Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document E1998C0046

    Decision of the EFTA Surveillance Authority No 46/98/COL of 4 March 1998 on the issuing of two notices in the field of competition on the definition of the relevant market for the purpose of competition law within the European Economic Area (EEA), and on agreements of minor importance which do not fall under Article 53(1) of the EEA Agreement

    SL L 200, 16.7.1998, p. 46–57 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    Legal status of the document No longer in force, Date of end of validity: 19/03/2003

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/1998/46(2)/oj

    E1998C0046

    Beschluss der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 46/98/KOL vom 4. März 1998 über die Veröffentlichung von zwei Bekanntmachungen über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens fallen

    Amtsblatt Nr. L 200 vom 16/07/1998 S. 0046 - 0057


    BESCHLUSS DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE Nr. 46/98/KOL vom 4. März 1998 über die Veröffentlichung von zwei Bekanntmachungen über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bzw. über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens fallen

    DIE EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE -

    gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1), insbesondere auf Artikel 55,

    gestützt auf Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 25 Absatz 1 des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten über die Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofes (2),

    nach Anhörung der Europäischen Kommission,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    Die Europäische Kommission hat eine Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (3) und eine Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (4) fallen, angenommen.

    Diese Bekanntmachungen sind von Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum.

    Diese Rechtsakte sollen den Unternehmen als Leitlinien dienen und enthalten Grundsätze und Regeln, von denen sich die EFTA-Überwachungsbehörde im Rahmen der Artikel 53 bis 60 des Abkommens bei der Anwendung des Begriffs des sachlich und räumlich relevanten Marktes und bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung spürbare Auswirkungen auf den Handel und Wettbewerb haben, leiten lassen wird.

    Im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum muß eine einheitliche Anwendung der EWR-Wettbewerbsregeln gewährleistet werden.

    Die EFTA-Überwachungsbehörde verabschiedet gemäß Punkt II unter dem Titel "Allgemeines" am Ende des Anhangs XIV zum EWR-Abkommen nach Anhörung der EG-Kommission Rechtsakte, die denjenigen der EG-Kommission entsprechen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten -

    BESCHLIESST:

    1. Die EFTA-Überwachungsbehörde veröffentlicht die folgenden Bekanntmachungen, die diesem Beschluß als Anhänge I und II beigefügt sind:

    - Bekanntmachung der EFTA-Überwachungsbehörde über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR),

    - Bekanntmachung der EFTA-Überwachungsbehörde über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens fallen.

    2. Dieser Beschluß und die beigefügten Bekanntmachungen sind in englischer Sprache verbindlich und werden im EWR-Abschnitt und EWR-Supplement des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

    Geschehen zu Brüssel am 4. März 1998.

    Für die EFTA-Überwachungsbehörde

    Der Präsident

    Knut ALMESTAD

    (1) Nachstehend "EWR-Abkommen".

    (2) Nachstehend "Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommen".

    (3) ABl. C 372 vom 9. 12. 1997, S. 5.

    (4) ABl. C 372 vom 9. 12. 1997, S. 13.

    ANHANG I

    BEKANNTMACHUNG DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE ÜBER DIE DEFINITION DES RELEVANTEN MARKTES IM SINNE DES WETTBEWERBSRECHTS IM EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSRAUM (EWR)

    A. Die vorliegende Bekanntmachung wird in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und des Abkommens der EFTA-Staaten über die Schaffung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommen) veröffentlicht.

    B. Die Europäische Kommission hat eine Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft veröffentlicht (1). Diese nicht verbindliche Bekanntmachung enthält Grundsätze und Regeln, die die Europäische Kommission im Bereich des Wettbewerbs befolgen wird.

    C. Die EFTA-Überwachungsbehörde vertritt die Auffassung, daß die vorerwähnte Bekanntmachung für den EWR von Bedeutung ist. Zur Aufrechterhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen und Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der EWR-Wettbewerbsregeln im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum nimmt die EFTA-Überwachungsbehörde aufgrund der ihr gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens übertragenen Befugnisse die vorliegende Bekanntmachung an. Sie hat die Absicht, die in dieser Bekanntmachung niedergelegten Grundsätze und Regeln bei der Anwendung der einschlägigen EWR-Wettbewerbsregeln in einem bestimmten Fall zu befolgen.

    I. EINLEITUNG

    1. Mit dieser Bekanntmachung soll erläutert werden, wie die EFTA-Überwachungsbehörde die Begriffe des sachlich und räumlich relevanten Marktes bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln des EWR-Abkommens, insbesondere bei der Anwendung der Vorschriften des Kapitels II des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (2) und des Absatzes 1 des Anhangs XIV zum EWR-Abkommen in Verbindung mit Kapitel XIII des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (3) sowie deren sektoralen Entsprechungen auf Gebieten wie Verkehr, Kohle und Stahl (4) verwendet.

    2. Die Definition des Marktes dient der genauen Abgrenzung des Gebiets, auf dem Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. Damit kann der Rahmen festgelegt werden, innerhalb dessen die EFTA-Überwachungsbehörde das Wettbewerbsrecht anwendet. Hauptzweck der Marktdefinition ist die systematische Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen (5) zu stellen haben. Mit der Abgrenzung eines Marktes in sowohl seiner sachlichen als auch seiner räumlichen Dimension soll ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen. Nach Abgrenzung des Marktes ist es u. a. möglich, Marktanteile zu berechnen, die aussagekräftige Informationen für die Wettbewerbswürdigung der Marktposition oder die Anwendung von Artikel 53 des EWR-Abkommens darstellen.

    3. Hieraus folgt, daß sich der Begriff des relevanten Marktes von Marktbegriffen unterscheidet, wie sie oft in anderen Zusammenhängen gebraucht werden. So sprechen beispielsweise Unternehmen häufig vom Markt, wenn sie das Gebiet meinen, auf dem sie ihre Produkte verkaufen, oder allgemein die Branche, der sie angehören.

    4. Die sachliche und räumliche Abgrenzung des relevanten Marktes ist bei der Würdigung eines Wettbewerbsfalls häufig ausschlaggebend. Indem sie bekanntgibt, wie sie bei der Definition eines Marktes vorgeht, und angibt, welche Kriterien und Nachweise sie ihrer Entscheidung zugrunde legt, möchte die EFTA-Überwachungsbehörde ihre Politik und Entscheidungspraxis im Wettbewerbsbereich transparenter gestalten.

    5. Mehr Transparenz wird auch Unternehmen und ihren Beratern dabei helfen, besser die Fälle vorauszusehen, in denen die EFTA-Überwachungsbehörde Wettbewerbsbedenken erheben könnte. Dies könnten Unternehmen bei ihren Entscheidungen, beispielsweise über Beteiligungen, die Gründung von Jointventures und das Eingehen bestimmter Vereinbarungen, berücksichtigen. Außerdem sollen Unternehmen besser Aufschluß darüber erhalten, welche Art von Informationen die EFTA-Überwachungsbehörde für die Bestimmung des relevanten Marktes für erheblich hält.

    6. Die Auslegung, die die EFTA-Überwachungsbehörde dem Begriff des relevanten Marktes gibt, gilt unbeschadet einer Auslegung durch den EFTA-Gerichtshof, den Gerichtshof oder das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften.

    II. DEFINITION DES RELEVANTEN MARKTES

    Sachlich und räumlich relevanter Markt

    7. In bestimmten Vorschriften zu den Artikeln 53 und 54 des EWR-Abkommens, insbesondere in den Vorschriften im Abschnitt 6 des Formblatts A/B betreffend Kapitel II des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (6) sowie in den Vorschriften im Abschnitt 6 des Formblatts CO betreffend Absatz 1 des Anhangs XIV zum EWR-Abkommen und Kapitel XIII des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (7), wurden der sachlich und der räumlich relevante Markt definiert. Unter dem sachlich relevanten Markt ist folgendes zu verstehen:

    "Der sachlich relevante Produktmarkt umfaßt sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden."

    8. Der räumlich relevante Markt ist wie folgt definiert:

    "Der geographisch relevante Markt umfaßt das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet."

