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Document 61993TO0012(01)
Order of the President of the Court of First Instance of 6 July 1993. # Comité Central d'Entreprise de la SA Vittel and Comité d'Etablissement de Pierval v Commission of the European Communities. # Competition - Procedure for interim measures - Suspension of operation - Interim measures. # Case T-12/93 R.
Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 6. Juli 1993.
Comité Central d'Entreprise de la SA Vittel und Comité d'Etablissement de Pierval gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Aussetzung des Vollzugs - Einstweilige Anordnungen.
Rechtssache T-12/93 R.
Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 6. Juli 1993.
Comité Central d'Entreprise de la SA Vittel und Comité d'Etablissement de Pierval gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Aussetzung des Vollzugs - Einstweilige Anordnungen.
Rechtssache T-12/93 R.
Sammlung der Rechtsprechung 1993 II-00785
ECLI identifier: ECLI:EU:T:1993:60
BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 6. JULI 1993. - COMITE CENTRAL D'ENTREPRISE DE LA SA VITTEL UND COMITE D'ETABLISSEMENT DE PIERVAL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - VERFAHREN DER EINSTWEILIGEN ANORDNUNG - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS - EINSTWEILIGE ANORDNUNGEN. - RECHTSSACHE T-12/93 R.
Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite II-00785
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Tenor
++++
Vorläufiger Rechtsschutz ° Aussetzung des Vollzugs ° Von den Personalvertretungsorganen beantragte völlige oder teilweise Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung, durch die ein Unternehmenszusammenschluß unter Bedingungen genehmigt wird ° Voraussetzungen ° Schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden ° Abwägung sämtlicher betroffener Belange ° Keine Gefahr eines Schadens für die Arbeitnehmer, die das Eingreifen des Richters der einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde
(EWG-Vertrag, Artikel 185 und 186; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2; Verordnung Nr. 4064/89 des Rates; Richtlinie 77/187 des Rates, Artikel 3 und 4)
Wenn die von den Personalvertretungsorganen bestimmter, an einem Unternehmenszusammenschluß beteiligter Unternehmen beantragte Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission, mit der dieser Zusammenschluß gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 genehmigt wurde, darauf hinausliefe, die erteilte Genehmigung für die gesamte Dauer des Rechtsstreits auszusetzen, und wenn durch die hilfsweise beantragten einstweiligen Anordnungen letztlich eine Situation aufrechterhalten würde, die durch eine beherrschende Stellung mit möglicherweise irreversiblen Folgen für den Wettbewerb in dem betreffenden Sektor gekennzeichnet ist, dann hat der Richter der einstweiligen Anordnung sämtliche betroffenen Belange gegeneinander abzuwägen. Aus diesem Grund hat er nicht nur das Interesse der Antragsteller einerseits und das Interesse der Kommission an der Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs andererseits zu berücksichtigen, sondern auch die Interessen Dritter, insbesondere der beteiligten Unternehmen, um sowohl die Schaffung einer unumkehrbaren Situation als auch die Entstehung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für eine der Parteien des Rechtsstreits oder einen Dritten oder sogar für das Allgemeininteresse zu verhindern.
Bei einer solchen Sachlage wäre die Anordnung der beantragten Maßnahmen nur zu rechtfertigen, wenn erkennbar wäre, daß die Arbeitnehmer, die von den Antragstellern vertreten werden, andernfalls in eine Lage gerieten, die ihre Zukunft bedrohen könnte.
Im vorliegenden Fall kann die fragliche Entscheidung grundsätzlich weder Auswirkungen auf die Rechte der Arbeitnehmer der beteiligten Unternehmen haben noch diesen Arbeitnehmern unmittelbar einen Schaden verursachen, dessen mögliche Entstehung das Eingreifen des Richters der einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde.
Was nämlich den Schaden anbelangt, den die Arbeitnehmer des veräussernden Unternehmens angeblich dadurch erleiden, daß die Veräusserung ihren Anspruch auf Wahrung des Unternehmensvermögens beeinträchtige, so haben die Antragsteller, die sich auf die Behauptung beschränken, daß die finanzielle Gegenleistung für die Veräusserung minimal sei, nicht dargelegt, inwieweit die Verminderung des Vermögens dieses Unternehmens dem ersten Anschein nach die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Aufrechterhaltung der Beschäftigung in dem Unternehmen mit sich bringen soll. Hinsichtlich der finanziellen Gegenleistung steht jedenfalls fest, daß sich der Preis für die Veräusserung nicht aus der Entscheidung der Kommission ergibt, sondern nur das Ergebnis der Verhandlungen ist, die die beteiligten Unternehmen geführt haben.
