Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52010DC0370R(01)

WEISSBUCH Sicherungssysteme für Versicherungen

/* COM (2010) 0370 f/2 */

52010DC0370R(01)

/* COM (2010) 0370 f/2 */ WEISSBUCH Sicherungssysteme für Versicherungen


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 17.8.2010

KOM(2010)370 endgültig/2

BERICHTIGUNGAnnuliert und ersetzt das Dokument KOM(2010) 370 endgültig vom 12.7.2010Betrifft die deutsche FassungSeite 12 Nummer 3.4 Absatz 3: anstatt: "Lebensversicherer" muss es heissen: "Nichtlebensversicherer".

WEISSBUCH

Sicherungssysteme für Versicherungen

{SEK(2010)841}{SEK(2010)840}

WEISSBUCH

Sicherungssysteme für Versicherungen

Einleitung

Sicherungssysteme für Versicherungen bieten Verbrauchern in letzter Instanz Schutz, wenn Versicherungen ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Damit schützen sie die Verbraucher vor dem Risiko, dass ihre Ansprüche bei Zahlungsunfähigkeit ihres Versicherungsunternehmens nicht erfüllt werden.

Sicherungssysteme gibt es auch in anderen Bereichen der Finanzdienstleistungsbranche. Insbesondere Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme bestehen in allen EU-Mitgliedstaaten, und mit der Umsetzung der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme aus dem Jahr 1994 und der Richtlinie über Anlegerentschädigungssysteme aus dem Jahr 1997[1] wurden die Mindestschutzstandards EU-weit harmonisiert. Im Versicherungssektor fehlt ein solcher gemeinsamer europäischer Rahmen dagegen bislang.

Von den 30 EU-/EWR-Ländern haben nur 12 ein oder mehrere allgemeine Sicherungssysteme für Versicherungen eingerichtet. In verbuchten Bruttoprämien ausgedrückt ist damit ein Drittel des gesamten EU-/EWR-Versicherungsmarkts bei Insolvenz eines Versicherungsunternehmens nicht von einem Sicherungssystem gedeckt. Etwa 26 % aller Lebensversicherungen und 56 % aller Nichtlebensversicherungen sind ungesichert.

Sind Sicherungssysteme vorhanden, unterscheiden sie sich häufig in ihrem Deckungsumfang, so dass die Versicherungsnehmer in den verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlich hohem Maße geschützt sind. Auch bei anderen Aspekten von Sicherungssystemen, die sich auf den Sicherungsumfang auswirken, sowie bei internen Arbeitsabläufen und Finanzierung bestehen erhebliche Unterschiede.

Das Fehlen harmonisierter EU-Regelungen für Sicherungssysteme im Versicherungsbereich steht einem wirksamen und einheitlichen Verbraucherschutz im Wege. Dies könnte zu einem Vertrauensverlust der Verbraucher auf den relevanten Märkten führen und letztendlich die Marktstabilität gefährden. Auch der grenzübergreifende Wettbewerb könnte verzerrt und dadurch die Funktionsweise des Versicherungsbinnenmarkts eingeschränkt werden. Aus der jüngsten Krise lässt sich die Lehre ziehen, dass die Schaffung harmonisierter Sicherungssysteme für den Versicherungssektor zur Beseitigung der derzeitigen Schwachstellen beitragen könnte.

In diesem Weißbuch wird ein kohärenter Rahmen skizziert, innerhalb dessen die EU Maßnahmen zum Schutz von Versicherungsnehmern und Anspruchsberechtigten durch Sicherungssysteme treffen könnte, um der eventuellen Notwendigkeit eines Rückgriffs auf Steuermittel vorzubeugen. Es wird insbesondere der Erlass einer Richtlinie vorgeschlagen, die sicherstellen soll, dass alle Mitgliedstaaten über ein Sicherungssystem verfügen, das gewisse Mindestanforderungen erfüllt. Die vorliegenden Informationen deuten darauf hin, dass ein kohärentes Vorgehen auf EU-Ebene der beste Weg ist, um den bestehenden Schwächen und Ungleichheiten beim Schutz der Versicherungsnehmer angemessen zu begegnen. In diesem Weißbuch soll keine Harmonisierung von Versicherungsprodukten vorgeschlagen werden. Ebensowenig ist beabsichtigt, ausschließlich auf dem Inlandsmarkt vertriebene Produkte zu benachteiligen.

Die Hauptoptionen, die nach Auffassung der Kommission favorisiert werden sollten, werden in den Abschnitten 3 und 4 in Kästen kurz zusammengefasst. Alle interessierten Kreise einschließlich der Mitgliedstaaten werden gebeten, bis zum 30. November 2010 umfassend zu den ermittelten Optionen Stellung zu nehmen und weitere Beiträge zu leisten.

Zusammen mit dem Weißbuch werden eine Folgenabschätzung, die sich auf einen umfassenden Bericht zur Methodik stützt, sowie weitere Anhänge vorgelegt.

Zweck und Gegenstand des Weissbuchs

Warum besteht in diesem Bereich Handlungsbedarf?

Lehren aus der Krise

Seit der jüngsten Finanzkrise wissen mehr Verbraucher, dass in allen Finanzsektoren Verbraucherschutz-/ Garantiesysteme bestehen, diese aber keinen unbegrenzten Schutz bieten. Auch wenn der Versicherungssektor nicht die Ursache für die Krise war, hat er sich doch alles andere als immun erwiesen. Einige große europäische Versicherer haben außerordentlich hohe Verluste geschrieben und sahen sich deshalb gezwungen, in großem Umfang frisches Kapital zuzuführen.[2] Um die durch die Uneinheitlichkeit der Sicherungssysteme in Europa bedingten derzeitigen Regulierungslücken und –inkohärenzen zu beseitigen, hat die de Larosière-Gruppe in ihrem Abschlussbericht die Schaffung EU-weit harmonisierter Sicherungssysteme vorgeschlagen (Empfehlung Nr. 5)[3].

