TEN/710
Europäisches Jahr der Schiene (2021)
STELLUNGNAHME
Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft
Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates
über ein Europäisches Jahr der Schiene (2021)
[COM(2020) 78 final]
Berichterstatter: Alberto MAZZOLA
Befassung
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Europäische Kommission, 04/03/2020
Rat der Europäischen Union, 13/03/2020
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Rechtsgrundlage
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Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Beschluss des Plenums
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15-16/07/2020
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Rechtsgrundlage
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Rechtsgrundlage
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Rechtsgrundlage
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Zuständige Fachgruppe
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Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft
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Annahme in der Fachgruppe
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23/06/2020
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Verabschiedung im Plenum
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TT/MM/JJJJ
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Plenartagung Nr.
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…
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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…/…/…
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1.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission und unterstützt dessen Ziele, insbesondere das Ziel, die Bemühungen der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten, der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, der Sozialpartner und der Marktteilnehmer um Erhöhung des Anteils der Schiene am Personen- und Güterverkehr zu fördern und zu unterstützen.
1.2Der EWSA ist der Auffassung, dass das Europäische Jahr der Schiene die breite Öffentlichkeit, also Bürgerinnen und Bürger, Beschäftigte der Eisenbahnbranche, Sozialpartner, Unternehmen und die Wissenschaft sowie insbesondere die europäische Jugend enger an die öffentliche Debatte der EU-Institutionen über die Nachhaltigkeits- und Mobilitätspolitik der EU sowie die Zukunft der europäischen Mobilität heranführen wird, um die Eisenbahn als nachhaltigen, innovativen und sicheren Verkehrsträger zu fördern.
1.3Der EWSA sieht in dem Jahr der Schiene eine Gelegenheit, die Vorteile des Schienenverkehrs in puncto Nachhaltigkeit zu vermitteln und über die Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität und die EU-Maßnahmen für Investitionen in die Schiene zu informieren.
1.4Der EWSA empfiehlt, während des Europäischen Jahres der Schiene die Qualität der Eisenbahnverkehrsleistungen zu bewerten und gegebenenfalls die Anpassung an den Nutzerbedarf zu verbessern, damit sie den im Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse im Anhang zum AEUV festgelegten Kriterien entsprechen, Projekte zu entwickeln, die einem ganzheitlichen Ansatz für die Zugänglichkeit folgen, die Verbindung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu stärken und mit den Investoren in einen Austausch über mögliche Initiativen im Hinblick auf den Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen der Kommission zu treten.
1.5Der EWSA fordert Initiativen im Rahmen des Europäischen Jahres der Schiene, die das Vertrauen der Verbraucher in den öffentlichen Verkehr, insbesondere in den Schienenverkehr, wiederherstellen und die Attraktivität einer beruflichen Laufbahn im Bahnverkehr insbesondere jungen Europäern besser vermitteln, indem gemeinsame Initiativen mit Sozialpartnern, Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen allgemein und europäischen Jugendorganisationen unterstützt werden.
1.6Der EWSA ist fest davon überzeugt, dass das Europäische Jahr der Schiene eine gute Gelegenheit ist, die Öffentlichkeit für nachhaltigen Tourismus zu sensibilisieren und der Initiative DiscoverEU neue Impulse zu verleihen. Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Initiative des Europäischen Parlaments, jedem Unionsbürger mit dem Vollenden des 18. Lebensjahrs einen Anspruch auf einen DiscoverEU-Pass als Zeichen seiner europäischen Identität zu geben.
1.7Der EWSA weist darauf hin, dass das Europäische Jahr der Schiene genutzt werden sollte, um mehr Informationen über den Zeitplan der Initiativen von Europalia bereitzustellen und der breiten Öffentlichkeit die Inhalte nahezubringen, die im Rahmen bereits bestehender Kulturveranstaltungen existieren, beispielsweise von Filmfestivals (Cannes, Venedig, Berlin) und Kunstausstellungen. So könnten Bahnhöfe und Museen im Laufe des Jahres 2021 Orte für größere Initiativen sein, die die Zukunft und die Vergangenheit der Eisenbahn mit wichtigen Branchen wie Architektur und Bauwesen, Design, Elektromechanik, der Lebensmittelbranche und dem Tourismus verknüpfen.
