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Document 61995TJ0011
Judgment of the Court of First Instance (Second Chamber, extended composition) of 15 September 1998. # BP Chemicals Limited v Commission of the European Communities. # State aid - Action for annulment - Time-limits - Persons individually concerned - Private market economy investor principle - Opening of the procedure provided for in Artikel 93(2) of the Treaty. # Case T-11/95.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 15. September 1998.
BP Chemicals Limited gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Fristen - Individuell betroffene Personen - Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalanlegers - Einleitung des Verfahrens nach Artikle 93 Absatz 2 des Vertrages.
Rechtssache T-11/95.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 15. September 1998.
BP Chemicals Limited gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Fristen - Individuell betroffene Personen - Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalanlegers - Einleitung des Verfahrens nach Artikle 93 Absatz 2 des Vertrages.
Rechtssache T-11/95.
Sammlung der Rechtsprechung 1998 II-03235
ECLI identifier: ECLI:EU:T:1998:199
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 15. September 1998. - BP Chemicals Limited gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Fristen - Individuell betroffene Personen - Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalanlegers - Einleitung des Verfahrens nach Artikle 93 Absatz 2 des Vertrages. - Rechtssache T-11/95.
Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite II-03235
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1 Nichtigkeitsklage - Fristen - Beginn - Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis von der Handlung - Subsidiarität - Zeitpunkt der Bekanntgabe (EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 und 173 Absatz 5) 2 Nichtigkeitsklage - Natürliche oder juristische Personen - Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen - Entscheidung der Kommission, mit der eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Konkurrierendes Unternehmen, das am Verfahren vor der Kommission nicht beteiligt war - Klagerecht (EG-Vertrag, Artikel 93 Absatz 2 und 173 Absatz 4) 3 Nichtigkeitsklage - Natürliche oder juristische Personen - Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen - Entscheidung der Kommission, mit der eine staatliche Maßnahme als staatliche Beihilfe qualifiziert oder eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Nichteinleitung des kontradiktorischen Verfahrens - Konkurrierendes Unternehmen - Klagerecht (EG-Vertrag, Artikel 93 Absätze 2 und 3 sowie 173 Absatz 4) 4 Staatliche Beihilfen - Prüfung einer Kapitaleinlage durch die Kommission - Vorprüfungsphase und kontradiktorische Phase - Qualifizierung einer staatlichen Maßnahme als staatliche Beihilfe - Beurteilungsschwierigkeiten - Pflicht der Kommission, das kontradiktorische Verfahren einzuleiten (EG-Vertrag, Artikel 93 Absätze 2 und 3)
1 Nach dem Wortlaut des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages hat das Kriterium des Zeitpunkts der Kenntniserlangung von der Handlung als Beginn der Klagefrist subsidiären Charakter gegenüber den Zeitpunkten der Bekanntgabe oder der Mitteilung der Handlung. Ist die streitige Entscheidung bekanntgegeben worden, wird die Klagefrist mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe in Lauf gesetzt. Da im übrigen nach ständiger Praxis die Entscheidungen der Kommission über den Abschluß eines Verfahrens zur Untersuchung von Beihilfen nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden, darf ein einzelner, der auf Nichtigerklärung eines Beschlusses über den Abschluß eines solchen Verfahrens klagt und der von diesem Beschluß vor der Veröffentlichung Kenntnis hatte, davon ausgehen, daß die Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht werde. 2 Eine Entscheidung der Kommission, mit der eine nationale Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, betrifft, auch wenn sie an den betreffenden Mitgliedstaat gerichtet ist, Unternehmen dann unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages, wenn sie die Beschwerde veranlasst haben, die zur Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geführt hat, und wenn sie durch ihre Äusserungen den Verfahrensablauf weitgehend bestimmt haben, sofern ihre Marktstellung durch die Beihilfe, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird. Hat ein Unternehmen hingegen von seinem Recht zur Äusserung im Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages keinen Gebrauch gemacht, muß es im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission über den Abschluß dieses Verfahrens nachweisen, daß es durch die angefochtene Handlung im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 individuell betroffen ist. Insoweit kann die blosse Eignung einer Maßnahme, die auf dem betroffenen Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, nicht genügen, um jeden Wirtschaftsteilnehmer, der zum Adressaten der Maßnahme in irgendeiner Wettbewerbsbeziehung steht, als von der fraglichen Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen anzusehen. Das klagende Unternehmen hat daher das Bestehen einer besonderen Wettbewerbssituation nachzuweisen, die sie im Hinblick auf die betreffende Handlung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt. 3 Stellt die Kommission, ohne das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, aufgrund von Artikel 93 Absatz 3 fest, daß eine staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist oder daß die Qualifizierung als Beihilfe selbst auszuschließen ist, so müssen die Beteiligten im Sinne von Artikel 93 Absatz 2, die bei der Durchführung dieses Verfahrens Verfahrensgarantien genießen, als durch diese Feststellungsentscheidung individuell betroffen im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages angesehen werden. 4 Das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages ist unerläßlich, sobald die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob ein Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernste Schwierigkeiten stösst. Die Kommission darf sich für den Erlaß einer positiven Entscheidung über ein Beihilfevorhaben nur dann auf die Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnen kann, daß dieses Vorhaben vertragskonform ist. Ist die Kommission aufgrund dieser ersten Prüfung jedoch zu der gegenteiligen Überzeugung gelangt oder hat sie nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt ausräumen können, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 einzuleiten. Ebenso kann die Kommission verpflichtet sein, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 einzuleiten, wenn sie bei einer ersten Prüfung nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ausräumen konnte, ob ein Vorhaben eine staatliche Beihilfe darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn sie nicht die Überzeugung gewinnen kann, daß dieses Vorhaben, wenn es schon eine Beihilfe sein sollte, auf jeden Fall mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Der Umstand, daß ein staatliches Unternehmen seiner Tochtergesellschaft bereits als "Beihilfe" einzustufende Kapitaleinlagen hat zugute kommen lassen, schließt nicht a priori die Möglichkeit aus, daß eine spätere Kapitaleinlage das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfuellt. Geht es jedoch um drei Kapitaleinlagen des gleichen Kapitalgebers in einem Zeitraum von zwei Jahren, von denen die ersten beiden keine Rendite erwirtschaftet hatten, muß die Kommission prüfen, ob die dritte Einlage vernünftigerweise von den beiden anderen getrennt und im Hinblick auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers als eigenständige Investition gesehen werden kann. Zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten gehören die zeitliche Abfolge der Kapitaleinlagen, ihr Zweck und die Lage der Tochtergesellschaft zu der Zeit, als die Entscheidungen für die Vornahme jeder dieser Kapitaleinlagen getroffen wurden. Der Umstand, daß die Kommission während des Verfahrens widersprüchliche Berechnungen vorgelegt hat, ohne schlüssig darlegen zu können, welche Berechnungen sie seinerzeit im Hinblick auf ihre Schlußfolgerung in bezug auf die Rendite der betreffenden Kapitaleinlage durchgeführt hat, belegt im vorliegenden Fall die ernsten Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, ob nicht diese Kapitaleinlage eine staatliche Beihilfe darstellte.
Sachverhalt
1 Die ENI SpA (nachstehend: ENI) ist eine Holdinggesellschaft, die im Juli 1992 durch Umwandlung der Ente Nazionale Idrocarburi, eines öffentlichen italienischen Unternehmens, in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Aktien entstanden ist. Bis November 1995 war das italienische Finanzministerium Alleinaktionär von ENI. Die EniChem SpA (nachstehend: EniChem) ist eine nahezu 100%ige Tochtergesellschaft von ENI, die eine breite Palette chemischer Erzeugnisse herstellt und vertreibt. EniChem ist aus der Gesellschaft Enimont SpA (nachstehend: Enimont) hervorgegangen, einem im Mai 1989 gemeinsam von der Ente Nazionale Idrocarburi und der Montedison SpA gegründeten Unternehmen.$
2 Am 1. Oktober 1992 führte ENI dem Kapital von EniChem erstmals 1 000 Milliarden LIT zu, im Dezember 1993 weitere 794 Milliarden LIT. Diese beiden Kapitalzufuhren (nachstehend: die ersten beiden Kapitaleinlagen) wurden der Kommission nicht vorher gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag angezeigt.
3 Am 16. Februar 1994 beschloß die Kommission die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bezueglich dieser ersten beiden Kapitaleinlagen. Mit Schreiben vom 16. März 1994 unterrichtete sie die italienische Regierung von ihrer Entscheidung und setzte ihr eine Frist zur Äusserung.
4 Bei einer Zusammenkunft am 15. April 1994 zwischen der Generaldirektion IV der Kommission, ENI und EniChem legte der Präsident von EniChem einen Umstrukturierungsplan vor, der im Zeitraum von 1994 bis 1997 durchgeführt werden sollte. Dieser Plan sah eine weitere Kapitalzufuhr von ENI für EniChem in Höhe von 3 000 Milliarden LIT vor (nachstehend: dritte Kapitaleinlage).
5 Mit Schreiben vom 18. Mai 1994 antwortete die italienische Regierung offiziell auf das Schreiben der Kommission vom 16. März 1994. Dieser Antwort waren Auszuege aus dem Umstrukturierungsplan, in denen die dritte Kapitaleinlage erwähnt war, beigefügt.
6 Am 2. Juni 1994 veröffentlichte die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften den Wortlaut ihres Schreibens vom 16. März 1994 an die italienische Regierung in Form einer Mitteilung "an die übrigen Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten über Beihilfen, die Italien der Enichem SpA zu gewähren beschlossen hat" (ABl. C 151, S. 3), und forderte sie zur Stellungnahme binnen dreissig Tagen auf. Diese Mitteilung enthielt keinen Hinweis auf die dritte Kapitaleinlage.
7 Mit Schreiben vom 6. Juni 1994 wies die italienische Regierung die Kommission darauf hin, daß der Umstrukturierungsplan für EniChem sowie ihre Erklärungen vom 18. Mai 1994 nicht nur die Kapitaleinlagen beträfen, die Gegenstand der durch Schreiben der Kommission vom 16. März 1994 eingeleiteten Untersuchung seien, sondern auch die dritte Kapitaleinlage, und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, daß die Untersuchung bezueglich dieser Kapitaleinlage rasch beendet werden könne.
8 Im Anschluß an Erörterungen innerhalb einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Industrie und des Department of Trade and Industry (nachstehend: DTI) übermittelte die Regierung des Vereinigten Königreichs der Kommission am 1. Juli 1994 als Antwort auf die Mitteilung vom 2. Juni 1994 eine Stellungnahme, in der sie Zweifel bezueglich der Rechtfertigung der ersten beiden Kapitaleinlagen äusserte. Das Vereinigte Königreich wies die Kommission ferner auf Presseartikel über die dritte Kapitaleinlage hin und forderte insbesondere, diese getrennt und eingehend zu untersuchen.
9 Am 27. Juli 1994 veröffentlichte die Kommission eine Pressemitteilung (nachstehend: Pressemitteilung der Kommission) über ihren Beschluß vom selben Tag, das nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitete Verfahren über die ersten beiden Kapitaleinlagen zu beenden, die damit gewährte Beihilfe zu genehmigen und festzustellen, daß die dritte Kapitaleinlage keine staatliche Beihilfe darstelle.
10 Die dritte Kapitaleinlage erfolgte in Tranchen zwischen August und Oktober 1994.
11 Am 1. August 1994 kündigte das amerikanische Unternehmen Union Carbide Corporation (nachstehend: UCC) in einer Pressemitteilung ihre Absicht an, gemeinsam mit EniChem ein Unternehmen für die Erzeugung und den Vertrieb von Polyäthylen in Europa zu gründen.
12 Die Klägerin erfuhr aus der Pressemitteilung von UCC, daß die Kommission die Kapitalzufuhr für EniChem gebilligt hatte. Sie setzte sich mit dem DTI in Verbindung, das über die Ständige Vertretung des Vereinigten Königreichs bei den Europäischen Gemeinschaften eine Kopie der englischen Fassung der Pressemitteilung der Kommission erhielt. Diese Kopie wurde der Klägerin am 3. August 1994 übersandt.
13 Die von der Kommission am 27. Juli 1994 erlassene Entscheidung (nachstehend: streitige Entscheidung) wurde der italienischen Regierung mit Schreiben vom 9. August 1994 mitgeteilt.
14 Die Kommission stellte in Nummer 4 der streitigen Entscheidung fest, daß die dritte Kapitaleinlage in Höhe von 3 000 Milliarden LIT keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages darstelle, weil sie auch ein privater, marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber vorgenommen hätte.
15 In Nummer 5 der streitigen Entscheidung heisst es, daß die ersten beiden Kapitaleinlagen von insgesamt 1 794 Milliarden LIT überhaupt keinen Ertrag brächten und kein vergleichbarer privater Kapitalgeber einen ähnlichen Betrag investiert hätte, ohne vorher einen umfassenden Umstrukturierungsplan zu sehen. Diese Kapitaleinlagen seien daher als Beihilfe zu betrachten, die Verluste decke, die hauptsächlich durch Betriebs- und Werksstillegungen entstanden seien; diese sind in der streitigen Entscheidung auch dargestellt. In Nummer 6 der streitigen Entscheidung stellt die Kommission allerdings fest, daß dank der umfassenden Betriebsstillegungen und entsprechenden Kapazitätsschnitten die ersten beiden Kapitaleinlagen gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien.
16 In einer Sitzung vom 11. November 1994 überreichte die Kommission den britischen Behörden und der Klägerin ein Schriftstück, das sie in ihren Schriftsätzen als vollständige Fassung der streitigen Entscheidung bezeichnet.
17 Die streitige Entscheidung wurde im Amtsblatt vom 26. November 1994 veröffentlicht (Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 des EG-Vertrags an die übrigen Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten - Italienische Beihilfen an Enichem SpA; ABl. C 330, S. 7).
Verfahren
18 Mit Klageschrift, die am 20. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
19 Mit Beschlüssen vom 13. Oktober 1995 hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin und die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Mit Beschluß vom 19. Oktober 1995 sind ENI und EniChem als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.
20 Mit Beschluß vom 26. Juni 1996 (Slg. 1996, II-599) hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) einen auf Artikel 35 § 2 der Verfahrensordnung gestützten Antrag von ENI und EniChem auf Gewährung einer Ausnahme hinsichtlich der Übersetzung der Anlagen zu ihren Streithilfeschriftsätze in die Verfahrenssprache zurückgewiesen.
21 Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen sind die Kommission, die Italienische Republik, ENI und EniChem aufgefordert worden, schriftlich auf bestimmte Fragen zu antworten und bestimmte Schriftstücke vor der Sitzung vorzulegen. Das Gericht hat die Kommission insbesondere aufgefordert, die Berechnungen in ihren Akten zu der Frage vorzulegen, ob die dritte Kapitaleinlage für einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber annehmbar gewesen wäre.
22 Die Kommission, ENI und EniChem haben am 30. Juni 1997 diese Fragen beantwortet und bestimmte Schriftstücke vorgelegt. Die Kommission hat insbesondere eine Ertragsberechnung für die dritte Kapitaleinlage vom 1. Juli 1994 (nachstehend: Tabelle QI/1) vorgelegt. Die Italienische Republik hat sich am 30. Juli 1997 geäussert.
23 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 18. September 1997 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht die mündliche Verhandlung jedoch noch nicht geschlossen.
24 Mit Schreiben vom 26. September 1997 hat die Klägerin beantragt, ihr eine schriftliche Stellungnahme zu den Berechnungen in der Tabelle QI/1 zu gestatten.
25 Mit Schreiben vom 26. September 1997 haben die Bevollmächtigten der Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß die Berechnungen in der auf den 1. Juli 1994 datierten Tabelle QI/1 nicht vor Erlaß der streitigen Entscheidung vom 27. Juli 1994 durchgeführt worden seien, sondern die Rekonstruktion einer Arbeit bei der Vorbereitung der Entscheidung darstellten.
26 Mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 hat das Gericht die Kommission um Mitteilung ersucht, ob die Berechnungen in der Tabelle QI/1 weiterhin zur Stützung der Aussage in der streitigen Entscheidung herangezogen würden, wonach die dritte Kapitaleinlage auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber vorgenommen worden wäre. Andernfalls solle die Kommission anhand der Begründung der streitigen Entscheidung und ihrer Schriftsätze die Berechnungen oder sonstigen Gesichtspunkte angeben, die ihre Schlußfolgerung in dieser Hinsicht rechtfertigen.