Dieselbe Empfehlung ist auch im Einleitungsteil der unlängst verabschiedeten Rahmenrichtlinie Solvabilität II[4] enthalten.

Darüber hinaus hat die Kommission in ihrer Mitteilung „Impulse für den Aufschwung in Europa“ vom 4. März 2009 angekündigt, sie werde die Angemessenheit der bestehenden Sicherungssysteme im Versicherungssektor bis Ende 2009 überprüfen und angemessene Legislativvorschläge unterbreiten[5].

Am 23. September 2009 nahm die Kommission drei Verordnungsvorschläge zur Schaffung des Europäischen Finanzaufsichtssystems, d.h. zur Einrichtung der drei neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden an. Die laufenden Diskussionen zwischen den Mitgesetzgebern über die Rolle der neuen Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA)[6], bei denen es auch um die Einführung eines Sicherungssystems für Versicherungen auf nationaler und/oder EU-Ebene ging, werden von der Kommission aufmerksam verfolgt.

„Solvabilität II“ schließt Insolvenzen nicht gänzlich aus

Weder die derzeitige noch die künftige Regelung der EU (Solvabilität I bzw. II) können die Insolvenz einer Versicherungsgesellschaft gänzlich ausschließen. Die Rahmenrichtlinie „Solvabilität II“, die ab dem 31. Dezember 2012 anzuwenden ist, sieht in Bezug auf die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen einen risikobasierten, wirtschaftlichen Ansatz vor. Sie verpflichtet Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, bei einem Konfidenzniveau von 99,5 % VaR[7] ausreichend Eigenkapital vorzuhalten, um die Verpflichtungen eines ganzen Jahres erfüllen zu können. Dies dürfte gewährleisten, dass von 200 Versicherungsgesellschaften pro Jahr nicht mehr als eine Konkurs anmeldet. Den für die Zwecke dieses Weißbuchs verwendeten historischen Daten und Modellschätzungen zufolge liegt die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Versicherungsunternehmen im allgemeinen zwischen 0,1 % (normale wirtschaftliche Bedingungen) und 0,5 % (außergewöhnliche Umstände wie eine Finanzkrise oder besondere Schwierigkeiten eines Versicherers in einem bestimmten EU-Land).[8] Trotz der bestehenden Sicherungssysteme kann dies dazu führen, dass die Verluste auf die Versicherungsnehmer in der EU (oder den Steuerzahler) abgewälzt werden. Im Extremfall können sich diese Verluste bei Lebens- und Nichtlebensversicherungen in einem Jahr auf bis zu 46,5 Mrd. EUR belaufen. Dies entspricht etwa 4,4 % der in der EU in einem Jahr verbuchten Bruttoprämien. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass zwischen 1996 und 2004 mehr als 130 Versicherer in der EU zahlungsunfähig geworden sind und die Insolvenz einer griechischen Versicherungsgruppe im Jahr 2009 etwa 800 000 Versicherungsnehmer betraf.

Grenzübergreifendes Versicherungsgeschäft in der EU dürfte zunehmen

Die grenzübergreifende Tätigkeit von Versicherungsunternehmen — d.h. die Erbringung von Versicherungsleistungen in anderen Ländern entweder direkt oder über die Errichtung von Zweigniederlassungen — macht im Durchschnitt 4,10 % der insgesamt verbuchten Bruttoprämien in der EU aus, was einem Prämienvolumen von 42,8 Mrd. EUR im Jahr 2007 entspricht. Das grenzübergreifende Geschäft wird voraussichtlich weiter wachsen. So erwägen einige große Versicherungsgruppen eine Umwandlung ihrer Tochtergesellschaften in Zweigniederlassungen.

Selbst in Mitgliedstaaten, die über Sicherungssysteme verfügen, sind grenzübergreifende Tätigkeiten nicht immer abgedeckt. Rund 62 % des grenzübergreifenden Lebensversicherungsgeschäfts und etwa 23 % des grenzübergreifenden Nichtlebensversicherungsgeschäfts sind in der Europäischen Union in keiner Weise durch ein Sicherungssystem geschützt.

Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigte sind unzureichend und/oder nicht in gleichem Umfang geschützt

Durch die Unterschiede zwischen den nationalen Sicherungssystemen in der EU (bzw. ihr völliges Fehlen in einigen Mitgliedstaaten) sind die Versicherungsnehmer nur unzureichend und in unterschiedlichem Umfang geschützt. Wo nationale Systeme bestehen, unterscheiden sie sich häufig erheblich in ihrer Struktur. Auch das Fehlen harmonisierter Regelungen kann sich bei grenzübergreifenden Versicherungsgeschäften in der EU für den Verbraucherschutz als besonders problematisch erweisen. Wird ein grenzübergreifend tätiges Versicherungsunternehmen insolvent, sind einige Versicherungsnehmer möglicherweise durch ein Sicherungssystem gedeckt, andere trotz gleichlautender Verträge dagegen nicht oder möglicherweise nur in geringerem Umfang.[9]

