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Document 62005TJ0321
Judgment of the General Court (Sixth Chamber, extended composition) of 1 July 2010.#AstraZeneca AB and AstraZeneca plc v European Commission.#Competition - Abuse of dominant position - Market in anti-ulcer medicines - Decision finding an infringement of Article 82 EC - Market definition - Significant competitive constraints - Abuse of procedures relating to supplementary protection certificates for medicinal products and of marketing authorisation procedures for medicinal products - Misleading representations - Deregistration of marketing authorisations - Obstacles to the marketing of generic medicinal products and to parallel imports - Fines.#Case T-321/05.
Urteil des Gerichts (Sechste erweiterte Kammer) vom 1. Juli 2010.
AstraZeneca AB und AstraZeneca plc gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb - Missbrauch einer beherrschenden Stellung - Markt für Magengeschwür-Arzneimittel - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird - Definition des Marktes - Erheblicher Wettbewerbsdruck - Missbrauch der Verfahren zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel und zur Erlangung einer Verkehrsgenehmigung - Irreführende Darstellungen - Widerruf von Arzneimittelzulassungen - Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika und für Paralleleinfuhren - Geldbußen.
Rechtssache T-321/05.
Urteil des Gerichts (Sechste erweiterte Kammer) vom 1. Juli 2010.
AstraZeneca AB und AstraZeneca plc gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb - Missbrauch einer beherrschenden Stellung - Markt für Magengeschwür-Arzneimittel - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird - Definition des Marktes - Erheblicher Wettbewerbsdruck - Missbrauch der Verfahren zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel und zur Erlangung einer Verkehrsgenehmigung - Irreführende Darstellungen - Widerruf von Arzneimittelzulassungen - Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika und für Paralleleinfuhren - Geldbußen.
Rechtssache T-321/05.
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-02805
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2010:266
Rechtssache T‑321/05
AstraZeneca AB und AstraZeneca plc
gegen
Europäische Kommission
„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Magengeschwür-Arzneimittel – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird – Definition des Marktes – Erheblicher Wettbewerbsdruck – Missbrauch der Verfahren zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel und zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln – Irreführende Darstellungen – Widerruf von Genehmigungen für das Inverkehrbringen – Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika und für Paralleleinfuhren – Geldbußen“
Leitsätze des Urteils
1. Verfahren – Antrag auf vertrauliche Behandlung – Kriterien
2. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Aufgabe
(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nrn. 2 und 7)
3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die eine Würdigung komplexer wirtschaftlicher oder technischer Gegebenheiten erfordert – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
(Art. 81 EG und 82 EG)
4. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Pharmazeutische Erzeugnisse
(Art. 82 EG)
5. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Pharmazeutische Erzeugnisse
6. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beizubringende Beweise
(Art. 81 EG und 82 EG)
7. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission – Begründungspflicht –Umfang
(Art. 81 EG, 82 EG und 253 EG)
8. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Austauschbarkeit der Produkte auf der Nachfrageseite – Einführung eines neuen Produkts
(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nrn. 15 bis 19)
9. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien – Ermittlung des auf ein Produkt ausgeübten Wettbewerbsdrucks
(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission, Nr. 3)
10. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Kennzeichnung durch das Innehaben eines besonders hohen Marktanteils – Pharmaunternehmen
(Art. 82 EG)
11. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Praktiziertes Preisniveau – Pharmaunternehmen – Auswirkung des Umstandes, dass die Sozialversicherung den Arzneimittelpreis erstattet
(Art. 82 EG)
12. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer missbräuchlichen Ausnutzung – Fehlen
(Art. 82 EG)
13. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Existenz und Geltendmachung von Rechten des geistigen Eigentums
(Art. 82 EG)
14. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Vorliegen – Anhaltspunkte – Pharmaunternehmen – Erstanbieter auf einem Markt – Finanzkraft des Unternehmens
(Art. 82 EG)
15. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien
(Art. 82 EG)
16. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien
(Art. 82 EG)
17. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Beginn eines missbräuchlichen Verhaltens – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen
(Art. 82 EG)
18. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien
(Art. 82 EG)
19. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Wettbewerbswidrige Auswirkungen eines Verhaltens, die ohne beherrschende Stellung eintreten – Unerheblichkeit
(Art. 82 EG)
20. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Beweis – Beweislast – Unschuldsvermutung
(Art. 6 Abs. 2 EU; Art. 82 EG)
21. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann
(Art. 82 EG)
22. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen – Angaben, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Missbräuchlichkeit – Pharmaunternehmen
(Art. 82 EG)
23. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Widerruf von Arzneimittelzulassungen – Widerruf, durch den Herstellern von generischen Arzneimitteln das vereinfachte Verfahren versperrt wird
(Art. 82 EG; Richtlinie 65/65 des Rates, Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii)
24. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Inanspruchnahme vorgeschriebener Verfahren in einer den Markteintritt von Wettbewerbern verzögernden Weise – Missbräuchlichkeit – Beurteilungskriterien
(Art. 82 EG)
25. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Vereinbarkeit des missbräuchlichen Verhaltens mit anderen Rechtsvorschriften – Unerheblichkeit
(Art. 82 EG)
26. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Widerruf von Arzneimittelzulassungen – Widerruf, durch den Herstellern von generischen Arzneimitteln das vereinfachte Verfahren versperrt wird – Nichtübertragbarkeit der Rechtsprechung zu den wesentlichen Einrichtungen
(Art. 82 EG)
27. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Objektive Rechtfertigung – Beweislast
(Art. 82 EG)
28. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Pharmaunternehmen – Rein leistungsbezogener Wettbewerb – Umfang
29. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit
(Art. 82 EG)
30. Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse
(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1)
31. Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Einstufung – Kriterien
(Art. 82 EG)
32. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Pharmaunternehmen – Irreführende Angaben gegenüber öffentlichen Stellen, aufgrund deren ein ausschließliches Recht gewährt werden kann – Widerruf von Arzneimittelzulassungen
(Art. 82 EG)
33. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Gegenstand und Auswirkungen der Zuwiderhandlung
(Art. 81 EG und 82 EG)
1. Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung der Kommission kann das Gericht einem Antrag des Klägers auf vertrauliche Behandlung von Informationen stattgeben, die nicht in der – auf der Internetseite der Generaldirektion „Wettbewerb“ der Kommission veröffentlichten und somit der Öffentlichkeit zugänglichen – nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind. Dagegen ist der Antrag auf vertrauliche Behandlung von Informationen zurückzuweisen, die in der nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind. Diese Informationen haben nämlich ihren möglicherweise vertraulichen Charakter auf jeden Fall eingebüßt, weil sie der Öffentlichkeit zugänglich sind.
(vgl. Randnr. 25)
2. Im Rahmen der Anwendung des Art. 82 EG dient die Definition des relevanten Marktes der Abgrenzung des Gebiets, innerhalb dessen die Frage zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.
Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen möglicherweise eine beherrschende Stellung einnimmt, sind nämlich die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind, wobei diese Möglichkeiten auch in Anbetracht der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots zu beurteilen sind. Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst deshalb sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden.
(vgl. Randnrn. 30-31)
3. Der Gemeinschaftsrichter nimmt zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfüllt sind; jedoch muss sich seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.
Soweit eine Entscheidung der Kommission das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen ist, unterliegen diese grundsätzlich ebenfalls einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle; dies bedeutet, dass der Gemeinschaftsrichter die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf.
Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission in wirtschaftlichen oder technischen Fragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur unter Beachtung des Vorbringens der Beteiligten die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.
(vgl. Randnrn. 32-33)
4. In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelbereich kann die Kommission für die Definition des relevanten Marktes ihre Beurteilung auf die höhere Wirksamkeit des fraglichen Arzneimittels, auf die unterschiedliche therapeutische Verwendung gegenüber anderen Arzneimitteln, auf die asymmetrische Substitution, die die Steigerung des Absatzes dieses Produkts und den entsprechenden Rückgang oder die Stagnation des Absatzes der anderen Produkte kennzeichnete, sowie auf die Preisindikatoren, wie sie sich aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen ergeben, stützen.
Was die therapeutische Verwendung angeht, sind bei der Abgrenzung des relevanten Marktes die Unterschiede in der Wirkungsweise der Arzneimittel zu berücksichtigen, wenn sie zu unterschiedlichen therapeutischen Verwendungen führen, und sie sind außer Acht zu lassen, wenn die therapeutische Verwendung der Arzneimittel ähnlich ist.
Die preisrelevanten Faktoren verlieren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten. Im Arzneimittelsektor folgen die Wettbewerbsbeziehungen nämlich Mechanismen, die sich von denen unterscheiden, die die normalerweise auf den weniger stark reglementierten Märkten anzutreffenden wettbewerblichen Interaktionen bestimmen. Insoweit kann die Kommission nicht behaupten, dass grundsätzlich die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Preise über dem Erstattungsniveau zu halten, über dem die Nachfrage tendenziell elastischer sei, für sich genommen ein Beleg für das Fehlen eines erheblichen Wettbewerbsdrucks sei, ohne dabei zu prüfen, in welchem Umfang der Preis der anderen potenziell substituierbaren Produkte durch das nationale Krankenversicherungssystem erstattet wird. Der Umstand, dass sich die verschreibenden Ärzte hauptsächlich von der therapeutischen Verwendung der Produkte leiten lassen, nimmt den preisgestützten Indikatoren nicht jede Relevanz, da auch diese ein Beleg für Wettbewerbsdruck sein können, der auf die betreffenden Produkte ausgeübt wird.
Die genannten Gesichtspunkte stellen einen Gesamtbestand relevanter Daten dar, die für die Schlussfolgerung ausreichen, dass die anderen Arzneimittel in dem fraglichen Zeitraum keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das fragliche Produkt ausübten. Die Kommission begeht daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, wenn sie feststellt, dass der relevante Produktmarkt ausschließlich aus dem genannten Arzneimittel besteht.
(vgl. Randnrn. 61, 153, 182-183, 203, 219-222)
5. In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelbereich ist die Kommission bei der Definition des relevanten Marktes berechtigt, die unterschiedliche therapeutische Verwendung der beiden zur Behandlung derselben Erkrankungen bestimmten Arzneimittel als Umstand anzusehen, der die Schlussfolgerung stützt, dass der relevante Markt nur eines dieser Produkte umfasst.
Der Umstand, dass zwei Arzneimittel zur Behandlung derselben Erkrankungen verschrieben werden oder Primärbehandlungen darstellen, ist nämlich von beschränkter Bedeutung, weil er die Frage offenlässt, ob angesichts der unterschiedlichen therapeutischen Verwendung der beiden Produkte – von denen das eine zur Behandlung schwerer und das andere zur Behandlung weniger schwerer Formen derselben Erkrankungen verschrieben wird – das eine Produkt auf das andere einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.
(vgl. Randnrn. 69, 71-73)
6. In einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln muss die Kommission ihre Beurteilung auf alle relevanten Daten stützen, die in einem konkreten Fall zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet insbesondere, dass die Kommission verpflichtet ist, die von den am Verwaltungsverfahren beteiligten Unternehmen vorgetragenen Sachargumente und vorgelegten Beweise mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sich die Kommission nur auf solche Beweise stützen kann, die sie aufgrund eigener Ermittlungen zusammengetragen hat. Die Kommission darf sich auf Beweise stützen, die die Parteien des Verwaltungsverfahrens beigebracht haben, sofern diese Beweise zuverlässig und relevant sind, wobei es ihr gegebenenfalls obliegt, sie durch andere Beweise zu ergänzen, falls sich die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Informationen als unzureichend oder fehlerhaft erweisen.
(vgl. Randnrn. 78-79)
7. In einem Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln braucht die Kommission die Gründe, aus denen sie von bestimmten in einer Studie enthaltenen Daten keinen Gebrauch macht, nur insoweit zu nennen, als die Parteien des Verwaltungsverfahrens in diesem Verfahren Sachargumente vorgebracht haben, denen speziell diese Daten zugrunde lagen, sofern sich die Daten als relevant erweisen. Von der Kommission kann jedenfalls nicht gefordert werden, dass sie die Gründe, aus denen sie bestimmte Daten einer Studie nicht verwendet oder zurückweist, systematisch aufführt, da es ausreicht, dass sie ihre Entscheidung mit Gründen versieht und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufführt, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung veranlasst haben. Dies gilt umso mehr, als die Kommission nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht, die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind.
(vgl. Randnr. 81)
8. Nach den Nrn. 15 bis 19 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft beurteilt die Kommission die Substituierbarkeit der Nachfrage anhand eines theoretischen Ansatzes, aufgrund dessen eine leichte, aber bleibende Erhöhung um 5 % bis 10 % des relativen Preises für das Produkt, von dem aus der relevante Markt definiert wird, angenommen und geprüft wird, ob diese hypothetische Erhöhung dem hypothetischen Monopolisten, der das fragliche Produkt verkauft, einen Gewinn einbringen kann. Ist nach dieser wirtschaftlichen Prüfung die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, ist davon auszugehen, dass die Substitute einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das betreffende Produkt ausüben. Im speziellen Fall des Inverkehrbringens eines neuen Produkts geschieht es nicht selten, dass der Ausbau des Absatzes eines neuen Produkts, das, wenn auch nur teilweise, an die Stelle eines bestehenden Produkts tritt, gewisse Zeit benötigt und sich der Absatz daher schrittweise entwickelt.
Nach Maßgabe dieses theoretischen Rahmens, anhand dessen festgestellt werden soll, ob ein vorhandenes Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf ein neues Produkt ausübt, ist zu fragen, ob unter Berücksichtigung der allmählichen schrittweisen Steigerung des Absatzes des neuen Produkts eine leichte Preiserhöhung des neuen Produkts zu einer Verlagerung der Nachfrage auf das vorhandene Produkt führen würde, so dass diese Preiserhöhung in Anbetracht der Einnahmen, die ohne sie erzielt worden wären, keinen Gewinn einbringen würde. Die schrittweise Steigerung des Absatzes des neuen Produkts würde jedoch nicht zwangsläufig ausbleiben, wenn die Preissteigerung Gewinn einbrächte und damit festgestellt wäre, dass das vorhandene Produkt keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das neue Produkt ausübt.
Die Kommission darf somit davon ausgehen, dass aus der schrittweisen Steigerung des Absatzes eines neuen Produkts, das an die Stelle eines vorhandenen Produkts tritt, für sich genommen grundsätzlich nicht geschlossen werden kann, dass das vorhandene Produkt auf das neue Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.
(vgl. Randnrn. 87-90)
9. In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung erfolgt die Definition des relevanten Marktes über die Ermittlung des erheblichen Wettbewerbsdrucks, der im fraglichen Zeitraum auf das betreffende Produkt ausgeübt wurde, und lässt daher den Wettbewerbsdruck, den dieses Produkt auf andere Produkte ausgeübt haben mag, außer Betracht. Der Begriff des relevanten Marktes unterscheidet sich von anderen, oft in anderen Zusammenhängen gebrauchten Marktbegriffen, wie z. B. dem Gebiet, in dem die Unternehmen ihre Produkte verkaufen, oder, allgemeiner, dem Industriezweig oder der Branche der Unternehmen. Daher lässt der Umstand, dass ein Produkt das hauptsächliche Wettbewerbsziel eines anderen Produkts ist, nicht den Schluss zu, dass es einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das andere Produkt ausübt.
Dass das Nichtvorhandensein oder die Unerheblichkeit dieses Wettbewerbsdrucks auf den rechtlichen Rahmen zurückgeht, der die Bedingungen und das Maß bestimmt, in dem die wettbewerblichen Interaktionen zwischen Produkten stattfinden, ändert nichts an der Relevanz, die im Rahmen einer Definition des relevanten Marktes der Feststellung zukommt, dass der Wettbewerbsdruck nicht existiert oder unerheblich ist. Steht nämlich fest, dass eine Gruppe von Produkten keinem erheblichen Wettbewerbsdruck anderer Produkte ausgesetzt ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Gruppe einen relevanten Produktmarkt bildet, so kommt der Art oder dem Wesen der Faktoren, die diese Produktgruppe vor jedem erheblichen Wettbewerbsdruck schützen, nur begrenzte Relevanz zu, weil die Feststellung, dass kein solcher Wettbewerbsdruck vorliegt, den Schluss zulässt, dass ein beherrschendes Unternehmen auf dem so definierten Markt die Verbraucherinteressen auf diesem Markt dadurch beeinträchtigen kann, dass es durch missbräuchliches Verhalten die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert.
(vgl. Randnrn. 97, 174-175)
10. Die Stellung eines Unternehmens auf dem Markt für ein Arzneimittel lässt sich anhand einer Gesamtheit von Faktoren bestimmen, wie der Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums und anderer Rechte regulatorischer Art, der im Zusammenhang mit der Stellung des Erstanbieters stehenden Vorteile, der Relevanz des Preises als Wettbewerbsparameter, der Relevanz der Präsenz von Käufern mit Nachfragemonopol und der Systeme geregelter Preise sowie der Relevanz der Investitionen für Forschung und Entwicklung, der Werbetätigkeit und der Finanzmittel. Die Kommission darf jedoch nicht die Bedeutung des Umstands außer Acht lassen, dass das Unternehmen während des gesamten relevanten Zeitraums in allen in Rede stehenden Ländern generell sehr hohe Marktanteile hielt.
Der Umstand, dass die Innovation ein wesentlicher Wettbewerbsparameter im Arzneimittelsektor ist, stellt die Relevanz, die den – in ihrem Kontext beurteilten – hohen Marktanteilen des Unternehmens zukommt, nicht in Frage.
(vgl. Randnrn. 244-245, 254)
11. Die die Arzneimittelmärkte kennzeichnenden Gesundheitssysteme festigen die Marktmacht der Pharmaunternehmen, weil die Arzneimittelkosten ganz oder überwiegend von den Systemen der sozialen Sicherheit getragen werden, was die Nachfrage weitgehend unelastisch macht. Dies gilt insbesondere, wenn ein Pharmaunternehmen, das als erstes ein neues, im Vergleich zu den vorhandenen Produkten einen therapeutischen Mehrwert aufweisendes Erzeugnis anbietet, eine höhere Erstattungsstufe erreichen kann als die, die später den „Nachahmerprodukten“ eingeräumt wird. Gegenüber Unternehmen, die die Stellung des Erstanbieters innehaben, werden nämlich die Erstattungen, die die Systeme der sozialen Sicherheit vornehmen, im Vergleich zu den „Nachahmerprodukten“ relativ hoch angesetzt und erlauben dem hiervon begünstigten Pharmaunternehmen, seinen Preis hoch anzusetzen, ohne befürchten zu müssen, dass sich die Patienten und Ärzte anderen Produkten zuwenden, die weniger kostspielig sind.
Es ist unerheblich, dass das Pharmaunternehmen besonders hohe Marktanteile behalten und gleichwohl erheblich höhere Preise fordern kann, weil die Systeme der sozialen Gesundheit dies ermöglichen und begünstigen; dieser Umstand berührt nämlich nicht die Feststellung, dass dieses Unternehmen höhere Gewinne als seine Wettbewerber erzielen kann, ohne dass die verschiedenen Teilnehmer des Arzneimittelmarkts, nämlich die Patienten, die verschreibenden Ärzte, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und die Wettbewerber, imstande sind, diese privilegierte Stellung in den Zeiträumen, die die Kommission für die Bestimmung der beherrschenden Stellung heranzieht, in Frage zu stellen.
Da die Preise sowohl hinsichtlich der Erstattungsstufen als auch hinsichtlich der Höchstpreise von den Entscheidungen der öffentlichen Stellen beeinflusst werden, sind sie nicht das Ergebnis des normalen Spiels der Marktkräfte. Die Wettbewerbsfähigkeit eines in diesem Kontext festgelegten Preises kann somit nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, da der Preis außerhalb der Wettbewerbsmechanismen festgelegt wurde, die eine solche Wettbewerbsfähigkeit herstellen könnten.
(vgl. Randnrn. 262-263, 265)
12. Die Feststellung von Marktmacht, d. h. der Fähigkeit eines Unternehmens, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern so zu verhalten, dass es insbesondere höhere Preise aufrecht erhalten und zugleich wesentlich größere Marktanteile als seine Wettbewerber behalten kann, ist nicht davon abhängig, dass das Unternehmen imstande ist, diese Marktmacht in der Weise einzusetzen, dass die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert wird. Bei den Praktiken, die auf den Ausschluss oder die Einschränkung des Wettbewerbs gerichtet sind, braucht ein Verhalten, um als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft zu werden, nämlich nicht notwendigerweise seine Ursache in der Wirtschaftskraft des Unternehmens zu haben oder durch diese ermöglicht worden zu sein, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer missbräuchlichen Ausnutzung erforderlich ist.
(vgl. Randnr. 267)
13. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Rechte des geistigen Eigentums für die Bestimmung einer beherrschenden Stellung ohne Belang sind. Zwar kann nicht angenommen werden, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine solche Stellung begründet, doch ist sie geeignet, unter bestimmten Umständen eine beherrschende Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhält, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern. Die Inhaberschaft und die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums kann daher ein relevantes Indiz für eine beherrschende Stellung sein.
Dem Vorbringen, dass die Berücksichtigung von Rechten des geistigen Eigentums und deren Ausübung, auch wenn diese nicht missbräuchlich ist, für die Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung geeignet sei, der Herstellung innovativer Produkte jeden Anreiz zu nehmen, kann nicht gefolgt werden. Die Innovation wird nämlich auf jeden Fall mit der Ausschließlichkeit belohnt, die die Rechte des geistigen Eigentums ihrem Urheber gewähren.
Zudem ist eine beherrschende Stellung nicht als solche verboten, sondern nur ihr Missbrauch. Insoweit kann es, falls der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums über eine beherrschende Stellung verfügt, im Hinblick auf Innovationsanreize nicht als unzureichender Anreiz angesehen werden, dass von dem genannten Recht in nicht missbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht werden muss.
Ein zuverlässiger Schutz im Rahmen von Rechten des geistigen Eigentums muss, um ein relevanter Faktor zu sein, nicht zwangsläufig geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt auszuschließen.
(vgl. Randnrn. 270, 273-274)
14. Die Kommission kann ihre Beurteilung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung eines Pharmaunternehmens auf eine Reihe von Gesichtspunkten stützen, insbesondere darauf, dass seine Marktanteile weit größer als die seiner Wettbewerber sind. Angesichts der Besonderheiten der Arzneimittelmärkte, deren Merkmal die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte ist, und der Schwierigkeiten der Pharmaunternehmen beim Markteintritt, die mit der Zahl der auf diesem Markt bereits präsenten Wettbewerber und Produkte zunehmen, darf die Kommission davon ausgehen, dass die Stellung des Erstanbieters einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellt. Der Umstand, dass Generika die beherrschende Stellung des Pharmaunternehmens gefährden können, stellt nicht in Frage, dass ihm die Stellung des Erstanbieters deutliche Wettbewerbsvorteile verschafft.
Im Übrigen lassen die Feststellungen der finanziellen Überlegenheit eines Pharmaunternehmens und seines höheren Einsatzes an finanziellen und personellen Mitteln für Forschung und Entwicklung sowie für sein Vertriebssystem für sich allein zwar nicht den Schluss zu, dass dieses Unternehmen während des betreffenden Zeitraums auf dem fraglichen Markt eine beherrschende Stellung innehat, doch stellen sie eine Reihe schlüssiger Indizien dar, die die Annahme erlauben, dass es über größere Mittel als seine Wettbewerber verfügt, die geeignet sind, seine Marktstellung gegenüber den Wettbewerbern zu festigen.
(vgl. Randnrn. 278, 280, 285-286)
15. Irreführende Darstellungen gegenüber öffentlichen Stellen, die geeignet sind, bei ihnen unrichtige Vorstellungen hervorzurufen und infolgedessen die Gewährung eines ausschließlichen Rechts zu ermöglichen, auf das das Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, stellen eine dem Leistungswettbewerb fremde Praxis dar, die den Wettbewerb in besonderem Maß beschränken kann. Ein solches Verhalten entspricht nicht der besonderen Verantwortung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen dafür trägt, dass es nicht durch ein dem Leistungswettbewerb fremdes Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt
Aus dem objektiven Charakter des Missbrauchsbegriffs ergibt sich, dass die irreführende Natur der gegenüber öffentlichen Stellen abgegebenen Darstellungen aufgrund objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen ist und dass der Nachweis der Vorsätzlichkeit des Verhaltens und der Bösgläubigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht erforderlich ist. Die Beurteilung der irreführenden Natur von Darstellungen, die gegenüber öffentlichen Stellen zwecks ungerechtfertigter Erlangung ausschließlicher Rechte abgegeben werden, ist anhand des konkreten Falls vorzunehmen und kann je nach den besonderen Umständen jedes Einzelfalls unterschiedlich ausfallen. Zu prüfen ist insbesondere, ob die betreffende Praxis unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie umgesetzt wurde, geeignet war, die öffentlichen Stellen zur fälschlichen Schaffung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb zu veranlassen, z. B. durch widerrechtliche Erteilung ausschließlicher Rechte zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmens. Insoweit können das beschränkte Ermessen der öffentlichen Stellen oder das Fehlen einer ihnen obliegenden Verpflichtung zur Überprüfung der Genauigkeit oder der Richtigkeit der vorgelegten Informationen relevante Gesichtspunkte darstellen, die bei der Beurteilung, ob die betreffende Praxis zur Errichtung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb führen kann, zu berücksichtigen sind.
Sofern einem marktbeherrschenden Unternehmen aufgrund eines ihm unterlaufenen Fehlers in seinen Angaben gegenüber öffentlichen Stellen zu Unrecht ein ausschließliches Recht erteilt wird, verlangt die besondere Verantwortung, die das Unternehmen dafür trägt, dass es nicht mit Mitteln, die einem Leistungswettbewerb fremd sind, den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt, dass es zumindest die öffentlichen Stellen hiervon in Kenntnis setzt, damit diese die Unregelmäßigkeiten beheben können.
Der Nachweis der Vorsätzlichkeit des zur Täuschung der öffentlichen Stellen geeigneten Verhaltens ist zwar für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht erforderlich, stellt aber gleichwohl einen erheblichen Gesichtspunkt dar, der gegebenenfalls von der Kommission berücksichtigt werden kann. Der Umstand, dass der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung seinem Inhalt nach objektiv ist und keine Schädigungsabsicht voraussetzt, führt nicht zu der Annahme, dass die Absicht, sich einer dem Leistungswettbewerb fremden Praxis zu bedienen, in jedem Fall unerheblich ist, denn diese Absicht kann immer noch zur Begründung der Schlussfolgerung herangezogen werden, dass das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, auch wenn diese Schlussfolgerung in erster Linie auf der objektiven Feststellung einer tatsächlichen Verwirklichung des missbräuchlichen Verhaltens beruhen sollte.
Schließlich lässt allein der Umstand, dass sich einige öffentliche Stellen nicht täuschen ließen und die Unrichtigkeit der zur Stützung von Anträgen auf Gewährung ausschließlicher Rechte vorgelegten Informationen entdeckten oder dass Wettbewerber nach der rechtswidrigen Erteilung der ausschließlichen Rechte deren Aufhebung erreichten, nicht den Schluss zu, dass die irreführenden Darstellungen ohnehin keinen Erfolg haben konnten. Steht nämlich fest, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, kann die Missbräuchlichkeit dieses Verhaltens nicht von den Unwägbarkeiten der Reaktionen Dritter abhängen.
Die Kommission wendet Art. 82 EG somit zutreffend an, wenn sie die Auffassung vertritt, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen den Patentämtern objektiv irreführende Darstellungen vorlegt, die geeignet sind, sie zu veranlassen, dem Unternehmen ausschließliche Rechte zu gewähren, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, und damit den Wettbewerb zu beschränken oder zu beseitigen.
(vgl. Randnrn. 355-361)
16. Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses ausschließlichen Rechts verpflichtet sind. Dem Vorbringen, wonach das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung voraussetze, dass von dem aufgrund irreführender Darstellungen erlangten ausschließlichen Recht Gebrauch gemacht worden sei, kann daher nicht gefolgt werden.
Im Übrigen kann der unrechtmäßige Erwerb eines ausschließlichen Rechts nicht nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn er zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führen würde. Der Umstand, dass das in Frage stehende Verhalten den Erwerb eines Rechts des geistigen Eigentums betrifft, rechtfertigt eine solche Voraussetzung nicht.
Ferner sind, sobald ein Verhalten in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln fällt, diese unabhängig davon anwendbar, ob das Verhalten auch Gegenstand anderer Regeln – seien sie innerstaatlichen Ursprungs oder nicht – sein kann, mit denen andere Ziele verfolgt werden. Auch ist das Bestehen spezifischer Rechtsbehelfe im Patentwesen nicht geeignet, die Anwendungsvoraussetzungen der im Wettbewerbsrecht vorgesehenen Verbote zu ändern und insbesondere den Nachweis der durch dieses Verhalten herbeigeführten wettbewerbswidrigen Wirkungen zu verlangen.
(vgl. Randnrn. 362, 364, 366)
17. Den Patentanwälten erteilte Weisungen, ergänzende Schutzzertifikate anzumelden, können nicht als gleichwertig mit den Anmeldungen von ergänzenden Schutzzertifikaten bei den Patentämtern selbst angesehen werden. Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn die Kommission annimmt, dass ein von einem beherrschenden Unternehmen auf dem Markt für ein Arzneimittel begangener Missbrauch der beherrschenden Stellung damit beginnt, dass den Patentanwälten Weisungen für die Anmeldung von ergänzenden Schutzzertifikaten bei den Patentämtern erteilt werden. Der erhoffte Erfolg der als irreführend eingestuften Darstellungen – die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate – kann nämlich erst eintreten, nachdem die Patentämter mit deren Anmeldungen befasst sind, nicht aber, wenn die Patentanwälte, die im vorliegenden Fall nur eine Vermittlerrolle spielen, die Weisungen bezüglich dieser Anmeldungen erhalten.
(vgl. Randnrn. 370, 372)
18. Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung liegt nicht nur dann vor, wenn ein Verhalten den Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt. Bei einem Sachverhalt, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Praktiken, sollten sie vorliegen, in irgendeinem Umfang Teil eines auf der Leistungsfähigkeit des Unternehmens beruhenden normalen Produktwettbewerbs sind, genügt der Nachweis, dass die Praktiken angesichts des wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie stehen, geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Die Eignung der betreffenden Praxis, den Wettbewerb zu beschränken, kann somit mittelbar sein, sofern rechtlich hinreichend belegt ist, dass sie wirklich geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.
Im Übrigen erfordert ein auf Ausschluss der Wettbewerber gerichtetes Verhalten, wenn es erfolgreich sein soll, häufig die Mitwirkung Dritter, seien es öffentliche Stellen oder Marktteilnehmer, denn ein solches Verhalten ist in der Praxis selten geeignet, sich unmittelbar auf die Wettbewerbsstellung der Konkurrenten auszuwirken. Der Erfolg einer Praxis zum Ausschluss des Wettbewerbs, die darin besteht, durch rechtswidrigen Erwerb ausschließlicher Rechte rechtliche Zutrittsschranken zu errichten, hängt daher zwangsläufig von der Reaktion der öffentlichen Stellen oder sogar der innerstaatlichen Gerichte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten ab, die Wettbewerber unter Umständen mit dem Ziel der Aufhebung dieser Rechte einleiten. Demgemäß liegt bei Darstellungen, durch die der rechtswidrige Erwerb ausschließlicher Rechte herbeigeführt werden soll, nur dann ein Missbrauch vor, wenn nachgewiesen ist, dass sie angesichts des objektiven Kontextes, in dem sie abgegeben wurden, tatsächlich geeignet sind, die öffentlichen Stellen zur Gewährung des beantragten ausschließlichen Rechts zu veranlassen.
Schließlich nimmt der Umstand, dass sich die Auswirkungen des missbräuchlichen Verhaltens auf den Wettbewerb erst mehrere Jahre später bemerkbar machen, dem in Rede stehenden Verhalten – dessen Vorliegen unterstellt – nicht seinen missbräuchlichen Charakter.
(vgl. Randnrn. 376-377, 380)
19. Der Umstand, dass ein Unternehmen zu dem Zeitpunkt, in dem sein missbräuchliches Verhalten Wirkungen erzeugt, über keine marktbeherrschende Stellung mehr verfügt, ändert nichts an der rechtlichen Qualifizierung seiner Handlungen, da diese zu einer Zeit vorgenommen wurden, in der das Unternehmen eine beherrschende Stellung einnahm und daher eine besondere Verantwortung dafür trug, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.
(vgl. Randnr. 379)
20. Die Kommission trägt die Beweislast für das Vorliegen von Umständen, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 82 EG ergibt. Die Kommission hat daher die Beweise beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen belegen.
Dem Richter verbleibende Zweifel müssen insoweit dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen. Der Richter darf also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße verhängt wird, nicht zu dem Schluss gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn er in dieser Frage noch Zweifel hat.
In diesem Fall ist nämlich der insbesondere in Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, der zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch Art. 6 Abs. 2 EU bestätigt worden ist, allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können.
Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Dabei muss sie diese Beweise nicht notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung beibringen. Es genügt, wenn ein von ihr angeführtes Bündel von Indizien, dessen einzelne Teile sich gegenseitig bestätigen können, im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht
(vgl. Randnrn. 474-477, 839)
21. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen in den Darstellungen, die gegenüber den Patentämtern im Hinblick auf Anmeldungen von ergänzenden Schutzzertifikaten abgegeben werden, die Daten der Erteilung der technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen in mehreren Mitgliedstaaten durch die Daten der Veröffentlichung des Arzneimittelpreises in diesen Ländern ersetzt, kann ihm vernünftigerweise nicht entgehen, dass diese Darstellungen mangels aktiver Offenlegung der von ihm beabsichtigten Auslegung der insoweit geltenden Vorschriften, die der Wahl der mitgeteilten Daten zugrunde liegt, geeignet sind, die Patentämter zu täuschen. Ohne dass die Kommission Bösgläubigkeit oder eine Täuschungsabsicht dieses Unternehmens nachzuweisen braucht, genügt daher die Feststellung, dass ein solches durch einen offensichtlichen Mangel an Transparenz gekennzeichnetes Verhalten der besonderen Verantwortung zuwiderläuft, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.
(vgl. Randnrn. 491, 493)
22. Ein Pharmaunternehmen, das mehrere Jahre lang ein konstantes und geradliniges Verhalten zeigt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es gegenüber den Patentämtern mehrerer Mitgliedstaaten irreführende Darstellungen abgibt, um die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu erreichen, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, missbraucht seine beherrschende Stellung. Bei solchen irreführenden Darstellungen handelt es sich um eine Praxis, die ausschließlich auf Mitteln beruht, die dem Leistungswettbewerb fremd sind. Ein derartiges Verhalten dient nur dazu, die Generikahersteller in unzulässiger Weise durch Erlangung ergänzender Schutzzertifikate unter Verstoß gegen die Rechtsvorschriften, mit denen sie geschaffen wurden, vom Markt fernzuhalten.
(vgl. Randnrn. 598, 608-609)
23. Für die Behandlung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im abgekürzten Verfahren gemäß Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten muss die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels in dem betreffenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags noch gültig sein. Das abgekürzte Verfahren ist nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht mehr verfügbar.
Die Daten bezüglich der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche, die ein Unternehmen zwecks Erlangung der ursprünglichen Genehmigung für das Inverkehrbringen durchführt, sind die Frucht einer Investition, die das Unternehmen vornimmt, um ein Arzneimittel in Verkehr bringen zu können. Eine solche Investition ist charakteristisch für Praktiken, die zum Leistungswettbewerb gehören und für die Verbraucher nutzbringend sein sollen.
Das Interesse am Schutz der Investitionen wurde in der Richtlinie 65/65 anerkannt, indem sie für die Verwendung der Daten einen Ausschließlichkeitszeitraum zugunsten ihres Eigentümers vorsieht. Nach Ablauf dieses Ausschließlichkeitszeitraums räumt Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 jedoch dem Eigentümer eines Originalarzneimittels kein ausschließliches Recht auf Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr ein und gestattet es den Herstellern von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln, die vorliegenden Daten zu nutzen, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem abgekürzten Verfahren zu erhalten.
Somit findet nach Ablauf des Ausschließlichkeitszeitraums das Verhalten, mit dem die Generikahersteller daran gehindert werden sollen, von ihrem Recht auf Nutzung der für das Inverkehrbringen des Originalprodukts vorgelegten Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche Gebrauch zu machen, in dem legitimen Schutz einer zum Leistungswettbewerb gehörenden Investition keine Stütze, da das Unternehmen aufgrund der Richtlinie 65/65 nicht mehr über das ausschließliche Recht zur Verwertung der Ergebnisse dieser pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche verfügt.
Der von einem Unternehmen betriebene Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ist nur geeignet, die Antragsteller von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln daran zu hindern, von dem abgekürzten Verfahren Gebrauch zu machen, und damit den Markteintritt von Generika zu behindern oder zu verzögern. Je nach der Haltung, die die innerstaatlichen Behörden angesichts eines Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produkts aus anderen Gründen als dem Gesundheitsschutz einnehmen, kann ein solcher Widerruf auch geeignet sein, Paralleleinfuhren zu verhindern.
Dass ein Unternehmen berechtigt ist, den Widerruf seiner Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, zu beantragen, ist nicht geeignet, dieses Verhalten dem Verbot des Art. 82 EG zu entziehen.
Das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, dessen alleiniges Ziel bei objektiver Beurteilung darin besteht, den Rückgriff auf das in Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 vorgesehene abgekürzte Verfahren auszuschließen und so die Generikahersteller so lang wie möglich vom Markt fernzuhalten und ihre Kosten für die Überwindung der Marktzutrittshindernisse zu steigern, verliert seinen missbräuchlichen Charakter nicht dadurch, dass der rechtliche Rahmen einen alternativen Weg für die Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bereithält.
Dass die Verzögerung, die die Wettbewerber hinnehmen müssen, um Zugang zum Markt zu erlangen, nicht genau ermittelt werden kann, hat keine Bedeutung für die Erwägung, wonach das in Rede stehende Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, da feststeht, dass infolge des Widerrufs der Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren ausgeschlossen ist.
(vgl. Randnrn. 669-670, 674-677, 812, 829, 831)
24. Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung nimmt einem Unternehmen in dieser Stellung zwar nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, doch darf es die regulatorischen Verfahren nicht in einer Weise in Anspruch nehmen, durch die der Marktzutritt für Wettbewerber vereitelt oder erschwert wird, wenn es weder Gründe gibt, die mit der Verteidigung der berechtigten Interessen eines im Leistungswettbewerb stehenden Unternehmens zusammenhängen, noch objektive Rechtfertigungen bestehen.
Bei einem Verhalten, das in einem durch den Leistungswettbewerb nicht gedeckten Rückgriff auf regulatorische Verfahren besteht, reicht der Nachweis, dass das Verhalten unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, für seine Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung aus.
(vgl. Randnr. 672, 817, 824, 845)
25. Die Rechtswidrigkeit eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Art. 82 EG hat nichts mit der Frage zu tun, ob das Verhalten mit anderen Rechtsvorschriften im Einklang steht. Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung liegt meist in einem Verhalten, das ansonsten, in anderen Rechtsgebieten als dem Wettbewerbsrecht, rechtmäßig ist.
(vgl. Randnr. 677)
26. Die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ betrifft im Wesentlichen die Umstände, unter denen die Lieferverweigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, insbesondere durch Ausübung eines Eigentumsrechts, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann. Diese Rechtsprechung bezieht sich daher vor allem auf Fälle, in denen die freie Ausübung eines ausschließlichen Rechts, mit dem die Vornahme einer Investition oder eine Innovation belohnt wird, im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt begrenzt werden kann.
Die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ lässt sich nicht auf den Fall eines marktbeherrschenden Pharmaunternehmens übertragen, das seine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, widerruft, so dass das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten nicht mehr anwendbar ist, und das damit die ausschließliche Verwertung der aus den pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuchen hervorgegangenen Informationen beschränkt. Ein solches Verhalten besteht nämlich nicht in einer Weigerung, Zugang zu den zu den Akten genommenen Ergebnissen der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche zu gewähren, da das Unternehmen aufgrund seines geltend gemachten Eigentumsrechts ohnehin nicht verhindern kann, dass sich die innerstaatlichen Behörden im Rahmen des abgekürzten Verfahrens auf die fraglichen Daten stützen. Der Umstand, dass das abgekürzte Verfahren nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht mehr zur Verfügung steht, soll dem Hersteller des Referenzarzneimittels nicht die Ausschließlichkeit der von ihm gelieferten Daten sichern, sondern den Gesundheitsschutz gewährleisten, der ein wesentliches Ziel der Richtlinie 65/65 darstellt.
(vgl. Randnrn. 679, 682-683)
27. Die Kommission hat zwar eine mögliche objektive Rechtfertigung für ein Verhalten, das einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, zu berücksichtigen, doch obliegt es dem betreffenden Unternehmen, im Verwaltungsverfahren diesen objektiven Rechtfertigungsgrund anzuführen und ihn mit geeigneten Sachargumenten und Beweisen zu untermauern. Dies gilt insbesondere dann, wenn allein das betreffende Unternehmen Kenntnis von dieser objektiven Rechtfertigung hat oder natürlicherweise besser als die Kommission in der Lage ist, ihr Vorliegen darzulegen und nachzuweisen.
Da die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung anhand der Informationen zu beurteilen ist, über die das Organ bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte, kann sich niemand vor dem Gemeinschaftsrichter auf Tatsachen berufen, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen wurden.
(vgl. Randnrn. 686-687)
28. Entwickelt ein Unternehmen eine Strategie, die seinen Absatzeinbruch minimieren und es in die Lage versetzen soll, dem Wettbewerb durch Generika zu begegnen, ist dies, selbst wenn das Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, legitim und Teil des normalen Wettbewerbs, sofern das ins Auge gefasste Verhalten nicht von den Praktiken abweicht, die zum Leistungswettbewerb gehören, von dem die Verbraucher potenziell profitieren.
Das Fehlen einer Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens, die Interessen konkurrierender Unternehmen zu schützen, führt jedoch nicht dazu, dass Verhaltensweisen, die nur dazu dienen, die Wettbewerber auszuschließen, mit Art. 82 EG vereinbar sind. Die bloße Absicht eines marktbeherrschenden Unternehmens, die eigenen Geschäftsinteressen zu wahren und sich vor dem Wettbewerb durch Generika und Paralleleinfuhren zu schützen, rechtfertigt nämlich nicht den Rückgriff auf dem Leistungswettbewerb fremde Verhaltensweisen.
(vgl. Randnrn. 804, 816)
29. Nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft stellen verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen.
Die Einstufung eines bestimmten Verhaltens als Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG setzt nicht voraus, dass das Verhalten die Folge einer von den Leitungsorganen des Konzerns entwickelten Strategie ist.
Auch das Verhalten einer der Gesellschaften, die zu der vom Konzern gebildeten wirtschaftlichen Einheit gehören, kann gegen Art. 82 EG verstoßen.
Zudem braucht, wenn eine Tochtergesellschaft vollständig im Eigentum der Muttergesellschaft steht, nicht geprüft zu werden, ob diese die Politik ihrer Tochtergesellschaft entscheidend beeinflussen konnte, denn Letztere verfolgt zwangsläufig eine Politik, die von denselben satzungsmäßigen Organen vorgegeben wird, die auch die Politik der Muttergesellschaft festlegen.
(vgl. Randnrn. 818-820)
30. Ersucht ein Kläger im Rahmen seines Vorbringens in der Klageschrift und der Erwiderung das Gericht auch, die von der Kommission gegen ihn wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbußen herabzusetzen, ohne jedoch einen förmlichen Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen zu stellen, so ist es dem Gericht aufgrund dieses Versäumnisses nicht verwehrt, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Geldbußen auszuüben. Das Gericht ist nämlich auch dann, wenn kein förmlicher Antrag gestellt wird, zur Herabsetzung einer unangemessen hohen Geldbuße befugt; dies wäre nicht ultra petita, sondern liefe darauf hinaus, der Klage teilweise stattzugeben.
(vgl. Randnr. 884)
31. Der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bezieht sich auf eine Reihe von Handlungen, die sich wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen Gesamtplan einfügen. Sollen verschiedene Handlungen als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden, ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern eine Komplementaritätsverbindung besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung der im Rahmen dieses Gesamtplans verfolgten Ziele beiträgt. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und, damit korrelierend, das Ziel der verschiedenen in Rede stehenden Handlungen.
Ein dauerhaft konstantes Verhalten eines Pharmaunternehmens, dem eine von dessen Führungsorganen ausgearbeitete Strategie zugrunde liegt und das dadurch gekennzeichnet ist, dass es gegenüber den Patentämtern mehrerer Länder irreführende Darstellungen abgibt, um die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu erreichen, auf die es keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, stellt eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung dar.
(vgl. Randnrn. 892-893)
32. Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung, der in irreführenden Darstellungen besteht, die vorsätzlich abgegeben werden, um ausschließliche Rechte zu erlangen, auf die ein Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, und der darauf abzielt, die Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, stellt offensichtlich eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar. Dass es sich dabei um eine neue Form des Missbrauchs handelt, kann diese Erwägung angesichts der offenkundigen Unvereinbarkeit solcher Praktiken mit dem Leistungswettbewerb nicht in Frage stellen. Im Übrigen befreit die Tatsache, dass ein Verhalten mit diesen Merkmalen in früheren Entscheidungen der Kommission noch nicht geprüft worden ist, das Unternehmen nicht von seiner Verantwortung.
Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung, der darin besteht, dass ein Pharmaunternehmen seine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die es herstellt, widerruft, und der darauf abzielt, Hindernisse für den Marktzugang von Generika in mehreren Ländern und für Paralleleinfuhren in anderen Ländern zu schaffen und damit den Gemeinsamen Markt aufzuspalten, stellt ebenfalls eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar.
(vgl. Randnr. 901)
33. Bei der Bemessung der Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft können Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen.
(vgl. Randnrn. 902, 911)
URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)
1. Juli 2010(*)
„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Magengeschwür-Arzneimittel – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festgestellt wird – Definition des Marktes – Erheblicher Wettbewerbsdruck – Missbrauch der Verfahren zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Arzneimittel und zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln – Irreführende Darstellungen – Widerruf von Genehmigungen für das Inverkehrbringen – Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika und für Paralleleinfuhren – Geldbußen“
In der Rechtssache T‑321/05
AstraZeneca AB mit Sitz in Södertälje (Schweden),
AstraZeneca plc mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),
Prozessbevollmächtigte: zunächst M. Brealey, QC, M. Hoskins, D. Jowell, Barristers, F. Murphy, G. Sproul, I. MacCallum und C. Brown, Solicitors, dann M. Brealey, M. Hoskins, D. Jowell, F. Murphy und C. Brown und schließlich M. Brealey, M. Hoskins, D. Jowell und F. Murphy,
Klägerinnen,
unterstützt durch
European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Van Kerckhove,
Streithelferin,
gegen
Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Castillo de la Torre, É. Gippini Fournier und A. Whelan, dann durch F. Castillo de la Torre, É. Gippini Fournier und J. Bourke als Bevollmächtigte,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2005) 1757 final der Kommission vom 15. Juni 2005 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/A.37.507/F3 – AstraZeneca)
erlässt
DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij (Berichterstatter) sowie der Richter V. Vadapalas, N. Wahl, L. Truchot und S. Frimodt Nielsen,
Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. und 27. November 2008
folgendes
Urteil
Sachverhalt
1 Die Astra AB war eine Gesellschaft schwedischen Rechts mit Sitz in Södertälje (Schweden), die an der Spitze eines Pharmakonzerns stand, dem u. a. die AB Hässle und die Astra Hässle AB, zwei 100%ige Tochtergesellschaften mit Sitz in Mölndal (Schweden), angehörten. Mit Wirkung zum 6. April 1999 ging aus einer Verschmelzung von Astra und der Zeneca Group plc die AstraZeneca plc hervor, die zweite Klägerin in der vorliegenden Rechtssache, eine Holdinggesellschaft mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich). Nach dieser Verschmelzung erhielt Astra, deren Anteile zu 100 % von der AstraZeneca plc gehalten werden, den Namen AstraZeneca AB; sie ist die erste Klägerin in der vorliegenden Rechtssache und wurde zu einer Gesellschaft, deren Gegenstand die Forschung, die Entwicklung, das Marketing und die Produktion sind. Die ehemals zum Astra-Konzern gehörenden Gesellschaften sowie die Gesellschaften, die gegenwärtig der Gruppe AstraZeneca plc angehören, werden im Folgenden als „AZ“ bezeichnet. Soweit die AstraZeneca plc und die AstraZeneca AB jedoch als Parteien des vorliegenden Verfahrens angesprochen werden, werden sie im Folgenden gemeinsam als „Klägerinnen“ bezeichnet.
2 AZ ist ein Pharmakonzern, der weltweit auf dem Sektor der Erfindung, Entwicklung und Vermarktung innovativer Produkte tätig ist. Seine Tätigkeiten konzentrieren sich auf bestimmte pharmazeutische Bereiche, zu denen insbesondere der Bereich der Magen-Darm-Erkrankungen gehört. In diesem Zusammenhang ist eines der wichtigsten von AZ vermarkteten Produkte unter der Bezeichnung Losec bekannt, einer Handelsmarke, die auf den meisten europäischen Märkten für das auf Omeprazol basierende Produkt benutzt wird.
3 Am 12. Mai 1999 legten Generics (UK) Ltd und Scandinavian Pharmaceuticals Generics AB (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), gegen Astra Beschwerde ein, mit der sie rügten, dass AZ sie daran hindere, Generika von Omeprazol auf bestimmten Märkten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) einzuführen.
4 Mit Entscheidung vom 9. Februar 2000, die nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 erging, forderte die Europäische Kommission AZ auf, in ihren Geschäftsräumen in London und Södertälje Nachprüfungen zu dulden. In den Jahren 2002 und 2003 beantwortete AZ ferner drei Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17.
5 Am 25. Juli 2003 erließ die Kommission eine Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens. Am 29. Juli 2003 übersandte die Kommission AZ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die AZ am 3. Dezember 2003 erwiderte. Am 29. Januar 2004 fand ein Treffen statt, um bestimmte Beweise zu erörtern, die AZ in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgebracht hatte. AZ legte auch verschiedene Dokumente, darunter insbesondere die Vermerke vom 27. Januar und 11. Februar 2004, vor, mit denen die Fragen beantwortet werden sollten, die die Kommission bei dem oben genannten Treffen gestellt hatte. Am 13. Februar 2004 überreichte AZ der Kommission Unterlagen, die das zweite als missbräuchlich gerügte Verhalten betrafen.
6 Am 16. und 17. Februar 2004 fand eine Anhörung statt. Am 26. Februar 2004 richtete die Kommission an AZ ein Auskunftsverlangen gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 zur Frage der marktbeherrschenden Stellung. AZ antwortete darauf am 12. März 2004. Am 23. November 2004 gab die Kommission AZ Gelegenheit, zu Tatsachen und Erwägungen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht aufgeführt waren, Stellung zu nehmen. AZ äußerte sich zu diesen Punkten mit Schreiben vom 21. Januar 2005.
7 Am 15. Juni 2005 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/A.37.507/F3 – AstraZeneca) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), mit der sie feststellte, dass die AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc unter Verstoß gegen Art. 82 EG und Art. 54 des EWR-Abkommens eine beherrschende Stellung zweifach missbräuchlich ausgenutzt hätten.
8 Das erste beanstandete Verhalten bestand darin, dass vor Patentämtern in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich sowie vor einzelstaatlichen Gerichten in Deutschland und Norwegen ein Komplex irreführender Darstellungen abgegeben worden sein soll (Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung). Das zweite beanstandete Verhalten bestand in der Einreichung von Anträgen auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec-Kapseln in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Rücknahme von Losec-Kapseln vom Markt und dem Inverkehrbringen von Losec MUPS-Tabletten in diesen drei Ländern (Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung).
9 Die Kommission verhängte gegen die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße in Höhe von 46 Mio. Euro sowie gegen die AstraZeneca AB eine Geldbuße in Höhe von 14 Mio. Euro (Art. 2 der angefochtenen Entscheidung).
Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten
10 Mit Klageschrift, die bei der Kanzlei des Gerichts am 25. August 2005 eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.
11 Mit Schriftsatz, der am 7. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Generics (UK) und die Merck NM AB beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.
12 Mit Schriftsatz, der am 15. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die European Federation of Pharmaceutical Industries Association (EFPIA) beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen zu werden.
13 Mit Schriftsatz, der am 10. Februar 2006 eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen Antrag auf vertrauliche Behandlung gegenüber den Streithelferinnen gestellt. Diesem Antrag auf vertrauliche Behandlung ist nicht widersprochen worden.
14 Mit Beschlüssen vom 4. Juli und 29. November 2006 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen sowie Generics (UK) und Merck NM als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.
15 Am 26. Januar 2007 haben Generics (UK) und Merck NM auf die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichtet.
16 Mit Schreiben, das am 24. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Generics (UK) und Merck NM darauf verzichtet, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission aufzutreten.
17 Durch Beschluss des Präsidenten der Sechsten Kammer des Gerichts vom 17. Dezember 2008 sind Generics (UK) und Merck NM als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Register gestrichen worden.
18 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung aufgefordert, eine Reihe von Fragen zu beantworten. Die Parteien sind diesen Aufforderungen fristgerecht nachgekommen.
19 In der mündlichen Verhandlung vom 26. und 27. November 2008 haben die Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
20 Die Klägerinnen beantragen,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
21 Die EFPIA beantragt,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
22 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
23 Mit ihrer Klage machen die Klägerinnen geltend, die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig in Bezug auf die Definition des relevanten Marktes, die Beurteilung der beherrschenden Stellung, den ersten Missbrauch einer beherrschenden Stellung, den zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung und die Höhe der verhängten Geldbußen. Das Gericht wird die von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe nacheinander im Rahmen jeder dieser Fragen prüfen.
24 Einleitend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen beantragt haben, eine Fülle von Informationen vertraulich zu behandeln, die u. a. schriftliche Beweise für das Verhalten betreffen, das nach Auffassung der Kommission einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt.
25 Das Gericht gibt dem Antrag auf vertrauliche Behandlung statt, soweit die betreffenden Informationen nicht in der nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind, die auf der Internetseite der Generaldirektion (GD) „Wettbewerb“ der Kommission veröffentlicht und somit der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dagegen ist der Antrag auf vertrauliche Behandlung zurückzuweisen, soweit er die Informationen betrifft, die in der nichtvertraulichen Fassung der angefochtenen Entscheidung enthalten sind. Diese Informationen haben nämlich ihren möglicherweise vertraulichen Charakter auf jeden Fall eingebüßt, weil sie der Öffentlichkeit zugänglich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, Slg. 2008, II‑1501, Randnr. 19).
26 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung Bedenken dagegen geäußert haben, dass die Kommission ein am 24. November 2008 vorgelegtes Dokument verwendet, das zum einen Grafiken, die der Kommission zufolge auf Angaben aus den der angefochtenen Entscheidung beigefügten Tabellen zurückgingen, und zum anderen Auszüge aus der Klageschrift und Anlagen zu den Schriftsätzen enthielt, die die Beteiligten im schriftlichen Verfahren eingereicht haben.
27 Dieses von der Kommission einige Tage vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Dokument gibt im Wesentlichen Informationen wieder, die sich bereits in den Akten befanden. Dies gilt für die Grafiken auf den Seiten 2 bis 8, 10 bis 16 und 18 bis 24 des Dokuments, die die Angaben aus den der angefochtenen Entscheidung als Anhang beigefügten Tabellen wiedergeben, sowie für die Auszüge aus der Klageschrift und die Anlagen zu den in diesem Dokument angeführten Schriftsätzen. Die Verwendung dieses Dokuments durch die Kommission in der mündlichen Verhandlung erfolgt daher im Rahmen der mündlichen Darlegung des vorangegangenen Vorbringens im schriftlichen Verfahren vor dem Gericht. Den Bedenken der Klägerinnen bezüglich dieser Punkte ist somit nicht zu folgen. Anders verhält es sich jedoch bei den Grafiken auf den Seiten 26 bis 32 des genannten Dokuments, die Informationen zu einem in Prozent ausgedrückten Preisunterschied enthalten, die in den Tabellen 24 bis 30 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, auf die sich die Grafiken beziehen, nicht zu finden sind. Soweit diese Grafiken mehr Informationen enthalten als die Tabellen, auf die sie sich beziehen, ist das von der Kommission vorgelegte Dokument in diesem Punkt für unzulässig zu erklären, und das Gericht wird diese Angaben bei seiner Würdigung nicht berücksichtigen.
A – Sachlich relevanter Produktmarkt
28 In der angefochtenen Entscheidung gelangte die Kommission im Wesentlichen zum Ergebnis, dass die Antihistaminika (im Folgenden: H2-Blocker) auf die Protonenpumpen-Inhibitoren (im Folgenden: PPI) keinen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten und dass daher der sachlich relevante Produktmarkt ausschließlich aus den Letztgenannten bestehe. Die Kommission stützte dieses Ergebnis auf eine Reihe von Erwägungen, die die Merkmale des Wettbewerbs im pharmazeutischen Sektor berücksichtigten und hauptsächlich die Wesensmerkmale der Produkte, ihre therapeutischen Verwendungen, die kontinuierliche Zunahme des Absatzes der PPI zulasten der H2-Blocker, die Preisfaktoren sowie die sogenannten „natürlichen“ Ereignisse in Deutschland und im Vereinigten Königreich betrafen.
29 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe den relevanten Markt unzutreffend definiert, und berufen sich insoweit auf zwei Klagegründe. Der erste Klagegrund betrifft einen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Erheblichkeit der kontinuierlich zunehmenden Verwendung der PPI zulasten der H2-Blocker. Der zweite Klagegrund betrifft verschiedene Unstimmigkeiten und Beurteilungsfehler.
1. Vorbemerkungen
30 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich insbesondere aus Nr. 2 der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Definition des Marktes) ergibt, die Definition des relevanten Marktes im Rahmen der Anwendung des Art. 82 EG der Abgrenzung des Gebietes dient, innerhalb dessen die Frage zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37).
31 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen möglicherweise eine beherrschende Stellung einnimmt, die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind, wobei diese Möglichkeiten auch in Anbetracht der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots zu beurteilen sind (Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 37; Urteile des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 54, und vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T‑219/99, Slg. 2003, II‑5917, Randnr. 91). Wie insbesondere aus Nr. 7 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes hervorgeht, umfasst der sachlich relevante Produktmarkt deshalb sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden.
32 Ferner nimmt der Gemeinschaftsrichter nach ständiger Rechtsprechung zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfüllt sind; jedoch muss sich seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Soweit die Entscheidung der Kommission das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen ist, unterliegen diese grundsätzlich ebenfalls einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle; dies bedeutet, dass der Gemeinschaftsrichter die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnrn. 87 und 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission in wirtschaftlichen oder technischen Fragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur unter Beachtung des Vorbringens der Beteiligten die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne bezüglich der Kontrolle von Zusammenschlüssen Urteil des Gerichtshofs vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, Slg. 2005, I‑987, Randnr. 39; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 89).
2. Erster Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler hinsichtlich der Erheblichkeit der schrittweise zunehmenden Verwendung der PPI zulasten der H2-Blocker
a) Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA
34 Die Klägerinnen und die EFPIA führen aus, der Wettbewerb im Arzneimittelsektor weise eine Reihe von Besonderheiten auf. Die Arzneimittelmärkte in den betreffenden Mitgliedstaaten seien durch eine öffentlich-rechtliche Preis- und Erstattungsregelung gekennzeichnet. Auf diesen Märkten sei der Verbraucher (der Patient) nicht mit dem Entscheidungsträger (dem Arzt) und überwiegend auch nicht mit dem Zahler (dem nationalen Versicherungsträger oder der privaten Krankenversicherung) identisch. Da der größte Teil der Kosten für verordnete Arzneimittel nicht von den Ärzten und Patienten getragen werde, schenkten die Ärzte den Preisen der Arzneimittel, die sie verordneten, im Allgemeinen nur wenig Beachtung. In dem fraglichen Zeitraum hätten sich die verschreibenden Ärzte grundsätzlich von der therapeutischen Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit der Arzneimittel und nicht von deren Preisen leiten lassen. Überdies seien die aktuellen Entwicklungen beim Verbrauch rezeptpflichtiger Arzneimittel ein entscheidender Faktor bei der Beurteilung, ob die Arzneimittel demselben Produktmarkt angehörten. Und schließlich sei die Verschreibungspraxis der Ärzte durch eine gewisse „Unbeweglichkeit“ gekennzeichnet. Die EFPIA fügt hinzu, dass im Arzneimittelsektor der Wettbewerb im Wesentlichen auf der Innovations- und nicht der Preisebene stattfinde. Sie hebt daher die Bedeutung hervor, die dem Schutz des geistigen Eigentums zur Förderung der für die Innovation erforderlichen Investitionen zukomme.
35 Nach Ansicht der Klägerinnen steht fest, dass die PPI den H2-Blockern in therapeutischer Hinsicht überlegen sind. Diese therapeutische Überlegenheit werde von den Experten seit Beginn der neunziger Jahre anerkannt. Die verschreibenden Ärzte hätten dies allerdings nicht sofort nachvollzogen. Die zunehmende Verwendung der PPI innerhalb des fraglichen Zeitraums sei kontinuierlich und zulasten der H2-Blocker erfolgt. Die PPI und die H2-Blocker hätten ähnliche therapeutische Zwecke und seien aus im Wesentlichen identischen medizinischen Gründen verschrieben worden.
36 Die Klägerinnen und die EFPIA führen aus, die H2-Blocker hätten zwangsläufig einen beträchtlichen Wettbewerbsdruck auf Losec ausgeübt, da der Absatz von Losec zulasten der H2-Blocker kontinuierlich zugenommen habe. Sie bestreiten daher, dass die PPI und die H2-Blocker seit 1993 getrennten Produktmärkten angehört hätten.
37 Zur Stützung dieses Vorbringens verweisen die Klägerinnen erstens auf einen Bericht von IMS Health über die Verwendung der PPI und der H2-Blocker auf den wichtigsten europäischen Märkten in der Zeit von 1990–2000 bei der Behandlung säurebedingter Magenerkrankungen. Dieser Bericht sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die zunehmende Verwendung der PPI ein kontinuierlicher Prozess gewesen sei und dass am Ende des fraglichen Zeitraums bestimmte wichtige Micro-Diagnosen in den meisten Ländern zu einem beträchtlichen Prozentsatz (20 % oder mehr) von H2-Blocker-Verschreibungen geführt hätten. Die H2-Blocker seien zudem in keinem Land jemals völlig durch PPI ersetzt worden. Mit Ausnahme von Schweden seien selbst bei Micro-Diagnosen schwerster säurebedingter Magen-Erkrankungen wie Magengeschwüren oder Geschwüren am Zwölffingerdarm einem bedeutenden Teil der Patienten (10 % oder mehr) H2-Blocker verschrieben worden. In Schweden hätten alle Patienten, bei denen ein Magengeschwür diagnostiziert worden sei, PPI erhalten.
38 In gleicher Weise trägt auch die EFPIA vor, dass die PPI nach und nach, und nur teilweise, die H2-Blocker aufgrund von Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit und ihrer Nebenwirkungen ersetzt hätten und dass die angefochtene Entscheidung keinen Beleg für die Behauptung der Kommission enthalte, wonach wissenschaftliche und klinische Untersuchungen, die zwischen dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens von Losec und dem Beginn des fraglichen Zeitraums durchgeführt worden seien, die Wirksamkeit von Losec im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen belegt hätten.
39 Zweitens belegten die Erklärungen von vier unabhängigen medizinischen Sachverständigen, die Spezialisten im Bereich der säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen seien, dass der Akzeptanz von Losec bei den verschreibenden Ärzten insbesondere entgegengestanden habe, dass sie gezögert hätten, die PPI zu verschreiben, weil diese als wesentlich stärkere Arzneimittel als die H2-Blocker gegolten hätten, was ein gewisses Misstrauen hinsichtlich ihrer möglichen Nebenwirkungen hervorgerufen habe. Diese Äußerungen bestätigten, dass sich die Akzeptanz der PPI bei den Ärzten allmählich eingestellt habe.
40 Drittens verweisen die Klägerinnen auf den Lexecon-Bericht, wonach Ärzte und Patienten unvollständige Informationen über die Merkmale der neuen Arzneimittel hätten und von diesen Eigenschaften nur langsam aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen oder medizinischer Veröffentlichungen erführen. Daraus folge, dass der Erwerb bedeutender Marktanteile durch den Verkauf neuer Arzneimittel im Allgemeinen Zeit brauche. Zudem hätten Unternehmen, die zu den ersten Marktteilnehmern gehörten, einen Wettbewerbsvorteil.
41 Die Klägerinnen machen geltend, dass die „Unbeweglichkeit“, die die Verschreibungspraktiken der Ärzte kennzeichne, kein exogener Faktor für den Wettbewerb, sondern, wie die Kommission im 362. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung anerkannt habe, ein relevanter Gesichtspunkt bei der Analyse des Wettbewerbs auf den Arzneimittelmärkten sei. Die „Unbeweglichkeit“ des Arztes hänge insbesondere von der Qualität des bisherigen Arzneimittels, den Vorteilen, die das neue Produkt biete, und der Schnelligkeit ab, mit der die Ärzte über die Existenz des neuen Produkts informiert würden. Die EFPIA trägt hierzu vor, wenn die verschreibenden Ärzte mit den bisherigen Behandlungen ihrer Patienten zufrieden seien und die Patienten sähen, dass sich ihr Gesundheitszustand dank dieser Behandlungen stabilisiere, gingen die Ärzte nur mit Bedacht zur Verabreichung eines neuen Arzneimittels über, es sei denn, die klinischen Daten erbrächten den überzeugenden Nachweis klinischer Vorteile. Da die „Unbeweglichkeit“ eines der Haupthindernisse sei, die ein neuer Marktteilnehmer zu überwinden habe, seien die vergleichenden klinischen Studien, die Werbetätigkeiten und die Besuche bei den Ärzten wichtige Wettbewerbsbestandteile, deren sich der Hersteller des neuen Produkts bedienen müsse.
42 Die EFPIA fügt hinzu, die Klägerinnen hätten eine Reihe von Anstrengungen unternommen, die zu dem gleichen Ergebnis geführt hätten, nämlich dass längere Zeit nötig gewesen sei, um die „Unbeweglichkeit“ bei der Verschreibungspraxis zu überwinden, und dass H2-Blocker in der Zeit von 1993–2000 ständigen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten. Die Kommission habe jedoch nicht den Gegenbeweis erbracht, dass die H2-Blocker ab 1993 keinen Wettbewerbsdruck auf die PPI mehr ausgeübt hätten, so dass diese Produkte getrennten Produktmärkten angehört hätten.
43 Viertens belegten die im fraglichen Zeitraum verfassten internen Strategiepapiere von AZ, dass die Nachfrage nach H2-Blockern elastisch gewesen sei und dass die H2-Blocker das hauptsächliche Wettbewerbsziel gewesen seien, das AZ mit Losec verfolgt habe. Der Umstand, dass die Verwendung der PPI schrittweise zulasten der H2-Blocker zugenommen habe und die Wettbewerbsherausforderung für AZ darin bestanden habe, dass Losec Marktanteile der H2-Blocker übernehme, beweise, dass während des fraglichen Zeitraums Losec und die H2-Blocker substituierbare Produkte gewesen seien, die miteinander konkurriert hätten. Diese Auffassung werde dadurch gestützt, dass die H2-Blocker auch noch am Ende des fraglichen Zeitraums in erheblichem Umfang für alle wichtigen Micro-Diagnosen verschrieben worden seien.
44 Fünftens sei das Verhalten der Kommission inkohärent, denn sie habe bei der Beurteilung der beherrschenden Stellung (542. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) die Relevanz der „Unbeweglichkeit“ eingeräumt, ihre Relevanz bei der Definition des Marktes jedoch verneint, weil sie ein exogener Faktor sei (467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die „Unbeweglichkeit“ schütze nicht nur die H2-Blocker vor dem Wettbewerb, sondern stelle auch einen Wettbewerbsdruck auf die PPI dar. Es treffe auch nicht zu, dass die „Unbeweglichkeit“, sobald sie überwunden sei, im Entscheidungsprozess der Ärzte keinen relevanten Faktor mehr darstelle und dass sie den Prozess der Substitution der H2-Blocker durch die PPI nicht umkehren könne. Auch räume die Kommission mit der Feststellung, dass die „Unbeweglichkeit“ die H2-Blocker vor einem schnelleren Rückgang bewahrt habe, implizit ein, dass sie bei der Einschränkung der Verschreibungspraxis im fraglichen Zeitraum eine Rolle gespielt habe. In den Erwägungsgründen 541 bis 543 und 551 der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission die Vorteile hervorgehoben, die sich aus der Stellung des Erstanbieters im Arzneimittelsektor sowie aus dem Umstand ergäben, über ein eingeführtes Produkt zu verfügen.
45 Die Argumente der Kommission, wonach ein beträchtlicher Teil des PPI‑Absatzes den früheren Absatz von H2-Blockern nicht verdrängt habe und die Ärzte H2-Blocker oder PPI verschrieben, je nachdem, ob eine Reduzierung oder Intensivierung der Behandlung gewollt sei, dürften überdies nicht berücksichtigt werden, da sie in der angefochtenen Entscheidung nicht enthalten gewesen und erstmals im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht worden seien. Das erste der beiden Argumente finde keine Stütze in der angefochtenen Entscheidung, die in den Erwägungsgründen 381 bis 385 und 37 bis 47 keine Prüfung der tatsächlichen Verschreibungspraxis in der Zeit von 1993–2000 enthalte, und weiche sogar vom 386. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ab. Außerdem stehe es im Widerspruch zu den Ergebnissen der Studie von IMS Health. Was das zweite Argument angehe, habe die Kommission zur konkreten Verschreibungspraxis der Ärzte keine Untersuchungen durchgeführt; insoweit sei auf die Stellungnahme der Klägerinnen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zu verweisen.
46 Die EFPIA wirft der Kommission ferner vor, dass sie es unter Verstoß gegen das Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission (T‑168/01, Slg. 2006, II‑2969, Randnr. 276), unterlassen habe, Natur und Bedeutung der herangezogenen Beweise zu prüfen, und dass sie aus Dokumenten, die ihr während der Ermittlungen vorgelegt worden seien, Schlüsse gezogen habe, ohne eine unabhängige Analyse vorzunehmen. Bei ihrer Untersuchung der Verschreibungspraxis der Ärzte habe sie nämlich aus dem Bericht von IMS Health, den die Klägerinnen vorgelegt hätten, selektiv Daten ausgewählt, ohne die weiteren in diesem Bericht enthaltenen Angaben, aus denen sich ergeben habe, dass die H2-Blocker auf die PPI Wettbewerbsdruck ausgeübt hätten, zu widerlegen. Der einzige in der angefochtenen Entscheidung genannte Beweis, der nicht von den Klägerinnen vorgelegt worden sei, stamme aus einer von den Beschwerdeführerinnen vorgelegten Korrelationsstudie, deren methodische Schwächen die Kommission selbst eingeräumt habe.
47 Die EFPIA ist der Ansicht, der Nachweis, dass der absolute Absatz von PPI erheblich gestiegen sei, während der Absatz von H2-Blockern gesunken oder gleich geblieben sei, genüge nicht für die Schlussfolgerung, dass die H2-Blocker auf die PPI keinen Wettbewerbsdruck mehr ausübten. Das Verkaufsvolumen von H2-Blockern habe in Deutschland bis 1997 und im Vereinigten Königreich bis 1998 über dem Verkaufsvolumen von PPI gelegen und noch im Jahr 2000 40 % der Gesamtverkäufe von PPI und H2-Blockern in diesen Ländern dargestellt. Ferner bedeute der Umstand, dass der Absatz von Losec zugunsten seines Generikums und anderer PPI gesunken sei, nicht, dass die H2-Blocker während des betreffenden Zeitraums keinen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten.
48 Nach alledem sind die Klägerinnen und die EFPIA der Auffassung, dass die Schlussfolgerung der Kommission, wonach die PPI und die H2-Blocker ab 1993 getrennten Produktmärkten angehört hätten, unzutreffend sei.
b) Vorbringen der Kommission
49 Die Kommission führt zunächst aus, die Klägerinnen konzentrierten sich allein auf die Verschreibungspraxis, ohne sich mit dem Aspekt der angefochtenen Entscheidung zu befassen, der die Frage betreffe, warum die H2-Blocker während des fraglichen Zeitraums keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf Losec, vor allem auf die Festsetzung seines Preises, ausgeübt hätten. Ein Nichtigkeitsgrund, der dermaßen unvollständig sei, könne keinen Erfolg haben.
50 Die Kommission stellt sodann gegenüber den Ausführungen der Klägerinnen drei Punkte klar. Erstens erstrecke sich die Prüfung weder auf die Frage, ob ein neues innovatives Produkt wie Losec zum Zeitpunkt seiner Markteinführung einen getrennten Produktmarkt bilde, noch auf die Frage, ob Losec kurz nach seiner Einführung eine beherrschende Stellung auf einem getrennten PPI‑Markt eingenommen habe. Losec sei Ende der achtziger Jahre in den Verkehr gebracht worden, d. h. vier bis fünf Jahre vor dem Jahr, das die Kommission als Ausgangspunkt für die Definition des Marktes angesetzt habe (1993). Studien, mit denen die Wirksamkeit von Losec im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen nachgewiesen worden sei, seien zwischen dem Zeitpunkt seiner Einführung und dem Beginn des fraglichen Zeitraums erstellt und den Ärzten zur Kenntnis gebracht worden. Die bedeutenden Verkäufe von PPI in den Jahren 1993 und 1994 zeigten daher, dass zu Beginn des fraglichen Zeitraums die therapeutische Überlegenheit der PPI den Ärzten bereits bekannt und der „Unbeweglichkeitseffekt“ größtenteils überwunden gewesen sei.
51 Zweitens macht die Kommission geltend, der Gesamtabsatz von PPI und H2-Blockern habe in den betreffenden Ländern erheblich zugenommen und sei von etwa 644 Mio. USD im Jahr 1993 auf etwa 1,43 Mrd. USD im Jahr 1999 gestiegen. Aus den Angaben von IMS Health ergebe sich, dass die PPI den wesentlichen Teil dieses Zuwachses ausgemacht hätten. Sie seien bei der Behandlung von Erkrankungen verwendet worden, für die die H2-Blocker früher als nicht geeignet oder nicht wirksam gegolten hätten. Die Absätze von H2-Blockern seien absolut gesehen tendenziell gesunken, hätten sich dann stabilisiert oder seien im Vergleich zu 1993 geringfügig gestiegen und seien schließlich ab 1997 erheblich gesunken. Die vorübergehende Stabilisierung und Steigerung der Verkäufe von H2-Blockern sei mit ihrer teilweisen Neuausrichtung auf therapeutische Bereiche zusammengetroffen, in denen sie dem Wettbewerb der PPI weniger stark ausgesetzt gewesen seien. Die Hersteller von H2-Blockern hätten nämlich auf die von den PPI ausgehende Gefahr reagiert, indem sie ihre Produkte auf die Behandlung von gutartigeren Magen-Darm-Erkrankungen neu ausgerichtet und sogar in freiverkäufliche Arzneimittel umgewandelt hätten. Die erhebliche Steigerung des Gesamtabsatzes während des fraglichen Zeitraums, die im Wesentlichen den PPI zuzuschreiben sei, führe zwingend zu der Annahme, dass die PPI nicht nur die Verkäufe von H2-Blockern verdrängt hätten. Dies werde durch die Erwägungsgründe 382 und 386 der angefochtenen Entscheidung untermauert, in denen festgestellt werde, dass die PPI als allein wirksames Heilmittel für zahlreiche Krankheiten angesehen worden seien. Die Kommission behaupte jedoch nicht, dass sich der Zuwachs des PPI-Absatzes in diesem Zeitraum ausschließlich zulasten der H2-Blocker ausgewirkt habe.
52 Die beiden Produkte seien von den Ärzten nacheinander in den verschiedenen Stadien einer Behandlung verschrieben worden, je nachdem, ob eine Reduzierung oder Intensivierung der Behandlung gewollt gewesen sei. Die PPI und die H2-Blocker seien daher nicht als Substitute zu verstehen, sondern als Produkte in einer Hierarchie von Arzneimitteln. Die Klägerinnen bestritten nicht, dass aufgrund der therapeutischen Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern die beiden Produkte zwei verschiedene Arten von Nachfrage abdeckten. Es gebe in den konkreten Verschreibungen der Ärzte zahlreiche Beweise dafür, dass sich die PPI schrittweise auf alle betreffenden Krankheiten erstreckt hätten (Erwägungsgründe 380 bis 399 der angefochtenen Entscheidung). Die Häufigkeit der Strategien von Behandlungsintensivierung und -reduzierung brauche nicht quantifiziert zu werden, da sie nur teilweise die außergewöhnliche Steigerung des Absatzes erklärten, die notwendigerweise voraussetze, dass die PPI in Fällen verschrieben worden seien, in denen die H2-Blocker zuvor nicht verwendet worden seien.
53 Zum Vorbringen der EFPIA führt die Kommission aus, dass die eindeutige therapeutische Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern über die Qualität hinausgehe, die dem besten Produkt derselben Behandlungskategorie zugebilligt werden könne. Aus den Erläuterungen von AZ in ihrem Jahresbericht von 1996 und aus ihren Veröffentlichungen (Erwägungsgründe 37 und 38 der angefochtenen Entscheidung) gehe zudem hervor, dass sie schon Ende der siebziger Jahre der Auffassung gewesen sei, dass Omeprazol ein überlegenes Arzneimittel sei. Das Gericht habe anerkannt, dass zwei Produkte mit ähnlichen Funktionen, deren Austauschbarkeit asymmetrisch sei und deren Verhältnis zueinander durch den Umstieg vom einen zum anderen gekennzeichnet sei, nicht demselben Produktmarkt angehörten, selbst wenn der Umstieg am Ende des fraglichen Zeitraums nicht vollständig erfolgt sei (Urteil des Gerichts vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/03, Slg. 2007, II‑107, Randnrn. 88 und 89).
54 Die EFPIA mache zu Unrecht geltend, dass die Kommission die für die Verschreibungspraxis der Ärzte maßgebenden Faktoren nicht geprüft habe. Sie stütze sich in der angefochtenen Entscheidung auf die Angaben von IMS Health über die Verschreibungen, sowohl in zusammengefasster Form für jedes Land und Jahr als auch in nicht zusammengefasster Form, bei der die Verschreibungen nach allen Krankheitsvarianten aufgeschlüsselt seien. Sie habe die Verschreibungsgewohnheiten während des fraglichen Zeitraums sowie die therapeutischen Faktoren ermittelt, die auf die Entscheidung über die Verschreibung Einfluss nähmen (Erwägungsgründe 386 bis 399 der angefochtenen Entscheidung).
55 Drittens macht die Kommission auf drei Faktoren in den Verbrauchertrends aufmerksam, die in ihrer Analyse entscheidend seien. Zum einen deute der jährliche Prozentsatz des Absatzes von H2-Blockern oder von PPI im Verhältnis zum Gesamtabsatz dieser Produkte weder auf eine von den PPI beherrschte Expansion des Marktes noch auf eine Neuausrichtung der H2-Blocker hin. Zum anderen sei der Anstieg des absoluten Werts des Absatzes von PPI zwischen 1991 und 2000 spektakulär gewesen. Schließlich habe die „Unbeweglichkeit“ der Ärzte dazu beigetragen, dass der Prozess auf dem Markt schrittweise abgelaufen sei.
56 Die für die Verschreibungspraxis kennzeichnende „Unbeweglichkeit“ sei ein exogenes Merkmal des Marktes ohne Bezug zum Leistungswettbewerb, das die Nachfrage nach einem neuen Produkt selbständig beeinflusse. Die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte könne daher nicht als ein von den H2-Blockern ausgeübter Wettbewerbsdruck angesehen werden, ähnlich der durch den früheren Ruf oder die Werbung erzeugten Markentreue. Die Hersteller der H2-Blocker hätten nur wenige Möglichkeiten, um diese „Unbeweglichkeit“ spürbar zu verstärken. Außerdem weise nichts darauf hin, dass, sobald die Wirkung der „Unbeweglichkeit“ überwunden gewesen wäre, die H2-Blocker ausreichend Vorteile geboten hätten, um den Prozess der einseitigen Substitution umzukehren.
57 Bezüglich des Arguments der Klägerinnen, wonach die Kommission sich widerspreche, wenn sie die Auffassung vertrete, dass die „Unbeweglichkeit“ bei der Bestimmung der beherrschenden Stellung ein relevanter Faktor sei, macht die Kommission geltend, die „Unbeweglichkeit“ könne den Druck, den neue Produkte auf ein bestehendes Unternehmen ausübten, dadurch verringern, dass sie die Einführung oder Expansion von Produkten verhindere, die mit dem angeblich beherrschenden Produkt konkurrierten. Die Definition des Marktes habe im vorliegenden Fall den Zweck, den Wettbewerbsdruck auf die PPI und nicht auf die H2-Blocker zu prüfen. Jedenfalls beruhe die Definition des Marktes auf einer Gesamtwürdigung aller relevanten Faktoren und könne nicht in dem Fall in Frage gestellt werden, dass – was die Kommission bestreite – die „Unbeweglichkeit“ als Wettbewerbsvorteil angesehen werden könne, der speziell den H2-Blockern zuzuordnen sei.
58 Zum Wettbewerbsdruck auf die PPI trägt die Kommission vor, aus den Verbrauchsstatistiken ergebe sich, dass die „Unbeweglichkeit“ weder die Zuwachsrate der PPI behindert noch den H2-Blockern ermöglicht habe, den Prozess der Substitution durch die PPI umzukehren. Sie schließt daraus, dass die „Unbeweglichkeit“ die Absätze von H2-Blockern vor einem noch schnelleren Rückgang bewahrt habe. Der Umstand, dass die PPI‑Hersteller höhere Preise als für H2-Blocker hätten aushandeln und durchsetzen können, sei außerdem der Beweis dafür, dass die nationalen Gesundheitssysteme eingesehen hätten, dass die PPI eine mit den H2-Blockern nicht vergleichbare Innovation darstellten.
59 Die Kommission fügt hinzu, sie behaupte nicht, dass die PPI einem Markt angehörten, der von dem der H2-Blocker seit 1993 getrennt sei. Sie habe im 504. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Übrigen nicht ausgeschlossen, dass vor diesem Zeitpunkt ein getrennter Markt für die PPI bestanden habe. Es sei jedoch nicht erforderlich gewesen, die vorhergehenden Jahre zu prüfen, da das missbräuchliche Verhalten 1993 begonnen habe.
60 Die Beweismittel, auf die die Klägerinnen zur Stützung ihrer Auffassung Bezug nähmen, beträfen tatsächliche Prämissen, die unbestritten und für sie nicht hilfreich sein könnten. So belege der Bericht von IMS Health, dass die Substitution der H2-Blocker durch die PPI schrittweise verlaufen sei, was in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden sei. Die Aussagen der medizinischen Sachverständigen von AZ würden allenfalls die Ursachen des Phänomens der „Unbeweglichkeit“ erklären, nicht aber, wie die H2-Blocker einen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten. Der Lexecon-Bericht erwähne weder, dass zwischen der ersten Markteinführung von Losec und dem Jahr 1993 ein erheblicher Zeitraum liege, noch, dass die Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern eine breite Anerkennung erfahren habe. Er erkläre auch nicht, inwiefern die „Unbeweglichkeit“ auf den Wettbewerbsdruck zurückzuführen sein könnte, den die H2-Blocker auf die PPI ausgeübt hätten. Die internen Unterlagen von AZ schließlich, die sich auf die Elastizität der H2-Blocker bezögen, beträfen eine unstreitige Tatsache. Sie belegten jedoch nicht, dass die H2-Blocker erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten.
c) Würdigung durch das Gericht
61 Die Diskussion zwischen den Parteien über die Definition des relevanten Produktmarkts konzentriert sich auf den Wettbewerbsdruck zwischen zwei Arzneimitteln, den PPI und den H2-Blockern, die vorab kurz darzustellen sind.
62 Aus dem 34. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Antagonisten der Histamin-Rezeptoren (auch bekannt unter der Bezeichnung „Antihistamine“ oder „H2-Blocker“) und die PPI Arzneimittel zur Behandlung säurebedingter Magen-Darm-Erkrankungen sind, die die Magensäuresekretion proaktiv hemmen. Die Säure wird durch ein spezielles Enzym, die „Protonenpumpe“, innerhalb der Parietalzellen entlang der Magenwand in den Magen gepumpt. Während die H2-Blocker nur eines der Stimulanzien der Protonenpumpe blockieren, nämlich die Histamin-Rezeptoren in den Parietalzellen, wirken die PPI auf die Protonenpumpe selbst ein. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission daher fest, dass die H2-Blocker nur mittelbar auf die Protonenpumpe einwirkten, während die PPI unmittelbar auf sie einwirken könnten.
63 Es ist unstreitig, dass die therapeutische Wirkung der PPI erheblich stärker ist als die der H2-Blocker. Die Parteien sind sich auch einig, dass der Absatz von PPI erheblich zugenommen hat und der Absatz von H2-Blockern erheblich zurückgegangen ist. Wie die Kommission ausführt, ergibt sich aus den Tabellen 9 bis 15 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass die Gesamtverkäufe von PPI und H2-Blockern in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Schweden zwischen 1991 und 2000 wertmäßig deutlich zunahmen, wobei die Steigerung der PPI‑Verkäufe den wesentlichen Teil dieses Zuwachses ausmachte. Im selben Zeitraum gingen die Verkäufe von H2-Blockern wertmäßig beträchtlich zurück. Desgleichen ergibt sich aus den Tabellen 17 bis 23 dieses Anhangs, dass die Zahl der Behandlungen mit PPI und H2-Blockern zwischen 1991 und 1999 oder 2000 in diesen Ländern insgesamt erheblich zunahm. Im Rahmen dieser Entwicklung stieg die Zahl der Behandlungen mit PPI stark an, und die Zahl der Behandlungen mit H2-Blockern ging je nach Land erheblich zurück oder stagnierte. Die Richtigkeit der Angaben in diesen Tabellen wird nicht bestritten.
64 Mit dem ersten Klagegrund wird im Wesentlichen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler hinsichtlich der Erheblichkeit der kontinuierlich zunehmenden Verwendung der PPI zulasten der H2-Blocker gerügt. Er besteht im Kern aus einer zweistufigen Argumentation. Zum einen seien die H2-Blocker, auch wenn ihre therapeutische Wirkung geringer gewesen sei, therapeutische Substitute der PPI gewesen und noch am Ende des betreffenden Zeitraums (1991–2000) in erheblichem Umfang zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen verkauft worden, für die auch die PPI verschrieben worden seien. Zum anderen hätten, da der Absatz von PPI zulasten der H2-Blocker schrittweise gestiegen sei, Letztere zwangsläufig erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt.
65 Angesichts dieses Vorbringens ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung erstens in Bezug auf die therapeutische Verwendung der PPI und der H2-Blocker zu prüfen und zweitens in Bezug auf die Erheblichkeit der schrittweise verlaufenen Substitution der H2-Blocker durch die PPI für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, den die H2-Blocker auf die PPI ausgeübt haben sollen.
Zur unterschiedlichen therapeutischen Verwendung der PPI und der H2-Blocker
66 In den Erwägungsgründen 381 bis 386 der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, dass die therapeutische Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern für die Existenz eines Produktmarkts spreche, der nur aus PPI bestehe. Sie stellte daher fest, dass es eine bedeutende Gruppe von Patienten mit säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen gebe, für die allein die PPI ein geeignetes Arzneimittel seien. Die Ärzte hätten zunehmend die PPI als die wirksamste und geeignetste Lösung angesehen.
67 Ihr Vorbringen, mit dem die Klägerinnen die Auffassung der Kommission in Frage stellen, wonach die therapeutische Überlegenheit der PPI dafür spreche, den Markt dahin zu definieren, dass er nur aus den PPI bestehe, stützen sie darauf, dass die PPI und die H2-Blocker dieselbe therapeutische Verwendung gefunden hätten, da die H2-Blocker in erheblichem Umfang für dieselben Erkrankungen wie die PPI verschrieben worden seien. Die Klägerinnen berufen sich insoweit auf die von ihnen im Verwaltungsverfahren in Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten schriftlichen Erklärungen von medizinischen Sachverständigen.
68 Das Gericht hat die ihm vorliegenden Erklärungen der medizinischen Sachverständigen geprüft. Es stellt fest, dass die Erklärungen in folgenden Punkten übereinstimmen:
– Die H2-Blocker und die PPI gehören zu einem therapeutischen Kontinuum, das die Bildung von Magensäure unterdrücken soll.
– Die PPI wurden seit ihrer Markteinführung von den Medizinern als das im Vergleich zu den H2-Blockern wirksamere Arzneimittel angesehen.
– Die PPI standen in dem Verdacht, karzinogen zu sein, und wurden von den Ärzten nur ganz allmählich verschrieben. Die Fachärzte verschrieben die PPI eher als die Hausärzte, die insoweit sehr vorsichtig waren.
– Die Verschreibungen von H2-Blockern und PPI erfolgten im Zusammenhang mit der Intensivierung (step-up) oder der Reduzierung (step-down) der Behandlung. Bei der „Step-down-Therapie“, die die Ärzte im Allgemeinen vorzogen, wurden zu Beginn der Behandlung die PPI in einer ausreichenden Dosis verschrieben, um die Symptome unter Kontrolle zu bringen, und sodann wurden schwächere Arzneimittel wie die H2-Blocker oder andere Produkte verschrieben (z. B. Antazida). Bei der „Step-up-Therapie“ wurden in einem ersten Schritt relativ schwache Produkte verabreicht (H2-Blocker oder andere Produkte) und dann in einem zweiten Schritt PPI, wenn die zunächst verschriebenen Produkte zur Behandlung der Erkrankung nicht genügten.
– Die hohen Kosten der PPI konnten in bestimmten Ländern wie Deutschland ein relevanter Faktor bei der Verschreibung von PPI und der Entscheidung zwischen der „Step-up-Therapie“ und der „Step-down-Therapie“ sein.
– Die PPI wurden im Allgemeinen in erster Linie zur Behandlung schwerer Formen von Magen-Darm-Erkrankungen verabreicht. Ihre Verwendung scheint sich jedoch auch auf weniger schwere Formen der Erkrankungen ausgeweitet zu haben.
69 Aus den Erklärungen der medizinischen Sachverständigen ergibt sich daher, dass die PPI und die H2-Blocker zwischen 1991 und 2000 zur Behandlung derselben Erkrankungen verabreicht wurden. Aus ihnen ergibt sich aber auch, dass die PPI im Allgemeinen zur Behandlung schwerer Formen der Erkrankungen verschrieben wurden, die H2-Blocker dagegen eher zur Behandlung ihrer leichten oder weniger schweren Formen.
70 In den Erklärungen der medizinischen Sachverständigen heißt es mitunter, dass die H2-Blocker und die PPI alternative Primärbehandlungen darstellten, je nachdem, ob die „Step-up-Therapie“ oder die „Step-down-Therapie“ Anwendung finde. Der Umstand, dass die PPI zu Beginn der Behandlung oder später verschrieben wurden, je nachdem, ob die „Step-up-Therapie“ oder die „Step-down-Therapie“ gewählt wurde, ändert jedoch nichts an der Feststellung, dass die PPI und die H2-Blocker in unterschiedlichen Situationen im Rahmen einer abgestuften Behandlung verschrieben wurden.