1.8Das Europäische Jahr der Schiene sollte um die Teilnahme aller Eisenbahnmuseen in Europa werben, Bürgerinnen und Bürger einladen, ihre Sammlungen auch mittels Digitalisierung zu entdecken und den Austausch zwischen den Museen sowie eine Europa-Tour der Eisenbahnmuseen fördern.
1.9Der EWSA ist fest überzeugt, dass das Europäische Jahr der Schiene auch eine Gelegenheit sein sollte, sehr ehrgeizige Ziele mit sozioökomischem ebenso wie symbolischem EU-Mehrwert herauszustellen, auch als Reaktion auf die dramatische COVID-19-Krise, etwa die Wiederaufnahme der Anstrengungen zur Schaffung eines europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes für Eisenbahnen, wie im Weißbuch Verkehr (2011) vorgesehen, das alle Hauptstädte sowie alle Städte mit mehr als 500 000 Einwohnern in der EU miteinander verbindet.
2.
Vorschlag der Kommission
2.1Mit dem Vorschlag, das Jahr 2021 zum „Europäischen Jahr der Schiene“ auszurufen, wird bezweckt, den Schienenverkehr im Einklang mit den in der Mitteilung der Kommission über den europäischen Grünen Deal festgelegten Zielen, auch im Hinblick auf eine nachhaltige und intelligente Mobilität, zu fördern. Durch Projekte, Debatten, Veranstaltungen, Ausstellungen und Initiativen in ganz Europa wird im Rahmen des Europäischen Jahrs der Schiene bei Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Behörden für die Bahn als eine attraktive und nachhaltige Art der Fortbewegung durch Europa geworben, wobei ihre unionsweite und innovative Dimension hervorgehoben wird. Indem über den Eisenbahnsektor hinaus Bürgerinnen und Bürger durch themenbezogene Veranstaltungen und Kommunikationskampagnen angesprochen werden, werden mehr Menschen und Unternehmen davon überzeugt, den Schienenverkehr zu nutzen.
2.2Ziel des Europäischen Jahres der Schiene ist es, die Bemühungen der Union, der Mitgliedstaaten, der regionalen und lokalen Behörden und anderer Organisationen um Erhöhung des Anteils des Schienenpersonen- und Schienengüterverkehrs zu fördern und zu unterstützen. Insbesondere sollte im Rahmen des Europäischen Jahres für die Schiene als nachhaltigen, innovativen und sicheren Verkehrsträger geworben werden, indem die breite Öffentlichkeit, insbesondere die Jugend, angesprochen wird. Es sollte auch die europäische grenzüberschreitende Dimension des Schienenverkehrs hervorgehoben werden, der die Bürgerinnen und Bürger einander näherbringt und es ihnen ermöglicht, die Union in ihrer ganzen Vielfalt zu erkunden, den Zusammenhalt fördert und zur Integration des Binnenmarkts der Union beiträgt. Auch sollte der Beitrag der Schiene zur Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft der Union insgesamt gestärkt und der Schienenverkehr als wichtiger Bestandteil der Beziehungen zwischen der Union und Drittländern gefördert werden.
3.
Eisenbahn und COVID-19-Pandemie
3.1Die Bahn hat unter den Beschränkungen, die die Mitgliedstaaten zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffen haben, sowie unter dem erheblichen Rückgang der Mobilität gelitten und leidet nach wie vor.
3.2Ersten groben Schätzungen zufolge, die Branchenverbände wie die Gemeinschaft der europäischen Eisenbahnen (CER) angestellt haben, belaufen sich die entgangenen Einnahmen für alle Betreiber von Schienenpersonenverkehrsdiensten infolge der Pandemie seit dem Beginn der Krise auf 900 Millionen Euro wöchentlich. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie führten in den Monaten März und April 2020 zu einem durchschnittlichen Rückgang der Einnahmen im Schienengüterverkehr von etwa 25 % in der gesamten Europäischen Union (EU‑27) und zu Einnahmeverlusten von 78 Millionen Euro wöchentlich. Obwohl sich der Schienengüterverkehr als sehr widerstandsfähig erwiesen hat, hätte er noch besser abschneiden können, wenn das Konzept der „grünen Spur“ auch auf die Schiene voll angewandt worden wäre, wenn die Wegeentgelte auf Null reduziert worden wären und wenn die Schweiz das ab 1. Januar 2020 geltende Verbot aufgehoben hätte. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Betreiber der Infrastruktur werden zunehmend spürbar.