Zum Schaden, der den Arbeitnehmern des veräusserten Unternehmens dadurch entstehen soll, daß sie nicht mehr die sozialen Vergünstigungen erhalten könnten, die ihnen entweder durch ihren Einzelvertrag oder durch das innerhalb des veräussernden Unternehmens geltende Tarifabkommen gewährt worden seien, ist zunächst zu bemerken, daß gemäß den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen die Rechte und Pflichten des Veräusserers aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen. Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß nach dem anwendbaren nationalen Arbeitsrecht auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Tarifverträge oder Tarifabkommen von den Unterzeichnern unter den im Vertrag oder Abkommen vorgesehenen Bedingungen gekündigt werden können. Selbst wenn man annimmt, daß der behauptete Schaden hinreichend sicher ist, könnte sich folglich ein solcher Schaden doch nicht unmittelbar aus der Entscheidung der Kommission ergeben. Denn ebensowenig, wie die Entscheidung die neuen Arbeitgeber dazu zwingt, das für die Arbeitnehmer des veräusserten Unternehmens geltende Tarifabkommen in Frage zu stellen, würde die etwaige Aussetzung der Veräusserung irgendeinen Schutz gegen die Möglichkeit, das geltende Tarifabkommen zu kündigen, bieten.
Sachverhalt
1 Der wesentliche Sachverhalt des dem Gericht vorliegenden Rechtsstreits, wie er sich aus den von den Parteien eingereichten Schriftsätzen und den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen ergibt, lässt sich wie folgt zusammenfassen.
2 Am 25. Februar 1992 meldete die Nestlé SA gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) bei der Kommission ein öffentliches Übernahmeangebot für die Anteile der Source Perrier SA (im folgenden: Perrier SA) an. Nach Prüfung der Anmeldung beschloß die Kommission am 25. März 1992 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89, das Verfahren einzuleiten, da der angemeldete Zusammenschluß Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe.
3 Am 22. Juli 1992 erließ die Kommission insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtungen, die die Nestlé SA ihr gegenüber eingegangen war, eine Entscheidung, mit der der Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde (im folgenden: Entscheidung). Die Entscheidung ist mit Bedingungen und Auflagen verbunden, die gewährleisten sollen, daß die Nestlé SA die eingegangenen Verpflichtungen einhält. Als eine dieser Bedingungen sieht die Entscheidung vor, daß die Nestlé SA die Marken und Brunnen Vichy, Thonon, Pierval, Saint-Yorre und eine Reihe weiterer lokaler Brunnen sowie die zu diesen Brunnen gehörenden Abfuellkapazitäten innerhalb einer in der Entscheidung selbst festgesetzten Frist an einen Mitbewerber, der die Zustimmung der Kommission finden muß, zu verkaufen hat.
4 Am 26. Januar 1993 benannte die Nestlé SA der Kommission den Castel-Konzern, der bereits im Getränkesektor tätig ist, als Käufer. Dieser Käufer erklärte, er sei an der Übernahme von drei der grossen Brunnen, zu deren Weiterverkauf sich die Nestlé SA verpflichtet habe (Vichy, Thonon, Saint-Yorre), sowie von einigen Brunnen geringerer Bedeutung interessiert. Da diese Veräusserung nach Auffassung der Kommission dem Wortlaut der Entscheidung nicht vollständig entsprach, schlossen die Konzerne Nestlé und Castel am 18. Februar 1993 einen neuen Vertrag, der sich ausser auf die bereits genannten Brunnen auch auf die Veräusserung des Brunnens Pierval erstreckte.
5 Am 3. März 1993 veröffentlichte die Kommission ein Pressekommuniqué, in dem sie mitteilte, daß das vom Castel-Konzern unterbreitete Kaufangebot einen entscheidenden Faktor zur Erfuellung der insgesamt vorgesehenen Bedingungen darstelle, und kündigte an, daß sie diese Angelegenheit endgültig regeln werde, sobald die Hindernisse für die tatsächliche Veräusserung der Brunnen, insbesondere bezueglich der Übertragung der Nutzungsrechte von Vichy und Thonon, die vom französischen Staat und der Stadt Thonon-les-Bains gehalten würden, an den Castel-Konzern, beseitigt seien.