    9. Der für die Würdigung einer Wettbewerbsfrage maßgebliche Markt wird somit durch eine Kombination des sachlich und des räumlich relevanten Marktes bestimmt. Die EFTA-Überwachungsbehörde legt die Definitionen nach den Randnummern 7 und 8 (die die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften sowie ihre eigene Entscheidungspraxis widerspiegeln) gemäß den Orientierungen dieser Bekanntmachung aus.

    Der Begriff des relevanten Marktes und die Ziele der EWR-Wettbewerbspolitik

    10. Der Begriff des relevanten Marktes ist eng mit den Zielen der EWR-Wettbewerbspolitik verbunden. So hat z. B. bei der EWR-Fusionskontrolle die Überwachung struktureller Veränderungen bei dem Angebot einer Ware oder Dienstleistung das Ziel, die Begründung oder den Ausbau einer beherrschenden Stellung zu verhindern, falls wirksamer Wettbewerb in einem wesentlichen Teil des EWR-Gebiets sonst spürbar behindert würde. Nach den EWR-Wettbewerbsvorschriften versetzt eine beherrschende Stellung ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen in die Lage, in erheblichem Maße unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich auch Verbrauchern vorzugehen (8). Auf eine solche Stellung ist in der Regel dann zu schließen, wenn ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe einen großen Teil des Angebots auf einem gegebenen Markt auf sich vereint, sofern andere für die Bewertung maßgebliche Faktoren (wie Zutrittsschranken, Reaktionsfähigkeit der Kunden usw.) in dieselbe Richtung deuten.

    11. Bei der Anwendung von Artikel 54 des EWR-Abkommens auf Unternehmen, die einzeln oder gemeinsam eine beherrschende Stellung besitzen, geht die EFTA-Überwachungsbehörde auf die gleiche Weise vor. Gemäß Kapitel II des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (9) ist die befugt, den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung zu untersuchen und abzustellen; hierbei ist ebenfalls der relevante Markt zugrunde zu legen. Auch bei der Anwendung von Artikel 53 des EWR-Abkommens und insbesondere der Entscheidung darüber, ob eine merkliche Beschränkung des Wettbewerbs vorliegt oder die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 53 Absatz 3 Buchstabe b) gegeben sind, müssen die relevanten Märkte definiert werden.

    12. Die Kriterien für die Definition des relevanten Marktes werden im allgemeinen bei der Analyse bestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt und struktureller Änderungen beim Produktangebot angewandt. Allerdings kann dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, was für eine Wettbewerbsfrage geprüft wird. So kann beispielsweise der Umfang des räumlichen Marktes bei der - im wesentlichen zukunftsbezogenen - Untersuchung eines Zusammenschlusses anders sein, als wenn es um ein zeitlich zurückliegendes Verhalten geht. Durch den jeweils unterschiedlichen Zeithorizont kann für das gleiche Produkt ein unterschiedlicher räumlicher Markt bestimmt werden, je nachdem, ob sich die EFTA-Überwachungsbehörde mit einer Änderung in der Angebotsstruktur befaßt, wie bei einem Zusammenschluß oder einem kooperativen Gemeinschaftsunternehmen, oder mit Fragen, die sich auf vergangenes Verhalten beziehen.

    Grundsätze für die Definition des Marktes

    Die Wettbewerbskräfte

    13. Die Wettbewerbskräfte, denen die Unternehmen unterliegen, speisen sich hauptsächlich aus drei Quellen: Nachfragesubstituierbarkeit, Angebotssubstituierbarkeit und potentieller Wettbewerb. Aus wirtschaftlicher Sicht - im Hinblick auf die Definition des relevanten Marktes - stellt die Möglichkeit der Nachfragesubstitution die unmittelbarste und wirksamste disziplinierende Kraft dar, die auf die Anbieter eines gegebenen Produkts einwirkt, vor allem was ihre Preisentscheidungen anbetrifft. Ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen kann die gegebenen Verkaufsbedingungen - wie z. B. den Preis - nicht erheblich beeinflussen, wenn die Kunden in der Lage sind, ohne weiteres auf vor Ort verfügbare Substitute oder ortsfremde Anbieter auszuweichen. Die Abgrenzung des relevanten Marktes besteht im wesentlichen darin, das den Kunden tatsächlich zur Verfügung stehende Alternativangebot zu bestimmen, und zwar sowohl in bezug auf verfügbare Waren und Dienstleistungen als auch den Standort der Anbieter.

    14. Die Wettbewerbskräfte, die durch die Angebotssubstituierbarkeit - außer was die unter den Randnummern 20 bis 23 genannten Fälle anbetrifft - und den potentiellen Wettbewerb gegeben sind, wirken im allgemeinen weniger unmittelbar und erfordern auf jeden Fall die Untersuchung weiterer Faktoren. Im Ergebnis werden diese Kräfte im Rahmen der wettbewerblichen Würdigung als Teil der wettbewerblichen Prüfung berücksichtigt.

    Nachfragesubstituierbarkeit

    15. Die Beurteilung der Substituierbarkeit der Nachfrage erfordert eine Bestimmung derjenigen Produkte, die von den Abnehmern als austauschbar angesehen werden. Eine Möglichkeit, diese Bestimmung vorzunehmen, läßt sich als ein gedankliches Experiment betrachten, bei dem von einer geringen, nicht vorübergehenden Änderung der relativen Preise ausgegangen und eine Bewertung der wahrscheinlichen Reaktion der Kunden vorgenommen wird. Aus verfahrensmäßigen und praktischen Erwägungen steht bei der Marktabgrenzung der Preis im Mittelpunkt, genauer gesagt die Nachfragesubstitution aufgrund kleiner, dauerhafter Änderungen bei den relativen Preisen. Hieraus lassen sich klare Hinweise in bezug auf die für die Definition von Märkten relevanten Informationen gewinnen.

    16. Diese Vorgehensweise erfordert, daß, ausgehend von den verschiedenen Produkten, die von den beteiligten Unternehmen verkauft werden, und dem Gebiet, in dem diese Produkte verkauft werden, bestimmte Produkte und Gebiete in die Marktdefinition zusätzlich einbezogen oder davon ausgenommen werden, je nachdem, ob der von diesen Produkten und Gebieten ausgehende Wettbewerb das Preisgebaren der Parteien kurzfristig beeinflußt oder beschränkt.

    17. Die zu beantwortende Frage lautet, ob die Kunden der Parteien als Reaktion auf eine angenommene kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise (im Bereich zwischen 5 und 10 %) für die betreffenden Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden. Ist die Substitution so groß, daß durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, so werden in den sachlich und räumlich relevanten Markt so lange weitere Produkte und Gebiete einbezogen, bis kleine, dauerhafte Erhöhungen der relativen Preise einen Gewinn einbrächten. Der gleiche Grundsatz wird bei der Ermittlung der Nachfragemacht angewandt: hierbei wird vom Anbieter ausgegangen, und mit Hilfe des Preistests läßt sich dann ermitteln, welche alternativen Vertriebswege und Verkaufsstellen es für die Produkte des Anbieters gibt. Bei Anwendung dieser Prinzipien sind bestimmte Konstellationen, wie sie unter den Randnummern 56 bis 58 beschrieben werden, sorgfältig zu berücksichtigen.

    18. Zur Veranschaulichung soll dieser Test auf den Zusammenschluß von Unternehmen, die Erfrischungsgetränke abfuellen, angewandt werden: Hierbei wäre unter anderem zu ermitteln, ob unterschiedliche Geschmacksrichtungen der Erfrischungsgetränke zu ein und demselben Markt gehören. Konkret muß also die Frage untersucht werden, ob Konsumenten des Produktes A zu Produkten mit anderem Geschmack übergehen würden, wenn der Preis für A dauerhaft um 5 bis 10 % erhöht wird. Wechseln die Verbraucher in einem so starken Maß zu beispielsweise B über, daß die Preiserhöhung für A wegen der Absatzeinbußen keinen Zusatzgewinn erbringt, so umfaßt der Markt mindestens die Produkte A und B. Der Vorgang wäre außerdem auf andere verfügbare Produkte anzuwenden, bis eine Reihe von Produkten ermittelt ist, bei denen eine Preiserhöhung keine ausreichende Substitution bei der Nachfrage zur Folge hat.