71 Der Umstand, dass die H2-Blocker zur Behandlung derselben Erkrankungen verschrieben wurden wie die PPI oder wie diese Primärbehandlungen darstellten, ist nämlich von beschränkter Bedeutung, weil er die Frage offenlässt, ob die H2-Blocker angesichts der therapeutischen Verwendung der PPI, die vor allem zur Behandlung schwerer Formen der Erkrankungen verwendet wurden, auf diese einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten. Aus den oben genannten Erklärungen geht aber eindeutig hervor, dass, sobald es erforderlich war, Symptome von gewisser Schwere unter Kontrolle zu bringen, die H2-Blocker den PPI wichen, sei es zu Beginn der Behandlung, wenn eine „Step-down-Therapie“ erfolgte, oder am Ende der Behandlung, wenn eine „Step-up-Therapie“ gewählt wurde.
72 Aus den im Verwaltungsverfahren von den Klägerinnen vorgelegten Erklärungen der medizinischen Sachverständigen ergibt sich somit, dass die PPI und die H2-Blocker zwar zur Behandlung derselben Erkrankungen verschrieben, jedoch unterschiedlich verwendet wurden. Während die PPI im Wesentlichen zur Behandlung schwerer Formen von säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen verschrieben wurden, wurden die H2-Blocker zur Behandlung weniger schwerer oder leichter Formen dieser Erkrankungen verschrieben. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dies von den Klägerinnen in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst vorgetragen wurde (Nr. 4.41 Ziff. ii Buchst. b der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte).
73 Die Kommission vertrat daher im 389. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Auffassung, dass der von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgetragene Umstand, dass die PPI im Allgemeinen nur zur Behandlung schwererer Formen der Erkrankungen verwendet worden seien, die Schlussfolgerung stütze, dass es einen allein aus den PPI bestehenden relevanten Produktmarkt gebe.
74 Die Klägerinnen können nicht geltend machen, dass die unterschiedliche Verwendung der PPI und der H2-Blocker je nach Intensivierung oder Reduzierung der Behandlungen eine neue Tatsache sei, die im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden dürfe. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich nämlich, dass die Kommission die Unterschiede in der therapeutischen Verwendung dieser Produkte gerade im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerinnen berücksichtigte, wie aus den Erwägungsgründen 389, 490 und 502 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht.
75 Insoweit ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Kommission aufgrund interner Unterlagen von AZ in den Erwägungsgründen 384 und 490 der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass der erste auf den Markt gebrachte PPI, nämlich Losec, die Hersteller von H2-Blockern veranlasst habe, sich der Behandlung gutartiger Formen der Erkrankungen zuzuwenden, die traditionell mit Antazida und Alginaten behandelt worden seien, und ihre Produkte sogar rezeptfrei zugänglich zu machen.
76 Auch dass, wie die Klägerinnen unter Berufung auf den Bericht von IMS Health vortragen, die schwereren Magen-Darm-Erkrankungen in den meisten Ländern noch am Ende des betreffenden Zeitraums in erheblichem Umfang zu Verschreibungen von H2-Blockern führten, spricht nicht gegen die Schlussfolgerung, wonach die H2-Blocker und die PPI therapeutisch unterschiedlich verwendet wurden. Das Vorbringen, die H2-Blocker seien in geringem Umfang (10 % laut Bericht von IMS Health) für die Behandlung schwerer Formen der Erkrankungen verschrieben worden, bestätigt die Erwägung – die sich aus dem von den Klägerinnen selbst vorgelegten Beweismaterial herleitet –, dass die schweren Formen der säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen ganz überwiegend zur Verschreibung von PPI führten.
77 Die Klägerinnen und die EFPIA machen weiterhin geltend, dass die Kommission die konkrete Verschreibungspraxis der Ärzte nicht untersucht habe und dass sie die Dateien aus dem Bericht von IMS Health selektiv ausgewählt habe, ohne die übrigen in diesem Bericht enthaltenen Angaben zu widerlegen.
78 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Würdigung auf alle relevanten Daten stützen muss, die in einem konkreten Fall zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne bezüglich der Kontrolle von Zusammenschlüssen Urteil Kommission/Tetra Laval, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 39). Dies bedeutet insbesondere, dass die Kommission verpflichtet ist, die von den am Verwaltungsverfahren beteiligten Unternehmen vorgetragenen Sachargumente und vorgelegten Beweise mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil GlaxoSmithKline Services/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 276).
79 Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sich die Kommission nur auf Beweise stützen kann, die sie aufgrund eigener Ermittlungen zusammengetragen hat. Die Kommission darf sich auf Beweise stützen, die die Parteien des Verwaltungsverfahrens beigebracht haben, sofern diese Beweise zuverlässig und relevant sind, wobei es ihr gegebenenfalls obliegt, sie durch andere Beweise zu ergänzen, falls sich die von den Parteien des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Informationen als unzureichend oder fehlerhaft erweisen.
80 Zwar führte die Kommission im vorliegenden Fall keine eigenen Untersuchungen darüber durch, wie die PPI und die H2-Blocker von Ärzten therapeutisch verwendet werden, doch legten die Klägerinnen mehrere Erklärungen von medizinischen Sachverständigen vor, die, wie oben in den Randnrn. 68 und 69 ausgeführt, übereinstimmende Angaben enthielten und zudem die relevanten Informationen bestätigten, die in den internen Unterlagen von AZ enthalten waren und auf die im 502. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kommission in diesem Punkt die genannten Informationen berücksichtigen durfte, ohne eigene Ermittlungen durchzuführen.
81 Soweit die EFPIA mit dem Vorbringen, die Daten aus dem Bericht von IMS Health seien selektiv verwendet und die übrigen in diesem Bericht enthaltenen Daten seien nicht widerlegt worden, eine hinreichende Begründung der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen will, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Gründe, aus denen sie von bestimmten in einer Studie enthaltenen Daten keinen Gebrauch macht, nur insoweit zu nennen braucht, als die Parteien des Verwaltungsverfahrens in diesem Verfahren Sachargumente vorgebracht haben, denen speziell diese Daten zugrunde lagen, sofern sich die Daten als relevant erweisen. Von der Kommission kann jedenfalls nicht gefordert werden, dass sie die Gründe, aus denen sie bestimmte Daten einer Studie nicht verwendet oder zurückweist, systematisch aufführt, da es ausreicht, dass sie ihre Entscheidung mit Gründen versieht und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufführt, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung veranlasst haben. Dies gilt umso mehr, als die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht, die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, Slg. 1984, 19, Randnr. 22, und vom 17. November 1987, BAT und Reynolds/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 72; Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994, Air France/Kommission, T‑2/93, Slg. 1994, II‑323, Randnr. 92).
82 Soweit die EFPIA der Kommission ferner vorwirft, bestimmte Angaben aus dem Bericht von IMS Health nicht berücksichtigt zu haben, ist festzustellen, dass sie nicht erläutert, um welche Angaben es sich handelt; die bloße Bezugnahme auf die allgemeinen Schlussfolgerungen des Berichts von IMS Health ist insoweit für die Feststellung eines Fehlers der Kommission offensichtlich unzureichend.
Zur Erheblichkeit der schrittweise verlaufenen Substitution der H2-Blocker durch die PPI
83 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die „Unbeweglichkeit“, die die Verschreibungspraxis der Ärzte kennzeichnete, unstreitig auf der Zurückhaltung der Ärzte gegenüber den PPI beruhte, von denen die Ärzte mögliche Nebenwirkungen befürchteten. Wie die Klägerinnen geltend machen, geht aus dem Lexecon-Bericht hervor, dass die Ärzte im Allgemeinen Zeit benötigen, um mit einem neuen Arzneimittel vertraut zu werden und bereit zu sein, es zu verschreiben. Zudem geht aus den von den Klägerinnen vorgelegten Erklärungen der medizinischen Sachverständigen hervor, dass die verschreibenden Ärzte etwaige karzinogene Wirkungen der PPI befürchteten.
84 Sodann ergibt sich aus den Tabellen 17 bis 23 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass die Zahl der verschriebenen PPI‑Behandlungen zwischen 1991 und 2000 schrittweise zunahm und die Zahl der verschriebenen Behandlungen mit H2-Blockern 1994 in Schweden, 1996 in Norwegen und Belgien, 1997 in Deutschland und Dänemark und 1998 in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich überstieg. Die Tabellen 9 bis 15 im Anhang der angefochtenen Entscheidung zeigen ferner, dass die Absätze von PPI wertmäßig ebenfalls schrittweise zunahmen und die Absätze der H2-Blocker in Schweden 1992, in Belgien 1994, in Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich 1995 und in Deutschland 1996 überstiegen.
85 Die Frage, ob die H2-Blocker in dem betreffenden Zeitraum einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten, ist eine komplexe Frage, die, wie in Nr. 25 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes festgestellt wird, anhand einer Reihe von Anhaltspunkten beantwortet werden kann, zu denen unterschiedliche Nachweise, oft auch solche empirischer Natur, gehören, wobei die Kommission alle verfügbaren relevanten Informationen berücksichtigen muss. Im vorliegenden Fall berufen sich die Klägerinnen auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, den die Kommission begangen haben soll, indem sie sich im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nur auf einen Aspekt der von ihr zur Definition des relevanten Marktes durchgeführten Analyse gestützt habe, nämlich darauf, dass die schrittweise steigenden Absätze von PPI zulasten von H2-Blockern ein wichtiger Beleg dafür seien, dass die H2-Blocker während des fraglichen Zeitraums notwendigerweise einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten.
86 Um die Begründetheit des Vorbringens der Klägerinnen sowohl grundsätzlich als auch im konkreten Fall zu prüfen, ist es in den theoretischen Rahmen einzuordnen, den die Kommission in ihrer Bekanntmachung über die Definition des Marktes für die Feststellung des Wettbewerbsdrucks vorgegeben hat und anhand dessen sie die ihr in jedem konkreten Fall zur Verfügung stehenden verschiedenen Belege beurteilen will.
87 In den Nrn. 15 bis 19 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes führt die Kommission aus, dass sie die Substituierbarkeit der Nachfrage anhand eines theoretischen Ansatzes beurteilen wolle, aufgrund dessen eine leichte, aber bleibende Erhöhung um 5 % bis 10 % des relativen Preises für das Produkt, von dem aus der relevante Markt definiert werde, angenommen und geprüft worden sei, ob diese hypothetische Erhöhung dem hypothetischen Monopolisten, der das fragliche Produkt verkaufe, einen Gewinn einbringen könne. Ist nach dieser wirtschaftlichen Prüfung, wie sie in Nr. 17 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes dargestellt wird, die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, ist davon auszugehen, dass die Substitute einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das betreffende Produkt ausüben.
88 Im speziellen Fall des Inverkehrbringens eines neuen Produkts geschieht es nicht selten, dass, wie insbesondere Nr. 45 der Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 [EG] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2001, C 3, S. 2) zeigt, der Ausbau des Absatzes eines neuen Produkts, das, wenn auch nur teilweise, an die Stelle eines bestehenden Produkts tritt, gewisse Zeit benötigt und sich der Absatz daher schrittweise entwickelt.
89 Nach Maßgabe des oben in Randnr. 87 genannten theoretischen Rahmens, anhand dessen die Kommission die ihr zur Verfügung stehenden Beweise für die Feststellung beurteilen will, ob ein vorhandenes Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf ein neues Produkt ausübt, ist zu fragen, ob unter Berücksichtigung der allmählichen schrittweisen Steigerung des Absatzes des neuen Produkts eine leichte Preiserhöhung des neuen Produkts zu einer Verlagerung der Nachfrage auf das vorhandene Produkt führen würde, so dass diese Preiserhöhung in Anbetracht der Einnahmen, die ohne sie erzielt worden wären, keinen Gewinn einbringen würde. Es ist darauf hinzuweisen, dass die schrittweise Steigerung des Absatzes des neuen Produkts nicht zwangsläufig ausbleiben würde, wenn die Preissteigerung Gewinn einbrächte und damit festgestellt wäre, dass das vorhandene Produkt keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das neue Produkt ausübt.
90 Die Kommission durfte somit davon ausgehen, dass aus der schrittweisen Steigerung des Absatzes eines neuen Produkts, das an die Stelle eines vorhandenen Produkts tritt, für sich genommen grundsätzlich nicht geschlossen werden kann, dass das vorhandene Produkt auf das neue Produkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.
91 Auch wenn diese Schlussfolgerung auf Erwägungen beruhen würde, denen ein wirtschaftlicher, auf der Beobachtung der Auswirkungen von Änderungen der relativen Preise auf die Nachfrage beruhender Ansatz zugrunde läge, würde sie in gleicher Weise für den vorliegenden Fall gelten und würde nicht durch die von den Klägerinnen geltend gemachten Besonderheiten der Arzneimittelmärkte entkräftet, d. h. insbesondere dadurch, dass die verschreibenden Ärzte und die Patienten auf Preisänderungen nur in beschränktem Maß reagieren. Ohne dass hierzu Stellung genommen werden müsste, stellt nämlich unabhängig davon, ob der oben in Randnr. 87 genannte theoretische Ansatz auf die Arzneimittelmärkte konkret anwendbar ist, die angeführte Tatsache, dass die verschreibenden Ärzte und die Patienten auf Änderungen der relativen Preise nicht reagierten, nicht die Richtigkeit der Erwägung in Frage, dass die schrittweise Steigerung des Absatzes eines neuen Produkts, das an die Stelle eines vorhandenen Produkts tritt, grundsätzlich nicht für die Annahme genügt, dass das vorhandene Produkt auf das neue Produkt zwangsläufig einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübt.
92 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Absatz der PPI schrittweise anstieg, weil die Ärzte gegenüber einem Arzneimittel zurückhaltend waren, dessen Eigenschaften ihnen noch nicht gänzlich vertraut waren, und weil sie etwaige Nebenwirkungen befürchteten. Die Klägerinnen haben jedoch nichts dafür vorgetragen, dass diese schrittweise Steigerung des Absatzes der PPI durch einen von den H2-Blockern ausgeübten erheblichen Wettbewerbsdruck verursacht worden wäre. Sie beschränken sich darauf, eine Vermutung für den Kausalzusammenhang zwischen der schrittweisen Steigerung des Absatzes der PPI und einem von den H2-Blockern auf die PPI ausgeübten Wettbewerbsdruck aufzustellen.
93 Wie oben ausgeführt, besteht eine solche Vermutung grundsätzlich nicht. Auch gibt es keinen der vorliegenden Rechtssache eigenen Gesichtspunkt, der die Annahme rechtfertigen würde, dass im vorliegenden Fall ein solcher Kausalzusammenhang besteht. Die Klägerinnen tragen nichts vor, was darauf hinweisen könnte, dass die Eignung der H2-Blocker, erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI auszuüben, und damit die Fähigkeit der die PPI vertreibenden Unternehmen, sich gegenüber den H2-Blockern unabhängig zu verhalten, durch die gegenüber den PPI bestehende Zurückhaltung oder Befürchtung der Ärzte beeinflusst worden wäre.
94 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich das Ausmaß der „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte unstreitig unmittelbar auf die Höhe der mit den PPI und den H2-Blockern erzielten Einnahmen auswirkte, da die „Unbeweglichkeit“ den Absatz der PPI und damit den Prozess der Substitution der H2-Blocker durch die PPI verzögerte. Für sich genommen belegt dieser Umstand jedoch nicht, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten.
95 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen geltend gemacht, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die H2-Blocker 1993 keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten, da die PPI erst zögerlich in den Markt für H2-Blocker eingedrungen seien, wie der Unterscheid zwischen dem noch geringen Absatz der PPI und dem weit höheren Absatz der H2-Blocker in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich belege.
96 Der Umstand, dass 1993 der Absatz der PPI deutlich niedriger war als der Absatz von H2-Blockern, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die H2-Blocker in diesem Jahr einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten. Ebenso wenig ist der Umstand, dass der Absatz der PPI den Absatz von H2-Blockern zu einem bestimmten Zeitpunkt überstieg, für sich genommen ein Anhaltspunkt dafür, dass die H2-Blocker zu diesem konkreten Zeitpunkt keinen erheblichen Wettbewerbsdruck mehr auf die PPI ausübten. Die Feststellung einer asymmetrischen Substitution, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Absatz der PPI steigt und der Absatz der H2-Blocker sinkt oder stagniert, in Verbindung mit der Feststellung, dass, weil die PPI sich zunehmend durchsetzten, die Verwendung der H2-Blocker auf die Behandlung gutartiger Erkrankungsformen verlagert wurde, die traditionell mit Antazida oder Alginaten behandelt wurden (vgl. Erwägungsgründe 384 und 490 der angefochtenen Entscheidung), bestätigt infolgedessen die Annahme, dass die H2-Blocker auf die PPI keinen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten.
97 Ferner ist der Umstand, dass die PPI einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die H2-Blocker ausübten und dass folglich die PPI zwischen 1991 und 2000 dem Markt für H2-Blocker angehörten, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ohne Relevanz, da dieser Umstand nicht bedeutet, dass die H2-Blocker ihrerseits einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten und dass folglich die H2-Blocker dem Markt für die PPI angehörten. Die Definition des relevanten Marktes erfolgt im vorliegenden Fall allein über die Ermittlung des erheblichen Wettbewerbsdrucks, der im fraglichen Zeitraum auf die PPI ausgeübt wurde, und lässt daher den Wettbewerbsdruck, den die PPI auf andere Produkte ausgeübt haben mögen, außer Betracht. Wie die Kommission im 493. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellte, ergibt sich aus Nr. 3 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes, dass sich der Begriff des relevanten Marktes von anderen, oft in anderen Zusammenhängen gebrauchten Marktbegriffen unterscheidet, wie z. B. dem Gebiet, in dem die Unternehmen ihre Produkte verkaufen, oder, allgemeiner, dem Industriezweig oder der Branche der Unternehmen. Daher lässt der Umstand, dass die H2-Blocker das hauptsächliche Wettbewerbsziel von Losec waren, nicht den Schluss zu, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf Losec ausübten.
98 Die Klägerinnen machen noch geltend, dass die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte von der Qualität des bereits vorhandenen Arzneimittels und den Vorteilen abhänge, die das neue Erzeugnis biete. Insoweit ist einzuräumen, dass die Qualität des bereits vorhandenen Produkts das Maß an „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte beeinflussen kann, da diese es bei Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen des neuen Produkts für ratsam halten können, an der Verschreibung des vorhandenen Produkts festzuhalten, wenn seine therapeutische Wirkung für ausreichend gehalten wird. Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den von den Klägerinnen selbst vorgelegten Aktenstücken, insbesondere aus dem Lexecon-Bericht und den Erklärungen der medizinischen Sachverständigen, eindeutig hervor, dass die „Unbeweglichkeit“ bei der Verschreibungspraxis ihren Grund in erster Linie in der Zurückhaltung hat, die üblicherweise die Haltung der Ärzte gegenüber einem neuen Produkt kennzeichnet, dessen Eigenschaften sie noch nicht genau kennen, insbesondere aber in ihren erheblichen Bedenken hinsichtlich etwaiger karzinogener Nebenwirkungen der PPI.
99 Die Klägerinnen können sich daher nicht darauf berufen, dass die „Unbeweglichkeit“, die die Verschreibungspraxis der Ärzte kennzeichne, insgesamt auf die therapeutische Qualität der H2-Blocker zurückzuführen sei.
100 Soweit die Klägerinnen geltend machen wollen, die Qualität der H2-Blocker habe Einfluss auf das Maß an „Unbeweglichkeit“ gehabt, das die Verschreibungspraxis der Ärzte kennzeichne, ist festzustellen, dass die Klägerinnen hierzu nichts vortragen, während der Akteninhalt darauf hindeutet, dass dem nicht so war. Die therapeutische Wirkung der PPI ist nämlich unstreitig weit stärker als die der H2-Blocker. Wie die Kommission im 382. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführte, wurden die PPI als das einzig wirksame Mittel zur Behandlung bestimmter säurebedingter Magen-Darm-Erkrankungen angesehen, insbesondere der schweren Formen dieser Erkrankungen. Der Umstand, dass die PPI und die H2-Blocker nacheinander im Rahmen derselben Behandlung je nach der Reduzierung oder Intensivierung der Behandlung verschrieben wurden, berührt diese Feststellung nicht, sondern bestätigt sie.
101 Wie die Kommission ausführt, ergibt sich im Übrigen aus den Tabellen 17 bis 23 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass in den meisten der einbezogenen Länder die Zahl der Behandlungen mit PPI im Jahr 2000 wesentlich höher war als die Zahl der Behandlungen mit H2-Blockern im Jahr 1991. So ist die Zahl der Behandlungen mit PPI im Jahr 2000 beträchtlich höher als die Zahl der Behandlungen mit H2-Blockern im Jahr 1991 oder 1992 in Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Schweden sowie in erheblichem Umfang in Deutschland. Nur in Belgien und im Vereinigten Königreich überstiegen die Behandlungen mit PPI im Jahr 2000 die Behandlungen mit H2-Blockern im Jahr 1991 in geringerem Umfang.
102 Der Umstand, dass die PPI als das einzige wirksame Mittel bei der Behandlung schwerer Formen von Magen-Darm-Erkrankungen angesehen wurden, dass die PPI und die H2-Blocker daher unterschiedliche therapeutische Verwendung fanden und dass die Zuwachsrate der PPI in oftmals erheblichem Umfang nicht zulasten der H2-Blocker ging, bestätigt die These, dass die „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, wie im Lexecon-Bericht ausgeführt, eher von der Beschaffung und Verbreitung von Informationen über die Eigenschaften der PPI als von der Qualität der H2-Blocker abhing.
103 Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Feststellung, dass die Zahl der Behandlungen mit PPI im Jahr 2000 deutlich höher war als die Zahl der Behandlungen mit H2-Blockern in den Jahren 1991 oder 1992, dürfe bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden, da diese Feststellung in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. Es ist indessen festzustellen, dass die genannte Feststellung anhand der Tabellen im Anhang der angefochtenen Entscheidung getroffen wurde. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen neuen Gesichtspunkt darstellt, der bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden dürfte, um einem Einwand gegen die begründete Beurteilung der Kommission zu begegnen, dass die schrittweise Zunahme der PPI nicht zwangsläufig bedeute, dass die H2-Blocker auf die PPI einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten.
104 Die EFPIA macht ferner geltend, der Nachweis, dass der absolute Absatz von PPI erheblich gestiegen sei, während er bei H2-Blockern gesunken oder gleich geblieben sei, genüge nicht für die Schlussfolgerung, dass die H2-Blocker auf die PPI keinen Wettbewerbsdruck mehr ausgeübt hätten. Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, beruht die Analyse der Kommission jedoch nicht nur auf dieser Feststellung; sie hat ihre Definition des relevanten Produktmarkts vielmehr auf eine Reihe von Gesichtspunkten gestützt, nämlich auf die therapeutischen Verwendungen, die Preisindikatoren und die in Deutschland und im Vereinigten Königreich beobachteten „natürlichen Ereignisse“, also auf Gesichtspunkte, denen die Klägerinnen und die EFPIA im Übrigen im Einzelnen widersprochen haben.
105 Schließlich ist das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, die Kommission habe es an Kohärenz fehlen lassen, da sie in der angefochtenen Entscheidung die Relevanz der „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis bei ihrer Untersuchung der Marktdefinition verneint, bei der Beurteilung der beherrschenden Stellung von AZ dagegen bejaht habe. Wie die Kommission ausgeführt hat, ist die „Unbeweglichkeit“ ein Faktor, der die Marktposition eines vorhandenen Produkts stärken kann, indem er Hindernisse für den Zugang oder die Expansion neu auf dem Markt eingeführter konkurrierender Produkte schafft. Dieser Umstand steht jedoch nicht im Widerspruch zu der Erwägung, dass die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte nicht den Schluss zulässt, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt haben.
106 Nach alledem hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie das Vorbringen zurückwies, wonach die schrittweise Steigerung des Absatzes von PPI zulasten der H2-Blocker bedeutet habe, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten, so dass die H2-Blocker in den relevanten Produktmarkt einzubeziehen seien.
107 Der erste Klagegrund, mit dem die Klägerinnen die Definition des relevanten Markts rügen, ist somit zurückzuweisen.
3. Zweiter Klagegrund: verschiedene Unstimmigkeiten und Beurteilungsfehler
a) Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA
108 Die Klägerinnen und die EFPIA sind erstens der Auffassung, die Kommission habe bei der Definition des Marktes nicht hinreichend die therapeutische Verwendung der betroffenen Produkte berücksichtigt. Sie wenden sich zunächst gegen die Feststellung der Kommission im 373. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die Kommission in ihrer Entscheidungspraxis den Unterschieden zwischen den Wirkungsweisen der Arzneimittel besonderes Gewicht beigemessen habe. Die früheren Entscheidungen, die die Kommission aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) erlassen habe und auf die sie sich insoweit beziehe, nämlich ihre Entscheidungen zur Vereinbarkeit von Zusammenschlüssen mit dem Gemeinsamen Markt vom 26. Februar 1999 (Sache COMP/M.1403 – Astra/Zeneca), vom 17. Mai 1999 (Sache COMP/M.1397 – Sanofi/Synthelabo) und vom 27. Februar 2003 (Sache COMP/M.2922 – Pfizer/Pharmacia), stützten diese Feststellung nicht, denn die Kommission habe die Unterschiede in den Wirkungsweisen der Arzneimittel berücksichtigt, wenn sie zu unterschiedlichen therapeutischen Verwendungen geführt hätten, und die Relevanz fehlender Übereinstimmungen zwischen den Wirkungsweisen verneint, wenn die betreffenden Arzneimittel weiterhin eine ähnliche therapeutische Verwendung gefunden hätten.
109 Die EFPIA fügt hinzu, die Kommission wähle in ihrer Entscheidungspraxis üblicherweise die therapeutische Verwendung des betreffenden Produkts als Ausgangspunkt ihrer Analyse für die Zwecke der Definition des Markts, was dazu geführt habe, dass sie die dritte Stufe des Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystems (Anatomical Therapeutic Chemical classification system, im Folgenden: ATC) berücksichtige, in der die Arzneimittel im Allgemeinen nach ihren therapeutischen Indikationen klassifiziert würden.
110 Die Klägerinnen und die EFPIA machen ferner geltend, die Vorgehensweise der Kommission sei fehlerhaft, da sie sich zu stark auf die Beschreibung der therapeutischen Merkmale der Produkte stütze, die für die Definition des Marktes unerheblich seien, statt die Wirkung dieser Merkmale auf die Entscheidungen zu beurteilen, die die Entscheidungsträger in der Zeit von 1993 bis 2000 getroffen hätten. Die Substituierbarkeit der verschreibungspflichtigen Arzneimittel hänge nämlich nicht von deren physischen, technischen oder chemischen Merkmalen ab, sondern von ihrer funktionellen Substituierbarkeit aus der Sicht der Personen, die ihre Einnahme überwachten, d. h. der Mediziner (Entscheidung 97/469/EG der Kommission vom 17. Juli 1996 in einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 4064/89 [Sache IV/M.737 – Ciba-Geigy/Sandoz] [ABl. 1997, L 201, S. 1, 21. Erwägungsgrund]). Die EFPIA fügt hinzu, die technische Überlegenheit eines Produkts einer pharmazeutischen Kategorie bewahre dieses nicht vor dem Wettbewerbsdruck, der von anderen Produkten ausgehe (Entscheidungen der Kommission vom 27. Mai 2005 [Sache COMP/M.3751 – Novartis/Hexal] und vom 22. Mai 2000 [Sache COMP/M.1878 – Pfizer/Warner-Lambert]). Bei der Verschreibung eines Arzneimittels stützten sich die Ärzte auf medizinische Gründe wie den Wirkstoff, die Verträglichkeit, die Toxizität oder die Nebenwirkungen. Die Kommission aber habe keinen dieser medizinischen Gründe als entscheidend für die Feststellung der Substituierbarkeit der Arzneimittel herausgestellt.
111 Die EFPIA wirft der Kommission daher vor, sie habe die Schlüsselfaktoren, die das Verhalten der verschreibenden Ärzte bestimmten, nicht untersucht, ohne die von den Klägerinnen vorgelegten Beweise zu entkräften, die belegten, dass die PPI und die H2-Blocker nach Auffassung der Ärzte dieselbe therapeutische Verwendung fänden. Die Kommission verhalte sich daher im Verhältnis zu ihrer früheren Entscheidungspraxis inkohärent und habe einen Tatsachen- und Rechtsfehler begangen, indem sie die Wirkungsweise als wesentliches Merkmal der PPI für die Definition des relevanten Markts herangezogen habe.
112 Die Klägerinnen führen zweitens aus, die Untersuchung der Kommission stütze sich auf die Umsatztendenzen, die absoluten Preisunterschiede und eine Korrelationsstudie. Die preisgebundenen Indikatoren seien jedoch für die Wettbewerbsanalyse ungeeignet, wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt nicht auf den Preisen beruhe. Vielmehr seien andere Faktoren als der Preis von grundlegender Bedeutung. Die Kommission habe sich ferner zu stark auf die von den Beschwerdeführerinnen vorgelegte Korrelationsstudie gestützt, um das Fehlen eines erheblichen Wettbewerbsdrucks zwischen den PPI und den H2-Blockern zu belegen, obwohl sie die Zuverlässigkeit dieser Studie wegen methodischer Schwächen in Frage gestellt habe. Die Klägerinnen verweisen insbesondere auf die Erwägungsgründe 368, 411, 416, 436, 440, 447 und 451 der angefochtenen Entscheidung.
113 Die Klägerinnen und die EFPIA sind der Ansicht, die Kommission hätte ihre Schlussfolgerung, dass es keinen Wettbewerbsdruck zwischen den PPI und den H2-Blockern gebe, nicht auf die Unterschiede zwischen den absoluten Preisen dieser Produkte stützen dürfen. Zum einen habe die Kommission, vor allem in den Erwägungsgründen 362 und 363 der angefochtenen Entscheidung, anerkannt, dass die Preise nicht durch einen normalen Wettbewerbsdruck bestimmt worden seien und dass der Entscheidungsträger (der Arzt) und die Preisregulierung von grundlegender Bedeutung gewesen seien. Die EFPIA weist insoweit darauf hin, dass ein von staatlichen Stellen für die PPI festgesetzter Preis, der höher sei als der Preis für die H2-Blocker, lediglich Ausdruck der Vorstellung sei, die die staatlichen Stellen von dem Wert des Produkts für die menschliche Gesundheit und von seinem Innovationsbeitrag im Vergleich zu den vorhandenen Produkten hätten. Einem Produkt mit hohem Innovationsgrad werde daher ein höherer Preis zugeordnet als den vorhandenen Produkten mit derselben therapeutischen Verwendung. Der Abstand zwischen dem Preis des neuen Produkts und der vorhandenen Produkte könne sich sogar vergrößern, da sich der Preissenkungsdruck, den die Regierung auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel ausübe, stärker gegen die älteren Produkte bzw. die Produkte richte, deren Patente abgelaufen seien. Die Hersteller seien daher nicht frei, die Preise ihrer Produkte selbst festzusetzen. Zudem übe der Prozess der Preisfestsetzung einen begrenzten Einfluss auf den Verbrauchsprozess aus, da die Ärzte wenig auf die Preise und mehr auf die therapeutische Wirksamkeit der Produkte achteten.
114 Zum anderen weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Definition des Marktes voraussetze, dass beurteilt werde, wie die Verbraucher auf Veränderungen der relativen Preise reagierten. Die Höhe der absoluten Preise sei daher für den Wettbewerbsdruck unerheblich. Schließlich stehe die Behauptung der Kommission, dass Losec teurer als die Alternativprodukte, die H2-Blocker, sei, im Widerspruch zu der Erwägung, dass die PPI ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als die H2-Blocker aufwiesen. Die Kommission habe nicht den – von ihr jedoch in den Erwägungsgründen 38, 382 und 385 der angefochtenen Entscheidung anerkannten – Umstand berücksichtigt, dass die PPI eine schnellere Behandlung ermöglichten und dass daher die allgemeinen Kosten der Behandlung mit PPI geringer seien, obwohl die Kosten einer Tagesdosis PPI höher seien als die Kosten einer entsprechenden Tagesdosis H2-Blocker.
115 Die Klägerinnen bestreiten daher, dass eine nur auf der Menge beruhende Berechnung die therapeutischen Unterschiede zwischen den Produkten nicht zutreffend wiedergeben könne. Eine derartige Berechnung spiegele die Zahl der für die Behandlung einer bestimmten Erkrankung erforderlichen Tage wider und lasse besser als eine auf den Preisen beruhende Berechnung das Verhältnis erkennen, in dem der Gebrauch von zwei verschiedenen Arzneimitteln durch die Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt stehe.
116 Zu dem Vorbringen der Kommission, der Umstand, dass AZ für die PPI höhere Preise habe aushandeln können, deute darauf hin, dass die PPI einem anderen Markt angehörten als die H2-Blocker, tragen die Klägerinnen vor, die Kommission habe keine Ermittlungen darüber angestellt, nach welchem Verfahren die Preise für die PPI in den einzelnen Mitgliedstaaten tatsächlich vereinbart worden seien. AZ habe auf der Grundlage eines „Tagespreises“ einen doppelt so hohen Preis wie für Zantac verlangt, was damit begründet worden sei, dass die allgemeinen Behandlungskosten gleich hoch seien, da der Preis die höhere Wirksamkeit von Losec widerspiegele.
117 Die Klägerinnen und die EFPIA machen drittens geltend, die Kommission habe sich in Bezug auf Deutschland und das Vereinigte Königreich zu sehr auf einzelne „natürliche Ereignisse“ gestützt. Würden die Veränderungen einer spezifischen Variablen gleichzeitig von mehreren Faktoren ausgelöst, könne aufgrund der wirtschaftsstatistischen Analyse die Wirkung eines individuellen Faktors für sich genommen unter Berücksichtigung der Wirkung aller anderen Faktoren beurteilt werden. Die Kommission dürfe daher nicht die gesamte Wirkung einem individuellen Faktor zurechnen, wie sie es getan habe, als sie sich auf die „natürlichen Ereignisse“ konzentriert habe. Anknüpfend an den Lexecon-Bericht machen sie geltend, es müsse die gleichzeitige Wirkung folgender Faktoren beurteilt werden: die Preise für Losec und die konkurrierenden Produkte, der Markteintritt konkurrierender Produkte, die Zahl der für Losec und die konkurrierenden Produkte in Betracht kommenden Darreichungsformen, die Werbetätigkeiten für alle Produkte auf dem Markt, der Zeitpunkt, zu dem für Losec neue Indikationen genehmigt worden seien, sowie die chronologische Entwicklung. Die Klägerinnen fügen hinzu, der Lexecon-Bericht belege, dass die H2-Blocker dem Markt der PPI angehörten; sie weisen darauf hin, dass sie die von der Kommission in den Erwägungsgründen 458 bis 487 der angefochtenen Entscheidung genannten Kriterien bezüglich der in diesem Bericht angewandten Methode erfüllt hätten.
118 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe in Bezug auf Deutschland drei Ereignisse untersucht, nämlich den Markteintritt des zweiten PPI, Pantoprazol, im Jahr 1994, die Einführung des generischen H2-Blockers Ranitidin im Jahr 1995 und die Einführung des generischen Omeprazol im Jahr 1999. Was das erstgenannte Ereignis, den Markteintritt von Pantoprazol, betreffe, seien die augenscheinliche Wechselwirkung zwischen den Preisen für Losec und für die anderen PPI sowie das augenscheinliche Fehlen einer Wechselwirkung zwischen den Preisen für die PPI und für die H2-Blocker kein Beleg dafür, dass die PPI und die H2-Blocker getrennten Produktmärkten angehörten. Die Ärzte achteten bei der Verschreibung der Arzneimittel auf deren therapeutische Eigenschaften und weniger auf deren Preise. Die therapeutische Substituierbarkeit aus der Sicht der verschreibenden Ärzte sei daher ein wesentlicher Aspekt, und die Kommission hätte folglich ihre Untersuchung nicht auf den Preiswettbewerb konzentrieren dürfen. Aus dem Lexecon-Bericht gehe hervor, dass sich nach der Einführung von Pantoprazol der Rückgang der Marktanteile der H2-Blocker erheblich verstärkt habe, was darauf hindeute, dass Pantoprazol zulasten der H2-Blocker Marktanteile erworben habe und diese Erzeugnisse somit demselben Markt angehörten.
119 Was das zweite von der Kommission untersuchte Ereignis, den Markteintritt des generischen H2-Blockers Ranitidin im Jahr 1995, angehe, sei eine Untersuchung, die auf den relativen Preisen basiere, wiederum von begrenztem Wert. Unabhängig von den relativen Preisen hätten die verschreibenden Ärzte die H2-Blocker und die PPI im fraglichen Zeitraum als substituierbare therapeutische Produkte angesehen. Die Grafiken 2 und 3 des Lexecon-Berichts zeigten, dass der Marktanteil der H2-Blocker vor der Einführung von Ranitidin stark rückläufig gewesen sei. Die Klägerinnen und die EFPIA weisen darauf hin, dass die Einführung dieses Generikums für gewisse Zeit zu einer Erhöhung des Marktanteils der H2-Blocker, gemessen am Absatz, geführt und dann den Rückgang ihres Marktanteils verlangsamt habe. Überdies sei der Marktanteil von Losec nach der Einführung von Ranitidin stark zurückgegangen, und die Zuwachsrate des Marktanteils der anderen PPI habe sich zum Zeitpunkt seiner Einführung stabilisiert. Aus den Grafiken gehe hervor, dass sich die Einführung von Ranitidin nachteilig auf die Marktanteile von Losec und der anderen PPI ausgewirkt habe, was darauf hindeute, dass diese Produkte demselben Markt angehört hätten.
120 Die EFPIA fügt hinzu, die Erklärung der Kommission, wonach die Einführung von Ranitidin in Deutschland starken Druck auf die Preise der anderen H2-Blocker ausgeübt habe, ohne sich jedoch auf die Preise der PPI auszuwirken, lasse außer Acht, dass die Festsetzung der Preise das Ergebnis staatlicher Regelungen sei und dass die unterschiedliche Entwicklung der Preise einer Gruppe von Produkten im Vergleich zu den Preisen anderer Produkte Ausdruck der Regierungspolitik sei, die von Land zu Land variieren könne.
121 In ihrer Antwort auf das Vorbringen der Kommission im 424. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die Einführung von Ranitidin die Werbetätigkeit im Sektor der H2-Blocker, nicht aber im Sektor der PPI, stark beeinflusst habe, stellen die Klägerinnen in Abrede, dass die Werbetätigkeit im Zusammenhang mit den PPI bei der Einführung des genannten Generikums nicht zugenommen habe. Während die Werbetätigkeit im Allgemeinen abgenommen habe, habe sie im Zusammenhang mit Losec und den anderen PPI (Lansoprazol und Pantoprazol) bei der Einführung des generischen Ranitidin zugenommen. Im Übrigen könne ein zeitlich isoliertes Geschehnis bezüglich der Werbetätigkeit nicht als repräsentativ für eine Situation angesehen werden, die während der gesamten Zeit der angeblichen Missbräuche zwischen 1993 und 2000 bestanden habe. Die Werbetätigkeit für die H2-Blocker habe zum Zeitpunkt des Markteintritts des PPI Lansoprazol im Juni 1993 stark zugenommen, sei aber zum Zeitpunkt des Markteintritts des PPI Pantoprazol im September 1994 zurückgegangen. Dies deute darauf hin, dass die Werbestrategien nicht nur eine Reaktion auf isolierte Marktereignisse gewesen seien. Während eines großen Teils des fraglichen Zeitraums sei die Werbetätigkeit für die H2-Blocker erheblich gewesen, um mit der neuen Technologie der PPI zu konkurrieren. Außerdem komme den Ereignissen, die im Zusammenhang mit der Einführung des generischen Ranitidin im August 1995 ständen, für die Bestimmung der relevanten Produktmärkte während des Zeitraums von 1993 bis 2000 nur begrenzte Beweiskraft zu. Die Kommission habe selbst eingeräumt, dass diese Ereignisse die Existenz eines getrennten PPI‑Markts in Deutschland lediglich für den Monat August 1995 bestätigten.
122 Was das dritte Ereignis, die Einführung des generischen Omeprazol in Deutschland im April 1999, anbelange, entbehre die Schlussfolgerung der Kommission im 425. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die erhebliche Wirkung, die die Einführung des generischen Omeprazol auf das Absatzvolumen und den Marktanteil von Losec gehabt habe, ein Beleg dafür sei, dass Losec nicht so stark unter dem Wettbewerbsdruck der H2-Blocker gestanden habe, der Grundlage. Dass Losec im April 1999 vor allem unter dem Wettbewerbsdruck des generischen Omeprazol gestanden habe, bedeute nicht, dass es weder zu diesem Zeitpunkt noch davor oder danach einem Wettbewerbsdruck der H2-Blocker ausgesetzt gewesen sei.
123 In Bezug auf das Vereinigte Königreich sind die Klägerinnen der Ansicht, es sei unmöglich, aufgrund der in Tabelle 16 im Anhang der angefochtenen Entscheidung enthaltenen allgemeinen Informationen die Stichhaltigkeit der in den Erwägungsgründen 452 bis 456 der angefochtenen Entscheidung aufgestellten Behauptungen der Kommission, wonach der Absatz von Losec unverändert geblieben und dessen Preis trotz Einführung des billigeren generischen Ranitidin im Januar 1997 gestiegen sei, zu beweisen. Aus Grafik 7 des Lexecon-Berichts ergebe sich, dass mit dem Markteintritt des generischen Ranitidin im Vereinigten Königreich der Gesamtabsatz von Losec und der anderen PPI zurückgegangen sei, obwohl die Tendenz dieser Absätze allgemein steigend gewesen sei.
124 Schließlich beanstanden die Klägerinnen, dass die empirische Beurteilung der Kommission zwecks Definition des Marktes begrenzt sei. Die Kommission habe ihre Schlussfolgerungen hauptsächlich auf eine von einer Beschwerdeführerin vorgelegte Korrelationsstudie gestützt, deren beschränkten Nutzen sie eingeräumt habe, sowie auf eine anekdotische Untersuchung der Marktmerkmale. Demgegenüber sind die Klägerinnen der Ansicht, dass die Frage der Marktdefinition anhand von vier verschiedenen und sich ergänzenden Beweisquellen beantwortet werden müsse. Erstens belegten die von den medizinischen Sachverständigen beigebrachten Nachweise, dass die Ärzte die fraglichen Moleküle nur allmählich als substituierbare therapeutische Produkte angesehen hätten. Zweitens gäben die internen Strategiepapiere die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den H2-Blockern – den bisherigen therapeutischen Mitteln, mit denen die Ärzte zufrieden gewesen seien – und Omeprazol wieder. Drittens zeige der Bericht von IMS Health, in dem die Entwicklung der Verschreibungspraxis in zeitlicher Hinsicht untersucht worden sei, dass die PPI und die H2-Blocker bei denselben Micro-Diagnosen verschrieben worden seien und dass die Verwendungsmöglichkeiten sich kaum voneinander unterschieden. Zwar habe in allen Ländern die allgemeine Tendenz bestanden, nach und nach relativ mehr PPI zu verschreiben, doch sei der relative Rückgang bei den H2-Blockern nur schrittweise erfolgt. Viertens hätten die Klägerinnen eine wirtschaftsstatistische Analyse für Deutschland und das Vereinigte Königreich durchgeführt, deren Ergebnisse sich mit denen der drei anderen Beweisquellen gedeckt hätten.
b) Vorbringen der Kommission
125 Die Kommission tritt den einzelnen Argumenten der Klägerinnen und der EFPIA entgegen, mit denen ihr Unstimmigkeiten und Fehler vorgeworfen werden. Zu den Merkmalen der Produkte, auf die sie sich zu sehr gestützt haben soll, trägt sie vor, sie habe die Unterschiede in der Wirkungsweise der Arzneimittel nicht als entscheidenden Faktor oder als relevant an sich angesehen. Die Wirkungsweise der PPI sei nach den getroffenen Feststellungen für die therapeutische Wirkung der PPI im Vergleich zu den H2-Blockern bestimmend gewesen und habe es ermöglicht, die Preise und die Verkaufszahlen zu erklären. Die Klägerinnen hätten daher zu Unrecht geltend gemacht, dass sie sich auf die Beschreibung der therapeutischen Merkmale gestützt habe, statt zu beurteilen, wie diese Merkmale die Wahl der Entscheidungsträger beeinflussten.
126 Was das Vorbringen der EFPIA betreffe, die angefochtene Entscheidung sei im Vergleich zur früheren Entscheidungspraxis der Kommission inkohärent, so beurteile sich erstens die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nicht nach der früheren Entscheidungspraxis. Zweitens treffe es jedenfalls nicht zu, dass sie sich widersprochen habe. Vorliegend habe sie nämlich festgestellt, dass die dritte Stufe des ATC nicht der Marktwirklichkeit entspreche, da sie in der Klasse A2B lediglich die peptischen Geschwüre erfasse, die nur eine seltener werdende Form der säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen darstellten, bei denen die PPI angewandt worden seien, und den Reflux und die Dyspepsie ausschließe. Die Unterschiede bei den physischen, technischen und chemischen Eigenschaften der PPI und der H2-Blocker seien daher relevant gewesen, da die verschiedenen Wirkungsweisen der PPI und der H2-Blocker die größere Wirksamkeit der PPI, die erhebliche Steigerung von deren Absatz und die begrenzte Substituierbarkeit der beiden Produkte erklärt hätten. Überdies hätten die amerikanischen Wettbewerbsbehörden Arzneimittelmärkte unterhalb der dritten Stufe des ACT unter Bezugnahme auf Wirkungsweisen oder individuelle Moleküle definiert.
127 Was sodann die angeblich ungerechtfertigte Bedeutung angehe, die den auf den Preisen beruhenden Ergebnissen beigelegt worden sei, so sei bei differenzierten Produkten der wertmäßige Umsatz der beste Indikator für Stellung und relative Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Lieferanten, da eine Berechnung, die nur auf der Menge beruhe, weder die Unterschiede in der Dauer des Heilungsprozesses noch die nicht zeitlichen therapeutischen Unterschiede der Produkte, wie etwa die höheren Erfolgsraten, widerspiegeln könne. Außerdem berücksichtige die Ermittlung des wertmäßigen Umsatzes sowohl die Menge, die pro Patient bei den PPI eher niedriger sei als bei den H2-Blockern, als auch den Preis, der im Allgemeinen bei den PPI wegen ihrer Wirksamkeit höher sei. Die relativ geringe Preissensibilität, die die Entscheidungsträger auf der Nachfrageseite zeigten, beeinflusse diese Erwägungen nicht, denn zum einen seien die Ermittlung der Verkaufsmerkmale und der Preiselastizität verschiedene Faktoren, weil die Verkaufsmerkmale insofern außerpreisliche Faktoren darstellten, als sie es ermöglichten, die Reaktionen des Marktes auf die variablen Vorzüge differenzierter Produkte zu prüfen, und zum anderen werde der Prozess der Preisverhandlung stark von Unterscheidungsmerkmalen beeinflusst, die bei verschiedenen Arzneimitteln sowohl hinsichtlich ihres therapeutischen Werts als auch hinsichtlich ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses bestünden. Selbst wenn im Übrigen die Daten über den mengenmäßigen Umsatz berücksichtigt werden müssten, ergäben sich aus den Angaben über die Menge Nachfragetendenzen, die denen entsprächen, die aus den Angaben über den Wert hervorgingen, wenn auch in weniger prägnanter Form (394. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
128 Die Kommission tritt dem Vorbringen der EFPIA entgegen, wonach sie keine unabhängige Untersuchung der Preis- und Umsatzentwicklung durchgeführt habe. Sie habe sich auf die Daten im Bericht von IMS Health gestützt und diese anders gedeutet als die Klägerinnen. Sie weist auch den Vorwurf zurück, diese Daten selektiv verwendet zu haben, und macht geltend, die Schlussfolgerung von IMS Health, wonach die PPI und die H2-Blocker für alle wichtigen Micro-Diagnosen während des betreffenden Zeitraums verschrieben worden seien, sei in ihrem Kontext gesehen worden, der durch eine einseitige Substitution, eine Steigerung des Gesamtabsatzes und eine Neuausrichtung der H2-Blocker auf die gutartigen Magen-Darm-Erkrankungen gekennzeichnet sei.
129 Was die übermäßige Bedeutung angehe, die der Korrelationsstudie von Charles River associates (im Folgenden: CRA) beigemessen worden sein solle, so sei diese Studie im 407. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung als ergänzendes Beweismittel betrachtet worden. Die Korrelationen zwischen den Preisen für Produkte, die sich aus demselben Wirkstoff, aus unterschiedlichen Wirkstoffen derselben Klasse und aus unterschiedlichen Wirkstoffen unterschiedlicher Klassen zusammensetzten, stützten sich nicht nur auf die CRA-Studie, sondern auch auf den Lexecon-Bericht. Außerdem erfolge dieser Hinweis in der Untersuchung des Preisfestsetzungsprozesses und solle die Feststellung untermauern, dass die therapeutische Wirksamkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis unterschiedlicher Arzneimittel entscheidende Faktoren für die Bestimmung der relativen Verhandlungsmacht von Unternehmen seien, die an Preisverhandlungen mit nationalen Einkaufsorganisationen teilnähmen. Im Übrigen sei die Korrelationsstudie von CRA für die Feststellung, dass es dem ersten Anschein nach zwischen den PPI und den H2-Blockern keine materielle Substitution gegeben habe, zurückhaltend herangezogen worden.
130 Was den Vorwurf betreffe, dem absoluten Preisniveau sei ungerechtfertigte Bedeutung beigemessen worden, so eigneten sich die Besonderheiten der europäischen Arzneimittelmärkte nicht für eine Vorgehensweise, bei der die Reaktionen der Verbraucher auf Änderungen der relativen Preise untersucht würden. In der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission Feststellungen zu den Preisen in unterschiedlichen Wettbewerbsbeziehungen getroffen. Bei den Produkten mit demselben Wirkstoff (Omeprazol von AZ und generisches Omeprazol) sei der Preiswettbewerb intensiv. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Wirkstoffen mit starken Unterschieden in der therapeutischen Wirksamkeit (wie PPI und H2-Blocker) hätten dagegen die Änderungen der relativen Preise eine sehr begrenzte Relevanz. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sektors hätten daher die Unterschiede bei den absoluten Preisen wichtige Auskünfte über den Wettbewerbsdruck geliefert, da die Unternehmen, die eine in therapeutischer Hinsicht höherwertige Produktkategorie anböten, üblicherweise höhere Preise mit den Einkaufsorganisationen aushandeln könnten.
131 Die Kommission weist insoweit den Ansatz der EFPIA zurück, wonach die Preise kein relevanter Wettbewerbsparameter seien, da die Unternehmen die Preise nicht wie auf einem normalen Markt festsetzten und die Ärzte wenig auf die Preise achteten. Die Kommission trägt vor, der Preis sei Ausdruck der Wechselwirkung zwischen verschiedenen Faktoren, wie etwa dem Mehrwert der neuen Arzneimittel, den Verhandlungen mit den Einkaufsorganisationen, den geschäftlichen Entscheidungen der Unternehmen bei der Preisfestsetzung in Systemen, die den Unternehmen eine freie Preisfestsetzung erlaubten (wie die Referenzpreissysteme), den innerstaatlichen Vorschriften über die therapeutische Substitution oder der Einführung neuer Arzneimittel.
132 Angesichts des Umstands, dass die Innovation ein entscheidender Wettbewerbsfaktor im Arzneimittelsektor sei, komme nämlich die aufgrund der Innovation bestehende größere Wirksamkeit eines Arzneimittels im Allgemeinen darin zum Ausdruck, dass die Einkaufsorganisationen höhere als die für die weniger innovativen, bereits auf dem Markt vorhandenen Arzneimittel ausgehandelten Preise akzeptierten. Da das pharmazeutische Unternehmen nicht verpflichtet sei, sein neues Produkt in einem bestimmten Land auf den Markt zu bringen, werde mit dem Erreichen von Höchstpreisen oder von Erstattungsniveaus, die höher als für die vorhandenen Produkte seien, die therapeutische Überlegenheit eines innovativen Produkts bestätigt und belegt, dass die vorhandenen Arzneimittel einen Wettbewerbsdruck ausübten, der nicht so stark sei, dass die Einkaufsorganisation die Preise auf dem bis dahin geltenden Niveau halten könne. Auch sei es eine Bestätigung dafür, dass das innovative Produkt keinem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sei, wenn im Laufe der Zeit die Unterschiede zwischen den Erstattungsniveaus, den akzeptierten Höchstpreisen oder den auf dem Markt tatsächlich angewandten Preisen bestehen blieben oder zunähmen. Das Vorhandensein oder das Fehlen von Wettbewerbsdruck, der von anderen Arzneimitteln ausgehe, sowie dessen Auswirkungen auf die Preisverhandlungen seien relevante Gesichtspunkte für die Marktchancen der pharmazeutischen Unternehmen und stellten somit entscheidende Faktoren für die Definition des Produktmarkts dar.
133 Angebot und Nachfrage spielten in dem Prozess der Preisfestsetzung insofern eine Rolle, als sich der festgesetzte Preis normalerweise nach der Zahlungsbereitschaft der Einkaufsorganisation richte, die von ihrer Zahlungsfähigkeit und dem Wert abhänge, den sie dem Arzneimittel unter den Aspekten der therapeutischen Wirksamkeit und der Innovation beimesse, sowie nach der Leistungsbereitschaft des pharmazeutischen Unternehmens. Dass die staatliche Politik je nach dem betreffenden Land oder Zeitraum unterschiedlich sei, lasse den Preis nicht bedeutungslos werden, da die größere pharmazeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu vorhandenen Produkten unstreitig stets einen relevanten Faktor in den Verhandlungen darstelle. Auch der Umstand, dass der Preis von Losec beim Markteintritt von Arzneimitteln, die auf ähnlichen oder identischen Molekülen beruht hätten, viel stärker reagiert habe als bei schwächeren Arzneimitteln wie den H2-Blockern, sei keineswegs auf eine willkürliche Ausübung der Regelungsbefugnis zurückzuführen, sondern bestätige die genannte Auffassung.
134 Die Kommission tritt dem Vorbringen der EFPIA entgegen, wonach die Hersteller bei der Festsetzung der Preise für ihre Arzneimittel nicht frei seien, und weist darauf hin, dass unter den berücksichtigten Ländern im Vereinigten Königreich die freie Preisfestsetzung gelte, in Belgien nur Höchstpreise festgesetzt würden und in fünf Staaten Referenzpreissysteme gälten, in deren Rahmen die pharmazeutischen Unternehmen Preise über dem Erstattungsniveau festsetzen könnten. Dass die mit den Einkaufsorganisationen vereinbarten Preise über dem Wettbewerbsniveau lägen, werde im Übrigen dadurch untermauert, dass die Preise für Losec und andere PPI nach Einführung des generischen Omeprazol in Deutschland im Jahr 1999 deutlich gesunken seien.
135 Zwar stehe fest, dass der Preis keine Auswirkungen von Bedeutung auf die Verschreibungspraxis der Ärzte habe, da diese in erster Linie von therapeutischen Erwägungen geleitet würden, doch habe der Preis erhebliche Auswirkungen auf die Einkünfte, die aus dem Verbrauch stammten. Der Druck, der auf das Geschäftsverhalten eines PPI‑Herstellers ausgeübt werde, müsse daher nicht nur im Hinblick auf die Frage beurteilt werden, ob die H2-Blocker zu einem Absatzrückgang geführt hätten, sondern auch im Hinblick darauf, ob sie zu einem Preisrückgang geführt hätten.
136 Was das Vorbringen der Klägerinnen betreffe, mit dem geltend gemacht werde, dass die allgemeinen Kosten einer Behandlung mit den PPI niedriger seien, weil die Behandlung kürzer sei, so entspringe dieses Vorbringen einer „einseitigen Quantifizierung“ des Preis-Leistungs-Verhältnisses der PPI und der H2-Blocker. Das Vorbringen berücksichtige nur einen Parameter, nämlich die Zeit des Heilungsprozesses, und zwar für die Behandlung nur einer der Erkrankungen, für die Losec zugelassen worden sei, nämlich des Magengeschwürs. Ferner werde außer Acht gelassen, dass die PPI den H2-Blockern bezüglich Heilungsrate, Symptomabschwächung und Rückfallprävention deutlich überlegen seien und dass die PPI und die H2-Blocker als Arzneimittel gälten, die in der Behandlungshierarchie unterschiedliche Stellungen einnähmen. [vertraulich(1)]
137 Die Einführung eines neuen höherwertigen Arzneimittels könne außerdem zu erheblichen zusätzlichen Umsätzen in den Fällen führen, in denen eine verfügbare Behandlung nicht in Anspruch genommen worden sei, sowie dann, wenn das neue Arzneimittel in Verbindung mit dem vorhandenen Produkt angewandt werde. In dieser Hinsicht hätten die Gesamtabsätze von H2-Blockern und PPI in den betreffenden Ländern zwischen 1993 und 1999 um mehr als 50 % zugenommen, während nichts darauf hindeute, dass die entsprechenden Erkrankungen in ähnlichem Umfang zugenommen hätten. Es sei daher wahrscheinlich, dass das Inverkehrbringen der PPI mit einer Steigerung der absoluten Kosten für die Behandlung von säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen einhergegangen sei.
138 In der mündlichen Verhandlung hätten die Klägerinnen nicht bestritten, dass die PPI teurer als die H2-Blocker gewesen seien. Jedenfalls sei nicht die von den Klägerinnen vorgeschlagene Preisanpassung vorzunehmen, da die therapeutische Überlegenheit der PPI es zum einen ermöglicht habe, höhere absolute Preise pro Einheit zu erzielen, und zum anderen die Ärzte veranlasst habe, zunehmend PPI zu verschreiben. Wollte man daher aufgrund der therapeutischen Überlegenheit der PPI die Preise anpassen, würde man den Faktor ignorieren, der die PPI vor dem Wettbewerb der H2-Blocker bewahrt habe.
139 Was die angeblich unzutreffende Auffassung von der Bedeutung der „natürlichen Ereignisse“ angehe, so müsse das untersuchte Ereignis isoliert und in einem relativ stabilen Kontext analysiert werden. Die Klägerinnen behaupteten zu Unrecht, dass sich die Kommission auf isolierte Ereignisse aus zwei Ländern gestützt habe, um den Markt zwischen 1993 und 2000 in sieben Ländern zu bestimmen. Die Analyse der Ereignisse, die die Kommission durchgeführt habe, ergänze und bestätige die Feststellungen bezüglich zahlreicher Faktoren wie Produktmerkmale, Umsätze und Substitutionsmerkmale und ‑preise in den betreffenden Jahren. Ferner seien die in Deutschland und im Vereinigten Königreich festgestellten „natürlichen Ereignisse“, selbst wenn sie isoliert betrachtet würden, für sich genommen stichhaltige Beweise dafür, dass die H2-Blocker keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten. Außerdem habe sich der Lexecon-Bericht nicht mit ihren Bedenken bezüglich der Autokorrelation, der Spezifikation des Modells, das davon ausgehe, dass die H2-Blocker und die PPI demselben Markt angehörten, und der „cellophane fallacy“ befasst. Auch seien die Schlussfolgerungen des Lexecon-Berichts nicht unvereinbar mit der Existenz eines getrennten PPI‑Markts in Deutschland und im Vereinigten Königreich, den die Klägerinnen nicht bestritten. Zu dem Vorbringen, dass sie keine eigene wirtschaftsstatistische Analyse durchgeführt habe, macht die Kommission geltend, dass sich ihre Analyse auf zahlreiche in den Akten befindliche Schriftstücke stütze. Die Besonderheiten des Marktes erschwerten jedoch die Anwendung der wirtschaftsstatistischen Standardmodelle der Nachfragesubstitution.
140 Die Klägerinnen nennten zudem nicht die spezifischen gleichzeitigen Ereignisse, die berücksichtigt werden müssten, um die von der Kommission auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und von Deutschland beobachteten Ereignisse zu beurteilen. Die Kommission bestreite ferner, dass ihrer Beurteilung keine detaillierten tatsächlichen Angaben zugrunde lägen, da ihre Beurteilung u. a. auf den Angaben von IMS Health über die Nachfrage und die Preise der betreffenden Produkte sowie auf den Angaben beruhe, die AZ selbst bei der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht habe.
141 Die Kommission erörtert sodann nacheinander die in der angefochtenen Entscheidung untersuchten „natürlichen Ereignisse“. Was zunächst den Eintritt von Pantoprazol in den deutschen Markt im Jahr 1994 betreffe, so deute der weitere Rückgang des Marktanteils der H2-Blocker nach Einführung von Pantoprazol darauf hin, dass der PPI‑Absatz zulasten der H2-Blocker gestiegen sei und von erheblichen Absatzsteigerungen profitiert habe. Diese Entwicklung bedeute zwar, dass die PPI zu diesem Zeitpunkt einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die H2-Blocker ausgeübt hätten, belege jedoch nicht, dass auch das Gegenteil der Fall sei.
142 Was den Eintritt von Ranitidin in den deutschen Markt im Jahr 1995 betrifft, so bestreitet die Kommission, dass der Absatz von Losec aufgrund der Einführung dieses generischen Produkts Einbußen erlitten habe, während der Absatz der anderen PPI eine Zeitlang gleich geblieben sei, und weist darauf hin, dass die Zahlen von Lexecon auf der Menge beruhten. Die Klägerinnen erläuterten nicht, weshalb im vorliegenden Fall der wertmäßige Umsatz für die differenzierten Produkte kein geeigneterer Indikator sei. Die PPI‑Umsätze seien, gemessen am Gesamtumsatz bei PPI und H2-Blockern, weiterhin wertmäßig von 32 % im Jahr 1994 auf 42 % im Jahr 1995, auf 57 % im Jahr 1996 und auf 67 % im Jahr 1997 gestiegen (Tabelle 16 im Anhang der angefochtenen Entscheidung; die Kommission verweist auch auf die Entwicklung des absoluten PPI‑Umsatzes, der in Tabelle 11 im genannten Anhang dargestellt wird). Jedenfalls bestätigten die mengenmäßigen Jahresumsatzzahlen nicht das Vorbringen der Klägerinnen, da sich aus Tabelle 19 im Anhang der angefochtenen Entscheidung ergebe, dass in Deutschland der mengenmäßige Jahresumsatz mit H2-Blocker-Behandlungen zwischen 1994 und 1997 ständig gesunken und der mengenmäßige Jahresumsatz mit PPI in diesem Zeitraum ständig gestiegen sei. Was das Vorbringen der EFPIA betreffe, wonach die Einführung des generischen Ranitidin in Deutschland im Jahr 1995 zu einer Abnahme des mengenmäßigen Marktanteils von Losec geführt habe, so sei lediglich der Vergleich zwischen den H2-Blockern und den PPI relevant und nicht der Vergleich zwischen den H2-Blockern und Losec allein.
143 Aus den Grafiken 5 und 6 des Lexecon-Berichts könne nicht geschlossen werden, dass die Zahl der Vertreterbesuche bei Ärzten im Zusammenhang mit Losec abgenommen habe. Grafik 5 dieses Berichts deute darauf hin, dass sich die Zahl der Vertreterbesuche bei Ärzten im Zusammenhang mit den H2-Blockern etwa zur Zeit der Einführung des generischen Ranitidin mehr als verdoppelt habe und sodann auf das vorherige Niveau zurückgegangen sei. Die Schlussfolgerung, die die Kommission im 424. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gezogen habe, sei daher gültig. Außerdem habe sich die von ihr durchgeführte Untersuchung der „natürlichen Ereignisse“ auf bestimmte feststellbare Ereignisse konzentriert, die wesentliche und wahrnehmbare Auswirkungen während eines kurzen Zeitraums gehabt hätten. So werde in der angefochtenen Entscheidung nur das spezifische Ereignis der Einführung des generischen Ranitidin in Deutschland berücksichtigt, da nur dieses Generikum in einer klaren Beziehung zur Zahl der Vertreterbesuche bei Ärzten stehe.
144 Was den Eintritt des generischen Omeprazol in den deutschen Markt im Jahr 1999 betreffe, so seien dessen Auswirkungen auf den Absatz und den Preis von Losec in Verbindung damit zu sehen, dass die Einführung des generischen Ranitidin offensichtlich ohne Auswirkungen auf die Preise und den Absatz der PPI geblieben sei. Mit dem Argument, dass die Feststellung des nächsten Substituts eines bestimmten Produkts die Existenz anderer naher Substitute nicht ausschließe, könnten die Klägerinnen nicht die Schlussfolgerung der Kommission entkräften, dass der Wettbewerbsdruck der H2-Blocker in Deutschland nicht so stark sei, dass sie demselben Markt wie die PPI angehörten.
145 In Bezug auf den Eintritt des generischen Ranitidin in den Markt des Vereinigten Königreichs im Jahr 1997 zeige Tabelle 16 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass der Absatz von PPI, gemessen am Gesamtabsatz von PPI und H2-Blockern im Vereinigten Königreich, ab 1997 trotz der Einführung generischer H2-Blocker am 1. Januar 1997 weiter gestiegen sei. Die Tabellen 30 und 37 im Anhang der angefochtenen Entscheidung zeigten ferner, dass der Absatz und die Preise von Losec im Jahr 1997 gestiegen seien. Selbst wenn die Informationen über die mengenmäßigen Umsätze heranzuziehen wären, könne aus Grafik 7 des Lexecon-Berichts nicht abgeleitet werden, dass die Losec-Umsätze zur Zeit der Einführung des generischen Ranitidin auf dem Markt des Vereinigten Königreichs erheblich zurückgegangen seien, da der Rückgang des Losec-Absatzes im Vergleich zu den monatlichen Gesamtveränderungen des mengenmäßigen Umsatzes nicht ungewöhnlich sei. Außerdem habe der mengenmäßige Umsatz der anderen PPI weiter ständig zugenommen.
146 Die Behauptung der Klägerinnen, dass die empirische Untersuchung der Kommission zu begrenzt gewesen sei, sei unzutreffend, und die Beweise, die die Klägerinnen vorgelegt hätten, änderten an den oben dargelegten Erwägungen nichts. Im Übrigen gehe die Schlussfolgerung der Klägerinnen fehl, und der Umstand, dass die Absätze von H2-Blockern noch am Ende des betreffenden Zeitraums erheblich gewesen seien, spiele keine Rolle, da das Vorhandensein eines getrennten Marktes nicht davon abhänge, dass die Absätze einer Produktkategorie stark abgenommen hätten.
c) Würdigung durch das Gericht
147 Die Rügen der Klägerinnen und der EFPIA lassen sich im Wesentlichen drei Punkten zuordnen, nämlich einer unzureichenden Berücksichtigung der therapeutischen Verwendung, der Überbewertung der Preisindikatoren und der übermäßigen Bedeutung, die den „natürlichen Ereignissen“ beigelegt worden sei. Diese Rügen werden im Folgenden nacheinander geprüft.
Zur Berücksichtigung der therapeutischen Verwendung der betreffenden Produkte
148 Die Klägerinnen und die EFPIA machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe sich zu sehr auf die Beschreibung der therapeutischen Produktmerkmale gestützt, ohne die therapeutischen Verwendungen der betreffenden Produkte zu berücksichtigen, die identisch seien.
149 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 373 bis 379 der angefochtenen Entscheidung ihre Untersuchung der Definition des Marktes mit der Feststellung begann, dass erstens die PPI und die H2-Blocker in der Wirkungsweise sehr unterschiedlich seien. Dazu führte die Kommission aus, dass die PPI wegen ihrer einzigartigen Wirkungsweise, die darin bestehe, unmittelbar auf die für die Magensäure verantwortliche Protonenpumpe einzuwirken, den H2-Blockern therapeutisch überlegen seien. Obwohl sie die Wirkungsweise als das wesentliche Produktmerkmal ansah, stellte sie im 378. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung klar, dass dieser Faktor für sich genommen nicht ausreiche, um die Existenz eines getrennten Marktes zu beweisen.
150 Die Kommission konzentrierte sich daher zweitens auf die therapeutischen Verwendungen der PPI und der H2-Blocker. Im 382. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wies sie darauf hin, dass die PPI in vielen Fällen, in denen peptische Geschwüre, Geschwüre als Folge nicht-steroidaler Entzündungshemmer, Zollinger-Ellison-Syndrome, gastroösophagealer Reflux oder Dyspepsien aufgetreten seien, als einzig wirksames Mittel in Bezug auf Symptomabschwächung, Heilung und langfristige Rückfallprävention angesehen worden seien. Die Kommission stellte in den Erwägungsgründen 384 und 490 der angefochtenen Entscheidung auch fest, dass Losec auf die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck ausgeübt habe, der die Hersteller genötigt habe, sich auf nachgelagerte gutartigere Erkrankungen zu verlegen, die traditionell mit Antazida und Alginaten behandelt worden seien. Vor allem aus diesem Grund seien die H2-Blocker in dem fraglichen Zeitraum nicht verschreibungspflichtig gewesen.
151 Diese Feststellung wurde weitgehend durch die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen der medizinischen Sachverständigen bestätigt, aus denen sich, wie oben in Randnr. 68 dargelegt, ergibt, dass die PPI im Allgemeinen zur Behandlung schwerer Formen der Erkrankungen verwendet wurden, während die H2-Blocker eher der Behandlung leichterer Erkrankungsformen vorbehalten waren. Im 389. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission daher die Auffassung, dass die therapeutische Überlegenheit der PPI zu einer hierarchischen Beziehung zwischen den PPI und den H2-Blockern geführt habe, da die beiden Produkte in unterschiedlichen Behandlungsphasen angewandt würden, je nachdem, ob die Behandlung reduziert oder intensiviert werde.
152 Folglich geht aus der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor, dass sich die Kommission bei der Bestimmung des Marktes nicht auf die Feststellung der therapeutischen Merkmale der Produkte beschränkte. Die Wirkungsweise der PPI wurde vielmehr nur insoweit als wesentlicher Faktor angesehen, als sie die therapeutische Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern bestimmte. Diese therapeutische Überlegenheit wurde sodann als Faktor angesehen, der den Unterschied in den therapeutischen Verwendungen der PPI bzw. der H2-Blocker und damit das Verhältnis zwischen diesen Produkten in Bezug auf funktionelle Substituierbarkeit bestimmt.
153 Wie sich aus der oben in Randnr. 108 dargelegten Entscheidungspraxis der Kommission ergibt, haben die Klägerinnen somit zwar zu Recht vorgetragen, dass die Unterschiede in der Wirkungsweise der Arzneimittel zu berücksichtigen seien, wenn diese Unterschiede unterschiedliche therapeutische Verwendungen zur Folge hätten, und dass sie außer Acht zu lassen seien, wenn die therapeutische Verwendung der Arzneimittel ähnlich sei, doch können die Klägerinnen nicht behaupten, dass die Kommission im vorliegenden Fall die therapeutische Verwendung unberücksichtigt gelassen habe. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission diese therapeutischen Verwendungen im Rahmen ihrer Untersuchung angemessen berücksichtigte.
154 Zu der Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission von ihrer Entscheidungspraxis, die dritte Stufe des ATC bei der Bestimmung des Marktes heranzuziehen, abgewichen sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich aus dem 371. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass das ATC die Arzneimittel entsprechend den Organen oder Systemen, auf die sie einwirken, und entsprechend ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in Gruppen einteilt und sie in fünf verschiedene Stufen untergliedert. Die dritte Stufe des ATC erfasst die Arzneimittel entsprechend ihren therapeutischen Indikationen, die vierte Stufe des ATC berücksichtigt normalerweise die Wirkungsweise, und die fünfte Stufe definiert die Klassen mit den engsten Voraussetzungen, zu denen die einzelnen Wirkstoffe als solche gehören. Die Kommission führte in der angefochtenen Entscheidung aus, dass bezüglich der Definition des Marktes die Untersuchung im Allgemeinen mit der dritten Stufe des ATC begonnen habe. Die übrigen Stufen des ATC würden jedoch ebenfalls berücksichtigt, wenn sich herausstelle, dass hinreichend starker Wettbewerbsdruck auf andere Stufen des ATC ausgeübt werde und dass die dritte Stufe des ATC infolgedessen eine zutreffende Definition des Marktes nicht zu ermöglichen scheine.
155 Aus dem 372. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission im vorliegenden Fall die dritte Stufe des ATC nicht berücksichtigte, weil die Klasse A02B nur Arzneimittel für die Behandlung peptischer Geschwüre enthielt, nicht aber Arzneimittel für die Behandlung von zwei der drei hauptsächlichen säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen, nämlich des gastroösophagealen Reflux und der Dyspepsie. Die EFPIA trägt aber nichts vor, was die Richtigkeit der Beurteilung der Kommission in diesem Punkt in Frage stellen könnte. Zudem war die Berücksichtigung der ATC‑Stufe, der die Arzneimittel angehören, nur ein die Untersuchung durch die Kommission vorbereitender Schritt.
156 Die Rüge, die Kommission habe den Merkmalen der Produkte zu Unrecht eine zu große Bedeutung beigemessen, ohne ihre therapeutische Verwendung zu berücksichtigen, ist somit zurückzuweisen.
Zur Bedeutung, die den Preisindikatoren beigelegt wurde
157 Die Klägerinnen und die EFPIA sind der Auffassung, die Kommission habe offenkundige Fehler bei der Beurteilung der preisrelevanten Faktoren für die Definition des relevanten Marktes begangen.
158 Um das Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA zu beurteilen, ist an den rechtlichen Rahmen des pharmazeutischen Sektors zu erinnern, wie er aus den unstreitigen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung hervorgeht.
159 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die staatlichen Stellen die Preise für die von den öffentlichen Einrichtungen erstatteten Arzneimittel anhand von zwei Systemen beeinflusst hätten, die in einigen Ländern bisweilen miteinander kombiniert würden. Nach dem einen System handelten die öffentlichen Stellen mit den Herstellern einen erstattungsfähigen Preis aus oder setzten den Preis anhand der Herstellerangaben einseitig fest. Zu den Faktoren, die die öffentlichen Einrichtungen berücksichtigten, gehörten der therapeutische Mehrwert, das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Preise für identische oder ähnliche Produkte auf dem Inlandsmarkt oder den ausländischen Märkten sowie die von den Herstellern getragenen Forschungs- und Entwicklungskosten (Erwägungsgründe 118 und 120 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte insoweit fest, dass die Möglichkeit eines Unternehmens zur Durchsetzung hoher Preise umso größer sei, je notwendiger sein Produkt sei, um bestimmte Krankheiten angemessen zu behandeln (365. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
160 Nach dem zweiten System werde der erstattungsfähige Preis anhand eines Referenzpreises festgesetzt, der für jede Produktgruppe mit einer ähnlichen therapeutischen Wirkung auf der Basis des relativ geringen Preises eines oder mehrerer Produkte aus dieser Gruppe ermittelt werde. Der Referenzpreis stelle die maximale Erstattungshöhe für alle Produkte der Referenzkategorie dar, wobei es den Herstellern freistehe, höhere Preise festzusetzen, die Patienten dann aber die zusätzlichen Kosten tragen müssten. Auf Fragen des Gerichts hat die Kommission bestätigt, dass dieses System normalerweise nur auf Produkte Anwendung finde, für die es ein Generikum gebe. Das System könne auch mit einem Substitutionsmechanismus einhergehen, der den Apotheken erlaube oder sie dazu verpflichte, das vom Arzt verschriebene Produkt durch billigere gleichwertige Generika zu ersetzen (Erwägungsgründe 118 und 119 der angefochtenen Entscheidung).
161 Die Untersuchung der in Deutschland, Belgien, Dänemark. Norwegen, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Schweden geltenden Systeme veranlasste die Kommission zu der Annahme, dass die Verhandlungsmacht der pharmazeutischen Unternehmen entscheidend von dem Mehrwert und der Wirksamkeit ihrer Produkte im Vergleich zu den anderen Produkten auf dem Markt abhänge. Produkte, die eine bahnbrechende Innovation darstellten und erhebliche Vorteile gegenüber den vorhandenen Produkten böten, könnten nämlich bei den öffentlichen Stellen im Allgemeinen höhere Preise erzielen (128. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Hersteller in Deutschland und Dänemark (seit 1995), in den Niederlanden (bis 1996), im Vereinigten Königreich und in Schweden seien befugt, die Preise ihrer erstattungsfähigen Produkte frei festzulegen. Die Hersteller setzten ihre Preise jedoch selten über dem von den öffentlichen Stellen festgelegten Erstattungsniveau fest, da die Nachfrage elastischer werde, wenn die Patienten den Teil des Preises, der den Erstattungsbetrag übersteige, selbst zahlen müssten. Nach dem Referenzpreissystem müsse der Hersteller des Originalarzneimittels, der seinen Preis nicht auf den Referenzpreis absenke, der nach dem Markteintritt eines Generikums ermittelt worden sei, mit erheblichen Einbußen an Marktanteilen rechnen (129. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
162 Im vorliegenden Fall stellte die Kommission fest, dass die Preise der PPI zwischen 1991 und 2000 insgesamt gesehen erheblich höher als die der H2-Blocker gewesen seien (401. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
163 Das Gericht weist erstens darauf hin, dass sich aus den Feststellungen der Kommission zu den Regelungssystemen, nach denen die öffentlichen Stellen die Preise beeinflussen oder bestimmen, ergibt, dass der Preis eines neuen Arzneimittels weitgehend davon abhängt, welche Vorstellungen die öffentlichen Stellen von seinem relativen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu den vorhandenen Produkten haben. Kommt einem neuen Produkt in therapeutischer Hinsicht ein Mehrwert zu, wird die nationale Stelle dem Produkt nach dem im betreffenden Staat geltenden System einen Erstattungsbetrag oder einen Höchstverkaufspreis zugestehen, der erheblich höher ist als der Preis für die vorhandenen Arzneimittel mit geringerem therapeutischen Wert.
164 Diese Erwägung deckt sich im Übrigen mit den Feststellungen der Kommission. Im 369. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wies sie darauf hin, dass die therapeutischen Vorteile und das Preis-Leistungs-Verhältnis der PPI Schlüsselfaktoren für die Möglichkeit der Pharmaunternehmen seien, mit den nationalen Stellen relativ hohe Preise auszuhandeln. Ferner führte sie im 385. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus, der Umstand, dass der von AZ für Losec erzielte Preis höher als der Preis für die H2-Blocker sei, belege, dass die öffentlichen Stellen die PPI als in therapeutischer Hinsicht überlegen verstanden hätten.
165 Das Gericht ist daher der Auffassung, dass der Unterschied zwischen den absoluten Preisen der PPI und der H2-Blocker weitgehend Ausdruck der Vorstellungen ist, die die öffentlichen Stellen von einem Faktor haben, den die Kommission schon bei der Definition des Marktes berücksichtigte, nämlich der größeren therapeutischen Wirksamkeit der PPI im Vergleich zu den H2-Blockern.
166 Zweitens kann, wie aus Nr. 39 der Bekanntmachung über die Definition des Marktes hervorgeht, die Ähnlichkeit der Preisniveaus bzw. deren Konvergenz für die Definition des relevanten Produktsmarkts relevant sein, da ein erheblicher Preisunterschied zwischen zwei Produkten entstehen kann, wenn das billigere Produkt keinen Wettbewerbsdruck ausübt.
167 Die Klägerinnen und die EFPIA meinen, der Preisunterschied sei im vorliegenden Fall ohne Relevanz, da die Preise nicht die Folge einer normalen wettbewerblichen Interaktion seien, sondern stark durch die öffentlichen Stellen beeinflusst würden. In Anbetracht dieses Vorbringens ist zu prüfen, ob der Umstand, dass die preisbezogenen wettbewerblichen Interaktionen zwischen den H2-Blockern und den PPI durch die öffentlichen Einrichtungen und die bestehenden innerstaatlichen Regelungssysteme bestimmt werden, den Unterschieden zwischen den absoluten Preisen der PPI und der H2-Blocker jede Bedeutung nimmt.
168 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach den Feststellungen der Kommission zu den für die Preisfestlegung maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Unternehmen während des fraglichen Zeitraums ihre Preise in Deutschland, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden bis 1996, Schweden und – soweit dies nach der mit den öffentlichen Stellen vereinbarten Gewinnkontrolle möglich war – dem Vereinigten Königreich frei bestimmen konnten. In Belgien, wo bis 2001 ein Höchstpreissystem in Kraft war, und in den Niederlanden, wo 1996 ein System von Großhandelshöchstpreisen eingeführt wurde, war die Preisgestaltungsfreiheit der Pharmaunternehmen eingeschränkt. Ferner legten im Vereinigten Königreich die öffentlichen Stellen auch die Preise für die erstattungsfähigen Generika fest (Erwägungsgründe 121 bis 129 der angefochtenen Entscheidung).
169 Hieraus ergibt sich, dass die Arzneimittelpreise über den von den öffentlichen Stellen eingeräumten Erstattungsniveaus angesiedelt werden konnten, also dort, wo die Nachfrage elastischer wird. In der angefochtenen Entscheidung gibt es jedoch nichts, was erkennen ließe, ob und inwieweit die Preise der PPI in den betreffenden Ländern über den Erstattungsniveaus festgesetzt wurden.
170 Die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerinnen, wonach im vorliegenden Fall die Unterschiede zwischen den Preisen der PPI und der H2-Blocker irrelevant seien, ist somit ausgehend von zwei Fällen zu prüfen, nämlich erstens dem Fall, dass die öffentlichen Stellen die Arzneimittelpreise festlegten und/oder die Arzneimittelpreise die von den öffentlichen Stellen festgelegten Erstattungsniveaus nicht überschritten, und zweitens dem Fall, dass die Arzneimittelpreise die von den öffentlichen Stellen festgelegten Erstattungsniveaus überschritten.
171 Was erstens die Relevanz des Preisunterschieds betrifft, der zwischen den PPI und den H2-Blockern in dem Fall besteht, dass die Arzneimittelpreise von den öffentlichen Stellen festgelegt wurden und/oder die Erstattungsniveaus nicht überschritten, so ergibt sich aus dem 130. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die eingesetzten Mittel, wenn die innerstaatlichen Stellen eine auf die Begrenzung der Gesundheitskosten ausgerichtete Politik verfolgten, im Allgemeinen darauf abzielten, die Ärzte zur Verschreibung von Generika anstelle der Originalpräparate anzuhalten. Zudem konnten die Generika, sobald sie auf den Markt gekommen waren, aufgrund des in den meisten der betreffenden Länder geltenden Referenzpreissystems, das nur bei Vorliegen eines Generikums Anwendung fand, sowie aufgrund der Maßnahmen zur Förderung bzw. Durchsetzung der Substitution der verschriebenen Originalpräparate durch Generika auf Apothekenebene einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die Original-PPI wie z. B. Losec ausüben.
172 Dagegen geht aus den Akten nicht hervor, dass die innerstaatlichen Regelungssysteme aufgrund des niedrigeren Preises der H2-Blocker Abwärtsdruck auf den Absatz oder den Preis der PPI ausübten. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die öffentlichen Stellen auf der Stufe der Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken die Substitution der H2-Blocker durch die PPI allgemein gefördert oder durchgesetzt hätten. Ferner ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass, da das Referenzpreissystem in den betreffenden Staaten nur auf die Originalarzneimittel und deren Generika angewandt wurde, weder die Preise der PPI noch die für sie geltenden Erstattungsniveaus von den (niedrigeren) Preisen der H2-Blocker abhängig waren.
173 Nach alledem verhinderten die innerstaatlichen Regelungssysteme zwar in gewissem Umfang, dass eine normale preisbezogene wettbewerbliche Interaktion zwischen den Arzneimitteln stattfand, doch konnten sie gleichwohl die Einnahmen der Pharmaunternehmen erheblich beeinflussen, indem sie die Preise oder die Erstattungsniveaus unter Zugrundelegung der Generikapreise bestimmten oder die Substitution der Original-PPI durch Generika auf der Stufe der Abgabe in den Apotheken förderten oder durchsetzten.
174 Der Umstand, dass im vorliegenden Fall die Regelungssysteme die Preise oder den Betrag der Verkäufe der PPI nicht unter Bezugnahme auf die niedrigeren Preise der H2-Blocker beeinflussten, führt zu dem Ergebnis, dass die für die PPI eingeräumten Erstattungsniveaus in hohem Maße verhinderten, dass die niedrigeren Preise der H2-Blocker auf die PPI einen Wettbewerbsdruck ausübten. Insoweit ist zu beachten, dass die Definition des relevanten Marktes den Wettbewerbsdruck bestimmen soll, der auf das Produkt ausgeübt wird, anhand dessen der Markt definiert wird. Dass aber das Nichtvorhandensein oder die Unerheblichkeit dieses Wettbewerbsdrucks auf den rechtlichen Rahmen zurückgeht, der die Bedingungen und das Maß bestimmt, in dem die wettbewerblichen Interaktionen zwischen Produkten stattfinden, ändert nichts an der Relevanz, die im Rahmen einer Definition des relevanten Marktes der Feststellung zukommt, dass der Wettbewerbsdruck nicht existiert oder unerheblich ist.
175 Steht nämlich fest, dass eine Gruppe von Produkten keinem erheblichen Wettbewerbsdruck anderer Produkte ausgesetzt ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Gruppe einen relevanten Produktmarkt bildet, so kommt der Art oder dem Wesen der Faktoren, die diese Produktgruppe vor jedem erheblichen Wettbewerbsdruck schützen, nur begrenzte Relevanz zu, weil die Feststellung, dass kein solcher Wettbewerbsdruck vorliegt, den Schluss zulässt, dass ein beherrschendes Unternehmen auf dem so definierten Markt die Verbraucherinteressen auf diesem Markt dadurch beeinträchtigen kann, dass es durch missbräuchliches Verhalten die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert.
176 Die Kommission beging folglich keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie im 364. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass die ursprüngliche Festsetzung und Aufrechterhaltung des Preises einer neuen Produktkategorie auf deutlich höherem Niveau als dem Preis anderer in demselben therapeutischen Bereich verwendeter Produkte Ausdruck eines geringen Wettbewerbsdrucks seitens der letztgenannten Produkte sind.
177 Soweit zweitens der Preis der PPI das von den öffentlichen Stellen festgelegte Erstattungsniveau überschreiten konnte mit der Folge, dass der Patient den Mehrbetrag übernehmen musste, war von einer Nachfrageelastizität auszugehen, selbst wenn, wie dies von den Klägerinnen und der EFPIA geltend gemacht wird, aus dem gesamten Akteninhalt hervorgeht, dass eine solche Elastizität angesichts der zentralen Rolle der Ärzte bei der Wahl der verschriebenen Arzneimittel und der Bedeutung, die der therapeutischen Wirksamkeit der Produkte bei dieser Wahl beigemessen wird, jedenfalls schwach gewesen wäre.
178 Insoweit bestätigt zudem der unstreitige Umstand, dass die Sensibilität der Patienten und der Ärzte gegenüber den Arzneimittelkosten begrenzt ist, selbst wenn diese die Erstattungsniveaus überschreiten, die Erwägung, wonach die H2-Blocker über ihre niedrigeren Preise keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten, was sich darin widerspiegeln konnte, dass die absoluten Preise dieser Produkte erheblich voneinander abwichen.
179 Für die Prüfung, ob die niedrigeren Preise der H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten, ist demgemäß die Frage, ob der Preis der PPI das Erstattungsniveau überschritt, nur von begrenzter Relevanz, da die Prüfung sich vor allem darauf zu konzentrieren hat, ob der nicht erstattete Teil des Preises der PPI, der zulasten der Patienten geht, den nicht erstatteten Teil des Preises der H2-Blocker übersteigt, den die Patienten zu tragen haben.
180 Wäre nämlich der nicht erstattete Teil des Preises der PPI, der zulasten der Patienten ging, höher als der nicht erstattete und von den Patienten zu tragende Teil des Preises der H2-Blocker gewesen, so wäre davon auszugehen, dass die H2-Blocker keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten, da die Patienten bereit waren, beim Kauf von PPI zusätzliche Kosten zu tragen.
181 Wären umgekehrt die Kosten, die die Patienten beim Kauf von H2-Blockern letztlich zu tragen hatten, höher gewesen als die Kosten, die sie beim Kauf von PPI wegen deren hohen Erstattungssatzes trugen, so wäre aus den oben in den Randnrn. 174 und 175 angeführten Gründen erneut darauf hinzuweisen, dass es der Definition eines die H2-Blocker ausschließenden relevanten Produktmarkts nicht entgegensteht, dass das Regelungssystem die PPI vor dem Wettbewerbsdruck bewahrte, den die H2-Blocker über niedrigere Preise ausüben konnten, denn dieser Umstand ist im Gegenteil ein Gesichtspunkt, der geeignet ist, die genannte Definition des Marktes zu bestätigen. In diesem Fall wäre nämlich festzustellen, dass das Regelungssystem aufgrund des für die PPI eingeräumten hohen Erstattungsniveaus weitgehend verhindert, dass die H2-Blocker über die Preise einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausüben. Diese Feststellung ist aber für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, der auf die PPI ausgeübt wird, relevant.
182 Jedenfalls kann die Kommission nicht, wie sie es im 365. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung tut, behaupten, dass grundsätzlich die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Preise über dem Erstattungsniveau zu halten, über dem die Nachfrage tendenziell elastischer sei, für sich genommen ein Beleg für das Fehlen eines erheblichen Wettbewerbsdrucks sei, ohne dabei zu prüfen, in welchem Umfang der Preis der anderen potenziell substituierbaren Produkte durch das nationale Krankenversicherungssystem erstattet wird. Die Kommission hat nämlich im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen, dass der nicht erstattete Teil des Preises, der beim Kauf von H2-Blockern vom Patienten zu tragen war, niedriger war als bei den PPI. Gleichwohl stellt dieser Fehler aus den in den vorstehenden Randnummern dargelegten Gründen nicht die Richtigkeit der Schlussfolgerungen der Kommission in Frage, nach deren Auffassung, soweit die Preise das Erstattungsniveau überstiegen hätten, die im Verhältnis zu den H2-Blockern höheren absoluten Preise der PPI darauf hingedeutet hätten, dass die H2-Blocker keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten.
183 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die preisrelevanten Faktoren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks nicht verlieren, dass diese Faktoren jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten sind. Im Arzneimittelsektor folgen die Wettbewerbsbeziehungen nämlich Mechanismen, die sich von denen unterscheiden, die die normalerweise auf den weniger stark reglementierten Märkten anzutreffenden wettbewerblichen Interaktionen bestimmen.
184 Im vorliegenden Fall stellte die Kommission fest, dass der Korrelationsgrad der Preise für die PPI und die H2-Blocker während des betreffenden Zeitraums insgesamt niedrig gewesen sei. Dagegen hätten die Preise der verschiedenen Wirkstoffe derselben Klasse wie Omeprazol und die PPI‑Nachahmerprodukte, die später auf den Markt gekommen seien, im Allgemeinen einen höheren Korrelationsgrad aufgewiesen. Der höchste Korrelationsgrad habe bei den Produkten bestanden, die denselben Wirkstoff wie die ursprünglichen Stoffe und die entsprechenden Generika enthalten hätten (368. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
185 Die Kommission stellte fest, dass der Preis der Generika von Omeprazol die Nachfrage nach dem von AZ hergestellten Omeprazol am stärksten beeinflusst habe. Zudem sei auch der Preis der anderen PPI geeignet gewesen, die Nachfrage nach dem von AZ hergestellten Omeprazol in gewissem Umfang zu beeinflussen. Dagegen habe der bedeutend geringere Preis der H2-Blocker zwischen 1991 und 2000 angesichts der steigenden Tendenz der Verkäufe von PPI und der fallenden Tendenz oder Stagnation der Verkäufe von H2-Blockern keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die Nachfrage nach Omeprazol oder anderen PPI ausgeübt (401. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
186 Das Gericht ist der Auffassung, dass diese Feststellungen Gesichtspunkte betreffen, die im vorliegenden Fall nicht unerheblich sind, und dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass diese Gesichtspunkte zusammen mit den anderen in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Gesichtspunkten bestätigen, dass die H2-Blocker keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten.