Verfahren
6 Das Comité central d' entreprise de la société anonyme Vittel, das Comité d' établissement de Pierval und die Fédération générale agroalimentaire-CFDT haben mit Klageschrift, die am 3. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.
7 Mit besonderem Schriftsatz, der am 2. März 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben das Comité central d' entreprise de la société anonyme Vittel und das Comité d' établissement de Pierval ferner gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung und hilfsweise auf Aussetzung der Entscheidung, soweit diese die Veräusserung von Pierval verlangt, bis zum Ende des Verfahrens zur Hauptsache gestellt.
8 Die Kommission hat ihre schriftliche Stellungnahme zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung am 17. März 1993 eingereicht. Die Parteien haben am 23. März 1993 mündlich verhandelt.
9 Mit Beschluß vom 2. April 1993 in der Rechtssache T-12/93 R (CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, Slg. 1993, II-449) hat der Präsident des Gerichts angeordnet, daß die Kommission, sobald sie über die entsprechenden Unterlagen verfügt, das Gericht darüber unterrichtet, daß alle in der Entscheidung vorgesehenen Bedingungen bezueglich der Veräusserung der Vermögenswerte erfuellt sind und daß insbesondere die Hindernisse für die Übertragung der Nutzungsrechte von Vichy und Thonon beseitigt worden sind. Mit demselben Beschluß hat der Präsident des Gerichts die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, soweit sie die Erklärung der Vereinbarkeit des angemeldeten Zusammenschlusses von der Einhaltung der Bedingung bezueglich der Veräusserung von Pierval abhängig macht, angeordnet, bis sich der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung im Lichte der ihm von der Kommission zu übermittelnden Informationen zu den bei ihm eingereichten Anträgen äussern kann.
10 Mit Schriftsatz, der am 11. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß sie am 27. Mai 1993 von dem Vertrag zwischen der Nestlé SA und Castel über die Veräusserung der in Rede stehenden Vermögenswerte sowie davon Kenntnis erhalten habe, daß der französische Staat den Erwerb der Compagnie fermière de Vichy, der Inhaberin der Nutzungslizenz des Brunnens Vichy-Célestins, durch Castel genehmigt habe und daß die Stadt Thonon-les-Bains der Erteilung einer neuen Konzession für die Nutzung des Brunnens Thonon zugestimmt habe. Bei dieser Gelegenheit hat die Kommission dem Gericht ein Pressekommuniqué des französischen Haushaltsministers vom 5. Mai 1993 übersandt, in dem darauf hingewiesen wird, daß der Haushaltsminister den Vertrag zwischen den Konzernen Nestlé und Castel über die Thermalkonzession von Vichy gebilligt habe, sowie ein Telefax des Generalsekretärs der Stadtverwaltung Thonon-les-Bains vom 25. Mai 1993, in dem ausgeführt wird, daß der Stadtrat "den Nachtrag zum Konzessionsvertrag zwischen der SEMT und der Gemeinde" angenommen habe.
11 Mit Schreiben, das am 30. Juni 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission dem Gericht eine Kopie des Protokolls der Sitzung des Stadtrats der Stadt Thonon-les-Bains vom 24. Mai 1993 übermittelt, in der dieser den Nachtrag zum Konzessionsvertrag über die Nutzung des Mineralwassers von Thonon angenommen hat.
12 Der Richter der einstweiligen Anordnung stellt nach Kenntnisnahme von den von der Kommission in Durchführung seines obengenannten Beschlusses vom 2. April 1993 übermittelten Informationen fest, daß nunmehr alle in der Entscheidung vorgesehenen Bedingungen bezueglich der Veräusserung der Vermögenswerte dem ersten Anschein nach erfuellt sind, und hält sich für ausreichend unterrichtet, um sich zur Begründetheit des Antrags auf einstweilige Anordnung äussern zu können.
Entscheidungsgründe
13 Gemäß den Artikeln 185 und 186 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.
14 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen die Anträge auf einstweilige Anordnung im Sinne der Artikel 185 und 186 des Vertrages die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen vorläufig in dem Sinne sein, daß sie der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgreifen dürfen (siehe zuletzt den erwähnten Beschluß vom 2. April 1993).
15 Wegen des Parteivorbringens wird auf den erwähnten Beschluß vom 2. April 1993 verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung dies erfordert.
