichen, um den Wettbewerb auf dem relevanten Markt insgesamt zu schützen, da ja, wie in Begründungserwägung 30 der angefochtenen Entscheidung angegeben, die meisten Wirtschaftsteilnehmer auf dem relevanten Markt — wie sie selbst — „Komplettanbieter“ seien.

77

Darüber hinaus bezweifelt Qualcomm die Stichhaltigkeit des Verteidigungsvorbringens der Kommission, wonach die Drittanbieter von Telematikgeräten oder integrierten Lösungen mit der kostenlosen Onboard-Unit von Toll Collect dadurch konkurrieren könnten, dass sie zusätzliche Telematikdienste anböten. Die Begründungserwägungen 71 bis 73 der angefochtenen Entscheidung enthielten keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich um eine Erwägung handele, die der Kommission die Schlussfolgerung gestatte, dass die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls die Entwicklung der Onboard-Unit von Toll Collect zur dominierenden Plattform beschränken könnten. Im Übrigen habe die Kommission in den Begründungserwägungen 62 und 63 der angefochtenen Entscheidung angegeben, dass die Telematikdienste, die über die derzeitige Generation der Onboard-Units von Toll Collect angeboten werden könnten, die erforderlichen Kernfunktionen der Telematik darstellten und dass die Transportunternehmen keine zusätzlichen Telematikdienste erwerben würden, wenn dies mit zusätzlichen Kosten verbunden sei. Die Kommission sei folglich selbst davon ausgegangen, dass die Möglichkeit des Anbietens zusätzlicher Telematikdienste den Preisnachteil nicht aufwiegen könne.

78

Auch sei es falsch, wie die Kommission anzunehmen, dass es einen Preis gebe, zu dem die Kunden bereit seien, ein zweites Telematikendgerät zu erwerben, um zusätzliche Dienste zu erhalten, die sie nicht brauchten. Die Kommission liefere nicht nur nicht den geringsten Beweis für ihr Argument und insbesondere keine Angabe zu diesem Preis, sondern habe noch nicht einmal versucht, den Widerspruch zwischen der in den Begründungserwägungen 54 und 63 der angefochtenen Entscheidung formulierten Schlussfolgerung, dass die Transportunternehmen nicht bereit seien, welchen Preis auch immer für ein Telematikgerät zu zahlen, wenn die Onboard-Unit von Toll Collect kostenlos angeboten werde, und der Behauptung in Begründungserwägung 72 der angefochtenen Entscheidung zu erklären, wonach eine Kostenersparnis von 150 bis 200 Euro je Gerät es Drittanbietern von Telematikgeräten ermögliche, mit den über die Onboard-Unit von Toll Collect erbrachten Diensten zu konkurrieren. Selbst wenn nämlich die Vermutungen der Kommission bezüglich der Kostenersparnis zutreffend wären, gäbe es immer noch eine Preisdifferenz von 800 bis 2300 Euro zwischen der Onboard-Unit von Toll Collect und einem Telematikgerät, das die GPS-Schnittstelle nutze.

79

Schließlich heiße es in der in den Bericht von Frost & Sullivan, European Commercial Vehicle Telematics Markets, 2002 (im Folgenden: Bericht von Frost & Sullivan), aufgenommenen Marktstudie, auf die sich die Kommission stütze, dass zurzeit wenig Kunden an Diensten interessiert seien, die über die Dienste hinausgingen, die über die Onboard-Unit von Toll Collect angeboten würden, und dass sich an dieser Lage in naher Zukunft wahrscheinlich nichts ändern werde. Diese Marktstudie unterscheide nämlich „Basis“-Telematiksysteme, „intermediäre“ Telematiksysteme und „hoch entwickelte“ Telematiksysteme. Nach dieser Studie sei die in Rede stehende Onboard-Unit als „intermediäres“ Telematiksystem einzustufen, insbesondere aufgrund ihrer Fähigkeit zur Nachrichtenübermittlung. In derselben Studie werde auch darauf hingewiesen, dass 2001 die Marktanteile wie folgt verteilt gewesen seien: 90% für die Basis-Telematiksysteme, 9% für die intermediären Telematiksysteme und 1% für die hoch entwickelten Telematiksysteme. Nach der Studie sollten die Marktanteile 2009 wie folgt verteilt sein: 78% für die Basis-Telematiksysteme, 12% für die intermediären Telematiksysteme und 10% für die hoch entwickelten Telematiksysteme. Qualcomm weist darauf hin, dass diese Prognose einen lauteren, von Preisverzerrungen zwischen den verschiedenen Systemtypen freien Wettbewerb voraussetze und keine Situation, in der, wie im vorliegenden Fall, die Transportunternehmen kostenlos Onboard-Units von Toll Collect erhalten könnten, d. h. ein Basis-, wenn nicht intermediäres Telematiksystem, während sie dafür bezahlen müssten, wenn sie ein hoch entwickeltes Telematiksystem haben wollten. Jedenfalls zeigten die von der Kommission vorgelegten Beweise, dass der deutsche Markt für Verkehrstelematiksysteme sehr eng sei, was die hoch entwickelten Telematiksysteme betreffe. Qualcomm beanstandet überdies die Art, in der die Kommission diese Marktstudie lese. Selbst wenn die Studie in dem von der Kommission vorgeschlagenen Sinn verstanden würde, sei nicht dargetan, dass die Onboard-Unit von Toll Collect nicht die dominierende Plattform sei, da die Basis-Telematiksysteme 78% des Marktes nach Volumen und 45% des Marktes nach Wert ausmachten. Im Übrigen sei die Onboard-Unit von Toll Collect ein intermediäres Telematiksystem, und 2009 würden die kumulierten Marktanteile der Basis- und der intermediären Telematiksysteme nach den Prognosen der in den Bericht von Frost & Sullivan aufgenommenen Studie bei 90% nach Volumen und bei 68% nach Wert liegen. Bei diesen Zahlen handele es sich zudem nur um Prognosen für 2009. Nach dem Bericht von Frost & Sullivan habe der Marktanteil der Basis-Telematiksysteme im Jahr 2004, d. h. in dem für die angefochtene Entscheidung maßgebenden Jahr, 94% nach Volumen und 82% nach Wert betragen sollen.

b) Vorbringen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland

80

Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, ist in erster Linie der Ansicht, dass der erste Klagegrund von Qualcomm auf einem grundlegenden mangelnden Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruhe, da diese nicht einen Markt für Telematikgeräte und einen Markt für Telematikdienste, sondern einzig und allein einen Markt für Verkehrstelematiksysteme feststelle, der Hardware, Software und Dienste umfasse.

81

Außerdem sind die Argumente von Qualcomm nach Meinung der Kommission an sich unzureichend, um ihre Gesamtanalyse der Auswirkungen in Frage zu stellen, die die Zusagen in ihrer Gesamtheit auf den deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme hätten. Selbst wenn nämlich die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls nicht ausreichten, um das in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Wettbewerbsproblem zu bereinigen, habe Qualcomm nicht dargetan, dass der Wettbewerb zwischen Verkehrstelematikgeräten völlig ausgeschaltet wäre, und nichts dazu vorgetragen, dass die Zusage bezüglich des TGG-Gateways in Verbindung mit dem qualitativen Moratorium dadurch, dass sie einen nicht diskriminierenden Zugang zu dieser Plattform gewährleiste, DaimlerChrysler daran hindern würde, den gesamten deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme zu beherrschen.

82

In diesem Zusammenhang bekräftigt die Kommission, dass es ihr gemäß der Fusionskontrollverordnung darauf ankomme, die Begründung einer beherrschenden Stellung zu verhindern, und nicht darauf, sie zu beschränken. Auch wenn im vorliegenden Fall die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls die Dominanz der Toll-Collect-Plattform beschränkten, verhinderten die Zusagen insgesamt eine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler über die Toll-Collect-Plattform auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme.

83

Hilfsweise bestreitet die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, das Vorbringen von Qualcomm zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls.