187 Der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass die außerpreislichen Faktoren eine bedeutende Rolle in den Wettbewerbsbeziehungen zwischen Arzneimitteln spielten, ist mit den oben dargelegten Erwägungen keineswegs unvereinbar. Da sich, wie oben ausgeführt, die Ärzte bei ihrer Wahl des zu verschreibenden Mittels hauptsächlich von der therapeutischen Wirkung der Arzneimittel leiten lassen, haben die Preise von Arzneimitteln mit unterschiedlichen therapeutischen Verwendungen einen begrenzten Einfluss auf die Höhe des Verbrauchs. Soweit die außerpreislichen Faktoren wie z. B. die therapeutische Verwendung die Entscheidung der Ärzte bestimmen, sind diese somit neben den preislichen Indikatoren ebenfalls ein relevanter Gesichtspunkt bei der Definition des Marktes, der im Übrigen, wie oben in den Randnrn. 149 bis 152 festgestellt worden ist, von der Kommission ordnungsgemäß berücksichtigt wurde.
188 Zum Argument der Klägerinnen, die Kommission habe die allgemeinen Kosten einer Behandlung mit PPI, die sich wegen deren höherer Wirksamkeit über einen kürzeren Zeitraum erstrecke, nicht berücksichtigt, ist festzustellen, dass die Klägerinnen zu Recht geltend machen, dass der Betrag, um den die Gesamtkosten einer Behandlung mit PPI die Gesamtkosten einer Behandlung mit H2-Blockern übersteigen, geringer sein könne, als es die bloße Differenz zwischen den Kosten für 28-tägige Behandlungen, die in den Tabellen 1 bis 7 im Anhang der angefochtenen Entscheidung dargestellt würden, auf den ersten Blick erkennen lasse.
189 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Dauer einer Behandlung jedenfalls stark von der Art der betreffenden Erkrankung abhängt und von Patient zu Patient variieren kann. Es kann aber von der Kommission nicht erwartet werden, dass sie die tatsächliche und konkrete Dauer der Behandlungen mit PPI und H2-Blockern berücksichtigt, da die Ermittlung eines Durchschnitts insoweit zudem mit Unsicherheiten behaftet ist, denn zum einen wurden die PPI und die H2-Blocker innerhalb ein und derselben Behandlung, je nachdem, ob diese intensiviert oder reduziert werden sollte, in unterschiedlichen Mengen verabreicht, und zum anderen kann sich dieser Durchschnitt im Lauf der Zeit ändern, je nachdem, in welchem Umfang sich die verschreibenden Ärzte für die PPI entscheiden und wie sich die medizinischen Kenntnisse und Behandlungsmethoden entwickeln.
190 Da sich eine Quantifizierung des Preis-Leistungs-Verhältnisses als besonders komplex und unsicher erweisen kann, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie den Preis der Arzneimittel für eine gleich lange Behandlungsdauer heranzog.
191 Überdies geht aus den oben in den Randnrn. 171 bis 175, 177 und 178 getroffenen Feststellungen jedenfalls hervor, dass angesichts der begrenzten Sensibilität, die bei Ärzten und Patienten für Preisunterschiede wegen der Bedeutung der Rolle bestand, die die therapeutische Wirksamkeit bei der Entscheidung über die Verschreibung spielt, und angesichts der in den betreffenden Staaten geltenden Regelungssysteme, deren Ausgestaltung es nicht zuließ, dass die Preise der H2-Blocker auf den Absatz oder Preis der PPI einen Abwärtsdruck ausübten, die H2-Blocker über niedrigere Preise keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausüben konnten.
192 Was das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, die Kommission habe der Korrelationsstudie von CRA übermäßigen Wert beigemessen, so ist, wie die Kommission geltend macht, darauf hinzuweisen, dass diese Studie nur hilfsweise berücksichtigt (407. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und herangezogen wurde, soweit sie die Feststellungen bestätigte, die auf anderen Indizien wie den therapeutischen Unterschieden zwischen den H2-Blockern und den PPI sowie den Preisunterschieden zwischen diesen beiden Produkten beruhten. Ferner kann nicht angenommen werden, dass die Verweise auf die Korrelationsstudie in den Erwägungsgründen 411, 416, 436, 440, 447 und 451 der angefochtenen Entscheidung die Hauptbegründung für die Feststellungen der Kommission darstellen, da diese Feststellungen vor allem auf dem Verlauf der Umsätze, den Preisunterschieden und – bezüglich Deutschlands und des Vereinigten Königreichs – der Beobachtung bestimmter „natürlicher Ereignisse“ beruhen. Die Verweise auf die Korrelationsstudie werden daher insofern hilfsweise vorgebracht, als sie die Erwägung der Kommission, wonach die PPI und die H2-Blocker nicht im Preiswettbewerb zueinander standen, prima facie stützen sollen. Diese Verwendung der Korrelationsstudie, auf deren Schwachstellen die Kommission hinwies, kann keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler darstellen.
193 Die Klägerinnen machen auch geltend, die Kommission habe zu Unrecht Wertangaben anstelle von Mengenangaben verwendet. Hierzu ist festzustellen, dass die in den Tabellen 17 bis 23 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Mengenangaben aus dem Bericht von IMS Health stammen (63. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), aus dem sich ergibt, dass sie Maßeinheiten entsprechen, denen die Vorstellung eines „Behandlungstags“ zugrunde liegt. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, folgt aber aus der höheren Wirksamkeit der PPI, dass bei ihrer Verabreichung weniger Tage zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind, als wenn die H2-Blocker verwendet werden. Zu diesem Punkt räumen die Klägerinnen selbst ein, dass die PPI die Erkrankung schneller heilen als die H2-Blocker. Die aufgrund der Menge erfolgten Berechnungen spiegeln somit nicht die Unterschiede wider, die im Hinblick auf die Dauer des Heilungsprozesses oder die Erfolgsraten bestanden.
194 Der wertmäßige Umsatz berücksichtigt dagegen, wie die Kommission ausführt, sowohl die Menge der verordneten Behandlungen als auch die therapeutische Überlegenheit der PPI gegenüber den H2-Blockern. Dass die Preise auf Regelungsmechanismen zurückzuführen sind, bei denen die öffentlichen Stellen eine wichtige Rolle spielen, ändert nichts an dieser Beurteilung, da die öffentlichen Stellen, wie oben festgestellt, dem Mehrwert des Produkts in therapeutischer Hinsicht eine große Bedeutung beimessen.
195 Es ist somit davon auszugehen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Auffassung vertrat, dass die Wertangaben eher geeignet seien, die relative Stellung der PPI und der H2-Blocker zum Ausdruck zu bringen.
196 Die Klägerinnen werfen der Kommission schließlich vor, sie habe nicht das Verfahren geprüft, nach dem die Preise der PPI in den einzelnen Mitgliedstaaten vereinbart worden seien. In diesem Punkt ist das Gericht ebenfalls der Meinung, dass die unterbliebene Prüfung einen Mangel darstellt, da die preislichen Indikatoren einen wichtigen Gesichtspunkt bei der vorliegenden Definition des relevanten Marktes durch die Kommission darstellen. Der Kommission oblag es nämlich, genaue Informationen darüber zu sammeln, wie die Preise durch die öffentlichen Stellen beeinflusst oder festgelegt wurden.
197 Aus den Erwägungsgründen 116 bis 132 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass die Kommission eine eingehende Studie über die Regelungssysteme der Preisfestsetzung und über die Erstattungsniveaus der Arzneimittel in den betreffenden Ländern durchgeführt hat. Hieraus ergibt sich, dass anhand der Feststellungen der Kommission sowohl die Mechanismen, nach denen die Preise von den öffentlichen Stellen beeinflusst oder bestimmt werden, als auch der Wettbewerbsdruck über die Preise nachvollzogen werden kann, den vorliegend die betreffenden Arzneimittel aufgrund dieser Regelungssysteme wechselseitig ausüben können.
198 Die Klägerinnen und die EFPIA haben die Feststellungen der Kommission nicht in Frage gestellt. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass AZ für die PPI auf der Basis des „Tagespreises“ einen doppelt so hohen Preis verlangt hat wie für Zantac, ist nicht geeignet, die Erwägung der Kommission in Frage zu stellen, wonach die innerstaatlichen Einrichtungen mit Rücksicht auf den therapeutischen Mehrwert der PPI diesen einen höheren Preis zugestanden als den H2-Blockern. Er bestätigt sie vielmehr.
199 Das Gericht ist daher der Meinung, dass unter Berücksichtigung aller Erwägungen, die die Kommission ihrer Beurteilung im Übrigen zugrunde legte, der genannte Mangel im vorliegenden Fall die Gültigkeit der von ihr aus dem Preisunterschied zwischen den PPI und den H2-Blockern gezogenen Schlussfolgerungen nicht beeinträchtigt.
Zu den „natürlichen Ereignissen“
200 Im Verwaltungsverfahren legten die Klägerinnen eine wirtschaftsstatistische Studie, den Lexecon-Bericht, vor, die belegen sollte, dass die H2-Blocker in Deutschland und im Vereinigten Königreich einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausübten. Die Studie enthält Informationen zu einer Reihe von so genannten „natürlichen“ Ereignissen auf den Märkten Deutschlands und des Vereinigten Königreichs, die die Kommission bei ihrer Analyse des relevanten Produktmarkts heranzog. Die Kommission vertrat im 421. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass diese Ereignisse wichtige Beweismittel seien.
201 Was erstens die drei „natürlichen Ereignisse“ auf dem deutschen Markt anbelangt, so betrafen diese, wie ausgeführt, den Markteintritt des PPI Pantoprazol im Jahr 1994, die Einführung des generischen H2-Blockers Ranitidin im Jahr 1995 und die Einführung des generischen Omeprazol im Jahr 1999.
202 Was zunächst den Eintritt von Pantoprazol in den deutschen Markt im Jahr 1994 betrifft, so stellte die Kommission im 422. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass er mit einem Rückgang des Preises für Losec um etwa 16 % einhergegangen sei, ohne dass dies bedeutende Auswirkungen auf das langsame Absinken des Preisniveaus der H2-Blocker gehabt habe.
203 Insoweit ist erneut darauf hinzuweisen, dass der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass sich die verschreibenden Ärzte hauptsächlich von der therapeutischen Verwendung leiten ließen, den preisgestützten Indikatoren nicht jede Relevanz nimmt, da auch diese ein Beleg für Wettbewerbsdruck sein können, der auf die betreffenden Produkte ausgeübt wird. Wie die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren dargelegt haben (vgl. Erwägungsgründe 427 und 428 der angefochtenen Entscheidung), deutet im vorliegenden Fall das genannte Ereignis darauf hin, dass in Deutschland ein Preiswettbewerb auf intermolekularer Ebene nur stattfand, sofern die betreffenden Produkte sehr ähnliche therapeutische Eigenschaften hatten, was bei Omeprazol und Pantoprazol der Fall zu sein scheint, da diese Produkte beide PPI sind. Dagegen scheint der Markteintritt von Pantoprazol den Preis der H2-Blocker nicht erheblich beeinflusst zu haben. Wie oben in Randnr. 183 ausgeführt, ändert der Umstand, dass die wettbewerbliche Interaktion aufgrund der Preise weitgehend von dem bestehenden Regelungssystem beeinflusst oder bestimmt wird, nichts an der Bedeutung, die den preislichen Indikatoren bei der Beurteilung des bestehenden Wettbewerbsdrucks beizumessen ist.
204 Überdies ist der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass sich der Rückgang der Marktanteile der H2-Blocker nach der Einführung von Pantoprazol beschleunigt habe, kein Beleg dafür, dass die H2-Blocker auf die PPI einen Wettbewerbsdruck ausübten. Dieser Umstand bestätigt vielmehr die Feststellungen der Kommission, wonach die PPI einen einseitigen Wettbewerbsdruck auf die H2-Blocker ausgeübt hätten.
205 Was sodann den Eintritt des generischen H2-Blockers Ranitidin in den deutschen Markt im Jahr 1995 betrifft, so stellte die Kommission in den Erwägungsgründen 423 und 424 der angefochtenen Entscheidung fest, dass ausweislich des Lexecon-Berichts die Preise der H2-Blocker während eines Zeitraums, der unmittelbar vor dem Markteintritt dieses Wirkstoffs begonnen und drei Monate später geendet habe, um etwa 40 % gefallen seien, während die Preise der PPI unverändert geblieben seien und ihr Gesamtabsatz weiterhin rasch gestiegen sei. Zudem habe die Werbetätigkeit, gemessen an der Zahl der Besuche von Arzneimittelvertretern, im Segment der H2-Blocker kurz vor der Einführung des generischen Ranitidin stark zugenommen und wenig später stark abgenommen. Dagegen habe der Markteintritt des generischen Ranitidin keine Auswirkungen auf die Werbetätigkeit bei oder den Absatz von PPI gehabt. Die Kommission schloss hieraus, dass eine Verstärkung des Wettbewerbs zwischen den H2-Blockern in Bezug auf Preise und Werbetätigkeiten keine Auswirkungen auf die PPI gehabt habe.
206 Die Klägerinnen und die EFPIA machen geltend, die Einführung des generischen H2-Blockers Ranitidin habe den mengenmäßigen Umsatz von H2-Blockern positiv beeinflusst und auf den mengenmäßigen Umsatz von PPI negative Auswirkungen gehabt. Wie die Kommission ausführt, geht jedoch aus Tabelle 16 im Anhang der angefochtenen Entscheidung hervor, dass der wertmäßige PPI-Umsatz, ausgedrückt in Prozent des Gesamtumsatzes bei PPI und H2-Blockern, zwischen 1994 und 1997 kontinuierlich zunahm und von 32 % im Jahr 1994 auf 42 % im Jahr 1995, 57 % im Jahr 1996 und 67 % im Jahr 1997 stieg. Wie oben in Randnr. 195 ausgeführt, berücksichtigte die Kommission angesichts differenzierter Produkte zu Recht stärker den wertmäßigen Umsatz als den mengenmäßigen Umsatz, auf den sich die Grafiken 2 und 3 des Lexecon-Berichts stützen.
207 Jedenfalls zeigt Tabelle 19 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass die Zahl der verschriebenen Mengen von PPI zwischen 1994 und 1997 kontinuierlich zunahm und von mehr als 2 Millionen Verschreibungen im Jahr 1994 auf mehr als 3,3 Millionen Verschreibungen im Jahr 1997 stieg.
208 Die Klägerinnen tragen, gestützt auf die Grafiken 2 und 3 des Lexecon-Berichts, vor, die Marktanteile der H2-Blocker hätten nach der Einführung des generischen Ranitidin zugenommen, während der Marktanteil von Losec zurückgegangen sei und sich der Marktanteil der übrigen PPI stabilisiert habe. Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 462 und 463 der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben hat, geben die genannten Grafiken jedoch den relativen Anteil der mengenmäßigen Umsätze bei PPI und H2-Blockern, ausgedrückt in Prozent des Gesamtumsatzes bei PPI und H2-Blockern, wieder, also auf einem als gemeinsam unterstellten Markt der H2-Blocker und der PPI. In einem solchen Zusammenhang wird aufgrund des Phänomens der Autokorrelation ein Zuwachs des Absatzes der H2-Blocker unweigerlich den Marktanteil der PPI beeinflussen, selbst wenn die Steigerung des Absatzes der H2-Blocker auf Segmenten erfolgt, die die PPI nicht streitig machen, wie z. B. auf denen, die von den leichten oder gutartigen Formen der Magen-Darm-Erkrankungen gebildet werden, bei denen die therapeutische Wirkung der Arzneimittel relativ gering ist. Die Kommission beging somit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie die Auffassung vertrat, dass diese Angaben nicht die Feststellung erlaubten, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten.
209 Ferner ändert der von der EFPIA geltend gemachte Umstand, dass das in Deutschland geltende Referenzpreissystem es nicht zulasse, dass durch den niedrigeren Preis des generischen Ranitidin Druck auf die Preise der PPI ausgeübt werden könne, nichts an der Feststellung, wonach die PPI aufgrund der niedrigeren Preise der H2-Blocker keinem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt waren (siehe oben, Randnrn. 174 und 175).
210 Was die Feststellungen zu den Werbetätigkeiten angeht, so können die Klägerinnen nicht ernsthaft behaupten, dass die Werbetätigkeit für Losec und die übrigen PPI als Reaktion auf den Markteintritt von Ranitidin zugenommen habe. Aus den Grafiken 5 und 6 des Lexecon-Berichts geht hervor, dass die Werbetätigkeit für die PPI im Gegensatz zur deutlichen und erheblichen Zunahme der Werbetätigkeit für die H2-Blocker keinen besonderen Schwankungen unterlag. Ausgehend von diesen Feststellungen vertrat die Kommission zu Recht die Auffassung, dass die Markteinführung von Ranitidin den Wettbewerb zwischen den H2-Blockern durch eine verstärkte Werbetätigkeit belebt habe, ohne dass diese Intensivierung des Wettbewerbs Auswirkungen auf die PPI gehabt habe, für die die Werbetätigkeit gleich geblieben sei. Dieses Ereignis bringt daher die Beziehung zwischen seinen einzelnen Bestandteilen, nämlich dem Markteintritt von Ranitidin, dem verstärkten Wettbewerb zwischen den H2-Blockern und dem Fehlen erheblicher Auswirkungen auf die Werbetätigkeit für die PPI, deutlich zum Ausdruck. Die genannte Feststellung bestätigt daher – wenn auch zeitlich begrenzt – die Schlussfolgerung, dass die H2-Blocker auf die PPI keinen erheblichen Wettbewerbsdruck ausübten.
211 Die Klägerinnen machen zwar geltend, die Werbetätigkeit könne aufgrund sonstiger Umstände schwanken, doch benennen sie keine Faktoren, die im vorliegenden Fall die Schlussfolgerungen erschüttern würden, die die Kommission aus der Feststellung zieht, dass die Werbetätigkeit für die H2-Blocker nach dem Markteintritt des generischen Ranitidin stark zunahm und entsprechende besondere Auswirkungen auf die Werbetätigkeit für die PPI fehlten.
212 Was schließlich den Markteintritt des generischen Omeprazol in Deutschland im Jahr 1999 betrifft, so stellte die Kommission im 425. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass dieses Ereignis zu einem Rückgang der Absatzmenge von Losec um etwa 60 % geführt habe und den Absatz der übrigen PPI negativ beeinflusst habe.
213 Die Kommission hebt zu Recht hervor, dass die erheblichen Auswirkungen, die der Markteintritt des generischen Omeprazol sowohl auf den Absatz von Losec als auch auf dessen Preis gehabt habe, in Verbindung damit gesehen werden müssten, dass die Einführung des generischen H2-Blockers Ranitidin keine Auswirkungen auf die Preise und den Absatz der PPI gehabt habe. Die Klägerinnen behaupten zwar, die Kommission könne nicht ausschließen, dass die H2-Blocker einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf Losec ausgeübt hätten, bringen jedoch keine Beweise bei, die die Feststellungen der Kommission entkräften könnten.
214 Was zweitens den Markteintritt des generischen H2-Blockers Ranitidin im Vereinigten Königreich im Jahr 1997 betrifft, so stellte die Kommission fest, dass trotz dieses Ereignisses der absolute Absatz von PPI und deren Anteil am Gesamtabsatz von PPI und H2-Blockern im Vereinigten Königreich seit 1997 ständig gestiegen seien. Sie stellte überdies fest, dass der Markteintritt des generischen Ranitidin keinen Einfluss auf den Anstieg des Preises für Losec gehabt habe.
215 Aus Tabelle 16 im Anhang der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass der Absatz von PPI, ausgedrückt in Prozent des Gesamtumsatzes bei PPI und H2-Blockern, nach 1997 weiter zunahm und von 56 % im Jahr 1996 auf 60 % im Jahr 1997, dann auf 65 % im Jahr 1998 und auf 70 % im Jahr 1999 stieg. Diesen Angaben lässt sich entnehmen, dass, wie die Kommission im 454. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellte, die im Jahr 1997 im Vereinigten Königreich zu einem deutlich niedrigeren Preis erfolgte Markteinführung von Ranitidin keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf den Absatz der PPI ausübte. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der von den Klägerinnen behauptete Rückgang des Absatzes der PPI aus Grafik 7 des Lexecon-Berichts nicht eindeutig hervorgeht. Zwar ließ das Wachstumstempo des Absatzes von Losec etwas nach, doch weist der Absatz der übrigen PPI ein stetiges Wachstum auf, das die Annahme zulässt, dass alles in allem die Steigerung des PPI‑Absatzes vom Markteintritt des generischen Ranitidin nicht beeinflusst wurde.
216 Aus der genannten Grafik ergibt sich auch, dass die Einführung des Ranitidin keinen Abwärtsdruck auf die Preise der PPI ausübte. Der Grafik lässt sich vielmehr entnehmen, dass diese Preise leicht stiegen, bis sie im März 1998 infolge des Preisregulierungssystems des Vereinigten Königreichs sanken, nach dem die Gewinne aus dem Verkauf gewisser Produkte eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten durften (vgl. S. 21 des Lexecon-Berichts). Das Vorbringen der Klägerinnen ist daher auch insoweit zurückzuweisen.
217 Die Klägerinnen machen ferner geltend, bezüglich der in Deutschland und im Vereinigten Königreich festgestellten Ereignisse habe die Kommission die beobachteten Veränderungen zu Unrecht auf einen einzelnen Faktor zurückgeführt, obwohl sie von zahlreichen Faktoren gleichzeitig verursacht worden seien. Bei ihrem Versuch, die Schlussfolgerungen der Kommission zu entkräften, erläutern die Klägerinnen hinsichtlich der oben untersuchten spezifischen Ereignisse jedoch nicht, welche Auswirkungen in diesen konkreten Fällen die von ihnen angeführten unterschiedlichen Faktoren hätten haben können, nämlich der Preis von Losec und der konkurrierenden Produkte, der Markteintritt konkurrierender Produkte, die Zahl der für Losec und die konkurrierenden Produkte in Betracht kommenden Darreichungsformen, die für sämtliche Marktprodukte erfolgten Werbetätigkeiten, der Zeitpunkt, zu dem für Losec neue Indikationen genehmigt wurden, sowie die chronologische Entwicklung. Angesichts dessen, dass die Schlussfolgerungen der Kommission durch die von ihr geprüften Informationen gestützt werden, reicht diese Rüge daher nicht aus, um einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission festzustellen.
218 Die Klägerinnen machen schließlich geltend, die empirischen Daten, die die Kommission ihrer Beurteilung zugrunde gelegt habe, seien für die Definition des relevanten Produktmarkts zu begrenzt.
219 Aus der Prüfung aller Klagegründe und Argumente, die die Klägerinnen gegen die Definition des relevanten Marktes durch die Kommission vorgebracht haben, ergibt sich, dass die Kommission ihre Beurteilung auf die höhere Wirksamkeit der PPI, auf die differenzierte therapeutische Verwendung der PPI und der H2-Blocker, auf die asymmetrische Substitution, die die Steigerung des Absatzes der PPI und den entsprechenden Rückgang oder die Stagnation des Absatzes der H2-Blocker kennzeichnete, auf die Preisindikatoren, wie sie sich aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen ergeben, sowie auf die in Deutschland und dem Vereinigten Königreich beobachteten „natürlichen Ereignisse“ stützte.
220 Ausgehend von einer Gesamtwürdigung der Gesichtspunkte, auf die die Kommission ihre Beurteilung stützte, und in Anbetracht der Rügen der Klägerinnen und der EFPIA ist das Gericht der Ansicht, dass die genannten Gesichtspunkte, von denen die Klägerinnen einige selbst vorgebracht haben, im vorliegenden Fall einen Gesamtbestand relevanter Daten darstellen, die ausreichen, um die Schlussfolgerung der Kommission, dass die H2-Blocker in dem Zeitraum von 1993 bis 2000 keinen erheblichen Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgeübt hätten, rechtlich hinreichend zu stützen.
221 Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die Klägerinnen und die EFPIA nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass der relevante Produktmarkt in Deutschland, in Belgien, in Dänemark zumindest zwischen 1993 und 1999, in Norwegen, in den Niederlanden, im Vereinigten Königreich zumindest zwischen 1993 und Ende 2000 sowie in Schweden ausschließlich aus PPI bestehe.
222 Nach alledem ist der zweite Klagegrund, der gegen die Definition des Marktes gerichtet ist, zurückzuweisen.
B – Beherrschende Stellung
1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
223 Die Klägerinnen und die EFPIA tragen vor, der Wettbewerb weise im pharmazeutischen Sektor spezifische Merkmale auf, die unbedingt zu berücksichtigen seien. Die EFPIA weist insoweit darauf hin, dass eine beherrschende Stellung als Fähigkeit definiert werde, die Preise ohne Furcht vor wirksamen Vergeltungsmaßnahmen der Verbraucher oder Konkurrenten zu erhöhen. Die Klägerinnen und die EFPIA führen aus, die Arzneimittelmärkte in den betreffenden Mitgliedstaaten seien durch einen hohen Grad an öffentlich-rechtlicher Regelung gekennzeichnet, zu der insbesondere zwingende Preisfestsetzungs- und Erstattungsregeln gehörten, durch die den Preisen Grenzen gesetzt würden. Der Umstand, dass die Kosten der verschriebenen Arzneimittel größtenteils weder von den Hauptentscheidungsträgern (den Ärzten) noch von den Endverbrauchern (den Patienten) getragen würden, habe zur Folge, dass die Entscheidungsträger bei der Verschreibung von Arzneimitteln eine eingeschränkte Preissensibilität an den Tag legten. Hinzu komme, dass die nationalen Märkte oft durch einen Käufer mit echtem Nachfragemonopol beherrscht würden. Die EFPIA ist ferner der Ansicht, dass die Produktionsentscheidungen der Verpflichtung unterlägen, eine ständige Produktion zu unterhalten, und dass die Pharmaunternehmen regelmäßig investieren müssten, um ihre Marktstellung zu behaupten (Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Syfait u. a., C‑53/03, Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 2005, Slg. 2005, I‑4609, Nrn. 81 ff.; Urteil GlaxoSmithKline Services/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 106, 125, 141, 259, 264, 271 und 300). Die Arzneimittelmärkte des EWR kennten daher keine normalen Wettbewerbsbedingungen.
224 Zur Relevanz der Marktanteile führt die EFPIA aus, ohne eine eingehende Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt reiche das Halten umfangreicher Marktanteile nicht für die Schlussfolgerung aus, dass eine beherrschende Stellung vorliege. Dies gelte insbesondere für den pharmazeutischen Sektor, der durch einen starken Innovationswettbewerb gekennzeichnet sei und in dem das Halten beträchtlicher Marktanteile von weit geringerer Bedeutung sei als in anderen Industriezweigen und nichts über den vorliegend relevanten Wettbewerbsfaktor, den Innovationsgrad, aussage.
225 Die Klägerinnen sind ferner der Auffassung, die Kommission habe sich übermäßig auf Faktoren im Zusammenhang mit Preisen und Marktanteilen gestützt. Die Pharmaunternehmen könnten hinsichtlich der Preise keine Marktmacht ausüben, selbst wenn sie umfangreiche Marktanteile hielten. Die Preise als solche seien weder ein zuverlässiges noch ein ausschlaggebendes Wettbewerbskriterium. In Anbetracht der Natur der Arzneimittelmärkte könne ein Arzneimittelhersteller nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände über eine beherrschende Stellung verfügen. Die Kommission weise aber nicht nach, wie AZ angesichts der auf dem relevanten Markt geltenden Vorschriften den Wettbewerb unabhängig von ihren Konkurrenten, Ärzten und Patienten hätte beschränken können.
226 Die EFPIA wendet sich überdies gegen die Feststellung im 547. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die Marktmacht von AZ dadurch belegt werde, dass ihre höheren Preise Ausdruck der Verhandlungsmacht seien, über die sie im Verhältnis zu den nationalen Stellen verfüge, um für Losec und Losec MUPS höhere Preise zu erzielen. Die von den öffentlichen Stellen festgesetzten höheren Preise spiegelten nämlich den Innovationswert des Produkts und dessen Preis-Leistungs-Verhältnis wider und seien allein die Folge der Politik der Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und der Innovationsstimulation. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Pharmaunternehmen bisweilen über Verhandlungsmacht verfügten, liege der Arzneimittelpreis zudem strukturell außerhalb des Spiels von Angebot und Nachfrage (Urteil GlaxoSmithKline Services/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 140 und 141). Darüber hinaus gingen die Preise im Laufe der Zeit wegen des Drucks, den die daran interessierten öffentlichen Stellen insoweit ausübten, tendenziell zurück. Im pharmazeutischen Sektor könne daher eine beherrschende Stellung die Höhe der Preise und deren Entwicklung nicht beeinflussen.
227 Die EFPIA trägt vor, dass jedenfalls die Vermutung bestehe, dass die von den öffentlichen Stellen festgesetzten Preise dem wettbewerbsfähigen Preis entsprächen; die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass dies im Fall des relativ hohen Preises, den AZ erzielt habe, nicht gelte.
228 Falsch sei auch die Feststellung im 554. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach der Einfluss der Gesundheitssysteme auf die Preisbildung den Pharmaunternehmen mehr Marktmacht einräume, als ihnen zukäme, wenn der Endverbraucher die gesamten Arzneimittelkosten tragen würde. Da die öffentlichen Stellen die Kosten der Gesundheitsversorgung trügen, achteten sie darauf, von Anfang an wettbewerbsfähige Preise festzusetzen, und übten Abwärtsdruck auf den Preis aus. Es sei daher falsch zu behaupten, dass AZ die Möglichkeit habe, weitgehend unabhängig von den Gesundheitssystemen zu handeln (vgl. den 561. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
229 In Bezug auf die Relevanz, die den Rechten des geistigen Eigentums einzuräumen ist, wendet sich die EFPIA gegen die Feststellung der Kommission im 517. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die Rechte des geistigen Eigentums und die sonstigen Rechte, die AZ zum Schutz ihrer Technologie aus dem Arzneimittelrecht ableite, einer der wesentlichen Faktoren seien, anhand deren eine beherrschende Stellung festgestellt werden könne. Diese Erwägung widerspreche nämlich der Rechtsprechung, die nicht anerkannt habe, dass die bloße Existenz von Rechten des gewerblichen Eigentums zur Entstehung einer Marktmacht führen könne (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Volvo, 238/87, Slg. 1988, 6211, vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, Slg. 1995, I‑743, im Folgenden: Urteil Magill, und vom 29. April 2004, IMS Health, C‑418/01, Slg. 2004, I‑5039).
230 Die Klägerinnen tragen vor, der Umstand, dass AZ Klagen zur Wahrung ihrer Rechte des geistigen Eigentums erhoben habe – deren Berechtigung die Kommission im 535. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stelle – und dass AZ „Streitbeilegungsvereinbarungen“ geschlossen habe, sei für die Feststellung einer beherrschenden Stellung unerheblich. Die Begleitumstände der Klagen und der in den Erwägungsgründen 515 bis 540 der angefochtenen Entscheidung untersuchten „Streitbeilegungsvereinbarungen“ seien ebenfalls unerheblich; in diesem Zusammenhang sei auf die Stellungnahme zum „Sachverhaltsschreiben“ (letter of facts) vom 21. Januar 2005 zu verweisen. Die Kommission habe auch nicht festgestellt, dass die „Streitbeilegungsvereinbarungen“ ihrem Inhalt nach missbräuchlich gewesen seien.
231 Die EFPIA fügt hinzu, die Argumentation der Kommission, wonach die Klagen, die AZ erhoben habe, für die Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung relevant seien, führe dazu, dass ein Unternehmen, das ein innovatives Produkt auf den Markt bringe, sich davor hüten müsse, seine Rechte des gewerblichen Eigentums in vollem Umfang geltend zu machen und von bestimmten Wettbewerbern Lizenzgebühren (royalties) zu verlangen, weil es andernfalls Gefahr laufe, dass es als Unternehmen in beherrschender Stellung angesehen und seine Geschäftspolitik Beschränkungen unterworfen werde. Eine solche Haltung könne jeden Anreiz zur Schaffung innovativer Produkte zunichtemachen.
232 Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorteil, den ein vorhandenes Produkt oder der Erstanbieter hat, führen die Klägerinnen weiter aus, Pantoprazol habe in Deutschland einen Marktanteil von 20,66 % erreicht, nachdem es nur zwei Jahre auf dem Markt gewesen sei (seit 1995). Dies habe seinen Grund darin, dass der Hersteller von Pantoprazol, Byk Gulden, ein deutsches Unternehmen sei. Auch die Rechte des geistigen Eigentums von AZ hätten den Markteintritt von Lansoprazol und Pantoprazol 1993 bzw. 1994 nicht verhindert.
233 Die EFPIA bestreitet überdies, dass die langjährige Präsenz von AZ auf dem PPI‑Markt allgemein Wettbewerbsvorteile verschaffen könne, da solche Vorteile für die Feststellung der beherrschenden Stellung unerheblich seien. Der Erfolg eines Arzneimittels sei per definitionem von kurzer Dauer, da er durch den Markteintritt anderer innovativer Produkte und auch durch das Auftauchen von Generika gefährdet werde, wie die Kommission im 562. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt habe. Zudem ebneten die Lizenzverträge und die Offenlegung der zur Erlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilten Informationen den Wettbewerbern den Weg.
234 In Bezug auf die Untersuchung der Finanzkraft, der Ressourcen und der Spezialisierung von AZ wirft die EFPIA der Kommission vor, die Zahlen bezüglich des Absatzes, der Gewinne nach Steuern, des Gesamtvermögens, der Eigenkapitalrendite, der Ressourcen für Forschung und Entwicklung und der Marketingressourcen miteinander zu vergleichen, ohne hieraus bezüglich der PPI Schlüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenzunternehmen von AZ zu ziehen.
235 Jedenfalls halten die Klägerinnen die Schlussfolgerung der Kommission, dass in Deutschland zwischen 1995 und 1997 eine beherrschende Stellung bestanden habe, für unzutreffend. Die drei von der Kommission herangezogenen Gesichtspunkte, nämlich die Marktanteile, die Preise und die Werbetätigkeit, stützten nicht die Schlussfolgerung, dass eine beherrschende Stellung bestanden habe. Was zunächst die Marktanteile betreffe, so ergebe sich aus Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass AZ zwar zwischen 1995 und 1997 die größten Marktanteile gehalten habe, doch hätten ihre Wettbewerber ebenfalls über beträchtliche Marktanteile verfügt. Ferner gehe aus dieser Tabelle hervor, dass die Marktanteile von AZ zwischen 1994 und 1995 von 82,57 % auf 64,94 % gesunken seien, während die Marktanteile von Pantoprazol von 5,34 % im Jahr 1994 auf 20,66 % im Jahr 1995 gestiegen seien. In den Jahren 1996 und 1997 seien die Marktanteile von AZ weiter gesunken, während die Marktanteile von Lansoprazol und Pantoprazol gestiegen seien.
236 Was sodann die in Tabelle 33 im Anhang der angefochtenen Entscheidung dargestellten Daten über die Preisfestsetzung betreffe, so seien die Preise der Antra-Kapseln 20 mg (Omeprazol), der Agopton-Kapseln 30 mg (Lansoprazol) und der Rifun-Kapseln 40 mg (Pantoprazol) von 1995 bis 1997 gleich geblieben, was darauf hindeute, dass AZ keine höheren Preise habe durchsetzen können als ihre Wettbewerber.
237 Was schließlich die Informationen über die Werbetätigkeiten in Deutschland betrifft, verweisen die Klägerinnen auf Grafik 6 des Lexecon-Berichts. Aus dieser Grafik gehe hervor, dass die Werbetätigkeiten für Pantoprazol umfangreicher als die für Losec gewesen seien, während die Werbetätigkeiten für Lansoprazol denen für Losec entsprochen hätten. Im Hinblick auf Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung sind die Klägerinnen der Ansicht, durch die intensiveren Werbetätigkeiten im Zusammenhang mit Pantoprazol habe dieses beträchtliche Marktanteile erwerben und behalten können, während die Marktanteile von Losec gesunken seien. Dies belege, dass ein neuer Marktteilnehmer in der Lage sei, dank der ihm gewidmeten Werbetätigkeiten mit Losec wirksam zu konkurrieren.
238 Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA für nicht stichhaltig.
2. Würdigung durch das Gericht
239 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens ist, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung ergibt sich im Allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, Slg. 1978, 207, Randnrn. 65 und 66, und vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnrn. 38 und 39).
240 Im vorliegenden Fall stellte die Kommission im 601. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass AZ eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG auf dem Markt der PPI in Deutschland von 1993 bis Ende 1997, in Belgien von 1993 bis Ende 2000, in Dänemark von 1993 bis Ende 1999, in den Niederlanden von 1993 bis Ende 2000, im Vereinigten Königreich von 1993 bis Ende 1999 und in Schweden von 1993 bis Ende 2000 innegehabt habe. In Bezug auf Norwegen war die Kommission der Auffassung, dass von einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 54 des EWR-Abkommens ab 1. Januar 1994, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens, bis Ende 2000 auszugehen sei.
241 Die Klägerinnen und die EFPIA wenden sich gegen die Beurteilung der beherrschenden Stellung von AZ durch die Kommission und stellen im Wesentlichen die Relevanz von fünf in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Faktoren in Frage, nämlich der Marktanteile, der Höhe der Preise, der Existenz und Geltendmachung von Rechten des geistigen Eigentums, der Stellung des Erstanbieters und der Finanzkraft von AZ. Darüber hinaus halten die Klägerinnen die Schlussfolgerungen der Kommission bezüglich der beherrschenden Stellung von AZ in Deutschland für nicht stichhaltig. Die genannten Rügen werden im Folgenden der Reihe nach untersucht.
a) Zu den Marktanteilen von AZ
242 Was zunächst die Relevanz betrifft, die dem Innehaben wesentlicher Marktanteile für die Feststellung einer eventuellen beherrschenden Stellung von AZ zuerkannt wird, so ist daran zu erinnern, dass die Bedeutung der Marktanteile zwar von einem Markt zum anderen unterschiedlich sein kann, das dauerhafte Innehaben eines besonders hohen Marktanteils jedoch – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefert (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 41; Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T‑30/89, Slg. 1991, II‑1439, Randnr. 91, und vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, T‑24/93 bis T‑26/93 und T‑28/93, Slg. 1996, II‑1201, Randnr. 76).
243 Hierzu geht aus der Rechtsprechung hervor, dass Marktanteile von mehr als 50 % besonders hohe Marktanteile darstellen (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 60) und dass ein Marktanteil von 70 % bis 80 % für sich genommen ein klares Indiz für eine beherrschende Stellung darstellt (Urteile des Gerichts Hilti/Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, Randnr. 92, und vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98, T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 907).
244 Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Prüfung nicht ausschließlich auf die Marktanteile von AZ stützte, sondern darauf bedacht war, eine ausführliche Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren durchzuführen, die in erster Linie die Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums und anderer Rechte regulatorischer Art, die im Zusammenhang mit der Stellung des Erstanbieters stehenden Vorteile, die Relevanz des Preises als Wettbewerbsparameter, die Relevanz der Präsenz der Käufer mit Nachfragemonopol und der Systeme geregelter Preise sowie die Relevanz der Investitionen für Forschung und Entwicklung, der Werbetätigkeit und der Finanzmittel betrafen.
245 Zweitens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht außer Acht lassen durfte, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen war, dass AZ während des gesamten relevanten Zeitraums in allen in Rede stehenden Ländern generell sehr hohe Marktanteile hielt. Aus den – von den Klägerinnen und der EFPIA nicht beanstandeten – Feststellungen der Kommission ergibt sich nämlich, dass AZ auf dem Markt der PPI stets die wichtigste Rolle spielte.
246 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission nämlich fest, dass AZ in Deutschland im Jahr 1993 96 % der Marktanteile und im Jahr 1994 fast 83 % gehalten habe (nach Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung waren es 82,57 %), während Takeda und Byk Gulden im Jahr 1994 12 % bzw. 5 % der Marktanteile gehalten hätten. Die Marktanteile von AZ seien von 1995 bis 1997 mehr als doppelt so hoch wie die von Byk Gulden gewesen, deren Marktanteil zwischen einem Fünftel und einem Viertel betragen habe, während der Anteil von Takeda im Jahr 1994 bei 12 % und im Jahr 1997 bei 17 % gelegen habe. Die Marktanteile von AZ, Byk Gulden und Takeda seien infolge der Einführung des generischen Omeprazol im Jahr 1999 erheblich gesunken (Erwägungsgründe 582 und 583 der angefochtenen Entscheidung).
247 In Bezug auf Belgien stellte die Kommission fest, dass sich die Marktanteile von AZ vor 1993 auf 100 % belaufen, von 1994 bis 1996 weiterhin über 90 % betragen und im Jahr 1997 knapp unter 90 % gelegen hätten; im Jahr 1998 seien es 81 % und im Jahr 2000 68 % gewesen. Ihre Hauptkonkurrenten, Takeda und Byk Gulden, hätten im Jahr 2000 27 % bzw. 5 % erreicht (570. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
248 In Bezug auf Dänemark ergibt sich aus Tabelle 25 im Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass AZ in den Jahren 1993 und 1994 100 % bzw. 97,47 % der Marktanteile hielt. Die Kommission stellte fest, dass von 1995 bis 1997 auf Losec zwischen 85 % und 75 % der Marktanteile entfallen seien. Diese Marktanteile seien 1998 gestiegen und hätten sich im Jahr 1999 bei knapp 75 % erneut stabilisiert, obwohl der Preis von Losec den von Lansoprazol und Pantoprazol um etwa 13 % überstiegen habe (Erwägungsgründe 577 bis 579 der angefochtenen Entscheidung).
249 In Bezug auf Norwegen stellte die Kommission fest, dass der Absatz von Omeprazol zwischen 1993 und 2000 einem Marktanteil von 100 % bis 74 % entsprochen habe. Im Jahr 1998 seien die Marktanteile von AZ infolge von Paralleleinfuhren auf 45 % gesunken. Die Paralleleinfuhren seien jedoch im darauf folgenden Jahr 1999 eingestellt worden, und AZ habe wieder einen Marktanteil von nahezu 75 % erreicht (590. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
250 In Bezug auf die Niederlande stellte die Kommission fest, dass der Absatz von Omeprazol zwischen 1993 und 2000 einem Marktanteil von etwa 100 % bis 86 % entsprochen habe. Bis 1998 sei ein bedeutender Teil dieses Absatzes den Paralleleinfuhren zuzurechnen gewesen. Kein Parallelimporteur sei jedoch in der Lage gewesen, die Vorherrschaft der Marktanteile von AZ in Frage zu stellen, die 1996 am niedrigsten gewesen seien und bei weniger als 59 % gelegen hätten (Erwägungsgründe 586 und 587 der angefochtenen Entscheidung).
251 In Bezug auf Schweden stellte die Kommission fest, dass der Absatz von Omeprazol zwischen 1993 und 1999 einem Anteil von 9/10 des PPI‑Absatzes und im Jahr 2000 einem Anteil von 8/10 des Absatzes entsprochen habe. Zwar seien alle diese Absätze vor 1996 AZ zuzurechnen, doch sei der Anteil der Paralleleinfuhren an diesen Absätzen gestiegen, wodurch die Marktanteile von AZ auf 44 % im Jahr 1998 gesunken seien. Infolge des Wegfalls der Marktzulassungen seien die Marktanteile von AZ allerdings erneut gestiegen und hätten knapp 65 % erreicht. Dagegen seien die Marktanteile von Byk Gulden und Eisai nicht über 2,4 % bzw. 0,8 %, hinausgegangen, und die Anteile von Takeda hätten 7 % nicht überschritten, ausgenommen das Jahr 2000, als Takeda auf Kosten der Parallelimporteure 15 % der Marktanteile erreicht habe (Erwägungsgründe 594 bis 597 der angefochtenen Entscheidung).
252 In Bezug auf das Vereinigte Königreich stellte die Kommission schließlich fest, dass die Marktanteile von AZ im Zeitraum von 1993 bis 1996 zwischen 100 % und 88 % geschwankt hätten. Danach seien die Marktanteile von AZ doppelt so hoch geblieben wie die von Takeda: Sie hätten Marktanteile von 78 % bzw. 20 % im Jahr 1997, von 68 % bzw. 29 % im Jahr 1998 und von 63 % bzw. 31 % im Jahr 1999 gehalten. Im Jahr 2000 seien die Marktanteile von AZ auf 57 % gesunken, während die von Takeda auf 33 % gestiegen seien (599. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
253 Angesichts dieser Feststellungen, die die Klägerinnen und die EFPIA nicht beanstandet haben, war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass die besonders hohen Marktanteile von AZ, die jedenfalls deutlich höher als die ihrer Wettbewerber waren, ein fraglos relevantes Indiz für die im Verhältnis zu den sonstigen Marktteilnehmen ungleich größere Marktmacht von AZ waren.
254 Der von der EFPIA angeführte Umstand, dass die Innovation ein wesentlicher Wettbewerbsparameter im Arzneimittelsektor sei, stellt die Relevanz, die den – in ihrem Kontext beurteilten – hohen Marktanteilen von AZ zukommt, nicht in Frage. Hierzu ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die privilegierte Stellung von AZ gerade die Folge eines ihr gelungenen innovativen Durchbruchs ist, durch den sie einen neuen Markt erschließen und dank der Vermarktung des ersten PPI auf diesem Markt die vorteilhafte Stellung eines Erstanbieters einnehmen konnte. Die Klägerinnen und die EFPIA begründen im Übrigen nicht, inwiefern die Besonderheiten des Arzneimittelsektors geeignet sein könnten, den Marktanteilen die ihnen zukommende Relevanz zu nehmen.
b) Zur Höhe der Preise
255 Die Klägerinnen und die EFPIA bestreiten, dass die höheren Preise, die AZ für Losec ansetzt, ein Indiz für das Vorliegen einer Marktmacht von AZ sind.
256 Was den von der EFPIA geltend gemachten Umstand betrifft, dass die Preise durch die Entscheidungen der öffentlichen Stellen bestimmt oder stark beeinflusst würden, so ergibt sich aus der insoweit von den Klägerinnen und der EFPIA nicht beanstandeten angefochtenen Entscheidung, dass die Pharmaunternehmen, die erstmals Produkte anbieten, die dank ihres innovativen Charakters einen erheblichen therapeutischen Mehrwert haben, bei den öffentlichen Stellen Preise oder Erstattungsstufen durchsetzen können, die über denen der vorhandenen Produkte liegen. Insoweit wurde bereits darauf hingewiesen, dass die nationalen Stellen, die die Erstattungsstufen oder Preise für die Arzneimittel festlegen, aufgrund ihrer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe einen Anreiz haben, für die Aufnahme von Produkten in ihre Gesundheitssysteme zu sorgen, die in erheblichem Maß zu einer Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen.
257 Da die Preise oder Erstattungsstufen für die Arzneimittel von den öffentlichen Stellen zwingend im Dialog mit den Pharmaunternehmen festgelegt werden – zumindest insoweit, als diese den öffentlichen Stellen die hierfür maßgeblichen Informationen zur Verfügung stellen müssen –, durfte die Kommission davon ausgehen, dass die Pharmaunternehmen gegenüber den nationalen Stellen eine Verhandlungsmacht hatten, die sich nach dem therapeutischem Mehrwert richtete, den ihre Produkte im Verhältnis zu den bereits vorhandenen Produkten haben. Ferner geht aus der insoweit nicht beanstandeten angefochtenen Entscheidung auch hervor, dass es in bestimmten Fällen im strategischen Interesse der Pharmaunternehmen liegen kann, ihre Produkte auf bestimmten Märkten nicht in den Verkehr zu bringen, wenn die von den nationalen Stellen eingeräumten Preise nicht ihren Erwartungen entsprechen (vgl. Erwägungsgründe 557 und 559 der angefochtenen Entscheidung).
258 Die EFPIA betont, dass die Entscheidungen über die Preisfestsetzung von den öffentlichen Stellen einseitig erlassen würden. Sie räumt jedoch ein, dass die Preise oder die Erstattungsstufen für die Arzneimittel anhand ihres Innovationswerts festgesetzt werden und dass folglich einem Produkt mit einem erheblichen therapeutischen Mehrwert ein höherer Preis oder eine höhere Erstattungsstufe eingeräumt wird als den Produkten, die diesen therapeutischen Wert nicht aufweisen. Es steht daher fest, dass sich der Preis oder die Erstattungsstufe zwar aus einer Entscheidung ergeben, die die öffentlichen Stellen erlassen, doch richtet sich die Möglichkeit eines Pharmaunternehmens, einen höheren Preis oder eine höhere Erstattungsstufe zu erreichen, nach dem Innovationswert des Produkts.
259 Da AZ im vorliegenden Fall das erste Unternehmen war, das mit Omeprazol ein PPI anbieten konnte, dessen therapeutischer Wert weit höher war als der Wert der bereits auf dem Markt vorhandenen Produkte, konnte sie von den öffentlichen Stellen einen höheren Preis erlangen. Ein solcher höherer Preis war dagegen weniger leicht für die Pharmaunternehmen zu erzielen, die andere PPI in den Verkehr brachten, d. h. „Nachahmerprodukte“ wie Lansoprazol, Pantoprazol und Rabeprazol. Die Klägerinnen selbst erläuterten der Kommission, dass die Erstattungsstellen in Bezug auf die „Nachahmerprodukte“, die Erweiterung von Produktserien und andere Formulierungen vorhandener Produkte skeptischer geworden seien, da diese Produkte nur einen beschränkten therapeutischen Mehrwert geboten hätten (550. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
260 Somit ist davon auszugehen, dass die für AZ bestehende Möglichkeit, höhere Priese oder Erstattungsstufen zu erreichen, Ausdruck der Vorteile ist, die AZ aus ihrer Stellung als Erstanbieterin auf einem von ihr eröffneten Markt zog. Die Stellung des Erstanbieters ist ein wichtiger Faktor der starken Wettbewerbsstellung von AZ, die die Kommission in den Erwägungsgründen 541 bis 543 der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte. Diese Stellung des Erstanbieters war nämlich teilweise die Ursache für die unbestrittene Stärke des Omeprazol von AZ bei den Marktanteilen im Vergleich zu den Wettbewerbern, die andere PPI in den Verkehr brachten.
261 Wie die Kommission in ihrer Stellungnahme auf die Fragen des Gerichts ausgeführt hat, ist ferner der Umstand, dass AZ höhere Marktanteile als ihre Wettbewerber behielt, dabei aber höhere Preise als die der anderen PPI forderte, ein wichtiger Beleg dafür, dass das Verhalten von AZ in keinem nennenswerten Umfang Druck seitens ihrer Wettbewerber, ihrer Abnehmer und letztlich der Verbraucher ausgesetzt war. Dass die höheren Preise, die AZ forderte, teilweise auf die Festsetzung höherer Erstattungsgrenzen zurückzuführen sind, berührt diese Feststellung nicht.
262 Die Kommission geht im 554. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung insoweit zu Recht davon aus, dass die die Arzneimittelmärkte kennzeichnenden Gesundheitssysteme die Marktmacht der Arzneimittelunternehmen festigen, weil die Arzneimittelkosten ganz oder überwiegend von den Systemen der sozialen Sicherheit getragen werden, was die Nachfrage weitgehend unelastisch macht. Dies gilt insbesondere, wenn ein Pharmaunternehmen, das als erstes ein neues Erzeugnis anbietet, das im Vergleich zu den vorhandenen Produkten einen therapeutischen Mehrwert aufweist, eine höhere Erstattungsstufe erreichen kann als die, die später den „Nachahmerprodukten“ eingeräumt wird. Gegenüber Unternehmen, die die Stellung des Erstanbieters innehaben, werden nämlich die Erstattungen, die die Systeme der sozialen Sicherheit vornehmen, im Vergleich zu den „Nachahmerprodukten“ relativ hoch angesetzt und erlauben dem hiervon begünstigten Pharmaunternehmen, seinen Preis hoch anzusetzen, ohne befürchten zu müssen, dass sich die Patienten und Ärzte anderen Produkten zuwenden, die weniger kostspielig sind.
263 Entsprechend den Feststellungen, die im Zusammenhang mit der Definition des relevanten Marktes oben in Randnr. 174 getroffen wurden, ist es unerheblich, dass AZ besonders hohe Marktanteile behalten und gleichwohl erheblich höhere Preise fordern konnte, weil die Systeme der sozialen Gesundheit dies ermöglichen und begünstigen; dieser Umstand berührt nämlich nicht die Feststellung, dass AZ höhere Gewinne als ihre Wettbewerber erzielen konnte, ohne dass die verschiedenen Teilnehmer des Arzneimittelmarkts, nämlich die Patienten, die verschreibenden Ärzte, die nationalen Systeme der sozialen Sicherheit und die Wettbewerber, imstande waren, diese privilegierte Stellung in den Zeiträumen, die die Kommission für die Bestimmung der beherrschenden Stellung heranzog, in Frage zu stellen.
264 Die generelle Möglichkeit von AZ, ihre Preise auf einem höheren Niveau zu halten als ihre Wettbewerber und zugleich wesentlich höhere Marktanteile zu behalten, ist ferner im Zusammenhang damit zu sehen, dass die öffentlichen Stellen sich um eine Senkung der Gesundheitskosten bemühten, um einen Ausgleich für die eingeschränkte Sensibilität der verschreibenden Ärzte und der Patienten gegenüber den hohen Arzneimittelpreisen zu schaffen (555. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), sowie damit, dass die neuen Marktteilnehmer in Deutschland und im Vereinigten Königreich im Verhältnis höhere Ausgaben für Werbung hatten (Erwägungsgründe 585 und 600 der angefochtenen Entscheidung).
265 Die EFPIA macht gleichwohl geltend, es gelte die Vermutung, dass die von den öffentlichen Stellen festgelegten Preise wettbewerbsfähig seien. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Preise, da sie sowohl hinsichtlich der Erstattungsstufen als auch hinsichtlich der Höchstpreise von den Entscheidungen der öffentlichen Stellen beeinflusst werden, nicht das Ergebnis des normalen Spiels der Marktkräfte sind. Die Wettbewerbsfähigkeit eines in diesem Kontext festgelegten Preises kann somit nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, da der Preis außerhalb der Wettbewerbsmechanismen festgelegt wurde, die eine solche Wettbewerbsfähigkeit herstellen könnten. Jedenfalls ist festzustellen, dass die Analyse der beherrschenden Stellung klären soll, ob es einem Unternehmen möglich ist, sich auf dem Markt in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. Die Feststellungen der Kommission zu den Preisen von AZ weisen aber darauf hin, dass AZ angesichts ihrer Möglichkeit, weit höhere Marktanteile als ihre Wettbewerber zu behalten, über eine solche Unabhängigkeit in nennenswertem Umfang verfügte.
266 Die Klägerinnen machen geltend, die starke Reglementierung der Arzneimittelmärkte verhindere jedenfalls, dass ein Pharmaunternehmen dadurch, dass es unabhängig von seinen Wettbewerbern, den Ärzten und den Patienten tätig werde, Marktmacht in Bezug auf die Preise ausüben oder den Wettbewerb beeinträchtigen könne, selbst wenn es erhebliche Marktanteile halte. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass, wie bereits ausgeführt, die Fähigkeit von AZ, die Preise auf einem höheren Niveau zu halten als ihre Wettbewerber und zugleich wesentlich höhere Marktanteile zu behalten, beweist, dass sie Marktmacht in Bezug auf die Preise auszuüben konnte, da weder die konkurrierenden Hersteller noch die die Arzneimittelkosten tragenden Systeme der sozialen Sicherheit oder die Patienten in der Lage waren, sie zur Anpassung ihrer Preise an die Preise der konkurrierenden Produkte zu veranlassen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass mit Ausnahme von Belgien und – ab 1996 – den Niederlanden die Pharmaunternehmen ihre Preise frei festsetzen konnten.
267 Sodann ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Feststellung von Marktmacht, d. h. der Fähigkeit eines Unternehmens, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern so zu verhalten, dass es insbesondere höhere Preise aufrecht erhalten und zugleich wesentlich größere Marktanteile als seine Wettbewerber behalten kann, nicht davon abhängig ist, dass das Unternehmen imstande ist, diese Marktmacht in der Weise einzusetzen, dass die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert wird. Bei den Praktiken, die auf den Ausschluss oder die Einschränkung des Wettbewerbs gerichtet sind, braucht ein Verhalten, um als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft zu werden, nicht notwendigerweise seine Ursache in der Wirtschaftskraft des Unternehmens zu haben oder durch diese ermöglicht worden zu sein, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und ihrer missbräuchlichen Ausnutzung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 27, und Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 91).
268 Außerdem können die Klägerinnen nicht einfach davon ausgehen, dass AZ nicht imstande war, unabhängig von den anderen Teilnehmern auf dem Arzneimittelmarkt tätig zu werden. Insoweit ist bezüglich der von der EFPIA beanstandeten Feststellung der Kommission im 561. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach AZ fähig war, weitgehend unabhängig von den Gesundheitssystemen zu handeln, darauf hinzuweisen, dass es im Interesse von AZ lag, sicherzustellen, dass die Generika nicht auf den Markt gebracht werden können, weil diese starken Abwärtsdruck auf den Preis von Losec ausüben und die Einführung der nächsten Produktgeneration von AZ zu einem vorteilhaften Preis vereiteln konnten (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 298 bis 301 und 551 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte jedoch fest, dass, wie sich aus den inkriminierten Praktiken ergebe, AZ als Inhaberin der ersten Genehmigungen für das Inverkehrbringen allein in der Lage gewesen sei, eine Verdrängungsstrategie gegenüber den konkurrierenden Generika anzuwenden (Erwägungsgründe 527 und 528 der angefochtenen Entscheidung), ungeachtet dessen, dass die nationalen Gesundheitssysteme ein Interesse an der Senkung der Arzneimittelpreise hatten. Angesichts des Gegensatzes zwischen der Position der öffentlichen Stellen, die auf die Einführung billigerer Generika keinen Einfluss nehmen konnten, und der Position von AZ, die unter Heranziehung des Regelungssystems auf die Einführung dieser Generika Einfluss nehmen konnte, durfte die Kommission davon ausgehen, dass AZ in der Lage war, sich in erheblichem Umfang unabhängig von den Gesundheitssystemen zu verhalten.
269 Nach alledem ist das Gericht daher der Auffassung, dass die Kommission keinen offensichtlichen Fehler beging, als sie für die Beurteilung der Wettbewerbsstellung von AZ auf dem Markt die auf den Preisen beruhenden Indikatoren berücksichtigte.
c) Zu Existenz und Geltendmachung der Rechte des geistigen Eigentums
270 Was die Rügen betrifft, die sich gegen die Bedeutung richten, die den Rechten des geistigen Eigentums und den Rechten nach der Arzneimittelregelung zuerkannt wurde, ist zunächst festzustellen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Rechte des geistigen Eigentums für die Bestimmung der beherrschenden Stellung ohne Belang sind. Zwar kann nicht angenommen werden, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine solche Stellung begründet, doch ist sie geeignet, unter bestimmten Umständen eine beherrschende Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhält, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil Magill, oben in Randnr. 229 angeführt, Randnrn. 46 und 47).
271 Im vorliegenden Fall stellen die Klägerinnen und die EFPIA aber die Feststellung der Kommission nicht in Frage, dass Losec als das erste auf den Markt gebrachte PPI unter einem besonders starken Patentschutz gestanden habe, aufgrund dessen AZ eine Reihe von Klagen erhoben habe, die es ihr ermöglicht hätten, erheblichen Druck auf ihre Wettbewerber Takeda, Byk Gulden und Eisai auszuüben und ihnen den Marktzugang weitgehend vorzuschreiben. [vertraulich] Auch sei Eisai gezwungen worden, AZ eine Entschädigung für den Verkauf von Rabeprazol zu zahlen und ihr Zugang zu bestimmten Technologien zu gewähren, die für künftige Formulierungen von Omeprazol verwendet werden könnten (vgl. Erwägungsgründe 88 bis 96 und 521 bis 524 der angefochtenen Entscheidung).
272 Der von den Klägerinnen hervorgehobene Umstand, dass die von AZ eingeleiteten patentrechtlichen Streitigkeiten und die nachfolgenden gütlichen Vereinbarungen keinesfalls rechtswidrig gewesen seien, ändert nichts an der Feststellung der Kommission, dass es AZ aufgrund des Patentschutzes, der für Losec bestanden habe, möglich gewesen sei, erheblichen Druck auf ihre Wettbewerber auszuüben, was für sich genommen ein relevanter Indikator für ihre beherrschende Stellung gewesen sei. Entgegen dem, was die Klägerinnen offenbar nahe legen wollen, ist es für die Annahme, dass die „Streitbeilegungsvereinbarungen“ ein Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung sind, somit nicht erforderlich, dass diese Vereinbarungen missbräuchlich sind. Wie die Kommission ausführt, beruht das Vorbringen der Klägerinnen auf einer Verwechslung der Begriffe „beherrschende Stellung“ und „Missbrauch“.
273 Schließlich ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass die Berücksichtigung von Rechten des geistigen Eigentums und deren Ausübung, auch wenn diese nicht missbräuchlich sei, für die Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung geeignet sei, der Herstellung innovativer Produkte jeden Anreiz zu nehmen. Die Innovation wird nämlich auf jeden Fall mit der Ausschließlichkeit belohnt, die die Rechte des geistigen Eigentums ihrem Urheber gewähren. Soweit die Inhaberschaft und die Ausübung dieser Rechte des geistigen Eigentums, wie im vorliegenden Fall, ein relevantes Indiz für eine beherrschende Stellung sein können, ist daran zu erinnern, dass eine beherrschende Stellung als solche nicht verboten ist, sondern nur deren Missbrauch. Falls der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums über eine beherrschende Stellung verfügt, kann es im Hinblick auf Innovationsanreize insoweit nicht als unzureichender Anreiz angesehen werden, dass von dem genannten Recht in nicht missbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht werden muss.
274 Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, Lansoprazol und Pantoprazol seien in Deutschland 1993 bzw. 1994 in den Verkehr gebracht worden, ist außerdem festzustellen, dass ein zuverlässiger Schutz im Rahmen von Rechten des geistigen Eigentums, um ein relevanter Faktor zu sein, nicht zwangsläufig geeignet sein muss, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt auszuschließen.
275 Das Gericht ist daher der Auffassung, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie bei der Beurteilung der Wettbewerbsstellung von AZ auf dem Markt die Existenz und die Geltendmachung der Rechte des geistigen Eigentums von AZ berücksichtigte.
d) Zur Stellung von AZ als Erstanbieter
276 In den Erwägungsgründen 541 bis 543 der angefochtenen Entscheidung betonte die Kommission die Wettbewerbsvorteile, die sich aus der Stellung des Erstanbieters und aus einer seit langem bestehenden Präsenz auf dem PPI‑Markt ergeben könnten.
277 Die Klägerinnen bestreiten jedoch die Relevanz der Stellung von AZ als Erstanbieter, vor allem angesichts des Umstands, dass Pantoprazol 1995 nach nur zwei Jahren Marktpräsenz 20,66 % der Marktanteile in Deutschland erwarb.
278 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Beurteilung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung von AZ auf eine Reihe von Gesichtspunkten stützte, insbesondere darauf, dass die Marktanteile von AZ weit größer als die ihrer Wettbewerber waren. Angesichts der Besonderheiten der Arzneimittelmärkte, deren Merkmal die „Unbeweglichkeit“ der verschreibenden Ärzte ist, und der Schwierigkeiten der Pharmaunternehmen beim Markteintritt, die mit der Zahl der auf diesem Markt bereits präsenten Wettbewerber und Produkte zunehmen – Schwierigkeiten, die eine von der Kommission herangezogene Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt –, durfte die Kommission davon ausgehen, dass die Stellung des Erstanbieters einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellte. Dieser Wettbewerbsvorteil wird zudem durch die internen Unterlagen von AZ bestätigt, aus denen hervorgeht, dass Losec aufgrund seines Status als „erstes Produkt auf dem Markt“, der ein Hinweis auf die größte Erfahrung war, über ein Markenimage und einen soliden Ruf verfügte.
279 Gleichwohl behauptete die Kommission nicht, dass die Wettbewerbsvorteile, die im Zusammenhang mit der langjährigen Präsenz von AZ auf dem PPI‑Markt standen, unter allen Umständen die Entwicklung konkurrierender Verkäufe verhindert hätten. Der Umstand, dass Pantoprazol in Deutschland einen Marktanteil von 20,66 % erreichen konnte, kann daher nicht die Wettbewerbsvorteile in Frage stellen, die AZ aus ihrer Stellung als Erstanbieter zog, weder auf dem deutschen Markt noch auf den sonstigen relevanten geografischen Märkten, auf denen die Stellung von AZ bisweilen erdrückend stark war. Außerdem konnte Pantoprazol nicht die Stellung von Losec als in Deutschland meist verkauftes PPI in Frage stellen.
280 Desgleichen stellt der Umstand, dass die Generika die beherrschende Stellung von AZ gefährden können, nicht in Frage, dass ihr die Stellung des Erstanbieters deutliche Wettbewerbsvorteile verschaffte. Zudem hatten die Generika in den von der Kommission herangezogenen Zeiträumen, in denen AZ eine beherrschende Stellung innehatte, die beherrschende Stellung von AZ auf den betreffenden geografischen Märkten nicht beeinträchtigt.
281 Was sodann das Vorbringen der EFPIA betrifft, wonach es für ein Arzneimittel abträglich sein könnte, wenn neue innovative Produkte auf den Markt kämen, der Stellung als Erstanbieter jegliche Relevanz nehme, so genügt die Feststellung, dass, wie die Kommission ausführt, weder die Klägerinnen noch die EFPIA auf den Markteintritt innovativer Produkte hinweisen, der im vorliegenden Fall die beherrschende Stellung von AZ auf dem PPI‑Markt in Frage gestellt hätte.
282 Schließlich kann auch der Umstand, dass AZ Lizenzvereinbarungen mit bestimmten Wettbewerbern schloss, im vorliegenden Fall ihrer langjährigen Marktpräsenz nicht die Relevanz nehmen. Wie die Kommission ausführt, erleichtert im Übrigen der rechtliche Rahmen keineswegs den Markteintritt der Generikahersteller, die ihre Produkte vermarkten wollen, da die Angaben, die die Hersteller der ursprünglichen Produkte für den Erhalt der Genehmigungen für das Inverkehrbringen machen, für einen Zeitraum von sechs bis zehn Jahren geschützt sind (vgl. Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten [ABl. 1965, Nr. 22, S. 369, in der zur maßgebenden Zeit geltenden Fassung]), so dass sich während dieses Zeitraums die Generikahersteller, die Genehmigungen für das Inverkehrbringen erhalten wollen, nicht auf diese Angaben beziehen können und ihre eigenen Tests durchführen müssen.
283 Daher ist davon auszugehen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie bei ihrer Gesamtwürdigung auch die Stellung von AZ als Erstanbieter auf dem PPI‑Markt berücksichtigte.
e) Zur Finanzkraft von AZ
284 In den Erwägungsgründen 78 bis 86 und 566 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission aufgrund genauer und unbestrittener, den Jahresberichten der betreffenden Unternehmen entnommener Informationen fest, dass in der Zeit zwischen 1993 und 2000 die Ressourcen und Leistungen von AZ die ihrer Wettbewerber Takeda und Byk Gulden übertroffen hätten, insbesondere in Bezug auf ihre allgemeine finanzielle Solidität, die Ressourcen für Forschung und Entwicklung und die Marketingressourcen. Insbesondere zum Umsatz von AZ, der deutlich höher als der von Takeda und Byk Gulden war, stellte die Kommission fest, dass dieser fast ausschließlich aus dem Verkauf von Arzneimitteln stamme, während ein Drittel der Umsätze von Takeda und Byk Gulden aus dem Verkauf nichtpharmazeutischer Produkte herrühre. Der übrige Umsatz stamme bei Byk Gulden nämlich hauptsächlich aus dem Verkauf von chemischen Produkten und bei Takeda aus dem Verkauf von chemischen Produkten, Vitaminen und Erzeugnissen der Land- und Nahrungsmittelwirtschaft (78. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
285 Diesen Feststellungen lässt sich somit klar entnehmen, dass die überlegenen finanziellen Ressourcen von AZ fast ausschließlich aus ihren pharmazeutischen Tätigkeiten stammen, auf die sie auch praktisch ihre gesamten Mittel konzentriert, während ihre Wettbewerber Takeda und Byk Gulden über geringere Ressourcen verfügen, die sie nicht ausschließlich ihren Tätigkeiten im pharmazeutischen Sektor widmen. Im Übrigen stellen auch die von AZ für Forschung und Entwicklung sowie für ihr Vertriebssystem eingesetzten höheren finanziellen und personellen Mittel einen Faktor dar, der für die Beurteilung der Stellung dieses Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern auf dem Markt relevant war.
286 Die genannten Feststellungen alleine lassen zwar nicht den Schluss zu, dass AZ während des betreffenden Zeitraums eine beherrschende Stellung innehatte, doch stellen sie eine Reihe schlüssiger Indizien dar, die die Annahme erlauben, dass AZ über größere Mittel als ihre Wettbewerber verfügte, die geeignet waren, ihre Marktstellung gegenüber den Wettbewerbern zu festigen. Das Vorbringen der EFPIA, die Kommission habe es unterlassen, Rückschlüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten von AZ bezüglich der PPI zu ziehen, ist somit zurückzuweisen, da diese Rückschlüsse sich im vorliegenden Fall aus den oben genannten Feststellungen ergeben.
f) Zur beherrschenden Stellung von AZ in Deutschland
287 Bezüglich der Schlussfolgerung der Kommission, dass AZ in Deutschland zwischen 1993 und Ende 1997 eine beherrschende Stellung innegehabt habe, bestreiten die Klägerinnen, dass eine solche beherrschende Stellung zwischen 1995 und 1997 existiert habe.
288 Es ist festzustellen, dass die Marktanteile von AZ in Deutschland während des berücksichtigten Zeitraums gesunken sind, nämlich von 96,09 % im Jahr 1993 auf 82,57 % im Jahr 1994, auf 64,94 % im Jahr 1995, auf 58,27 % im Jahr 1996 und auf 53,99 % im Jahr 1997 (Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung). Zwar zeigen diese Daten eine kontinuierlich fallende Tendenz der Marktanteile von AZ, doch sind diese auch 1997 noch durchaus beachtlich (53,99 %). Marktanteile von mehr als 50 % lassen aber die Vermutung zu, dass eine beherrschende Stellung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil AKZO/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 60).
289 Wie die Kommission ausführt, liegen die Marktanteile von AZ in den Jahren 1995 bis 1997 weit über den Anteilen ihrer nächstkleineren Wettbewerber. Die drei bedeutendsten Wettbewerber von AZ auf dem deutschen Markt, nämlich Takeda, Byk Gulden und Schwartz Pharma, hielten Marktanteile von 12,38 %, 10,88 % und 9,77 % im Jahr 1995, von 12,57 %, 11,50 % und 10,01 % im Jahr 1996 und von 14,10 %, 12,91 % und 10,64 % im Jahr 1997 (Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung).
290 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Marktanteile von AZ erst 1999 unter 50 % sanken, also zwei Jahre nach dem letzten Jahr, das für die Beurteilung der beherrschenden Stellung herangezogen wurde. Ihre Marktanteile fielen in diesem Jahr auf 35,31 %, vor allem wegen des Markteintritts des generischen Omeprazol.
291 Hinzu kommt, dass, wie die Kommission hervorhebt, die Absatzerlöse von AZ kontinuierlich stiegen, wenn auch weniger stark, als die Kommission geltend macht, nämlich von mehr als 116 Mio. USD im Jahr 1994 (als sie über 82,57 % der Marktanteile verfügte) auf mehr als 141 Mio. USD im Jahr 1997 (als sie nur noch über 53,99 % der Marktanteile verfügte). Die Erlöse von Takeda lagen dagegen zwischen 17 Mio. USD im Jahr 1994 und 37 Mio. USD im Jahr 1997, während die Erlöse von Byk Gulden und Schwartz Pharma von mehr als 4 Mio. USD bzw. mehr als 3 Mio. USD im Jahr 1994 auf mehr als 33 Mio. USD bzw. fast 28 Mio. USD im Jahr 1997 stiegen (Tabelle 26 im Anhang der angefochtenen Entscheidung). Die Erlöse von AZ lagen also weiterhin deutlich über denen ihrer Wettbewerber.
292 Obwohl somit die Wettbewerbsstellung von AZ in Deutschland etwas weniger stark war als in den anderen untersuchten Ländern, ist das Gericht nach alledem der Auffassung, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass AZ zwischen 1995 und 1997 in Deutschland noch eine beherrschende Stellung innegehabt habe.
293 Der Umstand, dass die von AZ geforderten Preise nicht wesentlich höher als die ihrer Wettbewerber und die Werbetätigkeiten in Bezug auf Pantoprazol und Lansoprazol genauso umfangreich oder umfangreicher als die Werbetätigkeiten im Zusammenhang mit Losec waren, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung, da die Anhaltspunkte, auf die sich die Kommission stützte, im vorliegenden Fall ausreichten, um ihr ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler die Feststellung zu erlauben, dass AZ zwischen 1995 und 1997 in Deutschland noch eine beherrschende Stellung innegehabt habe.
294 Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen und angesichts des Vorbringens der Beteiligten ist das Gericht daher der Auffassung, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie zu dem Ergebnis kam, dass AZ eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG und Art. 54 des EWR-Abkommens auf dem PPI‑Markt in Deutschland von 1993 bis Ende 1997, in Belgien von 1993 bis Ende 2000, in Dänemark von 1993 bis Ende 1999, in Norwegen von 1994 bis Ende 2000, in den Niederlanden von 1993 bis Ende 2000, im Vereinigten Königreich von 1993 bis Ende 1999 und in Schweden von 1993 bis Ende 2000 innegehabt habe.
C – Zum ersten, die ergänzenden Schutzzertifikate betreffenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
1. Rechtlicher Rahmen und beanstandetes Verhalten
295 Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1) regelt die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats, das die Laufzeit des durch das Patent garantierten ausschließlichen Rechts verlängern und damit eine zusätzliche Schutzzeit gewähren soll. Das ergänzende Schutzzertifikat soll die Verringerung der Laufzeit des tatsächlichen Patentschutzes ausgleichen, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels entspricht.
296 Die Verordnung Nr. 1768/92 bestimmt in ihrer zur maßgebenden Zeit geltenden Fassung in Art. 13:
„(1) Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.“
297 Art. 3 der Verordnung Nr. 1768/92, der die Bedingungen für die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats festlegt, lautet:
„Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung … eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung
a) das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;
b) für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 65/65/EWG bzw. der Richtlinie 81/851/EWG erteilt wurde;
c) für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;
d) die unter Buchstabe b) erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.“
298 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92, der die erforderlichen Angaben einer Zertifikatsanmeldung regelt, bestimmt:
„(1) Die Zertifikatsanmeldung muss enthalten:
a) einen Antrag auf Erteilung eines Zertifikats, wobei insbesondere anzugeben sind:
…
iv) Nummer und Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses gemäß Artikel 3 Buchstabe b) sowie, falls diese nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft ist, auch Nummer und Zeitpunkt der letztgenannten Genehmigung;
b) eine Kopie der Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Buchstabe b), aus der die Identität des Erzeugnisses ersichtlich ist und die insbesondere Nummer und Zeitpunkt der Genehmigung sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses gemäß Artikel 4a der Richtlinie 65/65/EWG bzw. Artikel 5a der Richtlinie 81/851/EWG enthält;
c) falls die Genehmigung nach Buchstabe b) nicht die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Gemeinschaft ist, die Angabe der Identität des so genehmigten Erzeugnisses und der Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage dieses Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, sowie eine Kopie der betreffenden Stelle des amtlichen Mitteilungsblatts, in dem die Genehmigung veröffentlicht wurde.“
299 Der die Übergangsregelung betreffende Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 lautet:
„Für jedes Erzeugnis, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist und für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1985 erteilt wurde, kann ein Zertifikat erteilt werden.
Bezüglich der in Dänemark und in Deutschland zu erteilenden Zertifikate tritt an die Stelle des 1. Januars 1985 der 1. Januar 1988.
Bezüglich der in Belgien und in Italien zu erteilenden Zertifikate tritt an die Stelle des 1. Januars 1985 der 1. Januar 1982.“
300 Durch Anhang 15 des Beschlusses Nr. 7/94 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 21. März 1994 zur Änderung des Protokolls 47 und bestimmter Anhänge des EWR-Abkommens (ABl. L 160, S. 1) wurde die Verordnung Nr. 1768/92 in Anhang XVII (Geistiges Eigentum) des EWR-Abkommens aufgenommen. Für die Zwecke des Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1768/92 wird eine gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des Staates der Europäischen Freihandelsgemeinschaft (EFTA) erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 65/65 gleichgestellt. Darüber hinaus gehören Finnland und Norwegen zu den Ländern, für die kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann, wenn die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR vor dem 1. Januar 1988 erteilt wurde. Im Fall von Österreich darf die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR nicht vor dem 1. Januar 1982 liegen. In Bezug auf Schweden darf ein ergänzendes Schutzzertifikat nicht erteilt werden, wenn die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR vor dem 1. Januar 1985 liegt.
301 Nach Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 wurde die Frist für die Einreichung der Zertifikatsanmeldungen im Rahmen der Übergangsregelung auf den 2. Juli 1993 festgesetzt. Aus Art. 3 des Beschlusses Nr. 7/94 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses ergibt sich, dass die Frist für die Einreichung der Zertifikatsanmeldungen in Österreich, Finnland, Norwegen und Schweden auf den 1. Januar 1995 festgesetzt wurde.
302 Der Gerichtshof, der mit einem Vorabentscheidungsersuchen infolge eines Rechtsstreits zwischen AZ und Ratiopharm in Deutschland angerufen worden war, hatte in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003, Hässle (C‑127/00, Slg. 2003, I‑14781), zum einen über die Vereinbarkeit der Übergangsregelung in Art. 19 der Verordnung Nr. 1768/92 mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu entscheiden und zum anderen den in Art. 19 Abs. 1 enthaltenen Begriff „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen“ auszulegen.
303 In Bezug auf die Vereinbarkeit der Übergangsregelung in Art. 19 der Verordnung Nr. 1768/92 mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass die Festsetzung unterschiedlicher Stichtage je nach Mitgliedstaat durch rechtmäßige Ziele in Verbindung mit den nationalen Gesundheitspolitiken, insbesondere mit der finanziellen Stabilität der Gesundheitssysteme, gerechtfertigt war. Die Unterschiede zwischen den Stichtagen ergaben sich nach Ansicht des Gerichtshofs aus der Einschätzung jedes einzelnen Mitgliedstaats entsprechend seinem Gesundheitssystem, dessen Organisation und Finanzierung sich von einem Mitgliedstaat zum anderen ändern. Er vertrat daher die Auffassung, dass die Übergangsregelung der Verordnung Nr. 1768/92 nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt (Urteil Hässle, oben in Randnr. 302 angeführt, Randnrn. 38 bis 42).
304 In Bezug auf den in Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 enthaltenen Begriff „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen“ stellte der Gerichtshof fest, dass dieser Begriff ausschließlich auf die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne der Richtlinie 65/65 Bezug nimmt, die in einem beliebigen Mitgliedstaat erteilt wurde, und nicht die Genehmigungen erfasst, die nach den Regelungen betreffend die Preisfestsetzung und die Erstattung für Arzneimittel erforderlich sind (Urteil Hässle, oben in Randnr. 302 angeführt, Randnr. 79). Soweit im Folgenden speziell auf den Begriff „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen“ in der Auslegung des Gerichtshofs im Urteil Hässle Bezug genommen wird, wird der Ausdruck „technische Genehmigung“ verwendet.
305 Der erste von der Kommission festgestellte Missbrauch einer beherrschenden Stellung besteht in einem Gefüge absichtlich irreführender Darstellungen, die im Rahmen einer die ergänzenden Schutzzertifikate betreffenden umfassenden Strategie, durch die die Generikahersteller vom relevanten Markt ferngehalten werden sollten, gegenüber den Patentanwälten, den einzelstaatlichen Patentämtern sowie den einzelstaatlichen Gerichten mit dem Ziel abgegeben wurden, ergänzende Schutzzertifikate für Omeprazol zu erhalten oder aufrechtzuerhalten, auf die AZ keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hatte (vgl. Erwägungsgründe 144 und 626 der angefochtenen Entscheidung).
306 Die Kommission unterschied zwei Phasen im Verlauf dieses ersten Missbrauchs. Die erste Phase betrifft irreführende Darstellungen von AZ am 7. Juni 1993 anlässlich der Unterweisung der Patentanwälte, durch die die Zertifikatsanmeldungen in sieben Mitgliedstaaten eingereicht wurden, u. a. in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich (vgl. den 628. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
307 Die zweite Phase umfasst erstens irreführende Darstellungen von AZ in den Jahren 1993 und 1994 gegenüber den Patentämtern in Beantwortung ihrer Fragen zu den Zertifikatsanmeldungen, zweitens irreführende Darstellungen im Dezember 1994 anlässlich der zweiten Gruppe von Zertifikatsanmeldungen in drei Mitgliedstaaten des EWR, nämlich Österreich, Finnland und Norwegen, und drittens spätere irreführende Darstellungen gegenüber anderen Patentämtern und innerstaatlichen Gerichten im Rahmen von Gerichtsverfahren, die konkurrierende Generikahersteller zwecks Nichtigerklärung der ergänzenden Schutzzertifikate in diesen Staaten eingeleitet hatten (vgl. den 629. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
2. Erster Klagegrund: Rechtsfehler
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zu den anwendbaren Rechtsgrundsätzen
308 Die Klägerinnen tragen vor, es gebe keinen „Präzedenzfall“, in dem entschieden worden wäre, dass Art. 82 EG für Anmeldungen gelte, die auf den Erwerb oder die Verlängerung eines Rechts des geistigen Eigentums gerichtet seien. Sie schlagen vor, diese Frage im Licht von drei Grundsätzen zu erörtern.
309 Erstens könnten weder die bloße Absicht der betrügerischen Erlangung eines Patents oder eines ergänzenden Schutzzertifikats noch die Patent- oder Zertifikatsanmeldung, selbst wenn sie betrügerisch sei, oder die Erteilung eines Patents oder ergänzenden Schutzzertifikats, das nicht geeignet sei, unmittelbar angewandt zu werden, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen. Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung sei ein objektiver Begriff, der nicht voraussetze, dass eine Schädigung des Wettbewerbs beabsichtigt sei, sondern dass diese Wirkung in der Wirklichkeit objektiv festgestellt werde (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 91, und Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2000, Aéroports de Paris/Kommission, T‑128/98, Slg. 2000, II‑3929, Randnrn. 172 und 173). Die wettbewerbsbeschränkende Absicht sei daher als Nachweis für die erforderlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht ausreichend; erforderlich sei vielmehr, dass ein diese Auswirkungen bezweckendes Verhalten an den Tag gelegt worden sei. Ein Verhalten, das nicht tatsächlich umgesetzt worden sei oder das keine den Wettbewerb beschränkende Wirkung haben könne, stelle somit keinen Missbrauch dar. Insbesondere reichten der Nachweis einer „subjektiven Absicht“ des Missbrauchs und einer Vorbereitungshandlung für einen Missbrauch, die für sich genommen den Wettbewerb nicht beschränken könne, nicht aus, um das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne von Art. 82 EG darzutun.
310 Zweitens stelle der bloße Erwerb eines ausschließlichen Rechts mangels zusätzlicher Faktoren keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar (Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990, Tetra Pak/Kommission, T‑51/89, Slg. 1990, II‑309, Randnrn. 23 und 24). Das Urteil Tetra Pak/Kommission betreffe einen besonderen Fall, der sich auf den Erwerb eines Rechts des geistigen Eigentums beziehe, das einer Tätigkeit nahe komme. Der Erwerb einer ausschließlichen Patentlizenz stelle den Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, wenn er eine Verstärkung der beherrschenden Stellung des Unternehmens bewirke, wenn es sehr wenig Wettbewerb gebe und wenn der Erwerb des Rechts den Ausschluss jeglichen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt bewirke.
311 Drittens könne ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung nur vorliegen, wenn das betrügerisch erlangte Patent angewandt werde und diese Anwendung die im Urteil des Gerichts vom 17. Juli 1998, ITT Promedia/Kommission (T‑111/96, Slg. 1998, II‑2937), angeführten Voraussetzungen erfülle. In diesem Urteil habe das Gericht die Auffassung vertreten, dass die Erhebung einer Klage nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Art. 82 EG anzusehen sei, nämlich dann, wenn zum einen die Klage vernünftigerweise nicht als Geltendmachung der Rechte des betreffenden Unternehmens verstanden werden könne und nur dazu diene, den Gegner zu „belästigen“, und wenn zum anderen die Klage Teil eines Planes sei, mit dessen Hilfe der Wettbewerb ausgeschaltet werden solle. Diese beiden Kriterien müssten eng ausgelegt und angewandt werden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des freien Zugangs zu den Gerichten nicht zu vereiteln.
312 Die Anwendung eines Patents könne somit nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn das Unternehmen ein Patent vorsätzlich und in Kenntnis von dessen Nichtigkeit erworben oder angewandt habe. Zwar sei es möglich, dass unter bestimmten Umständen die bloße Aufrechterhaltung oder Verteidigung eines Patents ohne dessen aktive Anwendung einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könne, doch könne ein derartiger Missbrauch nur dann vorliegen, wenn der Patentschutz begonnen habe. Ließe man für die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung weniger enge Voraussetzungen als den Betrug und die Kenntnis der Nichtigkeit des Patents genügen, würde dies zu einem „Einfrieren“ der Patentanmeldungen in der Europäischen Gemeinschaft führen, da die Unternehmen befürchten müssten, dass versehentlich begangene Fehler oder Versäumnisse bei der Patentanwendung die Festsetzung einer Geldbuße durch die Kommission nach sich ziehen könnten.
313 Der Patentschutz sei aber ein wesentlicher Faktor des Innovationsanreizes unter wirtschaftlich rentablen Bedingungen, und es sei daher anzuerkennen, dass es ein zwingendes Erfordernis der öffentlichen Ordnung sei, die Unternehmen nicht unangemessen an der Eintragung von Patenten im Arzneimittelsektor im Rahmen der Bestimmungen über die ergänzenden Schutzzertifikate zu hindern.
314 In der Erwiderung tragen die Klägerinnen zwar vor, entweder müsse das Patent angewandt oder seine Anwendung nach Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats angedroht worden sein, führen jedoch hilfsweise aus, das ergänzende Schutzzertifikat müsse zumindest erteilt worden sein, und seine Existenz müsse geeignet gewesen sein, das Verhalten der Wettbewerber zu beeinflussen. Außerdem müsse die bewusste und absichtliche Täuschung der Patentämter nachgewiesen werden, und zwar mittels eindeutiger und überzeugender Beweise, während Fahrlässigkeit oder Unstimmigkeiten auf Seiten des Antragstellers nicht ausreichten.
315 Die nationalen Regelungen für die Anmeldungen und Berichtigungen von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten sähen Verfahren vor, aufgrund deren die Gerichte oder die Patentämter die Registrierung berichtigen und sogar löschen könnten, wenn – sei es versehentlich oder vorsätzlich – Fehler begangen worden seien. Die Patentämter und die konkurrierenden Unternehmen könnten gegen die Patente oder die ergänzenden Schutzzertifikate vorgehen und in bestimmten Fällen Schadensersatzklage erheben. Eine Anwendung der Wettbewerbsregeln, um nach dem Erwerb von Patenten oder ergänzenden Schutzzertifikaten Schadensersatz zu ermöglichen oder Sanktionen zu verhängen, weil diese potenziell wettbewerbswidrig seien, sei daher nicht angebracht, wenn sich die Anmeldungen tatsächlich nicht auf den Wettbewerb ausgewirkt hätten. Die Wettbewerbsregeln dienten nämlich nicht der Überwachung der Patentanmeldungen, und die Vorschriften über die Patent- und Zertifikatsanmeldungen reichten normalerweise aus, um jede wettbewerbsbeschränkende Wirkung auszuschließen. Zum Eingreifen der Kommission bedürfe es daher des Nachweises der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen.
316 Zur Stützung ihrer Auffassung verweisen die Klägerinnen auf das amerikanische Recht. Erstens sei in dessen Rahmen eine wettbewerbsrechtliche Klage gerechtfertigt, wenn das Patent durch bewusst und absichtlich unzutreffende Angaben gegenüber dem Patentamt erwirkt worden sei. Insoweit genüge weder grobe Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit noch unbilliges Verhalten, vielmehr sei die Feststellung eines Betrugs erforderlich. Absichtlich unzutreffende Erklärungen, die einem vorsätzlichen Betrug gleichkämen, seien daher eine grundlegende Voraussetzung für die Haftbarkeit, so dass der eindeutige und überzeugende Nachweis einer spezifischen Absicht erforderlich sei. Auf eine unterbliebene Offenlegung könne ein Betrugsvorwurf nur in Ausnahmefällen gestützt werden, wenn die Betrugsabsicht und das Vertrauen des Patentamts, das durch diese Unterlassung zur Erteilung des Patents veranlasst worden sei, eindeutig erwiesen seien.
317 Zweitens sei nach amerikanischem Recht die effektive Anwendung des Patents unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung der Wettbewerbsregeln, während der bloße Erwerb des Patents nicht ausreiche, weil die unmittelbare Ursache für die wettbewerbswidrige Wirkung das Verhalten des Patentinhabers sein müsse, nicht aber das Handeln der öffentlichen Stelle. Ebenso wie im Gemeinschaftsrecht könne ferner eine Klage nur dann als „mutwillig“ angesehen werden, wenn sie objektiv jeder Rechtsgrundlage in dem Sinne entbehre, dass angesichts des eigenen Vorbringens kein Kläger vernünftigerweise erwarten könne, den Rechtsstreit zu gewinnen.
318 Schließlich könne die Vornahme einer Handlung, die den Wettbewerb nur dann beschränken könne, wenn zugleich durch sie bedingte weitere Handlungen vorgenommen würden, kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sein. Die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung verlange, dass eine reale Wahrscheinlichkeit für eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Handlung und ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen ihr und der Schädigung des Wettbewerbs bestünden. Rein interne Handlungen des betreffenden Unternehmens wie der konzerninterne Schriftverkehr und externe Handlungen, die lediglich Vorbereitungshandlungen für den potenziellen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellten, ohne dass sie sich auf den Wettbewerb auswirken könnten, könnten daher nicht als missbräuchlich betrachtet werden. Die Kommission mache zu Unrecht geltend, dass die Rechtswidrigkeit des Verhaltens nicht von den Unwägbarkeiten des Verhaltens Dritter abhängig sein dürfe. Beispielsweise führe der Vorschlag einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung nur dann zu einem Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln, wenn die Parteien sich dahin gehend verständigten.
Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission begangen haben soll
319 Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe fehlerhaft gehandelt, als sie festgestellt habe, dass der Geschäftsverkehr zwischen AZ und ihren Patentanwälten ab dem 7. Juni 1993, dem Tag, an dem AZ den Patentanwälten Weisungen übermittelt habe, ein betrügerisches Verhalten habe deutlich werden lassen (774. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission verlege nämlich den Beginn des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf einen Zeitpunkt vor der Anmeldung des Schutzzertifikats. Da weder AZ noch ihre Patentanwälte zu dieser Zeit bereits Kontakt mit den Patentämtern aufgenommen hätten und da AZ auch weder ein Recht erworben noch geltend gemacht habe, könne ihr Verhalten keinerlei Wirkungen auf den Wettbewerb gehabt haben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Verhalten 1993 begonnen habe, da das Grundpatent erst fünf Jahre später, im April 1999, abgelaufen sei. Die Auswirkung dieses Verhaltens auf den Wettbewerb sei daher nur sehr mittelbar gewesen, zumal AZ ihre Rechte aus dem ergänzenden Schutzzertifikat, z. B. über einen Lizenzantrag, noch gar nicht geltend gemacht habe. Die Kommission könne die Berücksichtigung dieses Datums nicht damit rechtfertigen, dass es sich um die erste in einer Kette von Handlungen gehandelt habe, die auf den Ausschluss der Wettbewerber gerichtet gewesen seien, da nach dieser Argumentation das Unternehmen in einer übermäßig großen Zahl von Sachverhalten haften würde, ohne dass eine unmittelbare Wirkung auf den Wettbewerb bestünde.
320 Bezüglich der Länder, in denen keine ergänzenden Schutzzertifikate erteilt worden seien, nämlich in Dänemark und im Vereinigten Königreich, habe die Kommission einen Rechtsfehler begangen, als sie angenommen habe, dass AZ dort eine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt habe. Da die Patentämter dieser Länder die Anmeldungen von AZ abgelehnt hätten und somit kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt worden sei, könne das Verhalten von AZ keine Auswirkung auf den Wettbewerb in diesen Märkten gehabt haben. Das Vorbringen der Kommission in den Erwägungsgründen 763 bis 765 der angefochtenen Entscheidung gehe daher fehl; das Verhalten müsse geeignet sein, eine Wirkung auf den Wettbewerb zu haben. Die bloße Anmeldung ergänzender Schutzzertifikate könne aber als solche keine realen Wirkungen auf den Wettbewerb haben. Es habe allenfalls Vorbereitungshandlungen für einen Missbrauch oder den Versuch eines Missbrauchs gegeben. Die Kommission habe außerdem eingeräumt, dass die Missbräuche in Bezug auf das Vereinigte Königreich im Juni 1994 und in Bezug auf Dänemark im November 1994 aufgehört hätten, also lange vor Ablauf des Patentschutzes des Wirkstoffs im April 1999, und somit lange bevor die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats Wirkungen auf den Wettbewerb hätte haben können. Zudem habe in diesen Ländern keine abschreckende Wirkung beim Eintritt der Wettbewerber in den relevanten Markt entstehen können.
321 In diesem Zusammenhang wenden sich die Klägerinnen gegen die Feststellung der Kommission im 762. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate die Vorbereitungen der Generikahersteller, die häufig mehrere Jahre erforderten, verzögern würden, und machen geltend, dass der für die Vorbereitungen erforderliche Zeitraum nicht nachgewiesen sei. Vor dem Beginn der Laufzeitverlängerung des Patents oder bis zu einem Zeitpunkt, der hinreichend nah an dem Datum liege, an dem diese Verlängerung in Kraft treten müsse, damit ihre zukünftige Existenz das Verhalten der Wettbewerber beeinflussen könne, entstehe keine abschreckende Wirkung. Die Kommission könne daher nicht behaupten, dass fünf bis sechs Jahre vor dem Ablauf des Grundpatents eine abschreckende Wirkung auf den Eintritt der Wettbewerber in den relevanten Markt habe entstehen können. Aufgrund der von den Beschwerdeführerinnen beigebrachten Beweise sei ferner in der mündlichen Verhandlung anerkannt worden, dass sich die ergänzenden Schutzzertifikate vor Ablauf des Wirkstoffpatents nicht auf die Generika ausgewirkt hätten.
322 Zum 758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, in dem die Kommission feststellte, dass es für die Verneinung der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung nicht genüge, dass das erhoffte Ergebnis einer tatsächlich umgesetzten Praxis mit dem Ziel einer Verdrängung der Wettbewerber vom Markt nicht erreicht worden sei, machen die Klägerinnen geltend, dass die vorgenommenen Handlungen selbst geeignet sein müssten, eine solche Wirkung zu entfalten. Da die Wirkstoffpatente noch fünf Jahre lang gültig gewesen seien, sei es ausgeschlossen, dass die bloße Anmeldung eines ergänzenden Schutzzertifikats eine derart weitreichende Wirkung haben könne. Selbst wenn es AZ gelungen wäre, in Dänemark und im Vereinigten Königreich ergänzende Schutzzertifikate zu erhalten, wäre es für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts im Übrigen erforderlich gewesen, dass AZ versucht hätte, ihre Rechte geltend zu machen. Folglich seien die Versuche von AZ, in Dänemark und im Vereinigten Königreich ergänzende Schutzzertifikate zu erlangen, nicht missbräuchlich, und selbst wenn anders entschieden würde, sei die Dauer der angeblichen Zuwiderhandlungen viel zu lang bemessen, da sie bei den Vorbereitungshandlungen ansetze, die als solche nicht missbräuchlich gewesen seien.
323 Bezüglich der Länder, in denen die ergänzenden Schutzzertifikate erteilt wurden, machen die Klägerinnen geltend, entgegen den Behauptungen der Kommission ergebe sich aus dem Urteil Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 310 angeführt, dass der bloße Erwerb von Rechten des geistigen Eigentums als solcher keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle. In Randnr. 139 des Urteils ITT Promedia/Kommission, oben in Randnr. 311 angeführt, wo auf das genannte Urteil verwiesen werde, werde dem Urteil nichts hinzugefügt.
324 Außerdem seien diese Urteile vom vorliegenden Fall zu unterscheiden, da dort der Fall geprüft worden sei, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen Rechte des geistigen Eigentums erwerbe, die einer anderen Person gehört hätten. Es gebe aber weder einen Präzedenzfall, aufgrund dessen gesagt werden könne, dass der Erwerb eines Patents oder eines ergänzenden Schutzzertifikats für die eigenen Erfindungen eines Unternehmens missbräuchlich sei, noch eine Grundlage für diese Auffassung. Es sei ein zusätzliches Merkmal erforderlich, nämlich entweder die Beseitigung des gesamten Wettbewerbs (Urteil Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 310 angeführt) oder die Anwendung des ergänzenden Schutzzertifikats (amerikanische Rechtsprechung). Es liege jedoch auf der Hand, dass die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate nicht den gesamten Wettbewerb beseitigt habe, da, wie die Kommission selbst eingeräumt habe, der Wettbewerb nach Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate zugenommen und AZ Marktanteile verloren habe.
325 Vor dem Ablauf der Wirkstoffpatente im April 1999 in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich habe die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate keine zusätzliche wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten können, da der Markteintritt der Generika wegen der Existenz der Grundpatente auf jeden Fall ausgeschlossen gewesen sei.
326 In Bezug auf Deutschland habe die Kommission eingeräumt, dass AZ nach Ablauf des Jahres 1997 keine beherrschende Stellung innegehabt habe, also lange bevor die ergänzenden Schutzzertifikate wirksam geworden seien. Im 766. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission überdies anerkannt, dass das in Deutschland erteilte ergänzende Schutzzertifikat vor Ablauf des Grundpatents für nichtig erklärt worden sei, weshalb es ausgeschlossen sei, dass das Verhalten von AZ eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung hätte haben können. Es sei auch keineswegs bewiesen, dass die kurze Dauer des ergänzenden Schutzzertifikats in Deutschland, das im Juni 1997 widerrufen worden sei, also zwei Jahre vor seinem für April 1999 vorgesehenen Inkrafttreten, die Wettbewerber davon hätte abhalten können, ihren Markteintritt für dieses Datum vorzubereiten.
327 In Bezug auf die Länder, für die der 1. Januar 1985 und der 1. Januar 1982 in Art. 19 der Verordnung Nr. 1768/92 als Zeitpunkte festgelegt worden seien, nach denen eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft hätte erteilt worden sein müssen, damit das betreffende Produkt in den Genuss eines ergänzenden Schutzzertifikats kommen könne, habe die einzige Wirkung des angeblichen Missbrauchs darin bestanden, dass die Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate um sieben Monate verlängert worden sei. In Belgien und in den Niederlanden habe der durch die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats gewährte zusätzliche Zeitraum im April 2002 begonnen und im September bzw. Oktober 2002 geendet. Nur während dieses Zeitraums habe somit das fragliche Verhalten eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten können. Aus der von der Kommission herangezogenen Definition des relevanten Produktmarkts gehe jedoch hervor, dass die beherrschende Stellung von AZ in diesen Ländern ab Ende des Jahres 2000 nicht mehr bestanden habe. AZ habe folglich zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Verhalten Wirkungen hätte entfalten können, keine beherrschende Stellung innegehabt. Auch für 2002 könne keine abschreckende Wirkung auf Wettbewerber festgestellt werden, die in den Markt eingetreten seien.
328 Norwegen sei das einzige Land, in dem AZ eine beherrschende Stellung zu einem Zeitpunkt innegehabt habe, in dem ihr Verhalten Wirkungen auf den Wettbewerb habe entfalten können. Das ergänzende Schutzzertifikat sei in diesem Land jedoch im Juni 1999 vom erstinstanzlichen Gericht in Oslo für nichtig erklärt worden, d. h. zwei Monate nach Ablauf des Grundpatents im April 1999. Aufgrund des ergänzenden Schutzzertifikats habe kein Wettbewerb ausgeschlossen werden können, da AZ ein Patent auf die Formulierung gehabt habe, das erst lange nach dem Ende des angeblichen ersten Missbrauchs der beherrschenden Stellung abgelaufen sei.
b) Vorbringen der Kommission
Zu den anwendbaren Rechtsgrundsätzen
329 Die Kommission führt aus, der Rückgriff auf öffentliche Verfahren und Regelungen könne unter bestimmten Umständen einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, C‑395/96 P und C‑396/96 P, Slg. 2000, I‑1365, Randnrn. 82 bis 88), soweit diese öffentlichen Regelungen geeignet seien, stabile Schranken für den Markteinritt zu errichten, die die Marktmacht lange Zeit erhalten könnten. Irreführende Darstellungen, die den Entscheidungsprozess der innerstaatlichen Behörden in einer Weise verfälschten, dass Marktmacht geschaffen oder geschützt werde, könnten beträchtlichen öffentlichen Schaden hervorrufen.
330 In diesem Rahmen stelle der begrenzte Ermessensspielraum der betreffenden innerstaatlichen Behörden bei der Entscheidung über einen Antrag einen relevanten Umstand dar, der zu berücksichtigen sei (Urteil vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge u. a./Kommission, oben in Randnr. 329 angeführt, Randnr. 82). Sei nämlich das Ermessen der Verwaltungsbehörde beschränkt, sei die wettbewerbsbeschränkende Wirkung, die sich aus einer auf unzureichenden Informationen beruhenden Entscheidung ergebe, nicht dem staatlichen Handeln, sondern den irreführenden Darstellungen zuzuschreiben.
331 Der Umstand, dass die Auswirkungen auf den Markt von einer zusätzlichen Maßnahme der Behörden abhängen könnten, schließe das Vorliegen eines Missbrauchs nicht aus, da dieser vorliege, selbst wenn die öffentliche Stelle dem Antrag nicht stattgebe. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens dürfe nämlich nicht von den Unwägbarkeiten des Verhaltens Dritter abhängen. Es sei daher unerheblich, ob die öffentliche Stelle das ergänzende Schutzzertifikat tatsächlich aufgrund irreführender Darstellungen von AZ erteilt habe. Wenn der Missbrauch nur in den Mitgliedstaaten festgestellt werden könnte, in denen ein bestimmtes Verhalten Erfolg gehabt habe, könnte dasselbe Verhalten in bestimmten Mitgliedstaaten eine Zuwiderhandlung darstellen und in anderen nicht, je nach der Reaktion der öffentlichen Stellen. Der Anwendungsbereich des Art. 82 EG erfasse aber Verhaltensweisen, die wettbewerbsbeschränkende Wirkungen erzeugen sollten oder könnten, und zwar unabhängig von ihrem Erfolg.
332 Im Hinblick darauf sei der Zeitpunkt, zu dem das auf eine Beschränkung des Wettbewerbs abzielende Verhalten verwirklicht werde, als Beginn des Missbrauchs zugrunde zu legen, selbst wenn eine gewisse Zeit vergehe, bevor dieses Verhalten die angestrebten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen entfalte, und der Eintritt dieser Wirkungen von externen Faktoren abhänge. Jede andere Lösung hätte zur Folge, dass es während der Zeit, in der der Missbrauch stattgefunden habe, an einem Verhalten des Unternehmens fehle, aber die Auswirkungen einträten. Da es häufig vorkomme, dass die Beendigung des missbräuchlichen Verhaltens mit dem Ausschluss des Wettbewerbers zusammentreffe, wäre es auch nutzlos, wenn ein Ausschlussverhalten erst verfolgt werden könnte, wenn das angestrebte Ziel erreicht worden sei. Daher sei das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach es vor dem Wirksamwerden des ergänzenden Schutzzertifikats keinen Missbrauch geben könne. Der Umstand, dass die erhoffte Wirkung später eintreten solle, ändere nichts daran, dass das auf diese Wirkung abzielende Verhalten verwirklicht worden sei.
333 Die Unterscheidung der Klägerinnen zwischen internen und externen Handlungen sei unerheblich, da je nach den Umständen eine Handlung, die bei isolierter Betrachtungsweise auf den ersten Blick als intern erscheinen könne, dann, wenn sie in ihrem Zusammenhang untersucht werde, der Beweis für eine Zuwiderhandlung gegen den Vertrag sein könne.
334 Dem Vorbringen der Klägerinnen hält die Kommission zunächst entgegen, zwar sei der Missbrauch ein objektiver Begriff (Urteil Hoffmann-La Roche, oben in Randnr. 239 angeführt), so dass keine Absicht dargetan werden müsse, doch sei die Absicht deswegen nicht unerheblich. Sie macht sodann geltend, ihre Auffassung beruhe nicht allein auf der Absicht, sondern auf einer Vorgehensweise, mit der diese Absicht umgesetzt werde und die den Ausschluss der Wettbewerber bezwecke. Die Absicht sei ein Gesichtspunkt, der von Bedeutung dafür sei, ob ein Verhalten objektiv geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken. Wende nämlich ein Unternehmen eine Strategie an, die den Ausschluss der Wettbewerber bezwecke, oder sei es dem Unternehmen bewusst, dass die Strategie diese Wirkung haben könne, sei sein Verhalten geeignet, den Wettbewerb zu beschränken. Jedenfalls falle ein Verhalten, das die Beschränkung des Wettbewerbs zum Ziel oder zum Gegenstand habe, unabhängig davon, ob der verfolgte Zweck erreicht worden sei, in den Anwendungsbereich des Art. 82 EG (Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache General Motors, C‑551/03 P, Urteil des Gerichtshofs vom 6. April 2006, Slg. 2006, I‑3173, I‑3177, Nrn. 77 und 78, und Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnrn. 241, 242 und 245). Die Kommission bestreitet ferner, dass die angefochtene Entscheidung nur auf die Absicht der Klägerinnen gestützt sei; darin werde ein Verhalten festgestellt, das geeignet sei, die Wettbewerber auszuschließen.
335 Der Begriff „Betrug“ komme in der angefochtenen Entscheidung nicht vor; dort sei von „irreführenden Darstellungen“ die Rede. Um missbräuchlich zu sein, müsse eine Erklärung aber nicht notwendigerweise unzutreffende Informationen enthalten, denen eine „Täuschung“ zugrunde liege, da auch irreführende Darstellungen geeignet seien, öffentliche Stellen zu einem Verhalten zu veranlassen, das geeignet sei, den Wettbewerb auszuschließen. Eine Erklärung, die bei isolierter Betrachtungsweise zutreffend sein könne, bleibe irreführend, wenn sie nicht um wichtige, sie nuancierende Tatsachen ergänzt werde.
336 Das Argument der Klägerinnen, wonach ein Verhalten, das nicht tatsächlich verwirklicht worden sei oder keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten könne, keinen Missbrauch darstelle, sei unerheblich, da der Auffassung der Kommission eine Vorgehensweise zugrunde liege, die die Beschränkung bezweckt habe und geeignet gewesen sei, diese herbeizuführen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass der Erwerb eines ausschließlichen Rechts einen Missbrauch darstellen könne (Urteile Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 310 angeführt, Randnrn. 23 und 24, und ITT Promedia/Kommission, oben in Randnr. 311 angeführt, Randnr. 139). Der Erwerb einer Lizenz für ein Produktionsverfahren und der Erwerb eines ergänzenden Schutzzertifikats seien nicht unterschiedlich zu behandeln, da ihre Wirkung auf den Wettbewerb, nämlich der Ausschluss der Wettbewerber, gleich sei. Zu der Unterscheidung, die die Klägerinnen zwischen dem vorliegenden Fall und den Rechtssachen träfen, in denen die Urteile Tetra Pak/Kommission und ITT Promedia/Kommission ergangen seien, sei festzustellen, dass das letztgenannte Urteil nicht den Fall betreffe, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen Rechte des geistigen Eigentums erworben habe, die einer anderen Personen zustünden. Es sei auch nicht richtig, dass das ergänzende Schutzzertifikat schon vor seiner Erteilung der Antragstellerin zugestanden habe. Das zusätzliche Merkmal, auf das die Klägerinnen verwiesen, sei das Gefüge irreführender Darstellungen. Die Rechtsprechung verlange überdies für die Feststellung eines Missbrauchs nicht, dass der gesamte Wettbewerb ausgeschaltet werde. Es genüge, wie sich aus den Erwägungsgründen 758 bis 770 der angefochtenen Entscheidung ergebe, dass die Einführung der Generika auf bestimmten Märkten verhindert oder verzögert werde.
337 Die vorliegende Rechtssache stehe nur in einer mittelbaren Beziehung zu den gerichtlichen Verfahren, da es im vorliegenden Fall um irreführende Darstellungen gegenüber Patentanwälten und Patentämtern gehe. Wie in den Erwägungsgründen 736 bis 740 der angefochtenen Entscheidung dargelegt werde, seien die Verfahrenshandlungen von AZ vor den Gerichten die logische Folge einer spätestens seit 6. Mai 1993 angewandten und aus irreführenden Erklärungen bestehenden proaktiven Ausschlussstrategie. Soweit daher für die Wettbewerber im Zusammenhang mit den gerichtlichen Klagen Kosten und Verzögerungen entstanden seien, sei dies die Folge der aufgrund der irreführenden Darstellungen von AZ erteilten ergänzenden Schutzzertifikate, die die Wettbewerber zur Erhebung mehrerer Klagen gezwungen hätten.
338 Die angefochtene Entscheidung könne keine abschreckende Wirkung auf die Patentanmelder haben; dass die Unternehmen nicht davon abgehalten werden dürften, mit öffentlichen Stellen in Kontakt zu treten, bedeute, dass bloße Ungenauigkeiten, unzutreffende Erklärungen aufgrund von Fahrlässigkeit oder diskutable Meinungsäußerungen nicht als Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EG gewertet werden dürften. Im vorliegenden Fall bestehe das betreffende Verhalten jedoch nicht in bloßen Fehlern oder vereinzelten Nachlässigkeiten, sondern zeichne sich im Gegenteil durch eine Kontinuität und Kohärenz aus, die von einer „subjektiven Absicht“ und von voller Kenntnis des irreführenden Charakters der Erklärungen zeuge. Eine solche missbräuchliche Ausnutzung des Patentsystems schmälere den Innovationsanreiz, da sie es dem marktbeherrschenden Unternehmen ermögliche, über den vom Gesetzgeber vorgesehenen Zeitraum hinaus auf den Fortbestand seiner Einkünfte zu zählen, und den Zielen des Wettbewerbs zuwiderlaufe. Der vorliegende Fall betreffe keine Patentanmeldung, in deren Rahmen die öffentliche Stelle zahlreiche Gesichtspunkte beurteilen müsse, um die Wertigkeit der beanspruchten Erfindung zu ermitteln, sondern die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats aufgrund von Bestimmungen, die zur maßgeblichen Zeit nur formale Voraussetzungen und eine sehr summarische Überprüfung der Informationen vorgesehen hätten.
339 Die spezifischen Rechtsbehelfe im Patentsektor hätten sich als unzureichend erwiesen, um die missbräuchliche Ausnutzung des Patentsystems durch marktbeherrschende Unternehmen zu unterbinden. Im Jahr 1993 seien die Klägerinnen der Ansicht gewesen, das einzige Risiko in ihrem Verhalten sei eine Verkürzung der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats (Erwägungsgründe 200 und 745 der angefochtenen Entscheidung). Überdies schließe die Existenz spezifischer Rechtsbehelfe in der Verordnung Nr. 1768/92 die Anwendung der Wettbewerbsregeln und der für sie geltenden Rechtsbehelfe nicht aus. Der Begriff des missbräuchlichen Verhaltens dürfe nicht auf Verhaltensweisen beschränkt werden, die keine anderen Rechte verletzten oder für die kein anderer Rechtsbehelf vorgesehen sei, da die tatsächlichen oder vorhersehbaren wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen in den Geltungsbereich des Wettbewerbsrechts fielen. Der in der genannten Verordnung vorgesehene „Rechtsbehelf“ hätte außerdem nur eine beschränkte Reichweite gehabt, da er sich nicht auf die Frage der Anwendung der Ausschlussstrategie in Fällen erstreckt hätte, in denen diese nicht zur Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats geführt hätte, und das wettbewerbswidrige Ziel des Verhaltens nicht berücksichtigt hätte, wenn es einem marktbeherrschenden Unternehmen zuzuschreiben gewesen wäre. Auch hätten die Wettbewerber nicht problemlos gegen die von AZ erlangten ergänzenden Schutzzertifikate vorgehen können, da sie nicht ohne weiteres Zugang zu den einschlägigen Informationen über das Datum der technischen Genehmigung und das Datum des tatsächlichen Inverkehrbringens in diesem Land gehabt hätten.
340 Das amerikanische Recht sei von beschränkter Relevanz für den vorliegenden Fall. Zu den Ausführungen der Klägerinnen sei festzustellen, dass es im amerikanischen Recht die so genannte „Noerr-Pennington“-Doktrin gebe, wonach irreführende Darstellungen im Rahmen einer Lobbying-Aktion nicht den Haftungsregeln des Sherman Act unterlägen. Der Supreme Court der Vereinigten Staaten habe jedoch entschieden, dass derartige irreführende Darstellungen, wenn sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens abgegeben worden seien, nicht in den Genuss der genannten Doktrin kommen und den Haftungsregeln des Sherman Act unterliegen könnten und dass sich insbesondere die Anwendung eines durch Betrug des Patentamts erlangten Patents als Verstoß gegen Art. 2 des Sherman Act erweisen könne. In zahlreichen Entscheidungen amerikanischer Gerichte sei außerdem anerkannt worden, dass irreführende Darstellungen unter den Sherman Act fallen könnten. Diese Rechtsprechung erfasse auch erhebliche Unterlassungen. In einem seiner Urteile habe der Federal Circuit sogar den Ausdruck „unangemessener Versuch der Erlangung eines Patents“ anstelle der Bezeichnung „betrügerische Erlangung“ verwendet und erklärt, dass ein Betrug eine „Täuschungsabsicht“ oder zumindest eine in Bezug auf die Folgen so leichtfertige Einstellung voraussetze, dass sie einer Absicht gleichkomme. Entgegen den Ausführungen der Klägerinnen verlange das amerikanische Recht für die Feststellung eines Betrugs somit nicht, dass die Informationen falsch seien.
341 Zwar hätten einige Gerichte die Auffassung vertreten, die wettbewerbsrechtliche Haftung setze voraus, dass Maßnahmen zur Wahrung des Patents getroffen worden seien. Andere Gerichte hätten jedoch entschieden, dass die Vorlage unzutreffender Informationen ausreiche. Wenn im amerikanischen Recht davon ausgegangen werde, dass die Geltendmachung eines betrügerisch erlangten Patents missbräuchlich sein könne, schließe dies im Übrigen nicht aus, dass auch andere Verhaltensweisen missbräuchlich sein könnten.
342 Im amerikanischen Recht komme es ferner darauf an, ob der rechtliche Rahmen des betreffenden Verhaltens der öffentlichen Stelle einen weiten Beurteilungsspielraum einräume oder nur von ihr verlange, dass sie „gebundene Rechtsakte“ ausführe, die eine minimale Überprüfung voraussetzten. Im Gegensatz zum europäischen Wettbewerbsrecht, das unabhängig von den tatsächlichen Wirkungen des Verhaltens gelte, liege der amerikanischen Rechtsprechung die zivilrechtliche Haftung für Betrug zugrunde. Diese verlange aber, dass die Behörden sich auf eine Darstellung gestützt hätten, um den Kausalzusammenhang zwischen der irreführenden Darstellung und dem Schaden feststellen zu können.
343 Im Übrigen seien die Beweisanforderungen in Wettbewerbssachen, denen irreführende Darstellungen zugrunde lägen, nicht höher als die normalen Beweisanforderungen. In dem oben in Randnr. 340 angeführten Urteil des Federal Circuit seien „Indizien“ als ausreichend angesehen worden, weil das Gericht nicht der Meinung gewesen sei, dass die Absicht eines unmittelbaren Nachweises bedürfe. Darüber hinaus beruhe die angefochtene Entscheidung auf einer umfangreichen und kohärenten Beweiskette, die einen langen Zeitraum abdecke und eine kohärente Vorgehensweise erkennen lasse.
Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission begangen haben soll
344 Die Kommission macht geltend, die Unterweisung am 7. Juni 1993 könne angesichts des Zusammenhangs, der Natur und des Inhalts der Unterweisungen und Anmeldungen nicht als bloße Vorbereitungshandlung angesehen werden. Was zunächst den rechtlichen Rahmen angehe, seien die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1768/92 nicht verpflichtet gewesen, den Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu prüfen, und dass sie in der Praxis insoweit eine begrenzte Prüfung durchgeführt hätten. Abweichend von dem, was für die Patentanmeldung gelte, sei es nicht Aufgabe der Patentämter gewesen, eine materiell-rechtliche Prüfung durchzuführen; sie hätten nur eine Reihe tatsächlicher und formaler Voraussetzungen zu prüfen, wenn sie über die Verlängerung eines Patents entschieden, dessen materielle Voraussetzungen bereits im Rahmen der Patentanmeldung gewürdigt worden seien. Die für Patente zuständigen Behörden hätten daher im vorliegenden Fall nur einen begrenzten Beurteilungsspielraum gehabt. Außerdem habe allein AZ Kenntnis von bestimmten Tatsachen, etwa dem Zeitpunkt der Markteinführung von Losec in Luxemburg, gehabt, was die Rolle Dritter im Verfahren erheblich eingeschränkt habe.
345 Nicht jede irreführende Darstellung verstoße zwingend gegen Art. 82 EG, da bestimmte Darstellungen nur begrenzte Auswirkungen auf die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats haben könnten. Damit ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliege, müsse die irreführende Darstellung bei der Entscheidung eine ausschlaggebende Rolle spielen. Im vorliegenden Fall könne davon ausgegangen werden, dass die Klägerinnen, wenn sie diese Darstellungen nicht abgegeben hätten, in den Ländern, in denen die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1988 habe erteilt worden sein müssen, also in Deutschland, Dänemark, Finnland und Norwegen, keine ergänzenden Schutzzertifikate erhalten hätten bzw. in den Ländern, in denen die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1982 (Österreich, Belgien und Italien) oder nach dem 1. Januar 1985 (Irland, Niederlande, Luxemburg, Vereinigtes Königreich und Schweden) habe erteilt worden sein müssen, für einen kürzeren Zeitraum. Die Zertifikatsanmeldungen der Klägerinnen hätten keinen Grund zu der Annahme geboten, dass ihnen nicht die damals allgemein anerkannte Auslegung, die vom Zeitpunkt der ersten technischen Genehmigung ausgegangen sei, zugrunde gelegen habe. Die Auslegung, die sich auf die „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ stütze, habe es AZ zudem ermöglicht, die öffentlichen Stellen zu täuschen, da nur AZ über die entscheidenden Informationen verfügt habe, so dass sie umso mehr verpflichtet gewesen wäre, irreführende Darstellungen zu unterlassen.
346 Da der Schutz eines Wirkstoffs durch ein ergänzendes Schutzzertifikat eine fast vollständige Ausschlusswirkung für die konkurrierenden Generika habe, beeinflusse der Zeitpunkt, zu dem ein Patent oder ein ergänzendes Schutzzertifikat ablaufe, die Vorbereitungen der Generikahersteller, die Generika auf den Markt bringen wollten und die häufig bestrebt seien, ihre Produkte an dem Tag, an dem das Patent oder das ergänzende Schutzzertifikat ablaufe, auf den Markt zu bringen. Die geschäftlichen Entscheidungen der Pharmaunternehmen würden nämlich lange vor Ablauf des Wirkstoffpatents getroffen, wie sich an dem Interesse zeige, das Ratiopharm für das ergänzende Schutzzertifikat von AZ in Deutschland und den Niederlanden 1996 und 1997 bekundet habe. Daher sei die Annahme irrig, dass vor dem Inkrafttreten des ergänzenden Schutzzertifikats kein Missbrauch möglich sei. Außerdem habe der Missbrauch die Wettbewerber auch insoweit beeinträchtigt, als er sie zu erheblichen Aufwendungen veranlasst habe, um den Widerruf bestimmter ergänzender Schutzzertifikate zu erreichen.
347 Nach alledem sei das Vorbringen der Klägerinnen unbegründet. Was zunächst das Vorbringen betreffe, wonach ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vor der eigentlichen Zertifikatsanmeldung nicht möglich sei, so beginne der Missbrauch zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anmelder erstmals das beanstandete Verhalten an den Tag lege. Die erstmalige Anwendung der Strategie von AZ falle aber mit den Unterweisungen der Patentanwälte am 7. Juni 1993 zusammen, die die Wettbewerber nicht hätten kennen können. Dass diese erste Handlung, die Teil eines Prozedere sei, als solche nicht ausreiche, um die gewünschte Wirkung herbeizuführen, und dass Handlungen Dritter erforderlich seien, damit die Strategie von AZ Erfolg habe, sei aus den oben in Randnr. 331 dargelegten Gründen für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG unerheblich.
348 In dem speziellen Kontext, in dem die Zertifikatsanmeldungen eingereicht worden seien, sei die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, dass die Patentämter die von AZ genannten Daten ohne weitere Prüfung akzeptieren würden. Der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass sich bestimmte Ämter im Gegensatz zu anderen durch die Darstellungen von AZ letztlich nicht hätten täuschen lassen, sei daher ebenfalls unerheblich. Die Eignung des Verhaltens von AZ zur Beschränkung des Wettbewerbs sei nämlich in allen fraglichen Ländern gleich gewesen und werde dadurch belegt, dass die ergänzenden Schutzzertifikate in den meisten dieser Länder erteilt worden seien. Dem Umstand, dass die ergänzenden Schutzzertifikate in Dänemark und im Vereinigten Königreich nicht erteilt worden seien, lasse sich nur entnehmen, dass die Wirkungen vom Verhalten Dritter abhängig gewesen seien. Die Patentämter dieser letztgenannten Länder hätten sich jedoch ebenso missbrauchen lassen können wie die übrigen Ämter.
349 Die Beschwerdeführerinnen hätten bei der Anhörung nicht eingeräumt, dass vor Ablauf des Wirkstoffpatents ein ergänzendes Schutzzertifikat keine Auswirkungen auf die Generika gehabt habe; dies ergebe sich auch keineswegs aus dem von den Klägerinnen angeführten Dokument. Die Beschwerdeführerinnen hätten vielmehr bestätigt, dass „gerade das Wissen darum, dass Astra eine Schutzfrist aufgrund des ergänzenden Schutzzertifikats genießen würde, … zu einer ‚Entmutigung‘ derjenigen [geführt habe], die sich auf den Markteintritt [vorbereitet hätten]“. Hinzuzufügen sei nochmals, dass die Wettbewerber beeinträchtigt worden seien, da sie erhebliche Kosten aufgewendet hätten, um den Widerruf der ergänzenden Schutzzertifikate zu erreichen (Erwägungsgründe 760 und 762 der angefochtenen Entscheidung).
350 Die Kommission bestreitet ferner, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung nur festgestellt werden könne, wenn Maßnahmen zur Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums getroffen würden. Der Erwerb eines Rechts des geistigen Eigentums könne als solcher einen Missbrauch darstellen, da die anderen Unternehmen die damit verbundenen ausschließlichen Rechte beachten müssten. Hilfsweise trägt die Kommission vor, die Anzeige, die AZ in einer pharmazeutischen Zeitschrift veröffentlicht habe und in der sie ihre Absicht kundgetan habe, „die Beachtung dieser Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen und juristisch gegen diejenigen vorzugehen, die sie verletzen“, sei ein hinreichender Beweis dafür, dass in der vorliegenden Rechtssache derartige Maßnahmen ergriffen worden seien. Außerdem habe AZ in Deutschland Patentverletzungsklagen aufgrund des ergänzenden Schutzzertifikats erhoben, was ihre Wettbewerber zu erheblichen Aufwendungen gezwungen habe, um den Widerruf des Zertifikats zu erreichen (Erwägungsgründe 760 bis 766 der angefochtenen Entscheidung). Diese Maßnahmen seien Teil einer globalen Verdrängungsstrategie, die mit den irreführenden Darstellungen im Jahr 1993 ihren Anfang genommen habe.
351 In den Fällen, in denen AZ die Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate habe verlängern können, sei zwar die Ausschlusswirkung von kürzerer Dauer gewesen. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die Feststellung eines Missbrauchs. Dass die Auswirkungen des missbräuchlichen Verhaltens zu einem Zeitpunkt einträten, zu dem das Unternehmen über keine beherrschende Stellung mehr verfüge, könne die rechtliche Beurteilung des Verhaltens zu der Zeit, als das Unternehmen über die beherrschende Stellung verfügt habe – was der allein relevante Umstand sei –, ebenfalls nicht beeinflussen. Zwischen den einzelnen Teilen des Missbrauchs habe eine enge Wechselbeziehung bestanden, da die Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse im einen Land auf die eines anderen Landes übergreifen könnten. Dass die irreführenden Darstellungen von AZ einerseits bis zu ihrer Richtigstellung weiterhin Wirkungen entfaltet hätten und andererseits geeignet gewesen seien, in anderen Ländern Wirkungen zu erzeugen, bedeute, dass der Missbrauch der beherrschenden Stellung, soweit es um Belgien, Deutschland, die Niederlande und Norwegen gehe, nicht auf die letzte irreführende Darstellung in Bezug auf diese Länder begrenzt werden könne. Angesichts der Höhe der Absätze von Losec zum Zeitpunkt des Ablaufs des Grundpatents sei es bei dem tatsächlichen zusätzlichen Schutz in Belgien, den Niederlanden und Norwegen um erhebliche Interessen gegangen.
c) Würdigung durch das Gericht
Zur Qualifizierung des in Rede stehenden Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung
352 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung ein objektiver Begriff; er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch den Einsatz von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer abweichen (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 91, und AKZO/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 69; Urteile des Gerichts vom 7. Oktober 1999, Irish Sugar/Kommission, T‑228/97, Slg. 1999, II‑2969, Randnr. 111, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 54).
353 Hierzu ist daran zu erinnern, dass Art. 82 EG sich sowohl auf die Verhaltensweisen bezieht, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden entstehen kann, als auch auf solche, die ihnen durch einen Eingriff in eine wirksame Wettbewerbsstruktur Schaden zufügen (Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, oben in Randnr. 267 angeführt, Randnr. 26).
354 Daraus ergibt sich, dass Art. 82 EG es einem Unternehmen in beherrschender Stellung verbietet, einen Mitbewerber zu verdrängen und damit seine eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift (Urteil AKZO/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 70, und Urteil Irish Sugar/Kommission, oben in Randnr. 352 angeführt, Randnr. 111). Aus der Rechtsprechung geht auch hervor, dass der Missbrauch einer beherrschenden Stellung nicht unbedingt darin bestehen muss, dass die durch eine beherrschende Stellung erlangte Wirtschaftskraft eingesetzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, oben in Randnr. 267 angeführt, Randnr. 27, und Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 91).
355 Im vorliegenden Fall stellen irreführende Darstellungen gegenüber öffentlichen Stellen, die geeignet sind, bei ihnen unrichtige Vorstellungen hervorzurufen und infolgedessen die Gewährung eines ausschließlichen Rechts zu ermöglichen, auf das das Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hat, eine dem Leistungswettbewerb fremde Praxis dar, die den Wettbewerb in besonderem Maß beschränken kann. Ein solches Verhalten entspricht nicht der besonderen Verantwortung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen dafür trägt, dass es nicht durch ein dem Leistungswettbewerb fremdes Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 57).
356 Aus dem objektiven Charakter des Missbrauchsbegriffs (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 239 angeführt, Randnr. 91) ergibt sich, dass die irreführende Natur der den öffentlichen Stellen gegenüber abgegebenen Darstellungen aufgrund objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen ist und dass der Nachweis der Vorsätzlichkeit des Verhaltens und der Bösgläubigkeit des marktbeherrschenden Unternehmens für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht erforderlich ist.
357 Die Beurteilung der irreführenden Natur von Darstellungen, die gegenüber öffentlichen Stellen zwecks ungerechtfertigter Erlangung ausschließlicher Rechte abgegeben werden, ist anhand des konkreten Falls vorzunehmen und kann je nach den besonderen Umständen jedes Einzelfalls unterschiedlich ausfallen. Zu prüfen ist insbesondere, ob die betreffende Praxis unter Berücksichtigung des Kontextes, in dem sie umgesetzt wurde, geeignet war, die öffentlichen Stellen zur fälschlichen Schaffung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb zu veranlassen, z. B. durch widerrechtliche Erteilung ausschließlicher Rechte zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmens. Wie die Kommission vorträgt, können insoweit das beschränkte Ermessen der öffentlichen Stellen oder das Fehlen einer ihnen obliegenden Verpflichtung zur Überprüfung der Genauigkeit oder der Richtigkeit der vorgelegten Informationen relevante Gesichtspunkte darstellen, die bei der Beurteilung, ob die betreffende Praxis zur Errichtung rechtlicher Hindernisse für den Wettbewerb führen kann, zu berücksichtigen sind.
358 Sofern einem marktbeherrschenden Unternehmen aufgrund eines ihm unterlaufenen Fehlers in seinen Angaben gegenüber öffentlichen Stellen zu Unrecht ein ausschließliches Recht erteilt wird, verlangt die besondere Verantwortung, die das Unternehmen dafür trägt, dass es nicht mit Mitteln, die einem Leistungswettbewerb fremd sind, den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt beeinträchtigt, dass es zumindest die öffentlichen Stellen hiervon in Kenntnis setzt, damit diese die Unregelmäßigkeiten beheben können.
359 Angesichts des oben in den Randnrn. 309, 312 und 314 wiedergegebenen Vorbringens der Klägerinnen ist auch darauf hinzuweisen, dass der Nachweis der Vorsätzlichkeit des zur Täuschung der öffentlichen Stellen geeigneten Verhaltens für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung zwar nicht erforderlich, doch gleichwohl ein erheblicher Gesichtspunkt ist, der gegebenenfalls von der Kommission berücksichtigt werden kann. Der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung seinem Inhalt nach objektiv sei und keine Schädigungsabsicht voraussetze (vgl. in diesem Sinne Urteil Aéroports de Paris/Kommission, oben in Randnr. 309 angeführt, Randnr. 173), führt nicht zu der Annahme, dass die Absicht, sich einer dem Leistungswettbewerb fremden Praxis zu bedienen, in jedem Fall unerheblich ist, denn diese Absicht kann immer noch zur Begründung der Schlussfolgerung herangezogen werden, dass das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt hat, auch wenn diese Schlussfolgerung in erster Linie auf der objektiven Feststellung einer tatsächlichen Verwirklichung des missbräuchlichen Verhaltens beruhen sollte.
360 Schließlich lässt allein der Umstand, dass sich einige öffentliche Stellen nicht täuschen ließen und die Unrichtigkeit der zur Stützung von Anträgen auf Gewährung ausschließlicher Rechte vorgelegten Informationen entdeckten oder dass Wettbewerber nach der rechtswidrigen Erteilung der ausschließlichen Rechte deren Aufhebung erreichten, nicht den Schluss zu, dass die irreführenden Darstellungen ohnehin keinen Erfolg haben konnten. Steht nämlich fest, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, kann die Missbräuchlichkeit dieses Verhaltens, wie die Kommission zu Recht ausführt, nicht von den Unwägbarkeiten der Reaktionen Dritter abhängen.
361 Die Kommission wandte Art. 82 EG somit zutreffend an, als sie die Auffassung vertrat, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen den Patentämtern objektiv irreführende Darstellungen vorgelegt habe, die geeignet gewesen seien, sie zu veranlassen, dem Unternehmen ausschließliche Rechte zu gewähren, auf die es keinen Anspruch oder nur für kürzere Zeit einen Anspruch gehabt habe, und damit den Wettbewerb zu beschränken oder zu beseitigen. Der objektiv irreführende Charakter dieser Darstellungen ist unter Berücksichtigung der Umstände und des speziellen Kontextes jedes Einzelfalls zu beurteilen. Im vorliegenden Fall ist die Tatsachenwürdigung, die die Kommission insoweit vornahm, Gegenstand des zweiten Klagegrundes.
362 Dem Vorbringen der Klägerinnen, wonach das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung voraussetze, dass von dem aufgrund irreführender Darstellungen erlangten ausschließlichen Recht Gebrauch gemacht worden sei, kann nicht gefolgt werden. Wird nämlich ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses Rechts verpflichtet sind. Soweit die Klägerinnen ferner geltend machen, dass ein Recht des geistigen Eigentums im Rahmen einer gerichtlichen Klage ausgeübt worden sein müsse, wird die Anwendung des Art. 82 EG davon abhängig gemacht, dass die Wettbewerber durch Verstoß gegen das ausschließliche Recht des Unternehmens die staatlichen Vorschriften verletzen, was zurückzuweisen ist. Zudem verfügen Dritte selten über Informationen, aufgrund deren sie wissen können, ob ein ausschließliches Recht widerrechtlich erteilt wurde.
363 Das Vorbringen der Klägerinnen zur Anwendung der von der Kommission im Rahmen der Rechtssache, in der das Urteil ITT Promedia/Kommission, oben in Randnr. 311 angeführt, ergangen ist, herangezogenen Kriterien ist somit ebenfalls als unerheblich zurückzuweisen, da es sich auf eine möglicherweise missbräuchliche Ausübung des Klagerechts gegenüber einem Wettbewerber stützt.
364 Der unrechtmäßige Erwerb eines ausschließlichen Rechts kann im Übrigen nicht nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wenn er zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führen würde. Der Umstand, dass das in Frage stehende Verhalten den Erwerb eines Rechts des geistigen Eigentums betrifft, rechtfertigt eine solche Voraussetzung nicht.
365 Insoweit können sich die Klägerinnen für die Annahme, dass ein vollständiger Ausschluss des Wettbewerbs erforderlich sei, nicht auf das Urteil Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 310 angeführt, stützen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Fall und das Urteil Tetra Pak/Kommission unterschiedliche Sachverhalte betreffen. Während es hier um Handlungen geht, die die öffentlichen Stellen veranlassen können, ein Recht des geistigen Eigentums einzuräumen, auf das das marktbeherrschende Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, bezieht sich das Urteil Tetra Pak/Kommission darauf, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung eine Gesellschaft erwirbt, die über eine ausschließliche Patentlizenz verfügte, die das einzige Mittel war, um mit dem Unternehmen in beherrschender Stellung wirksam konkurrieren zu können (Randnrn. 1 und 23 des Urteils). Sodann ergibt sich aus diesem Urteil nicht, dass die Anwendung des Art. 82 EG einen vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs voraussetzt. Das Gericht bestätigte darin lediglich die Würdigung der Kommission, wonach im konkreten Fall Art. 82 EG dem Unternehmen in beherrschender Stellung nicht erlaubt habe, durch den Erwerb einer ausschließlichen Lizenz seine „bereits beträchtliche“ Stellung zu stärken und den „Eintritt neuer Konkurrenten [zu behindern] oder … erheblich [zu verzögern], und dies auf einem Markt, wo ohnehin wenig Wettbewerb – wenn überhaupt – vorhanden ist“ (Randnr. 23 des Urteils).
366 Ferner ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach das Bestehen spezifischer Rechtsbehelfe, mit denen rechtswidrig erteilte Patente und ergänzende Schutzzertifikate berichtigt oder gar gelöscht werden könnten, eine Rechtfertigung dafür sei, dass die Wettbewerbsregeln nur anwendbar seien, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nachgewiesen werde. Sobald ein Verhalten in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln fällt, sind diese unabhängig davon anwendbar, ob das Verhalten auch Gegenstand anderer Regeln – seien sie innerstaatlichen Ursprungs oder nicht – sein kann, mit denen andere Ziele verfolgt werden. Auch ist das Bestehen spezifischer Rechtsbehelfe im Patentwesen nicht geeignet, die Anwendungsvoraussetzungen der im Wettbewerbsrecht vorgesehenen Verbote zu ändern und insbesondere bei Vorliegen eines Verhaltens wie des im vorliegenden Fall in Rede stehenden den Nachweis der durch dieses Verhalten herbeigeführten wettbewerbswidrigen Wirkungen zu verlangen.
367 Die Klägerinnen können auch nicht einwenden, dass es zu einem „Einfrieren“ der Patentanmeldungen führen und dem öffentlichen Interesse an der Innovationsförderung zuwiderlaufen würde, wenn im Fall objektiv irreführender Darstellungen gegenüber den Patentämtern zwecks Erlangung von Rechten des geistigen Eigentums, auf die das Unternehmen keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch habe, von einem Missbrauch einer beherrschenden Stellung ausgegangen würde. Denn es ist offensichtlich, dass ein solches Verhalten, wenn es nachgewiesen ist, dem vom Gesetzgeber durch Abwägung ermittelten und zur Anwendung gebrachten Allgemeininteresse gerade zuwiderläuft. Wie die Kommission ausführt, würde eine solche missbräuchliche Anwendung des Patentsystems den Innovationsanreiz potenziell verringern, da dem marktbeherrschenden Unternehmen die Möglichkeit gegeben würde, seine Alleinstellung über den vom Gesetzgeber bestimmten Zeitraum hinaus aufrechtzuerhalten.
368 Schließlich genügt in Bezug auf das Vorbringen der Klägerinnen zum amerikanischen Recht der Hinweis, dass der dort vertretene Standpunkt dem des Rechts der Europäischen Union nicht vorgehen kann (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 1407).
Zum Beginn der als missbräuchlich eingestuften Praxis
369 In Bezug auf den Zeitpunkt, der als Beginn des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung gilt – sein Nachweis unterstellt –, ging die Kommission davon aus, dass der Missbrauch im Fall von Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich am 7. Juni 1993 begonnen habe, als in diesen Ländern den Patentanwälten letzte Weisungen für die Zertifikatsanmeldungen bezüglich Omeprazol erteilt worden seien (vgl. Erwägungsgründe 179, 651 und 774 der angefochtenen Entscheidung). Wie die Klägerinnen ausführen, lag der Beginn des gerügten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung somit nach Ansicht der Kommission noch vor der Einreichung der Zertifikatsanmeldungen bei den Patentämtern.
370 Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass den Patentanwälten erteilte Weisungen, Zertifikatsanmeldungen einzureichen, nicht als gleichwertig mit den Anmeldungen bei den Patentämtern selbst angesehen werden können. Der erhoffte Erfolg der als irreführend eingestuften Darstellungen – die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate – kann nämlich erst eintreten, nachdem die Patentämter mit den Zertifikatsanmeldungen befasst sind, nicht aber, wenn die Patentanwälte, die im vorliegenden Fall nur eine Vermittlerrolle spielen, die Weisungen bezüglich dieser Anmeldungen erhalten.
371 Zudem deckt sich der Standpunkt der Kommission bezüglich des Zeitpunkts, zu dem der erste Missbrauch in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich begonnen haben soll, nicht mit der Betrachtungsweise, die sie im Fall von Norwegen zugrunde legte. Die Kommission war nämlich der Auffassung, dass in Norwegen der erste Missbrauch am 21. Dezember 1994 begonnen habe, d. h. mit der Einreichung der Zertifikatsanmeldung beim norwegischen Patentamt durch den Patentanwalt (vgl. Erwägungsgründe 234 und 774 der angefochtenen Entscheidung).
372 Die Klägerinnen machen daher zu Recht geltend, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen habe, als sie die Ansicht vertreten habe, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung, den AZ in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich begangen habe, am 7. Juni 1993 damit begonnen habe, dass den Patentanwälten Weisungen für die Einreichung der Zertifikatsanmeldungen bei den Patentämtern erteilt worden seien.
373 Dieser Fehler ist jedoch nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen, soweit es sich um das Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis ab Einreichung der Zertifikatsanmeldungen bei den nationalen Patentämtern handelt. Hierzu ergibt sich aus dem 185. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die Zertifikatsanmeldungen bei den Patentämtern in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich zwischen dem 12. und 30. Juni 1993 eingereicht wurden. Die Auswirkungen des genannten Fehlers auf die Höhe der Geldbußen werden, soweit erforderlich, nachfolgend in dem Teil untersucht, der sich mit dem von den Klägerinnen zu diesem Punkt vorgetragenen Klagegrund befasst.
Zur wettbewerbswidrigen Natur des beanstandeten Verhaltens und zu seinen Auswirkungen auf den Wettbewerb
374 Die Klägerinnen bestreiten, dass die irreführenden Darstellungen von AZ gegenüber den Patentämtern wettbewerbswidrig gewesen seien, und machen geltend, diese seien für sich genommen nicht geeignet gewesen, den Wettbewerb zu beschränken.
375 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in Randnr. 355 ausgeführt, die Erlangung eines ausschließlichen Rechts, auf das das marktbeherrschende Unternehmen keinen Anspruch oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hat, aufgrund eines Verhaltens, das geeignet ist, die öffentlichen Stellen zu täuschen, eine dem Leistungswettbewerb fremde Praxis darstellt, die den Wettbewerb in besonderem Maß beschränken kann. Der objektiv irreführende Charakter von Darstellungen gegenüber öffentlichen Stellen zwecks rechtswidrigen Erwerbs ausschließlicher Rechte ist unter angemessener Berücksichtigung der konkreten Besonderheiten jedes Einzelfalls zu beurteilen.
376 Die Klägerinnen machen geltend, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung erst festgestellt werden könne, wenn das betreffende Verhalten unmittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb habe, und dass im vorliegenden Fall die rechtswidrigen Zertifikatsanmeldungen nur indirekte Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt hätten. Hierzu ist festzustellen, dass der Rechtsprechung nicht zu entnehmen ist, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung nur dann vorliegt, wenn ein Verhalten den Wettbewerb unmittelbar beeinträchtigt. Bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Praktiken, sollten sie vorliegen, in irgendeinem Umfang Teil eines auf der Leistungsfähigkeit des Unternehmens beruhenden normalen Produktwettbewerbs sind, genügt der Nachweis, dass die Praktiken angesichts des wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs, in dem sie stehen, geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. Die Eignung der betreffenden Praxis, den Wettbewerb zu beschränken, kann somit mittelbar sein, sofern rechtlich hinreichend belegt ist, dass sie wirklich geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.
377 Wie die Kommission ausführt, erfordert im Übrigen ein auf Ausschluss der Wettbewerber gerichtetes Verhalten, wenn es erfolgreich sein soll, häufig die Mitwirkung Dritter, seien es öffentliche Stellen oder Marktteilnehmer, denn ein solches Verhalten ist in der Praxis selten geeignet, sich unmittelbar auf die Wettbewerbsstellung der Konkurrenten auszuwirken. Der Erfolg einer Praxis zum Ausschluss des Wettbewerbs, die darin besteht, durch rechtswidrigen Erwerb ausschließlicher Rechte rechtliche Zutrittsschranken zu errichten, hängt daher zwangsläufig von der Reaktion der öffentlichen Stellen oder sogar der innerstaatlichen Gerichte im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten ab, die Wettbewerber unter Umständen mit dem Ziel der Aufhebung dieser Rechte einleiten. Demgemäß stellen Darstellungen, durch die der rechtswidrige Erwerb ausschließlicher Rechte herbeigeführt werden soll, nur dann einen Missbrauch dar, wenn nachgewiesen ist, dass diese Darstellungen angesichts des objektiven Kontextes, in dem sie abgegeben wurden, tatsächlich geeignet sind, die öffentlichen Stellen zur Gewährung des beantragten ausschließlichen Rechts zu veranlassen.
378 Die Klägerinnen bestreiten, dass auf das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich geschlossen werden könne, und tragen insoweit Tatsachen vor, die belegen sollen, dass die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate nicht geeignet gewesen sei, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten. Da dieses Vorbringen im Wesentlichen tatsächlicher Natur ist, wird das Gericht sich mit ihm nachfolgend in den Randnrn. 601 bis 607 im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes befassen, der die Beurteilung der dem ersten Missbrauch einer beherrschenden Stellung zugrunde liegenden Tatsachen durch die Kommission betrifft.
379 Soweit dieses Vorbringen grundsätzliche Fragen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen keinen Nutzen daraus ziehen können, dass AZ in Belgien und den Niederlanden keine marktbeherrschende Stellung mehr innehatte, als die ergänzenden Schutzzertifikate einen zusätzlichen Schutz gewährten. Der Umstand, dass AZ über keine marktbeherrschende Stellung mehr verfügte, als ihr missbräuchliches Verhalten Wirkungen erzeugen konnte, ändert nichts an der rechtlichen Qualifizierung ihrer Handlungen, da diese zu einer Zeit vorgenommen wurden, als AZ eine besondere Verantwortung dafür trug, dass sie durch ihr Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.
380 Schließlich nimmt der von den Klägerinnen mehrfach angeführte Umstand, dass sich die Auswirkungen der irreführenden Darstellungen und der nachfolgenden Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate auf den Wettbewerb erst mehrere Jahre später mit Ablauf der Grundpatente bemerkbar machen, dem in Rede stehenden Verhalten – dessen Vorliegen unterstellt – nicht seinen missbräuchlichen Charakter, da zu erwarten ist, dass die Ausschlusswirkung für die Wettbewerber eintreten wird, sobald die ergänzenden Schutzzertifikate erteilt und in der Folge nicht widerrufen worden sind. Was ferner den Einwand gegen den 762. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betrifft, in dem die Kommission geltend macht, dass die bloße Existenz der ergänzenden Schutzzertifikate die Vorbereitungen der Generikahersteller verzögere, ergibt sich aus den vorangegangenen Erwägungen, dass auch dann, wenn eine solche Wirkung nicht oder nur in geringerem Umfang eintreten würde, irreführende Darstellungen, die die Erteilung rechtswidriger ergänzender Schutzzertifikate zum Ziel haben, für sich genommen – ihr Vorliegen unterstellt – den Wettbewerb beschränken können.
381 Nach alledem ist dem ersten Klagegrund stattzugeben, soweit mit ihm ein Rechtsfehler der Kommission bei der Beurteilung des Zeitpunkts gerügt wird, zu dem der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich begonnen haben soll. Der geltend gemachte erste Missbrauch begann in diesen Ländern nämlich nicht damit, dass AZ den Patentanwälten Weisungen erteilte, sondern mit der Einreichung der Zertifikatsanmeldungen bei den innerstaatlichen Patentämtern. Unter diesen Umständen und in Anbetracht des 185. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung ist davon auszugehen, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung – sein Vorliegen unterstellt – spätestens am 30. Juni 1993 begann.
382 Im Übrigen ist der erste Klagegrund dagegen zurückzuweisen.
3. Zweiter Klagegrund: Fehlender Beweis des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zum Täuschungsvorwurf
383 Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Behauptung der Kommission, dass es eine Strategie gebe, die darin bestehe, bewusst unzutreffende Erklärungen abzugeben, müsse durch Beweise belegt werden, die sich durch „völlige Klarheit“ auszeichneten. Gemäß der Unschuldsvermutung dürfe diese Behauptung nicht auf Mutmaßungen und Schlussfolgerungen gestützt werden, denen Umstände zugrunde lägen, die als solche nicht zwingend auf eine Täuschung hinwiesen. Insoweit verweisen die Klägerinnen auf das Recht des Vereinigten Königreichs und auf das amerikanische Recht und führen insbesondere aus, entgegen dem Vorbringen der Kommission werde im Urteil des Federal Circuit, oben in Randnr. 340 angeführt, ebenfalls der „klare und überzeugende“ Nachweis einer speziellen Absicht verlangt, während der Beweis grober Fahrlässigkeit nicht ausreiche. Die Klägerinnen bezweifeln daher, dass die Rechtsprechung zu Kartellen einschlägig sei. Im Kontext der Kartelle sei es nämlich möglich, aus einem Treffen zwischen Wettbewerbern auf eine Absicht oder auf das Vorliegen einer Absprache zu schließen. Im Kontext relativ routinemäßiger Handlungen in einem gerichtlichen Patentverfahren könnten dagegen Beweise, die auf das Vorliegen einer Täuschung hinzudeuten schienen, genauso gut eine grobe Fahrlässigkeit oder ein Versehen belegen.
384 Die Kommission habe ihr Vorbringen auf Beweise gestützt, die nicht das erforderliche Anforderungsniveau erfüllten. Eine Reihe von unzureichend begründeten Behauptungen, gewagter Schlussfolgerungen und Unterstellungen sei nicht einmal zusammengenommen ein klarer und überzeugender Beweis. Die Kommission habe die Belege selektiv herangezogen, sie dabei bisweilen aus dem Kontext gerissen, und sie in voreingenommener Weise ausgelegt. Außerdem habe sie nie die Mitarbeiter von AZ oder die Verfasser der Dokumente, auf die sie sich stütze, getroffen, und sie habe auch keine Ermittlungen bei Sachverständigen, den betreffenden Patentämtern oder Patentanwälten angestellt.
385 Der bloße Nachweis, dass AZ die juristische Auslegung, die sie ihren Anträgen auf Patentverlängerung zugrunde gelegt habe, nicht aus eigenem Antrieb bekannt gegeben habe, reiche für die Feststellung eines Missbrauchs nicht aus. Dies sei jedenfalls nicht als Nachweis dafür ausreichend, dass ein derartiger Missbrauch vorsätzlich begangen worden sei, wenn zum einen die Auslegung des rechtlichen Rahmens vernünftig und nicht treuwidrig sei und zum anderen die Auslegung nach einem Auskunftsersuchen der öffentlichen Stelle offenbart worden sei. Der von der Kommission geltend gemachte Umstand, dass dem Leiter der Patentabteilung bekannt gewesen sei, dass die Erklärungen unvollständig und nicht völlig transparent gewesen seien, reiche für die Feststellung eines derartigen Missbrauchs offensichtlich nicht aus.
386 AZ habe den in Art. 19 der Verordnung Nr. 1768/92 enthaltenen Ausdruck „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen“ dahin ausgelegt, dass es sich um den Zeitpunkt handele, zu dem in irgendeinem Mitgliedstaat alle administrativen Verfahrensschritte abgeschlossen seien, um das Produkt dort in den Verkehr bringen zu können. AZ sei daher davon ausgegangen, dass die erste Genehmigung erst ergangen sei, nachdem die innerstaatliche Behörde den Preis des Produkts genehmigt habe, so dass es tatsächlich in den Verkehr gebracht werden könne. Im Folgenden wird der Begriff „Genehmigung für das Inverkehrbringen“, wie er vorliegend von AZ ausgelegt wird, mit dem Ausdruck „Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen“ wiedergegeben.
387 Die genannte Auslegung sei nicht treuwidrig und könne angesichts der Ungenauigkeit der fraglichen Rechtsvorschriften nicht als unvertretbar angesehen werden. AZ habe bei zwei Rechtsanwälten Rat eingeholt, deren Stellungnahmen sie in ihrer Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 bestätigt hätten. [vertraulich]
388 [vertraulich]
389 Der Umstand, dass diese renommierten Juristen dieselbe Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 wie AZ zugrunde gelegt hätten, sei von erheblicher Bedeutung für das Vorbringen, dass die von AZ vertretene Auslegung vernünftig und folglich nicht treuwidrig sei. Die Klägerinnen bestreiten ferner, dass AZ auf ihre internen Juristen Druck ausgeübt habe, und verweisen insoweit auf das Zeugnis eines Rechtsanwalts.
390 Dass diese Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 vernünftig und nicht treuwidrig sei, werde dadurch bestätigt, dass der Bundesgerichtshof (Deutschland) festgestellt habe, dass die Verordnung hinreichend unbestimmt sei, um dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit der Verordnung zur Vorabentscheidung vorzulegen.
391 Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 durch AZ stehe im Einklang mit dem Zweck der Verordnung, der darin bestehe, einen Ausgleich für die Verkürzung der Dauer der wirtschaftlichen Verwertung des Patents zu schaffen. Am Beispiel von Frankreich zeigen sie, dass die französische technische Genehmigung, die erste technische Genehmigung in der Gemeinschaft, im April 1987 erteilt worden sei, während der Preis erst zweieinhalb Jahre später, im November 1989, genehmigt worden sei; ab diesem Zeitpunkt habe das Omeprazol in Frankreich vermarktet werden dürfen. Zur Stützung ihres Vorbringens legen die Klägerinnen zehn eidesstattliche Versicherungen von gegenwärtigen oder früheren Angestellten von AZ sowie zehn eidesstattliche Versicherungen von Patentanwälten und Rechtsanwälten vor.
392 Die Klägerinnen sind daher der Ansicht, dass die Kommission im 666. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht feststelle, dass AZ bewusst falsche Erklärungen abgegeben habe; diese seien vielmehr in gutem Glauben abgegeben worden. Sie werfen der Kommission zudem vor, in den Erwägungsgründen 151 und 152 der angefochtenen Entscheidung Art. 8 der Verordnung Nr. 1768/92 beschrieben und in diese Beschreibung Auslegungsgesichtspunkte der Vorschrift aufgenommen zu haben, so dass der Eindruck entstanden sei, die fragliche Verordnung regele eindeutig, dass der Zeitpunkt der technischen Genehmigung mit dem der Genehmigung für das Inverkehrbringen übereinstimme.
393 Die Kommission könne nicht behaupten, dass die innerstaatlichen Patentämter die von den Anmeldern ergänzender Schutzzertifikate bezüglich des Zeitpunkts der ersten Genehmigungen für das Inverkehrbringen vorgelegten Informationen nicht überprüft hätten. Die Kommission habe sich nämlich nur auf die Praxis von zwei Staaten – Finnland und Norwegen – gestützt, und die Nachweise stammten von Mitte 1994, also lange nachdem die ursprünglichen Zertifikatsanmeldungen im Juni 1993 eingereicht worden seien. Überdies behaupte die Kommission nicht, dass es in Finnland einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung gegeben habe. Ferner sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass in den anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in Deutschland und Dänemark, zur Zeit der Einreichung der ersten Anmeldungen im Juni 1993 keine Überprüfung stattgefunden habe. Die Kommission habe mit den betreffenden innerstaatlichen Behörden nicht einmal Kontakt aufgenommen, um diesen Punkt zu klären. Die Behauptungen der Kommission würden im Übrigen dadurch entkräftet, dass zahlreiche Behörden den Anmeldungen von AZ widersprochen hätten. Daraus, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1768/92 nicht verpflichtet seien, den ersten Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu überprüfen, ergebe sich nicht zwangsläufig, dass die Behörden keine solche Prüfung durchführten.
394 Die Kommission habe auch nicht nachgewiesen, dass AZ von dem angeblichen Unterbleiben einer Prüfung gewusst habe. AZ habe damit gerechnet, mit ihren Patentanwälten die Grundlage ihrer Anmeldungen erörtern zu müssen und ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 vor den Patentämtern zu verteidigen. Insoweit sei auf die Ausführungen des Leiters der Patentabteilung bei der Anhörung vor der Kommission sowie auf die Erklärungen von Patentanwälten zu verweisen.
Zur ersten Phase des Missbrauchs
395 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission stelle zu Recht fest, dass die drei Memoranden vom 16. März 1993 ein Beleg dafür seien, dass AZ festgestellt habe, dass der Zeitpunkt der ersten technischen Genehmigung für Omeprazol, Felodipin und Omeprazol Sodium in der Gemeinschaft offenbar vor dem 1. Januar 1988 gelegen habe. Sie räumen auch ein, dass die unmittelbare Reaktion einiger Mitarbeiter von AZ in der Annahme bestanden habe, dass AZ in Deutschland und Dänemark keine ergänzenden Schutzzertifikate erlangen könne. AZ habe jedoch gewusst, dass es eine Auffassung gebe, wonach der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen sei (vgl. das dritte Memorandum vom 16. März 1993). Die Kommission habe daher zu Unrecht festgestellt, dass AZ gewusst habe, dass der Zeitpunkt der technischen Genehmigung notwendigerweise der für die Anmeldung entscheidende Zeitpunkt sei und dass AZ keine ergänzenden Schutzzertifikate in den Ländern erlangen könne, für die die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1988 liegen müsse. Zu diesem Punkt verweisen die Klägerinnen auf die Nrn. 6 und 7 der Aussage von Frau D.
396 Was die Informationen angehe, die AZ bei ihren örtlichen Vertriebsgesellschaften eingeholt habe und deren selektiven Charakter die Kommission im 636. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beanstandet habe, weil sie nur „Problemprodukte“ betroffen und sich allein auf die Fälle konzentriert hätten, in denen die technischen Genehmigungen vor dem 1. Januar 1988 erteilt worden seien, so habe AZ nur Informationen über die Produkte und die Länder benötigt, für die der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen von Bedeutung habe sein können, da sich die Frage nach der Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten nicht für die übrigen Produkte stelle, bei denen die Zeitpunkte der technischen Genehmigungen nach 1988 gelegen hätten. AZ habe über begrenzte Ressourcen verfügt, und die unterschiedlichen Methoden der Aktenaufbewahrung in den Vertriebsgesellschaften hätten die Prüfung der genauen Zeitpunkte der Genehmigungen für das tatsächliche Inverkehrbringen erschwert. AZ habe zum zweckmäßigen Einsatz ihrer begrenzten Ressourcen beschlossen, Informationen nur in Bezug auf Produkte einzuholen, für die die Zeitpunkte der Genehmigung problematisch sein könnten. Das Verhalten von AZ könne zwar als inkonsequent angesehen werden, doch belege es weder eine Täuschungsabsicht noch einen vorsätzlichen Betrug.
397 Die Kommission habe es unterlassen darauf hinzuweisen, dass das Schreiben vom 17. Dezember 1987, das die Genehmigung des Preises von Omeprazol in Luxemburg betreffe und im 637. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnt werde, von Astra Belgium mit dem Stempel des 31. Dezember 1987 versehen worden sei. Das Schreiben der Vertriebsgesellschaft habe ferner bestätigt, dass dieser Zeitpunkt in die Zeit der Betriebsschließung über Weihnachten gefallen sei, so dass es Astra nicht möglich gewesen sei, auf das Schreiben vor Montag, dem 4. Januar 1988, zu reagieren. Aus diesem Schreiben vom 17. Dezember 1987 habe sich daher für Astra ergeben, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen von Omeprazol-Kapseln in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1988 in Luxemburg gelegen haben müsse, d. h. nach dem für Deutschland und Dänemark geltenden Stichtag.
398 Aus den Worten „wird vor … argumentieren“ im Memorandum vom 29. März 1993 gehe eindeutig hervor, dass AZ damit gerechnet habe, dass die Grundlage der bei den deutschen und dänischen Patentämtern eingereichten Anmeldungen Gegenstand unterschiedlicher Auffassungen sein könne, und dass AZ sich darauf eingerichtet habe, ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 vor den Patentämtern zu verteidigen. Es treffe daher nicht zu, dass AZ damit gerechnet habe, dass die Patentämter ihren Anmeldungen ohne Diskussion Folge leisten und die darin angegebenen Zeitpunkte ohne Prüfung akzeptieren würden, und dass AZ versucht habe, die Grundlage ihrer Anmeldungen zu verschleiern. Insoweit sei auf S. 83 des Protokolls der Anhörung bei der Kommission zu verweisen.
399 Die Klägerinnen wiederholen ihr vorstehend in den Randnrn. 393 und 394 dargelegtes Vorbringen und führen aus, die Kommission könne nicht geltend machen, dass AZ versucht habe, die rechtliche Grundlage der von ihr angegebenen Zeitpunkte zu verschleiern; die Behauptung, dass die Überprüfungen im Allgemeinen beschränkt gewesen seien, reiche insoweit nicht aus. Dass AZ beabsichtigt habe, die Genehmigungszeitpunkte mit ihren Patentanwälten und den Patentämtern zu erörtern, werde zudem durch den von der Kommission selbst eingeräumten Umstand bestätigt, dass die Patentanwälte im Vereinigten Königreich und in Irland über die Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 informiert worden seien. Auch die Patentanwälte für Luxemburg und Frankreich seien informiert worden.
400 Die Behauptung der Kommission, dass das oben in Randnr. 398 angeführte Memorandum vom 29. März 1993 einen Vorschlag von Herrn H. enthalte, der dahin gehe, initiativ zu werden und die Patentämter auf die von AZ vertretene Auffassung aufmerksam zu machen, treffe nicht zu; die Kommission habe dafür keinen Nachweis erbracht. Der genannte Vermerk zeige nur, dass Astra davon ausgegangen sei, dass sie ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 werde darlegen und rechtfertigen müssen. Die Kommission habe durch die Zurückweisung der eidesstattlichen Versicherung des Leiters der Patentabteilung, aus der hervorgehe, dass es zahlreiche Gespräche mit dem Patentanwalt gegeben habe, die Beweislast umgekehrt und gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.
401 Aus dem Memorandum vom 30. März 1993, auf das die Kommission in den Erwägungsgründen 639 bis 641 der angefochtenen Entscheidung Bezug nehme, gehe ferner hervor, dass Hässle der Meinung gewesen sei, dass der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen der für Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 entscheidende Zeitpunkt sei. Hässle habe die Patentabteilung von AZ informiert, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung des offiziellen Preises der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen in Luxemburg sei und dass dieser Zeitpunkt nicht vor dem 2. Januar 1988 liegen könne. Hässle habe schließlich vorgeschlagen, sich die Zeitpunkte der Genehmigungen für das tatsächliche Inverkehrbringen in allen anderen Ländern zu verschaffen.
402 Mit einem Memorandum vom 7. April 1993 mit dem Titel „Re. Submission of SPC application“ habe Hässle der Patentabteilung zusätzliche Informationen der belgischen und der französischen Vertriebsgesellschaft übermittelt, zu denen ein Dokument von März 1988 gehört habe, in dem die genehmigten Produkte in Luxemburg aufgeführt gewesen seien. Dieses Dokument (im Folgenden: Luxemburger Liste) habe eine Seite aus einer Liste vom 21. März 1988 enthalten, auf der sich u. a. Losec in Kapselform und die Injektionspräparate befunden hätten. Am 6. Mai 1993 habe Hässle über die den Patentanwälten in Bezug auf die Zertifikatsanmeldungen für Omeprazol zu erteilenden Weisungen entschieden, wie sich aus dem Memorandum vom 29. März 1993 ergebe. Diese Weisungen seien nicht irreführend gewesen; die Anmerkungen zum Memorandum vom 29. März 1993 hätten nur den Standpunkt von Astra und Hässle wiedergegeben, der darin bestanden habe, in den Zertifikatsanmeldungen die Zeitpunkte der Genehmigungen für das tatsächliche Inverkehrbringen in Luxemburg und in Frankreich anzugeben. Diese Änderungen seien auf der Grundlage der von der Patentabteilung gesammelten Dokumente vorgenommen worden, aus denen sich ergeben habe, dass Luxemburg der erste Mitgliedstaat gewesen sei, der am 21. März 1988 die Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen erteilt habe, und dass die Genehmigungen für das Inverkehrbringen in den anderen Mitgliedstaaten später erfolgt seien, wodurch zusätzliche Recherchen entbehrlich geworden seien. Gestützt würden diese Darlegungen durch die Nrn. 10 bis 12 der Aussage von Dr. V., des damaligen Präsidenten von Astra Hässle.
403 Die Vorwürfe, die die Kommission in den Erwägungsgründen 643 und 665 der angefochtenen Entscheidung erhoben habe, seien ungerechtfertigt und das Ergebnis einer subjektiven Auslegung der einschlägigen Dokumente. AZ habe nicht versucht, die Zeitpunkte der in Frankreich und Luxemburg erteilten technischen Genehmigungen zu verschleiern, sondern sei lediglich davon ausgegangen, dass der anwendbare Zeitpunkt der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen gewesen sei.
404 Dass AZ in ihren Weisungen gebeten habe, den Zeitpunkt März 1988 für alle Anmeldungen in sämtlichen Ländern zu verwenden, beweise, dass keine Absicht bestanden habe, die innerstaatlichen Patentämter zu täuschen. Hätte AZ nämlich die Absicht gehabt, die genannten Patentämter zu täuschen, hätte sie den Zeitpunkt März 1988 nur für die Anmeldungen in Dänemark und Deutschland verwendet. Außerdem sei die Behauptung ungerechtfertigt, AZ habe die Natur der Genehmigung in Luxemburg verschleiert, denn aus der äußeren Form der Luxemburger Liste, die den Zertifikatsanmeldungen beigefügt gewesen sei, gehe eindeutig hervor, dass dieses Dokument keine technische Genehmigung sei.
405 Die Angabe der Nummer der technischen Genehmigung für Luxemburg beruhe auf einem Fehler von AZ und gehe auf das Luxemburger Patentamt zurück. Der Leiter der Patentabteilung von Astra habe bei der Anhörung die Gutgläubigkeit von AZ bezeugt.
406 Was die Anwendung des luxemburgischen Gesetzes über die technische Genehmigung angehe, die im Abschnitt „Rechtsvorschrift“ der Weisungen vom 7. Juni 1993 vorgesehen sei, so habe AZ diese Klausel auf Hinweis der Patentanwälte in Luxemburg eingefügt. Insoweit sei auf die Aussage des Luxemburger Patentanwalts zu verweisen.
407 Zu den Unstimmigkeiten, die sich daraus ergäben, dass in den abschließenden Weisungen der Patentabteilung von Astra drei verschiedene Arten von Genehmigungszeitpunkten für die Vervollständigung der Zertifikatsanmeldungen bezüglich der verschiedenen Produkte gebraucht worden seien, machen die Klägerinnen erneut geltend, diese Unstimmigkeiten seien den beschränkten Mitteln und den zeitlichen Zwängen zuzuschreiben, mit denen AZ konfrontiert gewesen sei. Die Zeitpunkte der technischen Genehmigungen für die Produkte mit Ausnahme von Omeprazol und Omeprazol Sodium lägen im Jahr 1988 oder später. Die Genehmigungen für das tatsächliche Inverkehrbringen in der Gemeinschaft seien daher zwangsläufig später erfolgt. Durch die Verwendung des Zeitpunkts der technischen Genehmigungen sei für Astra gewährleistet gewesen, dass die ergänzenden Schutzzertifikate in jedem Fall erteilt werden würden, auch wenn deren Laufzeit kürzer gewesen sei als die, auf die sie ihrer Meinung einen Anspruch gehabt habe. Was das Felodipin betreffe, so sei der Zeitpunkt der technischen Genehmigung der 29. Dezember 1987 gewesen, was die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats in Dänemark und Deutschland ausgeschlossen habe. AZ habe daher den Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung der technischen Genehmigung angegeben.
408 AZ habe nicht gewusst, dass der in der Luxemburger Liste aufgeführte Zeitpunkt falsch sei. Im Memorandum von Hässle vom 30. März 1993 sei darauf hingewiesen worden, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Produktpreises maßgebend sei, und bestätigt worden, dass in Luxemburg der Preis eines Produkts amtlich bekannt gemacht werden müsse, bevor es in den Apotheken verkauft werden dürfe. Am 7. April 1993 habe Hässle in dem Memorandum mit dem Titel „Re. Submission of SPC Application“ der Patentabteilung zusätzliche Informationen geliefert, die ihr die belgische Vertriebsgesellschaft von AZ mitgeteilt und zu denen die Luxemburger Liste vom März 1988 gehört habe. Die belgische Vertriebsgesellschaft habe diese Liste als Kopie eines amtlichen Dokuments bezeichnet, in dem die in Luxemburg genehmigten Produkte aufgeführt seien. Hässle sei zu der Annahme berechtigt gewesen, dass die von der belgischen Vertriebsgesellschaft gelieferte Information den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Produktpreises in Luxemburg betroffen habe.
409 Aus der Tatsache, dass das Deckblatt der Luxemburger Liste das Datum März 1998 getragen habe und das Datum auf der maßgeblichen Seite der Liste der 21. März 1988 gewesen sei, habe vernünftigerweise geschlossen werden können, dass der 21. März 1988 der Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen gewesen sei. Die Feststellung der Kommission, dass AZ, auch wenn sie ihre auf dem tatsächlichen Inverkehrbringen fußende Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 heranziehe, sich vernünftigerweise nicht auf die Luxemburger Liste habe stützen können, sei daher offensichtlich unzutreffend. Untermauert werde dieses Vorbringen durch die Nrn. 8 bis 11 der Aussage von Frau C. Der von der Kommission angeführte Umstand, dass Frau D. die „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ nicht bekannt gewesen sei, sei kein Beweis dafür, dass es den bewussten Versuch gegeben habe, einen unzutreffenden Zeitpunkt zu verwenden.
410 Die Kommission mache ferner zu Unrecht geltend, dass sich das Rechtsgutachten, das eine der hinzugezogenen Anwaltskanzleien erstattet habe, nicht mit der Luxemburger Liste befasst habe und daher ohne Bedeutung sei. [vertraulich] Es treffe zwar zu, dass es in den Weisungen vom 7. Juni 1993 bedauerlicherweise Unstimmigkeiten gegeben habe, doch seien diese Unstimmigkeiten keineswegs Teil einer Strategie zur Verschleierung der Grundlage des Zertifikatsanmeldungen und der Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 gewesen; es gebe keinen hinreichenden Beweis, mit dem die Kommission diese Behauptung belegen könne.
411 Unzutreffend sei zudem das Vorbringen der Kommission, wonach die Ausführungen des Leiters der Patentabteilung in Nr. 34 seiner Aussage zu dem Grund, aus dem der Zeitpunkt der französischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Weisungen an die Patentanwälte verwendet worden sei, im Widerspruch zu den Erläuterungen stehe, die AZ in Randnr. 6.84 ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gegeben habe.
412 Was die Einwände der Kommission in Bezug auf den Umstand betreffe, dass in der Zertifikatsanmeldung für Felodipin der Zeitpunkt der dänischen Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen nicht verwendet worden sei, zeige das Dokument, auf das die Kommission ihre Behauptung stütze, dass AZ vom Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens dieses Produkts schon seit 30. März 1993 Kenntnis gehabt habe – ein Telefax dieses Datums, das Hässle an die unternehmenseigenen Patentanwälte von Astra gesandte habe –, dass die Lage bezüglich Felodipin in Dänemark nicht klar gewesen sei und dass Astra noch geschwankt habe, welchen Standpunkt sie einnehmen solle. Felodipin sei ein Produkt gewesen, bei dem der Genehmigungszeitpunkt ein Problem habe werden können, da der Zeitpunkt der technischen Genehmigung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats zu früh gelegen habe. Die Bestimmung des rechtlich relevanten Zeitpunkts sei daher für AZ wichtig gewesen.
413 Der Zeitpunkt für das tatsächliche Inverkehrbringen in Dänemark sei in der Zertifikatsanmeldung für Felodipin nicht verwendet worden, weil er irrelevant gewesen sei, da er weder die erste dänische Genehmigung gemäß der Richtlinie 65/65 noch die erste Genehmigung in der Gemeinschaft dargestellt habe. Es treffe nicht zu, dass der Leiter der Patentabteilung in der mündlichen Anhörung bei der Kommission erklärt habe, er habe die Zeitpunkte des tatsächlichen Inverkehrbringens für alle Produkte verwenden wollen; in Wirklichkeit habe er erklärt, er hätte es „gern gesehen, dass den acht Anmeldungen das effektive, ordnungsgemäße und umfassende erste Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen zugrunde liegt, mit Preis und allen sonstigen erforderlichen Informationen“. Überdies seien der dänische Patentanwalt und das dänische Patentamt über die Grundlage informiert gewesen, auf der AZ ihre Zertifikatsanmeldung für Felodipin eingereicht habe; dies sei in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt worden.
414 Allgemein werde bestritten, dass AZ ihre Auslegung des rechtlichen Rahmens im Nachhinein vorgebracht habe, um die Zugrundelegung des Zeitpunkts März 1988 zu rechtfertigen; insoweit sei auf das Memorandum von Hässle vom 30. März 1993 zu verweisen. Die Kommission widerspreche sich mit ihrer Behauptung, dass AZ ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 nach Einreichung der Zertifikatsanmeldungen und im Rahmen des Rechtsstreits entwickelt habe, der sich an die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate angeschlossen habe. Aus den Erwägungsgründen 239 bis 245 und 705 der angefochtenen Entscheidung ergebe sich nämlich, dass AZ zwischen März und Juni 1994 in Bezug auf die Auslegung der genannten Verordnung um rechtlichen Rat nachgesucht habe. Die Kommission habe überdies im 697. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt, dass AZ im September 1993 beschlossen habe, vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs zwecks Erlangung eines ergänzenden Schutzzertifikats ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ zu verteidigen. Außerdem habe die Kommission im 222. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass der in Deutschland anhängige Rechtsstreit Ratiopharm, der als das erste Gerichtsverfahren betrachtet worden sei, in dessen Rahmen AZ ihre Strategie auf dem Gebiet ergänzender Schutzzertifikate verteidigt habe, am 18. Juni 1996 begonnen habe. Gestützt werde dieses Vorbringen durch die Aussage von Herrn W.
Zur zweiten Phase des Missbrauchs
– Zur Natur des Vorbringens bezüglich der zweiten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
415 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission untergliedere die zweite Phase des Missbrauchs in drei Teile. Erstens sei die Kommission davon ausgegangen, dass AZ versucht habe, gegenüber bestimmten Patentämtern den früheren Zeitpunkt der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich, den 15. April 1987, zu verschleiern, mit dem Ziel, eine zusätzliche Schutzfrist von sieben Monaten durch das ergänzende Schutzzertifikat zu erlangen. Diese Behauptung stehe aber in keinem Zusammenhang mit dem Vorbringen zur ersten Phase des Missbrauchs, das weder die Zugrundelegung des Zeitpunkts der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg noch irgendeinen Versuch betreffe, auf dieser Grundlage ein ergänzendes Schutzzertifikat zu erlangen.
416 Zweitens behaupte die Kommission, AZ habe die Patentanwälte und die Patentämter in Unkenntnis über ihre auf dem Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens beruhende Strategie gelassen. Das Vorbringen, es habe an Erläuterungen gefehlt, unterscheide sich aber von dem Vorbringen, es seien vermutlich bewusst inkohärente Zeitpunkte zugrunde gelegt worden, um die Behörden irrezuführen. Zahlreiche Beweise belegten, dass AZ ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ sowohl ihren Patentanwälten als auch den Patentämtern erläutert habe. Sofern es an Erläuterungen gefehlt haben sollte, sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass dies vorsätzlich geschehen sei.
417 Drittens behaupte die Kommission, auch wenn sich AZ nach ihren Angaben bei den Zertifikatsanmeldungen auf die Luxemburger Liste gestützt habe, habe sie von einer wachsenden Zahl von Beweisen gewusst, die belegt hätten, dass das Losec in Luxemburg vor dem 21. März 1988 in den Verkehr gebracht worden sei. Diese Behauptung entbehre jedoch der Grundlage; AZ habe vernünftigerweise davon ausgehen dürfen, dass der 21. März 1988 der Zeitpunkt des ersten tatsächlichen Inverkehrbringens in Luxemburg gewesen sei.
418 Die Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission stütze, stellten Unterlassungen und keine betrügerischen Erklärungen dar. Dass AZ ihren Patentanwälten und den Patentämtern nicht sämtliche Umstände vollständig, offen und genauestens zur Verfügung gestellt habe, könne keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen.
– Zu den Weisungen an die Patentanwälte
419 Die Patentabteilung von AZ habe, bevor sie den externen Patentanwälten am 7. Juni 1993 die Standardformulare für die Weisungen übersandt habe, wegen der Kürze der ihr zur Verfügung stehenden Frist begrenzte Änderungen allein an den Zeitpunkten der in Frankreich und Luxemburg erlangten Genehmigungen vorgenommen. Zwar hätten diese Änderungen zu einem augenscheinlichen Widerspruch zwischen den Informationen geführt, die den Weisungen an die Patentanwälte beigefügt worden seien, doch habe dieser Widerspruch keine Informationen betroffen, die für die verschiedenen Anmeldungen unmittelbar von Bedeutung gewesen seien.
420 Die Kommission habe AZ zu Unrecht vorgeworfen, weder den Patentanwälten noch den Patentämtern ihre auf der „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ beruhende Strategie erläutert zu haben. Angesichts des förmlichen Charakters der Weisungen sei von AZ nicht zu erwarten gewesen, dass sie die von ihr zugrunde gelegte Auslegung im Einzelnen erläutere, was ihrer üblichen Praxis entsprochen habe. Es wäre eher ungewöhnlich gewesen, wenn AZ dies getan hätte. Daher sei vorgesehen gewesen, dass die Patentanwälte bei Bedarf von AZ Klarstellungen verlangen könnten. Dass AZ jedem ihrer Patentanwälte eine Kopie der Luxemburger Liste übersandt und ihnen den Zeitpunkt März 1998 mitgeteilt habe, widerspreche außerdem der Auffassung, wonach AZ versucht habe, die ihren Anmeldungen zugrunde gelegte Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 zu verschleiern, da aus der genannten Liste klar hervorgehe, dass es sich nicht um den Zeitpunkt einer technischen Genehmigung gehandelt habe. Das Verhalten von AZ, das darin bestanden habe, Informationen nur auf Anforderung mitzuteilen, sei nicht ungewöhnlich und könne folglich kein klarer und überzeugender Beweis für eine versuchte Täuschung oder einen Missbrauch sein.
421 AZ habe ferner die Bedeutung der „ersten Genehmigung“ mit mehreren Patentanwälten nach Einreichung der Anmeldungen erörtert. Aus den Beweisen, die der Kommission im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden seien, ergebe sich, dass der Leiter der Patentabteilung und Herr H, der ebenfalls der Patentabteilung von AZ angehört habe, den Patentanwälten in den meisten der betroffenen Länder die von AZ zugrunde gelegte Auslegung der Verordnung über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats erläutert hätten. Die Kommission lasse diese Beweise zwar nicht zu, bringe aber keinen Beweis bei, aus dem sich ergebe, in welchem Umfang die Patentanwälte über die Grundlage der Anmeldungen von AZ informiert gewesen seien.
– Zu den Erklärungen vor dem Luxemburger Patentamt (Juni 1993)
422 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission behaupte in den Erwägungsgründen 682 bis 686 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht, dass AZ weder den Luxemburger Patentanwalt noch das Luxemburger Patentamt über den Zeitpunkt der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich informiert habe und dass AZ in ihrem Schreiben vom 11. Juni 1993 dem französischen Patentanwalt nicht die Grundlage ihrer Auslegung erläutert habe, so dass Letzterer der Meinung gewesen sei, er übersende die Veröffentlichung der technischen Genehmigung in Luxemburg.
423 Der französische Patentanwalt habe den Auftrag gehabt, die Zertifikatsanmeldungen in Frankreich und Luxemburg einzureichen. Er habe seinen eigenen Patentanwalt in Luxemburg damit beauftragt, als Unterbevollmächtigter die Zertifikatsanmeldungen von Astra in Luxemburg einzureichen. Astra habe somit in keinem unmittelbaren Kontakt mit dem Luxemburger Patentanwalt oder dem Luxemburger Patentamt gestanden.
424 Mit Schreiben vom 10. Juni 1993 habe der französische Patentanwalt von AZ u. a. die Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Luxemburg erbeten. Aus diesem Schreiben ergebe sich, dass dieser Kanzlei bekannt gewesen sei, dass die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich am 15. April 1987 erteilt worden sei. Mit Schreiben vom 11. Juni 1993 habe AZ die technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Omeprazol und Omeprazol Sodium in Luxemburg übermittelt. [vertraulich] Da der französische Patentanwalt somit die Zeitpunkte der technischen Genehmigungen in Frankreich und in Luxemburg gekannt habe, treffe es nicht zu, das AZ ihm gegenüber den Anschein erweckt habe, dass März 1988 der Zeitpunkt der Veröffentlichung der technischen Genehmigung und nicht der Veröffentlichung des Preises bezüglich der Genehmigung für das Inverkehrbringen gewesen sei. [vertraulich] Die betreffenden Patentanwälte hätten wissen müssen, dass die Veröffentlichung in der Luxemburger Liste nicht der Veröffentlichung der technischen Genehmigung gleichkomme.
425 [vertraulich] Da der französische Patentanwalt dem Luxemburger Patentanwalt unmittelbar Weisungen erteilt und den Zeitpunkt der technischen Genehmigung in Frankreich gekannt habe, habe es an ihm gelegen, diese Information an den Luxemburger Patentanwalt weiterzuleiten, falls er sie für wichtig erachtet hätte. Es gebe keinen Beleg für die Annahme, dass AZ dem französischen Patentanwalt die Weisung erteilt habe, die Information nicht an den Luxemburger Unterbevollmächtigten weiterzuleiten.
426 Die Kommission habe keinen ernst zu nehmenden Beleg zur Stützung ihrer Behauptung vorgelegt, wonach aus der Erwähnung des nationalen Amtsblatts im Schreiben vom 17. Juni 1993 geschlossen werden könne, dass der französische Patentanwalt verstanden habe, dass der angeführte Zeitpunkt der Zeitpunkt der technischen Genehmigung gewesen sei. AZ habe von diesem Schreiben keine Kenntnis gehabt und könne nicht für die irrige Auffassung des französischen Patentanwalts verantwortlich gemacht werden, da sie ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es sich um die Veröffentlichung in der Luxemburger Liste gehandelt habe.
427 Auch das Schreiben des französischen Patentanwalts an AZ vom 17. Juni 1993, auf das die Kommission im 205. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nehme, beweise nicht, dass der Patentanwalt die Luxemburger Liste für die Veröffentlichung der technischen Genehmigung gehalten habe und davon ausgegangen sei, dass AZ dieselbe Theorie für alle ihre Produkte verwenden wolle. Das Schreiben beziehe sich zwar auf die „Zeitpunkte der Veröffentlichung der Genehmigungen in ‚Spécialités pharmaceutiques‘“, doch sei der Gebrauch des Begriffs „Genehmigungen“ auf seine Verwendung in der Verordnung Nr. 1768/92 zurückzuführen, die insoweit selbst missverständlich sei, da der Begriff „Genehmigung“ entweder die technische Genehmigung oder die Genehmigung für das Inverkehrbringen bezeichnen könne. Aus der Aussage des Luxemburger Patentanwalts ergebe sich, dass er nicht getäuscht worden und auch nicht davon ausgegangen sei, dass dies bei dem französischen Patentanwalt der Fall gewesen sei.
428 Dass der Luxemburger Patentanwalt das Schreiben vom 17. Juni 1993 erst nach Einreichung der Zertifikatsanmeldung erhalten habe, sei unerheblich, da er in seiner ursprünglichen Zertifikatsanmeldung keinen Zeitpunkt angegeben und den Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg, den 21. März, erst später handschriftlich eingefügt habe.
