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Document 62002TJ0269

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 21. April 2005.
PepsiCo, Inc. gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke RUFFLES - Ältere nationale Marke RIFFELS - Noch ältere nationale Marke RUFFLES - Koexistenz und Gleichwertigkeit von nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken.
Rechtssache T-269/02.

Sammlung der Rechtsprechung 2005 II-01341

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2005:138

Rechtssache T-269/02

PepsiCo, Inc.

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke RUFFLES – Ältere nationale Marke RIFFELS – Noch ältere nationale Marke RUFFLES – Koexistenz und Gleichwertigkeit von nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken“

Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 21. April 2005 

Leitsätze des Urteils

Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Markenanmelder, der Inhaber einer nationalen Marke ist, die mit der angemeldeten Marke identisch und älter ist als die nationale Widerspruchsmarke – Auswirkungen

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Artikel 8)

In einem Verfahren nach den Artikeln 42 ff. der Verordnung Nr. 40/94 aufgrund eines Widerspruchs gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke reicht es für eine Zurückweisung des Widerspruchs nicht aus, dass der Anmelder der Gemeinschaftsmarke Inhaber einer nationalen Marke ist, die mit der angemeldeten Gemeinschaftsmarke identisch und älter ist als die nationale Widerspruchsmarke. Der Anmelder muss darüber hinaus beweisen, dass er die Nichtigerklärung der nationalen Widerspruchsmarke durch die zuständigen nationalen Stellen erreicht hat.

Die Gültigkeit einer nationalen Marke kann nämlich nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden. Außerdem hat das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zwar auf der Grundlage von Beweisen, die der Widersprechende vorlegen muss, das Bestehen der für den Widerspruch angeführten nationalen Marke zu überprüfen, nicht aber einen Konflikt zwischen dieser Marke und einer anderen Marke auf nationaler Ebene zu entscheiden; die Entscheidung darüber fällt in die Zuständigkeit der nationalen Stellen.

(vgl. Randnrn. 25-26)




URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

21. April 2005(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke RUFFLES – Ältere nationale Marke RIFFELS – Noch ältere nationale Marke RUFFLES – Koexistenz und Gleichwertigkeit von nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken“

In der Rechtssache T‑269/02

PepsiCo, Inc., mit Sitz in Purchase, New York (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigter: E. Armijo Chávarri, Rechtsanwalt,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch J. Novais Gonçalves und J. Crespo Carrillo, sodann durch A. von Mühlendahl und J. Novais Gonçalves als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Intersnack Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG, vormals Convent Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG, mit Sitz in Köln (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: M. Schaeffer, Rechtsanwalt,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 10. Juni 2002 (Sache R 114/2000‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der PepsiCo, Inc., und der Intersnack Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. Šváby,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1       Am 1. April 1996 reichte die PepsiCo, Inc., beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM, im Folgenden: Amt) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke ein.

2       Die Eintragung wurde für das Wortzeichen RUFFLES beantragt.

3       Die Waren, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, gehören zu den Klassen 29 und 30 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner revidierten und geänderten Fassung und entsprechen für die beiden Klassen jeweils folgender Beschreibung:

–       Klasse 29: „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren; Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette“;

–       Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis“.

4       Am 22. Dezember 1997 wurde die Markenanmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.

5       Am 23. März 1998 erhob die Streithelferin, die Intersnack Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG (früher Convent Knabber-Gebäck GmbH & Co. KG) nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke.

6       Der Widerspruch wurde damit begründet, es bestehe Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zwischen der angemeldeten Marke, soweit damit die Waren „getrocknetes Gemüse“ (Klasse 29) und „Getreidepräparate, feine Backwaren und Konditorwaren“ (Klasse 30) beansprucht würden, und der älteren nationalen Marke RIFFELS, die die Streithelferin in Deutschland habe eintragen lassen, soweit mit dieser älteren Marke „Kartoffelchips“ beansprucht würden.

