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Document 62003TJ0141

Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. April 2005.
Sniace, SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfe - Beteiligungsdarlehen - Rechtsschutzinteresse - Unzulässigkeit.
Rechtssache T-141/03.

Sammlung der Rechtsprechung 2005 II-01197

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2005:129

Rechtssache T‑141/03

Sniace SA

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfe – Beteiligungsdarlehen – Rechtsschutzinteresse – Unzulässigkeit“

Urteil des Gerichts (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. April 2005 

Leitsätze des Urteils

1.     Verfahren – Zulässigkeit – Keine Verpflichtung des Beklagten, die Zulässigkeit mit besonderem Schriftsatz zu bestreiten – Möglichkeit, sich in seiner Klagebeantwortung darauf zu beschränken, ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit zu äußern

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 113 und 114 § 1)

2.     Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Erfordernis eines bestehenden und gegenwärtigen Interesses – Beurteilung zum Zeitpunkt der Klageerhebung – Interesse, das sich auf zukünftige und ungewisse Situationen bezieht – Ausschluss

(Artikel 87 Absatz 1 EG, 88 Absatz 3 EG und 234 EG)

1.     Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts verpflichtet eine Partei, die die Zulässigkeit einer Klage bestreiten möchte, nicht, dies mit besonderem Schriftsatz zu tun. Ein Beklagter kann sich ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, darauf beschränken, in seiner Klagebeantwortung vorab ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der Klage zu äußern und vom Gericht die Möglichkeit prüfen zu lassen, die Klage für unzulässig zu erklären. Gemäß Artikel 113 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht jedoch jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen, wie etwa das Rechtsschutzinteresse, fehlen.

(vgl. Randnrn. 20-22)

2.     Die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist nur insoweit zulässig, als der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist. Der Kläger muss, wenn das von ihm geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation betrifft, nachweisen, dass die Beeinträchtigung dieser Rechtssituation bereits feststeht. Er kann daher zur Rechtfertigung seines Interesses an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung keine zukünftigen und ungewissen Situationen anführen.

Somit kann sich ein Kläger, um den ihm obliegenden Nachweis zu erbringen, dass er ein bestehendes und gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse im Zusammenhang mit der Entscheidung der Kommission hat, mit der das Beteiligungsdarlehen, das ihm von einem öffentlichen Kreditinstitut gewährt worden war, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare staatliche Beihilfe eingestuft wurde, nicht darauf beschränken, rein hypothetisch geltend zu machen, dass Klagen nach Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG vor den nationalen Gerichten erhoben werden könnten, ohne zumindest vorzutragen, dass solche Klagen anhängig seien. Er kann sich auch nicht auf die Auswirkungen stützen, die die Einstufung der fraglichen Maßnahme als staatliche Beihilfe angeblich auf seine Beziehungen zu dem besagten Kreditinstitut hat, da der Umstand, dass die Kommission dieses Kreditinstitut im vorliegenden Fall als öffentliches Unternehmen angesehen hat, nicht zur Folge hat, dass der Kommission künftig alle Maßnahmen mitgeteilt werden müssen, die dieses Kreditinstitut zugunsten des Klägers ergreift.

Einem solchen Kläger würde selbst dann keineswegs jeder effektive gerichtliche Schutz in Bezug auf die Rechte versagt, die ihm aus der Gemeinschaftsrechtsordnung erwachsen, wenn noch Klagen vor den nationalen Gerichten erhoben würden. Zum einen könnte er nämlich sämtliche ihm nach dem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel geltend machen, um sich einer Rückzahlung der Beihilfe zu widersetzen. Zum anderen wäre er, wenn die direkte Klage beim Gemeinschaftsrichter für unzulässig erklärt würde, nicht daran gehindert, bei einem nationalen Gericht im Rahmen eines dort anhängigen Rechtsstreits ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG zu beantragen, um die Gültigkeit der Entscheidung überprüfen zu lassen, soweit diese feststellt, dass es sich bei der fraglichen Maßnahme um eine Beihilfe handelt.