27 Mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß die als Anlagen Q I/2 und Q I/4 ihrer Stellungnahme vom 30. Juni 1997 beigefügten Schriftstücke (nachstehend: Tabellen QI/2 und QI/4) Kopien der Originale seien, die sich bei Erlaß ihrer Entscheidung in den Akten befunden hätten, daß aber das Schriftstück in Anlage Q I/3 (nachstehend: Tabelle QI/3) nach Erlaß der streitigen Entscheidung um des besseren Verständnisses willen auf der Grundlage einer damals vorhandenen Tabelle rekonstruiert worden sei.
28 Mit einer Stellungnahme vom 11. November 1997 hat die Kommission auf die Frage des Gerichts vom 13. Oktober 1997 geantwortet und Berechnungen vorgelegt (nachstehend: Tabelle A und Tabelle B), die im Vergleich zu den Berechnungen in der Tabelle QI/1 bestimmte neue Elemente enthalten.
29 Mit Schreiben vom 24. November 1997 hat das Gericht die Klägerin und die Streithelfer aufgefordert, sich zu den Schreiben und Stellungnahmen der Kommission vom 30. Juni 1997, 26. September 1997, 16. Oktober 1997 und 11. November 1997 zu äussern.
30 Am 19. Januar 1998 haben die Klägerin, das Vereinigte Königreich, ENI und EniChem ihre jeweiligen Stellungnahmen eingereicht.
31 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 17. März 1998 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung ist die mündliche Verhandlung geschlossen worden.
Anträge der Beteiligten
32 Die Klägerin beantragt,
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;
- die Kommission in die Kosten zu verurteilen;
- der Italienischen Republik, ENI und EniChem die durch ihre Streithilfe verursachten Kosten aufzuerlegen.
33 Das Vereinigte Königreich beantragt,
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären.
34 Die Kommission beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- die Klägerin in die Kosten zu verurteilen;
- dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.
35 ENI und EniChem beantragen,
- die Klage als unzulässig abzuweisen;
- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;
- die Kosten von ENI und EniChem der Klägerin aufzuerlegen.
36 Die Italienische Republik schließt sich den Anträgen der Kommission an.
Zur Zulässigkeit
37 Die Kommission, die Italienische Republik, ENI und EniChem machen geltend, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin wegen Fristablaufs mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen und weil sie von der streitigen Entscheidung nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages individuell betroffen sei.
Zur Klagefrist
Vorbringen der Beteiligten
38 Die Kommission macht geltend, die am 20. Januar 1995 eingereichte Klage sei nach Ablauf der Frist des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages erhoben worden. Die Klagefrist habe nämlich am 3. August 1994 zu laufen begonnen, an dem Tag, an dem die Klägerin bei Lektüre der Pressemitteilung von der streitigen Entscheidung erfahren habe.
39 Sowohl aus dem Wortlaut des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebe sich, daß mit dem Eintritt des ersten in dieser Vorschrift genannten Ereignisses, nämlich der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder der Erlangung der Kenntnis von dieser Handlung durch den Kläger, die Klagefrist zu laufen beginne (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 5. März 1986 in der Rechtssache 59/84, Tezi/Kommission, Slg. 1986, 887, Randnrn. 9 bis 12, und vom 23. Mai 1989 in der Rechtssache 378/87, Top Hit Holzvertrieb/Kommission, Slg. 1989, 1359, Randnrn. 12 bis 15).
40 Im vorliegenden Fall habe die Pressemitteilung der Kommission der Klägerin genaue Kenntnis von Inhalt und Gründen der betreffenden Entscheidung verschafft, so daß sie ihr Klagerecht habe ausüben können. Selbst wenn die Klägerin am 3. August 1994 keine ausreichende Kenntnis von Inhalt und Gründen der streitigen Entscheidung erlangt hätte, hätte die Klagefrist nur mit ihrer Mitteilung, d. h. am 11. November 1994, zu laufen begonnen, soweit die Klägerin innerhalb einer vernünftigen Frist bei der Kommission den vollständigen Wortlaut der Entscheidung angefordert hätte. Diese Voraussetzung liege allerdings im vorliegenden Fall nicht vor.
41 Unzutreffend sei die Behauptung der Klägerin, der Wortlaut der streitigen Entscheidung sei ihr in der Sitzung vom 11. November 1994 mit der strengen Auflage ausgehändigt worden, vor ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt keinen Gebrauch von ihr zu machen, wobei allerdings einzuräumen sei, daß die Sitzung vertraulich gewesen sei und ihre Beamten das Schriftstück bis zu seiner Veröffentlichung unter Verschluß gehalten hätten, weil sie zu Unrecht geglaubt hätten, sein Bekanntwerden vor diesem Zeitpunkt verhindern zu müssen.
42 Die Italienische Republik, ENI und EniChem schließen sich diesem Vorbringen der Kommission an.
43 ENI und EniChem weisen darauf hin, daß nach Artikel 191 Absatz 3 des Vertrages die Veröffentlichung der streitigen Entscheidung keine Voraussetzung für ihr Inkrafttreten gewesen sei. Unter diesen Umständen habe die Klägerin, wie die Generalanwälte Reischl und Mancini in ihren Schlussanträgen zu den Urteilen des Gerichtshofes vom 5. März 1980 in der Rechtssache 76/79 (Könecke/Kommission, Slg. 1980, 665) und vom 22. September 1988 in den Rechtssachen 358/85 und 51/86 (Frankreich/Parlament, Slg. 1988, 4821) dargelegt hätten, mit der Erhebung ihrer Klage nicht bis zur Veröffentlichung der streitigen Entscheidung warten dürfen. Dies gelte erst recht für die dritte Kapitaleinlage, da die Entscheidungen der Kommission, mit denen das Fehlen einer staatlichen Beihilfe nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages festgestellt werde, nie veröffentlicht würden.
44 Die Klägerin macht mit Unterstützung des Vereinigten Königreichs geltend, daß die Klagefrist nach Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitigen Entscheidung im Amtsblatt, d. h. am 26. November 1994, zu laufen begonnen habe. Das Kriterium der Kenntnisnahme von der streitigen Entscheidung sei sekundär und nur bei fehlender Veröffentlichung oder Mitteilung der Entscheidung anwendbar (Urteil Könecke/Kommission, und Urteil des Gerichtshofes vom 6. Juli 1988 in der Rechtssache 236/86, Dillinger Hüttenwerke/Kommission, Slg. 1988, 3761, Randnr. 14).
45 Weder die Pressemitteilung der Kommission noch die Aushändigung einer vertraulichen Kopie der streitigen Entscheidung in der Sitzung vom 11. November 1994 stellten eine Mitteilung dar. Ausserdem sei die streitige Entscheidung ihr in der Sitzung vom 11. November 1994 mit der strikten Auflage übergeben worden, von ihr bis zu ihrer Veröffentlichung keinen Gebrauch zu machen, so daß folglich die Frist nicht vom Zeitpunkt dieser Sitzung an habe laufen können. Auf jeden Fall habe die Pressemitteilung der Kommission ihr keine vollständige Kenntnis der betreffenden Entscheidung verschafft. Ausserdem habe sie mit Sorgfalt jede nur mögliche Anstrengung unternommen, um eine Kopie der streitigen Entscheidung zu erhalten.
Würdigung durch das Gericht
46 Gemäß Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages sind die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erheben, die je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an läuft, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.
47 Schon dem Wortlaut dieser Bestimmung ist zu entnehmen, daß das Kriterium des Zeitpunkts der Kenntniserlangung von der Entscheidung als Beginn der Klagefrist gegenüber den Zeitpunkten der Bekanntgabe und der Mitteilung der Entscheidung subsidiär ist (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Rat, Slg. 1998, I-973, Randnr. 35; vgl. auch - zu staatlichen Beihilfen - Schlussanträge von Generalanwalt Capotorti zum Urteil des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, 2693, 2699).
48 Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung am 26. November 1994 bekanntgegeben worden. Sollte sie nicht vorher der Klägerin mitgeteilt worden sein, wäre somit festzustellen, daß die am 20. Januar 1995 eingereichte Klage innerhalb der Frist des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages erhoben worden ist.
49 Dies gilt hier um so mehr, als nach ständiger Praxis die Entscheidungen der Kommission über den Abschluß eines Verfahrens zur Untersuchung von Beihilfen nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden (vgl. insbesondere Schreiben der Kommission vom 27. Juni 1989 an die Mitgliedstaaten, von der Kommission veröffentlicht in Droit de la concurrence dans les Communautés européennes, Band IIA, Règles applicables aux aides d'État, 1995, S. 107, sowie den 20. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1990, Nr. 170).
50 Im vorliegenden Fall ist mit der streitigen Entscheidung nicht nur die Untersuchung abgeschlossen worden, die nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen eingeleitet worden war, sondern auch die Voruntersuchung gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages bezueglich der dritten Kapitaleinlage. Die Kommission hat indessen ihre Absicht, die streitige Entscheidung zu den drei Kapitaleinlagen insgesamt zu veröffentlichen, nie in Abrede gestellt. Sie bestreitet ausserdem nicht, daß sie das Vereinigte Königreich darüber informiert habe, daß die streitige Entscheidung veröffentlicht werde, was sich im übrigen auch aus dem Telefax ergibt, das sie der Ständigen Vertretung des Vereinigten Königreichs am 29. September 1994 übermittelt hat und in dem sie bestätigte, daß die streitige Entscheidung in den nächsten Wochen veröffentlicht werde.
51 Unter diesen Umständen konnte die Klägerin annehmen, daß die streitige Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werde.
52 Aber auch wenn die Aushändigung des Schriftstücks, das die Kommission als vollständigen Wortlaut der streitigen Entscheidung bezeichnet, in der Sitzung vom 11. November 1994 an die Klägerin als eine "Mitteilung" im Sinne des Artikels 173 Absatz 5 des Vertrages betrachtet werden könnte, wäre ebenfalls anzunehmen, daß die Klage fristgerecht erhoben worden ist. Unter diesen Umständen wäre nämlich die Klagefrist erst am Montag, dem 23. Januar 1995, abgelaufen, wenn man die Tatsache, daß die zweimonatige Klagefrist nach Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages um die mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung gewährte zusätzliche Verfahrensfrist von zehn Tagen für das Vereinigte Königreich nach Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung zu verlängern ist, und Artikel 101 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung berücksichtigt, der Anwendung findet, wenn die Frist an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag endet.
53 Die Berufung auf die Verspätung der Klage ist daher zurückzuweisen.
Zur Frage, ob die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen ist
Vorbringen der Beteiligten
54 Die Kommission macht mit Unterstützung der Italienischen Republik, von ENI und EniChem geltend, die Klage sei bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen nicht zulässig, weil die Klägerin insoweit von der streitigen Entscheidung nicht individuell im Sinne des Artikels 173 Absatz 4 des Vertrages betroffen sei.
55 Die Klägerin erfuelle nämlich keine der von der Rechtsprechung insoweit geforderten drei kumulativen Voraussetzungen; sie sei am Verwaltungsverfahren nicht als Beschwerdeführerin oder betroffene Dritte beteiligt gewesen, die sich nach Mitteilung der Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geäussert hätte, der Ablauf des Verfahrens sei durch ihre Äusserungen nicht weitgehend bestimmt worden, und schließlich werde ihre Marktstellung durch die betreffende Beihilfe nicht spürbar beeinträchtigt (Urteile des Gerichtshofes vom 20. März 1985 in der Rechtssache 264/82, Timex/Rat und Kommission, Slg. 1985, 849, und vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, Cofaz/Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 25, sowie Schlussanträge von Generalanwalt VerLoren Van Themaat zu diesem Urteil, 392, 405).
56 Hingegen sei die Klage aufgrund der Urteile des Gerichtshofes vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91 (Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487) und vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91 (Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203) durchaus zulässig, soweit sie die Beurteilung der dritten Kapitaleinlage betreffe.
57 ENI und EniChem halten - anders als die Kommission - die Klage auch für unzulässig, soweit diese die Beurteilung der dritten Kapitaleinlage betrifft. Das zitierte Urteil Cook/Kommission beanspruche nämlich keine Geltung für eine Entscheidung, mit der nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages das Fehlen einer Beihilfe festgestellt werde. Denn die Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung führe anders als die Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt werde, nicht ohne weiteres zur Einleitung einer formellen Untersuchung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages. Die Kommission lasse nämlich eher eine zweite Untersuchung gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages folgen, um festzustellen, ob die dritte Kapitaleinlage, die jetzt als Beihilfe anzusehen sei, nicht doch mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Die Beteiligung betroffener Dritter wie der Klägerin sei in diesem Verfahrensabschnitt nicht vorgesehen. Erst wenn die Kommission eine Untersuchung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einleite, habe die Klägerin die Möglichkeit, sich zur dritten Kapitaleinlage zu äussern. Die streitige Entscheidung betreffe folglich die Klägerin nicht unmittelbar.
58 Die Klage sei bezueglich der dritten Kapitaleinlage ausserdem deshalb unzulässig, weil sie nicht gegen eine Entscheidung nach den Artikeln 92 Absatz 1 und 93 Absatz 3 des Vertrages gerichtet sei. Da die streitige Entscheidung allein auf der Grundlage der Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c und 93 Absatz 2 des Vertrages erlassen worden sei und die Kommission ihre Untersuchung nie auf die dritte Kapitaleinlage ausgedehnt habe, sei die Klage unzulässig, denn die Klägerin habe in ihren Anträgen nicht die Nichtigerklärung der "eigenständigen" Entscheidung über die dritte Kapitaleinlage verlangt.
59 Die Italienische Republik hält die Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage deshalb für unzulässig, weil die Klägerin nicht dargetan habe, daß ENI, ein öffentliches Unternehmen, als öffentliche Einrichtung gehandelt und sich dabei auf öffentliche oder soziale Interessen statt auf egoistische oder geschäftliche Interessen gestützt habe.
60 Die Klägerin macht mit Unterstützung des Vereinigten Königreichs geltend, daß sie durch die streitige Entscheidung insgesamt unmittelbar und individuell betroffen sei.
61 Als Konkurrentin von EniChem habe sie, da eine Mitteilung über die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bezueglich der dritten Kapitaleinlage nicht erfolgt sei, keine Gelegenheit zur Äusserung gehabt und könne damit die Beurteilung der dritten Kapitaleinlage anfechten (Urteile des Gerichtshofes vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82, Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Cook/Kommission, Randnrn. 23 bis 25, und vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125). Entgegen dem Vorbringen von ENI und EniChem sei das Urteil Cook/Kommission sehr wohl auf den Fall anwendbar, daß eine Entscheidung, kein Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu eröffnen, weil die betreffende Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstelle, ergangen sei.
62 Die Klage sei nach Maßgabe des Urteils Cook/Kommission auch bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen zulässig, die untrennbar mit der dritten Kapitaleinlage verbunden seien. Die Kommission habe nämlich, indem sie das Verfahren nicht mit einer neuen Mitteilung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erweitert habe, den Betroffenen die Möglichkeit genommen, sich zur gesamten Umstrukturierung von EniChem und zu deren Finanzierung zu äussern. Die dem Urteil Cook/Kommission zugrunde liegende Argumentation gelte auch für eine solche Sachlage, weil den Betroffenen, wenn sie die Entscheidung der Kommission nicht beim Gericht anfechten könnten, die Verfahrensgarantien des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages vorenthalten würden.
63 Für den Fall, daß nach Auffassung des Gerichts die Zulässigkeit der Klage bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen getrennt beurteilt werden müsste, macht die Klägerin hilfsweise geltend, ein Unternehmen könne allein deshalb individuell betroffen sein, weil sich die Beihilfe auf seine Marktstellung auswirke (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-435/93, ASPEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1281, Randnr. 64, und in der Rechtssache T-442/93, AAC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1329, Randnr. 49).
64 Zwischen ihr und EniChem herrsche insbesondere auf den Märkten für Äthylen und Polyäthylen, aber auch bei anderen Erzeugnissen ein handfester Wettbewerb. EniChem sei der grösste Äthylenhersteller in Europa mit einer Gesamtkapazität von 11 % gegenüber 7 % in ihrem Fall. Im übrigen habe die Kommission in ihrer Mitteilung vom 2. Juni 1994 selbst erklärt, daß EniChem auf dem westeuropäischen Markt für Olefine, der Produktgruppe, zu der Polyäthylen gehöre, die Stellung eines Marktführers zukomme.