7       Mit Entscheidung vom 23. November 1999 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch in Bezug auf „getrocknetes Gemüse“ und „feine Backwaren und Konditorwaren“ statt, da angesichts der teilweisen Ähnlichkeit und Identität der mit den einander gegenüberstehenden Zeichen beanspruchten Waren und der Ähnlichkeit dieser Zeichen Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken bestehe. Dagegen wies sie den Widerspruch in Bezug auf „Getreidepräparate“ zurück.

8       Am 24. Januar 2000 legte die Klägerin gemäß Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 beim Amt Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. Am 23. Juni 2000 reichte sie einen Schriftsatz ein, in dem sie die Beschwerde begründete.

9       Am 2. Mai 2001 reichte die Streithelferin ihre Stellungnahme zur Beschwerde der Klägerin ein, die dieser mit Schreiben des Amtes vom 4. Mai 2001 zur Kenntnisnahme zugestellt wurde.

10     Mit Schreiben vom 13. Juni 2001 beantragte die Klägerin, die Beschwerdekammer möge sie nach Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 zu einer erneuten Stellungnahme auffordern.

11     Mit Schreiben vom 27. Juni 2001 wies die Beschwerdekammer diesen Antrag zurück.

12     Mit Entscheidung vom 10. Juni 2002, die der Klägerin am 24. Juni 2002 zugestellt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), wies die Erste Beschwerdekammer des Amtes die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer war nach der Feststellung, dass die Beschwerde allein auf das Vorbringen gestützt werde, dass die Klägerin in Deutschland Inhaberin eines Rechts sei, das älter als das der Streithelferin sei, der Auffassung, dass die Entscheidung der Widerspruchsabteilung mit diesem Vorbringen nicht in Frage gestellt werden könne. Denn diese frühere nationale Eintragung sei für den Ausgang des Widerspruchsverfahrens unerheblich, und die Klägerin habe sie jedenfalls nicht nachgewiesen (Randnrn. 17 bis 21 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

13     Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 2. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

14     Am 23. und am 31. Januar 2003 haben die Streithelferin und das Amt ihre Klagebeantwortungen eingereicht. Am 27. Januar 2003 hat die Streithelferin bestimmte Schriftstücke zur Vervollständigung ihrer Klagebeantwortung eingereicht.

15     Mit Schreiben vom 5. März 2003 hat die Klägerin beantragt, das Gericht möge ihr gestatten, nach Artikel 135 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Erwiderung einzureichen, und über einen von ihr angeblich zuvor gestellten Antrag betreffend die Erstellung eines Gutachtens der deutschen Rechtsanwaltskanzlei Lovells zu der von ihr beanspruchten deutschen Marke entscheiden.

16     Mit Schreiben vom 22. April 2004 hat das Gericht diese beiden Anträge zurückgewiesen und in Bezug auf den zweiten Antrag darauf hingewiesen, dass es der Klägerin obliege, unter den Bedingungen und innerhalb der Fristen, die in der Verfahrensordnung vorgegeben seien, die Beweise vorzulegen, auf die sie sich berufen wolle.

17     Mit Schreiben vom 30. April 2004 hat die Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts ein Gutachten der Kanzlei Lovells vom selben Tag eingereicht, das zu den Akten genommen worden ist.

18     Die Klägerin beantragt,

–       die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–       dem Amt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19     Das Amt beantragt,

–       die Klage abzuweisen;

–       der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzulegen.