(vgl. Randnrn. 23, 25-33, 39-41)




URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

14. April 2005(*)

„Staatliche Beihilfe – Beteiligungsdarlehen – Rechtsschutzinteresse – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑141/03

Sniace SA mit Sitz in Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigter: J. Baró Fuentes,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Santaolalla Gadea und J. Buendía Sierra, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/284/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über die staatliche Beihilfe, die Spanien zugunsten von Sniace SA gewährt hat (ABl. 2003, L 108, S. 35),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Azizi, der Richter M. Jaeger und F. Dehousse, der Richterin E. Cremona und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004

folgendes

Urteil

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

1       Die Sniace SA hat ihren Sitz in Madrid (Spanien); ihre Industrieanlagen und Verwaltungsbüros befinden sich in Torrelavega in Kantabrien (Spanien). Sie ist in der Forstwirtschaft tätig und stellt Papier, Kunstfasern und chemische Nebenprodukte her. Zwischen 1992 und 1996 hatte sie ihre Zahlungen eingestellt. Im Rahmen eines Sanierungsplans, den die Beteiligten 1996 annahmen, verhandelte sie mit ihren Gläubigern über eine Umschuldung.

2       In diesem Zusammenhang beschloss die Caja de Ahorros de Santander y Cantabria (im Folgenden: Caja Cantabria), ein Kreditinstitut ohne Erwerbszweck in der Rechtsform einer privaten Stiftung, im Januar 1998, Sniace ein Darlehen in Höhe von 12 020 242 Euro mit einer Laufzeit von acht Jahren zu gewähren.

3       Dabei handelt es sich um ein nachrangiges Beteiligungsdarlehen mit Gewinnbeteiligung, das erst bei Fälligkeit zu tilgen ist und bei dem im Konkursfall die Ansprüche der übrigen Gläubiger vorrangig und die der Aktionäre nachrangig zu befriedigen sind. Der Zinssatz besteht aus einem Festzinssatz von 2 % der Hauptsumme, der vierteljährlich zu entrichten ist, und einem variablen Zinssatz, der von den Gewinnen des Unternehmens abhängt und am Ende jedes Wirtschaftsjahres berechnet wird. Dieses Darlehen kann in Aktien oder Gewinnschuldverschreibungen umgewandelt werden, wenn die Parteien dies wünschen.

4       Aufgrund der Beschwerde eines Wettbewerbers von Sniace ersuchte die Kommission die spanischen Behörden mit Schreiben vom 13. März 1998 um Informationen zu diesem Darlehen. Da sie die erteilte Auskunft nicht für ausreichend hielt, leitete sie das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG ein und forderte die Beteiligten auf, zu der fraglichen Beihilfe Stellung zu nehmen (ABl. 2000, C 162, S. 15). Zum Abschluss dieses Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung 2003/284/EG vom 11. Dezember 2002 über die staatliche Beihilfe, die Spanien zugunsten von Sniace SA gewährt hat (ABl. 2003, L 108, S. 35, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

5       Diese Entscheidung, die an das Königreich Spanien gerichtet ist und Sniace am 14. Februar 2003 mitgeteilt wurde, bestimmt in Artikel 1:

„Die staatliche Beihilfe in Höhe von maximal 7 388 258 EUR, die Spanien zugunsten von Sniace gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.“

6       Am 14. April 2003 hat Sniace die vorliegende Klage erhoben und beantragt,

–       die Klage für zulässig zu erklären;

–       Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin ausgeführt wird, dass Spanien ihr eine staatliche Beihilfe in Höhe von maximal 7 388 258 Euro gewährt habe;

–       hilfsweise, Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung aufrechtzuerhalten, soweit darin ausgeführt wird, dass die staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei;

–       der Kommission aufzugeben, die vorbereitenden Verwaltungsdokumente, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt ist, und die anderen Verwaltungsdokumente, die die Politik der Kommission gegenüber den spanischen Sparkassen betreffen, zu den Akten zu reichen;

–       der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

7       Die Kommission hat beantragt,

–       die Klage für unzulässig zu erklären;

–       hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–       der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

8       Mit Schriftsatz, der am 7. August 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Spanien beantragt, im vorliegenden Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 15. September 2003 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

9       In seinem am 28. Oktober 2003 eingereichten Streithilfeschriftsatz hat das Königreich Spanien beantragt,

–       der Klage stattzugeben;

–       der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

 Vorbringen der Beteiligten

10     Die Kommission äußert in ihrer Klagebeantwortung ernsthafte Zweifel daran, dass die Klägerin ein unmittelbares Interesse an der Erhebung der vorliegenden Klage hat, erhebt aber keine förmliche Einrede der Unzulässigkeit.