84

Im Hinblick auf die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle ist die Kommission der Ansicht, sie könne daraus, dass eine solche Schnittstelle im Verwaltungsverfahren von Qualcomm und anderen Konkurrenten der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen wohlwollend aufgenommen worden sei, darauf schließen, dass die Schnittstelle es diesen Unternehmen ermögliche, erhebliche Kosteneinsparungen zu erzielen. Außerdem belegten die im Verlauf des Verwaltungsverfahrens zusammengetragenen Informationen, dass die von diesen Unternehmen aufgrund der Zusage zu erzielende Ersparnis, die sich nicht nur auf der Grundlage des Kaufpreises eines GPS-Moduls bemessen könne, sondern weitere Kosten einschließe, nach vorsichtiger Schätzung zwischen 150 und 200 Euro je Gerät liege. Schließlich erlaube es der mit der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle eingeräumte Vorteil den Drittanbietern von Telematiksystemen — ungeachtet des Einbaus eines weiteren Geräts —, besser mit den über die Onboard-Units von Toll Collect angebotenen Telematikdiensten in Wettbewerb zu treten, da sie fortschrittlichere und vielseitigere Dienste anbieten könnten. Dass es künftig ein Markt für Angebote fortschrittlicherer und vielseitigerer Dienste geben werde, werde durch den Bericht von Frost & Sullivan bestätigt, unabhängig von der Einstufung der Onboard-Units von Toll Collect als intermediäre oder als hoch entwickelte Telematiksysteme.

85

Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, bekräftigt erneut, dass das Mauterhebungsmodul verhindern könne, dass die kostenlos zur Verfügung gestellte Onboard-Unit von Toll Collect zur dominierenden Plattform werde. Der Bericht von Frost & Sullivan bestätige, dass hauptsächlich Lkw-Hersteller und ihre Ausrüster derartige mautfähige Telematikgeräte entwickeln und produzieren würden. Telematikgeräte mit einem Mauterhebungsmodul gewährten den Lkw-Herstellern und ihren Ausrüstern den Vorteil, eine erheblich größere Auswahl an Funktionen und Diensten anbieten zu können als die nachgerüsteten Systeme von Toll Collect. Zudem verschafften sie den Lkw-Herstellern und ihren Ausrüstern den Vorteil, das Telematikgerät in die Fahrzeugelektronik zu integrieren.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Einleitung

86

Zur Beurteilung der verschiedenen Rügen, die Qualcomm in ihrem ersten Klagegrund vorträgt, ist zunächst zum einen an den Umfang der Kontrolle zu erinnern, die die Kommission in Entscheidungen über einen Zusammenschluss, insbesondere bei solchen, die auf Zusagen hin ergehen, ausübt, und zum anderen an die Beurteilung des Zusammenschlusses und der Zusagen durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung. Sodann werden die Rügen geprüft, die sich auf das Kriterium für die Beurteilung der Zusagen beziehen. Schließlich werden die Rügen geprüft, mit denen geltend gemacht wird, dass die Zusagen bezüglich des Mauterhebungsmoduls und der GPS-Schnittstelle nicht angemessen seien.

b) Grundsätzliche Erwägungen

87

Nach Art. 8 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung erklärt die Kommission den Zusammenschluss durch Entscheidung für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, wenn sie feststellt, dass ein angemeldeter Zusammenschluss gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen den Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung entspricht, d. h., dass dieser Zusammenschluss keine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird.

88

Bei einer solchen Fusionskontrolle ist somit eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung geboten, die darin besteht, zu prüfen, inwieweit ein Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen wirksamen Wettbewerb ergeben würde. Eine solche Untersuchung erfordert es, sich die verschiedenen Ursache-Wirkungs-Ketten vor Augen zu führen und von derjenigen mit der größten Wahrscheinlichkeit auszugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C-12/03 P, Slg. 2005, I-987, Randnr. 43).

89

So ist entschieden worden, dass die Kommission nach Art. 8 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung nur dann befugt ist, einen Zusammenschluss, der Zusagen einschließt, für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, wenn diese Zusagen ihr die Feststellung gestatten, dass der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert wird, weder begründet noch verstärkt (Urteile des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T-102/96, Slg. 1999, II-753, Randnr. 318, und vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T-282/02, Slg. 2006, II-319, Randnr. 294; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T-87/05, Slg. 2005, II-3745, Randnr. 63). Die Kommission muss also in ihrer Entscheidung, mit der sie einen Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dartun, dass der Zusammenschluss, wie er durch die Zusagen der an ihm beteiligten Parteien geändert wurde, keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken wird, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird. Die ihr damit obliegende Beweislast lässt jedoch ihr Ermessen in Bezug auf komplexe wirtschaftliche Beurteilungen unberührt (vgl. in diesem Sinne Urteil EDP/Kommission, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90

Der Dritte, dessen Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der ein von Zusagen begleiteter Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, gerichtet ist, hat folglich darzutun, dass die Kommission diese Zusagen solchermaßen falsch beurteilt hat, dass die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt zweifelhaft erscheint.

91

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsrichter grundsätzlich eine uneingeschränkte Kontrolle über die Anwendung der für Zusammenschlüsse geltenden Regeln durch die Kommission ausübt. Es ist jedoch entschieden worden, dass die Grundregeln der Fusionskontrollverordnung und insbesondere ihr Art. 2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen einen gewissen Beurteilungsspielraum einräumen. Daher muss die vom Gemeinschaftsrichter vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen — für die Aufstellung der Regeln für Zusammenschlüsse wesentlichen — Ermessens unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung für Zusammenschlüsse sind, zugrunde liegt (Urteile des Gerichtshofs vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, „Kali & Salz“, C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998, I-1375, Randnrn. 223 und 224, und Kommission/Tetra Laval, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 38; Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T-210/01, Slg. 2005, II-5575, Randnr. 60).

92

Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission insbesondere in Wirtschaftsfragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Der Gemeinschaftsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteil Kommission/Tetra Laval, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 39).

93

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze für die Beweisanforderungen und die Beweislast bei Zusammenschlüssen sowie den Grad der vom Gemeinschaftsrichter auf diesem Gebiet auszuübenden Kontrolle sind die von den Verfahrensbeteiligten in der vorliegenden Rechtssache vorgetragenen Argumente zu beurteilen.

c) Prüfung des Zusammenschlusses und der Zusagen durch die Kommission

94

In den Begründungserwägungen 19 ff. der angefochtenen Entscheidung ist angegeben, dass Toll Collect von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nach Zuschlag eines öffentlichen Auftrags gegründet worden sei, um im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen zu erheben. In dieser Eigenschaft stehe Toll Collect nicht im Wettbewerb mit anderen privaten Leistungserbringern.

95

Die zur Mauterhebung bestimmte Onboard-Unit von Toll Collect sei jedoch in der Lage, Daten für Telematikdienste zu erfassen und bereitzustellen. Eine solche Verwendung der Onboard-Units von Toll Collect sei nicht Gegenstand des Vergabeverfahrens für Systeme zur Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen gewesen; der im Anschluss an dieses Verfahren mit Toll Collect geschlossene Betreibervertrag sehe aber vor, dass Toll Collect weitere Telematikdienste anbieten könne, nachdem es von der Bundesrepublik Deutschland die entsprechende Genehmigung erhalten habe. Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten angekündigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen, um Telematikdienste über die Onboard-Unit von Toll Collect anzubieten. Die Kommission ging daher davon aus, dass die Bundesrepublik Deutschland, da das Angebot von Telematikdiensten über die Onboard-Unit von Toll Collect zu dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, Engpässe im Verkehrsnetz zu reduzieren, beitragen werde, keine Einwände gegen eine Zulassung solcher Dienste über die Onboard-Unit von Toll Collect erheben werde und dass sich der Zusammenschluss folglich im Bereich der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Verkehrstelematiksystemen auswirken werde (Begründungserwägungen 20 bis 22 und 47 bis 49 der angefochtenen Entscheidung).

96

Diese Verkehrstelematiksysteme, die die Kommission als relevanten Produktmarkt festgestellt hat, schlössen die für Transport- und Logistikunternehmen bestimmte Hardware, Software und Dienste mit ein. Aus der Sicht der Kunden, also der Transportunternehmen, umfasse dieser Markt gleichzeitig „Komplettanbieter“, d. h. Anbieter von Hard- und Software und von Telematikdiensten, „Hardwareanbieter“, d. h. Anbieter, die nur Endgeräte, Software und die dazugehörige Hardware herstellen, und „Diensteanbieter“, d. h. Anbieter, die nur Verkehrstelematikdienste anböten (Begründungserwägungen 23 bis 32 der angefochtenen Entscheidung).

97

Nach der Bestimmung des räumlich relevanten Marktes, der das Gebiet Deutschlands umfasse, ist die Kommission zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Zusammenschlusses ohne Berücksichtigung von Zusagen seitens der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen übergegangen (Begründungserwägungen 33 bis 36 der angefochtenen Entscheidung).

98

Die Kommission hat zunächst festgestellt, dass der Zusammenschluss den führenden Lkw-Hersteller, DaimlerChrysler, der nach eigenen Angaben zudem ein führender Dienstleister für Mobilitäts- und Telematikdienste sei, mit der Deutschen Telekom, einem der führenden Mobilfunkanbieter in Deutschland, vereine. Die Kommission war der Ansicht, dass diese beiden Unternehmen daher sehr gute Voraussetzungen hätten, um Verkehrstelematikdienste zu erbringen (Begründungserwägungen 39 und 40 der angefochtenen Entscheidung).