65 Sie habe 1993 hauptsächlich auf die Äthylen- und Polyäthylenumsätze zurückzuführende betriebliche Verluste bei den in Europa verkauften Erzeugnissen in Höhe von 95 Millionen UKL hinnehmen müssen. Im gleichen Jahr habe ihre Muttergesellschaft einen Betrag von 200 Millionen UKL bereitstellen müssen, um die grundlegende Umstrukturierung ihrer petrochemischen Aktivitäten in Europa und insbesondere die endgültige Schließung der Äthylen- Krackanlagen in Baglan Bay kostenmässig abzudecken. Diese Schließung mit einer Kapazität von 360 kt jährlich sei mit einer bereits 1988 angekündigten Erschließung einer neuen Kapazität von 330 kt jährlich in einer rentableren Fabrik in Grangemouth zusammengefallen.
66 Mithin sei ihre Marktstellung durch die ersten beiden Kapitaleinlagen bei EniChem ernsthaft beeinträchtigt worden.
67 Ausserdem habe sie aktiv am Verwaltungsverfahren teilgenommen und damit eine mit der eines Beschwerdeführers vergleichbare Rolle im Sinne des Urteils Cofaz gespielt. Am 24. Mai 1994 habe sie der Arbeitsgruppe aus Vertretern der Industrie und des DTI eine Studie über die EniChem gewährten Beihilfen vorgelegt. In einer Sitzung dieser Arbeitsgruppe vom 13. Juni 1994 habe sie diese Studie mit neuen Zahlen und Argumenten ergänzt und anschließend das Ministerium angeschrieben, um ergänzende Informationen zu liefern. Sie habe an den Erörterungen innerhalb der Arbeitsgruppe über die Grundzuege der Feststellungen des Vereinigten Königreichs teilgenommen und den Grossteil der Fakten geliefert, insbesondere aber auch Bemerkungen zu dem vom DTI verteilten Entwurf von Stellungnahmen beigesteuert.
68 Sie habe gezögert, Äusserungen im eigenen Namen abzugeben, weil sie befürchtet habe, die Geschäftsbeziehungen zu EniChem im Rahmen gemeinsamer Unternehmen, die laufenden Verhandlungen über technologische Lizenzverträge sowie die Zusammenarbeit im Rahmen von Berufsverbänden, denen beide Unternehmen angehört hätten, zu gefährden. Auch wenn ein Mitgliedstaat gegenüber einem Berufsverband nicht "für Rechnung" eines Unternehmens tätig werde, so hätten die britischen Behörden doch sicherstellen wollen, daß die Interessen der Klägerin von der Kommission in vollem Umfang berücksichtigt würden. Es wäre übertrieben formalistisch, zu verlangen, daß sie die gleichen Äusserungen im eigenen Namen hätte vortragen sollen.
Würdigung durch das Gericht
- Zur Zulässigkeit der Klage bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen
69 Gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann eine natürliche oder juristische Person gegen eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung nur dann Klage erheben, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft. Da die streitige Entscheidung an die Italienische Republik gerichtet ist, ist zu prüfen, ob diese Voraussetzungen bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen bei der Klägerin erfuellt sind.
70 Die Klägerin ist von der streitigen Entscheidung zweifellos unmittelbar betroffen, da diese bereits gewährte Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt (vgl. zuletzt Urteil des Gerichts vom 5. November 1997 in der Rechtssache T-149/95, Ducros/Kommission, Slg. 1997, II-2031, Randnr. 32).
71 Nach ständiger Rechtsprechung kann im übrigen derjenige, der nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238; Urteil Ducros/Kommission, Randnr. 33).
72 Nach der Rechtsprechung betrifft ferner im Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen eine Entscheidung, mit der ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages abgeschlossen wird, Unternehmen dann individuell, wenn sie die Beschwerde veranlasst haben, die zur Einleitung dieses Verfahrens führte, und wenn sie durch ihre Äusserungen den Verfahrensablauf weitgehend bestimmt haben, sofern ihre Marktstellung durch die Beihilfe, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird (Urteil Cofaz/Kommission, Randnrn. 24 und 25). Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß ein Unternehmen nicht in anderer Weise, durch Darlegung besonderer Umstände, die es in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten, den Nachweis erbringen könnte, daß es individuell betroffen ist (Urteile ASPEC u. a./Kommission, Randnr. 64, und Ducros/Kommission, Randnr. 34).
73 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Beschwerde bei der Kommission eingereicht. Sie ist auch nach Veröffentlichung der Mitteilung vom 2. Juni 1994 nicht selbst bei der Kommission vorstellig geworden, um sich als Betroffene im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu äussern. Daß die Klägerin Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift ist, reicht im übrigen für sich allein nicht aus, um sie in ähnlicher Weise wie den Adressaten der Entscheidung zu individualisieren.
74 Auch die Beteiligung der Klägerin als Mitglied einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Industrie und des DTI an der Vorbereitung der der Kommission am 1. Juli 1994 überreichten Stellungnahme des Vereinigten Königreichs kann sie nach Auffassung des Gerichts nicht im Sinne der angeführten Rechtsprechung individualisieren. Die Stellungnahme wurde nämlich vom Vereinigten Königreich im eigenen Namen in seiner Eigenschaft als Mitgliedstaat eingereicht. Überdies gibt sie lediglich den Standpunkt des Vereinigten Königreichs zu den vorgeschlagenen Beihilfen im Rahmen der damaligen allgemeinen Lage der petrochemischen Industrie Europas wieder, ohne auf die besondere Lage der Klägerin in irgendeiner Weise einzugehen.
75 Überdies kann die blosse Beteiligung der Klägerin an einer von den Behörden des Vereinigten Königreichs eingerichteten Arbeitsgruppe nicht mit der Ausübung des Rechts zur Äusserung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages innerhalb des dort vorgesehenen Verfahrens gleichgesetzt werden. Erwägungen der Rechtssicherheit und einer sachgemässen Verwaltung machen es nämlich in diesem Rahmen erforderlich, daß die Kommission die besondere Lage jedes Wirtschaftsteilnehmers, der sich durch die Gewährung der geplanten Beihilfen verletzt fühlt, so gut wie möglich in Erfahrung bringt. Im vorliegenden Fall waren der Kommission während des Verwaltungsverfahrens weder die besonderen Einwände der Klägerin noch deren etwaige Beteiligung an der Vorbereitung der Stellungnahme des Vereinigten Königreichs bekannt.
76 Zu der Frage, ob die Klägerin durch Darlegung besonderer Umstände, die sie in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten, in anderer Form den Nachweis erbringen konnte, daß sie individuell betroffen ist, ist darauf hinzuweisen, daß die blosse Eignung einer Maßnahme, die auf dem betroffenen Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, nicht genügen kann, um jeden Wirtschaftsteilnehmer, der zum Adressaten der Maßnahme in irgendeiner Wettbewerbsbeziehung steht, als von dieser Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen anzusehen (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 10/68 und 18/68, Eridania/Kommission, Slg. 1969, 459, Randnr. 7, Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsvärftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 47).
77 Das Gericht steht nämlich auf dem Standpunkt, daß in einem Fall wie dem vorliegenden die Klägerin, wenn sie von ihrem Recht zur Äusserung im Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages keinen Gebrauch gemacht hat, das Bestehen einer besonderen Wettbewerbssituation nachweisen muß, die sie im Hinblick auf die staatliche Beihilfe aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt (Urteile ASPEC u. a./Kommission, Randnr. 70, und Skibsvärftsforeningen u. a./Kommission, Randnr. 47).
78 Die Klägerin ist nicht nur Konkurrentin von EniChem auf den Äthylen- und Polyäthylenmärkten, sondern beruft sich auch darauf, daß die Produktionskapazität von EniChem bei Äthylen 11 % der Gesamtproduktionskapazität in Europa gegenüber ihren eigenen 9 % beträgt. Sie verweist ferner auf die Erklärung der Kommission in ihrer Mitteilung vom 2. Juni 1994, wonach EniChem auf dem westeuropäischen Markt für Olefine die Stellung eines Marktführers einnehme. Schließlich beruft sie sich auf hauptsächlich mit den Äthylen- und Polyäthylenumsätzen zusammenhängende betriebliche Verluste sowie auf die von ihr durchgeführte Schließung der Äthylen-Krackanlagen in Baglan Bay.
79 Das Gericht ist der Auffassung, daß all dies keine besonderen Umstände sind, die die Klägerin in ähnlicher Weise wie den Adressaten der streitigen Entscheidung individualisieren könnten.
80 Aus den Akten geht nämlich hervor, daß seinerzeit etwa 20 Wirtschaftsteilnehmer im Äthylensektor tätig waren, darunter EniChem und die Klägerin, die insgesamt über etwa 50 Fabriken verfügten (vgl. z. B. die Tabelle auf S. 14 der "Petrochemical Market Outlook", Mai 1994, die die Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts hinterlegt hat, sowie die "1994 Olefins report product review", die EniChem als Anlage 4 zu ihrem Streithilfeschriftsatz vorgelegt hat). Zwar verfügte EniChem damals danach sicherlich über die grösste Produktionskapazität in Europa, doch nach der auf Seite 16 der Klageschrift wiedergegebenen Tabelle hatten fünf andere Produzenten eine höhere Kapazität als die erst an siebter Stelle rangierende Klägerin. Was die betrieblichen Verluste der Klägerin im Jahre 1993 betrifft, so erlebte die petrochemische Industrie, wie den Akten zu entnehmen ist, damals eine Rezession, so daß die meisten der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Verluste hinnehmen mussten oder nur schwache Gewinne erzielten. Ausserdem dürfte die Schließung ihrer Äthylen-Krackanlagen in Baglan Bay nicht mit den ersten beiden Kapitaleinlagen zusammenhängen, sondern eher auf ihre eigene, 1988 bekanntgegebene Entscheidung zurückzuführen sein, eine rentablere Fabrik in Grangemouth bauen zu lassen.
81 Die Lage der Klägerin ist also eindeutig anders als die der drei Klägerinnen in der Rechtssache ASPEC u. a., die fast alle entsprechenden Marktanteile besassen (vgl. Randnrn. 65 bis 71 des Urteils). Während in der Rechtssache ASPEC u. a. die betreffende Beihilfe gerade die Produktionskapazität des Empfängers auf Überschußmärkten erhöhen sollte, wurden im vorliegenden Fall die ersten beiden Kapitaleinlagen im Zusammenhang mit Fabrikschließungen vorgenommen, die in Nummer 5 der streitigen Entscheidung erwähnt werden.
82 Schließlich kann auch dem Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden, daß ihre Klage in Analogie zur Lösung des Urteils Cook/Kommission deshalb zulässig sei, weil die Nichterwähnung der dritten Kapitaleinlage in der Mitteilung vom 2. Juni 1994 ihr die Möglichkeit genommen habe, sich zur gesamten Umstrukturierung von EniChem zu äussern. In diesem Urteil ist der Gerichtshof nämlich davon ausgegangen, daß die Nichteinleitung eines Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages die Beteiligten im Sinne dieser Vorschrift um Verfahrensgarantien bringe, auf die sie Anspruch hätten. Im vorliegenden Fall ist aber festzustellen, daß die Kommission bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 eingeleitet hat. Selbst wenn Zusammenhänge zwischen den drei Kapitaleinlagen im Rahmen der Umstrukturierung von EniChem bestehen sollten und die Mitteilung vom 2. Juni 1994 unvollständig wäre, hat allein die Nichterwähnung der dritten Kapitaleinlage die Klägerin nicht um die Möglichkeit einer Äusserung zu den ersten beiden Kapitaleinlagen im Rahmen des insoweit von der Kommission eingeleiteten Verfahrens gebracht.
83 Bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen ist daher die Klage als unzulässig abzuweisen.
- Zur Zulässigkeit der Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage
84 Die Beklagte hat im Hinblick auf die Urteile Cook/Kommission und Matra/Kommission die Zulässigkeit der Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage nicht in Zweifel gezogen.
85 Gemäß Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung auch für das Verfahren vor dem Gericht gilt, können mit den aufgrund des Beitritts als Streithelfer gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Ausserdem muß der Streithelfer gemäß Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet.
86 Die Streithelferin ist folglich nicht berechtigt, die Zulässigkeit der Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage in Zweifel zu ziehen, und das Gericht kann von einer Prüfung der von ihr vorgebrachten Unzulässigkeitsgründe absehen (Urteil des Gerichts vom 27. November 1997 in der Rechtssache T-290/94, Kaysersberg/Kommission, Slg. 1997, II-2137, Randnr. 76).
87 Gemäß Artikel 113 der Verfahrensordnung ist jedoch die Zulässigkeit der Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage von Amts wegen zu prüfen (vgl. Urteil CIRFS u. a./Kommission, Randnr. 23, Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-19/92, Leclerc/Kommission, Slg. 1996, II-1851, Randnr. 51).
88 Die Kommission ist in der streitigen Entscheidung zu der Auffassung gelangt, daß die dritte Kapitaleinlage auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber erbracht worden wäre und mithin nicht als staatliche Beihilfe zu betrachten sei. Damit hat es die Kommission nach Abschluß der Vorprüfung der dritten Kapitaleinlage gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages stillschweigend abgelehnt, das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 47).
89 Unter diesen Umständen kann die Einhaltung der Verfahrensgarantien, die gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages den Beteiligten zugute kommen, nur in der Weise gewährleistet werden, daß diese die Möglichkeit haben, die streitige Entscheidung der Kommission beim Gerichtshof anzufechten (Urteil Cook/Kommission, Randnr. 23, und Urteil Matra/Kommission, Randnr. 17). Dieser Grundsatz gilt dann, wenn die Entscheidung deshalb getroffen wurde, weil die Kommission eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar hält, wie auch dann, wenn nach ihrer Auffassung eine Beihilfe überhaupt nicht vorliegt (Urteil Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 47). Somit ist die Klägerin als Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages durch die streitige Entscheidung, soweit diese die dritte Kapitaleinlage betrifft, individuell betroffen.
90 Insoweit ist die Klägerin durch die streitige Entscheidung auch unmittelbar betroffen, da die dritte Kapitaleinlage nach Klageerhebung erfolgt ist (Urteil Ducros/Kommission, Randnr. 32).
91 Zum Vorbringen von ENI und EniChem, daß die Klage deshalb unzulässig sei, weil die Klägerin in ihren Anträgen nicht die Nichtigerklärung einer "eigenständigen" Entscheidung über die dritte Kapitaleinlage nach den Artikeln 92 Absatz 1 und 93 Absatz 3 des Vertrages verlangt habe, die streitige Entscheidung aber allein auf der Grundlage der Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c und 93 Absatz 2 des Vertrages erlassen worden sei, genügt die Feststellung, daß die Anträge der Klägerin auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung insgesamt, also einschließlich der Feststellung der Kommission, daß die dritte Kapitaleinlage keine staatliche Beihilfe sei, gerichtet sind.
92 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Italienischen Republik, die Klägerin müsse, wenn ihre Klage bezueglich der dritten Kapitaleinlage zulässig sein solle, nachweisen, daß ENI als öffentliche Einrichtung und nicht aufgrund geschäftlicher Interessen gehandelt habe. Eine solche Erwägung betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage.
93 Die Klage ist somit bezueglich der dritten Kapitaleinlage für zulässig zu erklären.
Zur Begründetheit
I - Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten
94 Bezueglich der dritten Kapitaleinlage macht die Klägerin geltend, die Kommission habe i) Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dadurch verletzt, daß sie die Zusammenhänge zwischen den drei Kapitaleinlagen verkannt habe, so daß die dritte Kapitaleinlage nicht unabhängig von den ersten beiden habe beurteilt werden können, sie habe ii) jedenfalls gegen Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages verstossen, weil ein privater, marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber die dritte Kapitaleinlage nicht erbracht hätte, und sie habe folglich iii) die Rechte der Klägerin als Betroffener dadurch verletzt, daß sie bezueglich der dritten Kapitaleinlage das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages nicht eröffnet habe.