Zum Gegenstand des Antrags und zur Abwägung der betroffenen Interessen
16 Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung ist in erster Linie auf die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, mit der die Kommission die Übernahme der Kontrolle über die Perrier SA durch die Nestlé SA genehmigt hat, und hilfsweise auf die Aussetzung der Entscheidung, soweit diese die Veräusserung von Pierval verlangt, bis zum Ende des Verfahrens zur Hauptsache gerichtet.
17 Zum Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung ist zunächst festzustellen, daß eine solche Aussetzung darauf hinausliefe, die von der Kommission erteilte Genehmigung des angemeldeten Zusammenschlusses und demzufolge die Ausübung der der Nestlé SA innerhalb des Perrier-Konzerns zustehenden Stimmrechte für die gesamte Dauer des Rechtsstreits auszusetzen, was die Geschäftstätigkeit der Unternehmen des Konzerns in schwerwiegender Weise behindern würde.
18 Sodann ist zu dem Antrag, die Entscheidung, soweit sie die Veräusserung von Pierval verlangt, im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ende des Verfahrens zur Hauptsache auszusetzen, festzustellen, daß eine solche Maßnahme darauf hinausliefe, daß die Durchführung der oben unter Randnummer 3 erwähnten Verpflichtungen, die die Nestlé SA gegenüber der Kommission übernommen hat, ° und sei es auch nur teilweise ° ausgesetzt würde und daß eben dadurch eine Situation aufrechterhalten würde, die in der Entscheidung als beherrschende Stellung mit möglicherweise irreversiblen Folgen für den Wettbewerb in dem betreffenden Sektor bezeichnet wird und die gerade durch die mit der Entscheidung auferlegten Bedingungen und Auflagen beendet werden soll. Denn die Einhaltung dieser gesamten Verpflichtungen innerhalb der in der Entscheidung festgelegten Frist stellt die Bedingung dar, auf der die Genehmigung beruht, die von der Kommission zur Durchführung des angemeldeten Zusammenschlusses erteilt wurde.
19 Bei einer solchen Sach- und Rechtslage hat der Richter der einstweiligen Anordnung nicht nur das besondere Interesse der Antragsteller an der Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung und das allgemeine Interesse der Kommission an der Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs, sondern auch die Interessen Dritter wie der Nestlé SA und von Castel gegeneinander abzuwägen, um sowohl die Schaffung einer unumkehrbaren Situation als auch die Entstehung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für eine der Parteien des Rechtsstreits oder einen Dritten oder sogar für das Allgemeininteresse zu verhindern (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 15. Dezember 1992 in der Rechtssache T-96/92 R, CCE Grandes Sources u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2579).
20 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in einer Situation wie der hier vorliegenden, in der die im Verfahren der einstweiligen Anordnung beantragten Maßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Rechte und Interessen Dritter haben können, die nicht Parteien des Rechtsstreits sind und deshalb nicht gehört werden konnten, solche Maßnahmen nur zu rechtfertigen wären, wenn erkennbar wäre, daß die Antragsteller andernfalls in eine Lage gerieten, die ihre Existenz bedrohen könnte (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 22. Mai 1978 in der Rechtssache 92/78 R, Simmenthal/Kommission, Slg. 1978, 1129; vgl. zuletzt Beschluß CCE Grandes Sources u. a./Kommission, a. a. O.).
21 Im Lichte dieser Überlegungen hat der Richter der einstweiligen Anordnung zu untersuchen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen im vorliegenden Fall erfuellt sind.
Zum Vorliegen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens
22 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung danach zu beurteilen, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, daß dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Die Partei, die die Aussetzung des Vollzugs beantragt, hat den Beweis zu erbringen, daß sie den Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen Schaden zu erleiden, der schwere und nicht wiedergutzumachende Folgen für sie hätte (vgl. zuletzt Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-280/93 R, Deutschland/Rat, Slg. 1993, I-3667, Randnr. 22).