3.3Trotz des abrupten Rückgangs der Nachfrage erbrachten die Schienenverkehrsbetreiber und die Eisenbahner nach wie vor Dienstleistungen, wo immer dies möglich war, und ermöglichten es medizinischem Personal und systemrelevanten Arbeitnehmern, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Darüber hinaus haben die Betreiber Spezialzüge zur Verfügung gestellt, mit denen Infizierte aus vom Virus schwer betroffenen Regionen in weniger überlastete Krankenhäuser transportiert wurden.
3.4Die Wiederankurbelung in Europa nach COVID-19 wird auch die Chance bieten, den Passagier- und Güterverkehr auf der Schiene wiederaufzunehmen und zu verbessern. Der Aufbauplan der EU, der auf den Grünen Deal und die Digitale Agenda ausgerichtet ist, bietet den Schienenverkehrsdiensten kurzfristige Unterstützung und einen Schwerpunkt in Bezug auf kurz- bis langfristige Finanzierung, wahrscheinlich auch in Form staatlicher Beihilfen, damit die Bahn nach den gewaltigen Einnahmeverlusten durch die Coronavirus-Krise wieder Fahrt aufnehmen kann.
3.5Die Beschäftigten der Verkehrsbranche standen und stehen in direktem Kontakt zu den Fahrgästen, die systemrelevanten Tätigkeiten nachgehen, und laufen bei der Wahrnehmung ihrer täglichen Pflichten Gefahr, sich mit dem Virus zu infizieren. Auch sind sie es, die unter den katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus leiden, sowohl in Bezug auf ihre Arbeit als Beschäftigte im Schienenverkehr als auch als Bürger. Die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen halten Europa in schwierigen Zeiten in Bewegung, indem sie dafür sorgen, dass medizinische Ausrüstungen und lebenswichtige Güter dorthin gelangen, wo sie benötigt werden.
3.6Die Erneuerung Europas nach der COVID-19-Pandemie wird auch eine Renaissance des Schienenpersonenverkehrs und die Konsolidierung des Schienengüterverkehrs bedeuten. Die Mittel, die über den geänderten MFR 2021–2027 bereitgestellt und sowohl auf europäischer wie auf nationaler Ebene verwaltet werden, müssen auch an die Eisenbahn gehen, wenn die Ziele des europäischen Grünen Deals und der Digitalen Agenda wirklich erreicht werden sollen.
3.7Die zusätzlichen Mittel, die über den MFR oder die Initiative Next Generation EU bereitgestellt werden, können in eine breite Palette von Projekten fließen: Projekte für die Schieneninfrastruktur (Passagier- und Güterverkehr, national und grenzübergreifend, konventionelle Strecken und Hochgeschwindigkeitsstrecken), Rollmaterial sowie alle Projekte im Zusammenhang mit der Automatisierung und Digitalisierung der Schienensysteme, etwa digitale automatische Kupplungssysteme, die weitere Elektrifizierung des Netzes in Europa, der Aufbau des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS, die Aufrüstung von Wagen mit Bremssystemen, die für alle klimatischen Bedingungen geeignet sind, sowie Abwrackprogramme für die Erneuerung des Rollmaterials. Auch für die Modernisierung von Bahnhöfen (insbesondere von Bahnsteigen mit einem Zugang für Personen mit eingeschränkter Mobilität) wären Mittel nötig, und auch hier könnten kurzfristig positive wirtschaftliche Effekte erzielt werden. Die Ankurbelung der Investitionen in die TEN-V sowie die Instandhaltung und Erneuerung der bestehenden Strecken könnte erheblich und rasch zum wirtschaftlichen Wiederaufbau der EU beitragen.
3.8Die übergreifenden Ziele, nämlich die Verbesserung der Kapazität und Effizienz des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene als Teil eines intelligenten multimodalen Verkehrssystems, wie in der Mitteilung zum Grünen Deal beschrieben, können im Laufe der Zeit einen erheblichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau leisten, indem der Marktanteil des Straßengüterverkehrs und damit der ökologische Fußabdruck des Verkehrs reduziert wird.