20     Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

 Entscheidungsgründe

21     Die Klägerin macht drei Aufhebungsgründe geltend. Im Rahmen des ersten, auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte gestützten Grundes wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, ihr nicht ermöglicht zu haben, das Bestehen ihrer älteren deutschen Marke RUFFLES zu beweisen. Im Rahmen des zweiten, auf einen Verstoß gegen den Dispositionsgrundsatz gestützten Aufhebungsgrundes wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, diese Marke nicht berücksichtigt zu haben, obwohl deren Bestehen angesichts der vorgelegten Beweiselemente und des Umstands, dass die Streithelferin sie nicht bestritten habe, im Streitverfahren vor dem Amt festgestanden habe. Im Rahmen des dritten, auf einen Verstoß gegen die Koexistenz und die Gleichwertigkeit von Gemeinschaftsmarken und nationalen Marken gestützten Aufhebungsgrundes trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das bloße Bestehen ihrer älteren deutschen Marke RUFFLES hätte zur Zurückweisung des Widerspruchs führen müssen.

22     Es steht fest, dass die Klägerin vor dem Amt dem Widerspruch allein mit der Berufung auf das Bestehen der deutschen Marke RUFFLES entgegengetreten ist, deren Inhaberin sie sei und die älter als die der Streithelferin sei. Ihrer Ansicht nach hätte allein das Bestehen dieser Marke die Zurückweisung des Widerspruchs gerechtfertigt.

23     Die Klägerin hat sich damit zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor dem Amt auf die Benutzung dieser behaupteten Marke berufen, um eine tatsächliche Koexistenz dieser Marke und der der Streithelferin nachzuweisen, die im Rahmen der vom Amt in Anwendung der Verordnung Nr. 40/94 autonom vorgenommenen Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Gemeinschaftsmarke und der Marke der Streithelferin hätte erheblich sein können.

24     Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen und noch weniger bewiesen, dass sie aufgrund ihrer älteren deutschen Marke vor den zuständigen nationalen Stellen die Nichtigerklärung der Marke der Streithelferin erreicht oder auch nur ein entsprechendes Verfahren angestrengt hätte.

25     In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass sich eine Zurückweisung des Widerspruchs jedenfalls nicht allein auf das Bestehen der behaupteten älteren deutschen Marke der Klägerin – auch unabhängig von der Frage, ob sie diese vor dem Amt nachgewiesen hat – hätte stützen lassen. Die Klägerin hätte zudem beweisen müssen, dass sie die Nichtigerklärung der Marke der Streithelferin durch die zuständigen nationalen Stellen erreicht hat.

26     Die Gültigkeit einer nationalen Marke, hier die der Streithelferin, kann nämlich nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T‑6/01, Matratzen Concord/HABM − Hukla Germany [MATRATZEN], Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 55). Außerdem hat das Amt zwar auf der Grundlage von Beweisen, die der Widersprechende vorlegen muss, das Bestehen der für den Widerspruch angeführten nationalen Marke zu überprüfen, nicht aber einen Konflikt zwischen dieser Marke und einer anderen Marke auf nationaler Ebene zu entscheiden; die Entscheidung darüber fällt in die Zuständigkeit der nationalen Stellen.

27     Deshalb konnte die Beschwerdekammer in Randnummer 17 der angefochtenen Entscheidung ausführen, dass „der Umstand, dass in einem Mitgliedstaat eine nationale Eintragung … vor einer anderen erfolgte, sich nicht auf das Widerspruchsverfahren vor dem Amt auswirkt, da nicht nachgewiesen wurde, dass die Anmelderin [der Gemeinschaftsmarke] eine Klage auf Nichtigerklärung der Eintragung für die Widersprechende erhoben hat“.

28     Entgegen dem Vorbringen der Klägerin liegt nichts Absurdes oder Anormales darin, dass das Amt einem auf eine ältere nationale Marke gestützten Widerspruch stattgibt, auch wenn sich der Anmelder der Gemeinschaftsmarke auf eine noch ältere nationale Marke beruft, sofern die Gültigkeit der Marke des Widersprechenden vor den zuständigen nationalen Stellen nicht angegriffen wird. Mit dieser Entscheidung wird vielmehr die Kompetenzverteilung zwischen dem Amt und den genannten nationalen Stellen beachtet.