Vorbringen im schriftlichen Verfahren
95 Zu den Beziehungen der ersten beiden Kapitaleinlagen zur dritten Kapitaleinlage macht die Klägerin erstens geltend, diese müsse als Teil eines einzigen Umstrukturierungsverfahrens von EniChem betrachtet werden, in dessen Rahmen die ersten beiden Kapitaleinlagen mit der dritten untrennbar zusammenhingen. Unter diesen Umständen sei die Argumentation der Kommission, die ersten beiden Kapitaleinlagen seien staatliche Beihilfen, die dritte hingegen nicht, gekünstelt. In Wirklichkeit handele es sich um eine einzige staatliche Beihilfe in Höhe von insgesamt 4 794 Milliarden LIT.
96 Die Klägerin verweist insbesondere darauf, daß die Kommission ausserstande gewesen sei, die ersten beiden Kapitaleinlagen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages ohne Vorlage eines Umstrukturierungsplans zu genehmigen, der die Lebensfähigkeit des Unternehmens binnen angemessener Frist dauerhaft sicherstellen könne (vgl. Absatz 3.2.2 Ziffer i der Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten vom 27. Juli 1994, ABl. C 368 vom 23. Dezember 1994, S. 12; nachstehend: Leitlinien, und Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in den Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103). Im vorliegenden Fall gebe es lediglich einen Umstrukturierungsplan, der der Kommission auf ihr Aufforderungsschreiben vom 16. März 1994 übermittelt worden sei und dessen wesentliches Element die dritte Kapitaleinlage sei. Die Zusammenhänge zwischen den ersten beiden Kapitaleinlagen und der dritten ergäben sich ebenfalls aus dem Schreiben der italienischen Regierung an die Kommission vom 6. Juni 1994.
97 Zweitens habe die Kommission, selbst wenn die dritte Kapitaleinlage unabhängig von den ersten beiden beurteilt werden könne, bei deren Beurteilung das sehr strenge Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers nicht ordnungsgemäß angewandt (Urteile des Gerichtshofes vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433; nachstehend: Urteil ENI-Lanerossi, und in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603; nachstehend: Urteil Alfa Romeo, sowie Urteil Hysata).
98 Kein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber hätte 3 000 Milliarden LIT für die Umstrukturierung von EniChem eingeschossen. Insbesondere hätte kein privater Kapitalgeber den Umstrukturierungsplan von EniChem finanziert, ohne diese Finanzierung an die Verwirklichung genauer Ziele innerhalb genauer Fristen zu knüpfen. Eine dritte Kapitaleinlage hätte er nicht vorgenommen, ohne zuvor die Alternative einer Liquidation von EniChem ins Auge zu fassen, und nie eine Investition beschlossen, bei der der Gegenwartswert des zukünftigen Cash flow gerade eben den Betrag der Investition erreiche, wie in der streitigen Entscheidung angegeben; auf jeden Fall hätte er seine Entscheidung nicht aufgrund der weniger pessimistischen der beiden finanziellen Vorhersagen getroffen, wie es die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vertreten habe.
99 Drittens habe die Kommission, indem sie bezueglich der dritten Kapitaleinlage nicht das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitet habe, einen Verfahrensfehler begangen, der sie um die ihr in dieser Bestimmung zugestandenen Rechte gebracht habe (Urteil Cook/Kommission, Randnr. 23).Die Kommission hätte nämlich entweder das bereits eingeleitete Verfahren auf die dritte Kapitaleinlage ausdehnen oder aber ein neues Verfahren eröffnen müssen, um dann in voller Kenntnis sämtlicher Umstände der Sache ihre Entscheidung treffen zu können (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg. 1984, 1451, Randnr. 13, und Urteil Cook/Kommission, Randnr. 29).
100 Das Vereinigte Königreich ergänzt, die Kommission hätte der Sichtweise der italienischen Regierung folgen müssen, wonach eine notwendige und untrennbare Verbindung zwischen den drei Kapitaleinlagen bestehe. Im übrigen hätten die italienischen Behörden die drei Kapitaleinlagen gar nicht anders als ein Ganzes darstellen können, weil rechtlich notwendige Voraussetzung für die Genehmigung einer Umstrukturierungsbeihilfe sei, daß diese die Lebensfähigkeit des Empfängers wiederherstelle, wie die Kommission selbst in Absatz 3.2.2 Ziffer i ihrer Leitlinien hervorgehoben habe.
101 Die Kommission weist vorab darauf hin, daß ihre Entscheidungen im Rahmen der vorsorglichen Kontrolle staatlicher Beihilfen gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar seien und daß ihr bei wirtschaftlichen und sozialen Beurteilungen im Gemeinschaftskontext notwendig ein weites Ermessen zustehe (vgl. insbesondere Urteile Philip Morris/Kommission, Randnr. 24, Matra/Kommission, Randnr. 24, und Hytasa, Randnr. 51).
102 Die Kommission ist der Auffassung, daß zwischen den ersten beiden Kapitaleinlagen und der dritten kein solcher Zusammenhang bestehe, daß alle drei hätten zusammen behandelt werden müssen. Die ersten beiden Kapitaleinlagen seien völlig unabhängig von der dritten gewürdigt worden, weil ihr Ziel im Kern gewesen sei, die Verluste aus vergangenen Schließungen zu decken, und ihre Wirkung in keiner Weise von dieser dritten Kapitaleinlage abhängig gewesen sei.
103 Das Kriterium des privaten Kapitalgebers habe auf die ersten beiden Kapitaleinlagen anhand der Umstände angewandt werden müssen, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme (1992 und 1993) gegolten hätten, die dritte Kapitaleinlage hingegen im Hinblick auf die Lage beim Erlaß der streitigen Entscheidung (1994). Die ersten beiden Kapitaleinlagen hätten keinen Ertrag bringen sollen, da sie dazu bestimmt gewesen seien, bereits eingetretene Verluste einschließlich derjenigen aufgrund bestimmter Umstrukturierungsmaßnahmen ausserhalb eines detaillierten Umstrukturierungsplans auszugleichen. Das Vorhaben einer Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT hingegen baue auf einem detaillierten und realistischen Umstrukturierungsplan für die Jahre 1994 bis 1997 auf, mit dem ab 1997 erneut eine vernünftige jährliche Rentabilität habe geschaffen werden sollen. Daß Maßnahmen gleicher Art wie die bereits zuvor durchgeführten im Rahmen eines Umstrukturierungsplans vorgeschlagen worden seien, schaffe keinen solchen Zusammenhang zwischen den ersten beiden Kapitaleinlagen und der dritten, daß damit die einen nicht mehr beurteilt werden könnten, ohne zugleich das Verfahren auf die dritte auszudehnen.
104 Sie sei davon ausgegangen, daß die ersten beiden Kapitaleinlagen und die sie begleitende Umstrukturierung die Lebensfähigkeit von EniChem so weit wiederhergestellt hätten, daß privates Kapital auf dem Kapitalmarkt wieder zugänglich geworden sei, ohne allerdings diesem Unternehmen eine Rentabilität zu verschaffen, die diesem Kapital langfristig Ertrag sichere. Eine Umstrukturierungsbeihilfe sei bereits dann mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, wenn sie die Lebensfähigkeit des Empfängers so weit wiederherzustellen helfe, daß dieser, gegebenenfalls aufgrund eines noch detaillierteren Umstrukturierungsplans, auf dem Kapitalmarkt das Privatkapital finden könne, das für die Wiederherstellung der Rentabilität notwendig sei. Dies sei das Ergebnis der ersten beiden Kapitaleinlagen gewesen, da nach der dritten Kapitaleinlage in Höhe von 3 000 Milliarden LIT eine normale Rendite auf dem Markt habe erwartet werden können.
105 Obwohl zu der Zeit, als die ersten beiden Kapitalzufuhren erfolgt seien, kein detaillierter Umstrukturierungsplan für EniChem vorgelegen habe, sei ihr bekannt gewesen, daß im Rahmen einer umfassenden Maßnahme zur Umstrukturierung der öffentlichen Unternehmen Italiens, die auch mit ihr im Rahmen der Sache EFIM (ABl. 1993, C 359) erörtert worden sei und zu der Vereinbarung Andreatta-Van Miert geführt habe, ein Gesamtumstrukturierungsplan für den Konzern in Arbeit gewesen sei. Eine allgemeine Erläuterung des Umstrukturierungs- und Privatisierungsplans für EniChem sei durch das italienische Finanzministerium in zwei amtlichen Dokumenten vom November 1992 und April 1993 veröffentlicht worden. Im Laufe des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages habe sich gezeigt, daß die Kapitaleinlagen zur Finanzierung von Umstrukturierungsmaßnahmen verwendet worden seien, um im Rahmen des allgemeinen Vorgehens, wie es die italienische Regierung in den beiden genannten Dokumenten beschrieben habe, erneut die Rentabilität anzustreben. Da diese Maßnahmen einer kohärenten Richtung gefolgt seien, die schließlich in dem der Kommission 1994 unterbreiteten Umstrukturierungsplan im Detail Ausdruck gefunden habe, und die Durchführung eines Umstrukturierungsplans keine statische Übung sei, sei sie davon ausgegangen, daß diese Maßnahmen im Sinne des Urteile Hytasa, "mit einem Umstrukturierungsplan verbunden [waren], der dazu dient, die Tätigkeit [von EniChem] zu verringern oder umzuorientieren".
106 Die Wiederherstellung der Lebensfähigkeit infolge einer Umstrukturierungsbeihilfe müsse in dem Sinne verstanden werden, wie er in Absatz 3.2.2 Ziffer i der Leitlinien erläutert sei, d. h., das Unternehmen müsse in der Lage sein, "alle anfallenden Kosten, einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten, selbst zu tragen und eine Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals zu erwirtschaften". Dies sei bei EniChem nach den ersten beiden Kapitaleinlagen der Fall gewesen: Sie habe auf dem Markt überleben können, so daß keine zusätzliche Beihilfe notwendig gewesen sei.
107 Bezueglich des Verhaltens eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers sei vorab darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in Randnummer 21 des Urteils ENI-Lanerossi anerkannt habe, daß bei der Anwendung des Kriteriums eines privaten Kapitalgebers die besondere Situation einer Holdinggesellschaft berücksichtigt werden dürfe. Allerdings habe sie sich, wie in ihren Schriftsätzen vorgetragen (vgl. z. B. Gegenerwiderung, Abschnitt D.8), nicht auf das Urteil ENI-Lanerossi zu stützen brauchen, da sie keinerlei Zweifel an der Rentabilität der dritten Kapitaleinlage gehabt habe.
108 Der mit Schreiben der italienischen Regierung vom 18. Mai 1994 vorgelegte Umstrukturierungsplan habe erschöpfende Informationen über alle Punkte und insbesondere Finanzvorausschauen in Form von Einnahmerechnungen, Bilanzen und Liquiditätsaufstellungen für die Jahre 1993 bis 1998 enthalten. Zu diesen Finanzvorausschauen habe auch eine zweite und weniger pessimistische Fassung gehört, der ein höheres Preisniveau bei Plastikstoffen und ein leicht erhöhtes Produktionsniveau bei Polyäthylen zugrunde gelegen habe.
109 Sie habe Kohärenz, Schlüssigkeit und Machbarkeit des Umstrukturierungsplans geprüft und sei zu dem Schluß gelangt, daß die beiden zu diesem Plan gehörenden Fassungen der finanziellen Vorhersagen realistisch und vorsichtig seien. Sie habe dann die Zahlen der finanziellen Vorhersagen untersucht, um festzustellen, ob der Ertrag der Kapitalzufuhr von 3 000 Milliarden LIT diese für einen privaten Kapitalgeber annehmbar mache, der unter Marktbedingungen handele.
110 Zum Zeitpunkt der dritten Kapitaleinlage habe sich ENI an einem Scheideweg befunden, d. h. entweder neues Kapital zuführen und umstrukturieren oder aber nichts tun und das Unternehmen in Konkurs gehen lassen. Obwohl auch ohne Kapitalzufuhr von 3 000 Milliarden LIT und die anschließende Umstrukturierung keine unmittelbare Gefahr eines Konkurses von EniChem bestanden habe, hätten doch die Verluste von EniChem zu dieser Zeit die Eigenmittel binnen ein oder zwei Jahren aufgebraucht und damit neue Kapitalzufuhren oder aber die Liquidation des Unternehmens notwendig gemacht.
111 Die Bewertung der Liquiditätszunahme infolge der Entscheidung für die Umstrukturierung habe daher von einem Vergleich der finanziellen Entwicklung von EniChem bei Liquidation mit den finanziellen Vorhersagen bei Umstrukturierung ausgehen müssen. Diesen Vergleich habe sie auch durchgeführt.
112 Zu dem Zeitpunkt, als ENI beschlossen habe, zu investieren statt ihre Tochtergesellschaft EniChem zu liquidieren, sei ihre Verschuldung niedriger als ihre Aktiva in Höhe von 1 950 Milliarden LIT gewesen. Dieser Betrag sei so errechnet worden, daß von dem Ende 1993 geschätzten Wert der Aktiva (2 952 Milliarden LIT) 1 001 Milliarden LIT als anteiliger Verlust für den Zeitraum Januar bis Juli 1994 (oder 7/12) vom gesamten Verlust für 1994 abgezogen worden seien. Dieser Betrag von 1 950 Milliarden LIT stelle somit die aktuelle Investition von ENI bei EniChem dar. Obwohl Schätzungen schwierig seien, dürfe man wohl annehmen, daß die Kosten einer Liquidation von EniChem letztlich doch über diesem Betrag liegen würden.
113 Bei der Analyse der finanziellen Auswirkung der Entscheidung für die Umstrukturierung habe man daher wohl aus Vorsicht davon ausgehen müssen, daß die aktuelle Investition von ENI bei EniChem (1 950 Milliarden LIT) bereits auf Null gestanden habe, weil eine Liquidation bestimmt zum Gesamtverlust des aktuellen Kapitals sowie infolge der Liquidationskosten zu zusätzlichen Verlusten geführt hätte.
114 Sie sei daher davon ausgegangen, daß die Entscheidung für die Liquidation die verbliebene Investition von ENI bei ihrer Tochtergesellschaft EniChem völlig vernichtet hätte. Die Analyse der Verzinsung der Kapitalzufuhr von 3 000 Milliarden LIT habe sich daher mit sämtlichen Zahlen der von EniChem vorgelegten finanziellen Vorhersagen befasst. So habe sie sämtliche ein- und ausgehenden Ströme infolge der Durchführung des Umstrukturierungsplans berücksichtigt, weil sie zu der Alternativlösung der Liquidation hinzugekommen seien.
115 Die Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT habe daher für die Anwendung des Kriteriums eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers die Anfangsinvestition dargestellt. Da der Kapitalgeber Alleinaktionär von EniChem gewesen sei, sei die Rendite der dritten Kapitaleinlage in Form der gesamten Nettogewinnerwartung von EniChem zugunsten von ENI ausgedrückt worden.
116 Auf der Grundlage der weniger pessimistischen Vorhersage der Finanzlage von EniChem sei die Nettogewinnerwartung für ENI für einen Zeitraum von zehn Jahren mit einem jährlichen Zinssatz von 12 % bereinigt worden. Auf dieser Grundlage habe der aktuelle Wert des zukünftigen Cash flow, wie in der streitigen Entscheidung angegeben, genau der Investition von 3 000 Milliarden LIT entsprochen. Die Kapitalzufuhr sei daher für einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber unter normalen Marktbedingungen annehmbar gewesen und habe daher keine staatliche Beihilfe dargestellt.
117 Was schließlich die Frage betreffe, ob sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages habe einleiten müssen, so sei einzuräumen, daß sie, falls sie bei einer ersten Prüfung der dritten Kapitalzufuhr Zweifel gehabt hätte, ob es sich um eine Beihilfe handele, verpflichtet gewesen wäre, entweder eine formelle Untersuchung einzuleiten oder aber die italienische Regierung um zusätzliche Informationen zu bitten (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 20. März 1984, Deutschland/Kommission, vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307; nachstehend: Urteil Boussac, und vom 13. April 1994 in den Rechtssachen C-324/90 und C-342/90, Deutschland und Pleuger Worthington/Kommission, Slg. 1994, I-1173). Da sie aber solche Zweifel nicht gehabt habe, sei sie weder verpflichtet noch berechtigt gewesen, das erwähnte Verfahren einzuleiten.