Beispiele: Ein Versicherungsnehmer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat ohne Sicherungssystem kann dennoch geschützt sein, wenn sein Versicherer seinen Sitz in einem anderen EU-Land hat und dessen Sicherungssystem Schutz nach dem „Herkunftslandprinzip“ gewährt.[10] Ein Versicherungsnehmer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Sicherungssystem nach dem „Herkunftslandprinzip“ arbeitet, könnte ungedeckt sein, wenn sein Versicherer seinen Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat, dessen Sicherungssystem nach dem „Aufnahmelandprinzip“ arbeitet. Geschützt ist der Versicherungsnehmer allerdings, wenn seine Police von einem inländischen Versicherungsunternehmen ausgestellt wurde. Arbeitet das Sicherungssystem des Mitgliedstaates, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat, nach dem Aufnahmelandprinzip, ist es unerheblich, ob die Police von einem in- oder ausländischen Versicherer ausgestellt wurde, solange die Systeme beider Länder den gleichen Schutz bieten. Der Deckungsumfang kann unterschiedlich sein, wenn einer der betroffenen Mitgliedstaaten oder beide für die zu zahlende Entschädigung eine Obergrenze festgelegt haben. |

Die derzeitige Situation führt für die Versicherer in der EU zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen

Das Nebeneinander unterschiedlicher Sicherungssysteme (sowie die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten über kein System dieser Art verfügen) ist auch insofern problematisch, als Wettbewerbsgleichheit für in- und ausländische Versicherungsunternehmen, die im selben Markt tätig sind, nicht gegeben ist. Dieses Problem kann vor allem dann akut werden, wenn aufgrund des unterschiedlichen geografischen Deckungsumfang von Sicherungssystemen (wenn es sie gibt) im Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat ein Teil der auf demselben Markt tätigen Versicherer an ein Sicherungssystem angeschlossen sind, der andere aber nicht.

Beispiele: Wenn Verbraucher sich für Versicherungen entscheiden, die durch ein Sicherungssystem gedeckt sind (oder für ähnliche Produkte, die beispielsweise durch ein Einlagensicherungs- oder Anlegerentschädigungssystem gedeckt sind) kann dies zu Wettbewerbsverzerrungen führen und zu Lasten der Versicherer gehen, die keine abgesicherten Versicherungsprodukte anbieten. Sicherungssysteme sind mit zusätzlichen Kosten verbunden, die letztendlich auf die Versicherungsnehmer abgewälzt werden könnten. Ziehen die Verbraucher preisgünstigere Versicherungsprodukte vor, könnte der Wettbewerb zu Lasten von Versicherern verzerrt werden, die abgesicherte (und damit wahrscheinlich teurere) Versicherungsprodukte anbieten. |

Die derzeitige Situation beeinträchtigt die Marktstabilität

Der Konkurs von Versicherungsunternehmen und die daraus resultierenden Verluste für Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigte könnten bei den Verbrauchern zu einer Verhaltensänderung führen (d.h. sie könnten weniger Versicherungen abschließen), die Fähigkeit der Wirtschaft zur Bewältigung der Risiken mindern und so auf die Realwirtschaft durchschlagen. Darüber hinaus könnten die Versicherungsnehmer trotz der bei vorzeitiger Kündigung normalerweise hohen Vertragsstrafen durch Rücktritt von ihrer Versicherung auf tatsächliche oder erwartete Verluste reagieren und dadurch eine Finanzkrise potenziell noch verschlimmern.

Gibt es zu EU-Maßnahmen im Bereich der Sicherungssysteme für Versicherungen gangbare Alternativen?

Wie wichtig die Einführung eines Sicherungssystems ist, hängt von der Höhe des Risikos von Versicherungsinsolvenzen und den potenziellen Auswirkungen solcher Insolvenzen auf die Verbraucher ab. Dies wirft die Frage auf, welche alternativen Schutzmechanismen auf nationaler oder europäischer Ebene zur Verfügung stehen, um dieses Risiko abzuschwächen oder die Verluste für Versicherungsnehmer zu mindern.

Aufsichtsvorschriften und Risikomanagement

Ein wirksames Risikomanagement und umfassende Governance-Strukturen sind neben Eigenmittelanforderungen und angemessenen Aufsichtsbefugnissen Eckpfeiler der künftigen Solvabilitätsregelung. Doch ist weithin anerkannt, dass es zu teuer wäre, die Solvabilitätsanforderungen so hoch anzusetzen, dass alle unerwarteten Verluste abgedeckt werden können.[11]

Bevorrechtigte Behandlung von Versicherungsnehmern bei Liquidationsverfahren

Nach derzeitigem EU-Recht können die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht zwei Möglichkeiten vorsehen, um Versicherungsnehmern bei der Liquidation eines Versicherungsunternehmens Vorrang gegenüber anderen Gläubigern einzuräumen[12]. Doch möchte sich ein Versicherungsnehmer, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, möglicherweise nicht auf das Liquidationsverfahren verlassen. Diese Verfahren sind oftmals komplex und zeitaufwändig, so dass einem Versicherungsnehmer mit offenen Forderungen, der erst den Ausgang solcher Verfahren abwartet, dadurch erhebliche Liquiditätsengpässe entstehen könnten.

Eingreifen der Regierung im Einzelfall

Einzelfalllösungen, wie ein nachträgliches Eingreifen der Regierung, sind zwar naturgemäß flexibel, haben auch große Nachteile. Da Entscheidungen in solchen Fällen nicht nach feststehenden Regeln, sondern ad hoc getroffen werden, gehen sie nur bei einheitlicher Vorgehensweise nicht zu Lasten von Fairness und Transparenz. Ein Eingreifen im Einzelfall könnte auch als unfaire Bevorzugung von Großunternehmen gesehen werden, wodurch „Moral Hazard“ befördert würde: d.h. die Unternehmen könnten mit weniger Angst vor den Konsequenzen Risiken eingehen, da ja andere für die Bereitstellung eines Sicherheitsnetzes zahlen.