99

Sodann hat sie zum einen darauf hingewiesen, dass DaimlerChrysler die Absicht bekräftigt habe, Verkehrstelematikdienste über die Onboard-Unit von Toll Collect anzubieten, und zum anderen darauf, dass davon ausgegangen werden könne, dass die Bundesrepublik Deutschland die nach dem Betreibervertrag erforderliche Genehmigung für die Erbringung derartiger Verkehrstelematikdienste erteilen werde (Begründungserwägungen 43 bis 50 der angefochtenen Entscheidung).

100

Da die Onboard-Unit von Toll Collect unentgeltlich abgegeben werde und für die Transportunternehmen von praktischem Interesse sei, sei davon auszugehen, dass diese Onboard-Unit in die meisten Lkw, die regelmäßig die Bundesautobahnen benutzten, eingebaut werde. Dass diese telematikfähigen Onboard-Units kostenlos an die Mautpflichtigen abgegeben würden, habe zur Folge, dass der weit überwiegende Teil der mit einer Onboard-Unit von Toll Collect ausgestatteten Lkw diese auch für Verkehrstelematikdienste nutzen werde. Den mit Kosten verbundenen Einbau einer zweiten Onboard-Unit für die Nutzung von Verkehrstelematikdienste konkurrierender Anbieter hält die Kommission demgegenüber aus der Warte der Transportunternehmen für wirtschaftlich nicht sinnvoll. Dies sei durch die geringen Margen zu erklären, mit denen die Transportunternehmen in Deutschland und Europa arbeiteten (Begründungserwägungen 51 bis 54 der angefochtenen Entscheidung).

101

Die Onboard-Units von Toll Collect würden daher nahezu den gesamten Lkw-Bestand in Deutschland umfassen und damit eine dominierende Plattform auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme darstellen (Begründungserwägung 56 der angefochtenen Entscheidung).

102

Die Schaffung dieser marktbeherrschenden Plattform führe zur Verschließung des deutschen Marktes der Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen. Insbesondere würden Anbieter von Verkehrstelematikdiensten durch die Schaffung einer dominierenden Plattform für Verkehrstelematikdienste von der Nutzung der Onboard-Unit von Toll Collect abhängig. Mit den Onboard-Units von Toll Collect als geschlossenem, eigentumsrechtlich geschütztem System werde DaimlerChrysler über Toll Collect die Kontrolle über den Zugang zum deutschen Zukunftsmarkt für Verkehrstelematiksysteme gewinnen (Begründungserwägungen 57 bis 59). Außerdem werde die Toll-Collect-Plattform zur Verdrängung der derzeit am Markt befindlichen Anbieter von Telematiksystemen führen. Da diese Onboard-Units über Kernfunktionen verfügten, die auch in den zurzeit auf dem Markt angebotenen Verkehrstelematiksystemen verfügbar seien, und kostenlos abgegeben würden, ist die Kommission der Ansicht, dass die Transportunternehmen, deren Lkws bereits mit einer Onboard-Unit von Toll Collect ausgerüstet worden seien, kein „zusätzliches Telematikendgerät für die Nutzung von über die Toll Collect Onboard-Unit hinausgehenden zusätzlichen Verkehrstelematikangeboten konkurrierender Systemanbieter“ erwerben würden. So habe die Ankündigung der Unentgeltlichkeit der von Toll Collect entwickelten Telematiklösung es für die am Markt befindlichen Verkehrstelematiksystemanbieter sehr erschwert, neue Kunden zu gewinnen, und die wirtschaftliche Existenz dieser Anbieter gefährdet. Die zweite Generation von Onboard-Units, die von Toll Collect entwickelt werde, werde diesen Verdrängungseffekt aufgrund ihrer erweiterten Funktionen noch verstärken (Begründungserwägungen 60 bis 65 der angefochtenen Entscheidung).

103

Die Kommission ist daher der Ansicht, dass der angemeldete Zusammenschluss ohne Berücksichtigung von Zusagen zur Entstehung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler mittels des Gemeinschaftsunternehmens Toll Collect auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen führen werde, durch die wirksamer Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes erheblich behindert werde (Begründungserwägung 66 der angefochtenen Entscheidung).

104

Die Zusagen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen reichen nach Auffassung der Kommission jedoch aus, um die genannten Wettbewerbsbedenken auszuräumen (Begründungserwägung 69 der angefochtenen Entscheidung).

105

Insbesondere führt die Kommission zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls in Begründungserwägung 70 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Verpflichtung der Parteien, ein Mauterhebungsmodul für Drittgeräte zu entwickeln, die Anpassung und Entwicklung von Drittgeräten an das Mautmodul zu begleiten und die notwendigen Genehmigungen für die Verwendung der Geräte zu erteilen, es Dritten ermöglichen werde, eigene, mit einer Mautfunktion ausgestattete Telematikgeräte herzustellen. Das deutsche Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen habe ihr zugesagt, dass Drittanbieter von Telematikgeräten mit einem Mauterhebungsmodul in Bezug auf die Kosten nicht anders gestellt würden als der Betreiber des Lkw-Mautsystems.

106

In Begründungserwägung 71 der angefochtenen Entscheidung heißt es, dass „die Entwicklung und Herstellung“ von Drittgeräten mit Mautmodul insbesondere „von Lkw-Herstellern und ihren Geräteherstellern in Anspruch genommen wird“. In Anbetracht dessen und der Ergebnisse eines Markttests ist die Kommission der Auffassung, dass „davon auszugehen [ist], dass eine solche Möglichkeit für Dritte, ein Mautmodul in ihre eigenen Geräte zu integrieren, die Entwicklung von Toll Collect zur beherrschenden Plattform und die Gatekeeper-Funktion auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland weitgehend beschränkt“.

107

Zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle hat die Kommission ausgeführt, dass die Mitnutzung der GPS-Funktionalität der Onboard-Unit von Toll Collect es Drittanbietern von Telematikgeräten nach ihrer Marktuntersuchung ermögliche, ca. 150 bis 200 Euro pro Gerät einzusparen und trotz der Notwendigkeit, ein weiteres Endgerät im Fahrzeug einzubauen, mit Telematikdiensten in Wettbewerb zu treten, die über die Onboard-Unit von Toll Collect angeboten würden (Begründungserwägung 72 der angefochtenen Entscheidung).

108

Die Zusage bezüglich des TGG-Gateways ermöglicht nach Meinung der Kommission einen nicht diskriminierenden Zugang zu den Basisfunktionalitäten und Rohdaten der Onboard-Units von Toll Collect über einen zentralen Telematics Gateway, der neutral und von den am Zusammenschluss Beteiligten unabhängig betrieben werde (Begründungserwägungen 73 und 74 der angefochtenen Entscheidung).

109

Schließlich hat die Kommission die Bedeutung des qualitativen Moratoriums betont, das verhindere, dass sich die die Toll-Collect-Plattform als dominierende Plattform im deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme etabliere, solange die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls nicht erfüllt seien (Begründungserwägung 76 der angefochtenen Entscheidung).

110

Nach alledem war die Kommission der Ansicht, dass insgesamt die Zusagen dafür sorgten, dass der Markt für Verkehrstelematiksysteme in Deutschland weiter offen gehalten werde und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Parteien und Drittparteien erhalten blieben. Solange die Parteien die Zusagen einhielten, begründe daher der angemeldete Zusammenschluss keine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler mittels Toll Collect auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme (Begründungserwägung 77 der angefochtenen Entscheidung).

d) Zum Kriterium für die Beurteilung der Zusagen

111

Qualcomm wirft der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe die Zusagen anhand eines falschen Kriteriums beurteilt, wenn sie angebe, dass die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls die Dominanz der Toll-Collect-Plattform lediglich beschränkten.

112

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nach der Fusionskontrollverordnung nicht Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob die Zusagen die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb beschränken können, sondern zu beurteilen, ob die Zusagen die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung ausschließen können, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde (vgl. Randnr. 89 des vorliegenden Urteils).

113

Im vorliegenden Fall erlaubt jedoch der Umstand, dass die Kommission davon ausgegangen ist, dass durch die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle „die zu erwartende Dominanz von Toll Collect als Telematikplattform weiter eingeschränkt“ werde und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls „die Entwicklung von Toll Collect zur beherrschenden Plattform und die Gatekeeper-Funktion auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland weitgehend beschränk[e]“ (Begründungserwägungen 72 und 71 der angefochtenen Entscheidung), nicht die Annahme, dass die Kommission den Zusammenschluss anhand eines falschen Kriteriums beurteilt hat.