– Zu den Erklärungen vor dem belgischen Patentamt (September bis November 1993)
429 Im Anschluss an die Bitte des belgischen Patentamts um nähere Angaben zum genauen Zeitpunkt der Genehmigung in Luxemburg habe AZ den belgischen Patentanwalt angewiesen, [vertraulich].
430 Am 10. September 1993 habe die belgische Vertriebsgesellschaft von Astra auf deren Ersuchen dem belgischen Patentanwalt die Dokumente übersandt, die dieser angefordert habe. Am 29. September 1993 habe der belgische Patentanwalt darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach der Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg der Zeitpunkt sei, der auf der gemäß der Richtlinie 65/65 in geänderter Fassung unterzeichneten Genehmigung vermerkt sei, und dass er mangels gegenteiliger Weisungen den 16. November 1987 als Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg angeben werde. Am 30. September 1993 habe der belgische Patentanwalt dem belgischen Patentamt die am 16. November 1987 unterzeichneten Dokumente bezüglich der technischen Genehmigung in Luxemburg übermittelt und Astra am 4. Oktober 1993 darüber informiert, dass die Zertifikatsanmeldung dahin gehend geändert worden sei, dass als Zeitpunkt für das Inverkehrbringen in Luxemburg der 16. November 1987 angegeben worden sei.
431 Am 16. November 1993 habe das belgische Patentamt das belgische ergänzende Schutzzertifikat erteilt. Die Patentabteilung von AZ habe nicht bemerkt, dass dem ergänzenden Schutzzertifikat ein falscher Zeitpunkt zugrunde gelegen habe; dies sei erst 1996 bemerkt worden, als das ergänzende Schutzzertifikat infolge des Rechtsstreits in Deutschland überprüft worden sei. Im Mai 1998 habe AZ beim belgischen Patentamt beantragt, die Laufzeit ihres ergänzenden Schutzzertifikats zu ändern und sie nach Maßgabe der von ihr zugrunde gelegten Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, die auf der „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ beruht habe, beginnend mit dem 21. März 1988 zu berechnen. Ein belgisches Gericht habe das ergänzende Schutzzertifikat am 25. September 2002 für nichtig erklärt.
432 Die Schlussfolgerung der Kommission, wonach AZ das belgische Patentamt durch die Mitteilung des Zeitpunkts der technischen Genehmigung in Luxemburg getäuscht und ihrem belgischen Patentanwalt ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ nicht erläutert habe, sei falsch. Die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass es AZ darum gegangen sei, dass die Anmeldung ihrer auf dem Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen, dem 21. März 1988, beruhenden Auslegung entspreche. Es sei der Patentanwalt gewesen, der entschieden habe, den Zeitpunkt der technischen Genehmigung in Luxemburg zugrunde zu legen. Die Kommission habe auch nicht berücksichtigt, dass AZ im Mai 1998 beantragt habe, das belgische ergänzende Schutzzertifikat dahin gehend zu ändern, dass es ihre auf dem Zeitpunkt der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen, dem 21. März 1988, beruhende Auslegung ordnungsgemäß widerspiegele, und dabei klar darauf hingewiesen habe, dass es sich um ihre eigene Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 handele. Insoweit sei auf die Aussagen von Herrn P. und Herrn M. zu verweisen. AZ habe die betreffenden Behörden auch auf alle relevanten Zeitpunkte aufmerksam gemacht. Es treffe nicht zu, dass AZ aufgrund des Rechtsstreits mit Ratiopharm in Deutschland und aufgrund der Anmeldung von Omeprazol Sodium in Belgien gezwungen gewesen sei, ihre Theorie offenzulegen, und hierfür gebe es auch keinerlei Beweise.
433 AZ habe das Schreiben vor Ablauf des Wirkstoffpatents abgesandt und folglich nie versucht, aus dem sieben Monate dauernden zusätzlichen Schutz Nutzen zu ziehen. Hätte AZ das Patentamt durch Angabe eines unzutreffenden Zeitpunkts der technischen Genehmigung täuschen wollen, um einen sieben Monate dauernden zusätzlichen Schutz zu erlangen, hätte sie niemals unter Hinweis auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens die Änderung ihres ergänzenden Schutzzertifikats beantragt.
– Zu den Erklärungen vor dem niederländischen Patentamt (November und Dezember 1993)
434 Am 26. November 1993 habe der niederländische Patentanwalt AZ zwei gleichlautende Schreiben gesandt, in denen über die Prüfungsberichte bezüglich der Zertifikatsanmeldungen für Omeprazol-Kapseln und Omeprazol Sodium informiert und die Ungenauigkeit des Zeitpunkts der ersten Genehmigung beanstandet worden sei. Mit zwei gleichlautenden Schreiben habe AZ darauf hingewiesen, [vertraulich]. Der 16. November 1987 sei der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen von Omeprazol Sodium in der Gemeinschaft gewesen. Dieser Zeitpunkt treffe jedoch nicht für die Kapseln zu, und seine Angabe beruhe daher auf einem Versehen.
435 Der Patentanwalt von AZ habe das niederländische Patentamt darauf hingewiesen, dass die Luxemburger Liste die einzige amtliche Veröffentlichung in Luxemburg sei, was der Auffassung der Luxemburger Vertriebsgesellschaft von Astra entsprochen habe. Das Patentamt habe unter Nennung des 16. November 1987 ein ergänzendes Schutzzertifikat mit einer Laufzeit vom 3. April 1999, dem Zeitpunkt des Ablaufs des Wirkstoffpatents, bis zum 16. November 2002 – und nicht bis April 2002, dem Zeitpunkt, der festgesetzt worden wäre, wenn der Patentanwalt den Zeitpunkt der technischen Genehmigung in Frankreich angegeben hätte – erteilt. Im Mai 1998 habe AZ beim niederländischen Patentamt beantragt, das Datum des 16. November 1987 zu berichtigen, und dazu ausgeführt, dass alle für das Inverkehrbringen des Produkts im ersten Mitgliedstaat, nämlich Luxemburg, erforderlichen Genehmigungen erstmals am 21. März 1988 erteilt worden seien.
436 Die Schlussfolgerungen der Kommission, wonach AZ das niederländische Patentamt durch Mitteilung des Zeitpunkts der technischen Genehmigung in Luxemburg getäuscht und es unterlassen habe, ihrem niederländischen Patentanwalt ihre auf der „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ fußende Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 zu erläutern, gingen fehl. Zunächst hätte die Kommission den Beweis dafür, dass AZ den 16. November 1987 versehentlich angegeben habe, akzeptieren müssen. Dieses Versehen sei dadurch entstanden, dass die beiden in Rede stehenden Schreiben gleichzeitig und unter Verwendung des gleichen Formulars abgefasst worden seien; es sei unwahrscheinlich, dass AZ bewusst entschieden habe, die Weisung zu erteilen, für Omeprazol das Datum des 16. November 1987 anzugeben, da eine derartige Weisung im Widerspruch zu den in allen anderen Ländern erteilten Weisungen gestanden hätte.
437 Überdies habe die Kommission wiederum nicht berücksichtigt, dass AZ im Mai 1998 beim niederländischen Patentamt einen Antrag auf Berichtigung dieses Datums gestellt und die Behörden auf sämtliche relevanten Daten aufmerksam gemacht habe. Außerdem habe AZ diesen Antrag vor Ablauf des Wirkstoffpatents gestellt, was beweise, dass sie nicht beabsichtigt habe, den sieben Monate dauernden zusätzlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Es gebe auch keinen stichhaltigen Beleg für die Behauptung der Kommission, dass AZ ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ dem niederländischen Patentanwalt nicht erläutert habe. Insoweit sei auf die Aussage des niederländischen Patentanwalts von AZ zu verweisen.
438 Dem Vorbringen der Kommission, wonach das Telefax vom 16. Dezember 1993, auf das in Nr. 9 der Aussage des niederländischen Patentanwalts Bezug genommen werde, bei dem Patentanwalt den Eindruck habe erwecken sollen, dass sich die Veröffentlichung in der Luxemburger Liste auf die technische Genehmigung beziehe, sei entgegenzuhalten, dass es in dem Telefax heiße, dass diese Liste die Mitteilung darstelle, mit der die Erteilung der „Genehmigung für das Inverkehrbringen“ bekannt gemacht worden sei.
439 Auch die Behauptung der Kommission, es gebe keinen Beweis für die Angabe des Leiters der Patentabteilung in Nr. 54 seiner Aussage, dass AZ „durch ihre niederländischen [Patentanwälte] darüber informiert [war], dass sie nichts unternehmen konnte“, treffe nicht zu; hierzu sei auf das auf den Seiten 4489 bis 4491 der Akten der Kommission zu findende handschriftliche Protokoll einer Sitzung vom 11. Dezember 1996 in London sowie auf Randnr. 6.154 der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu verweisen.
440 Das von der Kommission angeführte Telefax des Leiters der Patenabteilung vom 11. Oktober 1996 an den Leiter der niederländischen Vertriebsgesellschaft belege nicht, dass der Leiter der Patentabteilung gewusst habe, dass das unzutreffende Datum der Genehmigung in Luxemburg anstelle des Datums der französischen technischen Genehmigung oder des Datums des tatsächlichen Inverkehrbringens in Luxemburg herangezogen worden sei. Dieses Telefax zeige lediglich, dass dem Leiter der Patentabteilung bewusst gewesen sei, dass die Gerichte und Patentämter die „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ möglicherweise nicht akzeptieren würden, wodurch AZ gegebenenfalls einen sechsmonatigen Schutz aufgrund der ergänzenden Schutzzertifikate verlieren würde.
– Zu den Erklärungen vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs (Januar bis Juni 1994)
441 Die Klägerinnen erinnern zunächst daran, dass AZ im Dezember 1993 bei zwei Anwaltskanzleien Rat zum innerstaatlichen luxemburgischen Recht und zum Gemeinschaftsrecht eingeholt habe.
442 Sie führen sodann aus, dass das Patentamt des Vereinigten Königreichs nach Eingang der Anmeldung im Juni 1993 AZ am 7. September 1993 um Mitteilung des genauen Zeitpunkts der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen gebeten habe. Mit Schreiben vom 7. Januar 1994 habe der Patentanwalt von Astra im Vereinigten Königreich das Patentamt des Vereinigten Königreichs davon in Kenntnis gesetzt, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft der in der Luxemburger Liste aufgeführte Zeitpunkt sei, d. h. der 21. März 1988. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 habe das Patentamt des Vereinigten Königreichs geantwortet, dass der genaue Zeitpunkt der Genehmigung in Luxemburg der 16. November 1987 gewesen sei.
443 Am 16. Juni 1994 habe AZ dem Patentamt des Vereinigten Königreichs die Stellungnahmen der beiden konsultierten Anwaltskanzleien zum innerstaatlichen luxemburgischen Recht und zum Gemeinschaftsrecht vorgelegt. AZ habe auch die Informationen verglichen und alle möglicherweise relevanten Daten bei den Vertriebsgesellschaften der einzelnen Mitgliedstaaten zusammengetragen, um ihre Auffassung zur Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen zu untermauern. Mit Memorandum vom 14. Februar 1994 habe daher die Patentabteilung Hässle gebeten, ihr mitzuteilen, [vertraulich].
444 Im Rahmen der von Hässle koordinierten Nachforschungen bei den Vertriebsgesellschaften habe Herr S., ein Mitarbeiter von Astra Luxembourg, Hässle mit Telefax vom 3. März 1994 darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt, zu dem die gemäß der Richtlinie 65/65 erteilte Genehmigung unterzeichnet worden sei, der 16. November 1987 gewesen sei und dass die Preisvereinbarung dem Schreiben des Ministeriums vom 17. Dezember 1987 entsprochen habe. Er habe auch die Veröffentlichung in der Luxemburger Liste von März 1988 als Veröffentlichung im Mémorial (Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg) beschrieben und mitgeteilt, dass die Erstverkäufe am 11. März 1988 erfolgt seien. Im Anschluss an die Antworten, die Hässle der Patentabteilung übermittelt habe und in denen u. a. mitgeteilt worden sei, dass die Genehmigung im März 1988 veröffentlicht worden sei, habe die Patentabteilung Hässle aufgefordert, die Daten bezüglich der verschiedenen Länder und Produkte zu überprüfen. Mit Telefax vom 8. April 1994 habe Hässle das Datum der amtlichen Veröffentlichung des Preises auf den 21. März 1988 berichtigt und den Zeitpunkt des Schreibens bezüglich der Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 16. November 1987 auf den unzutreffenden Zeitpunkt des 5. Oktober 1987 geändert.
445 Nachdem Hässle Herrn S. erneut um nähere Angaben zu den relevanten Daten gebeten habe, habe dieser nochmals sein Telefax vom 3. März 1994 übersandt. Am 30. Mai 1994 habe Hässle Herrn S. erneut um Bestätigung gebeten, dass der Zeitpunkt der amtlichen Veröffentlichung des Preises der 21. März 1988 gewesen sei. Mit Telefax vom 8. Juni 1994 habe Herr S. geantwortet, dass die Zustimmung zu den Preisen am 17. Dezember 1987 erteilt, aber nicht veröffentlicht worden sei und dass die amtliche Veröffentlichung der Genehmigung im Mémorial im März 1988 erfolgt sei.
446 Am 16. Juni 1994 habe der Patentanwalt von AZ im Vereinigten Königreich eine neue Anmeldung beim Patentamt des Vereinigten Königreichs eingereicht, dem eine Tabelle mit den verschiedenen Etappen des Genehmigungsverfahrens für Omeprazol in den einzelnen Ländern sowie eine Aufstellung der wichtigsten Daten in Bezug auf diese Genehmigungsverfahren beigefügt gewesen seien. Nach dieser Tabelle seien die technische Genehmigung in Frankreich am 15. April 1987 erteilt und die Eintragung und amtliche Veröffentlichung des Preises in Luxemburg am 21. März 1988 erfolgt. In der genannten Anmeldung sei dargelegt worden, dass es in Luxemburg praktisch unmöglich gewesen sei, ein Arzneimittel vor dessen Aufnahme in die vom Gesundheitsministerium veröffentlichte Liste der Arzneimittel, deren Inverkehrbringen genehmigt worden sei, zu vertreiben. Das Patentamt sei dieser Auffassung von AZ jedoch nicht gefolgt und habe die Ansicht vertreten, dass das korrekte Datum der Zeitpunkt der in Frankreich erteilten Genehmigung sei, also der 15. April 1987.
447 Die Klägerinnen verweisen darüber hinaus auf die Nrn. 8 bis 11 der Aussage von Herrn W., des externen Patentanwalts von Astra während des fraglichen Zeitraums. Sie führen aus, AZ habe ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 und den Grund, aus dem sie den 21. März 1988 vorgeschlagen habe, dem Patentamt des Vereinigten Königreichs ausdrücklich dargelegt. AZ habe außerdem den Zeitpunkt der technischen Genehmigung in Frankreich, den 15. April 1987, ohne Schwierigkeiten dem Patentamt des Vereinigten Königreichs und seinen Patentanwälten übermittelt. Angesichts des Verhaltens von AZ gegenüber dem Patentamt des Vereinigten Königreichs sei es nicht plausibel, dass sie versucht haben solle, die Behörden bei ihren Anmeldungen in den anderen Ländern, vor allem in den Benelux-Ländern, zu täuschen.
448 Die Schlussfolgerung der Kommission, wonach sich aus der Anmeldung vom 14. Februar 1994 ergeben habe, dass AZ nicht gewusst habe, ob Losec in Luxemburg vor dem Abschluss der Preisverhandlungen verkauft worden sei, sei falsch. Diese Anmeldung habe alle Mitgliedstaaten und nicht nur Luxemburg betroffen, und AZ sei darüber informiert gewesen, dass in Luxemburg die Preisverhandlungen abgeschlossen und amtlich veröffentlicht sein müssten, bevor ein Produkt auf den Markt gebracht werden könne; dies sei dem Memorandum von Hässle an die Patentabteilung vom 30. März 1993 zu entnehmen.
449 In Bezug auf die Erwägung der Kommission, wonach sich aus dem Telefax vom 3. März 1994 ergebe, dass AZ gewusst habe, dass die Erstverkäufe in Luxemburg am 11. März 1988 und nicht am 21. März 1988 stattgefunden hätten, führen die Klägerinnen erstens aus, dass sich das Telefax vom 3. März 1994 auf die Verkäufe als „offizielle Einführung“ des Produkts bezogen und nicht die Verkäufe in praktischer Hinsicht betroffen habe. In der Zertifikatsanmeldung sei darauf hingewiesen worden, dass Ärzte und Apotheken ein Arzneimittel nicht verschrieben bzw. abgäben, solange sie nicht die Liste der zugelassenen Produkte erhalten hätten. Zweitens habe AZ ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Informationen gehabt, die Herr S. in seinem Telefax vom 3. März 1994 übermittelt habe. Insbesondere habe es insofern unzutreffende Angaben enthalten, als zum einen die Eintragung vom 16. November 1987 allein die klinischen Versuche, nicht aber die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffen habe und zum anderen die Veröffentlichung vom März 1988 die Veröffentlichung der gemäß der Richtlinie 65/65 erteilten Genehmigung im Mémorial gewesen sei, die in Wirklichkeit am 4. Dezember 1987 erfolgt sei. AZ sei darüber informiert gewesen, dass die Preisverhandlungen abgeschlossen und amtlich veröffentlicht sein müssten, bevor ein Produkt auf den Markt gebracht werden könne, wie sich aus dem Memorandum von Hässle an die Patentabteilung vom 30. März 1993 ergebe. Dass nach Auffassung von Herrn S. die „offizielle Einführung“ des Produkts am 11. März erfolgt sei, bedeute daher nicht, dass in der Praxis Verkäufe möglich gewesen seien.
450 AZ habe es daher vorgezogen, sich auf die zuvor erhaltenen und durch die Luxemburger Liste bestätigten Informationen zu stützen, denen zufolge der relevante Zeitpunkt der 21. März 1988 gewesen sei. Insoweit sei auf die Aussage von Frau J. zu verweisen. Die Kommission könne in Anbetracht des Kontexts, in dem Telefax von Herrn S. übersandt worden sei, und angesichts dessen, dass AZ die Luxemburger Liste zur Verfügung gestanden habe, nicht geltend machen, dass AZ nur über die im Telefax enthaltenen Informationen verfügt habe. Die Behauptung der Kommission, AZ sei bösgläubig gewesen, als sie auf den 21. März 1988 abgestellt habe, sei daher nicht stichhaltig.
451 Es treffe nicht zu, dass AZ aktiv den Eindruck gefördert habe, dass die Luxemburger Liste die Veröffentlichung der technischen Genehmigung gewesen sei. Das an den niederländischen Patentanwalt gerichtete Telefax vom 16. Dezember 1993, auf das sich die Kommission beziehe, enthalte keine derartige Unterstützung, und Herr S. habe es ohnehin nie gesehen.
452 Jedenfalls könne der Umstand, dass AZ den 21. März und nicht den 11. März angegeben habe, also das nach ihrer Auslegung zutreffende Datum, keinen Täuschungsvorwurf begründen, da die Täuschung gegenüber dem Patentamt des Vereinigten Königreichs, das die Theorie von AZ in vollem Umfang zurückgewiesen habe, wirkungslos gewesen sei.
– Zur Rücknahme der Zertifikatsanmeldung in Dänemark (November 1994)
453 Die Klägerinnen führen zunächst aus, die Rücknahme einer Zertifikatsanmeldung könne kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sein. Taktisches Vorgehen oder mangelnde Transparenz könne ebenfalls kein Missbrauch sein. Die Berichte zeigten zudem, dass AZ beabsichtigt habe, ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 in Deutschland zu verteidigen. Bei dem Verhalten von AZ handele es sich allenfalls um ein „forum shopping“. Der bloße Umstand, dass AZ den März 1988 bei der in Dänemark eingereichten Anmeldung herangezogen habe, könne kein Missbrauch sein, da diese Angabe auf der legitimen Anwendung einer Auslegung der Verordnung Nr. 1786/92 beruhe. Insoweit könne die Tatsache, dass AZ die Grundlage ihrer juristischen Auslegung der Verordnung nicht offengelegt habe, kein Missbrauch sein.
454 Im 719. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission eingeräumt, dass die Rücknahme zumindest teilweise ihren Grund in der Angabe einer falschen Patentnummer gehabt habe, was ein wesentlicher Fehler der Anmeldung gewesen sei. Insoweit werde auf die Aussagen des dänischen Patentanwalts und eines dänischen Anwalts Bezug genommen. Die Ausführungen über die Rücknahme der Zertifikatsanmeldungen in Dänemark könnten daher, selbst wenn sie erwiesen wären, nicht das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung belegen.
455 Bezüglich der Behauptung der Kommission, AZ habe ihre Anmeldung zurückgenommen, um deren Grundlage nicht erläutern zu müssen, beweise das Protokoll der Sitzung vom 15. November 1994, auf das sich die Kommission insoweit berufen habe, in Wirklichkeit, dass AZ beschlossen habe, ihre These in Deutschland und nicht in Dänemark zu verteidigen, nicht aber, dass sie ihre These nicht habe erläutern wollen. Es sei auch nicht richtig, dass AZ ihre Anmeldung in Dänemark zurückgenommen habe, um eine unerwünschte Kommunikation zwischen den Patentämtern zu verhindern. Zwar zeige das genannte Protokoll, dass sich das Patentamt des Vereinigten Königreichs mit dem dänischen Patentamt in Verbindung gesetzt habe, doch enthalte es keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Rücknahme weitere Kontakte zwischen den Patentämtern hätten verhindert werden sollen.
– Zu den Erklärungen von AZ im Rahmen der zweiten Runde von Zertifikatsanmeldungen
456 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Ausführungen der Kommission im 721. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach AZ Informationen erhalten habe, aus denen hervorgegangen sei, dass Losec vor dem 21. März 1988 verkauft worden sei und dass die Entscheidung über den Preis nie veröffentlicht worden sei. AZ habe Informationen, die darauf hingedeutet hätten, dass die „offizielle Einführung“ des Produkts am 11. März 1988 stattgefunden habe, allenfalls aus einer Quelle erhalten, die andere Informationen geliefert habe, die sich als unzutreffend erwiesen hätten. Die fraglichen Informationen hätten nicht mit früheren Informationen einer als zuverlässiger angesehenen Quelle übereingestimmt, die darauf hingedeutet hätten, dass die Produkteinführung am 21. März 1988 stattgefunden habe und dass die Entscheidung über den Preis in Luxemburg veröffentlicht werden müsse, damit das Produkt tatsächlich auf den Markt gebracht werden könne.
– Zu den Anmeldungen in den Ländern des EWR
457 Was die im 722. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung dargelegten Erwägungen der Kommission angehe, so sei die unterbliebene Angabe des Zeitpunkts der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen in Schweden die Folge eines Versehens unter Umständen, unter denen die Bedeutung dieses Zeitpunkts nicht auf der Hand gelegen habe. Obwohl AZ nämlich über die Genehmigung, die die schwedischen Behörden für Losec erteilt hätten, informiert gewesen sei, sei ihr damals die Bedeutung dieses Datums im Rahmen ihrer Zertifikatsanmeldungen nicht klar gewesen. Die Verordnung Nr. 1768/92 sei in den EFTA-Ländern aufgrund des Beschlusses Nr. 7/94 angewandt worden, der am 1. Juli 1994 in Kraft getreten sei, doch sei dieser Beschluss in Schweden, das sein eigenes durch ergänzende Schutzzertifikate gewährleistetes Schutzsystem gehabt habe, nie angewandt worden. Dass Schweden dem System der ergänzenden Schutzzertifikate des EWR nie beigetreten sei, bedeute zwar nicht, dass der Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens in Schweden ohne Bedeutung gewesen sei, doch sei es verständlich, dass die Bedeutung des Datums der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen in Schweden AZ entgangen sei.
458 Das Vorbringen der Kommission, wonach der Leiter der Patentabteilung in dem an das schwedische Patentamt gerichteten Schreiben vom 21. Dezember 1994 festgestellt habe, dass die ergänzenden Schutzzertifikate für die Länder der Union auf einer die Union betreffenden Grundlage und die ergänzenden Schutzzertifikate für die Länder der EFTA auf einer den EWR betreffenden Grundlage beruhen müssten, gehe fehl. Aus diesem Schreiben ergebe sich vielmehr, dass der Leiter der Patentabteilung klargestellt habe, dass nur der Zeitpunkt der Genehmigung in der Union maßgebend sei. Es gebe zudem keinen Beweis dafür, dass der Leiter der Patentabteilung versucht habe, seinen Standpunkt zu verschleiern; die der Kommission vorliegenden Anhaltspunkte deuteten im Gegenteil darauf hin, dass der Leiter der Patentabteilung seine Meinung offen zum Ausdruck gebracht habe. Auch im Schreiben des schwedischen Patentamts an den Leiter der Patentabteilung vom 3. März 1995 werde nicht klar darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt des Inverkehrbringens in Schweden maßgebend sei, denn darin heiße es, dass es sich um den Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen im EWR „nach Inkrafttreten des EWR-Abkommens“ handele. Mangels Umsetzung des Systems der ergänzenden Schutzzertifikate des EWR in Schweden hätten daher berechtigte Zweifel bestanden, ob das EWR-Abkommen diesen Punkt geregelt habe. Außerdem enthalte der Vermerk vom 26. September 1994 keine Angaben dazu, ob der Zeitpunkt der Genehmigung in Schweden oder in der Union der korrekte Zeitpunkt sei.
459 AZ und ihre Patentanwälte für Österreich, Finnland und Norwegen hätten sich am 6. Dezember 1994 in Wien (Österreich) getroffen und die von AZ herangezogene Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 erörtert. Die Patentanwälte hätten sodann die Zertifikatsanmeldungen eingereicht und hierbei als Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft den 21. März 1988 angegeben. AZ habe folglich nicht versucht, ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ gegenüber ihren Patentanwälten zu verschleiern, was zugleich belege, dass sie sich gegenüber ihren Patentanwälten in Frankreich und den Benelux-Ländern nicht anders verhalten habe. Keiner der Patentanwälte, die an diesem Treffen teilgenommen hätten, habe im Übrigen die Frage aufgeworfen, ob der Zeitpunkt der Genehmigung in Schweden, der 5. Februar 1988, zugrunde zu legen sei.
– Zu den Erklärungen vor dem irischen Patentamt (Oktober 1995)
460 Die Klägerinnen tragen vor, AZ habe gegenüber dem irischen Patentamt angegeben, dass der genaue Genehmigungszeitpunkt der 21. März 1988 gewesen sei, ihm jedoch auch den Zeitpunkt der ersten technischen Genehmigung in Frankreich, den 15. April 1987, mitgeteilt. Die Klägerinnen beanstanden die im 725. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angestellten Erwägungen der Kommission und wiederholen, dass AZ den Zeitpunkt der ersten technischen Genehmigung in der Gemeinschaft, den 15. April 1987, ohne Zögern mitgeteilt habe, was ein Beleg dafür sei, dass sie nicht versucht habe, die Patentämter der Benelux-Länder zu täuschen.
– Zu den Erklärungen vor den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland (Mai 1998)
461 Die Klägerinnen treten auch den Ausführungen der Kommission im 726. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung entgegen, wonach AZ über Informationen verfügt habe, aus denen eindeutig hervorgegangen sei, dass das tatsächliche Inverkehrbringen in Luxemburg vor dem 21. März 1988 stattgefunden habe; sie wiederholen, dass AZ nur über widersprüchliche und wenig überzeugende Informationen verfügt habe.
462 Bei dem Dokument vom 23. Februar 1988, auf das sich die Kommission stütze und in dem der 1. Februar 1988 als Zeitpunkt der Einführung der Omeprazol-Kapseln angegeben sei, handele es sich um eine Liste, die anhand einer internen Datenbank mit Marktinformationen erstellt worden sei. Die örtlichen Vertriebsgesellschaften hätten der Zulassungsabteilung von AZ die Zeitpunkte der Produkteinführung im Voraus mitgeteilt und nur den Monat angegeben, für den die Produkteinführung vorgesehen gewesen sei. Die Zulassungsabteilung habe diese Angaben üblicherweise um den ersten oder letzten Tag des betreffenden Monats ergänzt, ohne zu prüfen, ob die Produkteinführung tatsächlich zu den angekündigten Zeitpunkten stattgefunden habe. Das Dokument könne somit kein Nachweis für den tatsächlichen Zeitpunkt der Produkteinführung in Luxemburg und den anderen Ländern sein. Der darin genannte 1. Februar 1988 stimme außerdem weder mit dem 11. März 1988, auf den sich AZ nach Auffassung der Kommission hätte stützen müssen, noch mit dem 8. Februar 1988 überein, der in dem in Deutschland eingeleiteten Verfahren angegeben worden sei. AZ habe den Patentämtern ein Datum nennen müssen, und angesichts der ihr vorliegenden unterschiedlichen Informationen aus unterschiedlichen Quellen sei sie berechtigt gewesen, den ursprünglichen Zeitpunkt des 21. März 1988 beizubehalten, ohne dass sie beabsichtigt hätte, damit irgendjemanden zu täuschen.
463 Die Zweifel, die die Kommission in Bezug auf die Aussage von Frau J. äußere, seien unberechtigt; aus dem Kontext der Übermittlung der Luxemburger Liste durch Astra Belgique habe vernünftigerweise geschlossen werden können, dass es sich bei ihr um die Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen handele.
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Deutschland
464 Die Klägerinnen beanstanden die Erwägungen im 728. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus den oben in Randnr. 462 genannten Gründen und tragen vor, selbst wenn AZ einen Fehler begangen haben sollte, als sie den 21. März 1988 als den für die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen maßgebenden Zeitpunkt zugrunde gelegt habe, gebe es doch keinen Beweis dafür, dass AZ gewusst habe, dass dieser Zeitpunkt nicht zutreffe. Das interne Dokument vom 19. August 1996, auf das sich die Kommission berufe und in dem der 1. Februar 1988 als tatsächlicher Zeitpunkt der Produkteinführung angegeben sei, stelle nämlich keinen eigenständigen Beweis dar, da es von einem Patentanwalt vorgelegt worden sei, der nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligt gewesen sei, und da aus der beigefügten Liste von Daten nicht hervorgehe, woher das Datum des 1. Februar 1988 stamme. Auch das Dokument vom 9. September 1996, das die Angabe „1988-02-01/1988-03-11“ enthalte, sei kein eindeutiger Beweis für einen bestimmten früheren Zeitpunkt der Produkteinführung, sondern lasse im Gegenteil auf erhebliche Unsicherheit bezüglich des Zeitpunkts der Produkteinführung schließen. Im Übrigen sei auf die Aussage von Frau J zu verweisen.
465 Was die Erwägungen der Kommission in den Erwägungsgründen 730 und 731 der angefochtenen Entscheidung angehe, so habe der deutsche Anwalt unter Berufung auf das Schreiben, das AZ am 8. Dezember 1988 an die Luxemburger Behörden gesandt habe, um ihnen einen Preisvorschlag zu unterbreiten und mitzuteilen, dass sie den Preis ab 8. Februar 1988 anwenden wolle, eingeräumt, dass der 8. Februar 1988 das korrekte Datum sei. Der deutsche Anwalt habe somit anerkannt, dass der 8. Februar 1988 auf der Grundlage der von ihm vertretenen speziellen Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, wonach es auf den Zeitpunkt der Genehmigung des Preises durch die Behörden ankomme, die AZ dazu berechtigt habe, das Produkt zu einem bekannten und genehmigten Preis zu verkaufen, der zutreffende Zeitpunkt sei. Nach dieser Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 sei der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Produktpreises, durch die die Käufer (Ärzte und Apotheker) über diesen Preis informiert würden, irrelevant. Der deutsche Anwalt habe also nicht anerkannt, dass der 8. Februar 1988 der Zeitpunkt gewesen sei, an dem die Verkäufe tatsächlich getätigt worden seien. Wäre der von AZ zugrunde gelegten Auslegung gefolgt worden, wäre der 21. März 1988 aber wohl das korrekte Datum gewesen. Die Kommission habe folglich einen Fehler begangen, als sie im 735. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen sei, dass im Gerichtsverfahren in Deutschland eingestanden worden sei, dass die Verkäufe vor dem 21. März 1988 stattgefunden hätten. Es treffe nicht zu, dass die Unterscheidung zwischen den Begriffen „zum Verkauf berechtigt“ und „tatsächliches Inverkehrbringen“ unerheblich sei, denn sie spiegele die wirtschaftliche Realität wider, aufgrund deren sich AZ für ihre Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 entschieden habe.
466 Die Dokumente, auf die sich die Kommission stütze, seien zudem widersprüchlich, weil darin der 1. Februar 1988, der 8. Februar 1988 und der 11. März 1988 angegeben würden. Selbst wenn AZ diese Informationen berücksichtigt hätte, wäre für sie folglich die Ungewissheit hinsichtlich des genauen Zeitpunkts der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen bestehen geblieben. Die von der Kommission angeführten Dokumente gäben allenfalls Aufschluss darüber, dass unklar gewesen sei, ob der 21. März 1988 zutreffe, doch zeigten sie weder, dass dieses Datum falsch sei, noch den heranzuziehenden Zeitpunkt. Sie belegten somit nicht, dass AZ die Absicht gehabt habe, die öffentlichen Stellen zu täuschen.
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Norwegen
467 Was den 733. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angehe, in dem die Kommission von den Luxemburger Behörden gelieferte Beweise dafür anführe, dass die Luxemburger Liste ein „inoffizielles Dokument“ gewesen sei, in dem die genehmigten Produkte aufgeführt seien, ohne dass berücksichtigt werde, ob ihr Preis genehmigt worden sei, so sei damals kein amtliches Dokument veröffentlicht worden. Die Luxemburger Liste sei zudem im Namen einer Gesellschaft veröffentlicht worden, die etwa die Hälfte der Apotheker und Arzneimittelgroßhändler in Luxemburg vertreten habe. Überdies habe die Luxemburger Liste dazu gedient, die Apotheker über die genehmigten und auf dem Markt verfügbaren Produkte zu informieren und sei von der Luxemburger Stelle für Pharmazie und Arzneimittel veröffentlicht worden. Trotz des inoffiziellen Charakters der Luxemburger Liste habe AZ sich somit vernünftigerweise auf sie gestützt.
468 AZ habe ferner im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof eingeräumt, dass ihr die vollständige Liste bzw. der Teil, der den Preis von Losec enthalten habe, nicht zur Verfügung gestanden habe. Dies belege das Fehlen jeder Absicht, das erstinstanzliche Gericht in Oslo (Norwegen) zu täuschen.
469 Dem Vorbringen der Kommission, wonach AZ Recherchen angestellt habe, die gezeigt hätten, dass das Produkt vor dem 21. März 1988 in den Verkehr gebracht worden sei, sei entgegenzuhalten, dass die Ergebnisse dieser Recherchen unklar und widersprüchlich gewesen seien und nicht belegt hätten, dass die Luxemburger Liste unerheblich oder der genannte Zeitpunkt unzutreffend oder nicht der Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens gewesen sei.
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Finnland
470 Die Klägerinnen wenden sich gegen den 735. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung; sie sind der Auffassung, dass die Dokumente, auf die sich die Kommission stütze, nicht belegten, dass vor dem 21. März 1988 Verkäufe getätigt worden seien. AZ habe dies im Verfahren in Deutschland nicht eingeräumt. Es handele sich lediglich um eine wissenschaftliche Meinung, die auf einer Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 und auf der Tatsache beruhe, dass der Preis genehmigt worden sei, nicht aber auf Belegen für tatsächliche Verkäufe in Luxemburg. AZ habe im Übrigen vor dem erstinstanzlichen Gericht in Helsinki (Finnland) eingeräumt, dass sie versucht habe, eine vollständige Kopie der Liste zu erhalten, und dass sie recherchiert habe, wie der offizielle Standpunkt in Bezug auf die Veröffentlichung in Luxemburg laute. AZ habe auch anerkannt, dass die Lage in Luxemburg ungewiss gewesen sei. Diese Beweise ließen somit nicht die Absicht von AZ erkennen, das erstinstanzliche Gericht in Helsinki zu täuschen. Im Übrigen bestreiten die Klägerinnen erneut, dass die von AZ angestellten Recherchen ergeben hätten, dass es nicht stimme, dass Losec vor dem 21. März 1988 in Luxemburg nicht habe in den Verkehr gebracht werden dürfen.
– Zur Existenz einer auf die Täuschung der Patentanwälte von AZ, der innerstaatlichen Patentämter und der innerstaatlichen Gerichte gerichteten Strategie
471 Die Klägerinnen treten schließlich den Erwägungen der Kommission im 665. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung entgegen, wonach der damalige Leiter der Patentabteilung von AZ am 21. Oktober 1999 eingeräumt habe, eine Strategie entwickelt zu haben, die auf eine vorsätzliche Täuschung der Patentanwälte von AZ, der innerstaatlichen Patentämter und der innerstaatlichen Gerichte gerichtet gewesen sei. Das vom Leiter der Patentabteilung an den Generaldirektor von AZ gesandte Telefax enthalte kein Eingeständnis einer böswilligen Strategie. Ihm sei nur zu entnehmen, dass AZ eine Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 zugrunde gelegt habe, in Bezug auf die Unsicherheiten bestanden hätte, und dass es wünschenswert gewesen sei, die Sache dem Gerichtshof vorzulegen, um die zutreffende Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 verbindlich zu klären.
472 Die Klägerinnen rügen auch, dass die Kommission dem Verfasser des fraglichen Telefax keine Gelegenheit gegeben habe, zu den Schlussfolgerungen, die aus dem Telefax gezogen worden seien, Stellung zu nehmen. Sie verweisen im Übrigen auf die Aussagen des Leiters der Patentabteilung und der Herren L. und W.
b) Vorbringen der Kommission
473 Die Kommission hält das Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes für nicht stichhaltig.
c) Würdigung durch das Gericht
Zur Beweislast
474 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Beweislast für das Vorliegen von Umständen trägt, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 82 EG ergibt (Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 688). Die Kommission hat daher die Beweise beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen belegen.
475 Dem Richter verbleibende Zweifel müssen insoweit dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen. Der Richter darf also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße verhängt wird, nicht zu dem Schluss gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn er in dieser Frage noch Zweifel hat.
476 In diesem Fall ist nämlich der insbesondere in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, der zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch Art. 6 Abs. 2 EU bestätigt worden ist, allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellen. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 68 bis 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
477 Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Dabei muss sie diese Beweise nicht notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung beibringen. Es genügt, wenn ein von ihr angeführtes Bündel von Indizien, dessen einzelne Teile sich gegenseitig bestätigen können, im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnrn. 179, 180 und 275, und vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnrn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Zur ersten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
478 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, auch wenn sie den einheitlichen und fortgesetzten Charakter des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung hervorhob, zwei Phasen im Ablauf dieses Missbrauchs unterschied, wie oben in den Randnrn. 306 und 307 dargelegt wird. Die erste von der Kommission herausgearbeitete Phase betraf irreführende Darstellungen von AZ, als sie am 7. Juni 1993 Weisungen an die Patentanwälte sandte, von denen die Zertifikatsanmeldungen in sieben Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Belgien, Dänemark, die Niederlande und das Vereinigte Königreich, eingereicht wurden (vgl. den 628. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die zweite von der Kommission herausgearbeitete Phase umfasst erstens irreführende Darstellungen gegenüber den Patentämtern in den Jahren 1993 und 1994 bei der Beantwortung ihrer Fragen zu den Zertifikatsanmeldungen von AZ, zweitens irreführende Darstellungen im Dezember 1994 bei der zweiten Runde von Zertifikatsanmeldungen in drei Mitgliedstaaten des EWR, nämlich Österreich, Finnland und Norwegen, und drittens spätere irreführende Darstellungen gegenüber anderen Patentämtern sowie innerstaatlichen Gerichten im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, die konkurrierende Generikahersteller zwecks Nichtigerklärung der ergänzenden Schutzzertifikate in diesen Staaten eingeleitet hatten (vgl. den 629. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
479 In Bezug auf die erste Phase des Missbrauchs ist auf die tatsächlichen Umstände der ersten Phase des von der Kommission als missbräuchlich bewerteten Verhaltens hinzuweisen, wie sie sich sowohl aus der angefochtenen Entscheidung als auch aus den dem Gericht vorgelegten Akten ergeben. Im vorliegenden Fall ist nämlich unstreitig, dass nach den Feststellungen der Patentabteilung in einem Memorandum vom 16. März 1993 die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft für Omeprazol in Frankreich im April 1987 erteilt worden war. Die Patentabteilung wies infolgedessen darauf hin, dass nach ihrer Auffassung die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate in Deutschland und in Dänemark nicht möglich sei, da die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen vor 1988 erfolgt sei. Das gleiche Problem wurde für Omeprazol Sodium und Felodipin festgestellt (vgl. Erwägungsgründe 634 und 635 der angefochtenen Entscheidung).
480 Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 (siehe oben, Randnr. 299) in Deutschland und Dänemark denjenigen Produkten ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden konnte, für die eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach dem 1. Januar 1988 erteilt worden war.
481 Mitte März 1993 begann die Patentabteilung von AZ, über Hässle bei den örtlichen Vertriebsgesellschaften Informationen zu sammeln. Dieses Sammeln von Informationen konzentrierte sich allein auf die Produkte, bei denen der Zeitpunkt der Erteilung der ersten technischen Genehmigung, weil er vor dem 1. Januar 1988 lag, problematisch war, d. h. auf Omeprazol, Omeprazol Sodium und Felodipin. Am 22. März 1993 übermittelte die belgische Vertriebsgesellschaft an Hässle die Kopie der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen von Omeprazol in Luxemburg vom 16. November 1987 sowie die Kopie der Entscheidung über die Genehmigung des Preises von Omeprazol in Luxemburg vom 17. Dezember 1987 (vgl. Erwägungsgründe 170, 636 und 637 der angefochtenen Entscheidung).
482 In einem Memorandum der Patentabteilung vom 29. März 1993 wurde festgestellt, dass die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft im April 1987 in Frankreich erteilt worden sei. Die Patentabteilung erklärte in diesem Memorandum jedoch, dass sie bei den Zertifikatsanmeldungen in Deutschland und Dänemark vor den Patentämtern geltend machen werde, dass die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nicht vor dem 1. Januar 1988 erteilt worden sei (vgl. den 638. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
483 In einem an die Patentabteilung gerichteten Memorandum vom 30. März 1993 übermittelte Hässle die Informationen, die sie über die Zeitpunkte der Genehmigungen für Omeprazol in Frankreich und in Luxemburg und für Felodipin in Dänemark erhalten hatte. In Bezug auf Omeprazol in Luxemburg bestätigte das Memorandum die am 22. März 1993 von der belgischen Vertriebsgesellschaft erhaltenen Informationen, wonach die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg am 16. November 1987 erteilt worden und die Entscheidung über die Genehmigung des Preises für dieses Produkt am 17. Dezember 1987 erfolgt sei, allerdings mit dem Hinweis, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Preises noch nicht bekannt sei. Das Memorandum bestätigte auch, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Omeprazol in Frankreich im April 1987 erteilt worden sei, und fügte hinzu, dass die Preisverhandlungen im Frühling 1989 abgeschlossen worden seien und der Preis im Journal officiel de la République française (Amtsblatt der Französischen Republik) vom 22. November 1989 veröffentlicht worden sei. Zwar steht im Memorandum das Datum „22. 11. 1988“, doch hält das Gericht die von der Kommission im 171. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung für zutreffend, dass dieses Datum auf einem Schreibfehler beruhte und der Verfasser des Memorandums den 22. November 1989 meinte. In Bezug auf Felodipin in Dänemark gab Hässle an, die Genehmigung für das Inverkehrbringen sei am 29. Dezember 1987 erteilt und am 21. Januar 1988 veröffentlicht worden, und der Preis sei am 29. Februar 1988 im Specialitetstaksten (Preisliste für Arzneispezialitäten) veröffentlicht worden.
484 In dem Memorandum wies Hässle darauf hin, dass in Frankreich, Luxemburg und Dänemark die Preise festgesetzt und veröffentlicht sein müssten, bevor ein Produkt in den Verkehr gebracht werden könne. Hässle war daher der Ansicht, dass „dieses Datums … entscheidend [ist]“. Sie teilte mit, dass sie sich darum bemühe, dieselben Informationen für die anderen Länder zu erhalten, um das Datum in den verschiedenen Ländern unter Heranziehung desselben Kriteriums zu ermitteln (vgl. Erwägungsgründe 639 bis 641 der angefochtenen Entscheidung).
485 Am 5. April 1993 übermittelte die belgische Vertriebsgesellschaft Hässle das Deckblatt und die S. 246 der Luxemburger Liste, wobei sie auf die Kopie eines amtlichen Dokuments vom März 1998 (richtig wäre: „März 1988“) Bezug nahm, in dem die im Großherzogtum Luxemburg genehmigten Produkte aufgeführt waren. Dieses Dokument wurde mit Memorandum vom 7. April 1993 an die Patentabteilung übersandt (vgl. Erwägungsgründe 172, 173 und 658 der angefochtenen Entscheidung).
486 Wie die Kommission im 173. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, ist das Deckblatt der Luxemburger Liste überschrieben mit „Ministère de la Santé – Spécialités pharmaceutiques – Liste des spécialités pharmaceutiques admises à la vente dans le Grand-Duché de Luxembourg“ (Gesundheitsministerium – Arzneispezialitäten – Liste der im Großherzogtum Luxemburg zum Verkauf zugelassenen Arzneispezialitäten). Unten auf dem Deckblatt befinden sich folgende Angaben: „éditeur: CEFIP sàrl Luxembourg – Tout droit réservé – Modification au 24.2 comprise – Mars 1988“ (Herausgeber: CEFIP sàrl Luxemburg – Alle Rechte vorbehalten – Änderung zum 24.2 eingefügt – März 1988). Auf S. 246 dieses Dokuments befindet sich eine alphabetisch geordnete Liste der Namen von 23 Arzneimitteln, die mit den Buchstaben „Lo“ beginnt, an die sich die Buchstaben „Lu“ anschließen, und die u. a. zwei Bezugnahmen auf Losec enthält, für Omeprazol in Kapselform und Injektionspräparate von Omeprazol (Omeprazol Sodium). Den genannten Produkten ist keine Preisangabe beigefügt. In der linken oberen Ecke der S. 246 befindet sich folgendes Datum: „21/03/88”. Die Seite stammt offensichtlich aus einem Dokument, in dem die zum Verkauf zugelassenen Arzneimittel auf mehreren Hundert Seiten aufgeführt sind.
487 Die Kommission führt weiter aus, AZ habe vor den norwegischen Gerichten im Mai 1999 eingeräumt, dass sie nicht im Besitz der vollständigen Liste oder des Teils der Liste gewesen sei, der den Preis von Losec enthalten habe, obwohl sie sich um die Beschaffung dieses Dokuments bemüht habe (Erwägungsgründe 241 und 661 der angefochtenen Entscheidung). Sie fügte hinzu, AZ habe am 30. Juni 1999 vor den finnischen Gerichten eingeräumt, dass die Lage in Luxemburg „unklar war“ (Erwägungsgründe 245 und 661 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission war zudem der Ansicht, dass die internen Dokumente von AZ bestätigten, dass AZ nicht gewusst habe, ob Losec vor März 1988 habe vertrieben werden dürfen. Sie verwies insoweit auf ein internes Memorandum vom 14. Februar 1994 (Erwägungsgründe 210, 211 und 661 der angefochtenen Entscheidung) und ein von unternehmensangehörigen Juristen stammendes Dokument (230. Erwägungsgrund und Fn. 302 sowie 661. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
488 Die Kommission stellte fest, dass der Zeitpunkt des angeblichen tatsächlichen Inverkehrbringens, d. h. der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Produktpreises, nicht bei allen Zertifikatsanmeldungen zugrunde gelegt worden sei. Dieser Zeitpunkt sei nur für Omeprazol und Omeprazol Sodium zugrunde gelegt worden. Bei Felodipin sei der Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen zugrunde gelegt worden, d. h. in Dänemark der 21. Januar 1988. Bei fünf weiteren Produkten habe AZ die Zeitpunkte der technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen zugrunde gelegt, die sämtlich nach dem 1. Januar 1988 lägen (vgl. Erwägungsgründe 643 bis 645 der angefochtenen Entscheidung).
489 In Bezug auf die Zertifikatsanmeldungen für Omeprazol war die Kommission der Ansicht, dass die irreführenden Darstellungen ihren Ursprung in der Entscheidung von Hässle vom 6. Mai 1993 hätten, die in Form von drei handschriftlichen Anmerkungen in schwedischer Sprache zu dem Memorandum der Patentabteilung vom 29. März 1993 getroffen worden sei (648. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Diese handschriftlichen Anmerkungen zeigten, dass den Patentämtern in Luxemburg der März 1988 als der Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft habe mitgeteilt werden sollen, und dass für Frankreich der 22. November 1989 habe angegeben werden sollen.
490 Die Entscheidung vom 6. Mai 1993 wurde durch die beanstandeten Weisungen vom 7. Juni 1993 umgesetzt, die den Patentanwälten für die Zertifikatsanmeldungen bezüglich Omeprazol erteilt wurden. Die Erwägung der Kommission, dass diese abschließenden Weisungen irreführend gewesen seien, beruht darauf, dass AZ ohne Unterrichtung der Patentanwälte und der innerstaatlichen Patentämter in Bezug auf Frankreich und Luxemburg Daten nannte, die nicht der Erteilung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen, sondern dem entsprachen, was AZ als „Genehmigung des tatsächlichen Inverkehrbringens“ bezeichnet, d. h. dem Zeitpunkt der angeblichen Veröffentlichung des Arzneimittelpreises (651. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
491 Die Ersetzung der Daten, an denen die technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Frankreich und Luxemburg erteilt wurden, durch die Daten der Veröffentlichung des Arzneimittelpreises in diesen Ländern war nach Ansicht der Kommission aus drei Gründen geeignet, die Patentämter zu täuschen. Erstens betrafen die auf dem Anmeldeformular in Bezug auf sieben andere Länder angegebenen Daten die Erteilung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass die für Frankreich und Luxemburg angegebenen Daten ebenfalls den technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen entsprachen. Zweitens wurden die Nummern beibehalten, die den technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Frankreich und Luxemburg entsprachen. Die Nummern standen infolgedessen neben den Daten der „Genehmigungen für das tatsächliche Inverkehrbringen“ und legten somit nahe, dass diese Daten den technischen Genehmigungen entsprachen. Die Nummern der technischen Genehmigungen waren zudem auch für sieben andere Länder angegeben worden. Drittens führte AZ, um den Erfordernissen des Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1768/92 nachzukommen, die luxemburgische Rechtsvorschrift an, die sich nicht auf den März 1988, sondern auf die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen bezog, die darauf verweist (vgl. Erwägungsgründe 653 bis 655 der angefochtenen Entscheidung). Zwecks Vorlage der gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1768/92 erforderlichen Kopie der Veröffentlichung der Genehmigung im innerstaatlichen Amtsblatt übermittelte AZ außerdem das Deckblatt und S. 246 der Luxemburger Liste (vgl. den 656. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
492 Nach alledem gab es in der Darstellung der Informationen, die im Rahmen der Weisungen vom 7. Juni 1993 übermittelt wurden, keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die für Frankreich und Luxemburg angegebenen Daten nicht auf die technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen bezogen. Selbst wenn man davon ausginge, dass es möglich gewesen wäre, alternative Auslegungen des in der Verordnung Nr. 1768/92 enthaltenen Begriffs „Genehmigung für das Inverkehrbringen“ vorzuschlagen, ist insoweit unstreitig, dass sowohl die Patentämter als auch die Patentanwälte den Begriff so verstanden, dass er sich auf die „technische“ Genehmigung bezog. Dem Memorandum vom 16. März 1993 lässt sich überdies klar entnehmen, dass auch AZ von diesem Verständnis ausging, da sie ursprünglich annahm, dass die Erlangung ergänzender Schutzzertifikate in Deutschland und Dänemark unmöglich sei (siehe oben, Randnr. 479).
493 Angesichts des Kontexts, in dem diese Erklärungen gegenüber den Patentanwälten und den Patentämtern abgegeben wurden, konnte es AZ daher vernünftigerweise nicht entgangen sein, dass die Patentämter mangels aktiver Offenlegung der von ihr beabsichtigten Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, die der Wahl der in Bezug auf Frankreich und Luxemburg mitgeteilten Daten zugrunde lag, diese Erklärungen so verstehen würden, dass die erste technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft in Luxemburg im „März 1988“ erteilt worden war. Ohne dass die Kommission Bösgläubigkeit oder eine Täuschungsabsicht von AZ nachzuweisen braucht, genügt daher die Feststellung, dass ein solches durch einen offensichtlichen Mangel an Transparenz gekennzeichnetes Verhalten der besonderen Verantwortung zuwiderläuft, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 57).
494 Der Streit zwischen den Parteien über die Frage, ob der irreführende Charakter der Zertifikatsanmeldungen auf Bösgläubigkeit von AZ beruhte, ist daher unerheblich. Jedenfalls kann das umfangreiche Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie geltend machen, AZ habe weder in Bezug auf die von ihr gewählte Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 noch in Bezug auf die Einreichung der Zertifikatsanmeldungen oder die Bedeutung, die sie der Luxemburger Liste beigemessen habe, bösgläubig gehandelt, keine objektive Rechtfertigung für die mangelnde proaktive Offenlegung einerseits der Art der in Bezug auf die Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Luxemburg und Frankreich angeführten Daten und andererseits der Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, die zur Wahl dieser Daten führte, sein.
495 Somit ist es zunächst angesichts der ausgesprochen irreführenden Darstellungen, die gegenüber den Patentämtern im Hinblick auf die Zertifikatsanmeldungen abgegeben wurden, jedenfalls unerheblich, dass AZ nach ihren Angaben die Absicht hatte, mit den Patentämtern die mitgeteilten Daten zu erörtern, und davon ausging, dass die Patentämter sie hierzu befragen würden. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Zertifikatsanmeldungen so gestaltet waren, dass sie die Patentämter dazu veranlasst hätten, Fragen in Bezug auf das für die französische Genehmigung angegebene Datum (22. November 1989) zu stellen. Nur die Tatsache, dass die Angabe des Zeitpunkts für die in Luxemburg erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen (März 1988) ungenau war, hätte Veranlassung für ein Klarstellungsersuchen sein können. Wie die Kommission ausführt, hat AZ es jedoch in ihrer Antwort auf die Klarstellungsersuchen der Patentämter bezüglich des Datums der Genehmigung in Luxemburg – abgesehen vom Schriftwechsel mit den Patentämtern im Vereinigten Königreich und in Irland – vermieden, alle für die Erteilung der ergänzenden Schutzzertifikate relevanten Daten und insbesondere das Datum der am 15. April 1987 in Frankreich erteilten Genehmigung, die die erste in der Gemeinschaft erteilte technische Genehmigung für das Inverkehrbringen war, sowie die Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, die den für Frankreich und Luxemburg angegebenen Daten zugrunde lag, mit der erforderlichen Transparenz offenzulegen. Das Vorbringen der Klägerinnen, AZ habe die Absicht gehabt, mit den Patentämtern den für die Verordnung Nr. 1768/92 maßgeblichen Zeitpunkt zu erörtern, wird somit durch die Tatsachen widerlegt. Das Verhalten von AZ während des gesamten Zeitraums legt vielmehr eher nahe, dass es AZ darauf ankam, die Patentämter zu täuschen, wie die zweite Phase des vorliegenden Missbrauchs zeigt.
496 Sodann ist festzustellen, dass das Vorbringen von AZ zu ihrem guten Glauben bei der Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 und zur Angemessenheit dieser Auslegung unerheblich ist. Wie die Kommission im 666. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, steht die sachliche Richtigkeit der Auslegung des rechtlichen Rahmens im Kontext des ersten Missbrauchs nicht zur Debatte. Der von den Klägerinnen vorgebrachte Umstand, dass eine alternative Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 möglich gewesen wäre, kann jedenfalls an dem objektiv irreführenden Charakter der Zertifikatsanmeldungen von AZ nichts ändern, da AZ es gerade vermieden hat, gegenüber den Patentämtern diese Auslegung und das Datum des 15. April 1987 bezüglich der in Frankreich erteilten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen, die die erste in der Gemeinschaft erteilte technische Genehmigung für das Inverkehrbringen war, offenzulegen. Daher ist es auch unerheblich, dass im Anschluss an die Weisungen, die den Patentanwälten für die Einreichung der ursprünglichen Zertifikatsanmeldungen bei den innerstaatlichen Patentämtern erteilt worden waren, Rechtsanwaltskabinette in Stellungnahmen die von AZ zugrunde gelegte Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 bestätigt haben sollen.
497 Was schließlich die geltend gemachte Gutgläubigkeit von AZ hinsichtlich der Bedeutung der Luxemburger Liste angeht, so genügt wiederum die Feststellung, dass diese Gutgläubigkeit nichts daran ändert, dass AZ den Patentämtern ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ und das Datum der in Frankreich am 15. April 1987 erteilten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht offenlegte. Wie die Kommission im 663. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellt, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass sich die Luxemburger Liste nach ihrem Erscheinungsbild nicht als Veröffentlichungsorgan des Preises für Omeprazol in Luxemburg eignet. Neben den in der Liste aufgeführten Produkten stehen keine Preise (siehe oben, Randnr. 486). Angesichts der Tatsache, dass auf S. 246 dieser Liste alphabetisch geordnet die Produkte aufgeführt sind, deren Namen mit den Buchstaben „Lo“ oder „Lu“ beginnen, ist es zudem nicht glaubhaft, dass diese Produkte am selben Tag, also am 21. März 1988, zum Verkehr zugelassen wurden.
498 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass – wie die Prüfung der zweiten Phase des missbräuchlichen Verhaltens erkennen lässt – der Umstand, dass AZ die Relevanz der Luxemburger Liste und des Datums 21. März 1988 weiterhin verteidigte, obwohl sie über Informationen verfügte, die darauf hindeuteten, dass Losec schon zuvor vertrieben worden war und dass sein Preis nie offiziell veröffentlicht wurde (vgl. insbesondere den 700. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), die Glaubhaftigkeit der Ausführungen der Klägerinnen zur Gutgläubigkeit von AZ erschüttert.
499 In Bezug auf die Widersprüche, die darin bestehen, dass AZ verschiedene Arten von Daten verwendet, nämlich den Zeitpunkt, zu dem die Produktpreise von Omeprazol und Omeprazol Sodium veröffentlicht worden sein sollen, den Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen von Felodipin und die Zeitpunkte der technischen Genehmigungen für das Inverkehrbringen fünf weiterer Produkte, ist darauf hinzuweisen, dass diese Widersprüche in Bezug auf den ersten Missbrauch, der nur die irreführenden Darstellungen zwecks Erlangung ergänzender Schutzzertifikate für Omeprazol betrifft, nicht unmittelbar relevant sind. Die Kommission hat diese Widersprüche erwähnt (Erwägungsgründe 643 bis 646 der angefochtenen Entscheidung), um darzutun, dass es für die Zertifikatsanmeldungen eine Gesamtstrategie gab, die darauf abzielte, die vor dem 1. Januar 1988 liegenden Daten bewusst vor den Patentämtern zu verbergen.
500 Zwar könnten diese Feststellungen für die Ermittlung des Kontexts, in dem das Verhalten von AZ steht, von Bedeutung sein, doch sind sie zum Nachweis des ersten Missbrauchs, der während der ersten von der Kommission herausgearbeiteten Phase darin bestand, dass AZ den Patentämtern Daten in Bezug auf die Veröffentlichung des Preises für Omeprazol in Frankreich und Luxemburg übermittelte, ohne sie über die von ihr herangezogene Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 und ihre der Wahl der übermittelten Daten zugrunde liegende „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ zu informieren, nicht unbedingt erforderlich. Folglich ist das gesamte Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie diese Widersprüche zu erläutern versuchen und geltend machen, dass sie nicht auf Bösgläubigkeit von AZ beruhten, ohne Relevanz, denn das Vorbringen kann an der Missbräuchlichkeit des von AZ bei den Zertifikatsanmeldungen gezeigten Mangels an Transparenz nichts ändern.
Zur zweiten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
501 Die Kommission hält überdies eine Reihe von Darstellungen ebenfalls für irreführend und ordnet sie einer zweiten Phase des Missbrauchs zu, die sich unmittelbar an das im Rahmen der ersten Phase des Missbrauchs festgestellte Verhalten anschloss. Diese zweite Phase besteht aus irreführenden Darstellungen in den Jahren 1993 und 1994 vor den Patentämtern in Beantwortung ihrer Fragen zu den von AZ eingereichten Zertifikatsanmeldungen, aus irreführenden Darstellungen im Dezember 1994 bei der zweiten Runde von Zertifikatsanmeldungen in drei Ländern des EWR, nämlich Österreich, Finnland und Norwegen, und aus späteren irreführenden Darstellungen vor anderen Patentämtern sowie vor innerstaatlichen Gerichten im Rahmen von Gerichtsverfahren, die konkurrierende Generikahersteller mit dem Ziel der Nichtigerklärung der ergänzenden Schutzzertifikate in diesen Ländern eingeleitet hatten (vgl. den 629. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
502 Da die Klägerinnen jede der Feststellungen der Kommission bestreiten, sind die Ermittlung des Sachverhalts und dessen anschließende Würdigung durch die Kommission in Bezug auf jede der im Rahmen der zweiten Phase in Rede stehenden Darstellungen von AZ zu prüfen.
– Zu den Erklärungen vor dem Luxemburger Patentamt (Juni 1993)
503 Die Zertifikatsanmeldung für Omeprazol wurde beim Luxemburger Patentamt durch den französischen Patentanwalt eingereicht, der seinerseits einen Luxemburger Patentanwalt beauftragte (202. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 11. Juni 1993 übermittelte AZ dem französischen Patentanwalt die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg, stellte jedoch klar, dass nach ihrer Auffassung der Zeitpunkt der Veröffentlichung in der Luxemburger Liste, der 21. März 1988, der maßgebende Zeitpunkt im Sinne von Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1768/92 sei. AZ erteilte damit die Weisung, den letztgenannten Zeitpunkt als Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft anzugeben. Sie fügte hinzu, dass „im jetzigen Stadium keine weiteren Argumente vorgebracht werden müssen“ (Erwägungsgründe 203 und 684 der angefochtenen Entscheidung).
504 Mit Schreiben vom 17. Juni 1993 wies der französische Patentanwalt den Luxemburger Patentanwalt an, in den Zertifikatsanmeldungen nicht das Datum der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg anzugeben, „sondern das Datum der Veröffentlichung im Luxemburger Amtsblatt ‚Spécialités pharmaceutiques‘, d. h. den 21. März 1988“. Der französische Patentanwalt fügte hinzu: „[Ü]ber diese Auffassung [lässt sich] zwar streiten …, wir bitten Sie jedoch, sich an diese Weisung zu halten“ (204. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom selben Tag fragte der französische Patentanwalt bei AZ an, ob sie wünsche, dass auch bei den Zertifikatsanmeldungen für andere Produkte die „Daten der Veröffentlichung der Genehmigungen in ‚Spécialités pharmaceutiques‘“ angegeben würden. In ihrem Antwortschreiben vom 21. Juni 1993 teilte AZ dem Patentanwalt mit, dass ihre Weisungen vom 7. Juni 1993 nur Omeprazol und Omeprazol Sodium beträfen (Erwägungsgründe 205 und 206 der angefochtenen Entscheidung).
505 Bereits am 16. Juni 1993 sandte der Luxemburger Patentanwalt eine unvollständige Zertifikatsanmeldung an das Patentamt. Er übermittelte dem Patentamt, wie von AZ verlangt, die Nummer der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg, nicht aber den Zeitpunkt „März 1988“ und die Luxemburger Liste. Er führte hierzu aus, dass eine „Kopie der Luxemburger Genehmigung“ später vorgelegt werde. In der Folge wurde der handschriftliche Vermerk „16. November 1987“ auf dem Anmeldeformular angebracht, offenbar vom Luxemburger Patentamt selbst. Daher wurde in Luxemburg ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt, das am 16. November 2002 ablaufen sollte (Erwägungsgründe 207 und 682 der angefochtenen Entscheidung).
506 Die Kommission stellte fest, dass weder der Luxemburger Patentanwalt noch das Luxemburger Patentamt über die zuvor, am 15. April 1987, in Frankreich erteilte technische Genehmigung für das Inverkehrbringen informiert worden sei (682. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem sei klar gewesen, dass der französische Patentanwalt die Weisungen von AZ dahin gehend verstanden habe, dass er aufgefordert werde, das Datum der Veröffentlichung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen zu übermitteln, und dass AZ es vermieden habe, ihm die wirkliche Natur des Datums 21. März 1988 zu erläutern (686. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
507 Der irreführende Charakter der Zertifikatsanmeldung in Luxemburg besteht vor allem in der mangelnden Transparenz bezüglich der Existenz der am 15. April 1987 in Frankreich erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen, die die erste in der Gemeinschaft erteilte Genehmigung darstellte und daher für die Geltungsdauer des ergänzenden Schutzzertifikats berücksichtigt werden musste.
508 Die Klägerinnen versuchen, die Verantwortung hierfür auf den französischen Patentanwalt abzuwälzen, der das Datum der Genehmigung sowohl in Frankreich als auch in Luxemburg kannte. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die internen Dokumente von AZ nicht die Annahme zulassen, dass das Datum des 15. April 1987, an dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich erteilt wurde, ohne Wissen von AZ nicht mitgeteilt wurde. Aus dem Telefax vom 11. Oktober 1996 (siehe unten, Randnr. 530) geht nämlich hervor, dass AZ sich der Unrichtigkeit des Datums der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft bewusst war und dass sie das mit der unterbliebenen Mitteilung des Datums des 15. April 1987 verbundene Risiko geprüft hatte und zu der Meinung gekommen war, dass es schlimmstenfalls darin bestehen würde, einen sechsmonatigen Schutz durch ein ergänzendes Schutzzertifikat zu verlieren. Diese Erwägung wird bestärkt durch das Protokoll der Sitzung in Kopenhagen (Dänemark) vom 15. November 1994 (siehe unten, Randnr. 552), in dem es heißt, AZ sei „überzeugt“ gewesen, dass es in den Ländern, in denen die Übergangsregelung der Verordnung Nr. 1768/92 keine Schwierigkeiten bereite, für die aber die Luxemburger Genehmigung „aus Gründen der Einheitlichkeit“ verwendet worden sei, möglich sein würde, im Fall eines Rechtsstreits über die ergänzenden Schutzzertifikate angesichts der unsicheren Auslegung der betreffenden Rechtsvorschriften zur Zeit der Einreichung der Zertifikatsanmeldungen auf den Zeitpunkt der französischen Genehmigung zurückzugreifen.
509 Schließlich waren die Weisungen, die AZ ihrem französischen Patentanwalt mit der Maßgabe erteilte, sie an den Luxemburger Patentanwalt weiterzuleiten, völlig eindeutig. Er wurde ausdrücklich gebeten, dem Luxemburger Patentamt das Datum des 21. März 1988 mitzuteilen, während von dem Datum des 15. April 1987 keine Rede war. Wie aber aus dem oben in Randnr. 479 erwähnten Memorandum vom 16. März 1993 hervorgeht, wusste AZ, schon bevor sie sich für ihre alternative Auslegung des Begriffs der Genehmigung für das Inverkehrbringen entschieden hatte, dass das Datum des 15. April 1987 als Datum der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft maßgebend war.
510 Wäre die unterbliebene Mitteilung des Datums des 15. April 1987 wirklich auf ein Versehen zurückzuführen gewesen, hätte es AZ angesichts der besonderen Verantwortung eines marktbeherrschenden Unternehmens jedenfalls oblegen, die Berichtigung des Luxemburger ergänzenden Schutzzertifikats nach dessen Erteilung zu beantragen.
511 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass der französische Patentanwalt die Daten sowohl der französischen als auch der Luxemburger Genehmigung für das Inverkehrbringen kannte, nicht den Schluss zulässt, dass er wusste, dass die Veröffentlichung in der Luxemburger Liste (Spécialités pharmaceutiques) der geltend gemachten Veröffentlichung des Produktpreises entsprach. Wie die Kommission im 686. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, gab AZ dem französischen Patentanwalt keine Erläuterungen dazu, was Gegenstand der Veröffentlichung in der Luxemburger Liste sein sollte, und infolgedessen auch nicht zur Natur des Datums des 21. März 1988, obwohl aus dem an AZ gerichteten Schreiben vom 17. Juni 1993 klar hervorging, dass der Patentanwalt dachte, dass es sich um die Veröffentlichung der Genehmigung für das Inverkehrbringen selbst handele. Überdies ist, wie die Kommission hervorhebt, dem Schreiben des französischen Patentanwalts vom 2. August 1996 zu entnehmen, dass er auch dann noch dachte, dass die Luxemburger Liste und das Datum des 21. März 1988 der Veröffentlichung der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg entsprächen.
512 Insoweit ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach der französische Patentanwalt in seinem Schreiben an AZ vom 17. Juni 1993 den Begriff „Genehmigung“ als Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen verstanden habe. Dieses Schreiben bezog sich nämlich offensichtlich nicht auf den Begriff der Genehmigung, wie AZ ihn auslegte, also auf ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“. Die relevante Passage dieses Schreibens lautet:
„Wir bestätigen den Erhalt Ihrer Weisungen, in den Anmeldeformularen auf das Datum der Veröffentlichung der Genehmigungen in ‚Spécialités pharmaceutiques‘ Bezug zu nehmen und nicht auf das in den Genehmigungen selbst genannte Datum.“
513 Zudem lässt sich der Erklärung des Luxemburger Patentanwalts nicht entnehmen, dass er und der französische Patentanwalt nicht irregeführt wurden.
– Zu den Erklärungen vor dem belgischen Patentamt (September bis November 1993)
514 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass der belgische Patentanwalt dem belgischen Patentamt gemäß den Weisungen von AZ vom 7. Juni 1993 den Zeitpunkt März 1988 und die Nummer der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg übermittelte. Mit Schreiben vom 20. Juli 1993 bat der belgische Patentanwalt AZ um Mitteilung des genauen Datums der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg. Mit Schreiben vom 26. August 1993 wiederholte er diese Bitte (186. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
515 Mit Schreiben vom 10. September 1993 teilte AZ ihrem belgischen Patentanwalt mit, dass nach ihrer Auffassung das zu berücksichtigende Datum das Datum der Veröffentlichung in der Luxemburger Liste sei, d. h. der 21. März 1988. Am selben Tag übersandte die belgische Vertriebsgesellschaft von AZ dem belgischen Patentanwalt auf dessen Bitte eine Kopie der Luxemburger Genehmigung für das Inverkehrbringen. Mit Schreiben vom 29. September 1993 teilte der belgische Patentanwalt AZ mit, dass seines Erachtens dem Patentamt das auf der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen angegebene Datum, d. h. der 16. November 1987, mitzuteilen sei und dass er mangels anderer Weisung dieses Datum übermitteln werde. Am 30. September 1993 übermittelte der belgische Patentanwalt dieses Datum dem belgischen Patentamt und setzte AZ hiervon mit Schreiben vom 4. Oktober 1993 in Kenntnis (vgl. Erwägungsgründe 187 und 188 der angefochtenen Entscheidung).
516 Aufgrund dieser Informationen erteilte das belgische Patentamt ein ergänzendes Schutzzertifikat mit einer Laufzeit bis zum 16. November 2002, worüber AZ am 25. November 1993 informiert wurde. Dieses ergänzende Schutzzertifikat wurde von einem belgischen Gericht am 25. September 2002 für nichtig erklärt (vgl. Erwägungsgründe 189 und 190 der angefochtenen Entscheidung).
517 Die Kommission führte aus, dass AZ den belgischen Patentanwalt nie über das Vorliegen der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich vom 15. April 1987 in Kenntnis gesetzt habe. Sie wies ferner die Behauptung zurück, dass der belgische Patentanwalt in Anbetracht der vergleichbaren Weisungen, die AZ niederländischen und belgischen Patentanwälten erteilt habe, eigenmächtig gehandelt habe. Die Kommission war auch der Meinung, dass AZ dem belgischen Patentanwalt ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ nicht erläutert habe (vgl. Erwägungsgründe 688 und 689 der angefochtenen Entscheidung).
518 Das Vorbringen der Klägerinnen kann diese Erwägungen nicht entkräften. Was zunächst den Umstand betrifft, dass AZ die Weisung erteilte, die Zertifikatsanmeldung auf das Datum der Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen, d. h. auf den 21. März 1988, zu stützen, so stellt die Kommission im 689. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht fest, dass das Schreiben von AZ vom 10. September 1993 keine Erläuterung der „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ enthalten habe, da AZ in diesem Schreiben nur mitgeteilt habe, dass nach ihrer Auffassung der Zeitpunkt der Veröffentlichung in der Luxemburger Liste den Zertifikatsanmeldungen zugrunde gelegt werden müsse.
519 Was sodann das Vorbringen betrifft, dass der belgische Patentanwalt eigenmächtig gehandelt habe und AZ vor 1996 nicht bewusst gewesen sei, dass das belgische ergänzende Schutzzertifikat auf das Datum des 16. November 1987 gestützt worden sei, ist dem Hinweis der Kommission beizupflichten, dass der Leiter der Patentabteilung in seinem Schreiben an das belgische Patentamt vom 8. Mai 1998 erklärte, Hässle habe sich damit einverstanden erklärt, dass der belgische Patentanwalt den Zeitpunkt des 16. November 1987 angebe, und nicht versucht, die Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats am 21. März 1988 beginnen zu lassen. Das Schweigen von AZ im Anschluss an das Schreiben des belgischen Patentanwalts vom 29. September 1993 beruhte daher auf der Absicht, den Patentanwalt zu veranlassen, das Datum des 16. November 1987 als Datum der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft dem Patentamt zu übermitteln. Dies wird bestätigt durch die Erklärungen, die AZ am 4. April 1997 im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht (Deutschland) einreichte, wonach [vertraulich], sowie durch ihre Stellungnahme vor dem Bundesgerichtshof, in der sie geltend machte, [vertraulich].
520 Schließlich diente das Schreiben, das AZ am 8. Mai 1998 an das belgische Patentamt richtete, keineswegs dem Zweck, das Patentamt über das Bestehen einer vor dem 16. November 1987 erteilten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu unterrichten. Mit diesem Schreiben sollte das belgische Patentamt nur über das Vorliegen eines Rechtsstreits in Deutschland, der die Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 betraf, und über die „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ informiert werden, die nach Auffassung von AZ die Berücksichtigung des Datums des 21. März 1988 für die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats in Belgien rechtfertigte. Das Schreiben enthält somit keinen Anhaltspunkt, der den Schluss zuließe, dass AZ die Grundlage, auf der das ergänzende Schutzzertifikat in Belgien erteilt worden war, durch einen Hinweis auf die Existenz der am 15. April 1987 in Frankreich erteilten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen richtig stellen wollte. Die Behauptung der Klägerinnen, AZ habe die Behörden auf alle relevanten Daten aufmerksam gemacht, ist daher unzutreffend.
521 Im Übrigen ist der Erklärung von Herrn P. nicht zu entnehmen, dass er über das Datum der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich informiert worden war.
– Zu den Erklärungen vor dem niederländischen Patentamt (November und Dezember 1993)
522 In den Niederlanden beantragte AZ ergänzende Schutzzertifikate für Omeprazol und Omeprazol Sodium, wobei sie bei beiden Produkten den Zeitpunkt „März 1988“ angab.
523 Mit zwei gleichlautenden Schreiben vom 26. November 1993 betreffend Omeprazol und Omeprazol Sodium wies der niederländische Patentanwalt AZ darauf hin, dass das niederländische Patentamt Bedenken habe, ob die Luxemburger Liste die Veröffentlichung der Genehmigung für das Inverkehrbringen im Mémorial, dem Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg, im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iv der Verordnung Nr. 1768/92 darstelle. Der Patentanwalt teilte AZ ferner mit, dass das Patentamt die Ungenauigkeit des Zeitpunkts der Luxemburger Genehmigung für das Inverkehrbringen (März 1988) beanstandet habe. Nach Auffassung des Patentanwalts „betrifft dieser Zeitpunkt offenbar den Monat, in dem die Luxemburger Liste veröffentlicht wurde, nicht aber das Datum, an dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde“. Mit zwei gleichlautenden Schreiben vom 16. Dezember 1993 betreffend Omeprazol und Omeprazol Sodium wies AZ darauf hin, dass in der Luxemburger Liste, die die Veröffentlichung der Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iv der Verordnung Nr. 1768/92 darstelle, das Datum des 21. März 1988 angegeben sei. Sie teilte mit, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen am 16. November 1987 erteilt worden sei und dass nach ihrer Meinung der 21. März 1988 der für die Zwecke von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iv der Verordnung Nr. 1768/92 maßgebende Zeitpunkt sei. Sie erklärte jedoch, dass beide Daten dem Prüfer mitgeteilt werden könnten (vgl. Erwägungsgründe 191 bis 193 der angefochtenen Entscheidung).
524 Das Patentamt legte den 16. November 1987 zugrunde und erteilte ein bis zum 15. November 2002 gültiges ergänzendes Schutzzertifikat.
525 Bei einer Sitzung in London am 11. Dezember 1996 teilte der niederländische Patentanwalt dem Leiter der Patentabteilung mit, dass es rechtlich nicht möglich sei, Änderungen beim Patentamt vorzunehmen. Bei dieser Sitzung beschloss AZ, gegenüber dem Patentamt nichts zu unternehmen (vgl. den 197. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
526 Mit Schreiben vom 29. Januar 1997 teilte der niederländische Patentanwalt AZ jedoch mit, dass er wegen einer möglichen Änderung des erteilten Schutzzertifikats mit einem Beamten des niederländischen Patentamts Kontakt aufgenommen habe. Der niederländische Patentanwalt berichtete, der Beamte sei der Ansicht, dass eine solche Änderung möglich sein müsse, auch wenn es hierfür keine ausdrückliche Rechtsvorschrift gebe. Der Patentanwalt schlug daher vor, dem Patentamt förmlich ein „Berichtigungszertifikat“ vorzulegen.
527 In ihrem Antwortschreiben vom 10. Februar 1997 teilte AZ mit, sie sei angesichts der Vereinbarungen bei der Sitzung in London „sehr überrascht“ gewesen, dass der niederländische Patentanwalt mit dem Patentamt in dieser Sache Kontakt aufgenommen habe. Sie sei mit dem Vorschlag, förmlich eine Änderung des ergänzenden Schutzzertifikats zu beantragen, nicht einverstanden, da ein solches Vorgehen zu unvorhersehbaren und unerwünschten Ergebnissen führen könne. Auch der Leiter der Patentabteilung sei der Ansicht, dass gegenüber dem niederländischen Patentamt nichts unternommen werden solle (vgl. Erwägungsgründe 198 und 199 der angefochtenen Entscheidung).
528 Nach Auffassung der Kommission geht aus einem Telefax vom 11. Oktober 1996, das der Leiter der Patentabteilung an die niederländische Vertriebsgesellschaft richtete, hervor, dass AZ schon 1993 bewusst war, dass sie einen sechsmonatigen Schutz aufgrund des ergänzenden Schutzzertifikats verlieren würde, wenn der Patentanwalt angewiesen würde, das Datum der am 15. April 1987 erteilten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich mitzuteilen (200. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
529 Auf Antrag von Wettbewerbern von AZ stellte das niederländische Patentamt am 29. Oktober 2002 fest, dass der 15. April 2002 das korrekte Datum des Auslaufens der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats sei (vgl. den 201. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
530 Das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Mitteilung des Datums des 16. November 1987 für die Zertifikatsanmeldung bezüglich Omeprazol auf einem Irrtum beruht habe, wird durch das von der Kommission vorgelegte Telefax vom 11. Oktober 1996 widerlegt. Aus diesem Telefax, mit dem der Leiter der Patentabteilung dem Direktor der niederländischen Vertriebsgesellschaft von AZ auf dessen Telefax vom 10. Oktober 1996 antwortete, ergibt sich nämlich, dass sich AZ der Unrichtigkeit des dem niederländischen Patentamt mitgeteilten Datums der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft voll bewusst war. In seinem Schreiben vom 10. Oktober 1996 wies der Direktor der niederländischen Tochtergesellschaft von AZ darauf hin, dass die Mitteilung des unrichtigen Zeitpunkts dazu führen könne, dass entweder das ergänzende Schutzzertifikat berichtigt und das Ende seiner Laufzeit vorverlegt werde oder als Sanktion das ergänzende Schutzzertifikat aufgehoben werde. Hierauf erwiderte der Leiter der Patentabteilung, er sei „überzeugt, dass das Risiko in den Niederlanden allein darin besteht, sechs Monate der Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats zu verlieren“. Der Leiter der Patentabteilung fügte hinzu: „Diese Möglichkeit war bereits 1993 geprüft worden.“
531 Die Klägerinnen können insoweit nicht geltend machen, das genannte Schreiben sei darauf gerichtet gewesen, dass das Patentamt die „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ akzeptiere, da das Patentamt das vorgeschlagene und in der Luxemburger Liste stehende Datum des 21. März 1988 ohnehin nicht berücksichtigt habe.
532 Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass, wie die Klägerinnen geltend machen, AZ von dem in der Mitteilung des Datums des 16. November 1987 bestehenden Irrtum erst 1996 Kenntnis erlangte – eine Annahme, die durch die oben untersuchten Schreiben widerlegt wird –, hätte AZ als ein zum Zeitpunkt des Irrtums marktbeherrschendes Unternehmen in jedem Fall die erforderlichen Schritte einleiten müssen, um den Einritt wettbewerbswidriger Folgen, die dieser Irrtum haben musste, zu verhindern. Es ist jedoch unstreitig, dass AZ in ihrem Schreiben vom 10. Februar 1997 den Vorschlag des niederländischen Patentanwalts, das ergänzende Schutzzertifikat zu berichtigen, zurückwies, obwohl diese Option gangbar erschien.
533 Die Weigerung von AZ, das ergänzende Schutzzertifikat zu berichtigen, das ihr eine längere Schutzfrist einräumte, als ihr – wie sie wusste – zustand, stellte schon für sich genommen und außerhalb ihres Kontexts ein Verhalten dar, das für ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht zulässig ist. Allein aus diesem Grund ist das Vorbringen, der niederländische Patentanwalt habe bei der Sitzung vom 11. Dezember 1996 in London darauf hingewiesen, dass nichts getan werden könne, angesichts des Vorschlags, den dieser Anwalt später machte und der von AZ abgelehnt wurde, als unerheblich zurückzuweisen.
534 Betrachtet man zudem die Reaktion von AZ auf den Vorschlag des niederländischen Patentanwalts in ihrem Kontext und insbesondere im Licht des Telefax des Leiters der Patentabteilung vom 11. Oktober 1996, das die Berufung auf einen Irrtum wenig glaubhaft erscheinen lässt, so liegt sie auf einer Linie damit, dass AZ die Existenz der in Frankreich am 15. April 1987 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen vor dem Patentamt verbarg.
535 Das Schreiben vom 8. Mai 1998 an das niederländische Patentamt ist in allen Punkten identisch mit dem Schreiben vom selben Tag an das belgische Patentamt (siehe oben, Randnr. 520). Es diente keineswegs dazu, die niederländische Behörde über die Existenz der in Frankreich am 15. April 1987 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen zu informieren.
536 Schließlich können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, der Kommission obliege der Nachweis, dass AZ ihre „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ dem niederländischen Patentanwalt nicht erläutert habe. In Anbetracht sämtlicher Umstände, die darauf hinweisen, dass der niederländische Patentanwalt weder über diese Theorie noch über die Existenz der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich informiert worden war, obliegt es eindeutig den Klägerinnen, den Beweis für ihre Behauptungen zu erbringen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die von den Klägerinnen vorgelegte Erklärung des niederländischen Patentanwalts erkennen lässt, dass er bei der Abfassung dieser Erklärung noch der Meinung war, dass die Luxemburger Liste die Veröffentlichung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen darstelle.
537 Im Übrigen ergibt sich aus dem Schreiben von AZ vom 16. Dezember 1993, dass AZ den niederländischen Patentanwalt darauf hinwies, dass die Luxemburger Liste die Veröffentlichung der Genehmigung für das Inverkehrbringen darstelle. Angesichts des Kontexts liegt es auf der Hand, dass AZ wusste, dass der Patentanwalt dieses Schreiben als Hinweis darauf verstehen würde, dass sich die Veröffentlichung auf die technische Genehmigung bezog.
– Zu den Erklärungen vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs (Januar bis Juni 1994)
538 Nachdem der Patentanwalt den Zeitpunkt „März 1988“ mitgeteilt hatte, bat ihn nach den Feststellungen der Kommission das Patentamt des Vereinigten Königreichs mit Schreiben vom 7. September 1993 um Präzisierung. In einem Antwortschreiben vom 7. Januar 1994 führte der Patenanwalt im Vereinigten Königreich aus, dass die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen das Datum des 16. November 1987 trage und dass der 21. März 1988 anstelle von „März 1988“ zugrunde gelegt werden könne. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 teilte das Patentamt des Vereinigten Königreichs mit, dass der 16. November 1987 das korrekte Datum sei (vgl. Erwägungsgründe 209 und 697 der angefochtenen Entscheidung).
539 Mit einem an Hässle gerichteten internen Memorandum vom 14. Februar 1994 teilte der Leiter der Patentabteilung mit, dass, um eine möglichst lange Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate für Losec in den verschiedenen europäischen Ländern zu gewährleisten, seine Abteilung den Standpunkt vertreten werde, dass die Definition des Begriffs der Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht eindeutig sei. [vertraulich] Der Leiter der Patentabteilung fügte hinzu, seine Abteilung werde zu erreichen versuchen, dass der letztgenannte Zeitpunkt als maßgebend anerkannt werde, da er die längste Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate gestatte und die Möglichkeit biete, das ergänzende Schutzzertifikat in Deutschland aufrechtzuerhalten und ein ergänzendes Schutzzertifikat in Dänemark zu erhalten. Der Leiter der Patentabteilung bat darum, ihm Informationen über den Zeitpunkt zukommen zu lassen, zu dem Losec in den einzelnen Mitgliedstaaten erstmals in den Verkehr gebracht worden sei, und fügte hinzu (vgl. Erwägungsgründe 210 und 211 der angefochtenen Entscheidung):
„Informieren Sie mich insbesondere darüber, ob wir Losec in einem Staat der EU verkauft haben, bevor die Preisverhandlungen in diesem Staat abgeschlossen waren.“
540 Mit Memorandum vom 3. März 1994 teilte die Luxemburger Vertriebsgesellschaft Hässle u. a. mit, dass der erste Verkauf von Losec in Luxemburg am 11. März 1988 stattgefunden habe und dass die am 17. Dezember 1987 geschlossene Preisvereinbarung nicht veröffentlicht worden sei. Die Tochtergesellschaft von AZ in Luxemburg erklärte ferner, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec im März 1988 im Mémorial veröffentlicht worden sei. Die letztgenannte Information war jedoch falsch, da die Veröffentlichung im Mémorial am 4. Dezember 1987 erfolgt war. Nachdem Hässle am 17. Mai 1994 um Bestätigung gebeten hatte, übersandte Astra Luxembourg am 18. Mai 1994 erneut ihr Telefax vom 3. März 1994. Am 30. Mai 1994 bat Hässle Astra Luxembourg nochmals um Bestätigung dieser Informationen, und mit Telefax vom 8. Juni 1994 bestätigte Astra Luxembourg ihre Mitteilung vom 3. März 1994 und stellte klar, dass die Preisvereinbarung, die nicht veröffentlicht worden sei, am 17. Dezember 1987 getroffen worden sei und dass die amtliche Veröffentlichung der Genehmigung im Mémorial vom März 1988 erfolgt sei (vgl. Erwägungsgründe 211 und 212 der angefochtenen Entscheidung).
541 Mit Schreiben vom 16. Juni 1994 beantragte der Patentanwalt im Vereinigten Königreich beim Patentamt des Vereinigten Königreichs, die Auslegung des Begriffs der Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne eines tatsächlichen Inverkehrbringens des Produkts für zulässig zu erklären, d. h., dass ein Inverkehrbringen vorliege, wenn sämtliche Abschnitte des Verwaltungsverfahrens, die erforderlich seien, damit ein Produkt in der Praxis in den Verkehr gebracht werden könne, abgeschlossen seien. Das Schreiben enthielt in der Anlage eine Tabelle, in der die verschiedenen Abschnitte des Genehmigungsverfahrens für Omeprazol in verschiedenen Ländern aufgeführt waren. Die Tabelle nannte den 15. April 1987 als Zeitpunkt der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich und den 21. März 1988 als Zeitpunkt der Eintragung und der amtlichen Veröffentlichung des Preises in Luxemburg. Dem Schreiben waren auch die am 8. März und 8. Juni 1994 erstellten Rechtsgutachten von zwei Anwaltskanzleien beigefügt, die die von AZ vertretene Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 stützten. Der Patentanwalt im Vereinigten Königreich machte geltend, in Luxemburg sei es de facto unmöglich, ein Produkt in den Verkehr zu bringen, bevor es nicht im Verzeichnis des luxemburgischen Gesundheitsministeriums, den „Spécialités pharmaceutiques“ (der Luxemburger Liste), aufgeführt sei; diese sei am 21. März 1988 veröffentlicht worden. Die ersten Verkäufe in Luxemburg hätten Ende März 1988 stattgefunden (vgl. Erwägungsgründe 213 und 214 der angefochtenen Entscheidung).
542 Das Patentamt wies jedoch die Argumente von AZ zurück und stellte fest, dass die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft am 15. April 1987 erteilt worden sei. Am 30. September 1994 erteilte es ein ergänzendes Schutzzertifikat, dessen Laufzeit am 14. April 2002 endete (vgl. Erwägungsgründe 215 und 216 der angefochtenen Entscheidung).
543 Es ist festzustellen, dass das Verhalten von AZ vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs transparenter war als ihr Verhalten vor den luxemburgischen, belgischen und niederländischen Behörden. Statt die Entscheidung der Behörde des Vereinigten Königreichs hinzunehmen, die den 16. November 1987 als Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zugrunde legte, versuchte AZ die Gründe, aus denen sie den 21. März 1988 zugrunde legen wollte, und ihre Auslegung des Begriffs der Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erläutern.
544 In der angefochtenen Entscheidung hebt die Kommission hervor, dass AZ die von ihrer Tochtergesellschaft in Luxemburg übermittelten Informationen nicht beachtet habe, die die Bedeutung, die AZ der Luxemburger Liste und dem Datum des 21. März 1988 habe beimessen wollen, in Frage stellten. Astra Luxembourg habe dreimal darauf hingewiesen, dass der am 17. Dezember 1987 genehmigte Preis nicht veröffentlicht worden sei und dass die ersten Verkäufe von Losec am 11. März 1988, also vor dem 21. März 1988, erfolgt seien.
545 Daran ist richtig, dass AZ über Informationen verfügte, die die Bedeutung, die AZ der Luxemburger Liste beimessen wollte, nicht bestätigten. Wie bereits oben in Randnr. 497 ausgeführt, konnte diese Liste kaum als amtliche Veröffentlichung des Preises von Losec verstanden werden, da den angeführten Produkten keine Preise zugeordnet waren. Dass Astra Luxembourg darauf hingewiesen hatte, dass der Preis nicht veröffentlicht worden sei, diskreditierte die These, dass die Luxemburger Liste die Veröffentlichung des Preises von Losec darstellte, noch stärker.