23 Die Antragsteller tragen insoweit vor, daß die Veräusserung des Betriebes Pierval ihnen einen schweren und nicht wiedergutzumachenden, unmittelbaren und sicheren Schaden verursachen werde. Nach Auffassung der Antragsteller verstösst die Veräusserung der Vermögenswerte von Pierval gegen das Interesse der Arbeitnehmer dieses Betriebes im besonderen und der Arbeitnehmer der Vittel SA im allgemeinen, da eine derartige Veräusserung ihren Anspruch auf Wahrung des Vermögens des Unternehmens beeinträchtige, während unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen vor allem die finanzielle Gegenleistung für diese Veräusserung lächerlich gering sei. Ausserdem führen die Antragsteller aus, daß die Arbeitnehmer von Pierval aufgrund der Veräusserung nicht mehr die bedeutenden sozialen Vergünstigungen erhalten könnten, die ihnen entweder durch ihren Einzelvertrag oder durch das innerhalb der Vittel SA geltende Tarifabkommen gewährt worden seien. Nach Auffassung der Antragsteller ist ein derartiger Schaden nicht wiedergutzumachen, da die Veräusserung im Falle ihrer Durchführung Rechtswirkungen erzeugen werde, die trotz des Bestehens aufschiebender oder auflösender Bedingungen unmöglich rückgängig gemacht werden könnten. Sie fügen hinzu, daß sich dieser Schaden unmittelbar aus der Entscheidung der Kommission ergebe, die die Veräusserung verschiedener Brunnen, darunter Pierval, zur Bedingung dafür gemacht habe, daß der Zusammenschluß von der Nestlé SA und der Perrier SA für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werde.
24 Die Kommission vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß die Antragsteller das Bestehen eines sicheren und unmittelbaren Schadens, der ihnen durch die Entscheidung entstehe, nicht nachgewiesen hätten. Die Antragsgegnerin trägt insbesondere vor, daß allein die Veräusserung eines Teils des Vermögens eines Unternehmens nur dann einen Schaden für seine Arbeitnehmer darstellen könne, wenn sich daraus für sie zwangsläufig die Gefährdung eines ihnen eigenen Interesses, wie der Verlust ihres Arbeitsplatzes, ergebe, was hier nicht der Fall sei. Zum Vorbringen hinsichtlich des Schadens, den insbesondere die Arbeitnehmer von Pierval aufgrund der Veräusserung erleiden würden, führt die Kommission aus, daß es nicht sicher sei, daß die Veräusserung des Unternehmens zwangsläufig die Gefährdung des Tarifabkommens zur Folge habe, und daß ein solches Abkommen auf jeden Fall ein Jahr lang oder bis zum Inkrafttreten eines Ersatzabkommens weiter gelte, wobei die Arbeitnehmer dann, wenn innerhalb des auf die Veräusserung des Unternehmens folgenden Jahres kein Vertrag geschlossen worden sei, die individuellen Vergünstigungen behielten, die sie aufgrund des vor der Veräusserung abgeschlossenen Abkommens erworben hätten. Zudem hätten die Tarifabkommen ebensogut von der Geschäftsleitung der Vittel SA gekündigt werden können, und zwar auch dann, wenn der Betrieb Pierval nicht verkauft worden wäre. Nach Auffassung der Kommission ergibt sich daraus, daß die Kündigung dieser Abkommen keine notwendig mit der Veräusserung von Pierval verbundene Folge sei, und der Schaden für die Arbeitnehmer dieses Unternehmens sei demzufolge weder sicher noch unmittelbar.
25 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß, wie der Präsident des Gerichts in seinem erwähnten Beschluß vom 15. Dezember 1992 ausgeführt hat, eine Entscheidung, mit der ein Zusammenschluß genehmigt wird, grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Rechte der Arbeitnehmer eines Unternehmens, das als Folge eines Zusammenschlusses übereignet wird, haben kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu prüfen, ob der von den Antragstellern behauptete schwere und nicht wiedergutzumachende Schaden zum einen hinreichend sicher ist, um den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen zu rechtfertigen, und zum anderen in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit der Entscheidung steht.
26 Zum Schaden, den die Arbeitnehmer der Vittel SA allgemein angeblich dadurch erleiden, daß die Veräusserung des Betriebes Pierval ihren "Anspruch auf Wahrung des Vermögens des Unternehmens" beeinträchtige, ist zu sagen, daß die Antragsteller nicht dargelegt haben, inwieweit die Verminderung des Vermögens der Vittel SA als Folge der Veräusserung von Pierval dem ersten Anschein nach die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Aufrechterhaltung der Beschäftigung in der Gesellschaft mit sich bringen soll. Die Antragsteller haben keinen besonderen Umstand angeführt, der es erlauben würde, die Gefahr des Schadens, den die Arbeitnehmer der Vittel SA angeblich aufgrund der Veräusserung erleiden würden, als sicher und unmittelbar einzustufen, sondern beschränken sich insoweit auf die Behauptung, daß die finanzielle Gegenleistung für die Veräusserung lächerlich gering sei. Es steht aber fest, daß der Preis für die Veräusserung des Betriebes Pierval sich selbst dann, wenn man ihn als lächerlich gering ansähe, nicht aus der Entscheidung ergibt, sondern nur das Ergebnis der Verhandlungen ist, die die Nestlé SA mit Castel über die Veräusserung der gesamten Vermögenswerte, zu deren Verkauf sich die Nestlé SA verpflichtet hat, geführt hat.