114

Entgegen der von Qualcomm offenbar vertretenen Ansicht zielen nämlich die wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die die Kommission im Hinblick auf den Zusammenschluss formuliert hat, nicht darauf ab, eine etwaige beherrschende Stellung der aus den Onboard-Units von Toll Collect bestehenden Plattform (im Folgenden: Toll-Collect-Plattform) als solcher für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, sondern sie beziehen sich darauf, dass DaimlerChrysler über die Onboard-Units von Toll Collect eine beherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme erlangen könnte (Begründungserwägungen 38 und 66 der angefochtenen Entscheidung).

115

Die Zusagen der am Zusammenschluss beteiligten Parteien, die nach Ansicht der Kommission ausreichten, um die von ihr erhobenen Einwände auszuräumen, sollen die beherrschende Stellung von DaimlerChrysler auf dem relevanten Markt dadurch ausschließen, dass sie, erstens, die beherrschende Stellung der Toll-Collect-Plattform mit der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls beschränken, zweitens, mit der Zusage bezüglich des TGG-Gateways einen offenen Zugang zur Toll-Collect-Plattform zur Erbringung von Verkehrstelematikdiensten gewährleisten und, drittens, für die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten über die Onboard-Units von Toll Collect die Einhaltung des qualitativen Moratoriums vorsehen (Begründungserwägungen 70 bis 76 der angefochtenen Entscheidung).

116

Nur aufgrund einer Beurteilung dieser Zusagen in ihrer Gesamtheit ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass bei deren Einhaltung durch die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler mittels Toll Collect auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme begründet werde (Begründungserwägung 77 der angefochtenen Entscheidung).

117

In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Toll Collect nur damit betraut ist, im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland das System zur Erhebung der Lkw-Maut auf Bundesautobahnen aufzubauen und zu betreiben, so dass sie auf dem relevanten Markt nicht aktiv ist (Begründungserwägungen 7 und 19 der angefochtenen Entscheidung), und zum anderen darauf, dass die kostenlose Abgabe der Onboard-Units von Toll Collect (Begründungserwägung 17 der angefochtenen Entscheidung) ein von der Bundesrepublik Deutschland aufgestelltes Erfordernis für den Betrieb des Autobahnmautsystems durch Toll Collect war. Daraus folgt, dass die Gründung von Toll Collect und die kostenlose Abgabe der fraglichen Onboard-Units als solche nicht Gegenstand der Beurteilung durch die Kommission in dem Verfahren nach der Fusionskontrollverordnung sein konnten.

118

In Anbetracht dessen ist die Rüge von Qualcomm, die Kommission habe die Zusagen anhand eines falschen Kriteriums beurteilt, zurückzuweisen.

e) Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls und zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

Einleitung

119

Zunächst ist daran zu erinnern, dass das von der Kommission nach Anmeldung des Zusammenschlusses festgestellte Wettbewerbsproblem in der Begründung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler — über Toll Collect — auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme besteht, der sowohl das Anbieten von Verkehrstelematikdiensten als auch das Anbieten von Geräten, die die Erbringung derartiger Dienste ermöglichen, umfasst.

120

Die Zusagen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen betreffen sowohl das Anbieten von Verkehrstelematikdienste als auch das Anbieten von Geräten, mit denen Verkehrstelematikdienste erbracht werden können. Die Zusage bezüglich des TGG-Gateways, die einen nicht diskriminierenden Zugang der Anbieter von Telematikdiensten zu den Basisfunktionalitäten und Rohdaten der Onboard-Units von Toll Collect gewährleistet, bezieht sich nur auf das Angebot von Verkehrstelematikdiensten. Die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls beziehen sich auf das Angebot von Geräten, die die Erbringung derartiger Dienste ermöglichen.

121

Die Rügen von Qualcomm betreffen nur die Zusagen bezüglich des Anbietens von Geräten, die die Erbringung von Verkehrstelematikdiensten ermöglichen. Qualcomm beanstandet nämlich nicht die Beurteilung der Zusage bezüglich des TGG-Gateways.

122

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission unter Berücksichtigung dieser Zusagen in ihrer Gesamtheit der Auffassung war, dass diese den Markt für Verkehrstelematiksysteme weiter offen halten und die Begründung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler über das Gemeinschaftsunternehmen auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme verhindern könnten (Begründungserwägung 77 der angefochtenen Entscheidung).

Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls

— Einleitung

123

Zu den von Qualcomm gegen die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls erhobenen Rügen ergibt sich aus den Begründungserwägungen 70 und 71 der angefochtenen Entscheidung, wie sie in den Randnrn. 105 und 106 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, dass diese Zusage auf den ersten Blick Drittanbietern von Verkehrstelematiksystemen, unter denen sich auch die Lkw-Hersteller befinden, die Möglichkeit garantiert, eine Onboard-Unit zu konstruieren und auf den Markt zu bringen, die, wie die Onboard-Unit von Toll Collect, mautfähig ist. Diese Zusage erspart den Transportunternehmen, die andere als die über die Onboard-Units von Toll Collect angebotenen Verkehrstelematikdienste nutzen wollen, den Einbau eines zweiten Geräts.

124

Nach Ansicht von Qualcomm wird diese Zusage es Drittanbietern von Telematiksystemen jedoch nicht ermöglichen, mit der Onboard-Unit von Toll Collect in Wettbewerb zu treten, denn zum einen beseitige sie nicht den Preisvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect, die unentgeltlich überlassen werde, und zum anderen entstünden Dritten bei der Herstellung einer eigenen Onboard-Unit mit Mauterhebung zusätzliche Kosten. Darüber hinaus zieht Qualcomm die Behauptung der Kommission in Zweifel, wonach die Lkw-Hersteller Telematikendgeräte mit integrierten Mautfunktionalitäten entwickeln würden.

— Zum Vorteil, den die Unentgeltlichkeit der Onboard-Unit von Toll Collect bedeutet

125

Es ist unstreitig, dass die Onboard-Units von Toll Collect den Transportunternehmen gegen ein Pfand kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese unentgeltliche Überlassung ist ein Erfordernis, das die Bundesrepublik Deutschland Toll Collect auferlegt hat, nachdem sie den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen den betreffenden Zuschlag erteilt hatte.

126

Unstreitig ist weiter, dass die Onboard-Units von Toll Collect nach dem qualitativen Moratorium erst von dem Zeitpunkt an zum Anbieten von Verkehrstelematikdiensten verwendet werden dürfen, in dem die Bundesrepublik Deutschland dies genehmigt. Diese Genehmigung wird erst erteilt, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen alle Zusagen, darunter die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls, erfüllt haben.

127

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das dem Erlass der angefochtenen Entscheidung vorausgegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland in einem Schreiben an die Kommission angegeben, dass bei einer Übernahme von Kosten zugunsten von am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen durch die Bundesrepublik keine Kosten erstattet würden, die über die notwendigen Vorkehrungen für die Mauterhebung hinausgingen. Die Bundesrepublik Deutschland hat diesen Standpunkt in ihrem Streithilfeschriftsatz und in der mündlichen Verhandlung bekräftigt.

128

Was die Kosten für die Onboard-Unit von Toll Collect anbelangt, hat die Bundesrepublik Deutschland außerdem zugesagt, dass Drittanbieter von Telematikgeräten mit einem Mauterhebungsmodul nicht anders gestellt würden als der Betreiber des Lkw-Mautsystems (Begründungserwägung 70 der angefochtenen Entscheidung). Diese Zusage ist durch das Schreiben der Bundesrepublik Deutschland vom 2. April 2003 an die Kommission belegt. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland sie in der mündlichen Verhandlung bekräftigt.

129

Die kostenlose Überlassung der Onboard-Unit von Toll Collect bedeutet somit keineswegs einen Wettbewerbsvorteil für DaimlerChrysler im Hinblick auf die Betriebskosten von Toll Collect. Die Zusage der Bundesrepublik Deutschland, dem Hersteller der in Rede stehenden Onboard-Units und Dritten, die eigene mautfähige Verkehrstelematiksysteme anbieten, in nicht diskriminierender Weise die Kosten, die sie für die Mauterhebung über ihre jeweiligen Geräte aufwenden, zu erstatten, hat zur Folge, dass dadurch kein Wettbewerbsvorteil für Toll Collect oder für DaimlerChrysler gegenüber diesen Dritten entsteht. Die Gleichbehandlung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, die Toll Collect mit der Entwicklung der in Rede stehenden Onboard-Unit betraut haben, und der Dritten, die aufgrund der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls andere Onboard-Units konstruieren, ist damit, was die Übernahme der Kosten für diese Onboard-Units durch die Bundesrepublik Deutschland anbelangt, gewährleistet.