Zusätzliche Informationen und erhöhte Transparenz

Alternativ dazu könnte vorgeschrieben werden, dass den Versicherungsnehmern mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, damit sie das für sie geeignetste Versicherungsprodukt auswählen können. Dies setzt allerdings voraus, dass die Versicherungsnehmer die Informationen verstehen und sie bei ihrer Entscheidungsfindung verwerten können. De facto ist dies aber sehr unwahrscheinlich, was insbesondere für das grenzübergreifende Versicherungsgeschäft gilt. Außerdem wird mit der Bereitstellung zusätzlicher Informationen nicht das Problem beseitigt, dass für die in einem Markt tätigen Versicherungsunternehmen nicht die gleichen Wettbewerbsbedingungen gelten.

Gegenstand, Hintergrund und Ziele des Weißbuchs

Gegenstand und Begriffsbestimmung

Dieses Weißbuch betrifft alle Lebensversicherungs- und Nichtlebensversicherungsgesellschaften sowie Unternehmen, die beide Versicherungsarten anbieten. Pensionsfonds im Sinne der Richtlinie 2003/41/EG[13] oder Rückversicherungsgesellschaften fallen dagegen nicht darunter

Für die Zwecke dieses Weißbuchs bedeutet Mindestharmonisierung , dass die Mitgliedstaaten, falls gewünscht, einen höheren Schutz vorsehen können als die einschlägigen EU-Rechtsvorschriften.

Hintergrund

Dieses Weißbuch stützt sich auf die Arbeiten der Kommission seit 2001 sowie auf die umfassenden Konsultationen und Gespräche mit Versicherungsnehmern, Versicherungspraktikern und politischen Entscheidungsträgern im Laufe der vergangenen zwei Jahre. Herangezogen wurden ferner ein im Auftrag der Kommission von Oxera erstellter (und Ende November 2007 abgeschlossener) Bericht über Versicherungssicherungssysteme[14] sowie ein für die Kommission von Versicherungsaufsichtsbehörden (CEIOPS)[15] erstellter Bericht. Auch wird mit der Vorlage dieses Weißbuchs den wiederholt geäußerten Befürchtungen des Europäischen Parlaments[16] Rechnung getragen. Die in diesem Weißbuch vorgeschlagenen Schritte werden in der begleitenden Folgenabschätzung im Einzelnen analysiert.

Ziele

Die im Weißbuch empfohlenen Maßnahmen zielen insbesondere auf Folgendes ab:

Gewährleistung eines umfassenden und gleichmäßigen Schutzes für Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigte

Die Gewährleistung einer angemessenen Absicherung von Versicherungsnehmern und Anspruchsberechtigten für den Fall des Zusammenbruchs eines Versicherungsunternehmens ist ein zentrales Ziel des künftigen EU-Rahmens für Sicherungssysteme für Versicherungen. Es ist eng mit dem Ziel verknüpft, die Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten sicherzustellen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ihren Wohnsitz haben oder ob sie ihre Versicherungen von einem in- oder ausländischen Versicherungsunternehmen beziehen.

Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen

Ein auf EU-Ebene harmonisierter Rahmen für die Absicherung durch Sicherungssysteme zielt ebenfalls darauf ab, gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Versicherungsunternehmen zu garantieren und zu gewährleisten, dass in- und ausländische Versicherungsgesellschaften aus der EU, die ihrer Tätigkeit im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs nachgehen oder ihre Versicherungen über Zweigniederlassungen anbieten, unter gleichen Bedingungen in Wettbewerb treten können.

Verminderung negativer Anreize

Ein harmonisierter Rahmen auf dem Gebiet der Sicherungssysteme für Versicherungen dürfte verhindern, dass die Steuerzahler letzlich die Kosten des Missmanagements einer Versicherungsgesellschaft zu tragen hätten. Zu diesem Zweck sollte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der von den Versicherungen selbst finanziert wird und keine Anreize zum Eingehen übermäßiger Risiken ("moral hazard") schafft. Dieses Ziel beinhaltet zweckmäßige Maßnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die beanspruchten Mittel ausschließlich für die genau festgelegten Zwecke des Sicherungssystems für Versicherungen verwandt werden. Was den Schutz durch Sicherungssysteme für Versicherungen angeht, so gibt es kaum Nachweise dafür, dass die Einführung von Schutzsystemen die auf dem Markt getätigten Geschäfte durch die Schaffung falscher Anreize verzerrt. Darüber hinaus werden die Bedenken in Bezug auf den "moral hazard" durch andere Schutzmechanismen wie eine moderne Solvabilitätsregelung und die Maßnahmen der Aufsichtsbehörden abgeschwächt.

Gewährleistung von Kosteneffizienz

Die kosteneffiziente Funktionsweise der Sicherungssysteme für Versicherungen ist von großer Bedeutung. Dies bedeutet insbesondere, dass Maßnahmen auf EU-Ebene auf diesem Gebiet das richtige Gleichgewicht zwischen den Vorteilen für die Versicherungsnehmer und den Kosten des angebotenen Schutzes finden müssen. Letztendlich wird ein Sicherungssystem für Versicherungen, das nicht kosteneffizient arbeitet, zu höheren Kosten für die Versicherungsnehmer führen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Aspekte hinsichtlich der Mehrwertsteuer zu beachten. Auch sollte verhindert werden, dass die Kosteneffizienz eines Sicherungssystems für Versicherungen nicht durch einen hohen Mehrwertsteuerbetrag oder die obligatorische Handhabung administrativer Steuerverfahren beeinträchtigt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Sicherungssystems für Versicherungen unangemessen sind.

Stärkung des Marktvertrauens und der Marktstabilität

Die EU-Maßnahmen auf dem Gebiet der Sicherungssysteme für Versicherungen zielen auch auf die Stärkung des Marktvertrauens und die Förderung der Stabilität auf dem EU-Versicherungsbinnenmarkt ab.