11     Sie macht geltend, dass die Klage nach Artikel 230 EG nur gegen eine belastende Handlung erhoben werden könne. Eine Entscheidung, mit der eine Beihilfe bedingungslos genehmigt werde, könne nicht als eine solche Handlung angesehen werden. Jedenfalls habe die Klägerin keineswegs dargetan, dass die Entscheidung ihre Rechtsstellung konkret und tatsächlich beeinträchtigt habe.

12     Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Kommission, wenn auch informell, eine Einrede der Unzulässigkeit im Sinne von Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben habe. Sie beantragt, diese Einrede wegen eines Formfehlers für unzulässig zu erklären.

13     Die Kommission habe dadurch einen Fehler begangen, dass sie das fragliche Darlehen als staatliche Beihilfe bezeichnet habe. Dadurch könne ihre Rechtsstellung konkret und tatsächlich beeinträchtigt werden.

14     Die Klägerin laufe aufgrund der Gleichsetzung der Maßnahme mit einer staatlichen Beihilfe, der Feststellung, dass sie rechtswidrig durchgeführt worden sei, und der Annahme, dass sie den Wettbewerb verfälschen könne, Gefahr, dass von der Beihilfe betroffene Dritte die angefochtene Entscheidung zur Rechtmäßigkeitskontrolle dem Gemeinschaftsrichter unterbreiteten, was schließlich zu einer Entscheidung der Unvereinbarkeit oder sogar zu einer Rückzahlung der rechtswidrig erlangten Beihilfen führen könne.

15     Ein von der Beihilfe betroffener Dritter könne sogar vor den spanischen Gerichten Klage erheben, um feststellen zu lassen, dass die Darlehensgewährung wegen Verstoßes gegen Artikel 88 Absatz 3 EG nichtig sei.

16     Außerdem werde ihre Stellung gegenüber der Caja Cantabria dadurch verändert, dass die Kommission diese als öffentliches Unternehmen eingestuft habe. Dies werde sich künftig auf die Natur der Geschäftsbeziehungen mit diesem Kreditinstitut auswirken.

17     Außerdem habe sie einen tatsächlichen und bestimmten Schaden erlitten, der noch zu beziffern sei, weil das Verwaltungsverfahren mehrere Jahre gedauert habe und sie sowohl interne als auch externe personelle, finanzielle und technische Mittel habe einsetzen müssen, die grundsätzlich im Rahmen der normalen Unternehmenstätigkeit nicht vorgesehen seien.

18     Zudem habe sie durch den Verlust des Vertrauens ihrer Geschäftspartner, Aktionäre, Zulieferer und Kunden, der aufgrund der Durchführung des Verwaltungsverfahrens entstanden sei, einen immateriellen Schaden erlitten.

19     Das Königreich Spanien hat sich nicht zur Frage der Zulässigkeit der Klage geäußert.

 Würdigung durch das Gericht

20     Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission keine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung geltend gemacht hat. Artikel 114 § 1 bestimmt: „Will eine Partei vorab eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit … herbeiführen, so hat sie dies mit besonderem Schriftsatz zu beantragen …“ Die betreffende Partei ist danach also nicht verpflichtet, die Zulässigkeit mit besonderem Schriftsatz zu bestreiten.

21     Die Kommission hat sich also in ihrer Klagebeantwortung darauf beschränken können, vorab ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der Klage zu äußern und vom Gericht die Möglichkeit prüfen zu lassen, die Klage für unzulässig zu erklären. Gemäß dem in Artikel 114 der Verfahrensordnung vorgesehenen Verfahren ist es daher nicht erforderlich, sich zur Zulässigkeit oder Begründetheit einer gemäß dieser Bestimmung geltend gemachten Einrede zu äußern.

22     Gemäß Artikel 113 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht jedoch jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen, wie etwa das Rechtsschutzinteresse, fehlen.