130

Die Kommission konnte daher vernünftigerweise davon ausgehen, dass diese Zusage dem in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Wettbewerbsnachteil, dass die Transportunternehmen nicht bereit seien, für eine zweite Onboard-Unit zu bezahlen, abhelfe. Nach der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls können nämlich Drittkonstrukteure, die Telematiksysteme mit einem Mauterhebungsmodul anbieten, dieselbe finanzielle Unterstützung erhalten wie diejenige, die Toll Collect für die unentgeltliche Abgabe ihrer Onboard-Units erhält.

131

Überdies ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar in der angefochtenen Entscheidung bei der Beurteilung der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls nicht ausdrücklich Bezug nimmt auf den qualitativen Unterschied zwischen den Verkehrstelematikdiensten, die über die Onboard-Unit von Toll Collect angeboten werden können, und denen, die über Drittgeräte angeboten werden können; aus der angefochtenen Entscheidung insgesamt geht aber hervor, dass dieser qualitative Unterschied für die Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb relevant ist.

132

Bei ihrer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung des Zusammenschlusses ohne Zusagen nimmt die Kommission nämlich auf diesen qualitativen Unterschied Bezug (Begründungserwägungen 62 bis 65 der angefochtenen Entscheidung). So hat sie angegeben, dass die über die Onboard-Unit von Toll Collect zugänglichen Verkehrstelematikdienste nicht alle derzeit über die bereits im Markt befindlichen Telematikendgeräte angebotenen Dienstleistungen abdeckten, dass sie aber „Kernfunktionen dar[stellen], die auch Teil der zurzeit am Markt angebotenen Systeme sind“. Außerdem hat sie im Hinblick auf die kostenlose Überlassung der Onboard-Units von Toll Collect ausgeführt, dass „zu erwarten [sei], dass Flottenbetreiber, deren Lkws bereits von Toll Collect mit einer Onboard-Unit ausgerüstet worden sind, kein zusätzliches Telematikendgerät für die Nutzung von über die Toll Collect Onboard-Unit hinausgehenden zusätzlichen Verkehrstelematikangeboten konkurrierender Systemanbieter erwerben werden“.

133

Dieser qualitative Unterschied bestätigt die Richtigkeit der Analyse der Kommission, was die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls betrifft.

134

Im Bericht von Frost & Sullivan, auf den sich die Kommission für ihre Argumentation beruft, heißt es nämlich, dass in Europa zur Zeit der Beurteilung des Zusammenschlusses eine Nachfrage nach Systemen bestanden habe, die es ermöglicht habe, höher entwickelte Verkehrstelematiksysteme anzubieten, und der Bericht bestätigt, dass diese Nachfrage in den kommenden Jahren steigen werde.

135

Die Kommission konnte daher vernünftigerweise annehmen, dass es in Europa zur Zeit der Beurteilung des Zusammenschlusses eine Nachfrage nach Systemen gab, die es ermöglichten, höher entwickelte Verkehrstelematikdienste anzubieten, und dass diese Nachfrage in den kommenden Jahren steigen werde. Außerdem ist unstreitig, dass die Onboard-Unit von Toll Collect ursprünglich nur für wenig entwickelte Telematikdienste verwendet werden konnte (Begründungserwägung 62 der angefochtenen Entscheidung). Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Komplettanbieter, die über ihre Systeme neben Mautdiensten auch entwickeltere Telematikdienste anbieten, als über die Onboard-Unit von Toll Collect angeboten werden könnten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Anbietern von Diensten über die in Rede stehende Onboard-Unit haben.

136

Aufgrund dieses qualitativen Vorteils in Verbindung mit der Nichtdiskriminierung hinsichtlich der Kosten Dritter, die von der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls profitieren, konnte die Kommission ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgehen, dass die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls „die Entwicklung von Toll Collect zur beherrschenden Plattform und die Gatekeeper-Funktion auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland weitgehend beschränk[e]“.

— Zu den zusätzlichen Kosten

137

Qualcomm ist der Meinung, dass Drittanbieter von Telematiksystemen zusätzliche Kosten zu tragen hätten, einschließlich der Kosten für die Anpassung ihrer Systeme zur Aufnahme des Mauterhebungsmodul, für die Beteiligung an Entwicklung und Herstellung des Moduls (vgl. Klauseln unter B.IV.2.4 der Zusagen) und für die Zertifizierung ihrer Systeme mit integriertem Modul (vgl. Klauseln unter B.IV.2.4 der Zusagen).

138

Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass sich aus den Zusagen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ergibt, dass die Onboard-Units von Toll Collect nicht von vornherein Telematikdienste anbieten können. Nach den Punkten A.3 und B.II.16.1 dieser Zusagen muss nämlich auf den in Rede stehenden Onboard-Units eine zusätzliche Software installiert werden, um solche Dienste anbieten zu können. Unter A.3, zweiter Absatz, der Zusagen ist vorgesehen, dass „Mehrwertdienste, die auf Funktionalitäten der [betreffenden Onboard-Units] unmittelbar aufsetzen sollen,... nur durch das Aufspielen zusätzlicher Treiber-Software auf [diese Onboard-Units] ermöglicht werden [könnten] (was zentral gesteuert geschehen müsste)“. Daraus folgt, dass der Betrieb der in Rede stehenden Onboard-Units auch gewisse Anpassungskosten erfordern wird, damit Unternehmen sie als Verkehrstelematiksysteme verwenden können. Bezüglich der Kosten der Beteiligung an Entwicklung und Herstellung des Moduls und der Kosten für die Zertifizierung ihres Systems mit integriertem Modul, wie sie in den Klauseln unter B.IV.2.4 der Zusagen enthalten sind, ist festzustellen, dass Qualcomm nicht nachweist, dass diese Kosten höher wären als diejenigen, die Toll Collect für die Entwicklung ihres eigenen Mauterhebungsmoduls zu tragen hatte. Schließlich ist jedenfalls festzustellen, dass Qualcomm keine bezifferte Angabe, ja noch nicht einmal ansatzweise eine Schätzung, zu diesen angeblichen zusätzlichen Kosten macht.

139

Qualcomm hat demzufolge nicht hinreichend dargetan, dass Drittanbieter von Telematiksystemen, wenn sie von der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls Gebrauch machen, zusätzliche Kosten zu tragen haben werden, die geeignet wären, die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.

— Zur Entwicklung von Telematikendgeräten mit integrierter Mautfunktionalität durch die Lkw-Hersteller

140

Qualcomm zieht außerdem die Behauptung der Kommission in Zweifel, wonach die Lkw-Hersteller wahrscheinlich die Entwicklung von Telematikendgeräten mit integrierten Mautfunktionalitäten in Anspruch nehmen würden.

141

Dazu stellt das Gericht fest, dass sich aus dem Bericht von Frost & Sullivan ergibt, dass bereits im Jahr 2000 die Hersteller von Erstausrüstungsgeräten in Europa in ihre Lkw bei der Herstellung Telematiksysteme hätten einbauen lassen (vgl. Schaubilder 3-10 und 3-14 des Berichts von Frost & Sullivan). Außerdem heißt es in dem Bericht, dass die Lkw-Hersteller beabsichtigten, den Markt für Telematikdienste zu entwickeln und anzuführen, und dass die Kombination von elektronischer Mauterhebung und Telematiksystemen eine bedeutende Gelegenheit darstelle (vgl. Bericht von Frost & Sullivan, S. 2-12). In dem Bericht wird zudem festgestellt, dass zu erwarten sei, dass die Lkw-Hersteller dem serienmäßigen Einbau von Verkehrstelematiksystemen Priorität einräumen würden (vgl. Bericht von Frost & Sullivan, S. 3-11). Schließlich sagen die Autoren dieses Berichts voraus, dass 2009 die Hersteller von Erstausrüstungsgeräten in Europa eine Durchdringung des Marktes der Verkehrstelematik für schwere Nutzfahrzeuge (mit einem Gewicht von über 16 t) von nahezu 80% und des kombinierten Marktes für schwere und mittlere Nutzfahrzeuge von mehr als 50% erreicht haben würden (vgl. die Schaubilder auf S. 3-20, 3-21 und 3-22 des Berichts von Frost & Sullivan).