BESTANDTEILE DES VORGESCHLAGENEN ANSATZES

Art möglicher Maßnahmen auf EU-Ebene

Die 'lockeren' Instrumente der EU wie Empfehlungen, Mitteilungen, Leitlinien oder Verhaltenskodizes können die Praktiken der Mitgliedstaaten längerfristig beeinflussen. Allerdings dürften sie die derzeitigen Mängel kaum beheben können. Da derlei Instrumente nicht rechtsverbindlich sind, wären die Mitgliedstaaten nur zu ihrer freiwilligen Einhaltung angehalten. Die Mängel in der derzeit fragmentierten Landschaft der Sicherungssysteme für Versicherungen in der EU sind aber zu frappierend, als dass man die allmähliche Annäherung der nationalen Ansätze abwarten könnte. Deshalb ist es erforderlich, eine rechtsverbindliche legislative Maßnahme anzunehmen.

Das beste Rechtsinstrument für die Einführung verbindlicher Anforderungen ist eine Richtlinie. Nach Artikel 288 AEUV hat eine Richtlinie eine Einzelanwendung, d. h. sie gilt für denjenigen Adressaten, an den sie gerichtet ist. Sie fordert die Mitgliedstaaten auf, zu einem bestimmten Ergebnis zu gelangen, lässt ihnen aber – ungleich einer Verordnung – Spielraum bei der Wahl ihrer Ansätze und Methoden. Angesichts der Komplexität der Sicherungssysteme für Versicherungen, die sich aus den Unterschieden bei der Konzeption und dem Anwendungsbereich der verschiedenen nationalen Systeme ergeben, kann sich dies durchaus als nützlich erweisen.

Die Kommission schlägt vor, auf EU-Ebene einen kohärenten und rechtsverbindlichen Rahmen für den Schutz durch Sicherungssysteme für Versicherungen zu schaffen, der auf alle Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten anwendbar ist. Zu diesem Zweck bedarf es einer Richtlinie im Sinne von Artikel 288 AEUV. |

Zentralisierungsniveau und Rolle der Sícherungssysteme für Versicherungen

Die Schaffung eines Sicherungssystems für Versicherungen in jedem Mitgliedstaat ist mit dem vorhandenen nationalen Aufsichtsrahmen für die Beaufsichtigung auf Mikroebene vereinbar und dürfte folglich dazu beitragen, einen regulatorischen "moral hazard" zu vermeiden. Darüber hinaus könnte eine Fazilität für die Kreditvergabe geschaffen werden, so dass sich die nationalen Sicherungssysteme für Versicherungen gegenseitig unterstützen können. Im Rahmen eines derartigen Systems wäre jedes nationale System gehalten, ein Sicherungssystem für Versicherungen in einem anderen Mitgliedstaat zu unterstützen, dessen Mittel zur Deckung der eingehenden Forderungen nicht ausreichen. Um zu gewährleisten, dass die potenziellen Kosten für die als Mitglieder agierenden Sicherungssysteme für Versicherungen transparent und vorhersehbar sind, müsste eine Vereinbarung über die Finanzierung des Systems getroffen werden, in der klar festgelegt ist, wie hoch der Beitrag jedes Sicherungssystems zu sein hat und unter welchen Umständen er erhoben wird. Schließlich könnten die meisten Probleme, die aus der Existenz unterschiedlicher nationaler Rechtsrahmen herrühren, dadurch behoben werden, dass ein einziges EU-weites Sicherungssystem für Versicherungen eingeführt wird, das sämtliche in der Europäischen Union abgeschlossene und erworbene Lebens- und Nichtlebensversicherungspolicen deckt. Allerdings scheint ein derartiges Vorhaben gegenwärtig nicht über die erforderliche politische Unterstützung zu verfügen. Es kann aber zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden.

Ein Sicherungssystem, das als Schutzmechanismus in letzter Instanz dient, kann das Vertrauen in den Finanzsektor stärken und sich folglich positiv auf die übrige Wirtschaft auswirken. Ein Sicherungssystem, das im weiteren Sinne zur Vorbeugung von Versicherungsinsolvenzen dient, könnte einem in Schieflage geratenen Versicherer über seine finanziellen Schwierigkeiten hinweg helfen und ihn bei der Fortführung seiner Geschäftstätigkeit unterstützen. Wie unter Punkt 2. 1. 7 ausgeführt, bestehen eine Reihe von Mechanismen zur Vorbeugung von Versicherungsinsolvenzen und die Erfahrungen haben gezeigt, dass sie in der Regel effizient funktioniert haben. Dies gestattet eine Intervention des Sicherungssystems für den Fall, dass ein anderer Schutzmechanismus versagt hat, um so den Auswirkungen einer Insolvenz eines Versicherers vorzubeugen oder sie abzumildern.

Die Kommission befürwortet die Einrichtung eines Sicherungssystems als Mechanismus letzter Instanz in jedem Mitgliedstaat. |

Geografischer Geltungsbereich

Die Harmonisierung des geografischen Geltungsbereichs von Sicherungssystemen ist von ausschlaggebender Bedeutung, wenn im grenzübergreifenden Zusammenhang ein umfassender und ausgewogener Schutz der Versicherungsnehmer gewährleistet werden soll. Sicherungssysteme, die sich auf das 'Herkunftslandprinzip' stützen, decken nicht nur von inländischen Versicherern ausgestellte Policen, sondern auch solche, die von den Zweigniederlassungen inländischer Versicherer, die in anderen EU-Mitgliedstaaten niedergelassen sind, ausgestellt sind. Demgegenüber decken Sicherungssysteme, die sich auf das 'Aufnahmelandprinzip' stützen, Policen, die von den Zweigniederlassungen ausländischer Versicherer ausgestellt werden. In der Praxis kombinieren einige nationale Sicherungssysteme für Versicherungen beide Prinzipien.