    19. Im allgemeinen - und gerade auch bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen - wird als Preis der geltende Marktpreis zugrunde gelegt. Dies ist jedoch nicht unbedingt der Fall, wenn der geltende Preis bei fehlendem ausreichenden Wettbewerb zustande gekommen ist. Vor allem bei Untersuchungen des Mißbrauchs marktbeherrschender Stellungen wird bereits berücksichtigt, daß der geltende Preis möglicherweise bereits erheblich heraufgesetzt wurde.

    Angebotssubstituierbarkeit

    20. Der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite kann bei der Definition der Märkte dann ebenfalls Rechnung getragen werden, wenn sie sich genauso wirksam und unmittelbar auswirkt wie die Nachfragesubstituierbarkeit. Dies setzt jedoch voraus, daß die Anbieter in Reaktion auf kleine, dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage sind, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig (10) auf den Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken zu gewärtigen. Sind diese Voraussetzungen erfuellt, so üben die zusätzlich auf den Markt gelangenden Produkte auf das Wettbewerbsgebaren der beteiligten Unternehmen eine disziplinierende Wirkung aus. Dieses Ergebnis ist hinsichtlich Wirksamkeit und Unmittelbarkeit dem Nachfrage-Substitutionseffekt gleichwertig.

    21. Zu einer solchen Konstellation kommt es gewöhnlich dann, wenn Unternehmen verschiedenste Sorten oder Qualitäten eines Produktes absetzen; selbst wenn für einen bestimmten Endverbraucher oder bestimmte Verbrauchergruppen Produkte unterschiedlicher Güte nicht substituierbar sind, werden sie einem einzigen Produktmarkt zugeordnet, sofern die meisten Anbieter in der Lage sind, die verschiedenen Produkte unverzüglich und ohne die erwähnten erheblichen Zusatzkosten zu verkaufen. In diesen Fällen umfaßt der sachlich relevante Markt sämtliche Produkte, die sowohl von der Nachfrage als auch vom Angebot her substituierbar sind, und es wird der derzeitige Gesamtabsatz dieser Produkte ermittelt, um den Gesamtwert oder den Gesamtumfang des Marktes zu bestimmen. Aus denselben Erwägungen kann es angezeigt sein, verschiedene räumliche Gebiete zusammenzulegen.

    22. Wie der Aspekt der Angebotsumstellungsflexibilität bei der Produktmarktabgrenzung berücksichtigt wird, soll anhand der Papierbranche veranschaulicht werden. Gewöhnlich werden sehr unterschiedliche Papiersorten mit besonderen Eigenschaften angeboten, von normalem Schreibpapier bis hin zu hochwertigem Papier, beispielsweise für Kunstdrucke. Von der Nachfrageseite her sind nicht alle Papierqualitäten für einen gegebenen Verwendungszweck geeignet - ein Kunstband oder ein hochwertiges Buch läßt sich nicht auf qualitativ einfachem Papier drucken. Papierfabriken aber sind in der Lage, unterschiedliche Qualitäten herzustellen und die Produktion mit vernachlässigbar geringen Kosten und in kürzester Frist umzustellen. Treten beim Vertrieb keine besonderen Probleme auf, so können die Papierhersteller somit in bezug auf Bestellungen verschiedener Güteklassen in Wettbewerb zueinander treten, vor allem wenn die Lieferfristen genügend Zeit für die Anpassung der Produktionspläne lassen. Unter diesen Umständen würde die EFTA-Überwachungsbehörde nicht für Papier unterschiedlicher Beschaffenheit und unterschiedlichen Verwendungszwecks jeweils einen gesonderten Markt abgrenzen. Die verschiedenen Papierqualitäten gehören alle zu ein und demselben relevanten Markt, und die entsprechenden Umsatzzahlen gehen in die Schätzungen des Gesamtwerts des Marktes beziehungsweise des Marktumfangs ein.

    23. Eine Angebotssubstituierbarkeit wird bei der Marktdefinition nicht berücksichtigt werden, wenn sie erhebliche Anpassungen bei den vorhandenen Sachanlagen und immateriellen Aktiva, zusätzliche Investitionen, strategische Entscheidungen oder zeitliche Verzögerungen mit sich brächte. Ein Beispiel für Umstände, in denen die EFTA-Überwachungsbehörde nicht aus Gründen der Angebotsumstellungsflexibilität die Marktdefinition erweiterte, bietet der Bereich der Verbrauchsgüter, insbesondere für Markengetränke. Zwar können in Abfuellanlagen im Prinzip unterschiedliche Getränke abgefuellt werden, doch fallen Kosten und Vorlaufzeiten an (durch Werbung, Produkttests und Vertrieb), bis die Produkte tatsächlich verkauft werden können. Die Auswirkungen der Angebotssubstituierbarkeit wären in diesen Fällen, wie andere Formen potentiellen Wettbewerbs auch, in einem späteren Stadium zu prüfen.

    Potentieller Wettbewerb

    24. Der dritte Faktor, der Wettbewerbsdruck erzeugt, nämlich der potentielle Wettbewerb, wird bei der Marktdefinition nicht herangezogen, da die Voraussetzungen, unter denen potentieller Wettbewerb eine wirksame Wettbewerbskraft darstellt, von bestimmten Faktoren und Umständen im Zusammenhang mit den Markteintrittsbedingungen abhängt. Sofern erforderlich, wird diese Untersuchung in einer späteren Stufe vorgenommen, wenn die Stellung der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt bestimmt worden ist und diese Stellung zu Wettbewerbsbedenken Anlaß gibt.

    III. KRITERIEN UND NACHWEISE FÜR DIE DEFINITION RELEVANTER MÄRKTE

    Die konkrete Vorgehensweise

    Sachlich relevante Märkte

    25. Es gibt eine ganze Reihe von Nachweisen, anhand deren sich beurteilen läßt, in welchem Maß Substitution stattfinden würde. Je nach den Merkmalen und Besonderheiten der betreffenden Wirtschaftszweige und Erzeugnisse oder Dienstleistungen sind im Einzelfall bestimmte Informationen ausschlaggebend. Erkenntnisse über bestimmte Aspekte mögen in bestimmten Fällen wesentlich, in anderen bedeutungslos sein. Zumeist wird bei einer Entscheidung von unterschiedlichen Kriterien und Belegen ausgegangen werden müssen. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist allen Formen des empirischen Nachweises gegenüber offen; sie ist bestrebt, alle verfügbaren Angaben zu nutzen, die im Einzelfall von Bedeutung sein können. Sie folgt also keiner starren Rangordnung für die verschiedenen Informationsquellen und Nachweisformen.

    26. Die Abgrenzung relevanter Märkte läßt sich wie folgt zusammenfassen: Auf der Grundlage bereits vorliegender Informationen oder von beteiligten Unternehmen übermittelter Angaben ist die EFTA-Überwachungsbehörde gewöhnlich in der Lage, die Produktmärkte grob einzugrenzen, die beispielsweise für die Beurteilung eines Zusammenschlusses oder einer Wettbewerbsbeschränkung maßgeblich sind. Im konkreten Einzelfall ist dabei in der Regel über das Vorliegen einiger weniger möglicher relevanter Märkte zu befinden. So geht es oft darum, ob die Erzeugnisse A und B ein und demselben Produktmarkt angehören. Ist Erzeugnis B einzubeziehen, so reicht dies vielfach aus, um jegliche Wettbewerbsbedenken auszuräumen.

    27. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, der Frage nachzugehen, ob noch weitere Erzeugnisse in diesen Markt einbezogen sind, um zu einer endgültigen Bewertung des speziellen Marktes zu gelangen. Wirft der fragliche Vorgang im Rahmen der denkbaren alternativen Marktdefinitionen keine Wettbewerbsbedenken auf, so wird die Frage der Marktdefinition offen gelassen; dies reduziert die Verpflichtung der Unternehmen zur Vorlage von Angaben.