118 Die Italienische Republik, ENI und EniChem unterstützen das Vorbringen der Kommission. Die Italienische Republik weist ferner darauf hin, daß die Umwandlung von ENI in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Aktien 1992 im Rahmen eines grossangelegten Privatisierungsprogramms erfolgt sei, zu dem auch die endgültige Aufgabe der Verwendung öffentlicher Unternehmen als allgemeines Instrument der Politik gehört habe. Seit dem 11. Juli 1992 unterliege daher ENI den Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuchs über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf Aktien, und sämtliche Möglichkeiten der Einwirkung des Staates auf ENI seien abgeschafft worden. Die Gesellschaft müsse nach den Kriterien wirtschaftlicher Wirksamkeit und Rentabilität handeln. Der Staat habe weder dem Ente Nazionale Idrocarburi vor seiner Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf Aktien noch nach dieser Umwandlung ENI Kapital zugeführt. Die betrieblichen Entscheidungen von ENI seien nur ihr und nicht dem Staat zuzurechnen, der nur die Risiken eines Aktionärs trage und nicht als öffentliche Einrichtung handele.
119 Die dritte Kapitaleinlage gehöre zu einem umfassenden und vom Verwaltungsrat von ENI am 27. Januar 1994 beschlossenen Umstrukturierungsplan, der u. a. den Abbau von Überkapazitäten, mit der die Politik der Rationalisierung der Produktion und der Senkung der Fixkosten vervollständigt werden solle, die Neuordnung der Tätigkeiten in den Bereichen, die enger mit den Haupttätigkeiten des Aktionärs verbunden seien, einen spürbaren Abbau der Verschuldung und die finanzielle Sanierung sowie die Rückgewinnung einer Gleichgewichtslage im Jahre 1997 und einer die angemessene Vergütung der Aktionäre sicherstellende Rentabilität vorsehe. Dieser Plan werde zum Teil aus Eigenmitteln von EniChem, die aus der Verringerung ihrer nichtstrategischen Tätigkeiten stammten, finanziert und könne EniChem in einem verhältnismässig kurzen Zeitraum eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit zurückverschaffen, die positive Auswirkungen sowohl unmittelbarer (Gewinne) als auch mittelbarer Natur (Synergieeffekte) für die Aktionäre hätten.
120 ENI und EniChem machen geltend, die Kommission habe zu dem Ergebnis kommen können, daß keine der drei Kapitaleinlagen "aus staatlichen Mitteln" erfolgt sei, weil ENI Eigenmittel verwendet habe, ohne den Ertrag oder den Wert der Investition des Finanzministeriums in diese Gesellschaft zu schmälern. Ohne diese Einlagen wäre ENI Gefahr gelaufen, ihrer erheblichen Investition bei EniChem und der Synergieeffekte zwischen EniChem und ihren Tätigkeiten im Energiebereich verlustig zu gehen; auch der Plan der italienischen Regierung zur Privatisierung von ENI wäre in Gefahr geraten. Im übrigen sei ENI seinerzeit kein öffentliches Unternehmen gewesen und damit den Weisungen der italienischen Regierung nicht mehr unterworfen gewesen. Ausserdem seien die ersten beiden Kapitaleinlagen aufgrund eines Beschlusses erfolgt, den der Ente Nazionale Idrocarburi und die Montedison SpA im Mai 1989 gefasst hätten und mit dem das Kapital von Enimont um 2 000 Milliarden LIT für den Fall habe erhöht werden sollen, daß dieser Betrag nicht durch Gewinne der Gesellschaft im Zeitraum 1989 bis 1991 erreicht würde.
121 Was die Beurteilung der dritten Kapitaleinlage durch einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber angehe, so sei die Politik der Kommission im Einklang mit Artikel 222 des Vertrages und den Urteilen ENI-Lanerossi und Alfa Romeo darauf ausgerichtet, den erheblichen Beurteilungsspielraum des Kapitalgebers und die langfristigen Überlegungen von Unternehmen, die einen grossen Konzern beherrschten, zur Geltung zu bringen (vgl. Nrn. 27 bis 31 der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten : Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80/723/EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie, ABl. 1993, C 307, S. 3; nachstehend: Mitteilung über öffentliche Unternehmen). Im vorliegenden Fall habe sich die Kommission davon überzeugen können, daß auch ohne Berücksichtigung solcher Überlegungen eine angemessene Rendite zu erwarten sei. Da die normale Dauer einer Investition zehn Jahre betrage, habe die Kommission die für die Zukunft erwarteten Ergebnisse mit 12 % abgezinst. Dieser Satz sei eindeutig höher als die Finanzierungskosten von ENI (das gewogene Mittel des von ihr zu entrichtenden Zinssatzes bei langfristigen Schulden habe 1994 8,5 % betragen) und als der Durchschnittsertrag bei Investitionen in der Chemieindustrie (1992: 9,3 %). Wenn, wie durchaus berechtigt, ein niedrigerer Satz zugrunde gelegt worden wäre, hätte der aktuelle Wert des zukünftigen Cash flow über der Anfangsinvestition gelegen.
122 Der Wert der Investition von ENI bei EniChem vor der dritten Kapitalanlage sei vernünftigerweise mit 1 950 Milliarden LIT veranschlagt worden. Bei einer Liquidation hätte indessen ENI angesichts der Folgen, die ein Ausfall von EniChem für den ENI-Konzern gehabt hätte, die Schulden von EniChem (8 676 Milliarden LIT) begleichen müssen. ENI habe nach Nummer 36 der Mitteilung über öffentliche Unternehmen ebenfalls die denkbare Auswirkung der Liquidation von EniChem auf den ENI-Konzern einschließlich des Verlustes von Synergieeffekten, der Beeinträchtigung des Rufes und der Kreditwürdigkeit (credit rating) des Konzerns sowie des Abgleitens der Privatisierung von ENI berücksichtigt. Auch hätten die von EniChem veräusserten Tätigkeiten günstigere Preise erbracht, als wenn ihr Verkauf unter der Drohung einer Liquidation erfolgt wäre (vgl. Nr. 20 der Mitteilung über öffentliche Unternehmen). ENI und EniChem machen schließlich geltend, daß der Umstrukturierungsplan für 1994 bis 1997 offensichtlich erfolgreich gewesen sei, und erläutern im einzelnen die Finanzstatistiken von EniChem, die belegen sollen, daß die für 1997 erwarteten Ergebnisse bereits 1995 eingetreten seien.
Vorbringen nach Abschluß des schriftlichen Verfahrens
123 Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen hat das Gericht die Kommission mit Schreiben vom 21. Mai 1997 um Vorlage der Berechnungen in ihren Akten zu der Frage gebeten, ob die dritte Kapitalanlage für einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber annehmbar gewesen wäre, insbesondere der Berechnungen des aktuellen Nettowerts des zukünftigen Cash flow von EniChem in den beiden (unterschiedlich pessimistischen) Fassungen, von denen sie in ihrer Klagebeantwortung und ihrer Gegenerwiderung spreche. Das Vorbringen der Beteiligten nach Abschluß des schriftlichen Verfahrens betrifft ausschließlich die von der Kommission vorgelegten Berechnungen.
- Die Erklärungen der Kommission vom 30. Juni 1997
124 In der Anlage zu ihren Erklärungen vom 30. Juni 1997 hat die Kommission die Tabellen QI/1, QI/2, QI/3 und QI/4 vorgelegt und bekräftigt, daß dies die vom Gericht angeforderten Schriftstücke seien.
125 Nach ihren Erklärungen stellt die Tabelle QI/1, die das Datum des 1. Juli 1994 trägt, die Berechnung der Rendite der Kapitalzufuhr von 3 000 Milliarden LIT durch die Kommission dar. "Der aktuelle Nettowert des zukünftigen Cash flow" von EniChem sei in Zeile 5 der Tabelle mit der Überschrift "Kumulierter Wert der Eigenmittel" ("Cumulated equity valü") dargestellt, aus der sich ergebe, daß im Jahre 2005 der kumulierte Wert der Eigenmittel von EniChem 2 966 Milliarden LIT betrage.
126 Die Tabelle QI/2 zeige die Berechnung der Finanzierungskosten von ENI durch die Kommission. Tabelle QI/3 enthalte ihre Berechnung der Durchschnittsrendite von Eigenmitteln der wichtigsten Chemieunternehmen, die als Vergleichsgrundlage gedient habe. Tabelle QI/4 enthalte die Vorhersagen zur Entwicklung der Aktivitäten und der finanziellen Situation, die als Grundlage für die Berechnung der Rendite der Kapitaleinlage herangezogen worden seien. Es handele sich um ein am 13. April 1994 erstelltes Schriftstück mit dem Titel "Analisi di Sensitivitá (Ipotesi Migliorative di Scenario)", das die italienische Regierung während des Verwaltungsverfahrens vorgelegt habe.
- Mündliche Verhandlung vom 23. September 1997
127 In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1997 haben die Klägerin und das Vereinigte Königreich die Berechnungen in der Tabelle QI/1 in mehrfacher Hinsicht beanstandet. Die Kommission habe insbesondere ihre Berechnungen auf die Eigenfinanzierungskapazität im strengen Sinne und nicht auf Buchgewinne stützen müssen. Zeile 4 mit der Überschrift "Aktualisierte Gesamtüberschüsse" ("Cumulated discounted flow") habe als Negativposten die ursprüngliche Investition von 3 000 Milliarden LIT enthalten müssen; mithin betrage der aktuelle Nettowert des Cash flow nicht negativ 34 Milliarden LIT, sondern negativ 3 034 Milliarden LIT. Zeile 5, in der die aktualisierten Gesamterträge der ursprünglichen Investition von 3 000 Milliarden LIT hinzugerechnet seien, enthalte einen grundlegenden Fehler, weil feststehe, daß der Betrag von 3 000 Milliarden LIT in Wirklichkeit den Gläubigern von EniChem gezahlt worden sei, um deren Schulden zu verringern und die Nettörträge zu verbessern; folglich stehe dieser Betrag am Ende der Investitionsdauer nicht zur Verfügung.
128 Die Kommission entgegnet hierauf insbesondere, daß Zeile 4 der Tabelle QI/1 zeige, wie hoch die Erträgnisse sein müssten, damit der Kapitalgeber nach Abzinsung mit dem Satz von 12 % am Ende der normalen Investitionsdauer das investierte Kapital zurückerhalte. Zeile 5 weise dann aus, daß die Erträgnisse so hoch seien, daß der Kapitalgeber seine ursprüngliche Investition am Ende dieses Zeitraums zurückerhalte (2 966 Milliarden LIT) und in der Zwischenzeit eine Rendite von 12 % erzielt habe.
129 Auf die Fragen des Gerichts in der Verhandlung hat Herr Spagnolli, der für die Angelegenheit zuständige Beamte der GD IV, bestätigt, daß er maßgeblich an der Vorbereitung der Tabelle QI/1 beteiligt gewesen sei. Da EniChem bei der dritten Kapitaleinlage über 1 950 Milliarden LIT Eigenmittel verfügt habe, beruhten die Ergebnisse der Tabelle QI/1 auf 4 950 Milliarden LIT Eigenmitteln, die nach Erbringung der Kapitaleinlage zur Verfügung gestanden hätten. Ein Aktionär müsse aber, um entscheiden zu können, ob er 3 000 Milliarden LIT bei EniChem investiere oder nicht, wissen, welchen Ertrag eine Einlage dieser Höhe bringe. Es habe daher geprüft werden müssen, inwieweit die Einlage auf die Lage des Unternehmens einwirke. Nun habe die dritte Kapitaleinlage den Konkurs von EniChem verhindert, der die seinerzeit vorhandenen Eigenmittel von 1 950 Milliarden LIT hätte verschwinden lassen. Unter diesen Umständen seien die Berechnungen der Tabelle QI/1 durchgeführt worden, ohne diese vorhandenen Eigenmittel zu berücksichtigen.
130 Wenn man den Standpunkt der Klägerin übernehme, daß Zeile 4 der Tabelle QI/1 die dritte Kapitaleinlage in Höhe von 3 000 Milliarden LIT als Minusziffer hätte enthalten müssen, müsse man diese Minusziffer durch den Restwert des Unternehmens im Jahre 2005 als Plusziffer ausgleichen. Zeile 5 der Tabelle zeige nämlich, daß die Eigenmittel von EniChem im Zeitraum von Juli 1994 bis 2005 je nach den Ergebnissen des Unternehmens zu- oder abnähmen. Am Anfang betrügen nun diese Eigenmittel 3 000 Milliarden LIT und im Jahre 2005 immer noch 3 000 Milliarden LIT, da die Erträgnisse mit 12 % abgezinst worden seien.
131 ENI und EniChem machen insbesondere geltend, die Vorsichtigkeit der Kommission zeige sich darin, daß sie in der Tabelle QI/1 die voraussichtlichen Verluste von EniChem für die Jahre 1994 bis 1996 berücksichtigt habe, nachdem sie diese Verluste zum Anlaß genommen habe, den Anfangswert der Eigenmittel von EniChem im Juli 1994 aus der Berechnung herauszunehmen. Es handele sich hier um eine Doppelrechnung, weil die Verluste von EniChem zweimal gerechnet würden.
132 Um zu belegen, daß es mehrere mögliche Berechnungsweisen gebe, hätten sie die aufgrund der dritten Kapitaleinlage zu erwartenden Cash-flow-Sätze selbst berechnet. Nach diesen Berechnungen belaufe sich der aktuelle Wert des zukünftigen Cash flow auf 7 195 Milliarden LIT.
- Die Schreiben der Kommission vom 26. September und 16. Oktober 1997
133 Mit Schreiben vom 26. September 1997 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß die Tabelle QI/1, obwohl sie als Teil ihrer Akten vorgelegt worden sei, in Wirklichkeit bei Erlaß der streitigen Entscheidung nicht existiert habe. Obwohl die Tabelle QI/1 das Datum des 1. Juli 1994 trage, sei sie eine Rekonstruktion des für die Angelegenheit zuständigen Beamten, Herrn Spagnolli, anhand der Berechnungen, die dieser seinerzeit durchgeführt habe. Sie könne nicht mit Gewißheit sagen, ob die in der Tabelle QI/1 enthaltenen Berechnungen genau die seien, die vor Erlaß der streitigen Entscheidung durchgeführt worden seien, jedoch hätten Berechnungen dieser Art tatsächlich als Grundlage für die streitige Entscheidung gedient. Die ursprünglichen Berechnungen seien auf einem Rechner durchgeführt worden, der in der Zwischenzeit ausgetauscht worden sei, da die Direktion für staatliche Beihilfen ihr Computersystem gewechselt habe; einen Ausdruck habe man nicht finden können. Dieser Sachverhalt könne von Herrn Spagnolli und dessen damaligem Abteilungsleiter, Herrn Feltkamp, bestätigt werden, die beide an der Verhandlung vom 23. September 1997 teilgenommen hätten.
134 Mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 hat die Kommission dem Gericht bestätigt, daß die Tabellen QI/2 und QI/4 Kopien der Originalstücke seien, die sich bei Erlaß der streitigen Entscheidung in ihren Akten befunden hätten. Die Tabelle QI/3 sei hingegen nicht die, die sich seinerzeit in ihren Akten befunden habe. Sie legt dem Gericht ein Schriftstück vor, das die Originalfassung der Tabelle QI/3 sein soll, erläutert aber, daß die dem Gericht am 30. Juni 1997 vorgelegte Tabelle QI/3 nach Erlaß der streitigen Entscheidung der besseren Verständlichkeit halber auf dem Computer neu erstellt worden sei.
135 Im selben Schreiben ergänzt die Kommission, daß dieser Sachverhalt durch Herrn Spagnolli bescheinigt werden könne. Sein Abteilungsleiter, Herr Feltkamp, könne bestätigen, daß Tabellen wie die Tabellen QI/2, QI/3 und QI/4 bei der Vorbereitung der streitigen Entscheidung verwendet worden seien, auch wenn er sich an den genauen Inhalt der verwendeten Tabellen nicht mehr erinnere. Ein anderer Beamter der GD IV, Herr Owen, könne bezeugen, daß er im Dienstzimmer von Herrn Spagnolli zugegen gewesen sei, als dieser auf Papier eine Berechnung durchgeführt habe, um den aktuellen Wert des Cash flow bezueglich der dritten Kapitaleinlage zu untersuchen. Den Ergebnissen nach habe nichts auf eine staatliche Beihilfe gedeutet, auch wenn Herr Owen sich an die Zahlen nicht genau erinnere.