29     Die Klägerin trägt weitere Argumente vor. Zum einen führe die Position des Amtes zu der absurden Situation, dass die Zurückweisung ihrer Anmeldung der Gemeinschaftsmarke RUFFLES einer Umformung dieser Anmeldung in eine nationale Markenanmeldung nur in Deutschland entgegenstehe, dem Land, in dem eine Eintragung für die Klägerin vorliege, die ihr die Vermarktung der fraglichen Waren unter dieser Marke erlaube. Zum anderen sei es anormal, dass der Klägerin der mit der Gemeinschaftsmarke verbundene Schutz vorenthalten werde, wenn sie diesen Schutz in der Praxis über nationale Eintragungen erreichen könne. Diese beiden Argumente beruhen auf der nicht nachgewiesenen Prämisse, dass der Klägerin tatsächlich das Recht zusteht, ihre Waren in Deutschland unter der Marke RUFFLES zu vermarkten. Es steht nämlich keineswegs fest, dass die Streithelferin nicht aufgrund ihrer Marke RIFFELS in der Lage wäre, dieses Recht anzugreifen.

30     Was die Bezugnahme der Klägerin auf die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes vom 12. September 2000 (Sache R 415/1999‑1) zu einem Widerspruchsverfahren anbelangt, so ist darauf zu verweisen, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern nur nach der Verordnung Nr. 40/94, so wie sie vom Gemeinschaftsrichter ausgelegt worden ist, und nicht nach einer früheren Entscheidungspraxis dieser Kammern zu beurteilen ist (Urteile des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T‑106/00, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], Slg. 2002, II‑723, Randnr. 66, und vom 9. Oktober 2002 in der Rechtssache T‑36/01, Glaverbel/HABM [Oberfläche einer Glasplatte], Slg. 2002, II‑3887, Randnr. 35). Diese Bezugnahme ist daher ohne Bedeutung. Jedenfalls betrifft sie eine ganz andere als die hier in Rede stehende Fallgestaltung. Denn in der Sache R 415/1999‑1 hatte die Anmelderin der Gemeinschaftsmarke sich keineswegs wie im vorliegenden Fall auf die bloße Existenz des Rechts an einer älteren nationalen Marke berufen, sondern dieses Recht sowie seine tatsächliche und konfliktfreie Koexistenz mit dem Markenrecht des Widersprechenden im Gebiet des Mitgliedstaats bewiesen. Vor allem aus diesem Grund hat die Beschwerdekammer eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen (Randnr. 22 der genannten Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes vom 12. September 2000). Es wäre in diesem Kontext tatsächlich problematisch gewesen, dem Widerspruch stattzugeben und damit den gemeinschaftsrechtlichen Schutz zu versagen, obwohl die Markenanmelderin in der Lage war, denselben Schutz im Gebiet der Europäischen Union über nationale Anmeldungen zu erlangen (vgl. Randnr. 21 dieser Entscheidung, vorletzter Satz). Der vorliegende Fall liegt völlig anders, denn hier steht angesichts der Unsicherheit über die Effektivität des von der Klägerin beanspruchten deutschen Markenrechts nicht fest, dass sie über nationale Eintragungen einen ebenso umfangreichen Schutz wie mit einer Eintragung auf Gemeinschaftsebene erlangen konnte.

31     Schließlich ist Artikel 106 der Verordnung Nr. 40/94 entgegen dem Vorbringen der Klägerin im vorliegenden Fall nicht analog anwendbar. Denn diese Bestimmung betrifft das nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten bestehende Recht, vor nationalen Stellen Ansprüche wegen Verletzung älterer Rechte gegenüber der Benutzung einer jüngeren Gemeinschaftsmarke geltend zu machen. Im vorliegenden Fall geht es der Klägerin aber nicht darum, der Benutzung einer Gemeinschaftsmarke in Deutschland unter Verletzung eines älteren Rechts vor den zuständigen deutschen Stellen zu widersprechen, sondern darum, die Effektivität einer deutschen Marke, nämlich der der Widerspruchsführerin, vor dem Amt in Frage zu stellen. Es besteht daher keine Analogie zwischen dem vorliegenden und dem in Artikel 106 der Verordnung Nr. 40/94 geregelten Sachverhalt. Außerdem haben über die in Frage gestellte Effektivität, wie bereits ausgeführt, ausschließlich deutsche Stellen nach deutschem Recht zu befinden.