Der Hauptvorteil des Herkunftslandprinzips ist seine Kohärenz mit dem 'Herkunftsland kontroll prinzip', das den Umgang mit Versicherungsinsolvenzen erleichert. Die Aufsichtsbehörden des Herkunftslands sind für die Aufsichtsvorschriften, einschließlich der Insolvenzbestimmungen, und für die Einleitung von Liquidationsverfahren zuständig. Darüber hinaus entspricht das Herkunftslandprinzip auch dem Einlagensicherungssystem im Banksektor und dem Anlegerentschädigungssystem im Wertpapiersektor.

Eine Struktur, die sich auf das Aufnahmelandprinzip stützt, gewährleistet einen ausgewogenen Schutz der Versicherungsnehmer in den Mitgliedstaaten und beugt folglich möglichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen im gleichen Mitgliedstaat tätigen Versicherern vor. Die Einführung einer Aufnahmelandstruktur ist allerdings mit bedeutenden Nachteilen verbunden. So werden zum einen die administrativen Kosten verdoppelt, da Versicherer mit grenzübergreifender Geschäftstätigkeit an zwei oder mehreren Sicherungssystemen beteiligt sein müssten. Zum anderen wären Maßnahmen in Bezug auf Sicherungssysteme in der Praxis unter Umständen problematisch, da die Behörden, die das System betreiben, nicht dieselben wären, die die Liquidationsverfahren durchführen und überwachen. Wenn drittens die Deckung nicht harmonisiert ist, kann die Aufnahmelandstruktur zu einem unausgewogenen Schutz der Versicherungsnehmer in den verschiedenen Mitgliedstaaten führen.

Die Kommission befürwortet die Harmonisierung des geografischen Geltungsbereichs der Sicherungssysteme für Versicherungen auf der Grundlage des 'Herkunftlandprinzips'. |

Gedeckte Policen

Der Zusammenbruch eines Lebensversicherers kann die Versicherungsnehmer in große finanzielle Nöte bringen. Dies gilt vor allem für jene, die Lebensversicherungspolicen zur Absicherung ihrer Altersversorgung gekauft haben. Selbst wenn Versicherungsnehmer einen Teil ihrer Versicherungssumme zurück erhalten können, heißt dies nicht, dass sie eine entsprechende Deckung finden können, da sich ihre persönliche Situation, aufgrund der die Versicherungsprämien berechnet werden, verändert hat (z. B. Alter und Gesundheit). Aufgrund der den Lebensversicherungsprodukten inhärenten langfristigen Engagements sind die Versicherungsnehmer in der Regel nicht in der Lage, die finanzielle Solidität des Versicherungsunternehmens zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Police vorherzusehen.

Für die Zwecke dieses Weißbuchs umfassen Lebensversicherungspolicen die traditionellen risikogeschützten Produkte sowie Spar- und Anlageprodukte (z. B. anteilsgebundene Versicherungspolicen).

Wenn ein Nicht-Lebensversicherer in Insolvenz geht, fällt der Verlust für die Versicherungsnehmer in der Regel geringer aus und ist meistens auf vorfinanzierte Beiträge begrenzt. Die Verträge haben eine kurze Laufzeit und die Versicherungsnehmer können leicht eine Ersatzdeckung von einem anderen Versicherungsunternehmen erwerben. Jene Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten aber, die zum Zeitpunkt der Insolvenz ausstehende Forderungen hatten, können dennoch erhebliche Verluste erleiden, die über die aus einem typischen Lebensversicherungsprodukt entstandenen hinaus gehen. Es mag zwar gute Gründe dafür geben, den Schutz durch Sicherungssysteme für Versicherungen auf bestimmte Zweige der Nichtlebensversicherungspolicen zu beschränken. Aus Gründen der Praktikabilität und Fairness kann es jedoch schwierig sein, die Deckung durch Sicherungssysteme für Versicherungen in zu viele Unterregelungen zu unterteilen.

Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die Sicherungssysteme für Versicherungen sowohl die Lebens- als auch die Nichtlebensversicherungspolicen decken. |

Zulässige Antragsteller

Die Deckung sämtlicher natürlicher und juristischer Personen könnte sich als äußerst kostspielig erweisen. Zur Senkung der finanziellen Belastung sollten vielleicht nur Geschädigte zugelassen werden, die bestimmte Kriterien erfüllen, wie Kleinst- und Kleinunternehmen. Die Festlegung dieser Kriterien müsste äußerst sorgfältig erfolgen.

Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die Sicherungssysteme für Versicherungen natürliche Personen und ausgewählte juristische Personen abdecken. |

Finanzierung

Damit ein Sicherungssystem für Versicherungen effizient arbeiten kann, sind zweckmäßige Finanzierungsmechanismen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Finanzierungsstruktur bestimmt nicht nur das Schutzniveau, sondern kann auch erhebliche Auswirkungen auf die Kosten der Branche zeitigen, wobei zu bedenken ist, dass sich die den Versicherern angelasteten Abgaben wahrscheinlich in Kosten für die Versicherungsnehmer niederschlagen werden. Folgende Punkte bedürfen folglich einer sorgfältigen Überlegung:

Zeitpunkt der Finanzierung

In einem ex ante finanzierten System werden die Mittel unter Vorwegnahme möglicher Insolvenzen erhoben und auf das Sicherungssystem für Versicherungen übertragen und von diesem verwaltet. Zu diesem Zweck erhebt das System Abgaben von der Branche. Der Hauptvorteil dabei ist also die unmittelbare Verfügbarkeit der Mittel zur Entschädigung von Antragstellern im Falle einer Insolvenz. Darüber hinaus ist die ex ante- Finanzierung weniger mit Problemen des "moral hazard" behaftet, da in Insolvenz gehende Versicherer bereits ihre Beiträge zum Sicherungssystem geleistet haben. Außerdem kann dadurch eher die prozyklische Wirkung vermieden werden, die mit ex-post finanzierten Systemen verbunden wird. Dieser positive Aspekt kann durch die Einführung von ex ante -Abgaben verstärkt werden, die nach Maßgabe des Insolvenzrisikos des beitragszahlenden Unternehmens gewichtet werden (siehe Abschnitt 4. 6. 3).