3.9Bei Initiativen im Rahmen des Europäischen Jahres der Schiene sollte besonderes Augenmerk auf die Wiederherstellung des Vertrauens der Verbraucher in den öffentlichen Verkehr, insbesondere den Schienenverkehr, gelegt werden. Es sollten Initiativen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für zusätzliche Hygienemaßnahmen der Eisenbahnunternehmen, Regelungen für das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und das Abstandsgebot eingeführt werden. Im Interesse der Fahrgastrechte sollten klare Regelungen für obligatorische Erstattungen und fakultative Gutscheine getroffen werden. Solche Maßnahmen sollten mit einer umfassenden Anwendung der Fahrgastrechte auf alle Eisenbahndienstleistungen einhergehen, die für den gesamten Verlauf der Reise gelten, der Öffentlichkeit gut erklärt werden und über alternative Streitbeilegungsverfahren und nationale Durchsetzungsgremien wirksam durchgesetzt werden.
4.
Allgemeine Bemerkungen
Historischer Hintergrund
4.1Im Jahr 2021 werden zahlreiche Jubiläen aus der langen Geschichte der Eisenbahnen und der Eisenbahntechnik begangen. Wie im Katalog des Kunstfestivals Europalia 2021 herausgestellt, werden die belgische und die französische Eisenbahn 2021 den 175. Jahrestag der Eröffnung der Strecke Paris–Brüssel begehen. Damit wurden 1846 zum ersten Mal überhaupt zwei Hauptstädte durch eine Eisenbahnstrecke miteinander verbunden. Im selben Jahr wurden auch Brüssel und London durch die Schiene miteinander verbunden (über die Fährverbindung zwischen Ostende und Dover). 2021 werden auch der 25. Jahrestag des Thalys sowie der 170 Jahrestag der ersten Zugverbindung zwischen Prag und Dresden auf der Strecke der Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn begangen. Weitere Jubiläen im Jahr 2021 sind der 50. Jahrestag der Gründung des Eisenbahnmuseums im elsässischen Mülhausen sowie der 75. Jahrestag der Gründung der Luxemburger Eisenbahnen. Interessanterweise feiern wir 2021 auch 45 Jahre Pendolino in Italien, 40 Jahre TGV in Frankreich und 30 Jahre ICE in Deutschland. Auch der 20. Jahrestag der Veröffentlichung des ersten Weißbuchs zum Thema Eisenbahn in Europa fällt in dieses Jahr.
4.2Das Europäische Jahr der Schiene wird Gelegenheit sein, die Geschichte der Eisenbahn, die Geschichte ihrer technischen Fortschritte sowie die Geschichte eines europäischen Kontinents zu begehen, der dank der Eisenbahn immer enger zusammenrückt. Zugleich bietet es Gelegenheit, die bisherigen Entwicklungen zu bewerten.
Der europäische Grüne Deal
4.32019 legte die Europäische Kommission ihre Mitteilung über den europäischen Grünen Deal vor. Darin wird die EU aufgefordert, ihre Wirtschaft schrittweise zu dekarbonisieren, mit dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und es wird eine politische Strategie skizziert, wie dieses Ziel verwirklicht werden kann. Der europäische Grüne Deal ist ein Beitrag zur Strategie der Kommission zur Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der Ziele für nachhaltige Entwicklung.
4.4Im Rahmen des europäischen Grünen Deals wird, wie auch in anderen Initiativen, eine raschere Umstellung auf eine nachhaltige und intelligente Mobilität gefordert, da ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der Union auf den Verkehrssektor entfällt und dieser Anteil weiter steigt. Alle Verkehrsträger müssen zu dieser Verringerung beitragen. Neben anderen vorgesehenen Maßnahmen soll gemäß dem europäischen Grünen Deal ein wesentlicher Teil des Anteils von 75 % des Güterbinnenverkehrs, der derzeit auf der Straße abgewickelt wird, auf die Schiene und auf Binnenwasserstraßen verlagert werden. Rasche Maßnahmen sind nötig, um diesen ehrgeizigen Plan in die Tat umzusetzen und den Anteil der Schiene am Verkehrsaufkommen tatsächlich zu erhöhen. Dabei sind stärkere Anreize für die Förderung des Schienengüterverkehrs nötig.