27 Zum Schaden, der daraus entstehen soll, daß die Arbeitnehmer von Pierval nicht mehr die bedeutenden sozialen Vergünstigungen erhalten könnten, die ihnen entweder durch ihren Einzelvertrag oder durch das innerhalb der Vittel SA geltende Tarifabkommen gewährt worden seien, ist zunächst zu sagen, daß gemäß den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebesteilen (ABl. L 61, S. 26) die Rechte und Pflichten des Veräusserers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergehen.
28 Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel L 132-8 des französischen Arbeitsgesetzbuches, auf den die Parteien im Verfahren hingewiesen haben, auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Tarifverträge oder Tarifabkommen von den Unterzeichnern unter den im Vertrag oder Abkommen vorgesehenen Bedingungen gekündigt werden können. Für den Fall, daß ein Vertrag oder ein Abkommen in einem bestimmten Unternehmen insbesondere wegen eines Zusammenschlusses, einer Veräusserung oder einer Aufspaltung in Frage gestellt wird, bestimmt diese Vorschrift, daß der Vertrag oder das Abkommen bis zum Inkrafttreten eines neuen Vertrages oder eines neuen Abkommens oder andernfalls mindestens ein Jahr lang weiter gilt, wobei die betroffenen Arbeitnehmer die erworbenen individuellen Vergünstigungen behalten, wenn der gekündigte Vertrag oder das gekündigte Abkommen nicht fristgerecht ersetzt worden ist.
29 Aus den zu den Akten genommenen Unterlagen und insbesondere aus der Stellungnahme des Vorsitzenden des Comité central d' entreprise der Vittel SA in der Sitzung dieses Ausschusses vom 26. Februar 1993 (Anhang 4 des Antrags auf einstweilige Anordnung) ergibt sich, daß der Tarifvertrag in der neuen Gesellschaft weiterhin Anwendung finden wird. Die Tarifabkommen werden unter den in Artikel L 132-8 des Arbeitsgesetzbuches festgelegten Bedingungen weiter gelten.
30 Nach alledem ist festzustellen, daß erstens die Möglichkeit, einen Tarifvertrag oder ein Tarifabkommen zu kündigen, jedem Unterzeichner offensteht und daß zweitens bei einer Unternehmensveräusserung wie im vorliegenden Fall keine gesetzliche oder sonstige Bestimmung die Kündigung oder irgendeine Änderung des geltenden Vertrages oder Abkommens vorschreibt. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Bestimmungen des französischen Gesetzes (Artikel L 132-8 Absatz 7 des Arbeitsgesetzbuches) für den Fall, daß die Geltung eines solchen Vertrages oder eines solchen Abkommens dennoch in Frage gestellt wird, die gleiche Regelung vorsehen wie bei der Kündigung durch einen oder mehrere der Unterzeichner.
31 Selbst wenn man also annimmt, daß der den Arbeitnehmern des Betriebes Pierval angeblich entstehende Schaden, nämlich der Verlust der Vergünstigungen, die in dem im Unternehmen Vittel geltenden Tarifabkommen vorgesehen sind, hinreichend sicher ist, könnte sich folglich ein solcher Schaden doch nicht unmittelbar aus der Entscheidung ergeben. Denn ebensowenig, wie die Entscheidung die neuen Arbeitgeber dazu zwingt, das für die Arbeitnehmer von Pierval geltende Tarifabkommen in Frage zu stellen, würde die etwaige Aussetzung der Veräusserung von Pierval irgendeinen Schutz gegen die Möglichkeit, das geltende Tarifabkommen mit den im Gesetz vorgesehenen Fristen zu kündigen, bieten.
32 Daher ist festzustellen, daß die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnungen nicht erfuellt sind und daß der Antrag zurückzuweisen ist, ohne daß die Gründe untersucht werden müssten, mit denen die Antragsteller geltend machen, daß ihre Klage dem ersten Anschein nach begründet sei.
Aus diesen Gründen
hat
DER PRÄSIDENT DES GERICHTS
beschlossen:
1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.
2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 6. Juli 1993