546 Auch der Hinweis darauf, dass die ersten Verkäufe von Losec schon am 11. März 1988 stattfanden, trug dazu bei, der Luxemburger Liste die ihr von AZ beigemessene Bedeutung zu nehmen. Insoweit ist die Erörterung der Frage, ob die „offizielle Einführung“ des Produkts, auf die sich die Luxemburger Tochtergesellschaft von AZ bezog und für die sie das genannte Datum angab, als Vornahme der ersten tatsächlichen Verkäufe verstanden werden kann, ohne Einfluss auf die Erwägung, dass Losec unabhängig von der Veröffentlichung der Luxemburger Liste tatsächlich in den Verkehr gebracht werden konnte.
547 Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Erklärungen, die AZ vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs abgab, um im Rahmen ihrer „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ eine Anerkennung des Datums des 21. März 1988 zu erreichen, seit dem Schreiben vom 16. Juni 1994, in dem AZ offen auf das Vorliegen der ersten französischen Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 15. April 1987 und auf die von ihr vertretene Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 Bezug nahm, nicht mehr irreführend sind. Dies kommt auch im 774. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck, wo die Kommission ausführt, dass der erste Missbrauch am 16. Juni 1994 im Vereinigten Königreich geendet habe.
548 Demgemäß geht aus sämtlichen dem Gericht vorgelegten schriftlichen Beweisen und insbesondere aus dem oben in Randnr. 530 geprüften Telefax vom 11. Oktober 1996 und dem unten in den Randnrn. 551 und 552 geprüften Protokoll der Sitzung in Kopenhagen am 15. November 1994 eindeutig hervor, dass die beim Patentamt des Vereinigten Königreichs eingereichte ursprüngliche Zertifikatsanmeldung Teil einer bei den Zertifikatsanmeldungen verfolgten Gesamtstrategie war, die darauf abzielte, dass bei den Zertifikaten das Datum des 21. März 1988 statt des 15. April 1987 zugrunde gelegt wird, der der ersten in der Gemeinschaft erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen entsprach.
549 Vor diesem Hintergrund ändert folglich die Tatsache, dass AZ ihre Haltung gegenüber den Behörden des Vereinigten Königreichs in ihrem Schreiben vom 16. Juni 1994 plötzlich änderte, weder etwas daran, dass die ihnen gegenüber bei der Zertifikatsanmeldung ursprünglich abgegebenen Erklärungen irreführend waren, noch daran, dass das Verhalten von AZ gegenüber den anderen innerstaatlichen Patentämtern missbräuchlich war, da sie ihnen die relevanten Informationen nicht offenbarte, so dass die Patentämter über die Laufzeit der ergänzenden Schutzzertifikate, auf die AZ Anspruch hatte, getäuscht wurden.
– Zur Rücknahme der Zertifikatsanmeldung in Dänemark (November 1994)
550 Am 30. September 1994 nahm AZ ihre beim dänischen Patentamt eingereichte Zertifikatsanmeldung, die auf das Luxemburger Datum „März 1988“ gestützt worden war, zurück.
551 Im Protokoll einer Zusammenkunft des Leiters der Patentabteilung, eines dänischen Rechtsanwalts und des dänischen Patentanwalts am 15. November 1994 in Kopenhagen werden die bis dahin von AZ bei Zertifikatsanmeldungen verfolgte Strategie zusammengefasst und die Gründe für die Rücknahme dieser Anmeldung genannt. In dem Protokoll heißt es, dass AZ beschlossen habe, sich darauf zu berufen, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen dem Zeitpunkt entspreche, zu dem auch der Preis genehmigt worden sei, was dazu führe, dass das Luxemburger Datum „März 1988“ zu berücksichtigen sei, und damit die Einreichung einer Zertifikatsanmeldung in Deutschland und in Dänemark ermögliche. Die Einreichung dieser Anmeldungen wäre nicht möglich gewesen, wenn die französische Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 15. April 1987 berücksichtigt worden wäre. AZ habe beschlossen, ihren Standpunkt vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs nicht länger aufrechtzuerhalten und ein ergänzendes Schutzzertifikat zu akzeptieren, dem der Zeitpunkt der französischen Genehmigung zugrunde liege, unbeschadet der Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, die sie in Deutschland vertreten wolle.
552 In dem Protokoll heißt es weiter, dass AZ „überzeugt“ sei, dass es in den Ländern, in denen die Übergangsregelung keine Probleme bereite, aber die Luxemburger Genehmigung „aus Gründen der Einheitlichkeit“ zugrunde gelegt worden wäre, möglich sei, im Fall eines Rechtsstreits über die ergänzenden Schutzzertifikate angesichts der Unsicherheit in Bezug auf die Auslegung der betreffenden Rechtsvorschriften zur Zeit der Einreichung der Zertifikatsanmeldungen den Zeitpunkt der französischen Genehmigung wieder aufzugreifen. Das dänische Patentamt habe informell mitgeteilt, dass nach seiner Auffassung das Luxemburger Datum nicht das Datum der „ersten Genehmigung“ sei. Es beabsichtige, dieselbe Auffassung wie das Patentamt des Vereinigten Königreichs zu vertreten, mit dem es hinsichtlich der ergänzenden Schutzzertifikate in engem Kontakt stehe. Die dänische Behörde habe jedoch einen anderen formalen Grund für die Zurückweisung der Anmeldung, so dass es den Diskussionen über die erste Genehmigung aus dem Weg gehen könne. AZ habe nach reiflicher Überlegung beschlossen, ihren Standpunkt in Dänemark nicht zu verteidigen und das Argument, das auf der „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ beruhe, für die Zertifikatsanmeldung in Deutschland aufzusparen sowie, nach Rücksprache mit ihren dänischen Repräsentanten, die Zertifikatsanmeldung in Dänemark zurückzunehmen und dies als Folge eines Irrtums bei der Angabe der Patentnummer darzustellen (vgl. Erwägungsgründe 219 und 220 der angefochtenen Entscheidung).
553 Bei einer Würdigung im Licht des Telefax vom 11. Oktober 1996, das der Leiter der Patentabteilung an den Direktor der niederländischen Vertriebsgesellschaft von AZ sandte (siehe oben, Randnr. 530), ist das Protokoll der Sitzung in Kopenhagen am 15. November 1994 ein wichtiger Beweis dafür, dass die Nennung des 15. April 1987, des Zeitpunkts der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich, gegenüber dem belgischen, dem luxemburgischen und dem niederländischen Patentamt bewusst unterblieb. Es liegt nämlich auf der Hand, dass AZ, als die Patentämter es ablehnten, das Datum des 21. März 1988 zu berücksichtigen, es vermied, ihnen das Datum des 15. April 1987 zu offenbaren, und es zuließ, dass sie die ergänzenden Schutzzertifikate auf das Datum des 16. November 1987 stützten, an dem die luxemburgische technische Genehmigung erteilt wurde und von dem sie annahmen, es sei der Zeitpunkt der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft. Für den Fall, dass der 15. April 1987 ans Licht kommen würde, wollte sich AZ, um die Übermittlung des unrichtigen Datums zu rechtfertigen, darauf berufen, dass die Auslegung des rechtlichen Rahmens unsicher sei. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission und des Verfahrens vor dem Gericht berufen sich die Klägerinnen ferner auf ein Versehen, um die Übermittlung des unrichtigen Zeitpunkts zu rechtfertigen (siehe oben, Randnrn. 436 und 530).
554 Dem Protokoll lässt sich überdies entnehmen, dass AZ ihre Zertifikatsanmeldung in Dänemark zurücknahm, um nicht mit einem ablehnenden Bescheid konfrontiert zu werden und damit einen Präzedenzfall zu schaffen, der ihren Chancen auf Erlangung eines ergänzenden Schutzzertifikats in Deutschland abträglich wäre, wo wie in Dänemark keine ergänzenden Schutzzertifikate für Produkte erteilt wurden, die vor dem 1. Januar 1988 eine erste technische Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten hatten.
555 In Anbetracht dessen war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass die Strategie von AZ ohne die Kontakte zwischen den Patentämtern des Vereinigten Königreichs und Dänemarks die Erlangung eines ergänzenden Schutzzertifikats in Dänemark wahrscheinlich ermöglicht hätte (719. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Zu den Anmeldungen in den Ländern des EWR (Dezember 1994)
556 In der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass die Patentanwälte von AZ im Dezember 1994 aufgrund der Weisungen von AZ vom 18. November 1994 eine zweite Runde von Zertifikatsanmeldungen in Österreich, Finnland und Norwegen eingereicht hätten. Diese Weisungen enthielten nur das Datum und die Nummer der ersten Genehmigung im EWR, nicht aber die Daten und Nummern der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in zehn Mitgliedstaaten. AZ teilte in ihren Weisungen auch den 21. März 1988 als Datum der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft und die Nummer der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg vom 16. November 1987 mit. Sie fügte die Luxemburger Liste als maßgebliche Veröffentlichung dieser Genehmigung und eine Kopie des Luxemburger Gesetzes über die technische Genehmigung für das Inverkehrbringen bei (vgl. Erwägungsgründe 183, 184 und 232 der angefochtenen Entscheidung).
557 Die Kommission wies darauf hin, dass die schwedischen Behörden das Inverkehrbringen von Losec am 5. Februar 1988 genehmigt hätten. Das Produkt Losec wurde am 28. Februar 1988 tatsächlich eingeführt (232. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
558 In Österreich bat der Patentanwalt um nähere Angaben, um dem Patentamt erläutern zu können, weshalb das Datum der Genehmigung für das Inverkehrbringen (21. März 1988) nicht das maßgebliche Datum der ersten Genehmigung in der Gemeinschaft sei. Der österreichische Patentanwalt teilte gleichwohl das Datum des 21. März 1988 dem Patentamt mit, das dementsprechend auf der Grundlage dieses Datums ein bis 24. August 2005 laufendes ergänzendes Schutzzertifikat erteilte (vgl. den 233. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
559 In Norwegen reichte der Patentanwalt die Zertifikatsanmeldung am 21. Dezember 1994 gemäß den Weisungen von AZ ein. Am 14. April 1997 erteilte das norwegische Patentamt unter Zugrundelegung des Datums des 21. März 1988 ein ergänzendes Schutzzertifikat für Omeprazol, das am 21. März 2003 ablaufen sollte. Dieses Zertifikat wurde von Wettbewerbern vor dem erstinstanzlichen Gericht in Oslo angefochten, und der Rechtsstreit gelangte sodann vor das Rechtsmittelgericht. Das ergänzende Schutzzertifikat wurde schließlich am 29. Juni 1999 zurückgenommen (Erwägungsgründe 234 und 242 der angefochtenen Entscheidung).
560 In Finnland wurde die Zertifikatsanmeldung vom finnischen Patentanwalt am 30. Dezember 1994 eingereicht. Das finnische Patentamt erteilte ein ergänzendes Schutzzertifikat unter Zugrundelegung des Datums des 21. März 1988. Diese Entscheidung wurde am 21. Dezember 1998 von einem Wettbewerber vor dem erstinstanzlichen Gericht in Helsinki angefochten. Das Verfahren vor diesem Gericht war bei Erlass der angefochtenen Entscheidung noch anhängig (Erwägungsgründe 243 und 244 der angefochtenen Entscheidung).
561 Trotz des Umstands, dass AZ die Genehmigung für den Vertrieb von Losec in Schweden am 5. Februar 1988 erhalten hatte, zog sie es nach den Feststellungen der Kommission vor, das Datum des 21. März 1988 zu übermitteln, obwohl es dem ersten Zeitpunkt des tatsächlichen Inverkehrbringens von Losec nicht mehr entsprach (722. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
562 Die Klägerinnen und die Kommission sind in der – angesichts der von AZ vorgenommenen Auslegung des Begriffs „Genehmigung“ bedeutsamen – Frage, ob AZ den 5. Februar 1988 bewusst nicht als Datum der ersten Genehmigung für das tatsächliche Inverkehrbringen im EWR übermittelte, gegensätzlicher Meinung. Zum Beweis dafür, dass AZ wusste, dass der Zeitpunkt der ersten Genehmigung im EWR das relevante Datum ist, stützt sich die Kommission auf verschiedene Schreiben, deren Relevanz und Beweiskraft die Klägerinnen bestreiten.
563 Ohne dass hierüber entschieden werden muss, genügt aber die Feststellung, dass AZ, wie auch in anderen Ländern, den Patentämtern das Datum des 21. März 1988 mitteilte und nicht das maßgebliche Datum des 15. April 1987, an dem die Genehmigung für das Inverkehrbringen in Frankreich erteilt wurde, bei der es sich um die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft und damit im EWR handelte.
564 Somit war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass AZ die in Rede stehenden Patentämter irregeführt hatte, weil sie ihnen nicht alle relevanten Informationen zur Verfügung stellte, die erforderlich gewesen wären, um die ergänzenden Schutzzertifikate in Kenntnis des gesamten Sachverhalts erteilen zu können.
565 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in der Erwiderung geltend machen, der Leiter der Patentabteilung sei der Auffassung gewesen, dass nur der Zeitpunkt der in der Union erteilten Genehmigung Anwendung finde. Folglich oblag es AZ, dem Patentamt gegenüber auch das Datum des 15. April 1987 anzugeben, da eben dieses Datum nach der überwiegend vertretenen Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 die erste Genehmigung in der Gemeinschaft betraf. In diesem Zusammenhang ist nochmals festzustellen, dass AZ angesichts der Tatsache, dass sie eine spezielle Auslegung der Verordnung Nr. 1768/02 verteidigen wollte, die verschiedenen relevanten Informationen auf transparente Weise mitteilen musste, damit die Behörde die angemessene Entscheidung fällen konnte und nicht infolge einer nicht offen gelegten Unklarheit einem Irrtum erlag.
– Zu den Erklärungen vor dem irischen Patentamt (Oktober 1995)
566 Die Kommission führt aus, AZ habe in Beantwortung einer Frage des irischen Patentamts im Jahr 1995 bezüglich der Angabe „März 1988“ das Datum der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft – der am 15. April 1987 in Frankreich erteilten Genehmigung – mitgeteilt, zugleich aber geltend gemacht, dass das zu berücksichtigende Datum der 21. März 1988 sei. Nach Ansicht der Kommission durfte AZ jedoch angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Informationen nicht behaupten, dass das tatsächliche Inverkehrbringen von Losec vor dem 21. März 1988 nicht möglich gewesen sei (725. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
567 Wie in Bezug auf die Zertifikatsanmeldung im Vereinigten Königreich ausgeführt, legte AZ in diesem Stadium die erforderliche Transparenz an den Tag, indem sie das Datum des 15. April 1987 mitteilte. Dass AZ Informationen besaß, die ihren Behauptungen einen Großteil der Glaubwürdigkeit nahmen, ändert daran nichts.
568 Wie jedoch vorstehend in Randnr. 549 ausgeführt, nimmt die Transparenz, die AZ gegenüber dem irischen Patentamt an den Tag legte, den Darstellungen vor den anderen innerstaatlichen Patentämtern und insbesondere vor den Patentämtern der Benelux-Länder nicht ihren irreführenden Charakter.
– Zu den Erklärungen vor den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland (Mai 1998)
569 Die Kommission stellt fest, dass der Leiter der Patentabteilung, als er mit Schreiben vom 8. Mai 1998 das belgische, das finnische, das luxemburgische und das niederländische Patentamt darüber informiert habe, dass AZ in Deutschland gegen die Entscheidung des Bundespatentgerichts Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof eingelegt habe, behauptet habe, dass die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft im Sinne der Verordnung Nr. 1768/92 am 21. März 1988 erteilt worden sei, da „alle erforderlichen Genehmigungen für das Inverkehrbringen des Produkts im ersten Mitgliedstaat (Luxemburg) erstmals erteilt worden waren“.
570 Die Kommission wies darauf hin, dass AZ, als diese Erklärung abgegeben worden sei, über eindeutige Informationen verfügt habe, aus denen hervorgegangen sei, dass Losec schon vor dem genannten Zeitpunkt in den Verkehr gebracht worden sei. Sie stellte auch fest, dass AZ in ihren Erklärungen vor dem Bundespatentgericht schon am 4. April 1997 eingeräumt habe, dass die Preisfestsetzung am 8. Februar 1988 der maßgebliche Zeitpunkt für das tatsächliche Inverkehrbringen sei. Außerdem habe AZ über ein viertes internes Dokument vom 23. Februar 1998 verfügt, aus dem sich ergeben habe, dass die Omeprazol-Kapseln 20 mg am 1. Februar 1988 in den Verkehr gebracht worden seien (Erwägungsgründe 726 und 730 der angefochtenen Entscheidung).
571 Die Klägerinnen bestreiten, dass das Dokument vom 23. Februar 1988 eine zuverlässige Informationsquelle für den genauen Zeitpunkt der Einführung von Losec sei. Wie von ihnen nicht bestritten wird, ergibt sich aus ihm jedoch, dass die Einführung von Losec in Luxemburg zumindest im Lauf des Monats Februar 1988, also vor dem 21. März 1988, erfolgte.
572 Wie die Kommission im 224. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellt, ergibt sich ferner aus einem internen Dokument von AZ vom 9. September 1996, dass AZ wusste, dass Losec vor dem 21. März 1988 in den Verkehr gebracht worden war, wenn auch der genaue Zeitpunkt der Produkteinführung zu jener Zeit nicht klar war, da insoweit sowohl der 1. Februar 1988 als auch der 11. März 1988 genannt wurden. Auch ein internes Dokument vom 19. August 1996 nennt den 1. Februar 1988 als Zeitpunkt der Einführung von Losec in Luxemburg.
573 Angesichts dieser schriftlichen Beweise, die zu allen anderen Beweisen bezüglich der Zertifikatsanmeldungen in den verschiedenen oben angeführten Ländern hinzutreten, hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass AZ nicht gutgläubig gewesen sei, als sie den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland erklärt habe, dass Losec vor dem 21. März 1988 de facto nicht habe in den Verkehr gebracht werden können.
– Zu den Erklärungen in den gerichtlichen Verfahren in Deutschland
574 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass der deutsche Patentanwalt beim deutschen Patentamt gemäß den Weisungen von AZ am 7. Juni 1993 eine Zertifikatsanmeldung einreichte. Auf dem Anmeldeformular war der Angabe „März 1988“ die Zahl „21“ handschriftlich hinzugefügt worden. Am 10. November 1993 erteilte das deutsche Patentamt unter Zugrundelegung dieses Datums ein ergänzendes Schutzzertifikat, das am 21. März 2003 ablaufen sollte (221. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
575 Am 18. Juni 1996 verklagte Ratiopharm, eine Generikaherstellerin, AZ vor dem Bundespatentgericht und machte geltend, das ergänzende Schutzzertifikat für AZ müsse für nichtig erklärt werden, da die erste technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft am 15. April 1987 in Frankreich erteilt worden sei (222. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
576 Die Kommission meint, AZ habe in den Gerichtsverfahren in Deutschland irreführende Darstellungen abgegeben. Am 9. Oktober 1996 habe AZ nämlich behauptet, sie habe seit der Einreichung der Zertifikatsanmeldungen im Juni 1993 „angenommen“, dass das Datum der Veröffentlichung der Genehmigung einschließlich der Preisfestsetzung, der 21. März 1988, das für die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen maßgebende Datum sei; erst ab diesem Zeitpunkt habe das Produkt als ein zu einem festen Preis erstattungsfähiges Produkt in den Verkehr gebracht werden können (Erwägungsgründe 223 und 728 der angefochtenen Entscheidung).
577 Die Kommission führt weiter aus, AZ habe bei Abgabe der genannten Erklärung über zusätzliche Informationen verfügt, denen zufolge die Entscheidung vom 17. Dezember 1987 über die Preisfestsetzung nicht veröffentlicht worden sei und die Omeprazol-Kapseln vor dem 21. März 1988 eingeführt worden seien, nämlich ausweislich der Antwort der belgischen Vertriebsgesellschaft im Jahr 1994 am 11. März 1988 bzw. ausweislich der internen Vermerke von AZ vom 19. August und 9. September 1996 am 1. Februar oder 11. März 1988. Hierzu führt die Kommission aus, in dem internen Vermerk vom 9. September 1996 heiße es, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen und ihre Veröffentlichung sowie das Schreiben, das über die Preisfestsetzung informiere, vor der Einführung des Produkts erwartet worden seien. In dem Vermerk heiße es jedoch, dass die Veröffentlichung der „Liste“ durch das Gesundheitsministerium „offenbar“ nicht erwartet worden sei. In dem Vermerk werde auf drei „Probleme“ hingewiesen, und zwar erstens, dass die Genehmigung und deren Veröffentlichung vor dem 1. Januar 1988 erfolgt seien, zweitens, dass trotz der Bemühungen um eine Anerkennung des 21. März 1988 dem ergänzenden Schutzzertifikat der 16. November 1987 zugrunde gelegt worden sei, und drittens, dass das Produkt vor der Veröffentlichung der Luxemburger Liste eingeführt worden sei (vgl. Erwägungsgründe 224 und 729 der angefochtenen Entscheidung).
578 Die Kommission stellte auch fest, dass AZ in ihren späteren Erklärungen vor dem Bundespatentgericht am 4. April 1997 wiederholt habe, dass sie davon ausgegangen sei, dass das Produkt erst nach der Veröffentlichung der Preisfestsetzung am 21. März 1988 rechtmäßig in den Verkehr habe gebracht werden können, und dass die Gründe, aus denen sie der Auffassung gewesen sei, dass der 21. März 1988 der maßgebende Zeitpunkt sei, durchaus nachvollziehbar seien, „obwohl letztlich der 8. Februar 1988 der für die Festsetzung des Preises entscheidende Zeitpunkt war“. Die Kommission hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass AZ zwar in diesem Stadium implizit eingeräumt habe, dass die Veröffentlichung der Luxemburger Liste keine conditio sine qua non für das Inverkehrbringen des Produkts sei, doch habe sie diese Information in ihren Schreiben vom 8. Mai 1998 an die Patentämter der Benelux-Länder und von Finnland nicht erwähnt (Erwägungsgründe 225 und 730 der angefochtenen Entscheidung).
579 Die Klägerinnen bestreiten, dass AZ die Absicht gehabt habe, die deutschen Gerichte zu täuschen, und dass sie gewusst habe, dass der 21. März 1988 nicht das korrekte Datum bezüglich der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen gewesen sei. Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, wonach zum einen der im internen Vermerk vom 19. August 1996 erwähnte Zeitpunkt des 1. Februar 1988 aus einer von einem Patentanwalt übermittelten Information stamme und ungeklärter Herkunft sei und zum anderen das Dokument vom 9. September 1996 erkennen lasse, dass der Zeitpunkt der Einführung von Losec unsicher sei, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen ihr Vorbringen nicht durch Vorlage des Dokuments des Patentanwalts, in dem das genannte Datum erwähnt worden sein soll, belegen. Außerdem führen die Klägerinnen nichts dafür an, dass die Information bezüglich des 1. Februar 1988, die der Patentanwalt übermittelt haben soll, wertlos oder weniger glaubhaft als das Datum des 21. März 1988 wäre.
580 Erneut ist jedoch festzustellen, dass sämtliche Informationen, über die AZ verfügte, auch wenn sie hinsichtlich des genauen Datums der Produkteinführung ungenau waren, darin übereinstimmten, dass Losec tatsächlich vor dem in der Luxemburger Liste genannten Datum, d. h. vor dem 21. März 1988, in Verkehr gebracht worden war. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnrn. 497 und 545), konnte die Luxemburger Liste im Übrigen angesichts ihres objektiven Erscheinungsbilds und des Umstands, dass die luxemburgische Vertriebsgesellschaft von AZ bereits im März 1994 darauf hingewiesen hatte, dass die Luxemburger Entscheidung über die Preisfestsetzung nicht veröffentlicht worden sei, vernünftigerweise nicht als die Veröffentlichung des Preises von Losec verstanden werden.
581 Was sodann die Stellungnahme der Vertreter von AZ im Verfahren vor dem Bundespatentgericht angeht, so machen die Klägerinnen geltend, das Anerkenntnis, dass der 8. Februar 1988 als maßgeblicher Zeitpunkt zu berücksichtigen sei, beruhe auf einer speziellen Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92, wonach der Zeitpunkt der Genehmigung des Preises durch die Behörden maßgeblich sei. AZ sei daher in Wirklichkeit nicht der Auffassung gewesen, dass die Luxemburger Liste unerheblich sei. Insoweit genügt, unabhängig davon, ob das Vorbringen der Klägerinnen zutrifft, wiederum die Feststellung, dass AZ bereits im März 1994 über Informationen verfügte, die darauf hindeuteten, dass die Luxemburger Entscheidung über die Preisfestsetzung nicht veröffentlicht worden war. Darüber hinaus enthielt die Luxemburger Liste, in der der 21. März 1988 aufgeführt war, keine Angabe zum Preis von Losec. Die Klägerinnen können somit jedenfalls nicht behaupten, dass AZ ernsthaft davon ausgehen durfte, dass der 21. März 1988 der Zeitpunkt der Preisveröffentlichung war, die eine gesetzliche Voraussetzung für das Inverkehrbringen des Produkts bildete.
582 Nach alledem hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass AZ in den Verfahren vor den deutschen Gerichten unzutreffende Erklärungen abgegeben hatte, obwohl sie über übereinstimmende Informationen verfügte, wonach die Luxemburger Liste und das Datum des 21. März 1988 für die Frage, welcher Zeitpunkt nach ihrer eigenen Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 und nach ihrer „Theorie des tatsächlichen Inverkehrbringens“ heranzuziehen war, unerheblich waren. AZ versuchte somit nur, die Gültigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats zu verteidigen, das ihr in Deutschland aufgrund irreführender Darstellungen erteilt worden war, denen zufolge der 21. März 1988 der Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft war.
– Zu den Erklärungen in den gerichtlichen Verfahren in Norwegen und Finnland
583 Zu dem Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht in Oslo hat die Kommission ausgeführt, dass AZ im Rahmen ihrer Erklärungen vom 12. Februar und 20. Mai 1999 die Relevanz des Datums des 21. März 1988 und der Luxemburger Liste verteidigt habe, obwohl sie über Informationen verfügt habe, nach denen Losec vor diesem Zeitpunkt eingeführt worden sei. Die Kommission hat ferner festgestellt, dass AZ das Datum des 8. Februar 1988 nicht erwähnt habe, obwohl es von ihr vor dem Bundespatentgericht angeführt worden sei, und dass sie geltend gemacht habe, dass die Veröffentlichung der Luxemburger Liste zugelassener Produkte, deren Preise genehmigt worden seien, eine notwendige Voraussetzung dafür sei, dass Losec in Luxemburg in den Verkehr gebracht werden könne (Erwägungsgründe 235, 236 und 733 der angefochtenen Entscheidung).
584 Die Kommission hat überdies festgestellt, dass AZ in dem genannten Gerichtsverfahren eingeräumt habe, dass ihr weder die gesamte Luxemburger Liste noch ein den Preis von Losec enthaltender Teil dieser Liste zur Verfügung gestanden habe. Gleichwohl habe AZ die Relevanz der Liste gegenüber den Patentanwälten, Patentämtern und Gerichten verteidigt. Bei dem Gerichtsverfahren in Norwegen habe sich herausgestellt, dass es eine andere Luxemburger Veröffentlichung gebe, die „Luxemburger Liste der Arzneimittelpreise“, von der AZ eine auf den 16. Januar 1988 datierte Seite mit einer Erwähnung von Losec vorgelegt habe. Die Ermittlungen, die die Beschwerdeführer bei den Luxemburger Behörden angestellt hätten und deren Ergebnisse sie den norwegischen Gerichten vorgelegt hätten, hätten auch ergeben, dass die Luxemburger Liste zur fraglichen Zeit (März 1988) keine amtliche Veröffentlichung gewesen sei, sondern nur zur Information der Ärzte, Apotheker und pharmazeutischen Unternehmen über die zum Verkauf zugelassenen Produkte gedient habe, unabhängig davon, ob ihre Preise genehmigt gewesen seien (vgl. Erwägungsgründe 239, 240 und 734 der angefochtenen Entscheidung).
585 Zu dem Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht in Helsinki hat die Kommission ausgeführt, dass AZ am 25. Februar 1999 die gleichen Erklärungen abgegeben habe wie am 12. Februar 1999 vor dem erstinstanzlichen Gericht in Oslo. Sodann hat sie festgestellt, dass AZ am 30. Juni 1999 erneut erklärt habe, dass Losec in Luxemburg vor dem 21. März 1988 nicht habe vertrieben werden können und dass es in keinem Land des EWR in den Verkehr gebracht worden sei. AZ habe ebenfalls erklärt, dass sowohl die Beschwerdeführerin dieses Verfahrens, Merck Generics Oy, als auch sie selbst versucht hätten, den rechtlichen Status der Veröffentlichung in Luxemburg zu klären und eine vollständige Fassung der Luxemburger Liste zu finden, und dass die „Lage in Luxemburg … ziemlich unklar [war]“. AZ habe diese Erklärungen trotz der ihr vorliegenden Informationen abgegeben, aus denen sich eindeutig ergeben habe, dass die ersten Verkäufe von Losec vor dem 21. März 1988 erfolgt seien (Erwägungsgründe 244, 245 und 735 der angefochtenen Entscheidung).
586 Wie bereits ausgeführt, ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, AZ habe sich bei ihrer Behauptung, dass der Zeitpunkt der tatsächlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen der 21. März 1988 gewesen sei, vernünftigerweise auf die Luxemburger Liste stützen können. Das Verteidigungsvorbringen von AZ vor dem Gericht in Oslo war offensichtlich nicht mehr haltbar, vor allem nachdem die Luxemburger Behörden bestätigt hatten, dass die Luxemburger Liste keine amtliche Veröffentlichung darstelle. Selbst nachdem die Existenz der „Luxemburger Liste der Arzneimittelpreise“ bekannt geworden war und AZ selbst eine auf den 16. Januar 1988 datierte Seite dieser Veröffentlichung mit einer Erwähnung von Losec vorgelegt hatte, behauptete AZ weiterhin, dass vor dem 21. März 1988 keine Liste, die Losec und dessen Preis enthalten habe, veröffentlicht worden sei und dass die Luxemburger Liste auch Informationen über den Preis von Losec enthalten habe (241. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
587 In Anbetracht aller AZ zur Verfügung stehenden Informationen, die entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen darin übereinstimmten, dass Losec vor dem 21. März 1988 eingeführt worden war, ist die Kommission zu Recht im Wesentlichen davon ausgegangen, dass sich AZ vernünftigerweise nicht auf die Luxemburger Liste habe stützen dürfen (vgl. hierzu auch die Erwägungsgründe 236 und 237 sowie 733 und 734 der angefochtenen Entscheidung).
588 Folglich ist das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, demzufolge die Tatsache, dass AZ im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof eingeräumt habe, weder im Besitz der vollständigen Luxemburger Liste noch ihres den Preis von Losec enthaltenden Teils zu sein, beweise, dass eine Absicht zur Täuschung der öffentlichen Stellen nicht bestanden habe. Zudem hätte jede gegenteilige Behauptung von AZ vor dem Gerichtshof diese gezwungen, die vollständige Liste oder einen relevanten Teil von ihr vorzulegen, wozu sie nicht imstande war. Sie hatte daher jedenfalls keine andere Wahl als zuzugeben, dass sie nicht im Besitz dieser Dokumente war.
589 Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die Erklärungen, die AZ vor dem erstinstanzlichen Gericht in Helsinki abgab. Es liegt nämlich auf der Hand, dass AZ in der gleichen Weise vorging, nämlich geltend machte, dass Losec vor dem 21. März 1988 nicht in den Verkehr habe gebracht werden können, obwohl sie im Besitz übereinstimmender Informationen war, nach denen das Produkt vor diesem Zeitpunkt eingeführt worden war und die Luxemburger Liste für die Frage, ob das Produkt rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden kann, unerheblich ist.
590 Somit ist davon auszugehen, dass AZ vor den norwegischen und finnischen Gerichten – wie vor den deutschen Gerichten – nur die Gültigkeit der ergänzenden Schutzzertifikate verteidigen wollte, die in diesen Ländern aufgrund irreführender Darstellungen erteilt worden waren, in denen der 21. März 1988 als Zeitpunkt der ersten Genehmigung im EWR angegeben worden war.
Ergebnis bezüglich des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
591 Die Prüfung der beiden Phasen des ersten Missbrauchs ergibt, dass das Verhalten von AZ zunächst darin bestand, den Patentämtern in Deutschland, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich das Datum „März 1988“ als Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu nennen, ohne dass die Patentämter über die Grundlage, auf der dieser Zeitpunkt gewählt worden sein soll, nämlich die von AZ bevorzugte alternative Auslegung des in der Verordnung Nr. 1768/92 verwendeten Begriffs „Genehmigung für das Inverkehrbringen“, oder über das Vorliegen der am 15. April 1987 in Frankreich erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen informiert wurden. Die Kommission hat diese erste Mitteilung an die Patentämter unter Berücksichtigung ihres Gesamtbildes, das vermuten ließ, dass sich die Angabe „März 1988“ auf die Erteilung der ersten technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft bezog, zu Recht als irreführend angesehen.
592 Auf der Grundlage dieser ersten Mitteilung wurde nach einer Klarstellung des genauen Datums, auf das sich die Angabe „März 1988“ bezog, am 10. November 1993 in Deutschland ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt, das am 21. März 2003 ablaufen sollte.
593 Das Verhalten von AZ bestand sodann darin, das Datum des 15. April 1987, an dem die französische Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde, im Anschluss an die Aufforderungen der Patentämter, die Angabe „März 1988“ zu präzisieren, nicht offenzulegen. Diese unterbliebene Offenlegung veranlasste das belgische, das luxemburgische und das niederländische Patentamt zu der Annahme, dass der 16. November 1987, das Datum der Erteilung der technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen in Luxemburg, als Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu berücksichtigen sei. Die genannten Patentämter erteilten infolgedessen ergänzende Schutzzertifikate auf der Grundlage dieses Zeitpunkts.
594 In der Folgezeit wirkte AZ bei den Patentämtern nicht auf eine Berichtigung der ergänzenden Schutzzertifikate hin, obwohl zum einen den internen Dokumenten von AZ zu entnehmen ist, dass sie von der unzutreffenden Grundlage der Zertifikate wusste, und zum anderen der niederländische Patentanwalt ihr dies ausdrücklich nahegelegt hatte.
595 Auf die Fragen der Patentämter des Vereinigten Königreichs und Irlands teilte AZ jedoch mit, dass es eine französische technische Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 15. April 1987 gab. Wegen der Verbindungen des dänischen Patentamts zum Patentamt des Vereinigten Königreichs sah sich AZ gezwungen, ihre Zertifikatsanmeldung in Dänemark zurückzunehmen.
596 AZ hielt gleichwohl daran fest, zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate auf der Grundlage des Datums des 21. März 1988 gegenüber den Patentämtern der Länder des EWR (Österreich, Finnland und Norwegen) irreführende Darstellungen abzugeben. Diese Darstellungen veranlassten die Patentämter, ergänzende Schutzzertifikate auf der Grundlage des Datums des 21. März 1988 zu erteilen.
597 Das Verhalten von AZ bestand schließlich darin, die Gültigkeit der ergänzenden Schutzzertifikate, die aufgrund ihrer irreführenden Darstellungen erteilt worden waren, vor den deutschen, finnischen und norwegischen Gerichten zu verteidigen.
598 Aus alledem folgt, dass AZ ein konstantes und geradliniges Verhalten zeigte, das dadurch gekennzeichnet war, dass sie den Patentämtern gegenüber irreführende Darstellungen abgab, um die Erteilung von ergänzenden Schutzzertifikaten zu erreichen, auf die sie entweder keinen Anspruch (Deutschland, Finnland, Dänemark und Norwegen) oder nur für einen kürzeren Zeitraum Anspruch hatte (Österreich, Belgien, Luxemburg, Irland und Niederlande).
599 Zahlreiche schriftliche Beweismittel in der Akte sowie das Ausmaß des in Rede stehenden Verhaltens, das von Juni 1993, als die Zertifikatsanmeldungen bei den innerstaatlichen Patentämtern eingereicht wurden (185. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), bis Juni 1999, als AZ vor dem Gericht in Helsinki die Gültigkeit des in Finnland erteilten ergänzenden Schutzzertifikats verteidigte, dauerte und mehr oder weniger konsequent und mit unterschiedlichem Erfolg in neun Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und des EWR an den Tag gelegt wurde, erlauben die Feststellung, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass AZ vorsätzlich versuchte, die Patentämter irrezuführen.
600 In Anbetracht aller schriftlichen Beweise, auf die sich die Kommission stützt, können diese Erwägungen nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt werden, mit dem die Klägerinnen insbesondere den guten Glauben von AZ verteidigen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in einigen Aspekten die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung eher bestätigt, kann es jedenfalls nicht dazu führen, die Vielzahl schriftlicher Beweise und sämtliche festgestellten Tatsachen außer Acht zu lassen, die bei einer Gesamtwürdigung die Schlussfolgerungen der Kommission überzeugend bestätigen.
601 In Anbetracht der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes durchgeführten Prüfung sämtlicher Tatsachen ist, soweit noch erforderlich, auf das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen des ersten Klagegrundes einzugehen, mit dem sie geltend machen, dass es in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung gegeben habe, weil die irreführenden Darstellungen keine Wirkung gehabt hätten.
602 Was zunächst den Grad des Erfolgs der festgestellten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betrifft, so verliert das Verhalten von AZ in diesen Ländern seinen missbräuchlichen Charakter nicht dadurch, dass die irreführenden Darstellungen es AZ nicht ermöglichten, in Dänemark oder – auf der Grundlage eines Zeitpunkts, der nicht dem Zeitpunkt der ersten in der Gemeinschaft erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen entsprach – im Vereinigten Königreich ergänzende Schutzzertifikate zu erlangen, da diese Darstellungen nachweislich in hohem Maß geeignet waren, die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate herbeizuführen.
603 Aus der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes und aus den von den Beteiligten vorgelegten schriftlichen Beweisen ergibt sich, dass AZ zwar gegenüber dem Patentamt des Vereinigten Königreichs, dem sie ihre alternative Auslegung des Begriffs der Genehmigung für das Inverkehrbringen offen darlegte und die Existenz der französischen technischen Genehmigung für das Inverkehrbringen vom 15. April 1987 offenbarte, ein transparenteres Verhalten zeigte, doch war die ursprüngliche Zertifikatsanmeldung objektiv irreführend und hatte den Zweck, ein ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage eines Datums zu erlangen, das nicht der ersten in der Gemeinschaft erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen entsprach (siehe oben, Randnrn. 548 und 549).
604 In Bezug auf Dänemark ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden schriftlichen Beweisen ebenfalls, dass AZ dort ihre Zertifikatsanmeldung zurücknahm, um nicht mit einem ablehnenden Bescheid des Patentamts konfrontiert zu werden, der einen ihren Chancen, ein ergänzendes Schutzzertifikat in Deutschland zu erhalten, wo wie in Dänemark keine ergänzenden Schutzzertifikate für Produkte erteilt wurden, die vor dem 1. Januar 1988 eine erste technische Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft erhalten hatten, abträglichen Präzedenzfall schaffen würde (siehe oben, Randnr. 554). Wie die Kommission jedoch ausführt, wird die Tauglichkeit der dem dänischen Patentamt gegenüber abgegebenen irreführenden Darstellung, die Erteilung eines fehlerhaften ergänzenden Schutzzertifikats herbeizuführen, dadurch bestätigt, dass die Patentämter in Deutschland, Belgien, Norwegen und den Niederlanden aufgrund der ihnen von AZ unterbreiteten irreführenden Darstellungen ergänzende Schutzzertifikate erteilten.
605 Auch der Umstand, dass in Deutschland das ergänzende Schutzzertifikat im Juni 1997 vor Ablauf des Grundpatents nach einer von Ratiopharm, einer Generikaherstellerin, erhobenen Klage für nichtig erklärt wurde, kann keinen Einfluss auf die rechtliche Qualifizierung des Verhaltens von AZ haben, die in diesem Land aufgrund ihrer irreführenden Darstellungen ein ergänzendes Schutzzertifikat erlangt hatte. Dieses ergänzende Schutzzertifikat sollte nämlich über die Laufzeit des Grundpatents hinaus gelten und die von ihm verliehene Ausschließlichkeit verlängern. Hätten die Wettbewerber nicht Klage erhoben, hätte das ergänzende Schutzzertifikat beträchtliche wettbewerbswidrige Wirkungen hervorgerufen, sofern nicht bereits die bloße Existenz eines ergänzenden Schutzzertifikats für sich genommen diese Wirkungen auch schon vor Ablauf des Grundpatents hervorzurufen vermochte.
606 Überdies kann der Umstand, dass sich der Zeitraum, für den aufgrund der irreführenden Darstellungen in Belgien und den Niederlanden ein zusätzlicher Schutz erlangt wurde, von April 2002 bis September bzw. Oktober 2002 erstreckt, als die beherrschende Stellung von AZ in diesen Mitgliedstaaten beendet war, aus den oben in Randnr. 379 genannten Gründen keinen Einfluss auf die Qualifizierung des betreffenden Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung haben.
607 In Bezug auf Norwegen schließlich ist unstreitig, dass, wie oben in den Randnrn. 559 und 596 ausgeführt, AZ am 14. April 1997 vom norwegischen Patentamt ein auf das Datum des 21. März 1988 abstellendes ergänzendes Schutzzertifikat erteilt wurde (vgl. auch den 234. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Dieses ergänzende Schutzzertifikat wurde am 29. Juni 1999 infolge der Klage eines Wettbewerbers zurückgenommen. Selbst wenn man davon ausginge, dass AZ ein Patent auf die Formulierung besaß, das den Markteintritt der Generika am Tag der Rücknahme des ergänzenden Schutzzertifikats verhinderte, so wäre doch festzustellen, dass die irreführenden Darstellungen von AZ die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats ermöglichten, auf das sie keinen Anspruch hatte. Die irreführenden Darstellungen waren objektiv geeignet, den Wettbewerb zu beschränken, und stellen daher einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar. Darüber hinaus ergibt sich sowohl aus dem 16. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung als auch aus den Antworten der Beteiligten auf Fragen des Gerichts, dass die Fähigkeit eines Patents auf die Formulierung, für ein Produkt Ausschließlichkeit zu verschaffen, jedenfalls nicht der Fähigkeit eines Wirkstoffpatents gleichkommt, da ein Wirkstoff in verschiedenen Rezepturen enthalten sein kann.
608 Schließlich ergibt sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes, dass die irreführenden Darstellungen von AZ, die zur Erlangung ergänzender Schutzzertifikate dienten, auf die sie keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hatte, eine Praxis darstellten, die ausschließlich auf Mitteln beruhte, die dem Leistungswettbewerb fremd sind. Ein derartiges Verhalten dient nur dazu, die Generikahersteller in unzulässiger Weise durch Erlangung ergänzender Schutzzertifikate unter Verstoß gegen die Rechtsvorschriften, mit denen sie geschaffen wurden, vom Markt fernzuhalten.
609 Nach alledem hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie die Ansicht vertrat, dass AZ ihre beherrschende Stellung in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich im Sinne von Art. 82 EG und in Norwegen im Sinne von Art. 54 des EWR-Abkommens missbraucht habe.
610 Der zweite den ersten Missbrauch einer beherrschenden Stellung betreffende Klagegrund ist somit in vollem Umfang zurückzuweisen.
611 Die angefochtene Entscheidung ist jedoch insofern fehlerhaft, als in ihrem 774. Erwägungsgrund festgestellt wird, dass in Deutschland, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich der Missbrauch am 7. Juni 1993 begonnen habe, als AZ den Patentanwälten ihre Weisungen erteilt habe. Wie nämlich oben in den Randnrn. 370 bis 372 ausgeführt, begann der Missbrauch mit der Weiterleitung der Zertifikatsanmeldungen an die innerstaatlichen Patentämter.
612 Wie oben in Randnr. 381 festgestellt, ist somit im Hinblick auf den 185. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung spätestens am 30. Juni 1993 begann.
613 Im Übrigen haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die weiteren Schlussfolgerungen der Kommission im 774. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft sind, soweit sie dahin gehen, dass der Missbrauch in Deutschland Ende 1997, in Belgien und den Niederlanden Ende 2000, in Dänemark am 30. November 1994 und im Vereinigten Königreich am 16. Juni 1994 geendet habe. Die Klägerinnen haben auch nicht nachgewiesen, dass die Erwägung der Kommission, in Norwegen habe der Missbrauch zwischen dem 21. Dezember 1994 und Ende 2000 stattgefunden, mit Fehlern behaftet ist.
D – Zum zweiten, den selektiven Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform betreffenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
1. Rechtlicher Rahmen und inkriminiertes Verhalten
614 Die Richtlinie 65/65 bestimmt in der zur maßgebenden Zeit (1998) geltenden, insbesondere durch die Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 (ABl. 1987, L 15, S. 36) und die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993, mit der auch die Richtlinien 75/318/EWG und 75/319/EWG betreffend Arzneimittel geändert wurden (ABl. L 214, S. 22), geänderten Fassung in Art. 3 Abs. 1: „Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats … eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde.“
615 Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie regelt, welche Angaben und Unterlagen die für das Inverkehrbringen verantwortliche Person dem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen beizufügen hat. Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 der Richtlinie 65/65 lautet:
„8. Ergebnisse von Versuchen:
– physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art;
– pharmakologischer und toxikologischer Art;
– ärztlicher oder klinischer Art.
Unbeschadet des Rechtsschutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gilt jedoch Folgendes:
a) Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche oder die Ergebnisse der ärztlichen oder klinischen Versuche vorzulegen, wenn er entweder nachweisen kann:
…
ii) oder – unter eingehender Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen, die gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 75/318/EWG vorgelegt werden –, dass der Bestandteil oder die Bestandteile der Arzneispezialität allgemein medizinisch verwendet werden und eine anerkannte Wirksamkeit sowie einen annehmbaren Grad an Sicherheit aufweisen,
iii) oder dass die Arzneispezialität im Wesentlichen einem Erzeugnis gleicht, das seit mindestens sechs Jahren in der Gemeinschaft nach den Gemeinschaftsvorschriften zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in Verkehr gebracht ist; dieser Zeitraum wird auf zehn Jahre verlängert, wenn es sich um ein technologisch hochwertiges Arzneimittel im Sinne von Teil A des Anhangs der Richtlinie 87/22/EWG oder um ein Arzneimittel im Sinne von Teil B des Anhangs der genannten Richtlinie handelt, bei dem das in Artikel 2 derselben Richtlinie vorgesehene Verfahren angewandt wurde; ferner kann ein Mitgliedstaat diese Frist durch eine einheitliche, alle in seinem Gebiet auf dem Markt befindlichen Erzeugnisse erfassende Entscheidung auf zehn Jahre verlängern, wenn dies seiner Ansicht nach im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten können davon absehen, den genannten Zeitraum von sechs Jahren über den Zeitpunkt hinaus zu verlängern, zu dem ein Patent zum Schutz des ursprünglichen Erzeugnisses abläuft.
…“
616 Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 65/65 bestimmt u. a., dass die Genehmigung fünf Jahre gültig ist und auf Antrag des Inhabers, der mindestens drei Monate vor ihrem Ablaufen zu stellen ist, für jeweils weitere fünf Jahre verlängert werden kann.
617 In seinem Urteil vom 16. Oktober 2003, AstraZeneca (C‑223/01, Slg. 2003, I‑11809, Randnrn. 49 und 58), entschied der Gerichtshof, dass es für die Behandlung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im abgekürzten Verfahren gemäß Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 notwendig und ausreichend ist, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im betreffenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags gültig ist.
618 Mit der Zweiten Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) in der zur maßgebenden Zeit geltenden, u. a. durch die Richtlinie 93/39 geänderten Fassung, wurde in Kapitel Va ein Arzneimittel-Überwachungssystem (Pharmakovigilanz-System) eingeführt, um Informationen über Nebenwirkungen der in der Gemeinschaft zugelassenen Arzneimittel zu sammeln. Durch die Art. 29c und 29d der Richtlinie 75/319 werden daher dem für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels verantwortlichen Unternehmen Verpflichtung zur Pharmakovigilanz auferlegt, die in der Überwachung der Nebenwirkungen eines Arzneimittels und in der Erstellung von Unterlagen bestehen, die den zuständigen Behörden unter Beifügung wissenschaftlicher Beurteilungen regelmäßig vorzulegen sind.
619 Im vorliegenden Fall besteht das Verhalten, das die Kommission AZ zur Last legt, in der Einreichung von Anträgen auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec-Kapseln in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Substitution von Losec-Kapseln durch Losec MUPS-Tabletten auf dem Markt, d. h. der Markteinführung von Losec MUPS-Tabletten und der Rücknahme von Losec-Kapseln vom Markt (860. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
2. Zum ersten, einen Rechtsfehler betreffenden Klagegrund
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zum rechtlichen und sachlichen Rahmen
620 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe zwar im 830. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erklärt, sie stelle die von AZ zugrunde gelegte Auslegung des gemeinschaftlichen Arzneimittelrechts nicht in Frage, doch sei ihre in den Erwägungsgründen 255 bis 264 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Auslegung des rechtlichen Rahmens mit der von AZ unvereinbar. Sie legen insoweit den Inhalt des einschlägigen rechtlichen Rahmens dar, wie er sich aus den Art. 3 und 4 und aus Art 10 Abs. 1 der Richtlinie 65/65 sowie aus Kapitel Va der Richtlinie 75/319 ergibt.
621 Die Klägerinnen machen geltend, die Einführung des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 65/65 durch die Richtlinie 87/21 habe eine begrenzte Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz schaffen sollen, wonach der ursprüngliche Antragsteller das ausschließliche Recht zur Verwertung seiner eigenen Daten haben müsse. Diese Ausnahme habe nicht die Genehmigung von Generika erleichtern, sondern die Innovation bis zum Ablauf einer angemessenen Frist schützen sollen, während der das betreffende Unternehmen seine Investitionen zurückerlangen könne und nach dessen Ablauf es sich auf die bereits gelieferten Informationen stützen könne, damit Versuche an Menschen und Tieren nicht unnötig wiederholt würden.
622 Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 832 und 833 der angefochtenen Entscheidung eingeräumt und im Verfahren in der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1999, Rhône-Poulenc Rorer und May & Baker (C‑94/98, Slg. 1999, I‑8789), ergangen sei, dargelegt habe, könne der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen diese Genehmigung nach Belieben löschen oder auslaufen lassen, ohne dies begründen zu müssen und ohne den Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Generikahersteller oder die Parallelimporteure Rechnung tragen zu müssen.
623 In Dänemark habe AZ im Jahr 1989 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform und am 22. September 1997 für Losec MUPS-Tabletten erhalten. Am 23. Februar 1998 hätten die Beschwerdeführer eine solche Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Losec in Kapselform im abgekürzten Verfahren beantragt. Am 6. April 1998 sei die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform auf Antrag von AZ gelöscht worden. Am 30. September 1998 hätten die Beschwerdeführer eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Losec in Kapselform erhalten. AZ habe diese Genehmigung vor den dänischen Gerichten angefochten, weil zum Zeitpunkt ihrer Erteilung im betreffenden Mitgliedstaat keine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzprodukts vorgelegen habe. In Beantwortung einer im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens gestellten Frage habe der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im betreffenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft sein müsse (Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt, Randnr. 58).
Zur rechtlichen Würdigung durch die Kommission
624 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, in der angefochtenen Entscheidung fehle eine rechtliche Würdigung des festgestellten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung. Rechtliche Erwägungen der Kommission seien nur im 820. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu finden, wo sie die Ansicht vertrete, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen, das Inhaber eines spezifischen Rechts wie z. B. einer Genehmigung für das Inverkehrbringen sei, von diesem Recht angemessen Gebrauch machen müsse und es nicht zu dem offensichtlichen Ziel des Ausschlusses seine Wettbewerber einsetzen dürfe. Die Rechtsprechung, auf die die Kommission ihre Erwägung stütze, betreffe jedoch andere Sachverhalte.
625 Was zunächst das Urteil vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, betreffe, so habe dort die Gesellschaft in beherrschender Stellung eine Vereinbarung getroffen, durch die ihr ein Ausschließlichkeitsrecht eingeräumt worden sei, und dann Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass sie in den Genuss der in der Vereinbarung vorgesehenen Ausschließlichkeit gelange. Der Sachverhalt liege hier anders, da AZ keine Vereinbarung getroffen habe, um ein Ausschließlichkeitsrecht auf dem Markt zu erwerben. AZ habe, um Losec in Kapselform vertreiben zu dürfen, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erwerben müssen, die ihr keine Marktexklusivität verschafft habe. Die Genehmigung für das Inverkehrbringen habe nämlich weder den Wettbewerb mit Generika oder Paralleleinfuhren noch die Vermarktung konkurrierender PPI auf dem dänischen, dem norwegischen und dem schwedischen Markt verhindert. In der genannten Rechtssache sei es nicht um Eigentumsrechte gegangen, und die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung habe nicht dazu geführt, dass die Urheber des Missbrauchs positive Pflichten getroffen hätten, während im vorliegenden Fall die Aufrechterhaltung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen andauernde Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung begründen würde.
626 Die Klägerinnen weisen sodann darauf hin, dass sich die vorliegende Rechtssache von derjenigen unterscheide, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1986, British Leyland/Kommission (226/84, Slg. 1986, 3263), ergangen sei, da im vorliegenden Fall der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen wichtigen Verpflichtungen im Bereich der „Aktualisierung“ und der Arzneimittelüberwachung unterliege, solange die Genehmigung in Kraft bleibe. Außerdem sei AZ im Anschluss an die Erteilung einer Genehmigung für Losec in Kapselform nicht in den Genuss eines behördlichen Monopols gekommen. Überdies sei die Genehmigung nicht unabdingbar gewesen, damit die konkurrierenden Produkte auf den Markt kommen könnten, und ihr Widerruf habe sich nicht automatisch auf die bestehenden Genehmigungen für Generika und Paralleleinfuhren ausgewirkt. Ein weiterer Unterschied bestehe darin, dass AZ vorliegend die Entwicklung weder eines Handels mit generischen Kopien von Losec noch von Paralleleinfuhren gefördert habe, während im Rahmen der Rechtssache, in der das Urteil British Leyland/Kommission ergangen sei, British Leyland die Entwicklung eines Handels in „Metros“ mit Linkslenkung zugelassen habe. Schließlich sei es dort, anders als im vorliegenden Fall, nicht um ein Eigentumsrecht an vertraulichen Geschäftsinformationen gegangen.
627 In der Rechtssache, in der das Urteil Hilti/Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, ergangen sei, habe das Gericht die Ansicht vertreten, dass Hilti ihre beherrschende Stellung missbraucht habe, weil sie nicht bereit gewesen sei, freiwillig gesetzliche Lizenzen einzuräumen. Der Missbrauch einer beherrschenden Stellung habe auch darin bestanden, dass Gebühren gefordert worden seien, die sechsmal höher gewesen seien als die letztlich von der zuständigen Behörde festgesetzte Gebühr, wodurch das gesetzliche Lizenzerteilungsverfahren unnötig verlängert worden sei. Im vorliegenden Fall verschaffe die Genehmigung für das Inverkehrbringen AZ hingegen kein Ausschließlichkeitsrecht, und sie behalte das Recht, jederzeit den Widerruf der Genehmigung zu beantragen. Zudem unterliege AZ zahlreichen Verpflichtungen zur „Aktualisierung“ und zur Arzneimittelüberwachung.
628 Die Klägerinnen weisen ferner darauf hin, dass die Kommission in den Verfahren vor dem Gerichtshof, die sich auf die Frage bezogen hätten, ob der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen deren Widerruf beantragen dürfe, regelmäßig die Auffassung vertreten habe, dass der Begriff der Zwangslizenz dem gemeinschaftlichen Arzneimittelrecht unbekannt sei. Die oben genannten Urteile, auf die sich die Kommission stütze, befassten sich nicht mit den von AZ vorgebrachten Argumenten, und die Kommission habe die Rechtsprechung zur „Lieferverweigerung“ und zu „wesentlichen Einrichtungen“ nicht berücksichtigt. Selbst wenn man davon ausginge, dass der von der Kommission festgestellte Sachverhalt zutreffe, könne das Verhalten von AZ in Anbetracht der Rechtsprechung zur Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums und zu „wesentlichen Einrichtungen“ keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen. Insoweit sei auf die Urteile Magill und IMS Health, oben in Randnr. 229 angeführt, das Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, Slg. 1998, I‑7791), und das Urteil des Gerichts vom 12. Juni 1997, Tiercé Ladbroke/Kommission (T‑504/93, Slg. 1997, II‑923, Randnr. 131), zu verweisen.
629 Die Unterlagen, die AZ zur Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform gemäß der Richtlinie 65/65 vorgelegt habe, hätten vertrauliche Geschäftsinformationen enthalten, die rechtlichen Schutz verdienten. Durch Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. i und iii der Richtlinie 65/65 sei jedoch eine Ausnahme von der Vertraulichkeit der Daten, die AZ für sich in Anspruch nehmen könne, insoweit geschaffen worden, als die genannte Bestimmung den späteren Antragsteller von der Verpflichtung befreit habe, seine eigenen Angaben und Unterlagen vorzulegen. Es sei unstreitig, dass AZ den Widerruf ihrer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform habe beantragen dürfen, und aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass das in Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 vorgesehene abgekürzte Verfahren nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht anwendbar sei. Nach diesem Widerruf habe AZ daher das Recht auf Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Angaben behalten.
630 In diesem Zusammenhang wenden sich die Klägerinnen gegen die Ausführungen der Kommission, wonach ein Generikahersteller nach Auslaufen des sechs- bis zehnjährigen Ausschließlichkeitszeitraums für die Daten nicht das gesamte Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen durchlaufen müsse, da sich die innerstaatliche Behörde auf die Angaben stützen könne, über die sie im Rahmen der ursprünglichen Genehmigung verfüge. Diese Auslegung der Richtlinie 65/65 sei unvereinbar mit dem Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 616 angeführt (Randnrn. 48 und 50), aus dem hervorgehe, dass sich eine innerstaatliche Behörde auf die Angaben im ursprünglichen Genehmigungsantrag nur stützen dürfe, wenn diese Genehmigung zum Zeitpunkt des das Generikum betreffenden Antrags noch in Kraft sei. Der ursprüngliche Antragsteller sei Eigentümer der Unterlagen, die den innerstaatlichen Behörden vorgelegt worden seien, und dieses Eigentumsrecht werde durch Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 in begrenztem Maß eingeschränkt, indem er eine Ausnahme vom Recht des ursprünglichen Antragstellers vorsehe, die Nutzung dieser Rechte zu kontrollieren (Urteil des Gerichtshofs vom 3. Dezember 1998, Generics [UK] u. a., C‑368/96, Slg. 1998, I‑7967, Randnrn. 77 bis 87, und Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in dieser Rechtssache, Slg. 1998, I‑7971, Nr. 68). Abgesehen von dieser Ausnahme behalte der ursprüngliche Antragsteller das Recht, die nicht genehmigte Nutzung seiner vertraulichen Informationen durch eine innerstaatliche Behörde oder einen Dritten zu untersagen.
631 Diese Erwägungen stellten die Richtigkeit der These der Kommission in Frage, wonach die Rechtsprechung zu „wesentlichen Einrichtungen“ im vorliegenden Fall aufgrund der Tatsache, dass die Eigentumsrechte von AZ abgelaufen seien, unanwendbar sei, so dass AZ keine Eigentumsrechte mehr zuständen. Dem auf das Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission (T‑65/98, Slg. 2003, II‑4653), gestützten Vorbringen der Kommission sei entgegenzuhalten, dass es sich im vorliegenden Fall um eine de-facto-Übertragung von Vermögenswerten handele, da die Generikahersteller von den vertraulichen Informationen ohne Einverständnis von AZ profitieren könnten, wobei AZ nicht einmal in der Lage sei, für die Nutzung dieser Informationen ein Entgelt zu verlangen. Dass die Kommission im 820. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung das AZ zustehende Eigentumsrecht nicht anerkenne, rechtfertige die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt.
632 Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, der Zugang zu den Unterlagen von AZ sei für den möglichen Markteintritt anderer Produkte nicht unabdingbar gewesen. Eine Reihe konkurrierender PPI sei während des fraglichen Zeitraums in den Markt eingetreten. Überdies habe der Widerruf der AZ erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen das Auftauchen eines neuen Produkts, für das eine Verbrauchernachfrage bestanden habe, nicht verhindert. Das verkürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 stehe per definitionem nur Produkten offen, die Losec in Kapselform von AZ im Wesentlichen glichen. Der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen sei angesichts des Umstandes gerechtfertigt gewesen, dass AZ ständigen Verpflichtungen zur „Aktualisierung“ und Arzneimittelüberwachung unterlegen habe, die an eine Genehmigung geknüpft gewesen seien, für die sie keine geschäftliche Verwendung mehr gehabt habe. Jedenfalls habe der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform nicht jeden Wettbewerb auf dem relevanten Markt ausgeschlossen, da AZ dem Wettbewerb der Generika, der Paralleleinfuhren und der konkurrierenden PPI ausgesetzt gewesen sei.
633 Dass AZ den Widerruf ihrer Genehmigungen beantragt und nicht deren Ablauf abgewartet habe, sei unerheblich. Die praktische Wirkung des Widerrufs einer Genehmigung sei dieselbe wie die ihres Ablaufs, da der Inhaber der Genehmigung die Kontrolle über seine vertraulichen Angaben zurückerlange. Daher sei die Behauptung der Kommission zurückzuweisen, wonach das Urteil Magill, oben in Randnr. 229 angeführt, hier nicht anwendbar sei, weil es in der vorliegenden Rechtssache nicht um eine Weigerung gehe, den Wettbewerbern zu Hilfe zu kommen, sondern um ein aktives Handeln von AZ, das darauf gerichtet gewesen sei, ihre Wettbewerber am Markteintritt zu hindern.
Zu dem jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
634 Die Klägerinnen bestreiten, anerkannt zu haben, dass die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec-Kapseln zu einer Strategie gehörten, deren grundlegendes Ziel es gewesen sei, das Inverkehrbringen generischer Omeprazol-Kapseln auf den relevanten Märkten zu verhindern oder zumindest zu verzögern und Paralleleinfuhren von Losec-Kapseln auf diesen Märkten zu verhindern.
635 Ein Unternehmen könne, auch wenn es eine beherrschende Stellung innehabe, nicht verpflichtet sein, seine Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufrechtzuerhalten, damit Generika und Paralleleinfuhren der Zugang zum Markt erleichtert und der Wettbewerb mit ihm ermöglicht würden. Dies gelte insbesondere, wenn das Unternehmen an dem Verkauf des Produkts, auf das sich die Genehmigung erstrecke, kein wirtschaftliches Interesse mehr habe und infolgedessen an der Aufrechterhaltung der Genehmigung nicht mehr interessiert sei, zumal damit ständige Verpflichtungen zur „Aktualisierung“ und Arzneimittelüberwachung verbunden seien.
636 In diesem Zusammenhang treffe die Behauptung der Kommission nicht zu, dass die Erfüllung der in einem Mitgliedstaat bestehenden Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung in einen anderen Mitgliedstaat verlagert werden könnten, und zwar wegen der Art der Verpflichtungen und weil die innerstaatlichen Behörden unterschiedlicher Meinung über deren Umsetzung seien.
637 Im Verwaltungsverfahren habe AZ der Kommission u. a. Gutachten einer Anwaltskanzlei und von Professor S. vorgelegt, in denen nachgewiesen werde, dass die potenziellen Wettbewerber von AZ seit Anfang 1998 die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen hätten geltend machen können. Die Ausführungen der Kommission in den Erwägungsgründen 851 und 852 der angefochtenen Entscheidung gingen insoweit fehl. Entgegen ihren Ausführungen sei es nicht richtig, dass die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen selten Anwendung finde. Im Übrigen seien dieser Umstand wie auch die Tatsache, dass die Kommission keine Kenntnis davon gehabt habe, dass in diesem Zusammenhang ein Antrag für Omeprazol eingereicht worden sei, ohnehin unerheblich, da AZ nachgewiesen habe, dass diese Befreiung für Losec habe beantragt werden können, und die Kommission keinen Gegenbeweis erbracht habe. Aus diesem Grund könne die Kommission nicht geltend machen, dass der Antrag in Bezug auf ein Generikum für Omeprazol in der ersten Hälfte des Jahres 1998 ein „ausgesprochener Grenzfall“ gewesen sei. Die Behauptung der Kommission, die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen erfordere eine komplexe Prüfung, entkräfte die von den Klägerinnen erbrachten Beweise ebenfalls nicht.
638 Das für die Anwendung der Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen bestehende Erfordernis einer Verwendung von mehr als zehn Jahren sei erst durch die Richtlinie 1999/83/EG der Kommission vom 8. September 1999 zur Änderung des Anhangs der Richtlinie 75/318/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneimittelspezialitäten (ABl. L 243, S. 9) eingeführt worden. Omeprazol sei jedenfalls 1998 schon seit mehr als zehn Jahren verwendet worden.
639 Auch die Behauptung der Kommission im 853. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, wonach die Dokumente von AZ keinen Hinweis auf die Möglichkeit enthielten, die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen geltend zu machen, sei unerheblich, da die Klägerinnen dies jedenfalls dargetan hätten. Was die Ausführungen im 854. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angehe, mache die Kommission keine Angaben über das Ausmaß der Verzögerungen, zu denen es bei den Generikaherstellern aufgrund des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen gekommen sein solle. Das Eingeständnis der Kommission, das Ausmaß der Verzögerungen nicht zu kennen, verleihe ihrem Vorbringen daher hypothetischen Charakter. Überdies könne eine Verzögerung, die im Zusammenhang mit der Prüfung eines Antrags auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen stehe, nicht unbegrenzt sein, denn nach den einschlägigen Rechtsvorschriften müsse die Prüfung gemäß Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 65/65 innerhalb von 120 Tagen, in Ausnahmefällen von 210 Tagen, abgeschlossen sein (Art. 7 der Richtlinie). Da bei der Beurteilung der Verzögerung, die im Rahmen eines auf die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen gestützten Antrags entstehe, diese Frist zu berücksichtigen sei, könne die größtmögliche hypothetische Verzögerung allenfalls einige Monate betragen und somit nicht die Feststellung eines während mehrerer Jahre bestehenden Missbrauchs einer beherrschenden Stellung rechtfertigen.
640 Aus dem Urteil ITT Promedia/Kommission, oben in Randnr. 311 angeführt (Randnr. 56) ergebe sich, dass AZ, wenn sie ihren Wettbewerbern das Recht auf Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens gemäß der Richtlinie 65/65 abspreche, um sich vor Paralleleinfuhren und Generika zu schützen, damit kein Verhalten zeige, das als missbräuchlich eingestuft werden könne. Die Kommission habe in Nr. 502 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, dass das Verhalten von AZ zum Schutz ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht zu beanstanden sei.
b) Vorbringen der Kommission
Zum rechtlichen und sachlichen Rahmen
641 Vorab stellt die Kommission klar, dass der 830. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht bedeute, dass sie der Darstellung und Auslegung der Richtlinie 65/65 durch AZ zustimme. Dieser Erwägungsgrund bringe nur zum Ausdruck, dass die von AZ vorgenommene Auslegung des gemeinschaftlichen Arzneimittelrechts nicht Teil des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung sei und dass dieser nicht von der zutreffenden Auslegung des rechtlichen Rahmens abhänge.
642 Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 schaffe einen Ausgleich zwischen den Interessen innovativer Unternehmen und von Generikaherstellern, indem er ein abgekürztes Genehmigungsverfahren für Arzneimittel einführe, die einem bereits genehmigten Arzneimittel im Wesentlichen glichen, zugleich aber einen sechs- oder zehnjährigen Ausschließlichkeitszeitraum für die Daten vorsehe, der mit der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft beginne und während dessen das abgekürzte Verfahren für Generika nicht zur Verfügung stehe; dies ermögliche es dem ursprünglichen Antragsteller, von den in der Akte über das Produkt enthaltenen Ergebnissen der pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Versuche zu profitieren. Insoweit sei auf das Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 616 angeführt (Randnrn. 42 bis 44 und 52), zu verweisen.
643 Der Gesetzgeber sei sich der Gefahr bewusst gewesen, dass der Ausschließlichkeitszeitraum für die Daten eine künstliche Verlängerung der Wirkungen eines Patents herbeiführen könnte, und sei bestrebt gewesen, dieses Problem mit Hilfe des Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 zu lösen, der es den Mitgliedstaaten freistelle, „davon ab[zu]sehen, den … Zeitraum von sechs Jahren über den Zeitpunkt hinaus zu verlängern, zu dem [das] Patent … abläuft“. Der Gesetzgeber habe diese Bestimmung nicht als Ausnahme von den Eigentumsrechten an vertraulichen Geschäftsinformationen – oder als Eingriff in diese Rechte – konzipiert, wie die Klägerinnen meinten. Der Ansatz der Klägerinnen würde nämlich dazu führen, dass sich die Arzneimittelbehörden weder vor noch nach dem Zeitraum von sechs oder zehn Jahren auf die Daten in der Akte des Originalarzneimittels stützen könnten. Überdies könne die Verwendung der pharmakologischen, toxikologischen oder klinischen Angaben in der Akte eines Originalarzneimittels durch eine Arzneimittelbehörde die Vertraulichkeit bestimmter Geschäftsinformationen nicht verletzen, da diese niemals veröffentlicht oder dem Zweitantragsteller offenbart würden.
644 Das Vorbringen der Klägerinnen, wonach der Wettbewerb durch Generika in gewisser Weise „parasitär“ sei, sei zurückzuweisen. Der Lohn für die Innovation werde im Wesentlichen durch das System der Patente und ergänzenden Schutzzertifikate gewährleistet, das dem Hersteller eines Originalprodukts ein zeitlich begrenztes Monopol für die wirtschaftliche Verwertung seiner Erfindung einräume. Das drohende Auftauchen der Generika zwinge die Unternehmen zu Innovationen, damit sie in Form von Patenten, ergänzenden Schutzzertifikaten und Ausschließlichkeitszeiträumen für die Daten belohnt würden.
645 Der zweite von AZ begangene Missbrauch einer beherrschenden Stellung habe dieses System unterminiert. AZ habe nämlich den Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform veranlasst, so dass trotz des Ablaufs des sechs- oder zehnjährigen Ausschließlichkeitszeitraums für die Daten und trotz des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs des Patents für Omeprazol die Hersteller von generischem Omeprazol keinen Zugang zu dem abgekürzten Registrierungsverfahren gehabt hätten. Dadurch habe AZ künstlich ihre Ausschließlichkeit auf dem Markt erhalten wollen, indem sie das dem Zweitantragsteller und weiteren Antragstellern durch die Rechtsvorschriften mit Ablauf des Ausschließlichkeitszeitraums für die Daten verliehene Recht zunichte gemacht habe, die in den Akten der ursprünglichen Anträge enthaltenen Angaben nicht vorlegen zu müssen.
646 In der angefochtenen Entscheidung behaupte die Kommission nicht, dass die Einführung einer neuen Formel des Produkts (Tabletten) und die Entscheidung über die Einstellung der Vermarktung von Losec-Kapseln in Dänemark, Norwegen und Schweden als solche, einzeln oder zusammengenommen, missbräuchlich gewesen seien. Die Einführung der Losec-Tabletten und der Wegfall der Kapseln seien notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung. Dieser sei zutage getreten, als der genannte Substitutionsprozess mit den Anträgen auf Widerruf verbunden worden sei. Der Missbrauch bestehe daher, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung ergebe, aus drei Elementen, nämlich den Widerrufsanträgen in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Einführung der Losec MUPS-Tabletten und dem Wegfall von Losec in Kapselform in diesen drei Ländern. In Anbetracht dessen sei dem Versuch der Klägerinnen entgegenzutreten, die Elemente des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung voneinander zu trennen; dies gelte insbesondere für die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen. Im Übrigen werde in der angefochtenen Entscheidung die von AZ zugrunde gelegte Auslegung der Richtlinie 65/65 oder der Umstand, dass AZ Klagen zum Schutz ihrer Patente oder ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen erhoben habe, nicht in Frage gestellt.
Zur rechtlichen Würdigung durch die Kommission
647 Die Kommission macht zunächst geltend, dass die rechtliche Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht auf deren 820. Erwägungsgrund beschränkt sei. Sie verweist insoweit auf die Erwägungsgründe 325 bis 328, 817 und 818 sowie die Erwägungsgründe 788 bis 847 der angefochtenen Entscheidung.
648 Sie erinnert sodann daran, dass nach der Rechtsprechung ein Unternehmen in beherrschender Stellung missbräuchlich handele, wenn es sich Marktvorteile durch Ausnutzung von Verfahren oder staatlichen Regelungen verschaffe. Die Rechtssache, in der das Urteil British Leyland/Kommission, oben in Randnr. 626 angeführt, ergangen sei, weise starke Ähnlichkeiten mit dem in der angefochtenen Entscheidung festgestellten zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf. Die Klägerinnen könnten nicht geltend machen, dass die in jenem Urteil getroffene Entscheidung vorliegend keine Anwendung finde, weil die Gültigkeit der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform für den Markteintritt konkurrierender Produkte nicht unabdingbar gewesen sei. Im Urteil British Leyland/Kommission werde nämlich insoweit keinerlei Bedingung aufgestellt. Dies bedeute nicht, dass das betreffende Produkt keinem Wettbewerb ausgesetzt gewesen sei oder sich auf einem eigenen Markt befunden habe. Mit oder ohne Paralleleinfuhren habe das betroffene Unternehmen vielmehr Dutzenden anderen Herstellern in Wettbewerb gestanden. Außerdem betreffe dieses Urteil ein Verhalten, das über das hier in Rede stehende Verhalten hinausgehe, da es sich mit der Untätigkeit von British Leyland nach Ablauf einer innerstaatlichen Betriebserlaubnis befasse, während sich die vorliegende Sache auf positive Maßnahmen zur Herbeiführung des Widerrufs der Genehmigung beziehe.
649 Den Ausführungen der Klägerinnen zu dem Umstand, dass British Leyland anders als AZ die Entwicklung des Parallelhandels zugelassen habe, sei entgegenzuhalten, dass der Missbrauch einer beherrschenden Stellung, der zur Verdrängung von Wettbewerbern vom Markt führe, den gleichen Stellenwert habe wie ein Missbrauch, der ihnen den Zutritt zum Markt verwehre. Falsch sei jedenfalls, dass sich der Parallelhandel mit Losec in den drei betroffenen Ländern nicht vor Beantragung des Widerrufs entwickelt habe (Tabellen 25, 28 und 29 im Anhang der angefochtenen Entscheidung). Was im Übrigen das Vorbringen der Klägerinnen angehe, in jener Rechtssache sei es nicht um Rechte des geistigen Eigentums an vertraulichen Geschäftsinformationen gegangen, so müssten zur Erlangung einer Bauartgenehmigung für ein Fahrzeug nach der Richtlinie 70/156/EWG des Rates vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. L 42, S. 1) ebenfalls kostspielige und technisch komplexe Informationen in einem langwierigen Verfahren beigebracht werden. Die Parallelimporteure hätten hiervon jedoch befreit werden können, da die Behörden bereits über technische Daten verfügten, deren Inhalt sie sorgsam vor Weitergabe schützten. Die Rechte auf Vertraulichkeit, die AZ zuständen, unterschieden sich somit durch nichts von denen, über die British Leyland verfügt habe.
650 Das Urteil Hilti/Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, betreffe ebenfalls die Instrumentalisierung eines rechtlichen Rahmens durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung zur Erlangung eines Marktvorteils, da das Unternehmen die Modalitäten des Verfahrens zur Lizenzerteilung in Ausübung seines Rechts auf Aushandlung der Gebühren ausgenutzt habe. Auch die Rechtssache, in der die Urteile des Gerichtshofs vom 16. März 2000 und des Gerichts vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, oben in den Randnrn. 329 und 242 angeführt, ergangen seien, sei einschlägig, da sie ein Unternehmen in beherrschender Stellung betreffe, das sich auf ein aus einem Vertrag abgeleitetes Recht gestützt habe, um Wettbewerber auszuschließen.
651 Die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. In den Urteilen Magill und IMS Health, oben in Randnr. 229 angeführt, und Tiercé Ladbroke/Kommission und Bronner, oben in Randnr. 627 angeführt, gehe es um die Weigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, mit anderen Unternehmen zu verhandeln und ihnen vertraglich die Nutzung eines Wirtschaftsguts zu gestatten, für das die Rechtsordnung grundsätzlich ein ausschließliches Recht einräume. Wie die Klägerinnen jedoch selbst anerkannt hätten, habe die Genehmigung für das Inverkehrbringen AZ kein ausschließliches Recht verschafft, abgesehen von dem sechs- bis zehnjährigen Ausschließlichkeitszeitraum für die den Behörden vorgelegten Angaben und Informationen. Dieser Zeitraum sei jedoch im vorliegenden Fall abgelaufen. Mit Ablauf des Ausschließlichkeitszeitraums habe der Zweitantragsteller das Recht, Angaben, die den Behörden bekannt seien, weil sie sich in der Akte des ursprünglichen Antrags befänden, nicht vorzulegen. AZ habe jedoch versucht, dieses Recht zu vereiteln.
652 Im Übrigen sei die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ nicht einschlägig bei Sachverhalten, in denen es für das Unternehmen in beherrschender Stellung nicht darum gehe, ein Wirtschaftsgut abzutreten oder Verträge mit Personen zu schließen, die es nicht ausgewählt habe (Beschluss des Gerichtshofs vom 28. September 2006, Unilever Bestfoods/Kommission, C‑552/03 P, Slg. 2006, I‑9091, und Urteil Van den Bergh Foods/Kommission, oben in Randnr. 631 angeführt, Randnr. 161). Die den Arzneimittelbehörden erteilte Erlaubnis, auf die in der Originalakte verfügbaren Informationen zurückzugreifen, ohne diese jedoch den Wettbewerbern und Dritten offenzulegen, könne nämlich nicht als Abtretung eines Wirtschaftsguts eingestuft werden. In der vorliegenden Rechtssache gehe es nicht um Rechte des geistigen Eigentums, und sie betreffe keine passive Weigerung, den Wettbewerbern durch Transaktionen mit ihnen zu helfen, sondern ein aktives Verhalten, das die Wettbewerber am Markteintritt hindern solle. Im vorliegenden Fall habe das marktbeherrschende Unternehmen nämlich aktiv den Ausschluss seiner Wettbewerber vom Markt zu einem Zeitpunkt betrieben, als seine Eigentumsrechte und seine ausschließlichen Rechte abgelaufen gewesen seien, indem es den rechtlichen Rahmen in einer Weise genutzt habe, die dem in ihm angelegten System zuwiderlaufe, das den Markteintritt von Generika ermögliche, wenn der Ausschließlichkeitszeitraum für die den Gesundheitsbehörden vorgelegten Informationen abgelaufen sei.
653 Zum Standpunkt der Klägerinnen, wonach die Unterscheidung zwischen dem positiven Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und dem Geschehenlassen des Ablaufs dieser Genehmigungen für die Anwendung von Art. 82 EG ohne Relevanz sei, sei zunächst festzustellen, dass sie sich in der angefochtenen Entscheidung zu dem hypothetischen Fall, dass AZ die Genehmigungen für das Inverkehrbringen hätte ablaufen lassen, nicht äußere, sondern nur den Missbrauch einer beherrschenden Stellung unter den gegebenen Umständen festgestellt habe. Jedoch ließe sich aufgrund des Urteils British Leyland/Kommission, oben in Randnr. 626 angeführt, jedenfalls die Auffassung vertreten, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegen könne, wenn der Inhaber einer Genehmigung diese im Rahmen einer Verdrängungsstrategie mit den hier festgestellten Merkmalen ablaufen ließe. Allerdings sei eine solche Verdrängungsstrategie, die, abgesehen von den Anträgen auf Widerruf, alle vorliegend festgestellten Merkmale aufweise, unwahrscheinlich, da ein wesentliches Element einer Verdrängungsstrategie, bei der eine Reihe von Faktoren zeitlich aufeinander abgestimmt werden müsse, darin bestehe, dass für den Ablauf der Genehmigungen ein bestimmter Zeitpunkt gewählt werde, weil der beabsichtigte Zweck der Ausschluss der Generika und des Parallelhandels sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass, anders als bei einem Antrag auf Widerruf, der Ablauf einer Genehmigung mangels Verlängerung ein vorhersehbares Ereignis sei.
654 Ferner sei der in Dänemark, Norwegen und Schweden mit dem Ziel, den Wettbewerb auszuschalten, gestellte Antrag, das Produkt vom Markt zu nehmen, keine den Inhalt der Genehmigung für das Inverkehrbringen von AZ betreffende Maßnahme gewesen, sondern ein Versuch, die Wettbewerber auch dann noch auszuschließen, als dem Unternehmen keine einen solchen Ausschluss ermöglichenden ausschließlichen Rechte mehr zur Verfügung gestanden hätten. Insoweit sei auf den 843. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.
655 Zwar gebe es Übereinstimmungen mit den Rechtssachen, die die Verweigerung des Zugangs zu Wirtschaftsgütern beträfen, an denen Eigentumsrechte bestünden, doch habe die Strategie von AZ darin bestanden, die Einführung eines von ihr nicht mehr angebotenen Produkts zu verhindern, obwohl für dieses Produkt eine Nachfrage bestanden habe; dies stelle nach dem Urteil Volvo, oben in Randnr. 229 aufgeführt, und dem Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, CIRCA und Maxicar (53/87, Slg. 1988, 6039), einen Fall des Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar. Insoweit treffe es nicht zu, dass die Generikahersteller oder die Parallelimporteure die Absicht gehabt hätten, das bereits von AZ angebotene Produkt zu kopieren.
656 Zurückzuweisen sei ferner das Vorbringen der Klägerinnen, wonach der Antrag auf Widerruf nach dem Arzneimittelrecht zulässig gewesen sei. Die Rechtswidrigkeit eines nach Art. 82 EG missbräuchlichen Verhaltens sei unabhängig davon, ob es mit anderen Rechtsvorschriften im Einklang stehe; in den meisten Fällen bestehe der Missbrauch einer beherrschenden Stellung in einem Verhalten, das ansonsten, auf anderen Rechtsgebieten als dem Wettbewerbsrecht, rechtmäßig sei. In der angefochtenen Entscheidung werde daher die Auslegung des Arzneimittelrechts durch die Klägerinnen nicht in Frage gestellt. Festgestellt werde nur, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen gegen Art. 82 EG verstoße, wenn es den vorzeitigen Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform im Kontext eines allgemeinen Vorhabens beantrage, das darauf angelegt sei, den Markteintritt von Generika und Paralleleinfuhren zu verhindern, und diese Wirkung haben könne (Erwägungsgründe 817 bis 820 der angefochtenen Entscheidung).
Zum jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
657 Die Kommission bestreitet zunächst, dass AZ in der angefochtenen Entscheidung dazu verpflichtet werde, die Verlängerung der Genehmigung für das Inverkehrbringen zu beantragen. Der Missbrauch habe in dem Antrag auf vorzeitigen Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen der Omeprazol-Kapseln in Schweden, Dänemark und Norwegen bestanden, was etwas anderes sei, als die Genehmigung auslaufen zu lassen, ohne deren Verlängerung zu beantragen. Die angefochtene Entscheidung enthalte keine Erwägung, wonach es missbräuchlich gewesen sei, dass AZ keine Verlängerung der Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt habe.
658 Zurückzuweisen sei die Rechtfertigung der Klägerinnen für den Antrag auf vorzeitigen Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in den fraglichen drei Ländern, wonach den Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen erhebliche Verpflichtungen aufgrund des Arzneimittelüberwachungssystems träfen. AZ habe als Inhaberin der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Spanien, Italien, Österreich, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden ohnehin den Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung nachkommen müssen und habe daher dieselben Informationen sammeln und an die Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten weiterleiten müssen. Die zusätzlichen Kosten oder der bürokratische Mehraufwand für AZ im Fall des Unterbleibens des Antrags auf vorzeitigen Widerruf wären daher gering gewesen.
659 Im Übrigen könne die Arzneimittelüberwachung, die den sich aus der Richtlinie 75/319 ergebenden Anforderungen genüge, normalerweise mittels einer Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten über den Zugang zu den Unterlagen und Daten sichergestellt werden, die der Hersteller für die alte Formulierung des Produkts in den Mitgliedstaaten vorgelegt habe, in denen diese Formulierung noch auf der Grundlage einer fortbestehenden Zulassung vertrieben werde (Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2002, Ferring, C‑172/00, Slg. 2002, I‑6891, Randnrn. 36 und 38). Überdies habe AZ nicht den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Deutschland und den Niederlanden beantragt, obwohl die Kapseln dort vom Markt genommen worden seien. Zudem werde in keinem der Strategiepapiere von AZ der angeblich mit der Aufrechterhaltung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen verbundene Aufwand als Gesichtspunkt erwähnt, der bei der Entscheidung über ihren Widerruf berücksichtigt werden müsse.
660 Sodann sei das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach sich die Wettbewerber von AZ für die Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen in dem Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 65/65 auf die veröffentlichte Literatur hätten stützen können. Die Analyse der Klägerinnen stütze sich fälschlicherweise auf die aus der Lehre von den „wesentlichen Einrichtungen“ hergeleitete Annahme, dass die Anträge auf Widerruf nur missbräuchlich sein könnten, wenn das abgekürzte Verfahren für den Markteintritt der Generika und der Paralleleinfuhren unabdingbar sei. Dass die Regelung einen alternativen Weg für die Erlangung der Registrierung zur Verfügung stelle, führe nicht zur Rechtmäßigkeit eines Verhaltens, das darauf abziele, die Wettbewerber an der Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens zu hindern, mit dem der Gesetzgeber den Markteintritt für Zugang habe erleichtern wollen. Auch könne die theoretische Verfügbarkeit eines alternativen Weges nicht von den ungewissen Erfolgsaussichten, den Kosten und dem Zeitaufwand eines Versuchs getrennt werden, die Genehmigung auf diesem Weg zu erlangen. Wie in den Erwägungsgründen 851 und 852 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, sei dieser Weg im Allgemeinen selten und für Omeprazol nie in Anspruch genommen worden. Die Erfolgsaussichten dieser Option wären ungewiss gewesen, da die vorliegenden Umstände einen „Grenzfall“ darstellten, und es hätte jedenfalls eines langwierigen Verfahrens bedurft. Hinzu komme, dass die Klägerinnen die Feststellungen in den Erwägungsgründen 852 bis 854 der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellten. Die mit diesem Weg verbundenen erheblichen Schwierigkeiten seien ein erheblicher Gesichtspunkt und müssten berücksichtigt werden, da es von ihnen abhänge, wie stark die Ausschlusswirkung des Verhaltens von AZ in der Praxis gewesen wäre.
661 Der zweite Missbrauch einer beherrschenden Stellung sei ein klassisches Beispiel für ein Verhalten, durch das die Kosten der Wettbewerber gesteigert würden. Aus diesem Blickwinkel verliere das beanstandete Verhalten seinen missbräuchlichen Charakter nicht dadurch, dass die Wettbewerber auch das vollständige Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen hätten durchlaufen können.
662 Was das Vorbringen der Klägerinnen angehe, die Kommission habe keine Angaben zu dem Ausmaß der Verzögerungen gemacht, die sich für den Markteintritt der konkurrierenden Produkte infolge der Inanspruchnahme des Verfahrens der Heranziehung veröffentlichter Literatur ergeben hätte, sei es unmöglich, ihr Ausmaß zu beurteilen, weil der genannte alternative Weg hypothetischer Natur sei. Jedenfalls wäre die Verzögerung für die Wettbewerber, die von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, erheblich gewesen und hätte mehrere Monate betragen, ohne auf die zur maßgebenden Zeitpunkt geltende Frist von 210 Tagen (und nicht von 120 Tagen, wie die Klägerinnen behaupteten) begrenzt zu sein, da die Generikahersteller über den Widerruf erst im Nachhinein informiert worden seien und erst dann mit dem Prozess der Recherche, des Erwerbs und der Zusammenstellung der Daten hätten beginnen müssen. Jede bei den Wettbewerbern eintretende Verzögerung hätte aber in Anbetracht des Umfangs der in Rede stehenden Verkäufe von Losec zu ganz erheblichen zusätzlichen Einkünften geführt. Außerdem sei der Zeitpunkt, zu dem die Verzögerung eingetreten sei, von Bedeutung, da sie dazu gedient habe, höhere Erstattungspreise in den Verhandlungen über Esomeprazol zu erzielen, der Nachfolgegeneration von PPI, die AZ habe auf den Markt bringen wollen.
663 AZ selbst habe die Inanspruchnahme des Verfahrens der Heranziehung veröffentlichter Literatur in Bezug auf Omeprazol als zu vernachlässigende Gefahr betrachtet, denn sie habe diesem Verfahren in ihrer strategischen Analyse der besten Vorgehensweise zur Verhinderung des Markteintritts von Generika keinerlei Beachtung geschenkt (853. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
664 Irrelevant sei zudem die Aussage von Herrn S. Es gebe keinen Beweis dafür, dass Herr S. die gesamte zur Verfügung stehende Literatur im Einzelnen durchgesehen habe, und er bestreite nicht, dass die Einreichung eines Antrags, der auf eine „allgemeine medizinische Verwendung“ gestützt werde, Zeit brauche. Im Übrigen sei auf die Klagebeantwortung der dänischen Agentur im Verfahren vor den dänischen Gerichten hinzuweisen, in der ausgeführt werde, dass im Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 65/65 der Antragsteller die Unbedenklichkeit und die Wirksamkeit des Arzneimittels durch Vorlage einer bibliographischen Dokumentation nachweisen müsse, der eine ausführliche und aufwendige Studie zugrunde liege und die nicht immer unbedingt erstellt werden könne.
665 Der zweite Missbrauch einer beherrschenden Stellung habe schließlich nichts mit den Verfahren zu tun, in die AZ möglicherweise verwickelt gewesen sei, um ihre Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu schützen, sondern betreffe die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform, die eingereicht worden seien, um den Markteintritt des generischen Omeprazol und der Paralleleinfuhren zu verhindern oder zu verzögern.
c) Würdigung durch das Gericht
Rechtlicher Rahmen
666 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass durch Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 ein abgekürztes Verfahren eingeführt wurde, das es den Herstellern von Arzneimitteln, die im Wesentlichen bereits zugelassenen Erzeugnissen gleichen, ermöglichen soll, den Zeit- und Kostenaufwand für die Sammlung der Daten über die Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche zu sparen, und verhindern soll, dass Versuche am Menschen oder am Tier ohne zwingende Notwendigkeit wiederholt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren auch die Interessen der innovativen Firmen berücksichtigt, und zwar insbesondere dadurch, dass er ein derartiges Verfahren von der Voraussetzung abhängig gemacht hat, dass das Referenzarzneimittel seit sechs oder zehn Jahren in der Gemeinschaft zugelassen ist (Urteile Generics [UK] u. a., oben in Randnr. 630 angeführt, Randnrn. 4, 72 und 73, und AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt, Randnrn. 42 und 43).
667 Diese Vorschrift verleiht somit dem Eigentümer des Originalarzneimittels das ausschließliche Recht, die Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche zu verwerten, die innerhalb eines Zeitraums von sechs bzw. zehn Jahren ab der Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Produkts in der Gemeinschaft zu den Akten genommen wurden. Dieser Ausschließlichkeitszeitraum ist das Ergebnis einer Abwägung des Gesetzgebers zwischen den Belangen innovativer Unternehmen einerseits und den Belangen der Hersteller im Wesentlichen gleicher Produkte sowie dem Interesse daran, zu verhindern, dass Versuche am Menschen oder am Tier ohne Notwendigkeit wiederholt werden, andererseits (vgl. in diesem Sinne Urteil Generics [UK] u. a., oben in Randnr. 630 angeführt, Randnrn. 81 und 83).