32     Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der dritte Aufhebungsgrund, der auf der Erwägung beruht, dass die Beschwerdekammer gegen die Grundsätze der Koexistenz und der Gleichwertigkeit von nationalen Marken und Gemeinschaftsmarken verstoßen habe, zurückzuweisen ist.

33     Was den ersten und den zweiten Aufhebungsgrund hinsichtlich einer Verletzung der Verteidigungsrechte und eines Verstoßes gegen den Dispositionsgrundsatz anbelangt, so ist darauf zu verweisen, dass die Klägerin dem Amt damit – im Übrigen in widersprüchlicher Weise – gleichzeitig vorwirft, es habe sie nicht in die Lage versetzt, das Bestehen ihrer älteren deutschen Marke zu beweisen, und es habe diese Marke, deren Bestehen in dem Streitverfahren vor dem Amt festgestanden habe, nicht berücksichtigt. Festzustellen ist jedoch, dass keiner dieser beiden Aufhebungsgründe, auch wenn er begründet wäre, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen könnte. Eine Zurückweisung des Widerspruchs ließe sich nämlich, wie oben dargelegt wurde und wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen in Randnummer 17 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, nicht allein auf das Bestehen der von der Klägerin beanspruchten deutschen Marke stützen, d. h. ohne den zusätzlichen Nachweis, dass die Widerspruchsmarke für nichtig erklärt wurde. Es steht aber fest, dass sich die Klägerin vor dem Amt nur auf die bloße Existenz ihrer angeblichen deutschen Marke berufen hat.

34     Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der erste und der zweite Aufhebungsgrund nicht geeignet sind, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen.

35     Was schließlich die von der Klägerin beim Gericht vorgelegte Bescheinigung über die Eintragung der älteren deutschen Marke der Klägerin und das ebenfalls vorgelegte Gutachten der deutschen Rechtsanwaltskanzlei Lovells über die Effektivität dieser Marke im Verhältnis zu der der Streithelferin betrifft, so ist die Vorlage dieser beiden Schriftstücke unzulässig. Denn nach ständiger Rechtsprechung dient die beim Gericht erhobene Klage der Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern im Sinne von Artikel 63 der Verordnung Nr. 40/94. Tatsachen, die vor dem Gericht geltend gemacht werden, ohne dass sie vorher den Dienststellen des Amtes zur Kenntnis gebracht worden sind, können jedoch die Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung nur berühren, wenn das Amt sie von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen. Insoweit ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Satz 2 dieser Verordnung, wonach das Amt in einem Verfahren betreffend relative Eintragungshindernisse bei der Sachverhaltsermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt ist, dass es nicht verpflichtet ist, von Amts wegen Tatsachen zu berücksichtigen, die von den Beteiligten nicht vorgetragen worden sind. Solche Tatsachen können demnach die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Beschwerdekammer nicht in Frage stellen (zuletzt Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2004 in der Rechtssache T‑115/03, Samar/HABM – Grotto [GAS STATION], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 13).

36     Nach alledem ist die vorliegende Klage abzuweisen.

 Kosten

37     Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag des Amtes dessen Kosten aufzuerlegen.

38     Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Streithelferin, da sie keinen Kostenantrag gestellt hat, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle).

3.      Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Vilaras

Dehousse

Šváby

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. April 2005.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

H. Jung

 

      M. Vilaras


* Verfahrenssprache: Englisch.

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