Kurzum, die Einrichtungs- und Betriebskosten dürften höher ausfallen als bei der ex post -Finanzierung, denn ex ante finanzierte Sicherungssysteme müssen Anlagemanager beschäftigen, die die Anlage des Fonds verwalten, und eine Anlagestrategie abstecken und umsetzen, die ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Risiko und Rendite schafft. Darüber hinaus kann stets der Fall eintreten, dass die aufgebrachten Mittel bei einer größeren Insolvenz eines Versicherers nicht ausreichen.

Bei einem ex post finanzierten System werden die Abgaben erst bei Eintritt der Insolvenz des Versicherers erhoben und das Sicherungssystem hat sodann die entsprechenden Kosten zu tragen. Daraus folgt, dass die die Einrichtungs- und Betriebskosten eher begrenzt sein dürften und die Mittel auf die tatsächlichen Kosten des Ausfalls beschränkt werden können. Argumente wie Fairness und Verhältnismäßigkeit sprechen eher für ein ex post -System. Die ex post-Finanzierung dürfte aber eher dem "moral hazard" unterliegen, da in Insolvenz gehende Unternehmen nie einen Beitrag zum Sicherungssystem leisten. Darüber hinaus kann eine unverzügliche Auszahlung an die Versicherungsnehmer behindert werden. Ex post finanzierte Systeme können über die prozyklische Wirkung erhöhen, da Versicherer in Zeiten von Wirtschaftskrisen eher insolvent werden dürften.

Zielausstattung

Bedenken hinsichtlich des potenziell unbegrenzten Umfangs der Beiträge zu einem Sicherungssystem können durch die Einführung von Obergrenzen oder absoluten Höchstbeträgen für den Jahresbeitrag zu einem System zerstreut werden. In der Praxis können diese Obergrenzen in Form von Prozentwerten der Prämien oder Rücklagen der Beitragszahler (die 'Zielmittelausstattung') ausgedrückt und an einen zweckmäßigen Übergangszeitraum gebunden werden.

Im Hinblick auf die Festlegung eines angebrachten Schutzniveaus prüften die Kommissionsdienststellen verschiedene Optionen, einschließlich des Deckungsniveaus in den vorhandenen Sicherungssystemen. Dabei ergab sich vorläufig eine Zielausstattung von 1,2 % der verbuchten Bruttoprämien. Eine Anwendung dieser Zielausstattung über einen Zeitraum von z. B. 10 Jahren würde für jedes beitragszahlende Unternehmen[17] einen jährlichen Beitrag von 0,12 % der verbuchten Bruttoprämien ergeben.

Um das Risiko von Finanzierungsausfällen im Falle der Insolvenz eines Versicherers zu begrenzen, könnten zusätzliche ex post -Finanzierungsvorkehrungen oder andere Finanzierungsquellen wie externe Kreditlinien oder die Rückversicherung in Erwägung gezogen werden.

Beiträge

Zur Festlegung der von den Beitragzahlern zu erhebenden Gesamtbeiträge zum Sicherungssystem bedarf es eines Zuweisungsmechanismus. In der Praxis tragen Versicherungsunternehmen zu einem bestehenden Sicherungssystem in der EU im Verhältnis zu ihrem Geschäftsvolumen bei. Dadurch werden Wettbewerbsverzerrungen zwischen kleinen und großen Versicherern und neuen Marktteilnehmern vermieden. In der Regel werden drei Faktoren zu Grunde gelegt: i) das Prämienvolumen (brutto oder netto); ii) der Umfang der versicherungstechnischen Rückstellungen oder Rücklagen und iii) die Zahl der Versicherungspolicen. Diese verschiedenen Faktoren wirken sich unterschiedlich auf den Umfang der von einzelnen Versicherungsunternehmen zu zahlenden Beiträge aus.

Unter Risikogewichtung versteht man die Berechnung der Beiträge gemäß den Risiken des Versicherungsunternehmens oder seinen erwarteten Kosten in Bezug auf das System. Risikobasierte Beiträge werden unter Zugrundelegung mehrerer Indikatoren berechnet, die das Risikoprofil des Versicherungsunternehmens widerspiegeln. Zu den vorgeschlagenen Indikatoren gehören Kategorien wesentlicher Risiken, die zur Bewertung der finanziellen Solidität des Versicherungsunternehmens herangezogen werden, wie z. B. Portfolio der versicherten Risiken, Solvabilität und Qualität der Vermögenswerte. Die zur Berechnung dieser Indikatoren benötigten Daten liegen aufgrund der vorhandenen Meldepflichten vor.

Außerdem könnten Entschädigungshöchstgrenzen und sonstige Leistungsbeschränkungen eingeführt werden. Dies bedeutet, dass das Sicherungssystem von den Geschädigten die Übernahme eines gewissen Teils des Verlusts verlangen würde, so dass der Finanzierungsbedarf des Systems gesenkt und "moral hazard" auf Seiten der Versicherungsnehmer vermieden werden würden. Zu den Methoden zählen Obergrenzen oder Entschädigungshöchstgrenzen, prozentuale Senkungen der Ansprüche oder Selbstbeteiligungen und Mindestgrenzen für die angemeldeten Forderungen. Jede Harmonisierung auf EU-Ebene müsste das richtige Gleichgewicht zwischen der Gewährleistung einer gleichwertigen Mindestdeckung für alle Versicherungsnehmer in sämtlichen Mitgliedstaaten und der Vermeidung unnötiger Eingriffe in die nationalen Kompetenzen auf dem Gebiet der Entschädigungshöchstgrenzen und sonstiger Leistungsbeschränkungen schaffen.

Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die Sicherungssysteme für Versicherungen auf der Basis von ex ante-Beiträgen der Versicherer finanziert werden. Ergänzend könnten ex post-Finanzierungsvorkehrungen im Falle fehlender Mittel hinzukommen, die gemäß dem individuellen Risikoprofil jedes einzelnen Beitragszahlers zu berechnen sind. Für die Finanzierung sollte eine angemessene Zielausstattung samt eines zweckmäßigen Übergangszeitraums festgelegt werden. Die Kommission ist bereit, harmonisierte Entschädigungshöchstgrenzen und sonstige Leistungsbeschränkungen in Erwägung zu ziehen, sofern eine angemessene Deckung der Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten für alle Versicherungsklassen in sämtlichen Mitgliedstaaten garantiert ist. |

Portfoliotransfer und/oder Entschädigung von Ansprüchen

Im Insolvenzfall eines Versicherers kann ein Sicherungssystem auf zweierlei Art und Weise reagieren: Es kann die Kontinuität der Versicherungspolicen sicher stellen, indem sie auf einen solventen Versicherer übertragen oder sie vom System direkt übernommen werden (Portfoliotransfer). Dies ist unter Umständen vor allem eine Lösung für Lebensversicherungspolicen, die aufgrund ihrer langen Laufzeit nur schwer unter den gleichen Bedingungen zu ersetzen sind. Alternativ dazu kann ein Sicherungssystem die Versicherungsnehmer oder Anspruchsberechtigten lediglich für ihre Verluste entschädigen (Entschädigung von Ansprüchen).

Die Kommission unterstützt nachdrücklich eine Portfolioübertragung, soweit dies praktisch möglich und hinsichtlich Kosten und Nutzen gerechtfertigt ist. Die Verbraucher sind aber in letzter Instanz im Falle der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens zu schützen. Sind alle anderen Möglichkeiten erschöpft, sollte ein Sicherungssystem letzlich innerhalb einer zuvor festgelegten Frist die Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten für ihre Verluste entschädigen.

Im Falle der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens spricht sich die Kommission dafür aus, dass das Sicherungssystem die Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten zumindest innerhalb einer zuvor festgelegten Frist für ihre Verluste entschädigen sollte. |

NÄCHSTE SCHRITTE

Im Weißbuch werden eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der Einführung einer rechtsverbindlichen Lösung für die Sicherungssysteme für Versicherungen auf EU-Ebene aufgeworfen. Die von der Kommission bevorzugten Optionen sind den Textboxen in den Abschnitten 3 und 4 klar zu entnehmen. Die Kommission fordert alle interessierten Kreise auf, zu diesen Optionen Stellung zu nehmen.

Sie wird die erhaltenen Rückmeldungen sorgfältig prüfen und bei der Ausarbeitung des Legislativvorschlags berücksichtigen.

Beiträge zu diesem Konsultationsverfahren sind der Kommission bis zum 30. November 2010 an folgende Adresse zu richten: MARKT-H2@ec.europa.eu.

[1] Richtlinie 1994/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme in der durch die Richtlinie 2009/14/EG geänderten Fassung, ABl. L 135 vom 31.5.1994, S. 5-14, und Richtlinie 1997/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABl. L 84 vom 26.3.1997, S. 22-38.

[2] Weitere Einzelheiten in Abschnitt 2.2 der Folgenabschätzung.

[3] Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_de.pdf. .

[4] Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Neufassung) (nachstehend „Solvabilität II“), ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1-155; siehe insbesondere Erwägungsgrund 141 Unterabsatz 2.

[5] Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates, „Impulse für den Aufschwung in Europa“, KOM(2009) 114 endg. vom 4.3.2009.

[6] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, KOM(2009) 0502-C7-0168/2009-2009/0143(COD).

[7] Für die Versicherungsmathematik und das Risikomanagement ist Value at Risk (VaR) das gebräuchlichste quantitative Maß für das Verlustrisiko bei einem speziellen Portfolio von Wertpapieren.

[8] Detailliertere Analysen enthält Abschnitt 2.2 der Folgenabschätzung, insbesondere Tabelle 22.

[9] Eine eingehendere Analyse der möglichen Folgen für Versicherungsnehmer und Steuerzahler enthält Abschnitt 3.1 der Folgenabschätzung.

[10] Eine eingehendere Analyse des Herkunftsland- und Aufnahmelandprinzips enthält Abschnitt 4.2.

[11] Siehe auch Abschnitt 2.1.2.

[12] Siehe Artikel 10 der Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 28-39.

[13] Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 10-21).

[14] Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/insurance/docs/guarantee_schemes_en.pdf.

[15] CEIOPS ist der Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung. Siehe: http://www.ceiops.eu/media/files/publications/submissionstotheec/CEIOPS-DOC-18-09%20_Input_to_EC_work_on_IGS-approved_clean_.pdf.

[16] Siehe Artikel 242 der Richtlinie Solvabilität II. Siehe auch Empfehlung Nr. 25 des Europäischen Parlaments, die aus dem Untersuchungsausschuss zur Krise der „Equitable Life“-Versicherungsgesellschaft hervorgegangen ist, und in der die Kommission aufgefordert wird, rasch Rechtsvorschriften zu Versicherungssicherungssystemen in die Wege zu leiten: http://www.europarl.europa.eu/comparl/tempcom/equi/default_en.htm.

[17] Siehe insbesondere Tabelle 51 der Folgenabschätzung. Die erhaltenen Zahlen beziehen sich auf Werte, die bei einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,1 % und einem Vertrauensszenario von 99 % erhalten wurden.

Top