    Räumlich relevante Märkte

    28. Die Vorgehensweise der EFTA-Überwachungsbehörde bei der Bestimmung des räumlich relevanten Marktes läßt sich wie folgt zusammenfassen: Gestützt auf allgemeine Angaben zur Verteilung der Marktanteile der Parteien und ihrer Wettbewerber auf nationaler und EWR-Ebene verschafft sie sich einen ersten Eindruck vom Umfang des räumlich relevanten Marktes. Dieser erste Eindruck dient der EFTA-Überwachungsbehörde vor allem als Arbeitshypothese, mit der sich ihre Unternehmungen, mit denen eine genaue Definition des räumlich relevanten Marktes ermöglicht werden soll, enger eingrenzen lassen.

    29. Den Ursachen für die jeweilige Konstellation von Preisen und Marktanteilen muß nachgegangen werden. So können Unternehmen u. U. hohe Anteile auf ihren Inlandsmärkten allein aufgrund des Gewichts der Vergangenheit halten, und umgekehrt kann eine durchgängige Präsenz von Unternehmen im EWR mit nationalen oder regionalen räumlichen Märkten zu vereinbaren sein. Die anfängliche Arbeitshypothese muß deshalb anhand einer Untersuchung der Nachfragemerkmale (Bedeutung nationaler oder regionaler Präferenzen, gegenwärtiges Käuferverhalten, Produkt- und Markendifferenzierung usw.) gegengeprüft werden, um zu ermitteln, ob Unternehmen an unterschiedlichen Standorten für die Verbraucher tatsächlich eine alternative Lieferquelle darstellen. Auch hier beruht der theoretische Ansatz auf einer Substitution infolge von Änderungen bei den relativen Preisen und muß wiederum die Frage beantwortet werden, ob die Abnehmer der Parteien ihre Nachfrage kurzfristig und zu geringen Kosten auf Unternehmen mit anderem Standort umlenken würden.

    30. Falls erforderlich werden die Angebotsfaktoren einer weiteren Nachprüfung unterzogen, um zu ermitteln, ob die Unternehmen in bestimmten Gebieten vor Hindernissen stehen, wenn sie ihren Absatz zu wettbewerbsfähigen Bedingungen innerhalb des gesamten räumlichen Marktes ausbauen wollen. Bei dieser Untersuchung wird auf folgende Gesichtspunkte eingegangen: Erforderlichkeit einer Gebietspräsenz, um dort verkaufen zu können, Zugangsbedingungen zu den Vertriebswegen, Kosten der Errichtung eines Vertriebsnetzes, etwaige regulatorische Schranken im öffentlichen Auftragswesen, Preisvorschriften, den Handel oder die Produktion einschränkende Kontingente und Zölle, technische Normen, Monopole, Niederlassungsfreiheit, erforderliche behördliche Genehmigungen, Verpackungsvorschriften usw. Dies bedeutet, daß die EFTA-Überwachungsbehörde Hindernisse und Schranken erfassen wird, mit denen die Unternehmen in einem bestimmten Gebiet gegen Wettbewerbsdruck abgeschirmt werden, der von außerhalb des Gebiets gelegenen Unternehmen ausgeht. Dadurch soll der genaue Grad der Marktverflechtung auf nationalem, europäischem und weltweitem Niveau bestimmt werden.

    31. Die gegenwärtige Struktur und Entwicklung der Handelsströme liefert nützliche zusätzliche Hinweise darauf, welche wirtschaftliche Bedeutung diese Nachfrage- und Angebotsfaktoren jeweils besitzen und inwieweit sie wirksame Hemmnisse darstellen, durch die unterschiedliche räumliche Märkte entstehen. Untersucht werden in diesem Zusammenhang in der Regel auch die Transportkosten und das Ausmaß, zu dem diese den Handel zwischen verschiedenen räumlichen Gebieten behindern, unter Berücksichtigung von Produktionsstandort, Produktionskosten und relativem Preisniveau.

    Marktintegration in der Gemeinschaft

    32. Darüber hinaus berücksichtigt die EFTA-Überwachungsbehörde bei der Abgrenzung räumlicher Märkte auch die sich weiterentwickelnde Marktintegration im EWR. Die in Anwendung des EWR-Abkommens (11) zur Beseitigung von Handelshemmnissen und zur stärkeren Integration angenommenen und durchgeführten Maßnahmen können nicht außer acht bleiben, wenn die Auswirkungen z. B. einer Fusion oder eines strukturellen Gemeinschaftsunternehmens auf den Wettbewerb untersucht werden. Sind rechtliche Schranken gefallen, die zuvor einzelne nationale Märkte künstlich voneinander abschotteten, so wird dies im allgemeinen dazu führen, daß in der Vergangenheit ermittelte Angaben über Preise, Marktanteile und Handelsstrukturen mit Vorsicht behandelt werden. Führt Marktintegration binnen kurzer Frist zu größeren räumlichen Märkten, so kann dieser Umstand berücksichtigt werden, wenn zwecks Beurteilung von Unternehmenskonzentrationen und Gemeinschaftsunternehmen der geographische Markt abgegrenzt wird.

    Erhebung von Nachweisen

    33. Hält die EFTA-Überwachungsbehörde es für erforderlich, den Markt genau zu definieren, so wird sie häufig an die wichtigsten Kunden und Unternehmen des betreffenden Wirtschaftszweigs herantreten, um deren Auffassung über die Eingrenzung sachlich und räumlich relevanter Märkte zu erfahren und die für die Entscheidung erforderlichen empirischen Nachweise zu erhalten. Auch mit den betreffenden Berufs- und Wirtschaftsverbänden tritt die EFTA-Überwachungsbehörde unter Umständen in Verbindung. Ferner wird sie, wenn angebracht, Unternehmen, die in vorgelagerten Märkten tätig sind, kontaktieren, um, soweit dies notwendig ist, getrennte sachliche und räumliche Märkte für verschiedene Stufen der Produktion oder des Vertriebs des jeweiligen Produkts oder der jeweiligen Dienstleistungen definieren zu können. Sie kann auch bei den beteiligten Unternehmen zusätzliche Informationen anfordern.

    34. Die Informationen werden gegebenenfalls bei den obengenannten Marktteilnehmern schriftlich angefordert. In der Regel werden die Unternehmen auch gefragt, mit welchen Reaktionen sie bei hypothetischen Preiserhöhungen rechnen und wir ihrer Ansicht nach der relevante Markt abgegrenzt sei. In ihrem Schreiben erläutert die EFTA-Überwachungsbehörde darüber hinaus, welche Sachangaben sie von ihnen benötigt, um den Umfang des relevanten Marktes bestimmen zu können. Mit den zuständigen Mitarbeitern der beteiligten Unternehmen kann die EFTA-Überwachungsbehörde außerdem erörtern, wie Verhandlungen zwischen Anbietern und Kunden ablaufen und wie es sich mit bestimmten Fragen verhält, die für die Definition des relevanten Marktes bedeutsam sind. Falls erforderlich, kann sie auch bei den beteiligten Unternehmen, ihren Kunden und Wettbewerbern Besuche vor Ort durchführen.

    35. Nachstehend wird ein Überblick über die verschiedenen Arten von Nachweisen gegeben, die für die Beurteilung des Produktmarkts von Belang sind.

    Für die Marktdefinition maßgebliche Nachweise - Produktmärkte

    36. Durch die Untersuchung der Merkmale und des Verwendungszwecks des Produkts kann die EFTA-Überwachungsbehörde in einem ersten Schritt den Umfang der Untersuchung möglicher Substitute eingrenzen. Produktmerkmale und Verwendungszweck reichen jedoch nicht aus, um zu entscheiden, ob zwei Produkte Nachfragesubstitute sind. Funktionale Austauschbarkeit oder ähnliche Merkmale sind als solche noch keine ausreichenden Kriterien, da die Kundenreaktion auf Änderungen bei den relativen Preisen auch von anderen Faktoren abhängen kann. So können auf dem Markt für Original-Kfz-Ausrüstungen bei Erstausrüstung und Ersatzteilen unterschiedliche Wettbewerbskräfte am Wirken sein, so daß hier zwei relevante Märkte zu unterscheiden sind. Umgekehrt sind unterschiedliche Produktmerkmale noch nicht als solche ausreichend, um Nachfragesubstitutionen auszuschließen, da dies in hohem Maße davon abhängt, wie die Merkmalsunterschiede von den Kunden eingeschätzt werden.