- Die schriftliche Frage des Gerichts vom 13. Oktober 1997 und die Erklärungen der Kommission vom 11. November 1997
136 Mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 hat das Gericht die Kommission um Mitteilung ersucht, ob die Berechnungen der Tabelle QI/1 weiterhin zur Stützung der Aussage in der streitigen Entscheidung herangezogen würden, daß die dritte Kapitaleinlage in Höhe von 3 000 Milliarden LIT auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber hätte vorgenommen werden können und daß "insbesondere der Gegenwartswert des künftigen Cash flow ... genau 3 000 Milliarden LIT [erreicht]". Andernfalls möge die Kommission auf der Grundlage der Begründung der streitigen Entscheidung und ihrer Schriftsätze die Berechnungen oder sonstigen Gesichtspunkte angeben, die ihre Schlußfolgerung in dieser Hinsicht rechtfertigen könnten.
137 Mit ihrer Stellungnahme vom 11. November 1997 hat die Kommission zwei Tabellen vorgelegt (Tabellen A und B) und erklärt, sie stütze sich weiterhin auf die Berechnungen in der Tabelle QI/1, allerdings mit den in der Tabelle A dargestellten Änderungen. Die Herren Spagnolli, Feltkamp und Owen könnten bezeugen, daß ein Berechnungsbogen in der Art von Tabelle QI/1 von Herrn Spagnolli auf dem Computer erstellt worden sei, daß er benutzt worden sei, um den aktuellen Wert der Erträge der dritten Kapitaleinlage zu ermitteln, und daß er in keiner Weise gezeigt habe, daß die Einlage eine staatliche Beihilfe sei.
138 Tabelle A sei das Ergebnis der Bemühungen, die zur Zeit des Erlasses der streitigen Entscheidung angestellten Berechnungen aufgrund der Erinnerung der betroffenen Personen in konkreterer Form zu rekonstruieren. Die neue Tabelle A ergänze im wesentlichen zwei Gesichtspunkte, die Teil der seinerzeit durchgeführten Berechnungen gewesen und aufgrund der Erinnerungen der betroffenen Personen rekonstruiert worden seien.
139 Die Eigenmittel von EniChem am 31. Juli 1994 in Höhe von 1 950 Milliarden LIT seien zunächst zum Ausgleich der Verluste von EniChem in den ersten drei Jahren des Planes verwendet worden. Der Betrag von 1 950 Milliarden LIT sei nämlich in den Büchern von EniChem geblieben und habe, da die Entscheidung für die dritte Kapitaleinlage getroffen worden sei, bei der Rechnung berücksichtigt werden müssen.
140 Zweitens sei der Restwert von EniChem im Jahre 2005 mit einem aktuellen Wert von 1 531 Milliarden LIT in die Berechnung aufgenommen worden. Dieser Wert ergebe sich daraus, daß EniChem ihre Tätigkeit über die Vorhersagezeit hinaus fortsetze. Obwohl sicher sei, daß nach der Praxis der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen ein Restwert berechnet worden sei, erinnerten sich Herr Feltkamp und Herr Spagnolli nicht mehr an die genaue Berechnung, wie sie zum Zeitpunkt der streitigen Entscheidung durchgeführt worden sei. Üblicherweise werde wohl die zwar einfache, aber gängige Methode verwendet, die Bruttobetriebsspanne, d. h. den Unterschied zwischen den Betriebseinnahmen und -ausgaben, mit einem Faktor zu multiplizieren, der je nach der besonderen Situation des betreffenden Unternehmens und des Sektors unterschiedlich ausfalle. Im Sektor der chemischen Produkte betrage die normale Spanne vier bis sechs, in der Tabelle A sei der Faktor drei verwendet.
141 Die Hinzufügungen in Tabelle A seien in der Tabelle QI/1 nicht ausdrücklich dargestellt gewesen, sondern hätten leicht den Zahlen dieser Tabelle und denen des Umstrukturierungsplans entnommen werden können (Tabelle QI/4). Die Doppelbuchung der Verluste und das Verschwinden der Eigenmittel seien auf eine Nachlässigkeit des mit der Erstellung der Tabelle QI/1 betrauten Beamten zurückzuführen und erst nach der Verhandlung entdeckt worden. Die drei Zeugen könnten bestätigen, daß dieses Versehen nicht bei der Ausarbeitung der streitigen Entscheidung vorgekommen sei. Auch in der Klagebeantwortung habe es keine Doppelbuchung gegeben.
142 Allgemein weist die Kommission darauf hin, daß ihre Berechnung auf den Nettörgebnissen von EniChem (nach Steuern) beruht habe. Sie legt dem Gericht in Tabelle B eine Berechnung vor, die nach der von der Klägerin befürworteten Methode DCF (discounted cash flow) erstellt sei und einen Cash flow zeige, der die ursprüngliche Investition von 3 000 Milliarden LIT um nahezu 2 000 Milliarden LIT übersteige.
143 Der Schluß indessen, daß die Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber hätte vorgenommen werden können, beruhe nicht nur auf ihrer Berechnung des erwarteten Ertrags, sondern auch, wie in ihren Schriftsätzen dargelegt, auf dem Wert und der Bedeutung der Fortführung der Tätigkeiten von EniChem im Rahmen der Holdinggesellschaft ENI für diese sowie auf anderen Gesichtspunkten, die in Nummer 4 der streitigen Entscheidung angeführt seien.
- Schriftliche Erklärungen der Beteiligten nach dem Schreiben der Kommission vom 17. November 1997
144 In ihren schriftlichen Erklärungen vom 19. Januar 1998 weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission nicht erläutert habe, daß die Tabelle QI/1 unzutreffend auf den 1. Juli 1994 datiert worden sei. Da jedoch die Tabelle QI/1 zwar fehlerhaft, aber doch eher mit der Begründung in Nummer 4 der streitigen Entscheidung vereinbar sei als die neue Tabelle A, stelle sie wahrscheinlich die seinerzeit durchgeführte Arbeit dar, zumal die neue Tabelle A nachträglich angefertigt worden sei, um die seinerzeit begangenen Fehler anszumerzen. Ausserdem weiche die Tabelle QI/3 in mehrfacher Hinsicht von dem Schriftstück ab, das die Kommission mit ihren Erklärungen vom 16. Oktober 1997 vorgelegt habe.
145 Demzufolge hat die Klägerin beantragt, prozeßleitende Maßnahmen anzuordnen, um festzustellen, wie und wann die Tabellen QI/1, QI/3 und A erstellt worden seien, und hierzu die Herren Feltkamp, Spagnolli und Owen als Zeugen zu vernehmen.
146 In der Sache ist die Klägerin der Auffassung, daß sich die Kommission nicht mehr auf die Tabelle QI/1 stütze. Die Tabelle A entspreche einer wesentlich abweichenden Betrachtungsweise, die sich im übrigen weder der streitigen Entscheidung noch den Schriftsätzen der Kommission entnehmen lasse. Da die Kommission keine Berechnungen aus ihrer Akte habe vorlegen können, die ihre Feststellung in der streitigen Entscheidung rechtfertigen könnten, daß der aktuelle Wert des zukünftigen Cash flow genau 3 000 Milliarden LIT betrage, müsse die streitige Entscheidung für nichtig erklärt werden.
147 Die Kommission habe nämlich stillschweigend die Berechtigung der von der Klägerin in der Verhandlung vom 23. September 1997 vorgetragenen Kritik anerkannt, daß zum einen der zukünftige Cash flow von EniChem, wie er in Zeile 4 der Tabelle QI/1 erscheine, nicht negativ 34 Milliarden LIT, sondern negativ 3 034 Milliarden LIT betrage, und daß zum anderen der aktuelle Gesamtwert der Eigenmittel von EniChem in Zeile 5 der Tabelle QI/1 für die Berechnung des aktuellen Wertes des Cash flow von EniChem unerheblich sei. Tabelle A zeige in Zeile 4 den richtigen Betrag von negativ 3 034 Milliarden LIT; die alte Zeile 5 sei zwar in der Tabelle verblieben, werde aber bei der Berechnung der Rendite für den Kapitalgeber überhaupt nicht berücksichtigt.
148 Die Kommission habe daher, um auf anderem Wege mehr als 3 034 Milliarden LIT als aktuellen Wert darstellen zu können, in die Tabelle zwei neue Punkte aufgenommen, nämlich die Aufnahme "des aktuellen Niveaus der Eigenmittel" in die Berechnung und die Festlegung eines Restwerts für EniChem am Ende der Investitionsdauer. Dieser Weg der Behandlung des Problems sei indessen mit der streitigen Entscheidung und mit den Schriftsätzen der Kommission unvereinbar.
149 Auf jeden Fall sei die Verwendung der aktuellen Eigenmittel von EniChem zum Ausgleich ihrer Verluste bis 1996 in der Tabelle A finanztechnisch abwegig, weil die Bewertung einer Investition in ein Unternehmen mit der Buchführung des Unternehmens verwechselt werde, die nichts miteinander zu tun hätten. Kein unabhängiger Sachverständiger werde bestätigen wollen, daß diese Methode ein allgemein anerkannter Bestandteil der Berechnung des aktuellen Wertes sei. Die in der Tabelle A verwendete Methode zur Berechnung des Restwerts von EniChem sei nicht üblich oder traditionell.
150 Im übrigen weise die Berechnung der Nettörgebnisse in der Tabelle A mehrere schwere Fehler in Einzelheiten der Berechnungen auf. Auch Tabelle B sei zu beanstanden, obwohl die Kommission ohnehin eingeräumt habe, daß zur Zeit der streitigen Entscheidung keine dieser Tabelle entsprechende Analyse durchgeführt worden sei.
151 Das Vereinigte Königreich macht in seinen Erklärungen vom 19. Januar 1998 geltend, die streitige Entscheidung sei für nichtig zu erklären, weil keinerlei Gewißheit bezueglich etwaiger Berechnungen bestehe, die die Kommission tatsächlich zur Stützung ihres Schlusses durchgeführt hätte, daß diese Kapitalzufuhr auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber vorgenommen worden wäre.
152 ENI und EniChem führen in ihren Erklärungen vom 19. Januar 1998 aus, die Rechtmässigkeit einer Maßnahme eines Organs müsse aufgrund des Informationsstands und der tatsächlichen und rechtlichen Lage zum Zeitpunkt ihres Erlasses beurteilt werden (Urteil des Gerichts vom 22. Januar 1997 in der Rechtssache T-115/94, Opel Austria/Rat, Slg. 1997, II-39, Randnr. 87). Wenn daher die Gemeinschaftsorgane ihre Pflicht verletzten, nach Erlaß der streitigen Entscheidung eine vollständige Akte in ihren Archiven aufzubewahren, oder nach Aufforderung durch das Gericht Belegstücke im Original nicht vorlegen könnten, so sei dies kein Grund, diese Entscheidung für nichtig zu erklären. Auf jeden Fall habe die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 11. November 1997 die Situation bereinigt und eine klare, verläßliche und überzeugende Rekonstruktion der zur Zeit der streitigen Entscheidung durchgeführten Analyse und angeführten Begründung geboten. Es wirke sich daher nicht im geringsten auf die Rechtmässigkeit der Entscheidung aus, wenn sie nicht in der Lage gewesen sei, dem Gericht bestimmte Originalstücke vorzulegen, auf die sie sich bei Erlaß der streitigen Entscheidung gestützt habe.
153 Insbesondere vermeide die neue Tabelle A die Gefahr einer Doppelrechnung, auf die ENI in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1997 aufmerksam gemacht habe. Weil die Verluste der ersten drei Jahre durch das vorhandene Kapital in Höhe von 1 950 Milliarden LIT ausgeglichen worden seien, hätten sie nicht mehr von der Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT abgezogen werden müssen. Im übrigen ergänze Tabelle A die Tabelle QI/1, indem sie einen äusserst bescheidenen Restwert hinzufüge. Angesichts der Komplexität der aufgeworfenen Fragen müsse der Kommission ein weites Ermessen bezueglich der Wahl der Methode und der einzusetzenden Rechenparameter zustehen.
154 Selbst wenn die Wahl der in Tabelle A verwendeten Methode nicht angezeigt erscheine, mache das die streitige Entscheidung nicht fehlerhaft, weil die in der Tabelle B eingesetzte zweite Methode erkennen lasse, daß die Kapitaleinlage nicht als staatliche Beihilfe zu bewerten sei. Auch andere Methoden bestätigten überdies die Richtigkeit der Gründe, aus denen die Kommission die streitige Entscheidung erlassen habe, weil sie ebenfalls belegten, daß die Kapitaleinlage keine Beihilfe gewesen sei. ENI und EniChem legen dem Gericht Berechnungen vor, die auf der in der Tabelle B verwendeten Methode der Aktualisierung des Cash flow beruhen, aber von Grundannahmen ausgehen, die von denen in dieser Tabelle vorausgesetzten leicht abweichen. Diese Berechnungen sollen zeigen, daß die dritte Kapitaleinlage eine spürbare Rendite bringe.
- Mündliche Verhandlung vom 17. März 1998
155 In der Verhandlung vom 17. März 1998 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, daß das in der Anlage zu ihrem Schreiben vom 16. Oktober 1997 als Originalfassung der zur Zeit der streitigen Entscheidung existierenden Tabelle QI/3 vorgelegte Schriftstück möglicherweise nicht das Original sei. Dies beeinträchtige allerdings nicht die Angemessenheit des Satzes von 12 %, den sie bei ihren Berechnungen verwendet habe.
156 In der Sache hat die Kommission insbesondere unterstrichen, daß der Hinweis auf den zukünftigen Cash flow in Nummer 4 der streitigen Entscheidung im Sinne der Nummer 35 der Mitteilung über öffentliche Unternehmen zu verstehen sei, wo es heisse, daß "der zukünftige Cash flow dem Investor auf dem Wege der Dividendenzahlung und der Kapitalzuwächse" erwachsen könne. Da bei der alternativen Entscheidung für eine Liquidation von EniChem die vorhandenen Aktiva durch die Liquidationskosten aufgebraucht worden wären, seien die betreffenden 1 950 Milliarden LIT als Kapitalzuwächse im Sinne dieser Mitteilung zu behandeln. Der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers fordere, daß der Wert in Höhe von 1 950 Milliarden LIT berücksichtigt werde, weil die Kapitaleinlage die Erhaltung dieses Wertes für die Zukunft ermögliche, während bei der Alternative der Liquidation dieser Wert verlorengehe. Selbst wenn dieser Teil der Berechnung in der streitigen Entscheidung nicht ausdrücklich wiedergegeben sei, entspreche es ständiger Rechtsprechung, daß die gewählte Begründung nicht in allen Einzelheiten ausgebreitet werden müsse.
157 Auch wenn der Restwert in der streitigen Entscheidung ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt werde, sei es doch üblich, ihn im Rahmen einer Analyse wie im vorliegenden Fall zu berechnen, wie dies übrigens verschiedenen von den Beteiligten angeführten Werken zu entnehmen sei. Da es mindestens vier Methoden für die Errechnung des Restwerts gebe, habe sie mit der Verwendung einer dieser Methoden keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, auch wenn die Klägerin eine andere vorschlage.
158 Ausserdem sei in Nummer 4 der streitigen Entscheidung ausgeführt, daß ab 1998 der Gewinn nach dem Umstrukturierungsplan seine volle Höhe erreichen und dann etwas über der Mindestverzinsung liegen werde, die ein privater Geldgeber erwarte. Allein wegen dieses einen Satzes sei die streitige Entscheidung im Sinne des Urteils ENI-Lanerossi gerechtfertigt. Ausserdem hätten die langfristige Strategie von ENI, ihre geplante Privatisierung und die Synergieeffekte innerhalb des Konzerns berücksichtigt werden müssen. Sonst dürften Ereignisse nach Erlaß der streitigen Entscheidung zumindest berücksichtigt werden, um den Nachweis zu führen, daß die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 12; nachstehend: Urteil Meura, und vom 24. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Deutschland u. a./Kommission, Slg. 1996, I-5151, Randnr. 34; nachstehend: Urteil Bremer Vulkan).
159 Schließlich ersucht die Kommission das Gericht, bei der Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache die Tabelle A und nicht die Tabelle QI/1 heranzuziehen. Die seinerzeit vor Erlaß der streitigen Entscheidung angestellte Berechnung sei in Tabelle A mit vorhandenen Eigenmitteln und Restwert dargestellt, nicht aber in Zeile 5 der Tabelle QI/1.