668 Nach Ablauf eines Zeitraums von sechs bzw. zehn Jahren ab Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen räumt die Richtlinie 65/65 dem Eigentümer des Originalarzneimittels folglich kein ausschließliches Recht auf Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr ein. Sie gestattet es vielmehr den innerstaatlichen Behörden, diese Informationen zwecks Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen im Wesentlichen gleicher Produkte im Rahmen des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie zu berücksichtigen.
669 Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass das Interesse am Gesundheitsschutz, der ein wesentliches Ziel der Richtlinie 65/65 darstellt, für die Behandlung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im Rahmen des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 voraussetzte, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im betreffenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags noch in Kraft ist, und somit einer Verfügbarkeit des abgekürzten Verfahrens nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels entgegenstand (Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt, Randnrn. 49 bis 54).
670 Der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Originalarzneimittels hat somit zur Folge, dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes für den Antragsteller einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines im Wesentlichen gleichen Arzneimittels eine Befreiung nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 von der Durchführung pharmakologischer, toxikologischer sowie ärztlicher oder klinischer Versuche zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels ausgeschlossen ist. Auch wenn AZ daher im vorliegenden Fall nach den Rechtsvorschriften kein ausschließliches Recht zur Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr zustand, ermöglichten es ihr die strengen Erfordernisse des Gesundheitsschutzes, die der Auslegung der Richtlinie 65/65 durch den Gerichtshof zugrunde lagen, über den Widerruf ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen im Wesentlichen gleicher Arzneimittel im abgekürzten Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 zu vereiteln oder zu erschweren, obwohl die Generikahersteller Anspruch auf ihre Erteilung hatten.
Zur Rechtsauffassung der Kommission
671 Ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt unabhängig von den Gründen für eine solche Stellung nach Art. 82 EG eine besondere Verantwortung dafür, dass es nicht durch den Rückgriff auf andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 57; Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 114, und vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, Randnr. 106, in Verbindung mit dem Urteil AKZO/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 70).
672 Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung nimmt einem Unternehmen in dieser Stellung zwar nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind (Urteil des Gerichts vom 1. April 1993, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, T‑65/89, Slg. 1993, II‑389, Randnr. 69), doch darf es die regulatorischen Verfahren nicht in einer Weise in Anspruch nehmen, durch die der Marktzutritt für Wettbewerber vereitelt oder erschwert wird, wenn es weder Gründe gibt, die mit der Verteidigung der berechtigten Interessen eines im Leistungswettbewerb stehenden Unternehmens zusammenhängen, noch objektive Rechtfertigungen bestehen.
673 Das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem zum einen zwischen dem vorliegenden Fall und den Fällen differenziert werden soll, in denen die Urteile vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, British Leyland/Kommission, oben in Randnr. 626 angeführt, und Hilti/Kommission, oben in Randnr. 242 angeführt, ergangen sind, und zum anderen geltend gemacht wird, dass die Bezugnahme der Kommission auf diese Urteile im 820. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht relevant sei, ist nicht geeignet, diese Erwägungen in Frage zu stellen.
674 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Klägerinnen ausführen, die Daten bezüglich der Ergebnisse der von AZ zwecks Erlangung der ursprünglichen Genehmigung für das Inverkehrbringen durchführten pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche die Frucht einer Investition sind, die AZ vornehmen musste, um Losec in Kapselform in Verkehr bringen zu können. Eine solche Investition ist charakteristisch für Praktiken, die zum Leistungswettbewerb gehören und für die Verbraucher nutzbringend sein sollen. Wie oben in den Randnrn. 666 bis 668 ausgeführt, wurde dieses Interesse am Schutz der Investitionen in der Richtlinie 65/65 anerkannt, indem sie für die Verwendung der Daten einen Ausschließlichkeitszeitraum zugunsten ihres Eigentümers vorsieht. Nach Ablauf dieses Ausschließlichkeitszeitraums räumt Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 jedoch dem Eigentümer eines Originalarzneimittels kein ausschließliches Recht auf Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr ein und gestattet es den Herstellern von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln, die vorliegenden Daten zu nutzen, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem abgekürzten Verfahren zu erhalten.
675 Somit ist festzustellen, dass nach Ablauf des oben genannten Ausschließlichkeitszeitraums das Verhalten, mit dem die Generikahersteller daran gehindert werden sollten, von ihrem Recht auf Nutzung der für das Inverkehrbringen des Originalprodukts vorgelegten Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche Gebrauch zu machen, in dem legitimen Schutz einer zum Leistungswettbewerb gehörenden Investition keine Stütze findet, da AZ aufgrund der Richtlinie 65/65 gerade nicht mehr über das ausschließliche Recht zur Verwertung der Ergebnisse dieser pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche verfügte.
676 Dagegen war, wie im Rahmen des zweiten Klagegrundes im Einzelnen zu prüfen sein wird, der von AZ betriebene Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen offenbar nur geeignet, die Antragsteller von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln daran zu hindern, von dem abgekürzten Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 Gebrauch zu machen, und damit den Markteintritt von Generika zu behindern oder zu verzögern. Je nach der Haltung, die die innerstaatlichen Behörden angesichts eines Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produkts aus anderen Gründen als dem Gesundheitsschutz einnehmen, kann ein solcher Widerruf auch geeignet sein, Paralleleinfuhren zu verhindern. Die Prüfung der Frage, ob die Kommission unter Berücksichtigung des tatsächlichen und rechtlichen Kontextes des vorliegenden Falls rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform geeignet war, Paralleleinfuhren dieses Produkts auszuschließen, wird im Rahmen der Untersuchung des zweiten Klagegrundes erfolgen.
677 Auch dass AZ, wie die Klägerinnen geltend machen, zur Beantragung des Widerrufs ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform berechtigt war, ist nicht geeignet, dieses Verhalten dem Verbot des Art. 82 EG zu entziehen. Wie die Kommission ausgeführt hat, hat die Rechtswidrigkeit eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Art. 82 EG nichts mit der Frage zu tun, ob das Verhalten mit anderen Rechtsvorschriften im Einklang steht. Zu beachten ist insoweit, dass der Missbrauch einer beherrschenden Stellung meist in einem Verhalten liegt, das ansonsten, in anderen Rechtsgebieten als dem Wettbewerbsrecht, rechtmäßig ist.
678 Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Vereinbarkeit des beanstandeten Verhaltens mit Art. 82 EG müsse anhand der Kriterien beurteilt werden, die die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ entwickelt habe.
679 Dazu ist einleitend festzustellen, dass die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“ im Wesentlichen die Umstände betrifft, unter denen die Lieferverweigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, insbesondere durch Ausübung eines Eigentumsrechts, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann. Diese Rechtsprechung bezieht sich daher vor allem auf Fälle, in denen die freie Ausübung eines ausschließlichen Rechts, mit dem die Vornahme einer Investition oder eine Innovation belohnt wird, im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt begrenzt werden kann (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache, die Gegenstand des Urteils Bronner, oben in Randnr. 628 angeführt, ist, Nrn. 57 bis 65, und Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnrn. 331 bis 333).
680 Nach den oben in Randnr. 668 getroffenen Feststellungen räumte die Richtlinie 65/65 AZ kein ausschließliches Recht auf Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche mehr ein, sondern gestattete es, dass die innerstaatlichen Behörden diese Informationen zwecks Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von im Wesentlichen gleichen Produkten im Rahmen des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii berücksichtigen. Wie oben in Randnr. 667 ausgeführt, ist der Zeitraum von sechs oder zehn Jahren, in dem der Eigentümer eines Originalarzneimittels über das ausschließliche Recht zur Verwertung der zu den Akten genommenen Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche verfügt, nämlich das Ergebnis einer Abwägung des Gesetzgebers zwischen den Belangen innovativer Unternehmen einerseits und den Belangen der Hersteller im Wesentlichen gleicher Produkte und dem Interesse daran, zu verhindern, dass Versuche am Menschen oder am Tier ohne Notwendigkeit wiederholt werden, andererseits.
681 Sollte, wie die Klägerinnen geltend machen, davon auszugehen sein, dass diese Informationen im Eigentum des Unternehmens stehen, das sie vorgelegt hat, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie, wie die Kommission ausführt, auf keinen Fall veröffentlicht oder den Antragstellern von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von im Wesentlichen gleichen Produkten offengelegt werden, würde dies nichts daran ändern, dass die Richtlinie 65/65 dieses etwaige Eigentumsrecht jedenfalls einer Beschränkung unterworfen hat, indem sie in ihrem Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii ein abgekürztes Verfahren geschaffen hat, das den innerstaatlichen Behörden die Heranziehung der im Rahmen des ursprünglichen Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgelegten Daten erlaubt.
682 Das fragliche Verhalten besteht somit nicht in einer Weigerung, Zugang zu den zu den Akten genommenen Ergebnissen der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche zu gewähren, da AZ aufgrund ihres geltend gemachten Eigentumsrechts ohnehin nicht verhindern konnte, dass sich die innerstaatlichen Behörden im Rahmen des abgekürzten Verfahrens auf die fraglichen Daten stützen, sondern bezieht sich darauf, dass der Widerruf von Genehmigungen für das Inverkehrbringen betrieben wurde, so dass das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 und folglich die Beschränkung, die die genannte Vorschrift der ausschließlichen Verwertung der aus den pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuchen hervorgegangenen Informationen auferlegt, nicht mehr anwendbar waren.
683 Wie aus dem Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt (Randnrn. 49 bis 54), hervorgeht, soll aber der Umstand, dass das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 nach dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels nicht mehr zur Verfügung steht, dem Hersteller des Referenzarzneimittels nicht die Ausschließlichkeit der von ihm gelieferten Daten sichern, sondern den Gesundheitsschutz gewährleisten, der ein wesentliches Ziel der Richtlinie 65/65 darstellt.
684 Auf den vorliegenden Sachverhalt kann daher die Rechtsprechung zu den „wesentlichen Einrichtungen“, auf die die Klägerinnen verweisen, keine Anwendung finden.
Zu dem jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
685 Die Klägerinnen berufen sich darauf, dass AZ kein wirtschaftliches Interesse mehr an dem Verkauf von Losec in Kapselform und folglich auch nicht an der Aufrechterhaltung der Genehmigung für das Inverkehrbringen gehabt habe, da damit laufende Verpflichtungen zur „Aktualisierung“ und Arzneimittelüberwachung verbunden gewesen seien.
686 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese objektive Rechtfertigung erstmals im Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht worden ist. Die Kommission hat zwar eine mögliche objektive Rechtfertigung für ein Verhalten, das einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, zu berücksichtigen, doch obliegt es dem betreffenden Unternehmen, im Verwaltungsverfahren diesen objektiven Rechtfertigungsgrund anzuführen und ihn mit geeigneten Sachargumenten und Beweisen zu untermauern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2007, British Airways/Kommission, C‑95/04 P, Slg. 2007, I‑2331, Randnr. 69, und Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 1144). Dies gilt insbesondere dann, wenn allein das betreffende Unternehmen Kenntnis von dieser objektiven Rechtfertigung hat oder natürlicherweise besser als die Kommission in der Lage ist, ihr Vorliegen darzulegen und nachzuweisen.
687 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung anhand der Informationen zu beurteilen, über die das Organ bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte. Niemand kann sich somit vor dem Gemeinschaftsrichter auf Tatsachen berufen, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 7, Urteile des Gerichts vom 11. Juli 2007, Centeno Mediavilla u. a./Kommission, T‑58/05, Slg. 2007, II‑2523, Randnr. 151, und vom 25. Juni 2008, Olympiaki Aeroporia Ypiresies/Kommission, T‑268/06, Slg. 2008, II‑1091, Randnr. 55).
688 Wie die Kommission ausführt, ist die Frage des Aufwands, der mit den Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung verbunden ist, in den internen Dokumenten von AZ über ihre Geschäftsstrategie nie angesprochen worden. Die Nichterwähnung des genannten objektiven Rechtfertigungsgrunds in diesen Dokumenten machte es der Kommission unmöglich, sich Kenntnis von ihm zu verschaffen, und lässt es auch wenig glaubhaft erscheinen, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen aus diesem Grund betrieben wurde.
689 Im Übrigen ist unstreitig, dass AZ in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Italien und den Niederlanden den Widerruf ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht beantragt hatte. Die Klägerinnen haben aber vor dem Gericht nicht dargetan, dass der Mehraufwand, den AZ zu bewältigen gehabt hätte, wenn sie den Widerruf ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark, Norwegen und Schweden nicht veranlasst hätte, so groß gewesen wäre, dass er einen objektiven Rechtfertigungsgrund dargestellt hätte.
690 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, muss nämlich das für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels verantwortliche Unternehmen nach Art. 29d der Richtlinie 75/319 zum einen der zuständigen Behörde unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 15 Tagen alle vermuteten schwerwiegenden Nebenwirkungen, die ihm durch einen Angehörigen eines Gesundheitsberufs zur Kenntnis gebracht werden, mitteilen und zum anderen der zuständigen Behörde ausführliche Unterlagen über alle anderen vermuteten Nebenwirkungen vorlegen und ihnen eine wissenschaftliche Beurteilung beifügen. Die Unterlagen über die anderen vermuteten Nebenwirkungen sind unmittelbar nach Aufforderung oder, wenn die Genehmigung für das Inverkehrbringen vor mehr als fünf Jahren erteilt wurde, in Abständen von fünf Jahren zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung der Genehmigung vorzulegen.
691 Als AZ am 19. März, 12. Oktober und 20. August 1998 in Dänemark, Norwegen und Schweden den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform beantragte, verfügte sie über diese Genehmigungen unstreitig seit weit mehr als fünf Jahren. Unter diesen Umständen besteht Grund zu der Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bis dahin unbekannter schwerwiegender Nebenwirkungen von Losec in Kapselform gering war.
692 Die Verpflichtung, Unterlagen über die anderen vermuteten Nebenwirkungen in Abständen von fünf Jahren vorzulegen, ist keine im Rahmen der Arzneimittelüberwachung bestehende Belastung von solchem Gewicht, dass sie einen gravierenden objektiven Rechtfertigungsgrund darstellen könnte. Zwar hindert Art. 29d der Richtlinie 75/319 die Mitgliedstaaten nicht daran, zusätzliche Anforderungen bei der Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufzustellen, doch haben die Klägerinnen in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts nicht dargetan, dass die dänischen, norwegischen und schwedischen Behörden derartige erhebliche zusätzliche Verpflichtungen auferlegt hätten. Im Gegenteil ergibt sich, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, aus den Antworten der Klägerinnen auf die Fragen des Gerichts, dass in Deutschland, dem Land, in dem AZ weiterhin Losec in Kapselform vermarktete, die öffentlichen Stellen strengere Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung auferlegten als in Dänemark, Norwegen oder Schweden.
693 Die Klägerinnen legen auch nicht dar, dass die dänischen, norwegischen und schwedischen Behörden die in Kapitel Va der Richtlinie 75/319 genannten Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung so verschieden von den anderen Ländern, in denen weiterhin Losec in Kapselform vermarktet wurde, angewandt hätten, dass sich für AZ daraus erhebliche zusätzliche Belastungen ergeben hätten.
694 Aus all diesen Gründen ist somit das erstmals im Verfahren vor dem Gericht geltend gemachte Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach im vorliegenden Fall die Verpflichtungen zur Arzneimittelüberwachung, denen AZ in Dänemark, Norwegen und Schweden unterlegen habe, einen objektiven Rechtfertigungsgrund für die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in diesen Ländern darstellten.
695 Die Klägerinnen machen ferner geltend, das beanstandete Verhalten könne nicht als Missbrauch einer beherrschenden Stellung gewertet werden, da die potenziellen Wettbewerber jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätten, das Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 65/65 zu durchlaufen, wonach der Antragsteller allein durch eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen nachweisen könne, dass die Arzneispezialität, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt werde, eine anerkannte Wirksamkeit und einen annehmbaren Grad an Sicherheit aufweise. Sie werfen der Kommission überdies vor, die Verzögerungen nicht beurteilt zu haben, die die konkurrierenden Generikahersteller erlitten hätten. Die Stichhaltigkeit dieser Argumente, die im Rahmen des zweiten Klagegrundes wiederholt werden, wird nachfolgend in den Randnrn. 829 bis 835 bei dessen Würdigung geprüft.
696 Vorbehaltlich der Prüfung der Stichhaltigkeit der letztgenannten Argumente ist aus all diesen Gründen davon auszugehen, dass aufgrund des Vorbringens der Klägerinnen ein Rechtsfehler der Kommission bei der Qualifizierung des zweiten beanstandeten Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung nicht festgestellt werden kann. Unbeschadet der späteren Prüfung der Stichhaltigkeit der in der vorstehenden Randnummer angeführten Argumente ist der erste Klagegrund somit zurückzuweisen.
3. Zweiter Klagegrund: tatsächliche Fehler
a) Vorbringen der Klägerinnen
697 Die Klägerinnen machen geltend, es sei normal, dass der Inhaber eines ablaufenden Patents versuche, aus dem Verkauf des Produkts Nutzen zu ziehen und seinen Marktanteil zu wahren. Er werde daher auf unterschiedliche Weise bemüht sein, die Verkäufe der Generikahersteller und der Parallelimporteure zu unterbinden oder soweit wie möglich einzuschränken; dies sei ein übliches Wettbewerbsverhalten auf den Arzneimittelmärkten in der Union. So gesehen seien die von der Kommission angeführten Dokumente in keiner Weise ungewöhnlich, da sie nur von den normalen Zielen und Bedenken eines jeden Arzneimittelunternehmens zeugten, das ein wichtiges Patent verloren habe oder zu verlieren im Begriff sei. Folglich sei der in den Erwägungsgründen 798 und 799 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Umstand, dass AZ ausdrücklich das Ziel verfolgt habe, den Markteintritt der Generika und des Parallelhandels zu verhindern oder zu verzögern, kein Rügegrund. Ginge man nämlich davon aus, dass AZ dieses Ziel nicht verfolgen dürfe, liefe dies darauf hinaus, dem Unternehmen den Wettbewerb mit seinen Konkurrenten zu verbieten. In diesem Zusammenhang treffe es nicht zu, dass der Widerruf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produkts, das seinerseits vom Markt genommen worden sei, eine Maßnahme sei, die nicht zum Leistungswettbewerb gehöre; dazu habe die Kommission im 842. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt, dass der Zweck der Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht die Erleichterung des Markteintritts der Generika sei.
698 Der Widerruf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen sei nicht rechtswidrig. Er sei auch nicht allein oder hauptsächlich in der Absicht betrieben worden, die Genehmigung der Generika und der Paralleleinfuhren zu verhindern. Losec in Kapselform sei in den betreffenden Ländern eingeführt worden, weil es sich um ein höherwertiges Produkt gehandelt habe und weil die örtlichen Vertriebsgesellschaften der Meinung gewesen seien, dass es günstiger sei, nur ein Produkt auf dem Markt zu haben. Da AZ ein Produkt durch ein anderes ersetzt habe, sei es normal gewesen, dass sie die Genehmigung für das Inverkehrbringen des von ihr nicht mehr hergestellten Produkts habe löschen lassen.
699 Die Kommission lege keine hinreichenden Beweise für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 82 EG vor; sie habe selbst eingeräumt, dass sie nur über wenige aussagekräftige Beweise verfüge (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. und 17. Februar 2004, S. 162). Die angefochtene Entscheidung beruhe einzig und allein auf Schlussfolgerungen, die in unangemessener und fehlerhafter Weise aus den von AZ vorgelegten Dokumenten gezogen worden seien. Die Kommission habe mit den Verfassern der Dokumente, auf die sie sich stütze, kein Gespräch geführt und keine unabhängige Untersuchung in Bezug auf Generika, Parallelimporte, Arzneimittelagenturen oder Verbraucher vorgenommen.
Gründe für die Entwicklung von Losec MUPS und dessen Vermarktung
700 Die Klägerinnen führen aus, Losec MUPS sei entwickelt worden, weil es ein höherwertiges Produkt gewesen sei. Der Wirkstoff von Losec, Omeprazol, baue sich schnell ab und verliere seine Wirkung in der säurehaltigen Umgebung des Magens. Die 1988 eingeführten Losec-Kapseln bestünden daher aus magensäureresistenten Kügelchen in gelatinehaltiger Umhüllung, die den Wirkstoff im Magen nicht freisetzten und seine Aufnahme im Dünndarm erlaubten. Die Losec-Kapseln hätten allerdings gewisse Mängel gezeigt [vertraulich].
701 Im Jahr 1991 habe Astra eine Machbarkeitsstudie zur Entwicklung einer neuen dispersiblen, aus mehreren Hundert Mikrokugeln Omeprazol in magensäureresistenter Umhüllung bestehenden Losec-Tablette namens „Multiple Unit Pellet System“ (MUPS) durchgeführt, und 1994 habe sie nach mehreren Jahren zusätzlicher Forschung die Entscheidung getroffen, die Entwicklung dieses Produkts einzuleiten. Ein Patentschutz für das neue Herstellungsverfahren sei unter dem Aktenzeichen WO 96/1623 beantragt worden, wobei der „Prioritätstag“ der 8. Januar 1994 sei. AZ habe noch gewisse Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines zufriedenstellenden Präparats in Tablettenform gehabt, doch sei Losec MUPS 1998 schließlich marktreif gewesen. Die Entscheidung, Losec MUPS nicht früher in den Verkehr zu bringen, sei auf die für die Entwicklung des MUPS erforderliche Zeit und auf die Zusammenstellung ausführlicher Unterlagen für die örtlichen Regulierungsbehörden zurückzuführen.
702 Die Entscheidung, Losec MUPS zu entwickeln, sei aufgrund der Tatsache, dass sie die Bereitstellung erheblicher Forschungs- und Entwicklungsmittel vorausgesetzt habe, zentral von Astra getroffen worden, doch sei es Sache der örtlichen Vertriebsgesellschaften gewesen, den Zeitpunkt und die Art der Vermarktung des Produkts nach Maßgabe der örtlichen Bedingungen zu bestimmen. Das zentrale Marketingteam von AZ habe die örtlichen Unternehmen darin bestärkt, Losec MUPS wegen der Vorteile, die dieses Produkt geboten habe, in den Verkehr zu bringen, und habe den Zeitplan für die Einführung von Losec MUPS und gegebenenfalls für die Rücknahme von Losec in Kapselform überwacht, um sicherzustellen, dass die Belieferung des Marktes mit den beiden Produkten richtig aufeinander abgestimmt gewesen und fristgerecht erfolgt sei.
703 Losec MUPS sei auf den einzelnen nationalen Märkten wegen der dort herrschenden unterschiedlichen Bedingungen und der für die Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen geltenden unterschiedlichen Fristen zu verschiedenen Zeitpunkten in den Verkehr gebracht worden. Die Entscheidung, das Produkt in Spanien, Italien, Griechenland, Österreich, Portugal und Frankreich nicht in den Verkehr zu bringen, beruhe auf wirtschaftlichen Gründen. Die örtlichen Vertriebsgesellschaften hätten ihre Strategien nicht an den Wirkungen ihrer Entscheidungen auf den Parallelhandel oder den Markteintritt von Generika ausgerichtet und nicht beabsichtigt, deren Markteintritt zu verhindern. Das zentrale Marketingteam von AZ habe allerdings vorhergesehen, dass mit der Rücknahme von Losec in Kapselform die Gefahr einer Verbreitung von Generika zulasten des MUPS-Produkts verbunden sei, falls Letzteres nicht erfolgreich sein sollte. Das zentrale Team von AZ habe auch die Folgen geprüft, die die Entscheidungen der örtlichen Vertriebsgesellschaften für die Generikahersteller und die Parallelimporteure gehabt hätten. Gleichwohl habe die Kommission selbst eingeräumt, dass die Klagen gegen das Inverkehrbringen der Generika und die Paralleleinfuhren, die nach den Entscheidungen der örtlichen Vertriebsgesellschaften, die Löschung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu betreiben, erhoben worden seien, keinen Missbrauch dargestellt hätten.
704 Im Vereinigten Königreich [vertraulich].
705 Nach diesem Treffen habe das zentrale Koordinierungsteam von AZ die Auswirkungen des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform für die Generikahersteller und die Parallelimporteure geprüft. Allerdings hätten die örtlichen Vertriebsgesellschaften und nicht das zentrale Koordinierungsteam von Astra darüber entschieden, ob Losec MUPS in den Verkehr gebracht, ob Losec in Kapselform vom Markt genommen und ob in diesem Fall der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform betrieben werden solle.
706 In Bezug auf Schweden tragen die Klägerinnen vor, Astra habe 1995 bei den Vertriebsgesellschaften weltweit ein Memorandum namens „Minisignal“ in Umlauf gebracht, mit dem sie über die Entwicklung von Losec MUPS informiert worden seien und dem ein Fragebogen zu den Projekten der verschiedenen Vertriebsgesellschaften für das neue Produkt beigelegen habe. Im Februar 1996 habe die schwedische Vertriebsgesellschaft auf das Minisignal geantwortet und erklärt, dass in Schweden sowohl Losec in Kapselform als auch Losec MUPS verfügbar seien, dass aber die Losec-Kapseln in Abhängigkeit von der Akzeptanz des neuen Präparats durch den Verbraucher nach und nach vom Markt genommen würden.
707 Im Januar 1997 seien die Vertriebsgesellschaften per Telefax darüber informiert worden, dass ihnen die Unterlagen über Losec MUPS zur Stellung der Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zur Verfügung ständen und ihnen auf Anforderung zugesandt würden. Es sei daher Sache der örtlichen Vertriebsgesellschaften gewesen, die Unterlagen anzufordern und infolgedessen darüber zu entscheiden, ob und wann der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eingereicht und das Produkt in den Verkehr gebracht werden solle.
708 Eine Genehmigung für das Inverkehrbringen sei in Schweden von Astra Schweden für Losec MUPS am 2. Mai 1997 beantragt und am 19. Dezember 1997 erteilt worden. Diese Vertriebsgesellschaft habe nach vier Marktstudien (von denen eine im Frühjahr 1998 durchgeführt worden sei) und einer Untersuchung über die Präferenzen der Patienten beschlossen, Losec in Kapselform nach und nach vom Markt zu nehmen. Wie Astra Schweden in ihrer Antwort auf das Minisignal erklärt habe, hätten die Studien nämlich ergeben, dass Losec in Kapselform vollständig durch Losec MUPS ersetzt werden sollte. Es habe somit keinerlei Grund gegeben, die Kapseln auf dem Markt zu lassen.
709 Auch die Vertriebsgesellschaften in Norwegen und Dänemark hätten selbst über die Strategie zur Einführung von Losec MUPS auf ihren nationalen Märkten entschieden. Die Unterlagen dieser Vertriebsgesellschaften enthielten keinen Hinweis auf eine Erörterung der Frage, ob die Genehmigungen für Losec in Kapselform gelöscht oder nach Ablauf nicht verlängert werden sollten. Darin komme zum Ausdruck, dass weder ein Bedarf für die Aufrechterhaltung einer Genehmigung für ein vom Markt genommenes Produkt noch ein Grund bestanden habe, hierbei weitere Erwägungen zu berücksichtigen.
710 Das zentrale Marketingteam von Astra [vertraulich]. Außerdem sei das zentrale Koordinierungsteam von Astra mit der Prüfung der rechtlichen Folgen [vertraulich] betraut worden.
711 Das zentrale Koordinierungsteam von Astra habe beschlossen, Losec MUPS in Spanien und Italien nicht in den Verkehr zu bringen. [vertraulich].
712 [vertraulich]
713 [vertraulich]
714 [vertraulich]
Einwendungen gegen die Beweise
715 Die Klägerinnen erheben Einwendungen gegen die Beweise, auf die die Kommission ihre Schlussfolgerung gestützt hat, dass die Einführung von Losec MIPS und der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform Teil einer allgemeinen Strategie zur Verhinderung des Markteintritts von Generika und der Parallelimporte gewesen seien. Die im Protokoll einer internen Sitzung des Marketing-Beirats (MAC, Marketing Advisory Council) vom 9. August 1996, die sich mit der Ausarbeitung der Strategie für die Zeit nach Ablauf des Losec-Patents (Losec Post-Patent Strategy, im Folgenden: LPP-Strategie) (vgl. den 266. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) befasst habe, verwendete Bezeichnung sei so zu verstehen, dass Astra habe planen wollen, wie mit bestimmten Fragen umzugehen sei, ohne dass deswegen Bösgläubigkeit unterstellt werden könne. Dass AZ sich mit dem drohenden Wettbewerb und möglichen „Gegenmitteln“ beschäftigt habe, gehöre zum alltäglichen Geschäftsbetrieb eines Unternehmens. Soweit in diesem Dokument „rechtliche Möglichkeiten zur Behinderung/Verzögerung der Genehmigung/Einführung von Generika“ erörtert würden, enthalte es nichts, was dem Leistungswettbewerb widerspreche. Im Übrigen belege keiner der von der Kommission herangezogenen schriftlichen Beweise, dass AZ eine auf die Löschung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark, Norwegen und Schweden gerichtete böswillige Strategie verfolgt habe, um den Markteintritt der Generika zu verzögern und den Parallelhandel zu verhindern.
716 Astra habe die Klagen gegen die Wettbewerber, die Generika in den Verkehr gebracht hätten, auf zentraler Ebene koordiniert, das Inverkehrbringen der Losec-Tabletten empfohlen und die nationalen Vertriebsgesellschaften bei der Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und im Bereich der Produktion von und der Belieferung mit Losec unterstützt. Die örtlichen Vertriebsgesellschaften hätten jedoch ihre Marketingpläne individuell erstellt. Insoweit sei auf Kapitel 7 der Antwort von AZ, insbesondere auf deren Nrn. 7.108 bis 7.155, sowie auf die Aussagen von Dr. N., dem Executive Vice President von AstraZeneca plc und Chief Executive Officer von AstraZeneca AB (S. 104 bis 119 des Protokolls der mündlichen Anhörung vom 16. und 17. Februar 2005).
717 Was den im 267. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Fragebogen angehe, der den örtlichen Vertriebsgesellschaften 1996 übersandt worden sei und in dem Astra darum gebeten habe, ihr die rechtlichen Möglichkeiten zu nennen, mit denen die Genehmigung oder die Einführung von Generika behindert oder verzögert werden könnte, so sei es legitim, dass die zentrale Marketingabteilung diese Fragen gestellt habe. Es sei um legale rechtliche Möglichkeiten gegangen, und die Kommission habe nicht dargetan, dass Astra rechtswidrige Mittel habe anwenden wollen. Im Übrigen habe die Kommission keine Einwände gegen die von Astra eingeleiteten Gerichtsverfahren erhoben, mit denen habe festgestellt werden sollen, inwieweit die Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika oder die Anträge auf Genehmigung von Paralleleinfuhren vom Widerruf der ihnen zugrunde liegenden Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffen seien (Nr. 502 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).
718 Die zentrale Marketingabteilung und das zentrale Koordinierungsteam von Astra hätten keine Verdrängungsstrategie für Dänemark, Schweden und Norwegen koordiniert, und es sei hervorzuheben, dass Astra dezentral organisiert sei. Insoweit sei auf die Aussagen von Dr. N., einem damaligen Board-Mitglied von AZ, zu verweisen, aus denen sich ergebe, dass externe Berater Astra als „merkwürdig dezentralisiert“ beschrieben hätten. Die Kommission dürfe diese Aussage nicht unberücksichtigt lassen, sofern sie nicht beweise, dass sie unglaubwürdig sei.
719 Aus der bloßen Tatsache, dass die in Dänemark, Norwegen und Schweden niedergelassenen Gesellschaften zu 100 % AZ gehört hätten, könne nicht geschlossen werden, dass AZ einen bestimmenden Einfluss auf ihre Geschäftspolitik ausgeübt habe. Es müsse festgestellt werden, ob die Muttergesellschaft in der Lage gewesen sei, einen bestimmenden Einfluss auszuüben, und ob sie einen solchen Einfluss ausgeübt habe (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 48 bis 50). Eine Tochtergesellschaft stehe nicht unter dem bestimmenden Einfluss ihrer Muttergesellschaft, wenn sie ihr Verhalten auf dem Markt autonom bestimmen könne (Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, oben in Randnr. 267 angeführt).
720 Was die in den Erwägungsgründen 268 bis 274 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Prüfung der allgemeinen Strategie von Astra angehe, die sich auf ein Dokument mit dem Titel „Strategie für die Zeit nach Ablauf des Losec-Patents“ (LPP-Strategie) vom 29. April 1997 und auf eine Rede im Oktober 1999 beziehe, so habe die Kommission die Meinung vertreten, dass sich diese Strategie in drei Phasen gliedere, nämlich erstens die Erweiterung der Losec-Produktpalette, zweitens die Verzögerung des Markteintritts von Generika unter Einsatz technischer und rechtlicher Mittel und drittens die Einführung verbesserter neuer Produkte mit eigenem Patentschutz. Die Kommission könne keine Einwände gegen Maßnahmen zum Schutz des Absatzvolumens erheben, da dies darauf hinausliefe, dass die Ausübung des Wettbewerbs regelwidrig wäre. Astra habe lediglich ihre Rechte des geistigen Eigentums wie z. B. ihre Patente an dem Präparat wahrnehmen, die Einhaltung der Rechtsvorschriften über die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Generika sicherstellen und ihr eigenes Sortiment von Arzneimitteln gegen Magengeschwüre durch eine Erweiterung dieses Sortiments und durch die Schaffung einer neuen Produktgeneration verbessern wollen. Ein solches Verhalten sei aber nicht missbräuchlich.
721 Die Kommission wende sich im 830. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nicht gegen die Auslegung der Rechtsvorschriften über die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen durch Astra. Im Übrigen habe sie in den Nrn. 502 und 458 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, dass das Verhalten von Astra zum Schutz ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht regelwidrig gewesen sei und dass die von Astra zum Schutz ihrer Rechte des geistigen Eigentums erhobenen Klagen nicht missbräuchlich gewesen seien. Mit dem Inverkehrbringen von Losec MUPS und der Rücknahme von Losec in Kapselform habe Astra versucht, einen rechtmäßigen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt zu erlangen. Die Kommission habe im 793. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt, dass dieses geschäftliche verhalten für sich genommen nicht missbräuchlich gewesen sei.
722 Die im 271. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung dargelegten sechs Elemente, die die zweite Stufe der Strategie von Astra bildeten, seien nicht zu beanstanden. Der Schutz von Dokumenten sei Ausdruck des berechtigten Interesses von Astra, die vertraulichen Informationen zu schützen, die den nationalen Behörden im Rahmen der Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgelegt worden seien. Die Verbesserung der Produktqualität bewege sich im Rahmen eines produktbezogenen Leistungswettbewerbs. Gegen einen Antrag auf Erteilung zusätzlicher offensiver und defensiver Patente sei nichts einzuwenden. Das Programm zur Überwachung der Tätigkeiten der Wettbewerber, die Generika vermarkteten, gehöre ebenfalls zu einer legitimen Praxis, da der Erlass einstweiliger Anordnungen im Rahmen eines Verletzungsverfahrens häufig vom sorgfältigen Vorgehen des Beschwerdeführers abhänge. Die Einleitung gerichtlicher Verfahren diene zur Geltendmachung der Rechte des geistigen Eigentums von Astra, und sie seien nur aufgrund stichhaltiger rechtlicher Gründe eingeleitet worden. Schließlich handele es sich bei der vollständigen Substitution von Losec in Kapselform durch Losec-Tabletten um ein Verhalten, das sich im Rahmen eines produktbezogenen Leistungswettbewerbs bewege.
723 Die Erwägungen der Kommission, wonach Astra die Losec-Tabletten auf den Märkten habe vertreiben wollen, auf denen der Ablauf ihres Wirkstoffpatents kurz bevorgestanden habe, gingen fehl. Astra habe beabsichtigt und sei daran interessiert gewesen, wegen der mit Losec in Kapselform verbundenen Nachteile so schnell wie möglich ein Präparat in Form der Losec-Tabletten in den Verkehr zu bringen, doch seien während der Entwicklung von Losec MUPS technische Probleme aufgetreten. Es sei richtig, dass der Wunsch von Astra, ein Präparat in Tablettenform einzuführen, immer dringlicher geworden sei, je näher die Ablaufdaten des Patents für den Wirkstoff von Omeprazol gerückt seien. Diese Dringlichkeit bedeute jedoch weder, dass der Zeitplan für das Inverkehrbringen der Losec-Tabletten so gestaltet worden sei, dass es mit dem Ablauf des Patents zusammengefallen sei, noch, dass der Zweck des Inverkehrbringens darin bestanden habe, den Markteintritt der Generika zu verhindern.
724 Die von der Kommission im 273. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Rede, die im Oktober 1999 anlässlich einer Tagung der Geschäftsleitung von AZ gehalten worden sei, beweise nicht, dass AZ eine wettbewerbswidrige Strategie verfolgt habe. Ihr sei lediglich zu entnehmen, dass AZ eine Strategie zur Verteidigung ihres gewerblichen Eigentums verfolgt habe. Überdies sei dem Dokument mit dem Titel „Strategie für die Zeit nach Ablauf des Losec-Patents“ zu entnehmen, dass Astra einen auf der Qualität der Produkte beruhenden Wettbewerb geführt habe, [vertraulich].
725 Die Kommission gehe im 274. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit einer Reihe von Dias vom Mai 1997 zu Unrecht davon aus, dass Astra keine Überlegungen habe anstellen dürfen, wie sie den Parallelhandel mit Losec aus Märkten unterbinden könne, auf denen das Patent abgelaufen gewesen sei. Die Dias trügen nicht zum Nachweis eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung bei, da sie nicht darauf hindeuteten, dass Astra illegitime oder illegale Mittel habe einsetzen wollen oder tatsächlich eingesetzt habe.
726 Was die Erwägungsgründe 275 bis 306 der angefochtenen Entscheidung betreffe, in denen speziell die Tatsachen bezüglich des Inverkehrbringens der Losec MUPS-Tabletten, der Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen dieser Kapseln geprüft würden, so müsse die Kommission, da sie im 793. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt habe, dass das Inverkehrbringen der Losec MUPS-Tabletten und die Rücknahme von Losec in Kapselform für sich genommen keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellten, den Nachweis erbringen, dass die Widerrufe in Dänemark, Norwegen und Schweden den Ausschluss der Generika und der Paralleleinfuhren vom Markt bezweckt hätten. Ein solcher Nachweis sei nicht geführt worden.
727 Aus dem von der Kommission im 276. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten und in Wirklichkeit vom Januar 1997 datierenden Dokument „Losec® MUPS STEPSUM“ (Zusammenfassung der Vermarktungsstufen von Losec® MUPS) ergebe sich, dass die zentrale Marketingabteilung von Astra die örtlichen Vertriebsgesellschaften darauf aufmerksam gemacht habe, dass die Rücknahme von Losec in Kapselform wirtschaftliche Risiken in sich berge und dass die Entscheidung über die Rücknahme der Kapseln auf dem jeweiligen Markt sorgfältig geprüft werden müsse. Die zentrale Marketingabteilung von Astra habe daher die einzelnen örtlichen Vertriebsgesellschaften aufgefordert, selbst über die Zweckmäßigkeit und den Zeitpunkt der Rücknahme von Losec in Kapselform zu entscheiden. Das genannte Dokument beweise, dass der Entscheidung, Losec in Kapselform insbesondere in Schweden, Dänemark und Norwegen vom Markt zu nehmen, eine vernünftige und unabhängige Geschäftsstrategie der örtlichen Gesellschaften zugrunde gelegen habe, die verfolgt worden sei, weil sie der beste Weg für die Vermarktung von Losec MUPS gewesen sei, und der kein Plan zugrunde gelegen habe, mit dem der Markteintritt der Generika oder Paralleleinfuhren hätten verhindert werden sollen.
728 Die Kommission leite im 278. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus dem Protokoll einer internen Tagung vom 18. September 1997 zu Unrecht ab, dass die Entscheidung von Astra über das Inverkehrbringen von MUPS durch den Wunsch begründet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken. Es treffe zu, dass das zentrale Koordinierungsteam von Astra die das Inverkehrbringen der Losec-Tabletten und die Rücknahme der Kapseln betreffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften geprüft habe. In dem Protokoll heiße es aber nur, dass der Entwurf einer Strategie in Bezug auf MUPS für den 3. Oktober 1997 vorbereitet werden solle. Außerdem habe die Kommission nicht dargetan, dass die rechtlichen Erwägungen die zentrale Strategie von Astra oder die Entscheidungen der örtlichen Vertriebsgesellschaften bestimmt hätten. Der Verfasser des genannten Dokuments, Dr. N., habe sich mündlich geäußert und unter Eid ausgesagt, dass es auf Seiten von AZ keine Strategie gegeben habe.
729 Das von der Kommission im 279. Erwägungsgrund angeführte Telefax mit der Überschrift „MUPS“ enthalte das Protokoll einer Tagung vom 24. September 1997 und gebe eine Zusammenstellung aller nationalen Pläne für einen Wechsel vom Verkauf von Losec in Kapselform zum Verkauf von Losec MUPS wieder. AZ habe in ihrer schriftlichen Antwort (Antwort, Kapitel 7, Abschnitt V, Nrn. 7.143 bis 7.147) erläutert, dass die Entscheidungen aus legitimen wirtschaftlichen Gründen getroffen worden seien und keinen Anhaltspunkt dafür enthielten, dass die örtlichen Vertriebsgesellschaften aus anderen Gründen entschieden hätten, Losec-Tabletten in Verkehr zu bringen und Losec in Kapselform vom Markt zu nehmen.
730 Aus dem im 280. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Entwurf eines Dokuments vom 3. Oktober 1997 mit der Überschrift „Die Losec MUPS-Strategie“ gehe lediglich hervor, dass Astra beabsichtigt habe, ein höherwertiges Produkt auf den Markt zu bringen, was mit dem Leistungswettbewerb voll und ganz im Einklang stehe. Wie dem ihm beigefügten Memorandum zu entnehmen sei, habe das Dokument die Diskussion in Gang setzen sollen und keinen bereits abgestimmten Plan enthalten.
731 Aus den vorstehenden Darlegungen ergebe sich, dass die Kommission im 281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht behaupte, dass Astra einen zentralen Plan zur Beschränkung des Wettbewerbs unter Ausnutzung der rechtlichen Folgen des Widerrufs der Genehmigungen bezüglich der Kapseln den Wettbewerb ausgearbeitet und den örtlichen Vertriebsgesellschaften entsprechende Weisungen erteilt habe. Die in diesem Erwägungsgrund angeführten Dokumentspassagen belegten zudem, dass es nicht die Absicht von Astra gewesen sei, gegen das Wettbewerbsrecht zu verstoßen, und dass sie von nationalen Fachleuten rechtlichen Rat eingeholt habe.
732 Was den 282. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angehe, sei es nicht unrechtmäßig, dass Astra Losec MUPS vorrangig auf den Märkten in Verkehr habe bringen wollen, für die der Ablauf der Wirkstoffpatente unmittelbar bevorgestanden habe, da diese Entscheidung darauf abgezielt habe, durch die Einführung der Losec MUPS-Tabletten einen positiven Wettbewerb auszuüben, und keinen negativen Wettbewerb durch die Rücknahme von Losec in Kapselform. Die Entscheidung von Astra, eine erstmalige Vermarktung von Losec MUPS auf einem Markt mit Niedrigpreisen zu vermeiden, sei durch das Bestreben gerechtfertigt, sicherzustellen, dass die Preisfestsetzung für dieses Produkt durch die innerstaatlichen Behörden anderer Länder nicht unter einem preisdämpfenden Einfluss stattfinde. Die geografische Selektivität, die die Vermarktungsstrategie für Losec MUPS kennzeichne, sei daher auf finanzielle und wirtschaftliche Erwägungen, nicht aber auf rechtliche Erwägungen oder auf den Willen zurückzuführen, den Parallelhandel oder den Markteintritt von Generika zu beeinträchtigen.
733 Was die Erwägungsgründe 283 bis 285 der angefochtenen Entscheidung angehe, in denen die Kommission das Gutachten eines unternehmensinternen Rechtsberaters über die wahrscheinlichen Auswirkungen des Widerrufs der Genehmigungen bezüglich der Kapseln angeführt habe, so beweise dieses Gutachten weder, dass die Entscheidung über das Inverkehrbringen von Losec MUPS und die Rücknahme der Kapseln vom Markt anhand der wahrscheinlichen Auswirkungen des Widerrufs einer Genehmigung für das Inverkehrbringen getroffen worden seien, noch, dass die Entscheidungen bezüglich Dänemark, Schweden und Norwegen zentral gefällt worden seien. Aus dem Gutachten ergebe sich lediglich, dass das zentrale Koordinierungsteam von Astra die durch den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen der Kapseln aufgeworfenen Rechtsfragen geprüft habe. Auch der im 285. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Passage sei allenfalls zu entnehmen, dass Astra sich der Wettbewerbsregeln bewusst gewesen sei, als die Losec-Tabletten in den Verkehr gebracht und Losec in Kapselform vom Markt genommen worden seien.
734 In den Erwägungsgründen 286 bis 295 der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission Passagen aus drei Dokumenten angeführt, nämlich aus dem Dokument vom 29. April 1998 mit dem Titel „Losec/H 199 Szenario“, dem Memorandum vom 30. November 1998 mit dem Titel „Entwurf eines Dokuments für die Tagung des Teams GI-Therapiebereich vom 4. Dezember 1998“ (im Folgenden: GITA-Team) und einem Dokument vom 12. Mai 1999 mit dem Titel „Der Gastrointestinale Franchise-Plan, Horizont 1-3, 1999-2007 (und darüber hinaus)“. Mittels dieser Dokumente habe die Kommission nachzuweisen versucht, dass Astra erstens Losec MUPS in der Absicht in den Verkehr gebracht habe, den Markteintritt der Generika und den Parallelhandel zu verzögern oder zu behindern, zweitens die Sortimentserweiterungen in den Verkehr gebracht habe, um ihre Vormachtstellung auf dem Markt so lange zu behaupten, bis sie in der Lage sein würde, ein ganz neues Produkt auf der Basis von Esomeprazol (Nexium) in den Verkehr zu bringen, und drittens auf sämtliche Qualitätsmängel der auf dem Markt befindlichen Generika habe hinweisen wollen.
735 Die Ausführungen der Kommission zu diesen Punkten seien zutreffend, doch habe Astra nur legitime Mittel benutzt, um ihre Wettbewerber auszuschließen und zu schädigen. Aus dem Dokument „Losec/H 199 Szenario“ ergebe sich, dass Astra Leistungswettbewerb betrieben habe. Losec MUPS sei ein im Vergleich zu Losec in Kapselform höherwertiges Produkt gewesen, was zu einer verminderten Nachfrage nach Losec in Kapselform geführt habe, sei es in Form von Generika oder von Paralleleinfuhren. Im Übrigen habe AZ in den Nrn. 70 bis 74 der Antwort auf das Tatbestandsschreiben dargelegt, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie dieses Dokument zum Beweis dafür angeführt habe, dass Astra eingeräumt habe, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ein Novum sei und die Wettbewerber ausschließe. Auch insoweit sei auf die Aussage von Herrn R. zu den von ihm im Verfahren vor den dänischen Gerichten abgegebenen Erklärungen zu verweisen.
736 Dem internen Entwurf für eine Tagung des GITA-Teams sei der Wunsch von Astra zu entnehmen, mit ihren Wettbewerbern unter Einsatz legitimer Mittel leistungsbezogen zu konkurrieren. Eine eingehende Analyse des Dokuments mit dem Titel „Der Gastrointestinale Franchise-Plan, Horizont 1-3, 1999-2007 (und darüber hinaus)“ zeige zudem keine böswillige Absicht auf Seiten von Astra, den Wettbewerb durch Generika und Paralleleinfuhren in Dänemark, Norwegen und Schweden rechtswidrig auszuschließen. Die Klägerinnen legen ausführlich den Inhalt dieses Dokuments dar und gelangen zu dem Schluss, es zeige lediglich, dass Astra Informationen über die Fragen des geistigen und rechtlichen Eigentums zusammengestellt und an die örtlichen Vertriebsgesellschaften weitergegeben habe.
737 Dass Astra Losec MUPS als Zwischenprodukt zwischen Losec in Kapselform und Nexium betrachtet habe, sei unerheblich, da es keinen Grund gegeben habe, das Inverkehrbringen von Losec MUPS allein deswegen zu verhindern, weil Nexium in Planung gewesen sei. Außerdem habe es der vom Wettbewerb geprägte Markt nicht zugelassen, dass Astra die Vermarktung von Losec MUPS lange hinauszögere. In den Jahren 1997 und 1998 habe Astra überdies nicht gewusst, ob für Nexium Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt würden, und die Entscheidung, es in den Verkehr zu bringen, sei daher noch nicht getroffen worden.
738 Dass die Vertriebsgesellschaften sich entschlossen hätten, die Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform löschen zu lassen, habe damit zu tun, dass dieses Produkt nicht mehr gebraucht worden sei. AZ sei nicht verpflichtet gewesen, die Interessen der Generikavermarkter oder der Parallelimporteure zu schützen, die sich die zur Begründung der Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgelegten Angaben hätten zunutze machen wollen. AZ habe die Genehmigungen somit nicht löschen lassen wollen, um Wettbewerb durch die Generika zu verhindern. Die zentrale Arbeitsgruppe von AZ habe nämlich sogar in Betracht gezogen, dass eines der Risiken der Rücknahme von Losec in Kapselform darin liege, dass die Generika in Kapselform auf Kosten des MUPS-Produkts von Astra Marktanteile gewinnen könnten, falls dieses keinen Erfolg haben sollte.
739 In Bezug auf die Feststellungen der Kommission in den Erwägungsgründen 296 bis 303 der angefochtenen Entscheidung werde nicht bestritten, dass Astra den Markteintritt der Generika und den Parallelhandel durch die Einführung von Sortimentserweiterungen wie Losec MUPS habe verzögern wollen, um ihre Vormachtstellung auf dem Markt so lange zu behaupten, bis sie in der Lage sei, Nexium in den Verkehr zu bringen. Es werde auch nicht bestritten, dass Astra die Absicht gehabt habe, Losec MUPS in den Verkehr zu bringen, bevor große Mengen von Generika auf den Markt gelangten und die Preise drückten. Diese Ziele stellten jedoch keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, da kein rechtswidriges Mittel eingesetzt worden sei.
740 Die Schlussfolgerungen, die die Kommission im 296. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus einem Telefax ziehe, das Astra am 29. Mai 1998 versandt habe, entstellten den Sachverhalt. Aus dem Telefax ergebe sich, dass Astra den örtlichen Vertriebsgesellschaften vorgeschlagen habe, individuelle Pläne zu entwickeln, um das Losec-Patent zu verteidigen und sich selbst vor der Einführung der Generika zu schützen. Dem Telefax sei somit zu entnehmen, dass das Entscheidungsverfahren bezüglich der Einführung der Losec-Tabletten dezentral gewesen sei, auch wenn Astra die Verantwortung einerseits für die Koordinierung der Gerichtsverfahren gegen die konkurrierenden Generikahersteller, die ihre Rechte des geistigen Eigentums verletzt hätten, und andererseits für die Prüfung der rechtlichen Auswirkungen der Rücknahme von Losec in Kapselform und des Widerrufs der in diesem Zusammenhang bestehenden Genehmigungen zentral übernommen habe. Dass der Verfasser des Telefax sich über die mangelnde Koordinierung der Tätigkeiten von Astra beschwert habe, bestätige, dass der Entscheidungsprozess bezüglich des Inverkehrbringens von Losec MUPS großenteils in die Zuständigkeit der örtlichen Vertriebsgesellschaften gefallen sei.
741 Der Verfasser des Telefax sei bestrebt gewesen, dass Astra alle ihr rechtmäßig zu Gebote stehenden Mittel einsetze, um die Generikahersteller an der Verletzung ihrer Rechte zu hindern. Dem Vorbringen der Kommission sei entgegenzuhalten, dass dieses Telefax nicht die Umsetzung eines auf die Löschung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen abzielenden Plans in den einzelnen Ländern betreffe, sondern die Tätigkeiten von Astra im Rahmen der Verteidigung ihrer Patente für Losec. Überdies seien zum Zeitpunkt der Übersendung des Telefax am 29. Mai 1998 Losec in Kapselform bereits durch die Losec MUPS-Tabletten ersetzt und die Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark bereits gelöscht worden, Losec MUPS sei in Schweden bereits in den Verkehr gebracht sei, und die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec MUPS sei in Norwegen bereits beantragt worden. Aus demselben Grund könnten das von der Kommission angeführte Telefax vom 27. Mai 1997 und das von ihr angeführte Schreiben vom 22. Oktober 1998 nicht die Auffassung der Kommission stützen, dass AZ den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen koordiniert habe, da diese Dokumente eine Maßnahme zur Koordinierung der Patente beträfen, die nach dem 27. Mai 1998 stattgefunden habe.
742 In Bezug auf die Erwägungsgründe 304 bis 306 der angefochtenen Entscheidung führen die Klägerinnen in einer Tabelle alle Daten auf, die in fünfzehn Ländern die Markteinführung von Losec MUPS, die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt, die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen der Kapseln und den tatsächlichen Widerruf dieser Genehmigungen betreffen. Der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf dem Markt von Astra Dänemark sei nicht vor dem 6. April 1998 und damit nicht am 19. März 1998 erfolgt, an dem nach der Behauptung der Kommission der zweite Missbrauch einer beherrschenden Stellung begonnen habe. Die betreffenden Daten in den einzelnen Ländern belegten, dass die örtlichen Vertriebsgesellschaften je nach den besonderen Umständen der nationalen Märkte unterschiedlich vorgegangen seien. Insbesondere hätten zwischen den Daten, an denen die Losec-Tabletten in Schweden und in Norwegen in den Verkehr gebracht worden seien, etwa neun Monate gelegen und zwischen den Daten in Dänemark und in Norwegen etwa acht Monate; zwischen den Widerrufen der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Schweden und in Dänemark lägen etwa fünf Monate und zwischen den Widerrufen in Dänemark und in Norwegen etwa sieben Monate. Auch werde die Behauptung, Astra habe beabsichtigt, die Tätigkeiten der Generikahersteller und Parallelimporteure zu behindern, dadurch widerlegt, dass Astra in den Niederlanden und in Deutschland nicht den Widerruf der Genehmigungen für Losec in Tablettenform beantragt habe, wobei Deutschland das erste Land gewesen sei, in dem Generika in den Verkehr gebracht worden seien.
743 Dass Astra die Entscheidung, die Losec-Tabletten in Griechenland, Luxemburg, Portugal, Italien und Spanien nicht in den Verkehr zu bringen, auf zentraler Ebene getroffen habe, lasse nicht den Schluss zu, dass die Entscheidungen über das Inverkehrbringen von Losec MUPS, die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark, Norwegen und Schweden auf zentraler Ebene getroffen worden seien. Es gebe keinen Beleg dafür, dass es eine zentrale Strategie gegeben habe oder dass eine solche Strategie – deren Existenz unterstellt – in der Absicht eingesetzt worden sei, den Wettbewerb zu beschränken. Desgleichen belegten die Beweise für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung, auf die sich die Kommission zu stützen versuche, nicht, dass die in Dänemark, Norwegen und Schweden ansässigen Tochtergesellschaften dem Einfluss von AZ stärker ausgesetzt gewesen seien als die Tochtergesellschaft in Belgien, den Niederlanden oder dem Vereinigten Königreich, die die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht hätten löschen lassen. Hätte AZ tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausgeübt, so wäre es folgerichtig gewesen, dass die in Belgien und den Niederlanden ansässigen Tochtergesellschaften den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen erwirkt hätten, da sie als Erste dem Wettbewerb durch die Generika ausgesetzt gewesen seien. Außerdem sei der Umstand, dass nur drei der 33 weltweit existierenden Vertriebsgesellschaften von AZ die Genehmigungen für das Inverkehrbringen hätten löschen lassen, nicht mit der Behauptung zu vereinbaren, dass AZ einen bestimmenden Einfluss auf ihre Filialen ausgeübt habe.
Zu den Auswirkungen
744 In Bezug auf die Auswirkungen des Verhaltens von Astra in Dänemark sind die Klägerinnen der Auffassung, die Kommission habe in den Erwägungsgründen 307 bis 311 der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, dass der Markteintritt der Generika durch den Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform verzögert worden sei, und sie habe einen Fehler begangen, als sie die Schwierigkeiten der Generikahersteller auf den Widerruf der Genehmigung zurückgeführt habe. Die Generikahersteller hätten sich ohne weiteres auf die Befreiung aufgrund von Veröffentlichungen nach der Richtlinie 65/65 stützen können, wie die Kommission im 830. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt habe. AZ habe insoweit Beweise dafür vorgelegt, dass die zuständigen Behörden in den betreffenden Mitgliedstaaten den Unternehmen, die dies beantragt hätten, Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufgrund dieser Befreiung erteilt hätten. Hierzu sei auf die Aussage von Professor S. vor der mündlichen Anhörung und auf die Ausführungen von Herrn D.‑S. in der mündlichen Anhörung vom 16. und 17. Februar 2004 zu verweisen. Aus diesen Gründen gehe das – im Übrigen unsubstantiierte – Vorbringen der Kommission fehl, wonach der Umstand, dass ein Generikahersteller ausgeschlossen worden sei, bedeute, dass andere Anträge auf Genehmigung von Generika keinen Erfolg hätten haben können.
745 Da Astra ein Herstellungspatent bis 2007 halte, habe der Widerruf der Genehmigung für Losec in Kapselform keine Auswirkungen auf den Umfang des Wettbewerbs gehabt, der für die Generika in Dänemark erreichbar gewesen sei. Dem Vorbringen der Kommission, wonach AZ selbst der Ansicht gewesen sei, dass diese Patente nach dem Ablauf des Wirkstoffpatents im April 1999 in Dänemark nicht aufrechterhalten würden, sei entgegenzuhalten, dass die Frage, wie Dritte die Stärke des Patents beurteilten, sowie die Auswirkungen der Existenz dieses Patents auf Dritte die einzig entscheidenden Gesichtspunkte seien. Das Patent sei außerdem so stark gewesen, dass AZ gerichtliche Anordnungen habe erwirken können.
746 Es treffe zu, dass vier Parallelimporteure, die seit 1995 in Dänemark Losec in Kapselform verkauft hätten, aus dem Markt ausgeschieden seien, als Astra die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform habe löschen lassen. Die Kommission habe jedoch nicht die Gründe für dieses Ausscheiden dargetan. Auch sei das Vorbringen unbegründet, wonach es bei Aufrechterhaltung der Genehmigungen für die Paralleleinfuhr in Dänemark zu erheblichen Verkäufen von Losec in Kapselform gekommen wäre. AZ habe nämlich in Kapitel 7 Abschnitt VII Nr. 7.241 ihrer schriftlichen Antwort ausgeführt, dass wegen des Erfolgs von Losec MUPS die Verkäufe von Losec in Kapselform zwischen 1998 und 2000 in Schweden, Norwegen und den Niederlanden erheblich zurückgegangen seien, wobei in Schweden die Parallelimporteure ihre Genehmigungen für die Einfuhr der Kapseln auch noch nach dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen hätten behalten dürfen und in den Niederlanden von der Kommission kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgestellt worden sei. Es sei nicht richtig, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und der Einstellung des Parallelhandels nur vermutet werden könne. Die Kommission habe im Übrigen nicht dargetan, dass es bei fortbestehender Genehmigung eine nennenswerte Nachfrage nach parallel eingeführtem Losec in Kapselform gegeben hätte. Angesichts der Entwicklungen auf den anderen Märkten sei es sehr unwahrscheinlich, dass eine starke Nachfrage nach parallel eingeführtem Losec in Kapselform bestehe.
747 Desgleichen habe die Kommission in den Erwägungsgründen 312 und 313 der angefochtenen Entscheidung einen Fehler begangen, indem sie die Schwierigkeiten der Generikahersteller bei der Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen dafür verantwortlich gemacht habe, dass es in Schweden kein generisches Omeprazol in Kapselform gegeben habe. Die Generikahersteller seien nicht in der Lage gewesen, generisches Omeprazol in Kapselform in Schweden zu verkaufen, weil Astra bis zum 4. Februar 2003 über ergänzende Schutzzertifikate für Omeprazol Sodium und für den Omeprazolwirkstoff verfügt habe. Die Kommission habe ferner außer Acht gelassen, dass die Generikahersteller die Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufgrund der Veröffentlichungen zu Omeprazol hätten erlangen können. Außerdem habe die Kommission im 855. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingeräumt, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der vorliegenden Rechtssache vor dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Schweden in den Markt eingetreten sei. Der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen habe daher keine Auswirkungen auf den Markteintritt der Generika in Schweden gehabt. Desgleichen räume die Kommission in ihren Schriftsätzen ein, dass sie nicht wisse, in welchem Umfang die Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen durch andere Generikahersteller in Schweden infolge des Widerrufs der Genehmigung von AZ unmittelbar beeinträchtigt worden sei.
748 In Bezug auf die Auswirkungen des Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf den Parallelhandel räume die Kommission im 857. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst ein, dass sie die Auswirkungen dieses Widerrufs nicht mit Sicherheit feststellen könne, weil der Rückgang der Einfuhr von Losec in Kapselform u. a. auf den Erfolg der Losec MUPS-Tabletten zurückzuführen sein könne. In demselben Erwägungsgrund habe die Kommission außerdem eingeräumt, dass in Schweden die Genehmigungen von Paralleleinfuhren widerrufen und später erneut erteilt worden seien.
749 Diese Feststellungen seien auch für Norwegen gültig, für das die Kommission im 323. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht nachgewiesen habe, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen den Marktzugang der Generika verhindert habe. Zunächst sei daran zu erinnern, dass die Generikahersteller Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufgrund der Veröffentlichungen hätten einholen können, und sodann habe die Kommission in den Erwägungsgründen 855 und 858 der angefochtenen Entscheidung zum einen eingeräumt, dass die Beschwerdeführerin vor dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen in Norwegen in den Markt habe eintreten können und dass die Kommission nicht feststellen könne, inwieweit die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen allein infolge des Widerrufs der Genehmigung verhindert worden sei, und zum anderen, dass die Strategie von Astra in Bezug auf die Paralleleinfuhren erfolglos gewesen sei.
750 Die Feststellung der Kommission, wonach der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark, Norwegen und Schweden unmittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb in diesen Ländern gehabt habe, stehe im Widerspruch zu den Erwägungsgründen 830 und 842 der angefochtenen Entscheidung, in denen sie zum einen davon ausgegangen sei, dass die Generikahersteller und die Parallelimporteure nicht auf das Vorliegen einer Genehmigung für das Inverkehrbringen angewiesen seien, um mit dem Inhaber einer früheren Genehmigung konkurrieren und identische oder ähnliche Produkte liefern zu können, und zum anderen, dass die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht bezweckt hätten, das Inverkehrbringen von Generika zu erleichtern. Im Übrigen sei es unerlässlich, dass die Kommission die Auswirkungen feststellen könne, die sich aus dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ergeben hätten. Die Kommission habe diese Auswirkungen jedoch nicht dargetan.
b) Vorbringen der Kommission
751 Die Kommission hält den zweiten Klagegrund für nicht stichhaltig.
752 Was insbesondere die Wirkungen des betreffenden Verhaltens betreffe, so sei es nicht erforderlich, diese nachzuweisen, um eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG festzustellen, wenn bewiesen sei, dass das Verhalten diese Wirkungen haben könne.
753 In diesem Zusammenhang sei die Behauptung der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach der Ursachenzusammenhang zwischen der Beseitigung des Parallelhandels und dem beanstandeten Verhalten nicht bewiesen sei. Ein im 311. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähntes Dokument des Vorstands von AZ Dänemark beschreibe die Wirkungen der im Rahmen der MUPS-Strategie bereits durchgeführten Maßnahmen auf den Parallelhandel. Ebenso habe das norwegische Dokument über die LPP-Strategie, das im 302. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannt werde, die Beseitigung des Parallelhandels ab 1. Februar 1999 vorhergesehen. Bei der Erörterung der Genehmigung aufgrund der Veröffentlichungen räumten die Klägerinnen selbst ein, dass die Maßnahmen von AZ den Markteintritt der Generika verzögert hätten. Jedenfalls könne der Ursachenzusammenhang vermutet werden, da die Parallelimporteure rechtlich an der Einfuhr ihrer Produkte gehindert gewesen seien.
754 Hinsichtlich der Paralleleinfuhren in Dänemark sei in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen, wonach es in Dänemark nur eine geringe Nachfrage nach parallel eingeführtem Losec in Kapselform gegeben hätte, wenn die Genehmigung fortbestanden hätte, auf den 298. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu verweisen, in dem festgestellt worden sei, dass AZ Dänemark davon ausgegangen sei, dass ihr ein Verlust in Höhe von „75 % des Marktes“ drohe, falls dem Wettbewerb durch die Generika nicht entgegengetreten werde.
755 Was die Paralleleinfuhren in Schweden angehe, so habe die Kommission im 857. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass sie die Wirkung der Löschung nicht messen könne. Der Widerruf der Genehmigungen für die Paralleleinfuhr habe jedoch zwangsläufig zu einem Rückgang dieser Einfuhren führen müssen, auch wenn er hierfür nicht die ausschließliche Ursache gewesen sein sollte. Insoweit sei auf die Erklärung der schwedischen Agentur für medizinische Erzeugnisse zu verweisen, wonach es mangels Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzprodukts keine „Grundlage für eine Paralleleinfuhrlizenz“ mehr gegeben habe (Erwägungsgründe 313 bis 315 und 395 bis 398 der angefochtenen Entscheidung), sowie auf den schnellen Rückgang des Absatzes (316. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Jedenfalls sei es nicht erforderlich gewesen, dass die Kommission Untersuchungen zu den tatsächlichen Wirkungen des wettbewerbsausschließenden Verhaltens anstelle, da kein Zweifel daran bestehe, dass der zweite Missbrauch in Schweden eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt habe und dass er diese Wirkung haben könne (vgl. den 318. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
756 Schließlich trägt die Kommission zu den Paralleleinfuhren in Norwegen vor, die Klägerinnen führten keinerlei konkreten Beweis an, und verweist auf die Erwägungsgründe 852 bis 854 der angefochtenen Entscheidung. Das Scheitern der Strategie in Bezug auf die Paralleleinfuhren sei darauf zurückzuführen, dass die norwegische Agentur für Arzneimittelkontrolle die Lizenzen für die Paralleleinfuhr von Losec in Kapselform durch Maßnahmen aufrechterhalten habe, die die Klägerin für rechtswidrig gehalten habe (Erwägungsgründe 858 und 321 der angefochtenen Entscheidung).
c) Würdigung durch das Gericht
757 Zwecks Prüfung der von den Klägerinnen vorgebrachten Rügen ist in einem ersten Schritt der Sachverhalt darzustellen, der dem von der Kommission als zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgestellten Verhalten zugrunde liegt. Auch wenn die Feststellung des diesem Verhalten zugrunde liegenden Sachverhalts durch die Kommission als solche von den Klägerinnen nicht beanstandet wird, greifen sie doch seine Würdigung durch die Kommission sowie die von ihr daraus gezogenen Schlussfolgerungen an. Daher ist ein Teil des Inhalts der von den Parteien erörterten Dokumente darzustellen. Sodann werden auch bestimmte Tatsachen dargestellt, die die Durchführung des gerügten Verhaltens durch AZ und dessen Wirkungen betreffen.
758 In einem zweiten Schritt wird die Würdigung dieses Sachverhalts durch die Kommission im Licht der von den Klägerinnen geltend gemachten Rügen zu prüfen sein.
Sachverhalt des von der Kommission festgestellten zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
– Protokoll der Sitzung des MAC vom 9. August 1996
759 Das Protokoll einer internen Sitzung des Beratenden Marketingausschusses (MAC, Marketing Advisory Council) vom 9. August 1996 stellt nach Auffassung der Kommission das erste Anzeichen der Vorbereitung einer Strategie für die Zeit nach Ablauf des Losec-Patents (LPP-Strategie) dar. In dem Protokoll heißt es, dass AZ „an einer umfassenden Strategie für die Zeit vor und nach dem Auslaufen des Losec-Patents [arbeitet], die im September vorliegen wird“. Ferner wird darin „eine mögliche Strategie für MUPS in Europa, die mit Astra Hässle, der Rechtsabteilung, der Patentabteilung und Astra UK erörtert worden ist“, erwähnt (vgl. den 266. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Memorandum über die LPP-Strategie vom 20. Dezember 1996
760 Die Kommission wies auch auf die Existenz eines nicht in den Gerichtsakten enthaltenen Memorandums des Geschäftsführers der schwedischen Vertriebsgesellschaft an die Geschäftsführer der dänischen und der norwegischen Vertriebsgesellschaft vom 20. Dezember 1996 hin, das eine Reihe von Fragen enthalten habe, u. a. dazu, wie Generika im Fall eines „Do-nothing“-Szenarios (Untätigkeitszenario) Zugang zum Markt erhalten würden. Die Kommission führt aus, in dem Memorandum sei insbesondere die Frage nach etwaigen rechtlichen Möglichkeiten gestellt worden, um das Inverkehrbringen der Generika zu stören oder zu verzögern, und nach dem dadurch möglichen Zeitgewinn (vgl. den 267. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Dokument über die LPP-Strategie vom 29. April 1997
761 In der angefochtenen Entscheidung befasste sich die Kommission sodann eingehend mit dem Dokument über die LPP-Strategie vom 29. April 1997. In diesem Dokument heißt es: „Das Hauptpatent der ‚Omeprazol-Patentfamilie‘, das Wirkstoffpatent, wird auf den meisten größeren Märkten im Zeitraum 1999 – 2004 ablaufen“. AZ stellt dort fest: „In bestimmten Ländern, z. B. in Deutschland, Dänemark, Norwegen, … wird das Wirkstoffpatent 1999 ablaufen, so dass diese Märkte dem Wettbewerb durch Generika offenstehen werden und die Umsätze und Preise in zwei Jahren einbrechen werden, was das Preisniveau in diesen und in anderen Ländern … in Europa insbesondere beeinträchtigen wird“. Die Verfasser des Dokuments fügen hinzu, dass sie „[i]n einem ‚Do-nothing‘-Szenario … infolge des Patentablaufs einen Einbruch beim Absatz von Losec [erwarten], der sich 2006 auf 20 % bis 30 % des Höchstabsatzes im Jahr 2000 belaufen würde“ (vgl. den 268. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
762 In dem Abschnitt des Dokuments, der sich mit dem Ziel der LPP-Strategie befasst, heißt es: „Hauptziel [der LPP-Strategie] ist es, Vorgehensweisen/Schlüsselmaßnahmen zu bestimmen, um Absatzeinbrüche nach Ablauf des Patents zu minimieren und vor allem Produkte mit spürbarem medizinischen Nutzen/Vorsprung zu entwickeln/auf den Markt zu bringen, um mit den billigen Omeprazol/H2RA-Generika zu konkurrieren und die Preise und Absatzmengen zu halten“ (vgl. den 269. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
763 In dem Abschnitt des Dokuments, der sich mit den grundlegenden Prinzipien der LPP-Strategie befasst, werden drei Grundsätze aufgestellt. Der erste Grundsatz besteht in der Diversifizierung von Losec vor Ablauf des Patents durch die Einführung „bioäquivalenter“ Sortimentserweiterungen, die praktische Vorteile aufweisen. Zu diesen Sortimentserweiterungen gehört Losec MUPS. Die Diversifizierung der Marke vor Ablauf des Patents soll nach dessen Ablauf den Absatz kurz- und mittelfristig durch Kundentreue und Verbrauchsgewohnheiten mangels ähnlicher Generika schützen.
764 Der zweite Grundsatz besteht darin, das Inverkehrbringen von Generika durch technische und rechtliche Hindernisse hinauszuzögern. Hierzu werden in dem Dokument folgende Empfehlungen gegeben:
„Jeder Tag, an dem der Absatz von Losec geschützt ist, ist angesichts des enormen Absatzvolumens, das mit Ablauf des Patents zu erwarten ist, lohnend. Die Errichtung solcher Hindernisse hat größte Priorität und umfasst eine Reihe von Maßnahmen:
– Schutz der Dokumentation;
– Erhöhung der Produktqualität (z. B. Änderung der Synthesemethode, Reduzierung von Verunreinigungen);
– Erlangung zusätzlicher offensiver/defensiver Patente rund um Losec und seine Darreichungsformen (z. B. Formulierungspatente);
– Erweiterung der Basis der Rechte des geistigen Eigentums (z. B. Handelsnamen, Tablettenformen);
– Einführung eines umfassenden Überwachungsprogramms, um bestehende und potenzielle Lieferanten/Produkte/Unternehmen für generisches Omeprazol auf den künftigen Schlüsselmärkten zu ermitteln;
– Vorbereitung und Vornahme rigoroser und sofortiger rechtlicher Schritte (z. B. Verletzung von Formulierungspatenten) gegen Unternehmen, die generisches Omeprazol auf den Markt bringen;
– Prüfung eines vollständigen Übergangs von Losec® in Kapselform auf Losec in Tablettenform (z. B. MUPS), wo eine solche Maßnahme nach den örtlichen Substitutionsvorschriften effektiv wäre … Dieses Vorgehen ist wahrscheinlich für Märkte relevant, auf denen das Patent – gemessen am Zeitpunkt der Verfügbarkeit [von Esomeprazol] auf dem Markt – frühzeitig abläuft (z. B. … Dänemark, Norwegen, Deutschland).“
765 Der dritte Grundsatz besteht in der Einführung patentgeschützter Produkte, die klinische Vorteile und/oder signifikante Unterschiede im Vergleich zum generischen Omeprazol aufweisen. Er wird in dem Dokument dargestellt als „wichtigster und kritischster Teil der Strategie, der nach Ablauf des [Omeprazol‑]Patents längerfristig Gewinne abwerfen soll“. Die beiden ersten Grundsätze werden dargestellt als „nach Ablauf des Patents kurz- und mittelfristig relevant“ [vertraulich] (vgl. Erwägungsgründe 270 bis 273 der angefochtenen Entscheidung).
766 In Abschnitt 11 mit dem Titel „Das Astra Hässle-Verfahren“ heißt es, dass die LPP-Strategie „bei Astra Hässle mit Hilfe vier verschiedener Stellen umgesetzt [wird], des Losec-Gremiums, der Arbeitsgruppe, der ‚Task Force‘ und des [Esomeprazol‑]Projekts“. AZ fügt hinzu: „Nach den vom [Leitungsteam] festgelegten Prioritäten ist das [Losec-Gremium] die Stelle, die in Bezug auf Losec die Entscheidungen über zentrale Fragen von strategischer und budgetärer Bedeutung trifft“ (vgl. den 812. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Rede des Leiters der Patentabteilung von AZ im Oktober 1999 und Diapositive vom Mai 1997
767 Die Kommission wies ferner darauf hin, dass der Leiter der Patentabteilung von AZ auf einer Tagung im Oktober 1999 bestätigt habe, dass es Ziel der LPP-Strategie sei, den Markteintritt der Generika zu verzögern, „um Esomeprazol Zeit zu geben“ (vgl. den 273. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
768 In der angefochtenen Entscheidung verwies die Kommission auch auf Dias, von denen die Klägerinnen meinen, sie datierten vom Mai 1997, und aus denen ersichtlich ist, dass AZ den Markteintritt der Generika durch Verteidigung der Patente verzögern und für Esomeprazol Zeit gewinnen wollte. Nach den Feststellungen der Kommission stellte sich AZ folgende Frage: „Wie kann Astra die Einfuhr von billigem dänischem (oder deutschem) Omeprazol in die EU-Staaten verhindern?“ Die Kommission stellte ferner fest, dass auf weiteren (dem Gericht nicht vorgelegten) Dias die Möglichkeit angesprochen werde, eine „Wolke von Patenten“ auf Mischungen, Anwendungen, Formulierungen, neue Indikationen und chemische Wirkstoffe anzumelden, um den Markteintritt der Generika zu verzögern und Unsicherheit zu schaffen (vgl. den 274. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Dokument „Losec® MUPS STEPSUM“, vorgelegt mit Memorandum vom 26. Februar 1997
769 Was den Übergang von Losec in Kapselform auf Losec in Tablettenform angeht, den die Kommission als „MUPS-Strategie“ innerhalb der LPP-Strategie einstufte, so wies die Kommission zunächst auf die Existenz eines Dokuments mit der Bezeichnung „Losec® MUPS STEPSUM“ (Zusammenfassung der Vermarktungsstufen von Losec® MUPS) hin, das mit dem Memorandum vom 26. Februar 1997 vorgelegt wurde. [vertraulich] (vgl. den 276. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
770 In diesem Dokument stellte AZ fest, dass die meisten nationalen Vertriebsgesellschaften mitgeteilt hätten, dass sie beabsichtigten, Losec in Kapselform nach und nach in Abhängigkeit von der Marktakzeptanz von Losec MUPS und dem Bestreben, Verunsicherung bei Patienten und verschreibenden Ärzten einzugrenzen, vom Markt zu nehmen (vgl. den 277. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Protokoll der Tagung „Losec MUPS i Europa – ‚Brain Storming‘“ vom 18. September 1997
771 Die Kommission stellte zudem fest, dass aus dem Protokoll einer Tagung vom 18. September 1997, die sich mit „Losec MUPS i Europa – ‚Brain storming‘“ befasst habe, hervorgehe, dass die Geschäftsleitung von AZ in Schweden einschließlich ihres Vorstandsvorsitzenden gefordert habe, bis zum 3. Oktober 1997 den Entwurf einer gesamteuropäischen MUPS-Strategie vorzulegen. Im Protokoll werden die Folgen eines vollständigen Übergangs auf Losec MUPS unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften angesprochen und die Fragen aufgeworfen, wie diese nationalen Vorschriften nutzbar gemacht werden könnten und ob Losec in Kapselform vom Markt genommen oder auf dem Markt bleiben sollte. Unternehmensinterne Rechtsberater wurden mit der Vornahme dieser Untersuchung beauftragt, und ein Mitglied der Geschäftsleitung von AZ erhielt den Auftrag, für jedes Land Pläne zum Ablauf der Patente auszuarbeiten (vgl. den 278. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Memorandum vom 25. September 1997
772 Die Kommission wies ferner darauf hin, dass ein Mitarbeiter von AZ in einem Memorandum vom 25. September 1997 u. a. ausgeführt habe: „Der Plan besteht zumindest in Europa (ausgenommen Italien, Spanien und eventuell Portugal und Griechenland) darin, sämtliche Verkäufe von Kapseln auf MUPS umzustellen“ (vgl. den 279. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– MUPS-Strategie vom 3. Oktober 1997
773 In dem Dokument vom 3. Oktober 1997, in dem der Entwurf der MUPS-Strategie dargestellt wurde, führte AZ aus:
„Die Erweiterungen des Losec-Sortiments sollen in erster Linie
– [vertraulich];
– [vertraulich];
– [vertraulich];
– [vertraulich];
– hinsichtlich Ressourcen und Zeit stärkeren Druck auf die Unternehmen ausüben, die generisches Omeprazol entwickeln;
– [vertraulich]“.
774 In Bezug auf ihre Vermarktungsstrategie möchte AZ Losec MUPS, mit wenigen Ausnahmen, in allen europäischen Ländern in den Verkehr bringen und dies auf eine vollständige Substitution der Produkte gründen, und zwar in einer zeitlichen Abfolge, die für den jeweiligen Markt als möglich bzw. angemessen angesehen wird, [vertraulich] (vgl. den 280. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
775 In dem Dokument führte AZ aus: „Das Inverkehrbringen von Losec® MUPS [würde] der Marke Losec® neuen Schwung geben, und die Umstellungsstrategie [sollte] den Schutz der Marke Losec (vor künftigen Generika) erhöhen und die Marke wettbewerbsfähiger machen.“ AZ fügte hinzu: „Losec MUPS wird in erster Linie als wichtige Sortimentserweiterung zum Schutz des vorhandenen Umsatzes gesehen, und es wird nicht erwartet, dass größere Absatzzuwächse über das hinaus eintreten, was sich aus der fortbestehenden Marktdurchdringung der Marke Losec ergibt“ (vgl. den 280. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
776 Im Abschnitt „Rechtliche und regulatorische Erwägungen bei einer Rücknahme und Deregistrierung von Losec® in Kapselform nach Zulassung von Losec MUPS“ führt AZ aus, sobald Losec MUPS in den Verkehr gebracht worden sei, könnten die Kapseln vom Markt genommen und die Genehmigungen für das Inverkehrbringen, außer in Schweden, zurückgegeben werden. Sie fügt hinzu: „Die Folgen [dieser Maßnahmen] in rechtlicher und regulatorischer Hinsicht werden näher untersucht.“ Bezüglich der Generika wirft AZ u. a. die Frage auf, ob „die Generikahersteller Genehmigungen für Kapselformulierungen unter Bezugnahme auf die Kapseldaten von Astra erhalten können, wenn die Genehmigung für die Kapseln von Astra nicht mehr in Kraft ist“, [vertraulich]. AZ erwähnt auch die europäischen Wettbewerbsregeln und den freien Warenverkehr als Aspekte, die zu berücksichtigen seien (vgl. den 281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
777 Unter der Überschrift „Belieferungsstrategie“ führt AZ u. a. aus: „Die Märkte mit frühzeitigem Patentablauf oder besonderen strategischen Erfordernissen ([z. B.] Schweden) sollten bevorzugt mit Losec MUPS beliefert werden.“
778 Schließlich führt AZ unter der Überschrift „Empfehlungen“ aus (vgl. den 282. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):
– [vertraulich];
– es wird eine vollständige Substitution empfohlen;
– …
– es ist wichtig, dass die Ersteinführung von Losec® MUPS nicht auf einem Markt mit Niedrigpreisen erfolgt;
– …
– Losec® MUPS sollte nicht in Italien/Spanien in den Verkehr gebracht werden;
– [vertraulich];
– größtmögliche rechtliche Verteidigung auf allen Märkten, um Astra vor konkurrierenden Generika gleich welcher Formulierung zu schützen.“
– Memorandum vom 22. Oktober 1997 mit dem Titel „Folgen der MUPS-Strategie – Zwischenbericht“
779 In einem internen Memorandum vom 22. Oktober 1997 mit dem Titel „Folgen der MUPS-Strategie – Zwischenbericht“ weist AZ bezüglich der Generika auf Folgendes hin: „Da die Anträge für MUPS auf den Daten für die Kapseln beruhen, kann [AZ] die Daten für die Kapseln nicht zurückziehen, selbst wenn auf die Genehmigungen für die Kapseln in den europäischen Ländern verzichtet wird.“ AZ ist daher der Ansicht, dass sich die Generikahersteller nach Ablauf des Ausschließlichkeitszeitraums der Daten für die Kapseln auf diese Daten beziehen könnten, wenn sie nachwiesen, dass ihre Produkte und das auf dem Markt befindliche Produkt, d. h. MUPS, im Wesentlichen gleich seien (vgl. den 284. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
780 Zu den Paralleleinfuhren stellt AZ fest: „Wenn [ihre] Genehmigung [für das Inverkehrbringen] von [Losec-]Kapseln zurückgegeben wird, wird in vielen Fällen aus den innerstaatlichen Vorschriften über die Genehmigungen von Paralleleinfuhren folgen, dass solche Genehmigungen für die Kapseln keinen Bestand haben können. Dies könnte … daran liegen, dass die Genehmigung für die Paralleleinfuhr definitionsgemäß vom Vorliegen einer gültigen Genehmigung für ein Originalprodukt abhängt oder von dem Erfordernis, dass das eingeführte Produkt dem Originalprodukt ‚gleicht‘. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass mehrere skandinavische Behörden generell diesen Standpunkt vertreten würden.“ Vor dem Hintergrund möglicher Rechtsstreitigkeiten zwischen Parallelimporteuren und dem Hersteller über den Fortbestand der Genehmigung für die Paralleleinfuhr fügt AZ hinzu: „In solchen Fällen ist es für den Hersteller stets wichtig, dass er zeigen kann, dass seine Strategie nicht zu einer künstlichen Aufteilung der Märkte führt. Es kann z. B. wichtig sein, nachzuweisen, dass die [Genehmigungen] für die neuen Formulierungen in allen EU-Ländern beantragt wurden oder dass es objektive Gründe dafür gibt, dies nicht zu tun“ (vgl. Erwägungsgründe 283 und 285 der angefochtenen Entscheidung).
– Dokument „Losec/H199 Szenario“ vom 29. April 1998
781 In einem internen Dokument vom 29. April 1998 mit dem Titel „Losec/H199 Szenario“ weist AZ darauf hin, dass „die Umstellung der Formulierung ohne Präzedenzfall [war]“ (vgl. den 286. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Entwurf eines Dokuments vom 30. November 1998 für die Tagung des GITA-Teams am 4. Dezember 1998
782 In dem Dokument vom 30. November 1998 mit dem Titel „Entwurf eines Dokuments für die Tagung des GITA-Teams am 4. Dezember 1998“, das den Zeitraum 1999 bis 2000 betrifft, führt AZ aus: „Das übergeordnete Ziel des regulatorischen Schutzes besteht darin, den Markteintritt der Generika zu verhindern oder zu verzögern“ (vgl. den 287. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
783 In diesem Dokument beschreibt AZ die Maßnahmen, die sie in bestimmten Ländern (Österreich, Dänemark, Finnland und Norwegen) in die Wege leiten wollte oder bereits in die Wege geleitet hatte, um den Nachweis zu erschweren, dass die Generika und das Originalprodukt im Wesentlichen gleich sind. Zu diesen Maßnahmen gehörte die Ausarbeitung technischer Unterlagen durch AZ über die relative Qualität bestimmter Generika im Vergleich zu Losec und die Übermittlung dieser Unterlagen an die nationalen Behörden, um sie über die schlechte Qualität der Generika noch vor deren Zulassung zu unterrichten, sowie die Verbesserung der Spezifikationen von Losec aufgrund nationaler Gegebenheiten, um die Qualität des Originalprodukts zu verbessern und die Einhaltung dieser Spezifikationen durch Generika zu erschweren. [vertraulich] (vgl. Erwägungsgründe 289 und 290 der angefochtenen Entscheidung).
– Dokument bezüglich des „Gastrointestinalen Franchise-Plans“ vom 12. Mai 1992
784 Das Dokument vom 12. Mai 1999 mit dem Titel „Der Gastrointestinale Franchise-Plan, Horizont 1-3, 1999–2007 (und darüber hinaus)“ bezog sich nach Ansicht der Kommission auf die langfristige Strategie von AZ für den gesamten Therapiebereich bezüglich gastrointestinaler Beschwerden. Zu dem im vorliegenden Fall allein relevanten Zeitraum von 1999 bis 2002, der in dem Dokument als „Horizont 1“ bezeichnet wird, führte AZ wiederum aus: „Das übergeordnete Ziel besteht darin, den Markteintritt von generischem Omeprazol dadurch zu verhindern oder zu verzögern, dass die Ausschließlichkeit von Losec auf dem Markt verlängert oder von den Generikaherstellern die Vorlage weiterer Daten und Unterlagen bei der Beantragung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen verlangt wird.“ AZ nennt drei Grundsätze für die zu diesem Zweck getroffenen Maßnahmen, wobei der dritte Grundsatz darin besteht, „die technischen, biopharmazeutischen und qualitativen Hürden für Generika zu erhöhen“ (Erwägungsgründe 291 bis 293 der angefochtenen Entscheidung).
785 Die Kommission wies zudem darauf hin, dass in dem Dokument die „bereits getroffenen Maßnahmen“ und die Maßnahmen bezüglich des Zeitraums „1999 bis 2002“ aufgeführt seien. Bei den letztgenannten Maßnahmen nennt AZ u. a. die „Vorlage technischer Unterlagen in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Belgien und Schweden“ sowie die „Verbesserung der Spezifikationen von Losec als zusätzliche Hürde für generische Omeprazol-Produkte“. AZ nennt auch die „Überwachung der regulatorischen Auswirkungen des Übergangs zu Losec MUPS auf Paralleleinfuhren, auch von Generika, und die generische Substitution“ (vgl. den 294. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Dokumente zu nationalen Strategien
786 Die Kommission stellte fest, dass eine Reihe von Vertriebsgesellschaften Dokumente zur nationalen Strategie in Übereinstimmung mit den von der Geschäftsleitung von AZ stammenden allgemeinen Strategiedokumenten verfasst hätten. Es handelte sich um Gesellschaften mit Sitz in Finnland, Norwegen (Oktober 1998), den Niederlanden (Oktober 1998), Dänemark (November 1998) und Schweden (Februar 1999). Die Kommission entnimmt einem Telefax der Geschäftsleitung von AZ vom 29. Mai 1998, in dem die Aufstellung nationaler Strategien befürwortet wurde, um „so weit wie möglich sicherzustellen, dass keine Generika auf [den Markt] gelangen“, dass die dänische, die finnische und die norwegische nationale Strategie von AZ zentral in Schweden ausgearbeitet worden seien (vgl. den 296. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
787 Aus der Beschreibung und den von der Kommission angeführten Passagen der Dokumente bezüglich der LPP-Strategie in Dänemark, Norwegen und Schweden vom 2. und 23. November 1998 und vom 26. Februar 1999 ergibt sich, dass AZ von der Wettbewerbsbedrohung durch die Einführung von Generika wusste, mit der ihres Erachtens die Gefahr verbunden war, dass sie große Marktanteile verlieren würde, dass die Preise fallen würden und dass es sehr schwer werden würde, für Esomeprazol einen vergleichbaren Preis wie für Losec in Kapselform zu erzielen, da die nationalen, vor allem die norwegischen Behörden, die Preise und das Erstattungsniveau unter Heranziehung der günstigsten vergleichbaren Produkte auf dem Markt festsetzten. In den Dokumenten werde hervorgehoben, wie wichtig es sei, Esomeprazol zu vermarkten, bevor das generische Omeprazol auf den Markt komme (vgl. Erwägungsgründe 298 bis 301 der angefochtenen Entscheidung).