    37. Die Nachweise, anhand deren sich nach Ansicht der EFTA-Überwachungsbehörde beurteilen läßt, ob zwei Produkte Nachfragesubstitute sind, lassen sich wie folgt einteilen:

    38. Nachweis der Substitution in jüngster Vergangenheit

    In bestimmten Fällen können Nachweise für Ereignisse oder Schocks geprüft werden, die den Markt vor kurzem betroffen haben, und bei denen es bereits zur Substitution zwischen zwei Produkten gekommen ist. Solche Informationen sind normalerweise grundlegend für die Definition des Marktes. Haben sich die relativen Preise in der Vergangenheit geändert (ceteris paribus), so ist für die Beurteilung der Substituierbarkeit ausschlaggebend, wie sich die nachgefragten Mengen in Reaktion hierauf entwickelt haben. Auch eine zeitlich zurückliegende Einführung neuer Produkte kann aufschlußreich sein, wenn sich ermitteln läßt, bei welchen Produkten der Absatz zugunsten des neuen Produkts zurückgegangen ist.

    39. Zum Zweck der Marktabgrenzung wurden eine Reihe von quantitativen Tests ökonometrischer und statistischer Art entwickelt: Schätzung der Elastizitäten und Preiskreuzelastizitäten (12) der Nachfrage nach einem Produkt, Untersuchung der Gleichartigkeit der Preisentwicklung im Laufe der Zeit, Untersuchungen der Kausalität zwischen Preisreihen und Ähnlichkeit des Preisniveaus bzw. ihrer Konvergenz. Zur Ermittlung des Substitutionsverhaltens in der Vergangenheit berücksichtigt die EFTA-Überwachungsbehörde die verfügbaren quantitativen Nachweise, die strenger Nachprüfung standhalten.

    40. Standpunkt von Kunden und Wettbewerbern

    Häufig tritt die EFTA-Überwachungsbehörde im Zuge ihrer Ermittlungen an die wichtigsten Kunden und Wettbewerber der beteiligten Unternehmen heran, um deren Auffassung über die Grenzen des Produktmarkts in Erfahrung zu bringen und dabei gleichzeitig den größten Teil der Sachinformation zu erhalten, die sie zur Bestimmung des Marktumfangs benötigt. Erläuterungen der Kunden und Wettbewerber auf die Frage, was geschehen würde, wenn die relativen Preise für die betreffenden Produkte in dem entsprechenden räumlichen Gebiet geringfügig stiegen (z. B. um 5 bis 10 %), werden berücksichtigt, falls Nachweise über die tatsächliche Entwicklung dies hinreichend stützen.

    41. Verbraucherpräferenzen

    Handelt es sich um Verbrauchsgüter, so kann es für die EFTA-Überwachungsbehörde schwierig sein, die Ansichten der Endverbraucher selbst über die Substituierbarkeit von Produkten zu ermitteln. Marketing-Studien die von Unternehmen in Auftrag gegeben wurden und deren Ergebnisse Preis- und Marketing-Entscheidungen der Unternehmen beeinflussen, können der Überwachungsbehörde wichtige Informationen für die Abgrenzung des relevanten Marktes liefern. Erhebungen über Verhalten und Einstellungen der Verbraucher, Angaben zum Käuferverhalten, von Handelsunternehmen geäußerte Meinungen und generelle Marktforschungsstudien, die von den beteiligten Unternehmen und ihren Wettbewerbern vorgelegt werden, werden herangezogen, um zu ermitteln, ob die Verbraucher zwei Produkte als substituierbar ansehen, auch unter Berücksichtigung der Bedeutung von Marken für die fraglichen Produkte. Bei Verbraucherumfragen, die von beteiligten Unternehmen oder ihren Wettbewerbern speziell für die Zwecke eines Fusionsverfahrens oder eines Verfahrens nach Kapitel II des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens (13) vorgenommen werden, wird die angewandte Methode in der Regel äußerst sorgfältig untersucht. Anders als bereits vorliegende Studien sind sie nicht im Rahmen des normalen Geschäftsgangs und zur Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen erstellt worden.

    42. Schranken und Kosten der Nachfragesubstitution

    Eine Reihe von Schranken und Kosten können die EFTA-Überwachungsbehörde veranlassen, zwei auf den ersten Blick als Substitute erscheinende Produkte nicht als ein und demselben Produktmarkt zugehörig einzustufen. Es ist jedoch nicht möglich, sämtliche Substitutionsschranken und Faktoren aufzuzählen, die dazu führen, daß der Wechsel zu einem anderen Produkt Kosten verursacht. Diese Schranken oder Hindernisse können unterschiedlichste Ursachen haben. Bei ihren Entscheidungen wurde die Überwachungsbehörde bislang konfrontiert mit regulatorischen Hemmnissen und anderen Formen staatlichen Eingreifens, auf nachgelagerten Märkten wirksamen Kräften, dem Erfordernis der Umstellung auf alternative Einsatzmittel - abhängig von besonderen Investitionen oder von der Hinnahme von Verlusten bei der laufenden Produktion -, Fragen des Kundenstandorts, gezielten Investitionen im Herstellungsverfahren, Investitionen in Ausbildung und Humankapital, Umrüstungskosten oder sonstigen Investitionen, Unsicherheiten hinsichtlich Qualität und Ansehen unbekannter Anbieter usw.

    43. Unterschiedliche Kundengruppen und Preisdiskriminierung

    Der Umfang des Produktmarkts kann dadurch eingeschränkt sein, daß gesonderte Gruppen von Kunden bestehen. Eine solche Kundengruppe kann einen engeren, eigenständigen Markt darstellen, wenn sie einer Preisdiskriminierung ausgesetzt werden kann. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn zwei Voraussetzungen erfuellt sind: a) Zum Zeitpunkt des Verkaufs des relevanten Produkts ist feststellbar, welcher Gruppe der jeweilige Kunde angehört, b) Handel zwischen Kunden oder Arbitrage durch Dritte ist nicht möglich.

    Für die Marktdefinition maßgebliche Nachweise - Räumlich relevante Märkte

    44. Die von der EFTA-Überwachungsbehörde für die Bestimmung des räumlichen Marktes als relevant angesehenen Arten von Nachweisen lassen sich wie folgt unterteilen:

    45. Vorliegende Nachweise für eine Umlenkung von Aufträgen in andere Gebiete

    In manchen Fällen können bereits Preisänderungen in bestimmten Gebieten und entsprechende Kundenreaktionen nachgewiesen sein. Grundsätzlich können die für die Produktmarktdefinition angewandten quantitativen Tests auch für die Definition der räumlichen Märkte herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist dabei, daß ein internationaler Preisvergleich wegen einer Reihe von Faktoren wie Währungsschwankungen, Besteuerung oder Produktdifferenzierung komplexer sein kann.

    46. Nachfragemerkmale

    Die Art der Nachfrage nach dem relevanten Erzeugnis kann an sich schon den Umfang des räumlichen Marktes bestimmen. Faktoren wie nationale Vorlieben oder Vorlieben für einheimische Marken, Sprache, Kultur und Lebensstil sowie das Erfordernis der Gebietspräsenz enthalten ein erhebliches Potential zur Eingrenzung des räumlichen Wettbewerbsgebiets.

    47. Standpunkt von Kunden und Wettbewerbern

    Gegebenenfalls tritt die EFTA-Überwachungsbehörde im Zuge ihrer Untersuchungen an die wichtigsten Kunden und Wettbewerber der Parteien heran, um deren Auffassungen über die Grenzen des räumlichen Marktes kennenzulernen und die Sachinformation zu erhalten, die sie zur Bestimmung des Marktumfangs benötigt; berücksichtigt werden dabei nur Angaben, die durch Nachweise der tatsächlichen Entwicklung hinreichend gestützt werden.