142

Die Kommission hat folglich vernünftigerweise aus diesem Bericht darauf schließen können, dass die Lkw-Hersteller und ihre Ausrüster ihre eigenen Verkehrstelematiksysteme entwickeln würden. Außerdem ist in angesichts der bedeutenden Gelegenheit, die die Kombination von automatischen Mautsystemen und Telematiksystemen darstellt, die Annahme nicht offensichtlich falsch, dass die Lkw-Hersteller und ihre Ausrüster in Anbetracht der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls das automatische Mautsystem in ihre Verkehrstelematiksysteme integrieren würden.

143

Qualcomm ist jedoch der Ansicht, dass ihrer Erfahrung nach die Flottenmanager nicht für den serienmäßigen Einbau von Telematikendgeräten in Lkw seien, weil sie verschiedene Fahrzeugmarken nutzten und der serienmäßige Einbau Probleme der Interoperabilität zwischen den serienmäßig eingebauten Systemen verschiedener Hersteller schaffe, insbesondere in der Zentrale des Flottenmanagers. Außerdem würde durch den Einbau verschiedener Endgeräte die Schulung der Fahrer komplizierter.

144

Diese Behauptungen sind jedoch zurückzuweisen. Im Bericht von Frost & Sullivan heißt es nämlich, dass die Lkw-Hersteller auf die Frage von Wirtschaftsteilnehmern mit einer Flotte von Lkw verschiedener Marken fahrzeugunabhängige Systeme entwickeln würden (vgl. Bericht von Frost & Sullivan, S. 3-21). Nach demselben Bericht ist der „FMS-Standard“ ein Schritt zu Systemen, die in allen Fahrzeugen mit einem erhöhten Entwicklungsstand funktionieren könnten. Im Übrigen wären die Eigentümer von Flotten mit verschiedenen Marken durch nichts daran gehindert, in einen Teil der Flotte Zusatzgeräte einzubauen, die mit ihren Fahrzeugen kompatibel sind. Außerdem ist jedenfalls festzustellen, dass Qualcomm nichts zum Beleg dafür beibringt, dass die Flottenmanager dem serienmäßigen Einbau von Telematikendgeräten in Lkw nicht positiv gegenüberstünden und die meisten Flottenmanager verschiedene Fahrzeugmarken nutzten.

145

Die Kommission durfte daher davon ausgehen, dass in Betracht gezogen werden könne, dass in erster Linie die Lkw-Hersteller und ihre Ausrüster die von der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls erfassten Telematikendgeräte entwickeln und herstellen würden.

— Ergebnis

146

Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Rüge, mit der Qualcomm einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls geltend macht, zurückzuweisen ist. Qualcomm hat nämlich nicht dargetan, dass diese Zusage es nicht erlauben würde, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission in Bezug auf die Geräte auszuräumen, die das Anbieten von Verkehrstelematikdiensten auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme ermöglichen.

Zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

147

Qualcomm hält die Beurteilung der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle durch die Kommission für offensichtlich falsch, weil diese Schnittstelle zu keiner Ersparnis führen werde; jedenfalls würde der Vorteil nicht den Wettbewerbsvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect aufwiegen.

148

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die angefochtene Entscheidung insgesamt den von der Kommission darin festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinreichend Rechnung trägt, insbesondere den wettbewerbsrechtlichen Bedenken von Qualcomm in Bezug auf die unentgeltliche Überlassung der Onboard-Units von Toll Collect.

149

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die kostenlose Abgabe der Onboard-Unit von Toll Collect eine Verpflichtung darstellt, die den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nach dem ihnen erteilten Zuschlag von der Bundesrepublik Deutschland auferlegt wurde und die die Kommission in ihrer Untersuchung des Zusammenschlusses als solche nicht in Frage stellen konnte (vgl. Randnr. 117 des vorliegenden Urteils).

150

Dieser Umstand in Verbindung damit, dass es für die Transportunternehmen zur Zeit der Beurteilung des Zusammenschlusses durch die Kommission wirtschaftlich nicht sinnvoll war, auf eigene Kosten eine zweite Onboard-Unit einzubauen, bewirkt zwar, dass die Onboard-Unit von Toll Collect eine Vorrangstellung auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme einnehmen dürfte. Wie jedoch die Kommission in ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses festgestellt hat, handelt es sich dabei nur um eine unmittelbare Folge des Zuschlags durch die Bundesrepublik Deutschland, und nicht um eine unmittelbare Folge des Zusammenschlusses.

151

Außerdem hat sich die Kommission dadurch, dass sie über die Zusage bezüglich des TGG-Gateways — die von Qualcomm im vorliegenden Fall nicht beanstandet wird — Dritten die Möglichkeit garantiert hat, zu nicht diskriminierenden Bedingungen ihre eigenen Verkehrstelematikdienste über die Onboard-Unit von Toll Collect anzubieten, die Gewissheit verschafft, dass DaimlerChrysler nicht über Toll Collect die Verkehrstelematikdienste auf dem relevanten Markt abriegeln und dominieren kann.

152

Zudem garantiert die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls in Verbindung mit der Zusage der Bundesrepublik Deutschland, dass bei ihrem Beitrag zu den Kosten des Mauterhebungsmoduls nicht diskriminiert werde, Dritten die Möglichkeit, ihre eigenen Onboard-Units mit Mauterhebung zu Wettbewerbsbedingungen anzubieten. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Unentgeltlichkeit der Onboard-Units von Toll Collect aufgrund dieser Zusage der Bundesrepublik Deutschland keinen Wettbewerbsvorteil für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen darstellt (vgl. Randnrn. 122 ff. des vorliegenden Urteils).

153

Schließlich gewährleistet die Zusage bezüglich des qualitativen Moratoriums, dass die Onboard-Unit von Toll Collect keine dominierende Plattform werden kann, bevor Dritte von der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls tatsächlich profitieren konnten.

154

Daher ist anzunehmen, dass die Kommission zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Zusagen insgesamt, d. h. in ihrer Gesamtheit, verhindern, dass der angemeldete Zusammenschluss eine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler mittels des Gemeinschaftsunternehmens Toll Collect auf dem Markt für Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland begründet.

155

Soweit Qualcomm außerdem der Ansicht ist, dass die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle zu keiner Kostenersparnis führe, ist zu bemerken, dass es in Begründungserwägung 72 der angefochtenen Entscheidung nicht heißt, dass sich diese Ersparnis von 150 bis 200 Euro pro Gerät einzig aus dem Kaufpreis der Geräte ergebe, wie Qualcomm dies als selbstverständlich voraussetzt. In ihrer Klagebeantwortung trägt die Kommission — von Qualcomm unwidersprochen — vor, dass diese Ersparnis auch die Kosten der Antenne, der Verkabelung und des Einbaus der GPS-Funktionalität umfasse, die von den Dritten, die ihr eigenes mit einer GPS-Funktionalität ausgestattetes Telematikgerät anbieten wollten, zu tragen seien. Überdies ist in Ansehung der Stellungnahmen von auf dem Markt präsenten Wirtschaftsteilnehmern im Verwaltungsverfahren davon auszugehen, dass diese von der Kommission vorgenommene Schätzung der Kostenersparnis nicht falsch ist. So hat ein Wirtschaftsteilnehmer geschätzt, dass eine GSM- und GPS-Schnittstelle es ermöglichen würde, die Kosten des Telematiksystems um ungefähr 500 Euro zu senken; ein anderer Wirtschaftsteilnehmer war der Ansicht, dass ein Telematikgerät ohne GPS- und GSM-Modul nur 500 Euro koste, und wieder ein anderer hat behauptet, dass die Kosten für das GPS- und GSM-Modul mehr als die Hälfte der Kosten der Telematikeinheit ausmachten, die in der angefochtenen Entscheidung mit einem Betrag zwischen 1000 und 2500 Euro veranschlagt werden (Begründungserwägung 62 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem gestattet nach Auffassung des Gerichts der bloße Umstand, dass Drittanbieter von Telematiksystemen über die GPS-Schnittstelle Kosten im Zusammenhang mit der Anpassung ihrer eigenen Hardware an die Onboard-Unit von Toll Collect Kosten eingehen, um diese Schnittstelle zu nutzen, nicht die Feststellung, dass die Schätzung der Kommission offensichtlich falsch wäre. Abgesehen davon, dass die Kommission den Betrag von 150 bis 200 Euro pro Gerät als eine vorsichtige Schätzung der Kostenersparnis ansieht, die sich aufgrund der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle erzielen lasse, räumt Qualcomm nämlich ein, dass die Kosten, die für die zur Nutzung der GPS-Schnittstelle erforderliche Anpassung der Hardware Dritter an die Onboard-Unit von Toll Collect entstünden, gegenwärtig nicht hinreichend genau quantifiziert werden könnten. Schließlich ist festzustellen, dass die Behauptung von Qualcomm, dass jedenfalls der Gesamtbetrag der Kosten die für eine GPS-Einheit erzielte Kostenersparnis wahrscheinlich völlig aufzehren werde, in keiner Weise untermauert wird und daher die Beurteilung der Kommission nicht in Frage stellen kann. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie angenommen hat, dass die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle für Drittanbieter von Telematiksystemen zu Einsparungen in Höhe von 150 bis 250 Euro pro Gerät führen könne.