II - Würdigung durch das Gericht
160 In Nummer 4 der streitigen Entscheidung hat die Kommission festgestellt, daß die dritte Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages sei, weil dies eine Entscheidung sei, die auch ein privater, marktwirtschaftlich denkender Kapitalgeber getroffen hätte.
161 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Grundsatz, daß eine Kapitaleinlage nicht als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages angesehen werden kann, wenn ein privater, marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber eine solche Einlage ebenfalls vorgenommen hätte, ein maßgebendes Kriterium, mit dem sichergestellt werden soll, daß eine Kapitalzuweisung nicht deshalb, weil sie von der öffentlichen Hand stammt, als Beihilfe angesehen wird (Urteile des Gerichtshofes Meura, Randnrn. 9 bis 18, Boussac, Randnrn. 38 und 39, vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnrn. 23 bis 29; nachstehend: Urteil Tubemeuse, Alfa Romeo, a. a. O., Randnrn. 17 bis 24, ENI-Lanerossi, Randnrn. 16 bis 24; Hytasa, Randnrn. 16 bis 24, und Bremer Vulkan, Randnrn. 23 bis 26).
162 Aus der Schlußfolgerung, zu der die Kommission bezueglich der dritten Kapitaleinlage gelangt ist, ergibt sich, daß die Kontrollregelung für staatliche Beihilfen nach den Artikeln 92 bis 94 des Vertrages auf diese Einlage nicht anwendbar ist, mit der Folge, daß sie nicht unter dem Blickwinkel ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 92 Absätze 2 und 3 des Vertrages geprüft wurde. Es wurden nämlich unter dem Blickwinkel ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt lediglich die ersten beiden Einlagen geprüft, die bei einer Gesamtsumme von 4 794 Milliarden LIT für die drei Einlagen einem Betrag von 1 794 Milliarden LIT entsprechen.
163 Unter den gegebenen Umständen ist nach Auffassung des Gerichts zunächst der dritte Klagegrund zu prüfen, mit dem die Klägerin eine Verletzung des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages geltend macht, weil das in dieser Vorschrift vorgesehene Verfahren nicht bezueglich der dritten Kapitaleinlage eingeleitet worden sei.
Zum Klagegrund einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages durch Nichteinleitung des Verfahrens nach dieser Vorschrift bezueglich der dritten Kapitaleinlage
164 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages unerläßlich, sobald die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob ein Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernste Schwierigkeiten stösst. Die Kommission darf sich also für den Erlaß einer positiven Entscheidung über ein Beihilfevorhaben nur dann auf die Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnt, daß dieses Vorhaben vertragskonform ist. Ist die Kommission aufgrund dieser ersten Prüfung jedoch zu der gegenteiligen Überzeugung gelangt oder hat sie nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt ausräumen können, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 einzuleiten (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 20. März 1984, Deutschland/Kommission, Randnr. 13, Cook/Kommission, Randnr. 29, Matra/Kommission, Randnr. 33, und vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 39).
165 Der Grundsatz, daß die Personen, denen die Verfahrensgarantien des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages zugute kommen, deren Beachtung nur durchsetzen können, wenn sie die Möglichkeit haben, die Entscheidung der Kommission, dieses Verfahren nicht einzuleiten, vor dem Gemeinschaftsrichter anzufechten, gilt auch für den Fall, daß nach Auffassung der Kommission überhaupt keine Beihilfe vorliegt (Urteil Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 47).
166 Nach Ansicht des Gerichts kann die Kommission aufgrund dieser Rechtsprechung, insbesondere des Urteils Kommission/Sytraval und Brink's France, verpflichtet sein, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, wenn sie bei einer ersten Prüfung nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ausräumen konnte, ob das betreffende Vorhaben eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn sie bei dieser ersten Prüfung nicht die Überzeugung gewinnen konnte, daß das betreffende Vorhaben, wenn es schon eine Beihilfe sein sollte, auf jeden Fall mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.
167 Im vorliegenden Fall geht es um eine Aufeinanderfolge von drei Kapitalzufuhren in Höhe von jeweils 1 000 Milliarden LIT, 794 Milliarden LIT und 3 000 Milliarden LIT, die ein öffentliches Unternehmen (ENI) während eines Zeitraums von zwei Jahren bei einer seiner Tochtergesellschaften (EniChem) vorgenommen hat. Nach der streitigen Entscheidung stellen die ersten beiden Kapitaleinlagen Beihilfen dar, während die dritte als Investition betrachtet wird, die auch ein privater Kapitalgeber vorgenommen hätte.
168 Es steht fest, daß sich die Schlußfolgerung der Kommission, auch ein privater Kapitalgeber hätte diese dritte Kapitaleinlage vorgenommen, im wesentlichen auf folgende Feststellung in Nummer 4 der streitigen Entscheidung stützt:
"Für die letzten 3 000 Milliarden LIT, die dem Unternehmen zugeführt wurden, erreicht der Gegenwartswert des künftigen Cash flows über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der neuen Anlagen genau 3 000 Milliarden LIT."
169 Es ist daher zu prüfen, ob die Wertungen, auf die sich die Kommission im vorliegenden Fall gestützt hat, ernste Schwierigkeiten aufwarfen, die geeignet waren, die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu rechtfertigen (Urteil Matra, Randnr. 34). Als ernste Schwierigkeiten, auf die die Kommission gestossen sei, führt die Klägerin zwei Fragen an, nämlich i) ob die erwartete Rendite der dritten Kapitaleinlage unabhängig von der Rendite der bei den ersten beiden Einlagen erwarteten zu prüfen sei, und ii) ob der aktuelle Wert des künftigen Cash flow einen privaten Kapitalgeber zu dieser Einlage bewogen hätte.
170 Was die erste Frage angeht, so schließt zwar der Umstand, daß ein öffentliches Unternehmen seiner Tochtergesellschaft bereits als "Beihilfe" einzustufende Kapitaleinlagen hat zugute kommen lassen, nicht a priori die Möglichkeit aus, daß eine spätere Kapitaleinlage das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfuellt. Nach Auffassung des Gerichts hätte jedoch die Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um drei Kapitaleinlagen des gleichen Kapitalgebers während eines Zeitraums von zwei Jahren geht, von denen die ersten beiden keine Rendite erwirtschaftet hatten, prüfen müssen, ob die dritte Einlage vernünftigerweise von den beiden anderen getrennt und im Hinblick auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers als eigenständige Investition gesehen werden konnte.
171 Zu den maßgeblichen Gesichtspunkten einer Prüfung, ob die dritte Kapitaleinlage im vorliegenden Fall von den beiden anderen getrennt und im Hinblick auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers als eigenständige Investition gesehen werden konnte, gehören nach Ansicht des Gerichts insbesondere die zeitliche Abfolge der Kapitaleinlagen, ihr Zweck und die Lage der Tochtergesellschaft zu der Zeit, als die Entscheidungen für die Vornahme jeder dieser Kapitaleinlagen getroffen wurden.
172 Die zeitliche Abfolge dieser drei Kapitalzuführungen ist nach Aktenlage folgende:
i) Die erste Kapitaleinlage von 1 000 Milliarden LIT erfolgte am 1. Oktober 1992.
ii) Die zweite Kapitaleinlage von 794 Milliarden LIT wurde von ENI auf einer Sitzung vom 2. Dezember 1993 beschlossen (vgl. Schreiben von ENI vom 23. Dezember 1993 an die italienische Regierung, Anlage 21 zum Streithilfeschriftsatz von ENI und EniChem) und im Dezember 1993 durchgeführt.
iii) Auf derselben Sitzung vom 2. Dezember 1993 prüfte der Verwaltungsrat von ENI den Entwurf eines Umstrukturierungsplans für EniChem, dessen Grundzuege bereits am 20. Oktober 1993 festgelegt worden waren. Dieser Plan sah u. a. "die Rückgewinnung der Gleichgewichtslage der Finanzstruktur" durch "Stützungsmaßnahmen ... des Aktionärs" vor (vgl. Schreiben von ENI vom 23. Dezember 1993 an die italienische Regierung, Anlage 21 zum Streithilfeschriftsatz von ENI und EniChem). Es wurde vermerkt, daß "die Einzelheiten des Planes ... kurz vor dem Abschluß [stehen], so daß wir ihn der Kommission Anfang 1994 vorstellen können".
iv) Der Umstrukturierungsplan 1994 bis 1997 wurde vom Verwaltungsrat von ENI am 27. Januar 1994 gebilligt. In Nummer 2.2 dieses Planes heisst es:
"Der Einschuß der Aktionäre zum Kapitalkonto wird mit 3 000 Milliarden LIT angesetzt; dies ist ein angemessener Betrag, um das Kapital von EniChem nahezu wieder auf das Niveau der Gründungsurkunde (4 250 Milliarden LIT) zu bringen, das infolge nicht gedeckter Verluste verringert worden ist. Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist für Juni 1994 vorgesehen."
v) Laut italienischer Regierung wurde die Kommission über ihre Absicht, die dritte Kapitalzufuhr durchzuführen, im Februar 1994 im Rahmen der Vereinbarung Andreatta-Van Miert über die Umstrukturierung bestimmter italienischer Unternehmen informiert.
vi) Der Umstrukturierungsplan wurde der GD IV der Kommission auf einer Sitzung vom 15. April 1994 vorgestellt und mit Schreiben der italienischen Regierung vom 18. Mai 1994 formell notifiziert.
vii) Mit Schreiben vom 6. Juni 1994 bestätigte die italienische Regierung der Kommission, daß der Umstrukturierungsplan für EniChem nicht nur die Kapitaleinlagen beträfen, die Gegenstand der durch Schreiben der Kommission vom 16. März 1994 eingeleiteten Untersuchung seien, sondern auch die dritte Kapitaleinlage. Sie wies ausserdem darauf hin, daß ihre Erklärungen vom 18. Mai 1994 ebenfalls alle Maßnahmen bezueglich des Kapitals von EniChem einschließlich der dritten Kapitaleinlage beträfen.
viii) Laut ENI wurde die dritte Kapitaleinlage auf der Hauptversammlung der Aktionäre von EniChem am 29. Juni 1994 formell genehmigt und binnen drei Monaten nach Erlaß der streitigen Entscheidung vom 27. Juli 1994 durchgeführt.
173 Zum Zweck dieser drei Kapitaleinlagen wird in der streitigen Entscheidung ausgeführt, daß die ersten beiden Kapitaleinlagen zur Deckung der Verluste aus den dort angegebenen Umstrukturierungsmaßnahmen, insbesondere aus der Schließung von Anlagen oder ganzen Betrieben, bestimmt waren. Nach Darstellung von ENI und EniChem sollten die ersten beiden Kapitaleinlagen auch das Kapital von EniChem wieder auf das Niveau bringen, das ursprünglich in der Übereinkunft zwischen ENI und der Montedison SpA von 1989 vorgesehen war (vgl. oben, Randnr. 120). Bezueglich der dritten Kapitaleinlage ergebe sich aus dem Umstrukturierungsplan, daß diese auch das durch Verluste aufgebrauchte Kapital von EniChem auf das Niveau ihrer Gründung zurückbringen und Umstrukturierungsmaßnahmen finanzieren sollte (vgl. oben, Randnr. 172 unter iv).
174 Nach den Schriftsätzen der Kommission und der italienischen Regierung ist jede der drei Kapitaleinlagen im Rahmen einer umfassenden Maßnahme zur Umstrukturierung der öffentlichen italienischen Unternehmen durchgeführt worden, der mit der Kommission im Rahmen der Sache EFIM, a. a. O., erörtert wurde und zu der Vereinbarung Andreatta-Van Miert führte. Der allgemeine Standpunkt der italienischen Regierung zu Umstrukturierung und Privatisierung von EniChem ist in zwei Dokumenten dargestellt worden, die die italienischen Behörden im November 1992 und April 1993 veröffentlicht haben. Insoweit hat die Kommission vor dem Gericht insbesondere erklärt, daß die durch die ersten beiden Kapitaleinlagen finanzierten Umstrukturierungsmaßnahmen einer kohärenten Richtung gefolgt seien, die in dem der Kommission 1994 unterbreiteten Umstrukturierungsplan im Detail Ausdruck gefunden habe, der überdies selbst die noch notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen erwähnt habe, um die Tätigkeiten von EniChem zu verringern oder neu zu orientieren. Die dritte Kapitaleinlage sei nun gerade im Rahmen dieses Umstrukturierungsplans durchgeführt worden.
175 Diese Einschätzung der Kommission wird durch das Schreiben der italienischen Regierung vom 6. Juni 1994 bestätigt, wonach der Umstrukturierungsplan für EniChem sowie die Erklärungen der italienischen Regierung vom 18. Mai 1994 nicht nur die ersten beiden Kapitaleinlagen betrafen, sondern auch die dritte.
176 Was schließlich die Situation von EniChem zur Zeit der drei Kapitaleinlagen betrifft, so ergibt sich aus ihren Jahresberichten, daß ihre Gesamtverluste für das am 31. Dezember 1992 beendete Jahr 1 542 Milliarden LIT und für das am 31. Dezember 1993 zu Ende gegangene Jahr 2 677 Milliarden LIT betrugen. Auch nach den optimistischsten Vorhersagen von ENI sollten die Verluste für die vier Jahre 1994 bis 1997 selbst nach der dritten Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT und den sie begleitenden Umstrukturierungsmaßnahmen immer noch 2 452 Milliarden LIT betragen (vgl. "Analisi di Sensitività [Ipotesi Migliorative di Scenario]" vom 13. April 1994). Mithin beliefen sich selbst nach den drei Kapitaleinlagen von insgesamt 4 794 Milliarden LIT die aktuellen und die für die sechs Jahre 1992 bis 1997 erwarteten Verluste von EniChem auf 6 671 Milliarden LIT.
177 Nach den Schriftsätzen der Kommission hatte EniChem nach den ersten beiden Kapitaleinlagen keine andere Alternative als den Konkurs. Die Kommission führt aus, daß "zum Zeitpunkt der dritten Kapitaleinlage sich ENI, der Aktionär von EniChem, an einem Scheideweg befand: entweder neues Kapital zuzuführen und umzustrukturieren oder aber nichts zu tun und das Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen" (Klagebeantwortung, A.1.4), und ferner, daß "ohne die dritte Kapitalzufuhr und die anschließende Umstrukturierung die Verluste von EniChem zu dieser Zeit die Eigenmittel binnen ein oder zwei Jahren aufgebraucht und damit neue Kapitalzufuhren oder aber die Liquidation des Unternehmens notwendig gemacht hätten" (Gegenerwiderung, D.15).
178 Aus dem Vorstehenden ergibt sich folgendes:
- Der Verwaltungsrat von ENI hat die Durchführung jeder der drei Kapitaleinlagen während eines verhältnismässig kurzen Zeitraums von Oktober 1992 bis Juli 1994 beschlossen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß der Beschluß des Verwaltungsrats von ENI, die zweite Kapitaleinlage im Dezember 1993 vorzunehmen, und der Beschluß zur Genehmigung der dritten Kapitaleinlage im Rahmen des Umstrukturierungsplans vom 27. Januar 1994 zeitlich eng beieinander liegen.
- Jede der drei Kapitaleinlagen ist Teil eines fortlaufenden Programms zur Umstrukturierung von EniChem, insbesondere zur Beendigung oder Neuorientierung bestimmter ihrer Tätigkeiten, sowie zur Wiederauffuellung ihres durch Verluste geminderten Kapitals. Die dritte Kapitaleinlage war, wie die Kommission vor dem Gericht geltend gemacht hat, die logische Fortsetzung der durch die ersten beiden Einlagen finanzierten Maßnahmen, und der am 27. Januar 1994 genehmigte Umstrukturierungsplan stellte lediglich die Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen dar, die im Rahmen eines 1992 aufgelegten Programms noch erforderlich waren. Nach dem Schreiben der italienischen Regierung, Aktionär von ENI, vom 6. Juni 1994 betrafen der Umstrukturierungsplan sowie ihr Schreiben vom 18. Mai 1994 sowohl die ersten beiden Kapitaleinlagen als auch die dritte.