    48. Käuferverhalten

    Aus der Untersuchung des Käuferverhaltens in räumlicher Hinsicht läßt sich ein nützlicher Nachweis der Ausdehnung des räumlichen Marktes erbringen. Kaufen Kunden bei Unternehmen überall im EWR zu ähnlichen Bedingungen ein oder beziehen sie ihre Lieferungen über Ausschreibungen, an denen Unternehmen aus dem gesamten EWR teilnehmen, so wird in der Regel der EWR als räumlich relevanter Markt eingestuft.

    49. Handelsströme/Lieferstruktur

    Ist die Anzahl der Kunden so groß, daß es nicht möglich ist, sich über die Kunden ein eindeutiges Bild von dem räumlichen Käuferverhalten zu verschaffen, so können auch Informationen über die Handelsströme herangezogen werden, sofern für die relevanten Produkte hinreichend detaillierte statistische Angaben vorhanden sind. Handelsströme und insbesondere die ihnen zugrundeliegende Logik vermitteln nützliche Erkenntnisse und Informationen über die Ausdehnung des räumlichen Marktes, sind allein jedoch nicht beweiskräftig.

    50. Schranken und Kosten bei der Verlagerung von Aufträgen an Unternehmen in anderen räumlichen Gebieten

    Das Fehlen grenzüberschreitender Käufe oder Handelsströme muß nicht bedeuten, daß der Markt bestenfalls von nationaler Ausdehnung ist. Allerdings muß erst ermittelt werden, wodurch ein nationaler Markt abgeschirmt wird, bevor festgestellt werden kann, daß der räumlich relevante Markt der nationale Markt ist. Das wohl eindeutigste Hindernis dafür, bei Bestellungen in andere Gebiete auszuweichen, sind Transportkosten sowie Transporterschwernisses, die sich aus gesetzlichen Vorschriften oder der Beschaffenheit der relevanten Erzeugnisse ergeben. Die Transportkosten beschränken in der Regel die Ausdehnung des räumlichen Marktes für sperrige, geringerwertige Produkte, wobei Nachteile beim Transport allerdings durch relative Vorteile bei Arbeitskosten, Rohstoffen usw. ausgeglichen werden können. Weitere Schranken, die einen räumlichen Markt gegen den Wettbewerbsdruck von Unternehmen mit Standort außerhalb des betreffenden Gebiets abschirmen, können der Zugang zum Vertriebssystem, regulatorische Hemmnisse, wie es sie in bestimmten Bereichen noch gibt, Kontingente und Zölle sein. Zu nennen sind hier auch die unter Umständen erheblichen Umstellungskosten, die mit der Verlagerung von Lieferaufträgen auf Unternehmen in anderen Ländern der Gemeinschaft verbunden sein können.

    51. Durch Auswertung der gesammelten Nachweise grenzt die EFTA-Überwachungsbehörde den betreffenden räumlich relevanten Markt ab. Es kann sich dabei um lokale bis hin zu globalen Märkten handeln.

    52. In den bisherigen Randnummern werden die Faktoren beschrieben, die für die Abgrenzung von Märkten maßgeblich sein können. Das heißt aber nicht, daß in jedem einzelnen Fall eine Untersuchung und Beurteilung all dieser Faktoren erforderlich ist. Oft reichen in der Praxis Nachweise über einige dieser Faktoren aus, um zu einem Ergebnis kommen zu können.

    IV. BERECHNUNG VON MARKTANTEILEN

    53. Ist der in sachlicher und räumlicher Hinsicht relevante Markt abgegrenzt, so kann festgestellt werden, welche Anbieter und welche Kunden/Verbraucher auf diesem Markt aktiv sind. Auf dieser Grundlage lassen sich die Marktgröße insgesamt und, unter Zugrundelegung der jeweiligen Verkäufe an relevanten Produkten in dem relevanten Gebiet, die Marktanteile der einzelnen Anbieter berechnen. In der Praxis werden Angaben über Marktgröße und Marktanteile häufig vom Markt selbst geliefert, nämlich mittels Schätzungen der Unternehmen und Studien, mit denen Wirtschaftsberater und Wirtschaftsverbände beauftragt sind. Ist dies nicht der Fall oder sind vorliegende Schätzwerte nicht zuverlässig, so fordert die EFTA-Überwachungsbehörde gewöhnlich bei den betreffenden Anbietern jeweils deren eigene Verkaufszahlen an.

    54. Zur Berechnung von Marktanteilen wird zwar üblicherweise auf die Verkaufszahlen Bezug genommen, doch gibt es auch Indikatoren - je nach Erzeugnis oder Wirtschaftszweig unterschiedlicher Art -, die nützliche Aufschlüsse bieten können, wie insbesondere Kapazität, Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer auf Ausschreibungsmärkten, Flotteneinheiten wie bei der Luftfahrt und Umfang der Reserven in Branchen wie dem Bergbau.

    55. Im allgemeinen liefern sowohl Angaben über Mengenumsatz als auch über Umsatzwert nützliche Aufschlüsse. Bei differenzierten Produkten wird gewöhnlich davon ausgegangen, daß der Wert der Verkäufe und der entsprechende Marktanteil die relative Position und Stärke der einzelnen Anbieter besser widerspiegelt.

    V. WEITERE ÜBERLEGUNGEN

    56. In einigen Bereichen hat die Anwendung der erläuterten Grundsätze besonders sorgsam zu erfolgen, zum Beispiel bei primären und sekundären Märkten, insbesondere wenn das Verhalten von Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt gemäß Artikel 54 des EWR-Abkommens untersucht werden muß. Die Methode zur Abgrenzung der Märkte in diesen Fällen ist im wesentlichen dieselbe, d. h. es geht darum, zu beurteilen, wie sich Änderungen bei den relativen Preisen auf die Kaufentscheidungen der Kunden auswirken, allerdings auch unter Berücksichtigung von Substitutionsbeschränkungen, die von Gegebenheiten auf den verbundenen Märkten bewirkt werden. So kann es zu einer engen Abgrenzung des Marktes für sekundäre Produkte wie Ersatzteile kommen, wenn die Kompatibilität mit dem Primärprodukt wichtig ist. Ist es schwierig, kompatible Sekundärprodukte zu finden, und sind die Primärprodukte teuer und lange haltbar, so kann es gewinnträchtig sein, die relativen Preise der Sekundärprodukte zu erhöhen. Sind die Sekundärprodukte dagegen leicht substituierbar oder sind die Primärprodukte so geartet, daß die Verbraucher rasch und direkt auf steigende relative Preise bei den Sekundärprodukten reagieren können, so ist der Markt unter Umständen anders abzugrenzen.

    57. In bestimmten Fällen kann das Vorhandensein bestimmter Substitutionsketten zur Folge haben, daß ein relevanter Markt definiert wird, bei dem sich Produkte oder räumliche Gebiete, die in den Randzonen des Marktes gelegen sind, nicht zur Substitution eignen. Als Beispiel hierfür ist die räumliche Dimension eines Produkts mit erheblichen Transportkosten zu nennen; Lieferungen ab einem bestimmten Werk sind hier auf einen bestimmten Umkreis beschränkt. Dieser Umkreis um das jeweilige Werk könnte im Prinzip den räumlich relevanten Markt bilden. Sind die einzelnen Herstellungsbetriebe jedoch so verteilt, daß sich ihre räumlichen Liefergebiete erheblich überschneiden, so wirkt auf die Preisbildung bei diesen Erzeugnissen ein Kettensubstitutionseffekt ein, aufgrund dessen ein breiterer räumlicher Markt entsteht. Das gleiche kann auch für den Fall zutreffen, daß Produkt B ein Nachfragesubstitut für die Produkte A und C ist. Zwar sind die Produkte A und C keine direkten Nachfragesubstitute, doch können sie als demselben relevanten Produktmarkt zugehörig aufgefaßt werden, da die Preisbildung bei ihnen jeweils durch die Substitution mit B zwingend beeinflußt wird.

    58. In der Praxis muß das Konzept der Kettensubstitution jedoch durch empirische Nachweise erhärtet werden, z. B. im Hinblick auf Preisinterdependenz zwischen Randbereichen der Substitutionsketten; nur so kann im Einzelfall der relevante Markt ausgeweitet werden. Das Preisniveau an beiden Enden der Kette müßte ebenfalls in etwa gleich hoch sein.