23     Ohne die Feststellung der Vereinbarkeit im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung oder die Erklärung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens zu beanstanden, vertritt die Klägerin mit der vorliegenden Klage die Ansicht, dass die Entscheidung sie insofern belaste, als darin festgestellt werde, dass die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG sei.

24     Das Gericht hat hierzu auf dem Gebiet der Unternehmenszusammenschlüsse bereits entschieden, dass allein die Tatsache, dass die angefochtene Entscheidung einen Unternehmenszusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt und somit für die daran Beteiligten grundsätzlich keine Beschwerde darstellt, das Gericht nicht von der Prüfung befreit, ob die bestrittenen Feststellungen verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen dieser Beteiligten beeinträchtigen (Urteil des Gerichts vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T‑125/97 und T‑127/97, Coca‑Cola/Kommission, Slg. 2000, II‑1733, Randnr. 79).

25     Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der vorliegenden Klage ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur insoweit zulässig ist, als der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat (Urteile des Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T‑480/93 und T‑483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II‑2305, Randnr. 59, vom 25. März 1999 in der Rechtssache T‑102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, II‑753, Randnr. 40, und vom 30. Januar 2002 in der Rechtssache T‑212/00, Nuove Industrie Molisane/Kommission, Slg. 2002, II‑347, Randnr. 33). Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln (Urteil des Gerichts vom 17. September 1992 in der Rechtssache T‑138/89, NBV und NVB/Kommission, Slg. 1992, II‑2181, Randnr. 33), wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1963 in der Rechtssache 14/63, Forges de Clabecq/Hohe Behörde, Slg. 1963, 769, 799, und des Gerichts vom 24. April 2001 in der Rechtssache T‑159/98, Torre u. a./Kommission, Slg. ÖD 2001, I‑A-83 und II‑395, Randnr. 28).

26     Außerdem muss der Kläger, wenn das von ihm geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation betrifft, nachweisen, dass die Beeinträchtigung dieser Rechtssituation bereits feststeht. Er kann daher zur Rechtfertigung seines Interesses an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung keine zukünftigen und ungewissen Situationen anführen (Urteil NBV und NVB/Kommission, Randnr. 33).

27     Die Klägerin hat nicht dargetan, dass sie am Tag der Klageerhebung ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hatte, denn durch diese wird die fragliche Maßnahme ohne Bedingung oder zeitliche Beschränkung zu ihren Gunsten genehmigt.

28     Erstens hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Gefahr von Klageerhebungen im vorliegenden Fall bestehend und gegenwärtig im Sinne der Rechtsprechung wäre.

29     Zwar wurde das Prüfverfahren der Kommission durch eine Beschwerde eines Wettbewerbers der Klägerin in Gang gesetzt, ohne dass die spanische Regierung eine Anmeldung vorgenommen hatte. Dritte wie der Wettbewerber von Sniace, der sich bei der Kommission beschwert hat, hätten sich daher vor den nationalen Gerichten auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG berufen können, um den betreffenden Mitgliedstaat zur Rückforderung der rechtswidrig gewährten Beihilfe zu zwingen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C‑354/90, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u. a., Slg. 1991, I‑5505, Randnrn. 14 bis 17).

30     Die Klägerin hat jedoch nicht behauptet, dass Klagen nach Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG vor den spanischen Gerichten anhängig seien. Sie hat sich in ihren Schriftsätzen darauf beschränkt, rein hypothetisch geltend zu machen, dass solche Klagen erhoben werden könnten.

31     In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass gemäß der Rechtsprechung die Klägerin selbst ihr Rechtsschutzinteresse, das die wesentliche Grundvoraussetzung für jede Klage darstellt, nachweisen muss (Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichtshofes vom 31. Juli 1989 in der Rechtssache C‑206/89 R, S./Kommission, Slg. 1989, 2841, Randnr. 8).

32     Zweitens sind die angeblichen Folgen der Einstufung als staatliche Beihilfe für die Beziehungen zwischen der Klägerin und dem fraglichen Kreditinstitut künftig, hypothetisch und ungewiss.

33     Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Tatsache, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Caja Cantabria als staatliches Unternehmen angesehen hat, nicht zur Folge, dass der Kommission künftig alle Maßnahmen mitgeteilt werden müssen, die dieses Kreditinstitut zugunsten der Klägerin ergreift.