4.5Zur Verwirklichung der allgemeinen Ziele des Grünen Deals wird die Kommission im letzten Quartal 2020 eine Strategie für intelligente und nachhaltige Mobilität vorlegen. Geplante Schwerpunkte der Strategie sind unter anderem Initiativen zur Erhöhung der Kapazitäten und zur Verbesserung der Güterumschlagskapazitäten der Schiene sowie der Binnenwasserstraßen sowie zur Schaffung intelligenter, nahtloser und benutzerfreundlicher multimodaler Verkehrssysteme. So soll der Marktanteil des Straßenverkehrs gesenkt und die Attraktivität multimodaler Lösungen, einschließlich der Schiene, erhöht werden. Tatsächlich sind für 2021 bereits Initiativen geplant, die in diese Richtung gehen.
4.6Das Europäische Jahr der Schiene wird Gelegenheit sein, die Vorteile des Schienenverkehrs in puncto Nachhaltigkeit herauszustellen und zu vermitteln und über die Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität und die EU-Maßnahmen zur Investitionen in die Schiene zu informieren. Investitionen in die Schieneninfrastruktur können die Wirtschaft ankurbeln, hochwertige Arbeitsplätze schaffen, die sozial und ökologisch nachhaltig sind, und die Eisenbahndienste attraktiver für die Kunden machen. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema wird dazu beitragen, das Verhalten der Kunden und die Wahl des Verkehrsträgers in Richtung öffentliche Verkehrsmittel und emissionsarme Mobilität zu beeinflussen.
4.7Das Europäische Jahr der Schiene wird auch Gelegenheit sein, die Qualität der Schienenverkehrsleistungen zu bewerten und gegebenenfalls die Anpassung an den Nutzerbedarf zu verbessern, damit sie den in Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse im Anhang zum AEUV festgelegten Kriterien entsprechen.
Die Digitale Agenda für Europa
4.8Im Rahmen der Digitalen Agenda der EU sollten große Anstrengungen unternommen werden, um den Eisenbahnsektor in die digitale Revolution und alle zu diesem Zweck konzipierten Unterstützungsmaßnahmen einzubeziehen. Sie sollte dazu beitragen, die Umsetzung des ERTMS, die Entwicklung von Lösungen im Rahmen des Konzepts „Mobilität als Dienstleistung“, neue Fahrscheinsysteme sowie die Einführung der 5G-Technik im TEN-V-Kern- und Gesamtnetz zu fördern. So wird die Schiene in der Lage sein, die Nachfrage ihrer derzeitigen und künftigen Kunden zu befriedigen.
4.9Die Beschäftigten müssen angemessene Unterstützung bei der sich vollziehenden Digitalisierung erhalten, und ihre Arbeitsplätze müssen gesichert werden. Im Interesse der Gleichstellung der Geschlechter muss geschlechtsspezifischen Belangen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Sorgen, die die Beschäftigten mit Blick auf diese Veränderungen hegen, müssen angemessen berücksichtigt werden, indem Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften eingebunden werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen Zugang zu Aus- und Weiterbildung haben, damit sie sich ihre hochwertigen Arbeitsplätze und die nachhaltige Beschäftigung erhalten können.
4.10Da die Mobilfunk- und Internettechnologie mit 5G in den Rang einer Universaltechnologie aufsteigen wird, fordert der EWSA die EU-Organe und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, den digitalen Binnenmarkt zu vollenden, einschließlich der Entwicklung von Kapazitäten zur Integration und Nutzung von 5G-Diensten zum Schutz und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie wie des Verkehrs, insbesondere der Schiene. Der EWSA fordert die Kommission auch auf, eine Studie über die biologische Wirkung der 5G‑Strahlung und die Gefahr der wechselseitigen Störung durch andere Frequenzbereiche zu veranlassen.
4.11Demografische, wirtschaftliche und politische Trends werden neue Formen der Mobilität in städtischen und sonstigen Gebieten prägen, und die Bahnunternehmen gehen davon aus, dass es unerlässlich sein wird, die Schiene anzupassen, um sie in eine multimodale, immer stärker digitalisierte Verkehrskette integrieren zu können. Insbesondere immer mehr ältere und junge Menschen könnten dazu veranlasst werden, sowohl in städtischen Gebieten als auch bei längeren Reisen häufiger die Eisenbahn zu nutzen, wenn neue Bedürfnisse in Bezug auf Komfort und Zugänglichkeit von der Eisenbahn noch stärker berücksichtigt werden. Gleichzeitig wird sich eine technologieaffine Generation von Kunden viel weniger auf den privaten Verkehr stützen und statt dessen Lösungen für gemeinsame Mobilitätsdienste und öffentliche Verkehrsmittel bevorzugen, sofern ihnen die Qualität der Leistungen zusagt.