    (1) ABl. C 372 vom 9. 12. 1997, S. 5.

    (2) Entspricht der Verordnung Nr. 17 des Rates (allgemeines Verfahren).

    (3) Entspricht der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen).

    (4) Bei der Bewertung staatlicher Beihilfen stehen der Beihilfeempfänger und der betreffende Wirtschaftszweig im Vordergrund und nicht so sehr die Feststellung der Wettbewerbskräfte, denen der Beihilfeempfänger ausgesetzt ist. Ist aber die Beurteilung der Marktmacht und damit des relevanten Marktes in einem bestimmten Fall von Bedeutung, so könnte der in dieser Bekanntmachung entwickelte Ansatz für die Bewertung staatlicher Beihilfen herangezogen werden.

    (5) Im Sinne dieser Bekanntmachung gelten als beteiligte Unternehmen: bei einem Zusammenschluß die anmeldenden Parteien, bei Untersuchungen nach Artikel 54 des EWR-Abkommens das Unternehmen, das Gegenstand der Ermittlungen ist, und die Beschwerdeführer, bei Untersuchungen nach Artikel 53 die Parteien der Vereinbarung.

    (6) Siehe Fußnote 2 des Beschlusses.

    (7) Siehe Fußnote 3 des Beschlusses.

    (8) Definition des Gerichtshofes der EG im Urteil vom 13. Februar 1979, Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche, EuGH Slg. 1979, S. 461; in nachfolgenden Urteilen bestätigt.

    (9) Siehe Fußnote 2 des Beschlusses.

    (10) Das heißt innerhalb eines Zeitraums, in dem es zu keiner erheblichen Anpassung bei den vorhandenen Sachanlagen und immateriellen Aktiva kommen kann (siehe Randnummer 23).

    (11) Es ist darauf hinzuweisen, daß das EWR-Abkommen nicht dieselbe Tragweite wie der EG-Vertrag hat. Das Fehlen einer Zollunion und seine beschränkte Anwendung auf bestimmte Produkte sind z. B. Elemente, die sich auf die Einschätzung der Marktintegration zwischen den EFTA-Staaten einerseits und zwischen den EFTA-Staaten und der Gemeinschaft andererseits auswirken können.

    (12) Die Preiselastizität der Nachfrage nach einem Produkt X ist ein Maßstab dafür, wie die Nachfrage nach X auf Änderungen des Preises von X reagiert. Die Kreuzpreiselastizität zwischen den Produkten X und Y ist ein Maßstab dafür, wie die Nachfrage nach X auf Änderungen des Preises von Y reagiert.

    (13) Siehe Fußnote 2 des Beschlusses.

    ANHANG II

    BEKANNTMACHUNG DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE ÜBER VEREINBARUNGEN VON GERINGER BEDEUTUNG, DIE NICHT UNTER ARTIKEL 53 ABSATZ 1 DES EWR-ABKOMMENS FALLEN

    A. Die vorliegende Bekanntmachung wird in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) und des Abkommens der EFTA-Staaten über die Schaffung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommen) veröffentlicht.

    B. Die Europäische Kommission hat eine Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung veröffentlicht, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen (1). Diese nicht verbindliche Bekanntmachung enthält Grundsätze und Regeln, die die Europäische Kommission im Bereich des Wettbewerbs befolgen wird.

    C. Die EFTA-Überwachungsbehörde vertritt die Auffassung, daß die vorerwähnte Bekanntmachung für den EWR von Bedeutung ist. Zur Aufrechterhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen und Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der EWR-Wettbewerbsregeln im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum nimmt die EFTA-Überwachungsbehörde aufgrund der ihr gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b) des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens übertragenen Befugnisse die vorliegende Bekanntmachung an. Sie hat die Absicht, die in dieser Bekanntmachung niedergelegten Grundsätze und Regeln bei der Anwendung der einschlägigen EWR-Wettbewerbsregeln in einem bestimmten Fall zu befolgen.

    D. Die vorliegende Bekanntmachung ersetzt die Bekanntmachung, die die Überwachungsbehörde im Anhang IX zu ihrem Beschluß vom 12. Januar 1994, geändert durch den Beschluß vom 15. Mai 1996, angenommen hat (2).

    "I

    1. Die EFTA-Überwachungsbehörde sieht es als eine wichtige Aufgabe an, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zu erleichtern, soweit sie wirtschaftlich erwünscht und wettbewerbspolitisch unbedenklich ist. Deswegen veröffentlichte sie die Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen (3); diese Bekanntmachung führt eine Reihe von Vereinbarungen auf, die ihrer Natur nach nicht als Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen sind. Außerdem erklärte die EFTA-Überwachungsbehörde in ihrer Bekanntmachung über die Beurteilung von Zulieferverträgen (4), daß Vereinbarungen dieser Art, die Entwicklungsmöglichkeiten für Unternehmen bieten, als solche nicht unter das Verbot des Artikels 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens fallen. Die Bekanntmachung über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Artikel 53 des EWR-Abkommens (5) beschreibt im einzelnen die Bedingungen, welche die betreffenden Vereinbarungen erfuellen müssen, um nicht unter das Kartellverbot zu fallen. Mit der vorliegenden Bekanntmachung möchte die EFTA-Überwachungsbehörde zur weiteren Klärung des Anwendungsbereichs des Artikels 53 Absatz 1 beitragen, um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zu erleichtern.

    2. Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens verbietet Vereinbarungen, welche den Handel zwischen den Vertragsparteien zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im räumlichen Geltungsbereich des Abkommens bezwecken oder bewirken. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat klargestellt, daß diese Vorschrift keine Anwendung findet, solange sich die Vereinbarung nicht spürbar auf den innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr und den Wettbewerb auswirkt. Dieser Grundsatz sollte auch für die Auslegung des Artikels 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens gelten, was besagt, daß diese Vorschrift keine Anwendung findet, solange keine spürbaren Auswirkungen auf den Handel zwischen den Vertragsparteien oder auf den Wettbewerb festzustellen sind. Vereinbarungen, die nicht geeignet sind, den Handel zwischen den Vertragsparteien spürbar zu beeinträchtigen, fallen nicht unter Artikel 53. Sie sind daher ausschließlich auf der Grundlage und im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung zu beurteilen. Dies trifft auf Vereinbarungen zu, deren tatsächliche oder vorhersehbare Wirkung auf das Gebiet einer Vertragspartei oder eines oder mehrerer Drittstaaten begrenzt bleibt. Vereinbarungen, die keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, entgehen gleichfalls dem Verbot des Artikels 53 Absatz 1.

    3. Die EFTA-Überwachungsbehörde hat in dieser Bekanntmachung den Begriff 'spürbar' durch quantitative Kriterien und Hinweise zu deren Anwendung so konkretisiert, daß die Unternehmen selbst beurteilen können, ob ihre Vereinbarungen wegen geringer Bedeutung nicht unter Artikel 53 Absatz 1 fallen. Die quantitative Definition der Spürbarkeit hat jedoch nur Hinweischarakter. Es ist im Einzelfall durchaus möglich, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, welche die unten aufgeführten Schwellen überschreiten, den Handel zwischen den Vertragsparteien oder den Wettbewerb im Geltungsbereich des Abkommens nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht unter Artikel 53 Absatz 1 fallen. Diese Bekanntmachung enthält auch keine erschöpfende Aufzählung der von Artikel 53 Absatz 1 nicht erfaßten Beschränkungen. Nach allgemeinem Verständnis können auch Vereinbarungen von nicht geringer Bedeutung wegen ihrer ausschließlich günstigen Wirkung auf den Wettbewerb dem Kartellverbot entgehen.

    4. Mit den Hinweisen in dieser Bekanntmachung dürfte das Interesse der Unternehmen entfallen, für die hier genannten Vereinbarungen die Rechtslage durch Einzelentscheidungen der EFTA-Überwachungsbehörde zu klären; insoweit besteht auch kein Anlaß zur Anmeldung derartiger Vereinbarungen. Sollten jedoch im Einzelfall Zweifel bestehen, ob eine Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Vertragsparteien spürbar zu beeinträchtigen oder den Wettbewerb spürbar zu beschränken, so haben die Unternehmen die Möglichkeit, gemäß Kapitel II (1), Kapitel VI (2), Kapitel IX (3) und Kapitel XI (4) des Protokolls 4 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommens ein Negativattest zu beantragen oder die Vereinbarung anzumelden.