- Selbst nach den beiden Kapitaleinlagen musste EniChem weiterhin schwere Verluste hinnehmen. Laut Kommission konnte sie allein aufgrund der ersten beiden Kapitaleinlagen auf dem Markt nicht überleben und wäre ihre Liquidation ohne die dritte Kapitalzufuhr unvermeidlich gewesen (vgl. oben, Randnr. 177).
179 Nach Auffassung des Gerichts bestanden demgemäß seinerzeit ernsthafte Indizien, die Zweifel bezueglich der Frage aufkommen lassen mussten, ob die drei Kapitaleinlagen, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb relativ kurzer Zeit von Oktober 1992 bis Oktober 1994 erfolgt waren, nicht in Wirklichkeit als eine Reihe zusammengehörender Einlagen zu betrachten waren, die im Rahmen eines 1992 begonnenen und fortgeführten Umstrukturierungsverfahrens vorgenommen wurden und deren gemeinsames Ziel die Finanzierung der notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen und die Wiederherstellung des durch Verluste verringerten Kapitals von EniChem war. Die genannten Umstände hätten auch Zweifel daran entstehen lassen müssen, ob der Umstrukturierungsplan nur dank dieser als ein Ganzes betrachteten drei Kapitaleinlagen überhaupt Chancen hatte, die Lebensfähigkeit von EniChem wiederherzustellen.
180 Unter Umständen, wie sie für den vorliegenden Fall kennzeichnend waren, hätten der Kommission nach Meinung des Gerichts Zweifel kommen müssen, ob die dritte Kapitalzuführung so eigenständig gegenüber den beiden anderen Einlagen war, daß sie sie unabhängig von diesen beiden prüfen durfte. Die Kommission war daher nicht in der Lage, zu beurteilen, ob der Beschluß von ENI, diese dritte Kapitaleinlage vorzunehmen, als eine Entscheidung betrachtet werden konnte, die auch ein marktwirtschaftlich denkender Kapitalgeber getroffen hätte.
181 Selbst wenn anzunehmen wäre, daß die dritte Kapitaleinlage unabhängig von den beiden anderen hätte beurteilt werden dürfen, ist noch die weitere Frage zu beantworten, ob der aktuelle Wert des künftigen Cash flow einen privaten Kapitalgeber bewogen hätte, eine solche Einlage vorzunehmen. Insoweit weist das Gericht zunächst darauf hin, daß die Kommission mit ihrer Stellungnahme vom 30. Juni 1997 eine Berechnung des aktuellen Wertes des künftigen Cash flow von EniChem vorgelegt hat, die in der Tabelle QI/1 vom 1. Juli 1994 zusammengefasst ist. Die mit einem Satz von 12 % verzinsten Gesamtgewinne (oder -verluste) von EniChem für den Zeitraum von August 1994 bis 2005 sind in Zeile 4 der Tabelle QI/1 mit einem Negativbetrag von 34 Milliarden LIT angegeben. Der Kommission zufolge ist der aktuelle Nettowert des Cash flow von EniChem in Zeile 5 dieser Tabelle unter der Überschrift "Kumulierter Wert der Eigenmittel" ("Cumulated equity valü") mit 2 966 Milliarden LIT angegeben. Diese Auslegung der Tabelle QI/1 ist in der Verhandlung vom 23. September 1997 von dem für ihre Erstellung verantwortlichen Beamten, Herrn Spagnolli, bestätigt worden.
182 In ihrem Schreiben vom 26. September 1997, mit dem die Kommission dem Gericht mitgeteilt hat, daß die Tabelle QI/1, obwohl sie das Datum des 1. Juli 1994 trage, nicht vor Erlaß der streitigen Entscheidung angefertigt worden, sondern nur eine Rekonstruktion der seinerzeit von Herrn Spagnolli durchgeführten Berechnungen sei, hat sie bekräftigt, daß Berechnungen dieser Art tatsächlich als Grundlage für die streitige Entscheidung gedient hätten. In ihrem Schreiben vom 16. Oktober 1997 hat die Kommission insbesondere erklärt, sie bleibe "ohne Abstriche dabei, daß die dem Gericht dargestellten Methoden der Berechnung des Ertrags der Kapitaleinlage und des aktuellen Nettowerts des künftigen Cash flow mit denen [übereinstimmen], die eingesetzt [wurden], um zu der Entscheidung der Kommission zu gelangen, [daß] diese Methoden zu den aus der Entscheidung ersichtlichen und dem Gericht erläuterten Ergebnissen geführt [haben], einschließlich der Ergebnisse in der Tabelle QI/1, deren Original sich nicht mehr bei den Akten [befindet], und [daß] dieser Sachverhalt von Herrn Spagnolli und Herrn Feltkamp bestätigt werden [kann], die beide an der Verhandlung vom 23. September 1997 teilgenommen haben".
183 In der Folge hat die Kommission mit einer Stellungnahme vom 11. November 1997 auf eine neue Frage des Gerichts vom 13. Oktober 1997 geantwortet und neue Berechnungen des aktuellen Nettowerts des Cash flow von EniChem vorgelegt. Diese Berechnungen sind insbesondere in Tabelle A zusammengefasst, die gegenüber der Tabelle QI/1 vier maßgebliche Unterschiede aufweist.
184 Erstens sind die verzinsten Gesamtgewinne (oder -verluste) von EniChem für den Zeitraum 1994 bis 2005 in Zeile 4 der Tabelle A anders als in Zeile 4 der Tabelle QI/1, in der sich ein Negativbetrag von 34 Milliarden LIT findet, mit einem Negativbetrag von 3 034 Milliarden LIT angegeben.
185 Zweitens wird dieser Verlust von 3 034 Milliarden LIT in Tabelle A teilweise durch einen Restwert von EniChem im Jahre 2005 in Höhe von 1 531 Milliarden LIT ausgeglichen (vgl. die neue Spalte "Restwert"). Diese Berechnung ist nicht in der Tabelle QI/1 enthalten.
186 Drittens wird der Gesamtverlust von EniChem in Höhe von 3 034 Milliarden LIT in der Zeit bis 2005 ebenfalls zum Teil durch den Wert von Eigenmitteln von EniChem im Juli 1994 ausgeglichen. Der neuen Zeile 6 der Tabelle A (Eigenmittel am 30.7.1994, "existing equity at 31/7/94") ist zu entnehmen, daß diese Eigenmittel in Höhe von 1 950 Milliarden LIT verwendet wurden, um die in Zeile 3 der Tabelle QI/1 und der Tabelle A ausgewiesenen Verluste von EniChem für die Jahre 1994 bis 1996 in Höhe von 1 514 Milliarden LIT auszugleichen. Diese Berechnung findet sich nicht in der Tabelle QI/1, die diesen Eigenmitteln keine Beachtung schenkt (vgl. Fußnote 5 der Tabelle QI/1).
187 Viertens spielt die Berechnung des Gesamtwerts der Eigenmittel in Zeile 5 der Tabelle QI/1, die nach der Stellungnahme der Kommission vom 30. Juni 1997 den aktuellen Nettowert des Cash flow von EniChem darstellen soll, auf den sich Absatz 4 der streitigen Entscheidung bezieht, bei den Berechnungen der Tabelle A keine Rolle mehr.
188 Ausserdem ergibt sich aus dem Schreiben der Kommission vom 11. November 1997 und aus ihren Erklärungen in der Verhandlung vom 17. März 1998, daß sie ihre Berechnungen in Tabelle QI/1 für fehlerhaft hielt und sie daher fallenließ, während nach ihren Erklärungen vom 30. Juni 1997, in der Verhandlung vom 23. September 1997 und in ihren Schreiben vom 26. September und 16. Oktober 1997 diese Berechnungen diejenigen sein sollen, die ihr seinerzeit in der streitigen Entscheidung als Grundlage für ihre Schlußfolgerung bezueglich des Verhaltens eines privaten Kapitalgebers gedient haben.
189 Was die Behauptung der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 11. November 1997 anbelangt, nicht die Berechnungen der Tabelle QI/1, sondern die der Tabelle A hätten der streitigen Entscheidung zugrunde gelegen, so vermag das Gericht in den Schriftsätzen der Kommission keinerlei Anhaltspunkt für den in der Tabelle A verwendeten Ansatz zu entdecken. Das Gericht weist insbesondere darauf hin, daß nach der Tabelle A die Rentabilität der Investition u. a. von der Berücksichtigung des Betrages von 1 950 Milliarden LIT zwecks Ausgleichs der Verluste von EniChem im Zeitraum von 1994 bis 1997 abhängt, der nach der Tabelle A den damaligen Wert der Eigenmittel von EniChem darstellen sollte. Entgegen dieser Betrachtungsweise hat indessen die Kommission in den Nummern 17 bis 19 ihrer Klagebeantwortung erklärt, für die Zwecke ihrer Berechnung sei die Annahme angezeigt, "daß die bestehende Investition von ENI bei EniChem im Juli 1994 bereits auf Null [stand]". Diese Annahme lag auch der Tabelle QI/1 zugrunde, wie deren Zeile 5 erweist. Ausserdem ist der Denkansatz der Tabelle A weder in der Stellungnahme der Kommission vom 30. Juni 1997 noch in der Verhandlung vom 23. September 1997 von dem Beamten erwähnt worden, der seinerzeit für diese Berechnungen zuständig war.
190 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß die Tabelle A der Kommission zufolge lediglich auf den "Erinnerungen" der betroffenen Beamten, d. h. der Herren Spagnolli, Feltkamp und Owen, aufbaut. Die Tabelle A lässt sich indessen nicht mit den Erklärungen von Herrn Spagnolli in der Verhandlung vom 23. September 1997 vor dem Gericht vereinbaren. Im übrigen hatte die Kommission bereits in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 1997 versichert, daß sich weder Herr Feltkamp noch Herr Owen an den genauen Inhalt der bei der Vorbereitung der Entscheidung benutzten Tabellen erinnern könnten. Ausserdem hat die Kommission in Nummer 8 ihrer Stellungnahme vom 11. November 1997 bestätigt, daß sich niemand mehr an die genaue Berechnung des in die Tabelle A aufgenommenen Restwerts von EniChem erinnern könne.
191 Somit hat die Kommission nicht schlüssig dargelegt, daß die in der Tabelle A wiedergegebenen Berechnungen tatsächlich erarbeitet worden sind, um die streitige Entscheidung erlassen und die Schlußfolgerung rechtfertigen zu können, daß der aktuelle Nettowert des künftigen Cash flow auch einen privaten, marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber zu der dritten Kapitaleinlage bewogen hätte. Ausserdem steht fest, daß sich die Kommission nicht mehr auf die Zahlen der Tabelle QI/1 beruft und daß weder die Berechnungen der Tabelle B noch die von ENI und EniChem herangezogenen beim Erlaß der streitigen Entscheidung zugrunde gelegt worden sind.
192 Das Gericht ist daher ausserstande, festzustellen, welche Berechnungen die Kommission seinerzeit durchgeführt hat, um ihre Schlußfolgerung abzusichern, daß auch ein privater Kapitalgeber die dritte Kapitaleinlage vorgenommen hätte.
193 Das Gericht steht demgemäß auf dem Standpunkt, daß der Umstand, daß die Kommission während des Verfahrens widersprüchliche Berechnungen vorgelegt hat, ohne schlüssig darlegen zu können, welche Berechnungen sie seinerzeit durchgeführt hat, um bezueglich der dritten Kapitaleinlage bereits in der Vorprüfungsphase zu dem Schluß zu gelangen, daß der "aktuelle Nettowert des zukünftigen Cash flow genau der Investition von 3 000 Milliarden LIT [entspricht]" und es sich mithin um eine Kapitalzuführung handele, "die auch von einem marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber vorgenommen worden [wäre]", im vorliegenden Fall die ernsten Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage belegt, ob nicht diese Kapitaleinlage wie die ersten beiden Einlagen auch eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellte.
194 Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen von ENI und EniChem entkräftet, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil ENI-Lanerossi, Randnr. 21) die Feststellung in der streitigen Entscheidung, daß diese letzte Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT auch von einem marktwirtschaftlich denkenden Kapitalgeber vorgenommen worden wäre, neben ihrer Rentabilität auch durch die besonderen Erwägungen von Muttergesellschaften eines Konzerns gerechtfertigt werden könnten, die in ihre Tochtergesellschaften investierten. Insoweit genügt die Feststellung, daß sich die Kommission, wie sie selbst einräumt (vgl. oben, Randnr. 107), in ihrer Entscheidung nicht auf solche Erwägungen gestützt hat, um den Beihilfecharakter der dritten Kapitaleinlage auszuschließen, da sie keinerlei Zweifel an der Rentabilität dieser Einlage haben zu müssen glaubte.
195 Das gleiche gilt für das Vorbringen der Kommission in der Verhandlung vom 17. März 1998, daß ein privater Kapitalgeber die dritte Kapitaleinlage allein auf der Grundlage des Absatzes 4 Satz 2 vorgenommen hätte, wo es heisst: "Ab 1998 würde der Gewinn seine volle Höhe erreichen und dann etwas über der Mindestverzinsung liegen, die ein privater Geldgeber erwartet." Es ist nämlich erneut darauf hinzuweisen, daß dieser Feststellung in der streitigen Entscheidung gegenüber der Berechnung, auf die sich Absatz 4 Satz 3 bezieht, nur nachrangige Bedeutung zukommt. Ausserdem werden hier nicht die Verluste von EniChem in den Jahren 1994 bis 1997 berücksichtigt, die sich auf mehr als 2 400 Milliarden LIT belaufen (vgl. oben, Randnr. 176).
196 Wenn die Italienische Republik, ENI und EniChem vorbringen, daß die drei Kapitaleinlagen auf jeden Fall nicht im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages vom Staat vorgenommen oder mit staatlichen Mitteln bewirkt worden seien, so genügt hierzu die Feststellung, daß die Kommission dies in der streitigen Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Rechtmässigkeitskontrolle kann dies daher nicht geltend gemacht werden.
197 Nach alledem war die Kommission bei der ersten Untersuchung gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages nicht imstande, alle Schwierigkeiten auszuräumen, die mit der Frage verbunden waren, ob die dritte Kapitaleinlage eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellte.
198 Im übrigen weist das Gericht darauf hin, daß das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen, die als staatliche Beihilfen angesehen worden waren, bereits im Gange war. Die ernsten Zweifel, die die Kommission bezueglich der dritten Kapitaleinlage hätte hegen müssen, betreffen nämlich gerade die Frage, ob diese zusammen mit den ersten beiden Einlagen zu beurteilen war, um festzustellen, ob sie eine staatliche Beihilfe oder aber eine Kapitalzuführung war, die das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfuellt. Ausserdem war der Betrag der dritten Kapitaleinlage (3 000 Milliarden LIT) wesentlich höher als der der ersten beiden, in der Prüfung befindlichen Kapitaleinlagen zusammen (1 794 Milliarden LIT).
199 Es steht fest, daß die Kommission im vorliegenden Fall die dritte Kapitaleinlage nie unter dem Blickwinkel ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt untersucht hat.
200 Unter diesen besonderen Umständen hat die Kommission, als sie ihre erste Prüfung der dritten Kapitaleinlage nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages abgeschlossen hat, obwohl sie die Schwierigkeiten bei der Frage, ob diese Einlage eine Beihilfe war, nicht hatte ausräumen können, und ohne daß sie geprüft hätte, ob diese mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar war, die Rechte der Klägerin als Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages verletzt.
201 Die streitige Entscheidung ist daher aus diesem Grund für nichtig zu erklären, ohne daß es einer Entscheidung über die anderen von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe bedürfte.
Kosten
202 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Im vorliegenden Fall ist die Kommission bezueglich der dritten Kapitaleinlage, die Klägerin bezueglich der ersten beiden Kapitaleinlagen unterlegen. Unter diesen Umständen sind der Kommission zwei Drittel der Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
203 Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen das Vereinigte Königreich, die Italienische Republik, ENI und EniChem ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Zweite erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Kommission vom 27. Juli 1994 betreffend italienische Beihilfen an EniChem SpA (ABl. C 330, S. 7) wird insoweit für nichtig erklärt, als sie das Untersuchungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages bezueglich der in ihr erwähnten Kapitaleinlage von 3 000 Milliarden LIT abschließt.
2. Im übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
3. Die Kommission trägt zwei Drittel der Kosten der Klägerin. Die Klägerin trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.
4. Das Vereinigte Königreich, die Italienische Republik, die ENI SpA und die EniChem SpA tragen ihre eigenen Kosten.