4.12Besonders wichtig wird es für die Eisenbahnen sein, ihre Systeme für den Fahrscheinverkauf zu verbessern und den Kauf von Fahrkarten zu erleichtern, indem verschiedene Reisesegmente zu einem einzigen Fahrschein zusammengefasst werden können, und künftig multimodale Ticketsysteme zu ermöglichen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, Initiativen zu unterstützen, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, etwa durch Beratung von Fachleuten, Austausch bewährter Verfahren oder Vergabe von Finanzhilfen.
4.13Da Multimodalität insbesondere für den Schienengüterverkehr von großer Bedeutung ist, muss das Europäische Jahr der Schiene genutzt werden, um den Dialog zwischen Güterverkehrskunden, Eisenbahnunternehmen und weiteren Verkehrsbranchen sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene zu fördern, praktische Probleme zu ermitteln, die die Entwicklung des Schienengüterverkehrs behindern, und Lösungen zu finden, wie Schienengüterverkehrsdienste attraktiver für Kunden gemacht werden können. Der EWSA hält es für besonders wichtig, dass alle Verkehrsbranchen in einen solchen Dialog eingebunden werden. Ein wichtiger Bestandteil dieses Dialogs kann die Suche nach Modellen für die Zusammenarbeit sein, die nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen.
4.14Die Digitalisierung der Eisenbahn wird es auch möglich machen, dass die Bahnunternehmen ihre Dienstleistungen weiter anpassen, um dem Bedarf der Transporteure immer effizienter zu entsprechen, etwa durch maximale Nutzung der verfügbaren Zugkapazitäten und durch Kombination unterschiedlicher Arten von Güterdiensten. Angesichts des aktuellen Trends, d. h. des rückläufigen Marktanteils des Schienenverkehrs, sollten die Möglichkeiten herausgestellt werden, wie mehr Effizienz und Flexibilität bei den angebotenen Dienstleistungen erreicht werden kann.
4.15Die Eisenbahninfrastrukturbetreiber müssen ihre Digitalisierung vorantreiben, um ihre Betriebsleistung durch bessere Pünktlichkeit und erhöhte Kapazität zu verbessern. Einen starken Impuls in diese Richtung wird der Ausbau des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS geben. Der EWSA ist insbesondere der Auffassung, dass der Ausbau des ERTMS entschieden beschleunigt werden sollte. Die erforderlichen Investitionen (über 100 Milliarden Euro, einschließlich digitaler Stellwerke) sollten in den Aufbauplan eingestellt werden, und der EWSA spricht sich nachdrücklich dafür aus, dass die Eisenbahn gemeinsam mit anderen Verkehrsträgern einen umfassenden und interoperablen Rahmen für das Konzept „Mobilität als Dienstleistung“ entwickelt.
4.16Für die Digitalisierung des Schienenverkehrs ist der freie Datenfluss von wesentlicher Bedeutung. Der EWSA fordert daher wirksame Lösungen, durch die die Probleme in Verbindung mit der Zugänglichkeit, Interoperabilität und Übertragung von Daten beseitigt und ausreichender Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sowie ein fairer Wettbewerb und eine größere Auswahl für die Verbraucher sichergestellt werden. Für öffentliche und private Unternehmen müssen die gleichen Bedingungen hinsichtlich der Gegenseitigkeit des Datenaustauschs und der Kosten für die Bereitstellung von Daten gelten.
4.17Aus den genannten Gründen sollte das Thema Digitalisierung des Schienenverkehrs einer der Schwerpunkte des Europäischen Jahres der Schiene sein. Insbesondere sollte der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit durch geeignete Initiativen der Öffentlichkeitsarbeit hervorgehoben werden.