156

Soweit Qualcomm die Ansicht vertritt, dass, auch wenn die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle zu Einsparungen in Höhe von 150 bis 250 Euro pro Gerät führe, dieser Vorteil nicht den Wettbewerbsvorteil der kostenlos abgegebenen Onboard-Units von Toll Collect aufwiegen könne, ist davon auszugehen, dass die anderen Zusagen aus den in den Randnrn. 148 ff. des vorliegenden Urteils genannten Gründen insgesamt gewährleisten, dass der Zusammenschluss nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler mittels Toll Collect auf dem deutschen Markt für Verkehrstelematiksysteme führt.

157

Soweit Qualcomm schließlich das Argument der Bundesrepublik Deutschland, dass Toll Collect nicht in der Lage sei, Telematikdienste anzubieten, weil sie dafür noch nicht die Genehmigung der Bundesrepublik Deutschland erhalten habe, für unzulässig hält, ist zu bemerken, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Hinweis darauf, dass sie das Anbieten von Verkehrstelematikdiensten über die Onboard-Unit von Toll Collect genehmigen müsse und eine derartige Genehmigung bis heute weder erteilt noch von Toll Collect beantragt worden sei, nur eine der Bedingungen nennt, die erfüllt sein müssen, damit Verkehrstelematikdienste über die in Rede stehende Onboard-Unit angeboten werden können. Ein solcher Hinweis ist nicht unzulässig.

158

Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

C — Zum zweiten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

159

Nach Ansicht von Qualcomm hat die Kommission dadurch einen Ermessensmissbrauch begangen, dass sie bei ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses allgemeinpolitische Erwägungen berücksichtigt habe. Die Kommission habe so zu Unrecht berücksichtigt, dass das System von Toll Collect eine Gelegenheit darstelle, Telematikdienste in Deutschland und Europa einzuführen, und diese Einführung nicht gebremst werden dürfe.

160

Die Kommission bestreitet, auch nur den geringsten Ermessensmissbrauch begangen zu haben.

2. Würdigung durch das Gericht

161

Nach ständiger Rechtsprechung betrifft der Begriff des Ermessensmissbrauchs den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck einsetzt als demjenigen, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest maßgeblich zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C-331/88, Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829; Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Ferriere Nord/Kommission, T-143/89, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68). Verfolgt eine Entscheidung mehrere Ziele und kommt zu den rechtmäßigen Beweggründen ein an sich zu beanstandender Grund hinzu, so ist die Entscheidung deswegen noch nicht mit Ermessensmissbrauch behaftet, sofern sie nur nicht das wesentliche Ziel preisgibt (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Dezember 1954, Italien/Hohe Behörde, 2/54, Slg. 1954, 81, 111, und Urteil EDP/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 87).

162

Qualcomm bestreitet nicht, dass die angefochtene Entscheidung keine Bezugnahme auf allgemeinpolitische Erwägungen enthält. Sie beschränkt sich darauf, dass politische Erwägungen der Billigung der letzten Zusagen durch die Kommission zugrunde gelegen hätten, und beruft sich insoweit auf die Bemerkungen des mit der Sache betrauten Leiters der Kommissionsgruppe in der Anhörung vom 20. März 2003.

163

Aus den Auszügen des Protokolls der Anhörung vom 20. März 2003 ergibt sich, dass der Vertreter der Kommission darauf Bezug genommen hat, dass die Onboard-Unit von Toll Collect wahrscheinlich eine sehr große Telematikplattform bilden und eine Durchdringung des Marktes ermöglichen werde, die größer sei als ohne diese Plattform. Im Licht dieser „eher strategischen“ Bemerkungen hat der Vertreter der Kommission die Marktteilnehmer um ihre Stellungnahmen zu den durch Toll Collect entstandenen Problemen, den Auswirkungen für den Fall, dass DaimlerChrysler keine Kontrolle über diese Plattform habe, und den Möglichkeiten eines Anschlusses höher entwickelter Geräte an diese Plattform gebeten.

164

Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die angefochtene Entscheidung und insbesondere die Zusagen zu einem anderen Zweck als dem getroffen bzw. beurteilt wurden, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme zu gewährleisten. Die Untersuchung der Auswirkungen von in einem Fusionsverfahren angebotenen Zusagen auf den Wettbewerb setzt nämlich zwangsläufig Beurteilungen der gegenwärtigen Lage und der künftigen Entwicklung des relevanten Marktes voraus. Sofern die Kommission Zusagen akzeptiert hat, die einen wirksamen Wettbewerb auf dem relevanten Markt gewährleisten, ist der Umstand, dass die Kommission Zusagen akzeptiert hat, die zu einer Entwicklung des relevanten Marktes durch eine größere Durchdringung mit Verkehrstelematiksystemen führen können, kein Beleg dafür, dass die Kommission ihr Ermessen zu einem anderen als dem Zweck ausgeübt hat, für den es ihr nach der Fusionskontrollverordnung verliehen wurde.

165

Darüber hinaus kann der Umstand, dass andere Zusagen, die nicht zu einer solchen Entwicklung des Marktes führen, ebenfalls hätten akzeptiert werden können, nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen, da die Kommission zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die in diese Entscheidung aufgenommenen Zusagen es ihr gestatteten den betreffenden Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

166

Jedenfalls zeigt der bloße Umstand, dass ein Vertreter der Kommission von dem Zusammenschluss betroffene Unternehmen befragt und dabei mögliche Entwicklungen des Marktes aufgrund der Öffnung der Toll-Collect-Plattform für Verkehrstelematikdienste erwähnt hat, nicht, dass die Kommission das Ziel verfolgt hätte, eine größere Marktdurchdringung der Telematiksysteme und -dienste in Deutschland nicht zu beeinträchtigen, geschweige denn deren Einführung nicht zu bremsen, und schon gar nicht, dass die angefochtene Entscheidung aufgrund dieses Ziels erlassen wurde.

167

Qualcomm hat somit nicht aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien dargetan, dass die angefochtene Entscheidung zu dem Zweck ergangen ist, andere Ziele als die in der Fusionskontrollverordnung genannten zu erreichen. Der zweite Klagegrund eines Ermessensmissbrauchs ist daher zurückzuweisen.

D — Zum dritten Klagegrund: Begründungsmangel

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

168

Qualcomm trägt vor, die Kommission habe gegen Art. 253 EG verstoßen, weil sie ihre Schlussfolgerung, dass die Zusagen ausreichten, um die von ihr erhobenen Einwände auszuräumen, nicht ausreichend begründet habe. Qualcomm vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T-310/01, Slg. 2002, II-4071, Randnrn. 197 und 203), die Ansicht, dass die Schlussfolgerung, zu der die Kommission gelange, durch eine eingehende Begründung zu allen Aspekten untermauert werden müsse, die sie als relevant für ihre Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb einstufe. Darüber hinaus müssten die einzelnen Schlussfolgerungen im Rahmen der allgemeinen Erwägungen eine interne Kohärenz aufweisen. Im vorliegenden Fall seien diese Erfordernisse nicht beachtet worden.

169

Als die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses ermittelt habe, ob die Toll-Collect-Plattform zur beherrschenden Plattform auf dem Markt werde und ob dies zum Verschwinden der gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Anbieter alternativer Telematiksysteme führen werde, habe sie mehrere Detailfragen geprüft (Begründungserwägungen 38 bis 56 sowie 64 und 65 der angefochtenen Entscheidung). Als die Kommission jedoch die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls untersucht habe, habe sie keine dieser Fragen geprüft.