34     Zum einen stellen nicht zwangsläufig alle Vorteile, die von einem öffentlichen Unternehmen gewährt werden, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG dar.

35     Zum anderen könnte sich die Kommission für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der möglicherweise künftig von der Caja Cantabria ergriffenen Maßnahmen keinesfalls allein auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung stützen. Sie müsste eine neue Würdigung anhand der Umstände vornehmen, die zum Zeitpunkt der abschließenden Prüfung vorlägen.

36     Zudem betrifft die den Mitgliedstaaten obliegende Anmeldeverpflichtung die staatlichen Beihilfen. Daher ist es Sache der Mitgliedstaaten, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt, und entsprechend zu handeln. Die Voraussetzungen dafür, dass die Anmeldung einer bestimmten durch ein bestimmtes öffentliches Unternehmen getroffenen Maßnahme zur Pflicht werden kann, können sich ändern. Durch jede nachträgliche Satzungsänderung des betreffenden öffentlichen Unternehmens, mit der es diese Eigenschaft verlöre, könnte sich die Beurteilung der getroffenen Maßnahmen verändern und so die Pflicht, diese der Kommission mitzuteilen, entfallen.

37     Die Klägerin macht also zu Unrecht geltend, dass sich ihre Stellung gegenüber der Caja Cantabria dadurch verändere, dass diese als öffentliches Unternehmen angesehen werde, und dass sich dies künftig auf die Natur ihrer Geschäftsbeziehungen mit der Caja Cantabria auswirken werde.

38     Schließlich kann weder der finanzielle noch der immaterielle Schaden, der nach Ansicht der Klägerin durch die Durchführung des Verwaltungsverfahrens entstanden ist, auf die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Einstufung als staatliche Beihilfe zurückgeführt werden.

39     Die Klägerin beruft sich zutreffend auf ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Die Europäische Gemeinschaft ist eine Rechtsgemeinschaft, in der die Handlungen ihrer Organe der Kontrolle daraufhin unterliegen, ob sie mit dem EG-Vertrag und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, zu denen auch die Grundrechte gehören, vereinbar sind. Die Einzelnen müssen daher einen effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte in Anspruch nehmen können, die sie aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleiten, wobei das Recht auf einen solchen Schutz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben. Dieses Recht ist auch in den Artikeln 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 18, vom 27. November 2001 in der Rechtssache C‑424/99, Kommission/Österreich, Slg. 2001, I‑9285, Randnr. 45, und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C‑50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I‑6677, Randnrn. 38 und 39).

40     Jedoch ist zu betonen, dass der Klägerin selbst dann keineswegs jeder effektive gerichtliche Rechtsschutz versagt würde, wenn trotz des Zeitablaufs seit Erlass der angefochtenen Entscheidung und der in dieser Entscheidung enthaltenen Feststellung der Vereinbarkeit noch Klagen vor den nationalen Gerichten erhoben würden. Zum einen könnte sie sämtliche ihr nach dem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Verteidigungsmittel geltend machen, um sich einer Rückzahlung der Beihilfe zu widersetzen. Zum anderen wäre sie, wenn die vorliegende Klage für unzulässig erklärt würde, nicht daran gehindert, beim nationalen Gericht im Rahmen eines dort anhängigen Rechtsstreits ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG zu beantragen, um die Gültigkeit der Entscheidung überprüfen zu lassen, soweit sie feststellt, dass es sich bei der fraglichen Maßnahme um eine Beihilfe handelt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1994 in der Rechtssache C‑188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I‑833, Randnrn. 17 und 18; vgl. für Handlungen mit allgemeiner Geltung Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, angeführt in Randnr. 39, Randnr. 40, und Urteil des Gerichtshofes vom 1. April 2004 in der Rechtssache C‑263/02 P, Kommission/Jégo-Quéré, Slg. 2004, I‑3425, Randnrn. 30 bis 35).

41     Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie ein bestehendes und gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse hat. Daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

42     Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

43     Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3.      Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Azizi

Jaeger

Dehousse

Cremona

 

       Czúcz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. April 2005.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

H. Jung

 

       J. Azizi


* Verfahrenssprache: Spanisch.

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