Arbeitnehmer des Eisenbahnsektors
4.18Bei den europäischen Eisenbahnen sind etwa 1,3 Millionen Europäer direkt und ca. 1 Million weiterer Menschen indirekt beschäftigt, womit sie zu den größten Arbeitgebern der Europäischen Union gehören. Eisenbahnunternehmen sind ein wesentlicher Faktor für die Ausbildung junger Menschen und damit für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa, vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
4.19Das Europäische Jahr der Schiene ist auch das Jahr des Eisenbahners. Hochwertige Arbeitsplätze für Beschäftigte der Verkehrsbranche und sichere, verlässliche Dienstleistungen für Kunden müssen garantiert sein. Im Geiste des sozialen Europas müssen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Lohn- und Sozialdumping haben in der Eisenbahnbranche keinen Platz und müssen beseitigt werden.
4.20Die Beschäftigten der Bahnbranche verdienen öffentliche Anerkennung. Dazu ist es wichtig, ihre Leistungen bekannt zu machen und zur Kenntnis zu nehmen, mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. Europaweite Aktionen sollten dazu beitragen, den Leistungen der Beschäftigten Anerkennung zu zollen und die Forderung nach hochwertigen Arbeitsplätzen zu betonen. Alle Beschäftigten der Bahnbranche müssen vor Lohn- und Sozialdumping geschützt werden, damit der Schienenverkehr in Europa auch künftig sicher ist. Dies kann nur durch eine aktive Sozialpartnerschaft in der Branche erreicht werden.
4.21Die Digitalisierung ist für die Eisenbahn natürlich eine Chance, aber zugleich auch eine Notwendigkeit. Nur durch die Digitalisierung ihrer internen Abläufe und der Art und Weise, wie sie ihre Dienstleistung erbringt, wird die Eisenbahn in der Lage sein, auf die Herausforderungen der Gegenwart zu reagieren. Zugleich ist bei der Einführung der Digitalisierung höchste Umsicht geboten, um disruptive Übergänge und sozialen Unfrieden zu vermeiden. Es ist entscheidend, dass die europäischen Sozialpartner im brancheninternen sozialen Dialog der EU über den Schienenverkehr zusammenkommen und über gemeinsame Projekte entscheiden, um die Auswirkungen der Automatisierung und Digitalisierung besser zu erfassen und zu antizipieren und ein hohes Maß an Beschäftigung und sozialen Garantien im Rahmen eines sozial gerechten Übergangs beizubehalten.
4.22Der Lösungsansatz besteht darin, auf berufliche Übergänge, lebenslanges Lernen und Investitionen in die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu setzen, damit es nicht zu Entlassungen kommen muss. Zwei große Herausforderungen für die Bahnverkehrsunternehmen sind die unausgewogene Altersstruktur ihrer Arbeitskräfte und die Schwierigkeiten bei der Anwerbung, gerade auch von jungen Menschen und von Frauen.
4.23Das Europäische Jahr der Schiene sollte eine Gelegenheit sein, die Attraktivität einer beruflichen Laufbahn im Schienenverkehr insbesondere jungen Europäern besser zu vermitteln, indem gemeinsame Initiativen mit Sozialpartnern, Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen allgemein und europäischen Jugendorganisationen unterstützt werden.
Infrastruktur
4.24Über den TEN-V-Rahmen wurde ein wichtiger Beitrag geleistet, um den erforderlichen erheblichen Finanzbedarf für die neue Schieneninfrastruktur zu ermitteln (ca. 500 Milliarden Euro allein für das Kernnetz bis 2030), wobei immer noch nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen, um den gesamten Bedarf zu decken. Die Vollendung des Kernnetzes sollte zur Schaffung eines europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes führen, das fast alle Hauptstädte und Großstädte Europas (mit mehr als 500 000 Einwohnern) bedient. Zudem ist die Instandhaltung der TEN-V-Infrastruktur in einigen Ländern massiv unterschätzt worden und entwickelt sich mittlerweile zu einem ernsten Problem, in anderen hingegen wurde die Infrastruktur gut instandgehalten.
4.25Zwar begrüßt der EWSA den Ausbau der Schienenverbindungen zwischen großen Städten durch Hochgeschwindigkeitszüge und das TEN-V-Netz, doch verweist er zugleich darauf, dass auch nationale und regionale Strecken angemessen finanziert werden müssen.