788 Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass sich die Dokumente über die nationalen LPP-Strategien im Wesentlichen gegen die Einführung von Generika sowie gegen Paralleleinfuhren richteten. Hierzu stellte sie fest, dass in dem norwegischen Dokument über die LPP-Strategie davon ausgegangen werde, dass sich nach dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform am 1. November 1998 bei der Umstellung „die Sachlage bei der MUPS®-Einführung durch Astra Dänemark wiederholen wird“ und dass „der Parallelhandel mit Losec® in Kapselform allmählich eingestellt wird und ab 1. Februar 1999 praktisch nicht mehr existiert“ (vgl. den 302. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Effektive Durchführung der LPP-Strategie
789 Die Kommission stellte fest, dass in Dänemark, wo das Wirkstoffpatent bezüglich Omeprazol im April 1999 abgelaufen sei, die Einführung von Losec MUPS am 9. März, der Antrag auf Widerruf am 19. März und der Widerruf selbst am 6. April 1998 erfolgt seien. In Finnland, wo die Rücknahme des ergänzenden Schutzzertifikats gedroht habe und das Wirkstoffpatent im April 1999 abgelaufen sei, seien die Einführung von Losec MUPS am 20. Mai, der Antrag auf Widerruf am 28. September und der Widerruf selbst am 1. Oktober 1998 erfolgt. In Norwegen, wo ebenfalls die Rücknahme des ergänzenden Schutzzertifikats gedroht habe und das Wirkstoffpatent im April 1999 abgelaufen sei, seien die Einführung von Losec MUPS am 1. September und 1. November, der Antrag auf Widerruf am 12. Oktober und der Widerruf selbst am 1. Dezember 1998 erfolgt. In Schweden, wo das ergänzende Schutzzertifikat im Februar 2002 oder 2003 (so die divergierenden Angaben in Fn. 398 und im 313. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) habe ablaufen sollen, seien die Einführung von Losec MUPS am 2. Februar und 1. August, der Antrag auf Widerruf am 20. August 1998 und der Widerruf selbst am 1. Januar 1999 erfolgt (vgl. den 304. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
790 In Deutschland, wo die Gefahr bestanden habe, dass AZ ihr ergänzendes Schutzzertifikat für Omeprazol im April 1999 verliere, habe AZ Losec MUPS am 1. Dezember 1998 eingeführt und die drei Kapselformulierungen im März und Oktober 1999 sowie im Dezember 2002 vom Markt genommen. In den Niederlanden habe AZ Losec MUPS im Mai 1999 eingeführt und Losec in Kapselform im Dezember 1999 vom Markt genommen. Im Vereinigten Königreich habe AZ Losec MUPS am 27. September 1999 eingeführt und Losec in Kapselform ursprünglich im September/Oktober 1999 vom Markt genommen, es jedoch im Dezember 1999 wieder eingeführt, weil die Apotheker im Fall eines auf Kapseln lautenden Rezepts keine Tabletten hätten abgeben dürfen. In Belgien habe AZ Losec MUPS am 1. Dezember 2000 eingeführt und Losec in Kapselform im September 2001 und im September 2002 zurückgezogen. In Irland habe AZ Losec MUPS am 1. November 1999 in den Verkehr gebracht und gleichzeitig die Kapseln vom Markt genommen. Die Kommission fügt hinzu, dass am 13. Dezember 2002 der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in anderen als den vier „nordischen“ Ländern Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden weder erfolgt noch beantragt worden sei (305. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
– Wirkungen des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen
791 In der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission aus, die Beschwerdeführer hätten in Dänemark am 23. Februar 1998 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Losec gestellt, die die dänische Arzneimittelbehörde am 30. November 1998 erteilt habe. Am 27. April 1999 habe AZ gegen die Entscheidung der dänischen Arzneimittelbehörde Klage erhoben mit der Begründung, Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 verlange, dass das Referenzprodukt nicht nur dann tatsächlich im Verkehr sei, wenn der Generikahersteller seinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen stelle, sondern auch dann, wenn die nationale Behörde über den Antrag entscheide (vgl. den 307. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
792 Im Januar 2000 habe AZ unter Berufung auf ihr Formulierungspatent eine Verfügung gegen das Inverkehrbringen des Produkts der Beschwerdeführerin erwirkt. Im März 2001 und im Oktober 2003 habe AZ auch gegen zwei andere Wettbewerber (GEA/Hexal und Biochemie) Verfügungen erwirkt (309. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
793 Am 30. September 1998 wies die dänische Arzneimittelbehörde einen im abgekürzten Verfahren gestellten Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums mit der Begründung zurück, dass der Antrag nach dem am 6. April 1998 erfolgten Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec gestellt worden sei und damit nicht die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 erfülle. In der Folge legte das Østre Landsret (dänisches Regionalgericht) am 23. Mai 2001 dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie 65/65 zur Vorabentscheidung vor. Am 25. Mai 2001 wurde Ratiopharm unter Bezugnahme auf Losec MUPS eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums der Omeprazol-Kapseln erteilt. Ratiopharm musste allerdings die Ergebnisse einer Reihe zusätzlicher Tests vorlegen (310. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
794 Was die Paralleleinfuhren angeht, so hatte nach den Feststellungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung der Vorstand von AZ Dänemark in einem internen Dokument ausgeführt, dass die Rücknahme von Losec vom Markt im April 1998 Paralleleinfuhren ausgeschlossen habe. Nach den Feststellungen der Kommission wies der Vorstand in diesem Dokument darauf hin, dass „Losec sein bisher bestes Ergebnis“ erzielt habe (311. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
795 In Schweden wurde einer der Beschwerdeführerinnen am 29. Dezember 1998 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen ihrer generischen Omeprazol-Kapseln erteilt, drei Tage, bevor der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform wirksam wurde. Das generische Omeprazol wurde im Mai 2000 auf den Markt gebracht.
796 Auf Antrag von AZ erließ das Gericht in Stockholm jedoch am 17. November 2000 eine Verfügung gegen den Verkauf des genannten Generikums aufgrund des schwedischen ergänzenden Schutzzertifikats, das AZ für Omeprazol Sodium besaß und das bis zum 15. November 2002 gültig war. Nach den Feststellungen der Kommission stützte sich diese Verfügung nicht auf das schwedische ergänzende Schutzzertifikat für Omeprazol, weil infolge des am 1. Januar 1999 wirksam gewordenen Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec das schwedische Patentamt das ergänzende Schutzzertifikat, das AZ für Omeprazol besaß, widerrufen hatte. Das Rechtsmittelgericht für Patentsachen gab dem Rechtsmittel von AZ jedoch mit der Begründung statt, dass die neue Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec MUPS für eine Fortgeltung des schwedischen Schutzzertifikats, das AZ für Omeprazol besaß und das nach den Feststellungen im 313. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung am 4. Februar 2003 ablaufen sollte, ausreichend sei.
797 Im Januar 2003 erhielten zwei weitere Generikahersteller, Biochemie und Ratiopharm, Genehmigungen für das Inverkehrbringen, und im Februar 2003 brachten sie Generika der Omeprazol-Kapseln in den Verkehr. AZ verklagte diese Unternehmen wegen Verletzung ihres Formulierungspatents (Erwägungsgründe 312 und 313 der angefochtenen Entscheidung).
798 Was die Paralleleinfuhren betrifft, widerrief die schwedische Arzneimittelbehörde die Einfuhrgenehmigungen infolge des am 1. Januar 1999 wirksam gewordenen Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform. Auf Antrag eines Parallelimporteurs verlängerte die schwedische Behörde die Laufzeit der Einfuhrgenehmigung um sechs Monate bis zum 30. Juni 1999 (Erwägungsgründe 314 und 315 der angefochtenen Entscheidung).
799 Einige Parallelimporteure fochten den von der Behörde ausgesprochenen Widerruf der schwedischen Einfuhrgenehmigungen an, was zu einem Verwaltungsstreitverfahren vor dem Gericht von Uppsala und dann vor dem Kammarrätt (schwedisches Rechtsmittelgericht in Verwaltungsstreitsachen) führte, das am 26. Februar 1999 zugunsten von AZ entschied. Das Verfahren wurde vor dem Regeringsrätten (Oberstes schwedisches Verwaltungsgericht) fortgesetzt, das dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegte (Erwägungsgründe 316 und 317 der angefochtenen Entscheidung).
800 In Norwegen hatte die Beschwerdeführerin nach den Angaben der Kommission vor dem tatsächlichen Widerruf der Genehmigung für Losec einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Omeprazol-Kapseln gestellt; die Genehmigung wurde ihr am 1. November 1999 erteilt, so dass sie das Produkt noch im selben Monat auf den Markt bringen konnte. Die Vermarktung dieses Generikums wurde jedoch im Mai 2000 mittels einer aufgrund des von AZ gehaltenen Formulierungspatents ergangenen Verfügung untersagt. Am 2. Juli 2001 wurde für ein weiteres Generikum der Omeprazol-Kapseln eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt (320. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
801 Die Paralleleinfuhren ließen ab 1998 stark nach, wurden jedoch nicht ganz eingestellt. Die norwegische Arzneimittelkontrollbehörde erteilte für die Einfuhr von Losec in Kapselform Genehmigungen auf der Grundlage der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec MUPS, die ihrerseits auf den Genehmigungen für die Kapseln beruhten (321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
Zur Missbräuchlichkeit des Verhaltens von AZ
– Zur LPP-Strategie
802 Was zunächst die LPP-Strategie betrifft, nehmen die Klägerinnen zu den von der Kommission in den Erwägungsgründen 266 bis 303 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen Stellung und bestreiten, dass diese von AZ entwickelte Strategie unter dem Gesichtspunkt des Art. 82 EG zu beanstanden sei.
803 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass aus den gesamten von der Kommission zusammengetragenen Dokumenten hervorgeht, dass sich AZ vor Ablauf der Wirkstoffpatente für Losec in Kapselform der Bedrohung, die der Markteintritt der Generika für das Absatzvolumen und das Preisniveau von Losec in Kapselform darstellte, sowie der Notwendigkeit bewusst war, Maßnahmen zu ergreifen, um der erheblichen Verschlechterung ihrer Wettbewerbsposition entgegenzutreten. AZ entwickelte zu diesem Zweck die LPP-Strategie, die auf drei Faktoren aufbaute, nämlich erstens Erweiterungen des Losec-Sortiments unter Einschluss von Losec MUPS, zweitens der Errichtung technischer und regulatorischer Hindernisse zwecks Verzögerung des Markteintritts der Generika und drittens der Einführung eines Produkts einer neuen Generation, des Esomeprazol (oder „Losec H199/18“), von dem erwartet wurde, dass es sich vom generischen Omeprazol durch signifikante klinische Vorteile unterscheiden würde (siehe oben, Randnrn. 761 bis 765). Diese Strategie sollte im Wesentlichen den Einbruch des Absatzvolumens von Losec begrenzen [vertraulich]. Die Umstellung der Verkäufe auf Losec MUPS und die Errichtung technischer und regulatorischer Hindernisse dienten somit dazu, den Markteintritt der Generika und der Paralleleinfuhren bis zum Inverkehrbringen von Esomeprazol in Grenzen zu halten (siehe oben, Randnrn. 765 und 767).
804 Entwickelt ein Unternehmen eine Strategie, die seinen Absatzeinbruch minimieren und es in die Lage versetzen soll, dem Wettbewerb durch Generika zu begegnen, ist dies, selbst wenn das Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, legitim und Teil des normalen Wettbewerbs, sofern das ins Auge gefasste Verhalten nicht von den Praktiken abweicht, die zum Leistungswettbewerb gehören, von dem die Verbraucher potenziell profitieren.
805 Die Kommission äußert sich in der angefochtenen Entscheidung nicht zu der Frage, ob mit Art. 82 EG alle Maßnahmen vereinbar sind, die im Rahmen der drei im Mittelpunkt der LPP-Strategie stehenden Prinzipien in Betracht gezogen wurden. Der von der Kommission festgestellte Missbrauch einer beherrschenden Stellung bezieht sich allein auf den Widerruf der Genehmigungen für das sich Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Umstellung der Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS, d. h. mit der Einführung von Losec MUPS und der Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt (vgl. den 860. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Das Vorbringen der Klägerinnen, wonach alle im Rahmen der LPP-Strategie vorgesehenen Maßnahmen mit Art. 82 EG vereinbar seien, ist daher unerheblich, soweit es sich nicht auf das beanstandete Verhalten bezieht.
– Zur Missbräuchlichkeit des beanstandeten Verhaltens
806 Was sodann die Missbräuchlichkeit des beanstandeten Verhaltens betrifft, ist daran zu erinnern, dass sich das von der Kommission als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestufte Verhalten auf den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Umstellung der Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS bezieht, d. h. auf die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und die Markteinführung von Losec MUPS.
807 Wie die Kommission auf Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, besteht, auch wenn sie den Missbrauch der beherrschenden Stellung als Zusammenspiel der genannten Merkmale definiert hat, das zentrale Merkmal des Missbrauchs darin, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform betrieben wurde, während die Umstellung der Verkäufe von Losec auf Losec MUPS den Kontext darstellt, in dem der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen erfolgte.
808 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Umstellung der Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS, d. h. die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und die Markteinführung von Losec MUPS, für sich allein nicht geeignet war, die von der Kommission vorliegend beanstandeten wettbewerbswidrigen Wirkungen in Form der Errichtung regulatorischer Hindernisse für den Markteintritt des generischen Omeprazol und für die Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform auszulösen.
809 In Bezug auf die Generika hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass es für die Frage, ob eine Genehmigung für das Inverkehrbringen im abgekürzten Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 erteilt werden kann, allein darauf ankommt, dass alle Angaben und Unterlagen zum Referenzarzneimittel der zuständigen Behörde, bei der der Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt worden ist, noch zur Verfügung stehen, ohne dass es erforderlich ist, dass das Referenzarzneimittel tatsächlich in Verkehr ist (Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt, Randnr. 27). Der Umstand, dass das Referenzarzneimittel vom Markt genommen wurde, steht somit der Anwendung des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 nicht entgegen. Desgleichen kann die Einführung von Losec MUPS kein Hindernis dafür sein, dass das abgekürzte Verfahren bei Arzneimitteln angewandt wird, die im Wesentlichen Losec in Kapselform gleichen.
810 Im Übrigen hat die Kommission in Bezug auf Paralleleinfuhren in der angefochtenen Entscheidung nicht die Auffassung vertreten, dass die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und die Markteinführung von Losec MUPS geeignet gewesen seien, die nationalen Behörden zum Widerruf der Genehmigungen für die Paralleleinfuhr von Losec in Kapselform zu veranlassen. Sie führt vielmehr im 264. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus, dass sich die Genehmigungen für die Paralleleinfuhr traditionell auf die bestehenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen der betreffenden Arzneispezialität stützten. Folglich war nur der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen hypothetisch geeignet, die nationalen Behörden zum Widerruf der Genehmigungen für die Paralleleinfuhr zu veranlassen. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass dies in Finnland und Schweden der Fall war, wo die nationalen Behörden die Genehmigungen für die Paralleleinfuhr im Anschluss an den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen widerriefen.
811 Da sich somit im vorliegenden Fall das Verhalten, das als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft werden kann, im Wesentlichen auf den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen bezieht, der hypothetisch einzige Umstand ist, der die von der Kommission beanstandeten wettbewerbswidrigen Wirkungen auszulösen vermochte, ist das Vorbringen der Klägerinnen, Losec MUPS sei in den Verkehr gebracht worden, weil es ein höherwertiges Produkt sei, und Losec in Kapselform sei vom Markt genommen worden, weil die örtlichen Vertriebsgesellschaften vor allem aufgrund mehrerer Marktstudien und einer Studie über die Verbraucherpräferenzen der Meinung gewesen seien, dass es besser wäre, nur ein einziges Produkt auf dem Markt zu behalten, unerheblich. Im vorliegenden Fall besteht nämlich kein Anlass, AZ vorzuwerfen, dass sie Losec MUPS in den Verkehr brachte oder dass sie Losec in Kapselform vom Markt nahm, da mittels dieser Maßnahmen nicht die von der Kommission gerügten regulatorischen Zugangshindernisse errichtet wurden, die geeignet waren, das Inverkehrbringen der Generika und die Paralleleinfuhren zu verzögern oder zu verhindern.
812 Dagegen kann das Betreiben des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform nicht als ein zum Leistungswettbewerb gehörendes Verhalten angesehen werden. Wie oben in Randnr. 675 ausgeführt, findet dieses Verhalten in dem legitimen Schutz einer Investition, die zum Leistungswettbewerb beitragen soll, keine Grundlage, da AZ nicht mehr über das ausschließliche Recht auf Verwertung der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche verfügte. Auch tragen die Klägerinnen nichts vor, aufgrund dessen davon ausgegangen werden könnte, dass diese Widerrufe für das Inverkehrbringen von Losec MUPS oder für die Umstellung der Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS erforderlich oder gar zweckdienlich waren. Unbeschadet der Frage, ob die Kommission rechtlich hinreichend bewiesen hat, dass der objektive Kontext, in dem das beanstandete Verhalten steht, die Annahme zulässt, dass es geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken, ist daher festzustellen, dass das Betreiben des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform der einzige Aspekt des von der Kommission identifizierten Verhaltens war, der gegebenenfalls Hindernisse für den Marktzugang der Generika und für die Paralleleinfuhren schaffen konnte.
813 Die Klägerinnen machen wiederholt geltend, dass die schriftlichen Beweise keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielten, dass AZ in Dänemark, Norwegen und Schweden eine „böswillige“ oder „vorsätzliche“, auf die Löschung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ausgerichtete Strategie verfolgt habe, um den Markteintritt der Generika zu verzögern und Paralleleinfuhren zu verhindern. Hierzu genügt der Hinweis, dass der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung seinem Inhalt nach objektiv ist und nicht die Feststellung einer Schädigungsabsicht voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Aéroports de Paris/Kommission, oben in Randnr. 309 angeführt, Randnr. 173). AZ betrieb aber unstreitig die genannten Widerrufe in Dänemark, Norwegen und Schweden. Dass diesem Verhalten keine böswillige Absicht zugrunde gelegen haben soll, kann daher der von der Kommission bejahten Qualifizierung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung nicht entgegenstehen, wenn feststeht, dass das Verhalten unter Berücksichtigung des objektives Kontextes seiner Umsetzung geeignet war, das Inverkehrbringen von Generika und Paralleleinfuhren zu verzögern oder zu verhindern.
814 Aus den Dokumenten, auf die sich die Kommission stützte, geht jedenfalls klar hervor, dass AZ mittels der genannten Widerrufe das Inverkehrbringen von Generika und Paralleleinfuhren behindern wollte. Insbesondere geht aus dem Dokument vom 3. Oktober 1997, in dem die MUPS-Strategie dargelegt wird (siehe oben, Randnr. 776), sowie aus dem Memorandum vom 22. Oktober 1997 über die Folgen der MUPS-Strategie (siehe oben, Randnr. 780) hervor, dass sich AZ der Bedeutung bewusst war, die der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform für die Errichtung von Zugangshindernissen regulatorischer Art sowohl in Bezug auf das Inverkehrbringen von Generika als auch in Bezug auf Paralleleinfuhren haben konnte. Diese Dokumente belegen auch, dass sich AZ bewusst war, dass die ins Auge gefasste Maßnahme die europäischen Vorschriften über den Wettbewerb und den freien Warenverkehr berühren konnte. Die Kommission stellte im 302. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zudem fest, dass AZ ausweislich des norwegischen Dokuments über die LPP-Strategie beabsichtigt habe, den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform herbeizuführen, um die Paralleleinfuhren zu unterbinden, damit sie „ab 1. Februar 1999 praktisch nicht mehr existier[en]“ (siehe oben, Randnr. 788).
815 Die Klägerinnen machen weiterhin geltend, dass AZ nicht verpflichtet werden könne, die Interessen der Generikavermarkter oder der Parallelimporteure zu schützen, indem sie die Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufrechterhalte.
816 Das Fehlen einer Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens, die Interessen konkurrierender Unternehmen zu schützen, führt jedoch nicht dazu, dass Verhaltensweisen, die nur dazu dienen, die Wettbewerber auszuschließen, mit Art. 82 EG vereinbar sind. Die bloße Absicht eines marktbeherrschenden Unternehmens, die eigenen Geschäftsinteressen zu wahren und sich vor dem Wettbewerb durch Generika und Paralleleinfuhren zu schützen, rechtfertigt nämlich nicht den Rückgriff auf dem Leistungswettbewerb fremde Verhaltensweisen.
817 Fehlt es an Gründen, die mit den berechtigten Interessen eines im Leistungswettbewerb stehenden Unternehmens zusammenhängen, sowie an objektiven Rechtfertigungen, so kann, wie oben in Randnr. 672 ausgeführt, ein marktbeherrschendes Unternehmen regulatorische Verfahren nicht allein in Anspruch nehmen, um den Markteintritt von Wettbewerbern zu vereiteln oder zu erschweren.
– Zum zentralen Charakter der Strategie, aus der sich der Missbrauch einer beherrschenden Stellung herleitet
818 Die Klägerinnen treten der Erwägung der Kommission entgegen, wonach sich das missbräuchliche Verhalten aus einer Entscheidung ergebe, die die Leitungsorgane von AZ zentral getroffen hätten. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Vertriebsgesellschaften unstreitig 100%ige Tochtergesellschaften von AZ sind (vgl. den achten Erwägungsgrund und Fn. 10 der angefochtenen Entscheidung). Nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft stellen aber verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 290).
819 Soweit die Klägerinnen mit diesem Vorbringen das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Abrede stellen wollen, hätte der von ihnen geltend gemachte Umstand, dass der in Dänemark, Norwegen und Schweden erfolgte Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf ein dezentrales Entscheidungsverfahren zurückzuführen gewesen sei, selbst wenn er erwiesen wäre, keinesfalls Auswirkungen auf die Einstufung des fraglichen Verhaltens durch die Kommission als Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Die Einstufung eines bestimmten Verhaltens als Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG setzt nämlich nicht voraus, dass das Verhalten die Folge einer von den Leitungsorganen des Konzerns entwickelten Strategie ist oder dass es in der erwiesenen Absicht erfolgte, den Wettbewerb zu beschränken. Auch das Verhalten einer der Gesellschaften, die zu der vom Konzern gebildeten wirtschaftlichen Einheit gehören, kann gegen Art. 82 EG verstoßen.
820 Da die Vertriebsgesellschaften vollständig im Eigentum von AZ stehen, braucht zudem, wie die Kommission geltend macht, nicht geprüft zu werden, ob AZ die Politik ihrer Tochtergesellschaften entscheidend beeinflussen konnte, denn diese verfolgen zwangsläufig eine Politik, die von denselben satzungsmäßigen Organen vorgegeben wird, die auch die Politik der Muttergesellschaft festlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil AEG-Telefunken/Kommission, oben in Randnr. 719 angeführt, Randnr. 50, und Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 961 und 984).
821 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar nicht durch schriftliche Beweise belegt hat, dass die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen in Dänemark, Norwegen und Schweden aufgrund dahin gehender präziser Weisungen der Geschäftsleitung von AZ erwirkt wurden, doch stehen diese Widerrufe voll und ganz im Einklang mit der von AZ zentral ausgearbeiteten Strategie. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass alle von der Kommission angeführten Dokumente von der zentralen Geschäftsleitung von AZ stammen und eine starke Mitwirkung der Leitungsorgane von AZ erkennen lassen. So wurde die LPP-Strategie vom 29. April 1997 zentral erarbeitet, und die spezifischen Fragen bezüglich ihrer Umsetzung wurden ebenfalls zentral geprüft. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Protokoll der Tagung vom 18. September 1997 mit dem Titel „Losec MUPS i Europa – ‚Brain Storming‘“ (siehe oben, Randnr. 771), das von der Patentabteilung in Schweden stammt, aus dem Dokument über die MUPS-Strategie vom 3. Oktober 1997 (siehe oben, Randnr. 773) von Astra Hässle in Schweden, aus dem Memorandum vom 22. Oktober 1997 mit dem Titel „Folgen der MUPS-Strategie – Zwischenbericht“ (siehe oben, Randnr. 779), dessen Verfasser der Rechtsabteilung von AZ angehört, und aus dem Dokument vom 12. Mai 1999 mit dem Titel „Der Gastrointestinale Franchise-Plan“ (siehe oben, Randnr. 784) von Astra Hässle. Diese vier Dokumente belegen nämlich, dass die Möglichkeit eines Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform von AZ auf zentraler Ebene in Betracht gezogen wurde und dass die Folgen dieses Widerrufs auf das Inverkehrbringen von Generika und auf Paralleleinfuhren zentral geprüft worden waren (dazu näher oben, Randnrn. 776, 779 und 780).
822 Im Übrigen lässt sich nicht bestreiten, dass das Telefax vom 29. Mai 1998, das der Geschäftsführer der schwedischen Vertriebsgesellschaft (der zugleich der zentralen Geschäftsleitung als „Regionaldirektor für die nordischen Länder“ angehörte) an die Geschäftsführer der dänischen, der finnischen und der norwegischen Vertriebsgesellschaft sandte (vgl. den 815. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), zeigt, dass die Geschäftsleitung von AZ die Umsetzung der Verteidigungsstrategie gegenüber den Generika genau verfolgte. Der Verfasser dieses Dokuments bringt nämlich seine Besorgnis über die mangelnde Dynamik und Koordinierung der örtlichen Vertriebsgesellschaften bei der Umsetzung der LPP-Strategie zum Ausdruck. Dem Vorbringen der Klägerinnen, das Telefax habe nur die Klagen zur Verteidigung der Patente betroffen, kann nicht gefolgt werden, da es dafür angesichts des Zusammenhangs, in dem das Telefax nach allen von der Kommission geprüften schriftlichen Beweisen stand, an einem Beleg fehlt.
823 Das Bemühen um Koordinierung der Vertriebsgesellschaften wird zudem auch durch das von Astra Norwegen an den Geschäftsführer der schwedischen Vertriebsgesellschaft gesandte Schreiben vom 22. Oktober 1998 bestätigt, das sich auf eine „Nordische Patentstrategie“ bezieht und eine dritte Fassung des Dokuments über die norwegische Strategie enthält. Wie die Kommission darlegt, belegt dieses Schreiben den interaktiven Charakter der Beziehungen zwischen der zentralen und der örtlichen Ebene bei der Umsetzung der Strategie auf örtlicher Ebene.
Zum wettbewerbsbeschränkenden Charakter des beanstandeten Verhaltens
824 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei einem Verhalten der hier in Rede stehenden Art, das in einem durch den Leistungswettbewerb nicht gedeckten Rückgriff auf regulatorische Verfahren besteht, der Nachweis, dass das Verhalten unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, für seine Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung ausreicht.
825 Im vorliegenden Fall wurde oben in den Randnrn. 675 und 812 festgestellt, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform zum einen in dem legitimen Schutz einer zum Leistungswettbewerb gehörenden Investition keine Stütze fand und zum anderen für die Umstellung der von AZ getätigten Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS nicht erforderlich war.
826 Soweit daher feststeht, dass in Dänemark, Norwegen und Schweden die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ein Hindernis für den Markteintritt von Generika und für Paralleleinfuhren darstellen konnten, vermag das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem die praktischen Auswirkungen dieses Verhaltens in Frage gestellt werden, die Einstufung des beanstandeten Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung nicht zu beeinflussen.
827 Dieses Vorbringen vermag jedoch die Richtigkeit der genannten Einstufung in Frage zu stellen, soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen zu haben, dass das beanstandete Verhalten unter Berücksichtigung seines objektiven Kontextes geeignet war, das Inverkehrbringen der Generika und die Paralleleinfuhren zu verhindern oder zu verzögern. Dieser Punkt ist daher unter Berücksichtigung der Rügen der Klägerinnen zu prüfen.
828 Was erstens die Frage betrifft, ob der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform das Inverkehrbringen von Generika der Omeprazol-Kapseln zu behindern vermag, so ist daran zu erinnern, dass nach Ansicht des Gerichtshofs, damit ein Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im abgekürzten Verfahren gemäß Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 behandelt werden kann, die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels mindestens zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft sein muss (Urteil AstraZeneca, oben in Randnr. 617 angeführt, Randnr. 49). Somit ist festzustellen, dass das Verhalten von AZ den Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren nach der genannten Vorschrift ausschloss und folglich geeignet war, die Erteilung von Genehmigungen für die Vermarktung von Generika in Dänemark, Norwegen und Schweden zu verzögern.
829 Die Klägerinnen machen jedoch geltend, die potenziellen Wettbewerber hätten das Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 65/65 wählen können, das dem Antragsteller die Möglichkeit gebe, allein durch eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen nachzuweisen, dass die Arzneispezialität, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt werde, eine anerkannte Wirksamkeit sowie einen annehmbaren Grad an Sicherheit aufweise. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission darlegt, das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens, dessen alleiniges Ziel bei objektiver Beurteilung darin besteht, den Rückgriff auf das vom Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 vorgesehene abgekürzte Verfahren auszuschließen und so die Generikahersteller so lang wie möglich vom Markt fernzuhalten und ihre Kosten für die Überwindung der Marktzutrittshindernisse zu steigern, seinen missbräuchlichen Charakter nicht dadurch verliert, dass der rechtliche Rahmen einen alternativen Weg für die Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bereithält.
830 Hierzu ist erneut daran zu erinnern, dass das Verhalten von AZ, das im Betreiben des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen bestand, im legitimen Schutz einer Investition, die zum Leistungswettbewerb beitragen soll, keine Grundlage findet, da AZ nicht mehr über das ausschließliche Recht zur Verwertung der Ergebnisse der von ihr durchgeführten pharmakologischen, toxikologischen und ärztlichen oder klinischen Versuche verfügte, und dass die Widerrufe für die Umstellung der von AZ getätigten Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS nicht erforderlich waren.
831 Ferner hat der Umstand, dass die Kommission die Verzögerung, die die Wettbewerber hinnehmen mussten, um Zugang zum Markt zu erlangen, nicht genau ermitteln konnte, keine Bedeutung für die Erwägung, wonach das in Rede stehende Verhalten geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken, da feststeht, dass infolge des Widerrufs der Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 ausgeschlossen war.
832 Dass Art. 7 der Richtlinie 65/65 für die Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eine Frist vorsieht, die keinesfalls 210 Tage überschreiten darf, bedeutet im Übrigen nicht, dass die Verzögerung, die für die Wettbewerber beim Zugang zum Markt entsteht, nicht länger als die genannte Frist sein kann. Wie die Kommission im 854. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, konnten die Generikahersteller, wenn sie nicht vorab über die von AZ veranlassten Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen unterrichtet wurden, erst nach ihrer Vornahme Kenntnis von ihnen erlangen. Es besteht aber aller Anlass zu der Annahme, dass die Generikahersteller jedenfalls erst nach Kenntniserlangung von den Widerrufen mit Nachforschungen zwecks Zusammenstellung der wissenschaftlichen Veröffentlichungen beginnen würden, um die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem Verfahren des Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie 65/65 zu erlangen. Bevor der Rückgriff auf das Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie unmöglich gemacht wurde, bestand für die Generikahersteller nämlich kein Grund, die Inanspruchnahme des Verfahrens mittels der Veröffentlichungen in Betracht zu ziehen.
833 Wie die Kommission ausführt, müssen zudem bei anderen Verfahren als dem Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 – wie dem Verfahren aufgrund von Veröffentlichungen oder dem Mischverfahren, einem Mittelding zwischen dem umfassenden Verfahren der Genehmigung für das Inverkehrbringen und dem Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 – Voraussetzungen erfüllt sein, die über die im Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie erforderlichen Voraussetzungen hinausgehen, wie etwa die Beibringung zusätzlicher Daten. Diese anderen Verfahren sind daher für die Generikahersteller kostspieliger und dauern zwangsläufig länger als das abgekürzte Verfahren nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65.
834 Die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen waren somit geeignet, AZ die Möglichkeit eines zumindest vorübergehenden Aufschubs des durch die Generika auf sie ausgeübten erheblichen Wettbewerbsdrucks zu geben. Wie sich aus den von der Kommission geprüften internen Dokumenten von AZ ergibt, konnte ein solcher Aufschub für AZ von großem Nutzen sein, um im Hinblick auf die Markteinführung von Esomeprazol zu einem vorteilhaften Preis ein möglichst hohes Preisniveau zu gewährleisten (siehe oben, Randnrn. 765 und 767). Außerdem war angesichts des in Rede stehenden Absatzvolumens jede Verzögerung des Markteintritts der Generika für AZ von Vorteil (siehe oben, Randnr. 763).
835 Nach alledem reicht der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass die Wettbewerber von AZ mittels des Verfahrens aufgrund von Veröffentlichungen Genehmigungen für das Inverkehrbringen hätten erlangen können, nicht aus, um dem insbesondere im Betreiben des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform bestehenden Verhalten den missbräuchlichen Charakter zu nehmen, da es nur dazu diente, die konkurrierenden Generikahersteller zumindest vorübergehend vom Markt auszuschließen.
836 Der von den Klägerinnen geltend gemachte Umstand, dass AZ zum einen in Schweden ein Herstellungspatent bis 2007 sowie ergänzende Schutzzertifikate für Omeprazol Sodium und den Wirkstoff von Omeprazol bis 4. Februar 2003 gehalten und zum anderen auf der Grundlage ihrer Formulierungspatente oder ihrer ergänzenden Schutzzertifikate gegen ihre Wettbewerber Verfügungen in Dänemark, Norwegen und Schweden erwirkt habe, ist für den wettbewerbswidrigen Charakter des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen ohne Bedeutung. Dass AZ über verschiedene regulatorische oder rechtliche Mittel verfügte – von denen einige unter dem Aspekt des Leistungswettbewerbs legitim waren –, um das Inverkehrbringen von Generika zu behindern, und dass daher das beanstandete Verhalten nicht das einzige war, das die angestrebte wettbewerbsbeschränkende Wirkung herbeiführen konnte oder herbeigeführt hat, nimmt ihm keineswegs den missbräuchlichen Charakter, da feststeht, dass es jedenfalls geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken.
837 Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerinnen Genehmigungen für das Inverkehrbringen aufgrund des abgekürzten Verfahrens nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 8 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 65/65 hätten erlangen können, wenn sie ihre Anträge vor Wirksamwerden der Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von AZ gestellt hätten, kann dem beanstandeten Verhalten offensichtlich nicht den missbräuchlichen Charakter nehmen. Es wird AZ gerade zur Last gelegt, dass sie jedem Hersteller von generischen Omeprazol-Kapseln, der nach dem Wirksamwerden des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von AZ einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen stellen wollte, den Rückgriff auf das abgekürzte Verfahren unmöglich machte.
838 Was zweitens die Frage betrifft, ob der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen die Paralleleinfuhren zu beschränken vermochte, so bestreiten die Klägerinnen, dass die Widerrufe der Grund für den Rückgang der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform sind, und machen geltend, der Rückgang dieser Paralleleinfuhren sei auf den Erfolg von Losec MUPS zurückzuführen. Die Stichhaltigkeit dieses Vorbringens ist in Bezug auf Dänemark, Norwegen und Schweden zu prüfen.
839 Hierzu ist daran zu erinnern, dass, wie im Wesentlichen oben in den Randnrn. 474 und 475 dargelegt worden ist, die Kommission die Beweise beizubringen hat, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG begründenden Tatsachen belegen (Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 688), während etwaige Zweifel des Gerichts im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt und eine Geldbuße verhängt wird, dem Unternehmen zugutekommen müssen, an das die Entscheidung gerichtet ist (vgl. entsprechend Urteil Coats Holdings und Coats/Kommission, oben in Randnr. 476 angeführt, Randnrn. 68 und 69).
840 In Bezug auf Dänemark beschränkte sich die Kommission im 311. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf die Feststellung, dass in einem internen Dokument der Geschäftsleitung von AZ Dänemark davon die Rede gewesen sei, dass die Markteinführung von Losec MUPS und die Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt den „Ausschluss sämtlicher Omeprazol-Paralleleinfuhren“ bedeutet habe. In der angefochtenen Entscheidung erläuterte die Kommission daher nicht, ob die Genehmigungen für Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform von den staatlichen Stellen in Dänemark widerrufen wurden.
841 Die Kommission macht jedoch geltend, vernünftigerweise sei davon auszugehen, dass zwischen dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark und dem Ausschluss des Parallelhandels in diesem Land ein Kausalzusammenhang bestehe.
842 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Beantwortung der ihm von finnischen und schwedischen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ausgeführt hat, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen aus anderen Gründen als der öffentlichen Gesundheit nicht das automatische Erlöschen der Genehmigung für die Paralleleinfuhr rechtfertigt, wenn der Schutz der öffentlichen Gesundheit, den die Arzneimittelüberwachung gewährleisten soll, durch andere Mittel wie eine Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten sichergestellt werden kann. Folglich ist es mit den Art. 28 EG und 30 EG unvereinbar, dass der Widerruf einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für sich genommen den Widerruf der Genehmigung für die Paralleleinfuhr des betreffenden Arzneimittels impliziert, wenn mit dem Fortbestand dieses Arzneimittels auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaats keine Gefahr für die menschliche Gesundheit verbunden ist (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Mai 2003, Paranova Läkemedel u. a., C‑15/01, Slg. 2003, I‑4175, Randnrn. 25 bis 28 und 33, und Paranova, C‑113/01, Slg. 2003, I‑4243, Randnrn. 26 bis 29 und 34; vgl. auch Urteil Ferring, oben in Randnr. 659 angeführt, Randnrn. 38 bis 40).
843 Die angefochtene Entscheidung enthält aber keinen Hinweis darauf, dass die Praxis der dänischen Behörden vor dem Erlass der genannten Urteile des Gerichtshofs darin bestanden hätte, nach dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen des betreffenden Produkts aus Gründen, die mit der öffentlichen Gesundheit in keinem Zusammenhang stehen, Genehmigungen für Paralleleinfuhren automatisch zu widerrufen. Unter diesen Umständen läuft das Vorbringen der Kommission, wonach vernünftigerweise davon auszugehen sei, dass zwischen dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark und dem Ausschluss des Parallelhandels in diesem Land ein Kausalzusammenhang bestehe, auf die Vermutung hinaus, dass die dänischen Behörden die Genehmigungen für Paralleleinfuhren – gegebenenfalls unter Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union – widerrufen hätten.
844 Hierzu macht die Kommission auf Fragen des Gerichts geltend, der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen habe in Bezug auf die Gültigkeit der Genehmigungen für Paralleleinfuhren der genannten Kapseln Rechtsunsicherheit geschaffen, so dass davon auszugehen sei, dass der Widerruf wettbewerbsbeschränkende Wirkung habe hervorrufen können. Es liege auf der Hand, dass die nationalen Behörden ohne den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen zweifellos die Fortsetzung des Parallelhandels mit Losec in Kapselform erlaubt hätten.
845 Wie jedoch oben in Randnr. 824 festgestellt worden ist, erfordert die Einstufung eines Verhaltens der hier in Rede stehenden Art, das in einem durch den Leistungswettbewerb nicht gedeckten Rückgriff auf regulatorische Verfahren besteht, als Missbrauch einer beherrschenden Stellung zumindest den Nachweis, dass das Verhalten unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.
846 Nach dem Urteil Coats Holdings und Coats/Kommission, oben in Randnr. 476 angeführt, Randnrn. 68 und 69, hat die Kommission greifbare Beweise beizubringen, die belegen, dass die nationalen Behörden im vorliegenden Fall angesichts des in Rede stehenden rechtlichen Rahmens aufgrund des vom Inhaber beantragten Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen des betreffenden Produkts geneigt waren, die Genehmigungen für Paralleleinfuhren zu widerrufen, oder sie gewöhnlich widerriefen.
847 In Bezug auf Dänemark hat die Kommission jedoch keinen Beweis beigebracht, der rechtlich hinreichend belegt, dass die dänischen Behörden unter Verstoß gegen die Art. 28 EG und 30 EG aufgrund des von AZ veranlassten Widerrufs ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen geneigt waren, die Genehmigungen für Paralleleinfuhren zu widerrufen. Überdies ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht einmal belegt hat, dass die dänischen Behörden die Genehmigungen für Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform widerrufen haben.
848 Angesichts des rechtlichen Rahmens im vorliegenden Fall kann das Memorandum vom 22. Oktober 1997 (siehe oben, Randnrn. 779 und 780), in dem unternehmensinterne Rechtsberater von AZ die Ansicht äußerten, dass „mehrere skandinavische Behörden generell [den] Standpunkt vertreten würden“, dass die Genehmigungen für Paralleleinfuhren nach dem Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht aufrechterhalten werden könnten (vgl. den 283. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), als Beweis nicht ausreichen. Das Dokument gibt nur die persönliche Ansicht bzw. die Erwartungen von Mitarbeitern der Rechtsabteilung von AZ in Bezug auf die Reaktion „mehrerer skandinavischer Behörden“ wieder, ohne jedoch zu belegen, dass die dänischen Behörden tatsächlich geneigt waren, die Genehmigungen für Paralleleinfuhren, potenziell unter Verstoß gegen die Art. 28 EG und 30 EG, infolge des von AZ veranlassten Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen aus Gründen zu widerrufen, die in keinem Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit standen. Dieses Dokument genügt ferner nicht als Beleg dafür, dass die Einstellung der Paralleleinfuhren in Dänemark ihren Grund in dem von AZ veranlassten Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform hatte.
849 Dem Dokument lässt sich allenfalls die Absicht von AZ entnehmen, die Paralleleinfuhren mit Hilfe des Widerrufs der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform auszuschließen. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Absicht eines marktbeherrschenden Unternehmens, den Wettbewerb mit Hilfe von Mitteln zu beschränken, die dem Leistungswettbewerb fremd sind, zwar bei der Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung berücksichtigt werden kann, doch muss diese Feststellung in erster Linie auf der objektiven Konstatierung eines Verhaltens beruhen, das unter Berücksichtigung seines Zusammenhangs geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.
850 Auch der Verweis auf ein Dokument der Geschäftsleitung von AZ Dänemark (311. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), in dem es heißt: „Im März 1998 wurde Losec MUPS eingeführt, und im April wurde Losec in Kapselform vom Markt genommen[, was] den Ausschluss sämtlicher Omeprazol-Paralleleinfuhren [bedeutete]“, kann nicht in rechtlich hinreichender Weise die Erwägung stützen, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform geeignet war, die Einstellung der Paralleleinfuhren herbeizuführen. In diesem Dokument wird nämlich kein Zusammenhang zwischen dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform und dem Ausschluss der Paralleleinfuhren hergestellt.
851 Dort wird allenfalls ein Zusammenhang zwischen der Verlagerung der von AZ getätigten Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS und dem Ausschluss der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform angedeutet. Die Klägerinnen machen aber gerade geltend, dass der Rückgang oder die Einstellung der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform auf die Abwanderung der Verbraucher zu Losec MUPS und damit auf den Rückgang des Verbrauchs von Losec in Kapselform zurückzuführen sei. Wie aus den Akten hervorgeht, war dies die Wirkung, die AZ mit ihrer Strategie, ihre Tätigkeiten auf den Verkauf von Losec MUPS zu verlagern, erreichen wollte.
852 Unter diesen Umständen wäre, da die angefochtene Entscheidung hierzu keine Angaben enthält und angesichts dessen, dass gar nicht erwiesen ist, dass die dänischen Behörden die Genehmigungen für Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform widerrufen haben, die Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark und der Einstellung der Paralleleinfuhren dieses Produkts in dieses Land mit dem vom Gericht im Urteil Coats Holdings und Coats/Kommission, oben in Randnr. 476 angeführt (Randnrn. 68 bis 70), bekräftigten Grundsatz unvereinbar, wonach Zweifel dem Adressaten der Entscheidung zugutekommen müssen, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird. Desgleichen durfte die Kommission angesichts der Urteile Paranova Läkemedel u. a. und Paranova, beide oben in Randnr. 842 angeführt, sowie Ferring, oben in Randnr. 659 angeführt, in Ermangelung einschlägiger Beweise nicht davon ausgehen, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen geeignet war, den Widerruf der Genehmigungen für Paralleleinfuhren in Dänemark herbeizuführen.
853 Die Kommission macht darüber hinaus geltend, die Klägerinnen hätten anerkannt, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Verbot des Parallelhandels durch die öffentlichen Stellen geführt habe. Ein solches ausdrückliches Anerkenntnis der Klägerinnen kann jedoch deren Schriftsätzen nicht entnommen werden und darf auch nicht im Umkehrschluss angenommen werden, da andernfalls die Gefahr bestünde, den Inhalt ihres Vorbringens zu entstellen oder gar zu verfälschen.
854 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Kommission, wonach die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen nicht bestritten, dass es ihr gelungen sei, einen Kausalzusammenhang zwischen den Widerrufen der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, Norwegen und Schweden und dem Rückgang der Paralleleinfuhren in diese Länder nachzuweisen. In ihren Schriftsätzen bestreiten die Klägerinnen nämlich sehr wohl, dass die Kommission diesen Kausalzusammenhang nachgewiesen hat.
855 Somit ist davon auszugehen, dass die Kommission nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark geeignet war, die Paralleleinfuhren dieses Produkts auszuschließen.
856 In Bezug auf Norwegen stellt die Kommission im 321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass die Paralleleinfuhren von Losec ab 1998 erheblich zurückgegangen seien, ohne allerdings ganz aufzuhören. Die norwegische Behörde habe die Fortsetzung der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform unter Bezugnahme auf die Genehmigung von AZ für das Inverkehrbringen von Losec MUPS gestattet, die ihrerseits auf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform beruht habe.
857 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Rhône-Poulenc Rorer und May & Baker, oben in Randnr. 622 angeführt (Randnr. 48), festgestellt hat, dass unter Umständen wie den vorliegenden die nationale Behörde eines Einfuhrmitgliedstaats eine Einfuhrgenehmigung für die erste Version eines Arzneimittels erteilen durfte, für das die Referenzgenehmigung für das Inverkehrbringen in diesem Staat widerrufen wurde, wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen der zweiten Version dieses Arzneimittels in diesem Einfuhrmitgliedstaat erteilt wurde. Im vorliegenden Fall fügt sich daher das Vorgehen der norwegischen Behörde, das darin bestand, die Fortsetzung der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform unter Bezugnahme auf die Genehmigung von AZ für das Inverkehrbringen von Losec MUPS zu genehmigen, in die vom Gerichtshof zugelassene Regelungspraxis ein.
858 Zwar gingen die Paralleleinfuhren, wie die Kommission im 321. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellt, in Norwegen erheblich zurück, doch kann im vorliegenden Fall aus den oben in den Randnrn. 842 und 846 genannten Gründen nicht vermutet werden, dass die Ursache hierfür der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in diesem Land war. Dass die norwegische Behörde die Genehmigungen für Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform aufrechterhielt, spricht im Übrigen dafür, dass die Ursache für den Rückgang der Paralleleinfuhren nicht zwangsläufig der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen war.
859 Aus den oben in Randnr. 852 dargelegten Gründen, wonach die Kommission die Beweise beizubringen hat, die das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung belegen, durfte die Kommission im vorliegenden Fall ohne Beweise somit weder davon ausgehen, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Norwegen aus Gründen, die mit der öffentlichen Gesundheit in keinem Zusammenhang standen, geeignet war, den Widerruf der Genehmigungen für Paralleleinfuhren dieses Produkts in Norwegen herbeizuführen, noch vermuten, dass der starke Rückgang der Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform durch den Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Produkts verursacht worden war.
860 Um den wettbewerbsbeschränkenden Charakter des betreffenden Verhaltens im Hinblick auf die Paralleleinfuhren zu beurteilen, musste die Kommission daher zumindest nachweisen, wie die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen für Paralleleinfuhren von den norwegischen Behörden in der Praxis gehandhabt wurden.
861 Infolgedessen hat die Kommission ebenso wenig in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass der Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Norwegen geeignet war, Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform auszuschließen.
862 Dagegen ist im Fall von Schweden unstreitig, dass die schwedische Arzneimittelbehörde davon ausging, dass Genehmigungen für Paralleleinfuhren nur bei Vorliegen gültiger Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt werden konnten (315. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Erwiesen ist auch, dass diese Behörde im Anschluss an den Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform die Einfuhrgenehmigungen widerrief, auch wenn die Genehmigung eines Parallelimporteurs um sechs Monate verlängert wurde (siehe oben, Randnr. 798). Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen geeignet war, die Paralleleinfuhren zu erschweren.
863 Dass die Kommission die Wirkung, die der Widerruf auf die Paralleleinfuhren hatte, nicht genau bestimmen kann, spielt für die Missbräuchlichkeit des Verhaltens keine Rolle, da es nachweislich geeignet war, die Paralleleinfuhren zu erschweren, und sie im vorliegenden Fall auch tatsächlich erschwert hat.
Ergebnis
864 Nach alledem hat die Kommission fehlerfrei angenommen, dass das Verhalten von AZ, das in der Veranlassung des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, Norwegen und Schweden in Verbindung mit der Verlagerung ihrer Verkäufe von Losec in Kapselform auf Losec MUPS in den genannten Ländern bestand, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellte, da es geeignet war, den Marktzugang der Generika in den genannten Ländern zu beschränken. Die Kommission hat auch keinen Fehler begangen, als sie annahm, dass dieses Verhalten in Schweden einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellte, da es geeignet war, die Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform in Schweden zu beschränken.
865 Dem zweiten Klagegrund ist jedoch stattzugeben, soweit mit ihm gerügt wird, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie davon ausgegangen sei, dass das beanstandete Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dargestellt habe, soweit es den Parallelhandel mit Losec in Kapselform beschränkt habe. Die Kommission hat nämlich nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass der Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform geeignet war, die Paralleleinfuhren von Losec in Kapselform in diesen beiden Ländern zu beschränken.
E – Zu den Geldbußen
1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
866 Die Klägerinnen beantragen, die Geldbußen von insgesamt 60 Mio. Euro für nichtig zu erklären oder erheblich herabzusetzen.
867 Sie tragen vor, Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) und Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) begrenzten die Befugnis der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG auf Handlungen, die innerhalb von fünf Jahren vor einer zu Ermittlungszwecken dienenden und AZ bekannt gegebenen Handlung begangen worden seien. AZ sei aber über die von der Kommission in dieser Sache durchgeführte Untersuchung erstmals am 24. Februar 2000 informiert worden. Folglich könne die Kommission eine Geldbuße nur für ein Verhalten verhängen, das nachweislich nach Februar 1995 erfolgt sei.
868 Zum ersten beanstandeten Missbrauch einer beherrschenden Stellung führen die Klägerinnen aus, nach Auffassung der Kommission habe das streitige Verhalten in Belgien und den Niederlanden zwischen dem 7. Juni 1993 und dem 31. Dezember 2000, in Dänemark zwischen dem 7. Juni 1993 und dem 30. November 1994, in Deutschland zwischen dem 7. Juni 1993 und dem 31. Dezember 1997, in Norwegen zwischen dem 21. Dezember 1994 und dem 31. Dezember 2000 und im Vereinigten Königreich zwischen dem 7. Juni 1993 und dem 16. Juni 1994 stattgefunden. Das als zweiter Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestufte Verhalten habe sich in Dänemark vom 19. März 1998 bis zum 31. Dezember 1999, in Norwegen vom 1. November 1998 bis zum 31. Dezember 2000 und in Schweden vom 20. August 1998 bis zum 31. Dezember 2000 erstreckt.
869 Bezüglich des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung liege somit zwischen dem Ende der zur Last gelegten Zuwiderhandlung und der ersten Maßnahme, die die Kommission im Rahmen der Untersuchung ergriffen habe, im Fall von Dänemark ein Zeitraum von fünf Jahren und drei Monaten und im Fall des Vereinigten Königreichs ein Zeitraum von fünf Jahren und acht Monaten, so dass es der Kommission verwehrt sei, gegen AZ wegen ihres Verhaltens in diesen Ländern eine Geldbuße festzusetzen. Für das ihr in Deutschland und in Norwegen zur Last gelegte Verhalten in der dritten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung, das nach Februar 1995 erfolgt sein und in irreführenden Darstellungen gegenüber den Gerichten bestanden haben solle, sei kein Beweis erbracht worden.
870 Die Kommission stufe die gerügten Missbräuche als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ein, um zu verhindern, dass die Verjährungsvorschriften die Festsetzung von Geldbußen wegen des in Dänemark und im Vereinigten Königreich vorgeworfenen Sachverhalts ausschlössen. Eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung setze voraus, dass verschiedene Handlungen dasselbe wettbewerbswidrige Ziel verfolgten, dass in den verschiedenen Fällen ähnliche Instrumente und Mechanismen angewandt würden und dass das betreffende Unternehmen in allen Fällen Kenntnis von den Tatbestandsmerkmalen der Zuwiderhandlung gehabt habe (Entscheidung der Kommission vom 26. Mai 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] gegen The Topps Company Inc, Topps Europe Limited, Topps International Limited, Topps UK Limited und Topps Italia SRL [COMP/C‑3/37.980 – Souris/Topps], 130. Erwägungsgrund, Zusammenfassung veröffentlicht im Amtsblatt vom 13. Dezember 2006 [ABl. L 353, S. 5], und Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).
871 AZ habe aber zum einen mit dem Verhalten hinsichtlich des ihr zur Last gelegten ersten und zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung nicht dasselbe wettbewerbswidrige Ziel verfolgt. Dabei werde nicht behauptet, dass die Feststellung des gleichen wettbewerbswidrigen Verhaltens ausgeschlossen sei, wenn der geltend gemachte Missbrauch einer beherrschenden Stellung in verschiedenen Ländern stattfinde. Zum anderen hätten die beteiligten Gesellschaften von AZ nicht alle Tatbestandsmerkmale der Missbräuche einer beherrschenden Stellung gekannt, da ihr Verhalten nicht auf einer Verständigung mit anderen Konzerngesellschaften oder auf Weisungen der Zentrale mit dem Ziel der Umsetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beruht habe. Im Übrigen habe die Kommission eingeräumt, dass die fraglichen Zuwiderhandlungen neu und nicht klar umrissen gewesen seien (908. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Sie habe eingeräumt, dass die Tatbestandsmerkmale des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung – die Entwicklung der Losec MUPS-Tabletten, ihre Markteinführung und die Rücknahme von Losec in Kapselform, die Anträge auf Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels (792. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) sowie das Erlöschenlassen einer Genehmigung für das Inverkehrbringen – normalerweise keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellten. Die Kommission habe auch die von AZ herangezogene Auslegung der Rechtsvorschriften, die im Rahmen der beiden Missbräuche einer beherrschenden Stellung einschlägig seien, nicht beanstandet (Erwägungsgründe 666 und 830 der angefochtenen Entscheidung). Unter diesen Umständen könne die Kommission nicht geltend machen, dass AZ Kenntnis von allen Tatbestandsmerkmalen der beiden in Rede stehenden Missbräuche einer beherrschenden Stellung gehabt habe.
872 In ihrer Erwiderung führen die Klägerinnen überdies aus, die Frage, ob die in Rede stehenden Missbräuche einer beherrschenden Stellung eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten, sei von entscheidender Bedeutung dafür, ob die Kommission berechtigt sei, die Zurechnung der Verantwortung für diese Handlungen und damit infolgedessen die Verhängung einer Geldbuße auf die Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes zu stützen.
873 Zudem hätte die Kommission angesichts des Umstands, dass die im vorliegenden Fall gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung, wie die Kommission im 922. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung anerkannt habe, neuartig seien, keine Geldbuße verhängen dürfen.
874 Die gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung könnten nicht als schwerwiegend angesehen werden. Dabei sei wiederum insbesondere zu berücksichtigen, dass die Kommission eingeräumt habe, dass die gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung neuartig (Erwägungsgründe 904, 908 und 922 der angefochtenen Entscheidung) und nicht klar umrissen seien (908. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), dass die Kommission gegen die von AZ herangezogene Auslegung der Rechtsvorschriften keine Einwände erhebe (803. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und dass die Auswirkungen der Zuwiderhandlungen auf den Markt nicht genau festgestellt werden könnten (Erwägungsgründe 911 und 913 der angefochtenen Entscheidung). In der Entscheidung 2001/892/EG der Kommission vom 25. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/C‑1/36.915 – Deutsche Post AG – Aufhaltung grenzüberschreitender Postsendungen) (ABl. L 331, S. 40) sei die Neuartigkeit des in Rede stehenden Missbrauchs einer beherrschenden Stellung berücksichtigt worden. Dass es im amerikanischen Recht „Präzedenzfälle“ gebe, sei unerheblich; entscheidend sei vielmehr, dass die gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung im Gemeinschaftsrecht neu seien.
875 Die Behauptung der Kommission, dass die Neuartigkeit der Missbräuche einer beherrschenden Stellung in der angefochtenen Entscheidung insofern berücksichtigt worden sei, als die Zuwiderhandlungen als „schwerwiegend“ und nicht als „besonders schwerwiegend“ qualifiziert worden seien, gehe fehl; im 913. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung werde weder die Neuartigkeit der Missbräuche erwähnt noch auf die Qualifizierung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwerwiegend“ Bezug genommen, von der ausgehend eine Rückstufung vorgenommen worden sein solle.
876 Die Kommission habe nicht für jede Gesellschaft und für jeden der angeblichen Missbräuche einer beherrschenden Stellung den Grundbetrag angegeben und AZ dadurch daran gehindert, die Beträge entsprechend der Dauer der Missbräuche und der erschwerenden und mildernden Umstände zu bewerten. Da die Kommission zu dem Ergebnis gelangt sei, dass AZ eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen habe, dürfe die festgesetzte Geldbuße 20 Mio. Euro nicht übersteigen (Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 § 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden [ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen], Nr. 1 A). Sollte die Kommission die Obergrenze des Grundbetrags bei jedem der gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung ausgeschöpft haben, wäre dieser angesichts der Neuartigkeit der Missbräuche unverhältnismäßig.
877 Die Kommission behaupte zudem im 904. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht, dass AZ bei ihrem Verhalten die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt habe, denn AZ habe nur legale Mittel eingesetzt, und in den Erwägungsgründen 666 und 830 der angefochtenen Entscheidung werde eingeräumt, dass ihre Auslegung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf gutem Glauben beruht habe. Falsch sei auch die Behauptung, dass AZ nach dem Zusammenschluss im April 1999 Kenntnis von den gerügten Zuwiderhandlungen gehabt habe. Insoweit sei auf die Nrn. 18 bis 21 der Aussage von Herrn G., dem Verfasser der Vermerke über die Tagung im Januar 2000, auf die sich die Kommission in den Erwägungsgründen 886 und 890 der angefochtenen Entscheidung stütze, sowie auf Nr. 63 der Aussage von Herrn P. und die Nrn. 18 bis 20 der Aussage von Dr. N zu verweisen. Diese Beweise dürfe die Kommission nicht außer Acht lassen, denn nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen liege ein mildernder Umstand vor, wenn es sich um „fahrlässige, unvorsätzlich begangene Verstöße“ handele.
878 In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung sei die Begründung der Kommission auch lückenhaft. Die Kommission habe offenbar jeden der angeblichen Missbräuche einer beherrschenden Stellung hinsichtlich ihrer Dauer unterschiedlich beurteilt, während dies hinsichtlich der Schwere nicht der Fall gewesen sei (Erwägungsgründe 917, 918 und 946 der angefochtenen Entscheidung).
879 Im 918. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission festgestellt, dass der erste gerügte Missbrauch einer beherrschenden Stellung seine wesentlichen Wirkungen erst mit Ablauf der Patente habe entfalten können. Die ergänzenden Schutzzertifikate seien aber nur in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Norwegen erteilt worden und erst im April 1999 in Kraft getreten. Die Missbräuche einer beherrschenden Stellung hätten folglich nicht vor diesem Zeitpunkt stattfinden können. Auch habe Astra zu diesem Zeitpunkt in den drei ersten der vorstehend genannten Länder keine beherrschende Stellung mehr innegehabt, und im Fall von Norwegen sei das ergänzende Schutzzertifikat nur zwei Monate in Kraft gewesen, und dies zu einer Zeit, als der Wettbewerb aufgrund eines Herstellungspatents ohnehin ausgeschlossen gewesen sei.
880 Die Kommission sei im 918. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass für die Zeit vor 1998 eine Erhöhung um 5 % für jedes volle Jahr und um 2,5 % für Zeiträume zwischen sechs Monaten und einem Jahr vorzunehmen sei und für die Zeit nach 1998 eine Erhöhung um 10 % für jedes volle Jahr und um 5 % für Zeiträume zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Die Berechnungen der Kommission seien daher falsch. Der Gesamtbetrag der Geldbuße belaufe sich nämlich für den gerügten Missbrauch einer beherrschenden Stellung in Bezug auf die ergänzenden Schutzzertifikate vor 1998 auf 9 Mio. Euro, für den gerügten Missbrauch in Bezug auf die ergänzenden Schutzzertifikate nach 1998 auf 12 Mio. Euro und für den gerügten Missbrauch einer beherrschenden Stellung in Bezug auf das MUPS nach 1998 auf 10 Mio. Euro. Die Gesamtsumme bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlungen betrage folglich 31 Mio. Euro. Berücksichtige man ferner den von der Kommission in den Erwägungsgründen 919 und 920 der angefochtenen Entscheidung gezogenen Schluss, dass eine Erhöhung um 50 % für AstraZeneca AB und um 15 % für AstraZeneca plc nach dem 6. April 1999 vorzunehmen sei, belaufe sich die von AstraZeneca plc geschuldete Gesamtsumme auf 12 Mio. Euro. Für beide Klägerinnen zusammen ergebe sich somit eine Gesamtsumme von 43 Mio. Euro für die Dauer der ihnen zur Last gelegten Zuwiderhandlungen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Kommission zu dem Endbetrag von 60 Mio. Euro gelangt sei.
881 Die Kommission hätte außerdem das Vorliegen mildernder Umstände anerkennen müssen. Bezüglich des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung stelle die Kommission die Auslegung der Verordnung Nr. 1768/92 durch AZ nicht in Frage (666. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Auch bezüglich des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung habe die Kommission weder die Auslegung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch AZ noch die Tatsache in Frage gestellt, dass die Richtlinie 65/65 den Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht verpflichte, diese aufrechtzuerhalten (832. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission habe zudem eingeräumt, dass die Markteinführung und die Marktrücknahme eines Arzneimittels sowie der Antrag auf Widerruf der Genehmigung für das Inverkehrbringen für sich genommen normalerweise nicht als missbräuchlich angesehen würden (Erwägungsgründe 792 und 793 der angefochtenen Entscheidung). Sie habe schließlich zugegeben, dass die beiden gerügten Missbräuche einer beherrschenden Stellung neuartig seien (Erwägungsgründe 908 und 922 der angefochtenen Entscheidung).
882 Darüber hinaus treffe es nicht zu, dass AZ sich ein Jahr lang geweigert habe, einem Auskunftsverlangen nachzukommen; zudem habe AZ Informationen übermittelt, die nicht angefordert worden seien. Die Zusammenarbeit von AZ bei der Untersuchung hätte daher als mildernder Umstand gewertet werden müssen.
883 Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerinnen für nicht stichhaltig.
2. Würdigung durch das Gericht
884 Einleitend ist festzustellen, dass die Klägerinnen zwar im Rahmen ihres Vorbringens in der Klageschrift und der Erwiderung das Gericht auch ersuchen, die Geldbußen herabzusetzen, jedoch keinen förmlichen Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen gestellt haben. Dieses Versäumnis der Klägerinnen verwehrt es dem Gericht jedoch nicht, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Geldbußen auszuüben. Das Gericht ist nämlich auch dann, wenn kein förmlicher Antrag gestellt wird, zur Herabsetzung einer unangemessen hohen Geldbuße befugt; dies wäre nicht ultra petita, sondern liefe darauf hinaus, der Klage teilweise stattzugeben (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1957, ALMA/Hohe Behörde, 8/56, Slg. 1957, 191, 202; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnrn. 22 und 164).
885 Die Klägerinnen beanstanden die Höhe der Geldbußen mittels vier Rügen, die auf die Verjährung bestimmter ihnen zur Last gelegter Handlungen, die Schwere der Zuwiderhandlungen, deren Dauer und schließlich auf mildernde Umstände gestützt werden.
886 Was erstens die Rüge bezüglich der Verjährung von AZ zur Last gelegten Handlungen angeht, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 der Verordnung Nr. 2988/74 die Befugnis der Kommission, wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln Geldbußen festzusetzen, in fünf Jahren verjährt, wobei die Verjährung bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen erst mit dem Tag beginnt, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist. Aus Art. 2 der Verordnung ergibt sich, dass die Verfolgungsverjährung durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission unterbrochen wird, wobei die Unterbrechung mit dem Tag eintritt, an dem die Handlung mindestens einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bekanntgegeben wird.
887 Wie die Klägerinnen vortragen und die Kommission nicht in Abrede stellt, wurden sie am 24. Februar 2000 erstmals über die Untersuchung der Kommission informiert. Die Kommission kann folglich gegen AZ keine Geldbuße wegen einer Zuwiderhandlung festsetzen, die spätestens am 23. Februar 1995 beendet war. Daher ist zu prüfen, ob die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen vor dem 24. Februar 1995 beendet waren.
888 Hierzu stellt die Kommission im 916. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung in Belgien, den Niederlanden und Norwegen bis Ende 2000, in Deutschland bis Ende 1997, in Dänemark bis zum 30. November 1994 und im Vereinigten Königreich bis zum 16. Juni 1994 gedauert habe. In Bezug auf den zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung vertritt die Kommission im 917. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Ansicht, dass er in Dänemark bis Ende 1999 und in Norwegen und Schweden bis Ende 2000 gedauert habe.
889 Da nur die Handlungen, die AZ im Rahmen des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Dänemark und im Vereinigten Königreich vornahm, vor dem 24. Februar 1995 beendet waren, nämlich am 3. November bzw. am 16. Juni 1994, kann der Klagegrund einer Verjährung der AZ zur Last gelegten Handlungen nur in Bezug auf die Handlungen von Belang sein, die AZ im Rahmen des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Dänemark und im Vereinigten Königreich vornahm.
890 In der angefochtenen Entscheidung ging die Kommission jedoch davon aus, dass sich der einheitliche und fortgesetzte Charakter des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung aus dem das missbräuchliche Verhalten kennzeichnenden hohen Maß an Zentralisierung und Koordinierung ergeben habe. Ferner stellte sie fest, dass die irreführenden Darstellungen von AZ in den verschiedenen Ländern in Wechselwirkung zueinander gestanden hätten, da das Verhalten von AZ in einem Mitgliedstaat des EWR zumindest potenziell ihren Schutz durch ergänzende Schutzzertifikate sowie ihre Chancen auf Erlangung ergänzender Schutzzertifikate in anderen Mitgliedstaaten des EWR beeinträchtigt habe. Der Schutz durch ergänzende Schutzzertifikate, den AZ in Belgien, Norwegen und den Niederlanden erhalten habe, sei daher an den Ausgang der vor den deutschen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten geknüpft gewesen (vgl. den 775. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem hätten die belgischen, dänischen, niederländischen und norwegischen Arzneimittelbehörden die Arzneimittelpreise anhand eines Vergleichs der in den verschiedenen Ländern geltenden Preise festgesetzt. Das Preisniveau in einem Land habe daher das Preisniveau in den anderen Ländern beeinflussen können (776. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
891 Die Klägerinnen bestreiten jedoch, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung einheitlichen und fortgesetzten Charakter gehabt habe, und vertreten die Auffassung, dass die Kommission wegen des Verhaltens von AZ in Dänemark und im Vereinigten Königreich keine Geldbuße habe festsetzen dürfen.
892 Hierzu ist festzustellen, dass sich der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf eine Reihe von Handlungen bezieht, die sich wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen Gesamtplan einfügen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 870 angeführt, Randnr. 258). Sollen verschiedene Handlungen als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden, ist zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern eine Komplementaritätsverbindung besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung der im Rahmen dieses Gesamtplans verfolgten Ziele beiträgt. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung belegen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und, damit korrelierend, das Ziel der verschiedenen in Rede stehenden Handlungen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnrn. 179 und 181).
893 Wie aus den vorstehenden Randnrn. 591 bis 599 hervorgeht, zeigte AZ im vorliegenden Fall ein dauerhaft konstantes Verhalten, das durch irreführende Darstellungen gegenüber den Patentämtern gekennzeichnet war, um die Erteilung ergänzender Schutzzertifikate zu erreichen, auf die sie entweder keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hatte. Aus der Prüfung des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung ergibt sich, dass dem Verhalten von AZ eine von ihren Führungsorganen ausgearbeitete Strategie zugrunde lag; diese Organe leiteten, nachdem sie festgestellt hatten, dass die Erlangung ergänzender Schutzzertifikate in Deutschland und Dänemark vermutlich nicht möglich sein würde, die Sammlung von Informationen in die Wege und fassten schließlich den Beschluss, die Patentanwälte mit der Übermittlung irreführender Darstellungen bezüglich des Zeitpunkts der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen von Omeprazol an die nationalen Patentämter zu betrauen (siehe oben, Randnrn. 479 bis 489, und insbesondere die Entscheidung von Hässle vom 6. Mai 1993). Aus verschiedenen Aktenstücken, unter ihnen das Telefax vom 11. Oktober 1996 des Leiters der Patentabteilung an die niederländische Vertriebsgesellschaft (siehe oben, Randnr. 528) und der Bericht über eine Tagung am 15. November 1994 in Kopenhagen (siehe oben, Randnr. 551), geht zudem hervor, dass AZ absichtlich eine Strategie anwandte, mit der die nationalen Patentämter über den ersten Zeitpunkt der für Omeprazol erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen getäuscht werden sollten, um ergänzende Schutzzertifikate in Deutschland und Dänemark zu erlangen.
894 Aus der Prüfung des zweiten im Rahmen des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geltend gemachten Klagegrundes geht ferner klar hervor, dass AZ zum einen in allen betreffenden Ländern einschließlich derjenigen, in denen kein Hindernis für die Erlangung ergänzender Schutzzertifikate bestand, irreführende Darstellungen vorlegte, um ihren Darstellungen den Anschein von Kohärenz zu verleihen. Zum anderen beschloss AZ, ihren Standpunkt in Dänemark nicht zu verteidigen, um ihre Argumente für den Rechtsstreit in Deutschland aufzusparen. AZ nahm nämlich ihre Zertifikatsanmeldung in Dänemark zurück, um keinen ablehnenden Bescheid zu erhalten und damit einen Präzedenzfall zu schaffen, der ihre Chancen auf Erlangung eines ergänzenden Schutzzertifikats in Deutschland hätte schmälern können (siehe oben, Randnrn. 552 bis 554). Dass der Leiter der Patentabteilung es für erforderlich hielt, den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland gleichlautende Schreiben vom 8. Mai 1998 zu übermitteln, um sie über das laufende Verfahren in Deutschland zu informieren, bestätigt im Übrigen, dass nach Auffassung von AZ der Ausgang dieses Rechtsstreits auch für ihre ergänzenden Schutzzertifikate in den anderen Mitgliedstaaten von Bedeutung war (vgl. auch den 227. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).
895 In Anbetracht dessen hat die Kommission den Sachverhalt nicht falsch bewertet, als sie die Auffassung vertrat, dass die Handlungen von AZ in Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten. Diese Handlungen dienten in den verschiedenen Ländern nämlich der Erlangung ergänzender Schutzzertifikate, auf die AZ entweder keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hatte. Die irreführenden Darstellungen gegenüber den verschiedenen nationalen Behörden standen zudem in gewissem Umfang in Wechselwirkung zueinander, da die Reaktionen des Patentamts oder der Gerichte eines Landes sich auf das Verhalten der Behörden in den anderen Ländern auswirken und damit die Inhaberschaft ergänzender Schutzzertifikate durch AZ in diesen Ländern beeinflussen konnten.
896 Die Klägerinnen tragen im Übrigen nichts vor, was diese Feststellungen in Frage stellen könnte. So ist zunächst ihr Vorbringen unerheblich, soweit es darauf gerichtet ist, den einheitlichen und fortgesetzten Charakter des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Abrede zu stellen, da, wie sich aus der vorstehenden Randnr. 889 ergibt, Verjährung auf keinen Fall ein Hindernis für die Festsetzung einer Geldbuße wegen der zum zweiten Missbrauch gehörenden Handlungen sein kann.
897 Sodann wäre der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass die Gesellschaften von AZ nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung gekannt hätten, – seinen Nachweis unterstellt – unerheblich, da dargetan worden ist, dass die Patentabteilung und Hässle in Kenntnis der Sachlage die auf den irreführenden Darstellungen beruhende Strategie entwickelt hatten und in den betreffenden Ländern den Lauf der Ereignisse genau verfolgten.
898 Schließlich stellt, wie die Kommission geltend macht, das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen im Stadium der Erwiderung den einheitlichen und fortgesetzten Charakter der Zuwiderhandlung in Abrede gestellt haben, um die Zurechnung für die als Ganzes gesehene Zuwiderhandlung zu Fall zu bringen, abgesehen davon, dass es ihm an Klarheit mangelt, neues Vorbringen dar und ist daher nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung für unzulässig zu erklären.
899 Nach alledem ist die erste, auf die Verjährung der AZ zur Last gelegten Handlungen gestützte Rüge zurückzuweisen.
900 Was zweitens die Rüge angeht, dass es an einer schwerwiegenden Zuwiderhandlung fehle, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die beiden Missbräuche einer beherrschenden Stellung erklärtermaßen darauf abzielten, die Wettbewerber vom Markt fernzuhalten.
901 Der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung stellt, soweit er in irreführenden Darstellungen bestand, die vorsätzlich abgegeben wurden, um ausschließliche Rechte zu erlangen, auf die AZ keinen oder nur für einen kürzeren Zeitraum einen Anspruch hatte, offensichtlich eine schwerwiegende Zuwiderhandlung dar. Dass es sich dabei um eine neue Form des Missbrauchs handelt, kann diese Erwägung angesichts der offenkundigen Unvereinbarkeit solcher Praktiken mit dem Leistungswettbewerb nicht in Frage stellen. Im Übrigen befreit, wie die Kommission ausführt, die Tatsache, dass ein Verhalten mit diesen Merkmalen in früheren Entscheidungen noch nicht geprüft worden ist, das Unternehmen nicht von seiner Verantwortung (vgl. in diesem Sinne Urteil Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 107). Was den zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung angeht, so ist ebenfalls erwiesen, dass die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen Hindernisse für den Marktzugang von Generika in Dänemark, Norwegen und Schweden und für Paralleleinfuhren in Schweden schaffen und damit den Gemeinsamen Markt aufspalten sollten.
902 Auch wenn die im Rahmen des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung beanstandeten Praktiken nicht immer die von AZ erwarteten Wirkungen hervorbrachten und die Kommission nicht genau feststellen konnte, inwieweit der zweite Missbrauch einer beherrschenden Stellung den Wettbewerb auf den relevanten Märkten einschränkte, waren die Praktiken ihrer Natur nach insofern ausgeprägt wettbewerbswidrig, als sie geeignet waren, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu beeinträchtigen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, bei der Bemessung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als solche, die dessen Wirkungen betreffen (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 636, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 259).
903 Nach alledem und angesichts der beträchtlichen Einnahmen, die in den fraglichen Ländern mit Losec erzielt wurden, das, wie die Kommission im 914. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, mehrere Jahre hindurch das weltweit meistverkaufte Arzneimittel war, besteht kein Anlass, die Einstufung der in Rede stehenden Missbräuche einer beherrschenden Stellung als schwerwiegende Zuwiderhandlungen zu ändern. Der von der Kommission im 908. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Umstand, dass die fraglichen Missbräuche einer beherrschenden Stellung neuartig waren und keine charakteristischen Missbräuche darstellten, ändert daran nichts.
904 Der von der Kommission anhand der Schwere der beiden in Rede stehenden Missbräuche einer beherrschenden Stellung festgesetzte Ausgangsbetrag beläuft sich auf 40 Mio. Euro (915. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, in dem irrtümlich vom „Grundbetrag“ gesprochen wird). Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen bestimmen insoweit, dass ein Betrag von 20 Mio. Euro je Zuwiderhandlung angesetzt werden kann. Auch wenn die Kommission dies nicht ausdrücklich erläutert hat, besteht kein Zweifel, dass sie den genannten Betrag verdoppelte, da zwei Missbräuche einer beherrschenden Stellung festgestellt wurden.
905 Da, wie oben in den Randnrn. 840 bis 861 ausgeführt, die Kommission nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen, um die es im Rahmen des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geht, geeignet waren, die Paralleleinfuhren in Dänemark und in Norwegen zu verhindern oder zu beschränken, ist der Ausgangsbetrag entsprechend herabzusetzen. Nachdem die Kommission für den zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung einen Ausgangsbetrag von 20 Mio. Euro festgesetzt hat, hält das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine Herabsetzung dieses Ausgangsbetrags auf 15 Mio. Euro für angemessen. Die Gesamtsumme des Ausgangsbetrags der Geldbuße für die beiden Missbräuche einer beherrschenden Stellung beläuft sich daher auf 35 Mio. Euro anstelle des von der Kommission angesetzten Betrags von 40 Mio. Euro.
906 Die Klägerinnen können der Kommission jedenfalls nicht vorwerfen, nicht genau angegeben zu haben, welchen Ausgangsbetrag sie gegen welche Gesellschaft für welchen Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgesetzt habe. Die Kommission ist weder verpflichtet, den Betrag der Geldbuße nach den verschiedenen Teilen des Missbrauchs aufzuschlüsseln, noch muss sie im Einzelnen darlegen, wie sie jedes der beanstandeten missbräuchlichen Elemente bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt hat (Urteile vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, oben in Randnr. 671 angeführt, Randnr. 236, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 265). Die Kommission darf ferner nicht durch den mechanischen und ausschließlichen Rückgriff auf mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 76).
907 Was drittens die auf die Dauer der Zuwiderhandlungen gestützte Rüge angeht, so ging die Kommission davon aus, dass zwischen 1993 und 1998 nur der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung stattgefunden habe und dass dieser normalerweise Wirkungen erst zu einem späteren Zeitpunkt – mit Ablauf der Patente – habe erzeugen können, auch wenn nicht ausgeschlossen sei, dass Wirkungen schon zuvor hätten entstehen können. Die Kommission beschloss daher, für die Zeit vor 1998 einen Erhöhungssatz von 5 % für jedes volle Jahr und von 2,5 % für Zeiträume zwischen sechs Monaten und einem Jahr anzuwenden. Für den restlichen in Rede stehenden Zeitraum (1998 bis 2000) beschloss sie, einen Erhöhungssatz von 10 % für jedes volle Jahr und von 5 % für Zeiträume zwischen sechs Monaten und einem Jahr anzuwenden. Überdies berücksichtigte sie, dass AstraZeneca plc für die Zuwiderhandlungen erst ab 6. April 1999 verantwortlich zu machen war. Auf den gegen AstraZeneca AB und AstraZeneca plc festgesetzten Ausgangsbetrag von 40 Mio. Euro wandte sie daher einen Erhöhungssatz von 50 % für AstraZeneca AB und von 15 % für AstraZeneca plc an (vgl. Erwägungsgründe 918 bis 920 der angefochtenen Entscheidung).
908 Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung bestätigt, folgt hieraus, dass für die Jahre 1994, 1995, 1996 und 1997 eine Erhöhung um je 5 % vorgenommen wurde, woraus sich eine kumulierte Erhöhung um 20 % für die Zeit von 1994 bis 1997 ergibt. Für die Jahre 1998, 1999 und 2000 wurde sodann eine Erhöhung um je 10 % vorgenommen, was zu einer kumulierten Erhöhung um 30 % für die Zeit von 1998 bis 2000 führt. Für die Zeit von 1994 bis 2000 wurde somit eine Erhöhung um insgesamt 50 % vorgenommen. Da AstraZeneca plc erst für die Zeit ab 6. April 1999 verantwortlich gemacht wird, erfasst die auf sie anwendbare Erhöhung die Zeit von April 1999 bis 31. Dezember 2000 und beläuft sich daher auf 15 %. Die übrigen 35 % sind folglich allein von AstraZeneca AB zu tragen.
909 Da 15 % von 40 Mio. Euro einen Betrag von 6 Mio. Euro ergeben, setzte die Kommission gegen die beiden Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen einen Betrag von 46 Mio. Euro fest. Darüber hinaus wurden 14 Mio. Euro, d. h. 35 % von 40 Mio. Euro, allein gegen AstraZeneca AB verhängt.
910 Obwohl die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht in dieser Ausführlichkeit darlegt, wie sie zu den Beträgen von 46 Mio. Euro und 14 Mio. Euro gelangte, ist das Gericht nicht der Ansicht, dass sie gegen ihre Begründungspflicht verstoßen hat, da sich anhand der Angaben in der angefochtenen Entscheidung nachvollziehen lässt, wie sie zu den Endbeträgen von 46 Mio. und 14 Mio. Euro gelangt ist.
911 Das Gericht ist nicht der Ansicht, dass die von der Kommission angewandte Methode, die der Tatsache Rechnung trägt, dass der zweite Missbrauch einer beherrschenden Stellung erst im März 1998 begann, geändert werden muss. Das Vorbringen der Klägerinnen, wonach andere Berechnungsmodalitäten anzuwenden seien, ist somit zurückzuweisen. Was das Vorbringen betrifft, die Kommission habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der erste Missbrauch einer beherrschenden Stellung keine Auswirkungen gehabt habe, so ist erneut daran zu erinnern, dass Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, bei der Bemessung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als solche, die seine Wirkungen betreffen (Urteile Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 902 angeführt, Randnr. 636, und Michelin/Kommission, oben in Randnr. 334 angeführt, Randnr. 259).
912 Ferner hat der von der Kommission begangene Rechtsfehler, der darin bestand, dass als Beginn des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung der Zeitpunkt zugrunde gelegt wurde, zu dem den Patentanwälten die Weisungen für die Zertifikatsanmeldungen bei den Patentämtern erteilt wurden (siehe oben, Randnrn. 370 bis 372), keine Auswirkungen auf die nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlungen angewandten Erhöhungssätze. Der Zeitraum zwischen dem 7. Juni und dem 31. Dezember 1993 wurde nämlich von der Kommission bei der Berechnung der Erhöhungssätze ersichtlich ohnehin nicht berücksichtigt.
913 Da das Gericht beschlossen hat, den Ausgangsbetrag auf 35 Mio. Euro herabzusetzen, weil die Kommission nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass die Widerrufe der Genehmigungen für das Inverkehrbringen, um die es im Rahmen des zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung geht, geeignet waren, die Paralleleinfuhren in Dänemark und in Norwegen zu verhindern oder zu beschränken, sind die oben in Randnr. 908 genannten Erhöhungssätze auf diesen Betrag anzuwenden. Infolgedessen ist gegen die beiden Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen eine Geldbuße von 40 250 000 Euro und gegen AstraZeneca AB allein eine Geldbuße von 12 250 000 Euro zu verhängen.
914 Was viertens die Rüge angeht, die mildernde Umstände betrifft, so wiederholen die Klägerinnen Argumente, die bei der Prüfung der Missbräuche einer beherrschenden Stellung oder der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt worden sind. Die Klägerinnen belegen zudem nicht ihre Behauptung, wonach ihre Mitwirkung im Verwaltungsverfahren die Anwendung mildernder Umstände rechtfertige. Diese Rüge ist somit zurückzuweisen.
Kosten
915 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.
916 Die Kommission beantragt, den Klägerinnen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem Gericht sämtliche Kosten aufzuerlegen. Sie ist nämlich der Auffassung, dass erstens die Schriftsätze unnötig lang gewesen seien, dass sie zweitens zahlreiche „Aussagen“ habe prüfen müssen, die als Beweismittel möglicherweise unzulässig seien, und dass drittens die Klägerinnen sowohl die angefochtene Entscheidung als auch die Klagebeantwortung verzerrt wiedergegeben hätten.
917 Die Schriftsätze der Klägerinnen hätten im vorliegenden Fall zwar weniger umfangreich ausfallen können, doch haben sie nach Ansicht des Gerichts das gerichtliche Verfahren nicht in missbräuchlicher Weise erschwert (vgl. in diesem Sinne Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnrn. 1646 und 1647). Unter diesen Umständen ist dem Antrag der Kommission in diesem Punkt nicht stattzugeben.
918 Im vorliegenden Fall sind die Klägerinnen unterlegen, soweit sie beantragt haben, die gesamte angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären. Die Kommission ist unterlegen, soweit sie beantragt hat, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
919 Im Verfahren zur Hauptsache ist unter diesen Umständen eine Kostenteilung vorzunehmen. Die Klägerinnen tragen 90 % ihrer eigenen Kosten und 90 % der Kosten der Kommission mit Ausnahme der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Streithilfe der EFPIA entstanden sind. Die Kommission trägt 10 % ihrer eigenen Kosten und 10 % der Kosten der Klägerinnen.
920 Die EFPIA trägt ihre eigenen Kosten. Da die Kommission nicht beantragt hat, der EFPIA die mit ihrer Streithilfe zusammenhängenden Kosten aufzuerlegen, sind diese von der EFPIA nicht zu tragen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung C(2005) 1757 final der Kommission vom 15. Juni 2005 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/A.37.507/F3 — AstraZeneca) wird für nichtig erklärt, soweit der AstraZeneca AB und der AstraZeneca plc darin zur Last gelegt wird, dadurch gegen Art. 82 EG und Art. 54 des EWR-Abkommens verstoßen zu haben, dass sie in Dänemark und Norwegen den Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform parallel zur Rücknahme von Losec in Kapselform vom Markt und zum Inverkehrbringen von Losec MUPS-Tabletten in diesen beiden Ländern beantragten, soweit davon ausgegangen wurde, dass diese Handlungen geeignet waren, Paralleleinfuhren von Losec-Tabletten in diese Länder zu beschränken.
2. Die in Art. 2 der Entscheidung gegen die AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße wird auf 40 250 000 Euro festgesetzt und die in diesem Artikel gegen die AstraZeneca AB verhängte Geldbuße auf 12 250 000 Euro.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc tragen 90 % ihrer eigenen Kosten und 90 % der Kosten der Europäischen Kommission mit Ausnahme der Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Streithilfe der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) entstanden sind.
5. Die EFPIA trägt ihre eigenen Kosten.
6. Die Kommission trägt ihre eigenen mit der Streithilfe der EFPIA zusammenhängenden Kosten, 10 % ihrer übrigen eigenen Kosten sowie 10 % der Kosten der AstraZeneca AB und der AstraZeneca plc.
Meij |
Vadapalas |
Wahl |
Truchot |
Frimodt Nielsen |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Juli 2010.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten
Rechtliche Würdigung
A – Sachlich relevanter Produktmarkt
1. Vorbemerkungen
2. Erster Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler hinsichtlich der Erheblichkeit der schrittweise zunehmenden Verwendung der PPI zulasten der H2-Blocker
a) Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA
b) Vorbringen der Kommission
c) Würdigung durch das Gericht
Zur unterschiedlichen therapeutischen Verwendung der PPI und der H2-Blocker
Zur Erheblichkeit der schrittweise verlaufenen Substitution der H2-Blocker durch die PPI
3. Zweiter Klagegrund: verschiedene Unstimmigkeiten und Beurteilungsfehler
a) Vorbringen der Klägerinnen und der EFPIA
b) Vorbringen der Kommission
c) Würdigung durch das Gericht
Zur Berücksichtigung der therapeutischen Verwendung der betreffenden Produkte
Zur Bedeutung, die den Preisindikatoren beigelegt wurde
Zu den „natürlichen Ereignissen“
B – Beherrschende Stellung
1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
2. Würdigung durch das Gericht
a) Zu den Marktanteilen von AZ
b) Zur Höhe der Preise
c) Zu Existenz und Geltendmachung der Rechte des geistigen Eigentums
d) Zur Stellung von AZ als Erstanbieter
e) Zur Finanzkraft von AZ
f) Zur beherrschenden Stellung von AZ in Deutschland
C – Zum ersten, die ergänzenden Schutzzertifikate betreffenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
1. Rechtlicher Rahmen und beanstandetes Verhalten
2. Erster Klagegrund: Rechtsfehler
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zu den anwendbaren Rechtsgrundsätzen
Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission begangen haben soll
b) Vorbringen der Kommission
Zu den anwendbaren Rechtsgrundsätzen
Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission begangen haben soll
c) Würdigung durch das Gericht
Zur Qualifizierung des in Rede stehenden Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung
Zum Beginn der als missbräuchlich eingestuften Praxis
Zur wettbewerbswidrigen Natur des beanstandeten Verhaltens und zu seinen Auswirkungen auf den Wettbewerb
3. Zweiter Klagegrund: Fehlender Beweis des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zum Täuschungsvorwurf
Zur ersten Phase des Missbrauchs
Zur zweiten Phase des Missbrauchs
– Zur Natur des Vorbringens bezüglich der zweiten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
– Zu den Weisungen an die Patentanwälte
– Zu den Erklärungen vor dem Luxemburger Patentamt (Juni 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem belgischen Patentamt (September bis November 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem niederländischen Patentamt (November und Dezember 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs (Januar bis Juni 1994)
– Zur Rücknahme der Zertifikatsanmeldung in Dänemark (November 1994)
– Zu den Erklärungen von AZ im Rahmen der zweiten Runde von Zertifikatsanmeldungen
– Zu den Anmeldungen in den Ländern des EWR
– Zu den Erklärungen vor dem irischen Patentamt (Oktober 1995)
– Zu den Erklärungen vor den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland (Mai 1998)
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Deutschland
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Norwegen
– Zu den Erklärungen während des gerichtlichen Verfahrens in Finnland
– Zur Existenz einer auf die Täuschung der Patentanwälte von AZ, der innerstaatlichen Patentämter und der innerstaatlichen Gerichte gerichteten Strategie
b) Vorbringen der Kommission
c) Würdigung durch das Gericht
Zur Beweislast
Zur ersten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
Zur zweiten Phase des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
– Zu den Erklärungen vor dem Luxemburger Patentamt (Juni 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem belgischen Patentamt (September bis November 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem niederländischen Patentamt (November und Dezember 1993)
– Zu den Erklärungen vor dem Patentamt des Vereinigten Königreichs (Januar bis Juni 1994)
– Zur Rücknahme der Zertifikatsanmeldung in Dänemark (November 1994)
– Zu den Anmeldungen in den Ländern des EWR (Dezember 1994)
– Zu den Erklärungen vor dem irischen Patentamt (Oktober 1995)
– Zu den Erklärungen vor den Patentämtern der Benelux-Länder und von Finnland (Mai 1998)
– Zu den Erklärungen in den gerichtlichen Verfahren in Deutschland
– Zu den Erklärungen in den gerichtlichen Verfahren in Norwegen und Finnland
Ergebnis bezüglich des ersten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
D – Zum zweiten, den selektiven Widerruf der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform betreffenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
1. Rechtlicher Rahmen und inkriminiertes Verhalten
2. Zum ersten, einen Rechtsfehler betreffenden Klagegrund
a) Vorbringen der Klägerinnen
Zum rechtlichen und sachlichen Rahmen
Zur rechtlichen Würdigung durch die Kommission
Zu dem jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
b) Vorbringen der Kommission
Zum rechtlichen und sachlichen Rahmen
Zur rechtlichen Würdigung durch die Kommission
Zum jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
c) Würdigung durch das Gericht
Rechtlicher Rahmen
Zur Rechtsauffassung der Kommission
Zu dem jedenfalls fehlenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung
3. Zweiter Klagegrund: tatsächliche Fehler
a) Vorbringen der Klägerinnen
Gründe für die Entwicklung von Losec MUPS und dessen Vermarktung
Einwendungen gegen die Beweise
Zu den Auswirkungen
b) Vorbringen der Kommission
c) Würdigung durch das Gericht
Sachverhalt des von der Kommission festgestellten zweiten Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
– Protokoll der Sitzung des MAC vom 9. August 1996
– Memorandum über die LPP-Strategie vom 20. Dezember 1996
– Dokument über die LPP-Strategie vom 29. April 1997
– Rede des Leiters der Patentabteilung von AZ im Oktober 1999 und Diapositive von Mai 1997
– Dokument „Losec® MUPS STEPSUM“, vorgelegt mit Memorandum vom 26. Februar 1997
– Protokoll der Tagung „Losec MUPS i Europa – ‚Brain Storming‘“ vom 18. September 1997
– Memorandum vom 25. September 1997
– MUPS-Strategie vom 3. Oktober 1997
– Memorandum vom 22. Oktober 1997 mit dem Titel „Folgen der MUPS-Strategie – Zwischenbericht“
– Dokument „Losec/H199 Szenario“ vom 29. April 1998
– Entwurf eines Dokuments vom 30. November 1998 für die Tagung des GITA-Teams am 4. Dezember 1998
– Dokument bezüglich des „Gastrointestinalen Franchise-Plans“ vom 12. Mai 1992
– Dokumente zu nationalen Strategien
– Effektive Durchführung der LPP-Strategie
– Wirkungen des Widerrufs der Genehmigungen für das Inverkehrbringen
Zur Missbräuchlichkeit des Verhaltens von AZ
– Zur LPP-Strategie
– Zur Missbräuchlichkeit des beanstandeten Verhaltens
– Zum zentralen Charakter der Strategie, aus der sich der Missbrauch einer beherrschenden Stellung herleitet
Zum wettbewerbsbeschränkenden Charakter des beanstandeten Verhaltens
Ergebnis
E – Zu den Geldbußen
1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
2. Würdigung durch das Gericht
Kosten
* Verfahrenssprache: Englisch.
1 – Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.