170

So habe sich die Kommission bei der Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls in Begründungserwägung 71 der angefochtenen Entscheidung damit begnügt, ohne weitere Erläuterung zu erklären, dass diese technische Möglichkeit die Entwicklung der Onboard-Unit von Toll Collect zur beherrschenden Plattform auf dem relevanten Markt weitgehend beschränke. Das Gleiche gelte für die Behauptung der Kommission in Begründungserwägung 72 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle es Dritten ermögliche, mit den über die Onboard-Units von Toll Collect angebotenen Telematikdiensten in Wettbewerb zu treten. Diese Situation sei vergleichbar mit derjenigen, die der Gerichtshof in der Rechtssache untersucht habe, in der das Urteil vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica (C-76/00 P, Slg. 2003, I-79, Randnr. 87), ergangen sei. In dieser Rechtssache habe der Gerichtshof einen Begründungsmangel aufgrund einer rein kategorischen Behauptung festgestellt, die jede Erläuterung ausgeschlossen habe, aus der die Betroffenen und der Gemeinschaftsrichter hätten schließen können, welche Gründe zu den betreffenden Erwägungen geführt hätten.

171

Außerdem seien die Erwägungen der Kommission nicht kohärent. In den Begründungserwägungen 62 und 63 der angefochtenen Entscheidung sei die Kommission nämlich davon ausgegangen, dass der Preisvorteil der Onboard-Unit von Toll Collect zwischen 1000 und 2500 Euro betrage, und sie habe erklärt, dass die Transportunternehmen nicht für alternative Telematiksysteme bezahlen würden, wenn sie Telematikdienste über die Onboard-Units von Toll Collect erhalten könnten. Bei der Prüfung der Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle habe die Kommission jedoch erklärt, dass eine Kostenersparnis von 150 bis 200 Euro pro Gerät ausreiche, damit die von Dritten angebotenen Telematiksysteme mit den Onboard-Units von Toll Collect in Wettbewerb treten könnten. Selbst wenn mit der Onboard-Unit von Toll Collect eine Ersparnis von 150 bis 200 Euro erzielbar wäre, bliebe der Vorteil der kostenlosen Onboard-Unit von Toll Collect dennoch „überwältigend“.

172

In ihrer Erwiderung führt Qualcomm aus, dass die Lesart der Kommission, wonach die Zusagen nur darauf abzielten, die Dominanz der Onboard-Unit von Toll Collect einzuschränken, die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar kohärenter mache; die Begründung sei dann aber auf falsche Kriterien gestützt. Aufgrund dessen befinde sich Qualcomm in Bezug auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung in einem Dilemma: Die Begründung sei entweder kohärent, in welchem Fall sie auf ein falsches rechtliches Kriterium gestützt sei, oder sie sei auf das zutreffende rechtliche Kriterium gestützt, aber offensichtlich widersprüchlich.

173

Die Kommission ist im Wesentlichen der Ansicht, die angefochtene Entscheidung sei hinreichend begründet und frei von Widersprüchen, da darin nur behauptet werde, dass die Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle und die Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls die beherrschende Stellung von DaimlerChrysler einschränkten.

2. Würdigung durch das Gericht

174

Die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63, und Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Randnr. 4725). Die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, ist entsprechend der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er ergangen ist, zu beurteilen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. April 1997, Irish Farmers Association u. a., C-22/94, Slg. 1997, I-1809, Randnr. 39).

175

Folglich stellt der Vorwurf einer fehlenden oder unzureichenden Begründung einen Klagegrund dar, mit dem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend gemacht wird; als solcher ist er von dem im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung einer Entscheidung zu untersuchenden Klagegrund zu unterscheiden, mit dem die Fehlerhaftigkeit ihrer Gründe gerügt wird (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Gruber + Weber/Kommission, T-310/94, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 41, und BPB de Eendracht/Kommission, T-311/94, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 66).

176

Im vorliegenden Fall ist bei der Lektüre der Begründungserwägungen 69 ff. der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die Überlegungen der Kommission darin klar und eindeutig zum Ausdruck kommen.

177

Die Kommission legt nämlich in diesen Begründungserwägungen für jede einzelne Zusage deren Inhalt sowie deren Auswirkungen auf Toll Collect und/oder die über Toll Collect angebotenen Verkehrstelematikdienste dar. Außerdem ist die Kommission, nachdem sie die Zusagen insgesamt betrachtet hatte, zu dem Schluss gelangt, dass sie ausreichten, um die Begründung einer beherrschenden Stellung von DaimlerChrysler mittels Toll Collect auf dem Markt für Verkehrstelematiksysteme in Deutschland auszuschließen.

178

Wie sich aus den Randnrn. 119 ff. des vorliegenden Urteils ergibt, haben diese Begründungserwägungen es dem Gericht ermöglicht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen, nachdem Qualcomm ihre sachliche Berechtigung in Frage gestellt hatte. Es kann daher nicht angenommen werden, dass sich die Kommission auf kategorische Erklärungen beschränkt habe oder die von Qualcomm aufgezeigten Widersprüche geeignet waren, zu einem Begründungsmangel zu führen. Qualcomm räumt im Übrigen in ihrer Erwiderung selbst ein, dass die Begründung der Kommission nicht inkohärent sei, wenn die Zusagen bezüglich der GPS-Schnittstelle und des Mauterhebungsmoduls lediglich darauf abzielten, die Dominanz der Toll-Collect-Plattform einzuschränken.

179

Soweit sich Qualcomm schließlich auf die Randnrn. 197 und 203 des Urteils Schneider Electric/Kommission (oben angeführt in Randnr. 168) sowie auf ein fehlendes Verständnis oder Widersprüche in den Überlegungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung beruft, ist festzustellen, dass sich diese Gesichtspunkte auf die Fehlerhaftigkeit der in der angefochtenen Entscheidung der Kommission angeführten Gründe beziehen, was unter die Beurteilung des Inhalts dieser Entscheidung und nicht ihrer Begründung fällt (vgl. zur inhaltlichen Prüfung der Entscheidung Randnrn. 86 ff. des vorliegenden Urteils).

180

Daraus folgt, dass der Klagegrund eines Begründungsmangels als unbegründet zurückzuweisen ist.

181

Nach alledem ist die von Qualcomm erhobene Klage abzuweisen.

Kosten

182

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

183

Da Qualcomm unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

184

Deutsche Telekom, Daimler und Daimler Financial Services tragen ihre eigenen Kosten, da sie sich nur den Anträgen der Kommission angeschlossen, aber nicht ausdrücklich beantragt haben, ihre eigenen Kosten Qualcomm aufzuerlegen.

185

Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt daher ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Qualcomm Wireless Business Solutions Europe BV trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission.

 

3.

Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

 

4.

Die Deutsche Telekom AG, die Daimler AG und die Daimler Financial Services AG tragen ihre eigenen Kosten.

 

Azizi

Cremona

Frimodt Nielsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Juni 2009.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

Rechtlicher Rahmen

 

Sachverhalt

 

Verfahren

 

Anträge der Verfahrensbeteiligten

 

Entscheidungsgründe

 

I — Zur Zulässigkeit

 

A — Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

 

1. Vorbringen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland

 

a) Zur Mitteilung der angefochtenen Entscheidung

 

b) Zur Kenntnisnahme

 

2. Vorbringen von Qualcomm

 

B — Würdigung durch das Gericht

 

1. Vorbemerkungen

 

2. Zur Veröffentlichung oder Mitteilung der angefochtenen Entscheidung

 

3. Zur Kenntnisnahme von der angefochtenen Entscheidung

 

4. Ergebnis

 

II — Zur Begründetheit

 

A — Einleitung

 

B — Zum ersten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler, unzutreffende Sachverhaltsfeststellung und widersprüchliche Argumentation hinsichtlich der Geeignetheit der Zusagen zur Behebung der Wettbewerbsprobleme auf dem relevanten Markt

 

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

 

a) Vorbringen von Qualcomm

 

— Einleitung

 

— Zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

 

— Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls

 

— Zur fehlenden Stichhaltigkeit des Vorbringens der Kommission im gerichtlichen Verfahren

 

b) Vorbringen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland

 

2. Würdigung durch das Gericht

 

a) Einleitung

 

b) Grundsätzliche Erwägungen

 

c) Prüfung des Zusammenschlusses und der Zusagen durch die Kommission

 

d) Zum Kriterium für die Beurteilung der Zusagen

 

e) Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls und zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

 

Einleitung

 

Zur Zusage bezüglich des Mauterhebungsmoduls

 

— Einleitung

 

— Zum Vorteil, den die Unentgeltlichkeit der Onboard-Unit von Toll Collect bedeutet

 

— Zu den zusätzlichen Kosten

 

— Zur Entwicklung von Telematikendgeräten mit integrierter Mautfunktionalität durch die Lkw-Hersteller

 

— Ergebnis

 

Zur Zusage bezüglich der GPS-Schnittstelle

 

C — Zum zweiten Klagegrund: Ermessensmissbrauch

 

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

 

2. Würdigung durch das Gericht

 

D — Zum dritten Klagegrund: Begründungsmangel

 

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

 

2. Würdigung durch das Gericht

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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