    5. Vorbehaltlich der Randnummern 11 und 20 wird die EFTA-Überwachungsbehörde in Fällen, die unter diese Bekanntmachung fallen, weder auf Antrag noch von Amts wegen ein Verfahren einleiten. Haben Unternehmen eine von Artikel 53 Absatz 1 erfaßte Vereinbarung nicht angemeldet, weil sie gutgläubig annahmen, daß die Vereinbarung unter diese Bekanntmachung falle, so wird die EFTA-Überwachungsbehörde keine Geldbußen verhängen.

    6. Diese Bekanntmachung gilt auch für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und für aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen.

    7. Der Auslegung durch die zuständigen Behörden und insbesondere durch die nationalen Gerichte, den EFTA-Gerichtshof, den Gerichtshof oder das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften wird durch diese Bekanntmachung nicht vorgegriffen.

    8. Diese Bekanntmachung läßt die Anwendung des innerstaatlichen Wettbewerbsrechts unberührt.

    II

    9. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist der Auffassung, daß Vereinbarungen zwischen Unternehmen, deren Geschäftsbetrieb auf die Erzeugung oder den Absatz von Waren oder auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist, nicht unter das Verbot des Artikels 53 Absatz 1 fallen, wenn die von allen beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltenen Marktanteile auf keinem der betroffenen Märkte

    a) eine Schwelle von 5 % überschreiten, sofern die Vereinbarung zwischen Unternehmen derselben Produktions- oder Handelsstufe geschlossen wird ('horizontale' Vereinbarung);

    b) eine Schwelle von 10 % überschreiten, sofern die Vereinbarung zwischen Unternehmen verschiedener Wirtschaftsstufen geschlossen wird ('vertikale' Vereinbarung).

    Im Fall einer gemischt horizontal/vertikalen Vereinbarung oder bei Schwierigkeiten, die Vereinbarung als horizontal oder vertikal einzustufen, ist die Schwelle von 5 % maßgebend.

    10. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist der Auffassung, daß die vorgenannten Vereinbarungen selbst dann nicht unter das Verbot des Artikels 53 Absatz 1 fallen, wenn die in Randnummer 9 genannten Marktanteile während zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre um nicht mehr als ein Zehntel überschritten werden.

    11. In bezug auf

    a) horizontale Vereinbarungen, welche bezwecken,

    - die Preise festzusetzen oder die Erzeugung oder den Absatz einzuschränken oder

    - die Märkte oder Versorgungsquellen aufzuteilen;

    b) vertikale Vereinbarungen, welche bezwecken,

    - die Wiederverkaufspreise festzusetzen oder

    - beteiligten oder dritten Unternehmen Gebietsschutz zu gewähren,

    läßt sich die Anwendbarkeit von Artikel 53 Absatz 1 nicht ausschließen, selbst wenn die von den beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltenen Marktanteile unterhalb der in den Randnummern 9 und 10 genannten Schwellen verbleiben.

    Die EFTA-Überwachungsbehörde ist jedoch der Auffassung, daß es in erster Linie den Behörden und Gerichten der Vertragsparteien obliegt, sich mit den unter den Buchstaben a) und b) bezeichneten Vereinbarungen zu befassen. Sie wird gegen diese Vereinbarungen daher nur einschreiten, wenn die durch das EWR-Abkommen geschützten Interessen dies verlangen, insbesondere dann, wenn diese Vereinbarungen das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes, der aufgrund des Abkommens die EFTA-EWR-Staaten umfaßt, gefährden.

    12. Beteiligte Unternehmen im Sinne dieser Bekanntmachung sind:

    a) vertragschließende Unternehmen;

    b) Unternehmen, bei denen ein vertragschließendes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar

    - mehr als die Hälfte des Kapitals oder des Betriebsvermögens besitzt oder

    - über mehr als die Hälfte der Stimmrechte verfügt oder

    - mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe bestellen kann oder

    - das Recht hat, die Geschäfte des Unternehmens zu führen;

    c) Unternehmen, die bei einem vertragschließenden Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflußmöglichkeiten haben;

    d) Unternehmen, bei denen ein oben unter Buchstabe c) genanntes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflußmöglichkeiten hat.

    Als beteiligte Unternehmen gelten auch solche, bei denen mehrere der unter den Buchstaben a) bis d) genannten Unternehmen jeweils gemeinsam unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe b) bezeichneten Rechte oder Einflußmöglichkeiten haben.

    13. Zur Berechnung des Marktanteils ist der relevante Markt zu bestimmen. Dabei sind der relevante Produktmarkt und der geographisch relevante Markt zu ermitteln.

    14. Der relevante Produktmarkt umfaßt alle Produkte oder Dienstleistungen, die vom Verbraucher aufgrund ihrer Merkmale, ihrer Preise und ihres Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.

    15. Der geographisch relevante Markt umfaßt das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten insbesondere durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.

    16. Bei der Anwendung der Randnummern 14 und 15 ist die Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des EWR-Wettbewerbsrechts (5) heranzuziehen.

    17. Bei Zweifeln über die Abgrenzung des geographisch relevanten Marktes können die Unternehmen davon ausgehen, daß ihre Vereinbarung keine spürbaren Auswirkungen auf den Handel zwischen den Vertragsparteien oder auf den Wettbewerb hat, wenn die in den Randnummern 9 und 10 genannten Marktanteilsschwellen in keinem Staat im Gebiet des EWR-Abkommens überschritten werden. Diese Beurteilung steht einer möglichen Anwendung des innerstaatlichen Wettbewerbsrechts jedoch nicht entgegen.

    18. Abschnitt II dieser Bekanntmachung findet keine Anwendung, wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die kumulativen Auswirkungen nebeneinander bestehender Netze gleichartiger Vereinbarungen beschränkt wird, die von mehreren Herstellern oder Händlern errichtet worden sind.

    III

    19. Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen, wie sie im Beschluß der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 112/96/KOL (1) definiert werden, sind selten geeignet, den Handel zwischen den Vertragsparteien und den Wettbewerb im EWR spürbar zu beeinträchtigen. Sie fallen somit in aller Regel nicht unter das Verbot des Artikels 53 Absatz 1. Falls diese Vereinbarungen ausnahmsweise doch die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Vorschrift erfuellen sollten, bestuende an ihnen für den EWR kein ausreichendes Interesse, das ein Einschreiten gegen sie rechtfertigen würde. Die EFTA-Überwachungsbehörde wird daher weder auf Antrag noch von Amts wegen ein Verfahren zur Anwendung von Artikel 53 Absatz 1 auf derartige Vereinbarungen einleiten, selbst wenn die in den Randnummern 9 und 10 genannten Schwellen überschritten sind.

    20. Die EFTA-Überwachungsbehörde behält sich jedoch vor, gegen derartige Vereinbarungen vorzugehen,

    a) wenn diese den Wettbewerb auf einem wesentlichen Teil des relevanten Marktes behindern;

    b) wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die kumulativen Auswirkungen nebeneinander bestehender Netze gleichartiger Vereinbarungen beschränkt wird, die von mehreren Herstellern oder Händlern errichtet worden sind."

    (3) ABl. L 153 vom 18. 6. 1994, S. 25.

    (4) ABl. L 153 vom 18. 6. 1994, S. 30.

    (5) ABl. L 186 vom 21. 7. 1994, S. 58.

    (1) Entspricht der Verordnung Nr. 17 des Rates.

    (2) Entspricht der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates.

    (3) Entspricht der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates.

    (4) Entspricht der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates.

    (5) Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

    (1) ABl. L 42 vom 13. 2. 1997, S. 33.

    (1) ABl. C 372 vom 9. 12. 1997, S. 13.

    (2) ABl. L 153 vom 18. 6. 1994, S. 32; ABl. C 281 vom 26. 9. 1996, S. 20.

    Top