4.26Der EWSA fordert, die Investitionen zur Vollendung des Netzes, einschließlich ländlicher und regionaler Gebiete, anzukurbeln und die Ausgaben für die normale und außerordentliche Instandhaltung des gesamten TEN-V-Netzes im Rahmen des EU-Aufbauplans zu finanzieren. Weitere zusätzliche Mittel sind für den Ausbau der Eisenbahnen, Investitionen in die Infrastruktur und ein dichteres Netz für den Passagier- und Güterverkehr nötig. Jeder Euro, der in die Schiene investiert wird, schafft und erhält Arbeitsplätze, auch in der Zulieferindustrie und in den Regionen.
Nachhaltiges Finanzwesen
4.27Der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (COM(2018) 97 final) zielt darauf ab, die Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen auszurichten, um nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen, finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen und Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern.
4.28Besonders wichtig ist ein einheitliches EU-Klassifikationssystem (Taxonomie), das Klarheit darüber bietet, welche Tätigkeiten als nachhaltig angesehen werden können.
4.29Aufbauend auf der Entwicklung der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie und den bisherigen Ergebnissen des Aktionsplans hat die Kommission eine Überarbeitung des Aktionsplans im Rahmen des europäischen Grünen Deals angekündigt.
4.30Der EWSA begrüßt die Vorschläge zur Taxonomie, die einen ersten Schritt zur Umsetzung des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums darstellen.
Der EWSA begrüßt auch den Vorschlag bezüglich der Entwicklung neuer Referenzwerte für CO2-arme Investitionen und für Investitionen mit günstiger CO2-Bilanz. Dieses Fundament muss zudem auch im Einklang mit den ehrgeizigen Zielen des Aktionsplans stehen, demzufolge „Europa [...] durchaus in der Lage [ist], diese Führungsposition auf globaler Ebene einzunehmen“. Nun geht es darum, diesem Anspruch gerecht zu werden und die Taxonomie entsprechend umzusetzen.
4.31Angesichts der Vorteile des Schienenverkehrs in Sachen Nachhaltigkeit sollten Bahnunternehmen in allen Initiativen für ein nachhaltiges Finanzwesen Chancen für sich finden können. Zwar ist unbestritten, dass die Finanzierung der Instandhaltung und des weiteren Ausbaus der Eisenbahninfrastruktur an sich eine öffentliche Aufgabe ist und aus dem öffentlichen Haushalt zu finanzieren ist, doch sollte dem Finanzierungsbedarf des Eisenbahnsystems von morgen Rechnung getragen werden, insbesondere des Rollmaterials und der Bahnhöfe, sowie der Prüfung der Möglichkeit für private Investoren, sich an Eisenbahnprojekten zu beteiligen.
4.32Zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit des Rahmens, den die Initiativen für nachhaltiges Finanzwesen der Kommission abstecken, müssen die Mitgliedstaaten so schnell wie möglich das Verfahren der Ratifizierung des Protokolls von Luxemburg von 2007 zu dem Übereinkommen von Kapstadt über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung betreffend Besonderheiten des rollenden Eisenbahnmaterials von 2001 (Luxemburger Eisenbahnprotokoll) abschließen.
4.33Bahnunternehmen und private Investoren müssen sich zusammensetzen und mögliche Synergien prüfen, auch vor dem Hintergrund der Kommissionsinitiative zum nachhaltigen Finanzwesen. Im Rahmen des Europäischen Jahres der Schiene sollten Aktivitäten geplant werden, die einen solchen Austausch ermöglichen und an denen sowohl die Eisenbahnen als auch private Investoren teilnehmen, insbesondere langfristige Investoren wie Versicherungen sowie Investment- und Pensionsfonds.
Barrierefreiheit
4.34Die Förderung des universellen Zugangs gemäß Protokoll (Nr. 26) über Dienste von allgemeinem Interesse und dessen Bezugnahme auf Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse bedeutet einen angemessenen Zugang für alle Nutzer im gesamten Gebiet (territoriale Zugänglichkeit), wobei davon ausgegangen wird, dass die Zugangsbedingungen (Wartezeiten, Dichte der Dienstzugangspunkte, Infrastruktur usw.) je nach den Bedürfnissen der Nutzer variieren kann. Gleichbehandlung und die Förderung des universellen Zugangs bedeuten auch, dass jede Form der Diskriminierung zu bekämpfen ist.
4.35Um das Bahnreisen auch für kürzere, täglich zurückgelegte Strecken wie auch für längere und grenzübergreifende Reisen attraktiver zu machen, wird es wichtig sein, die Fahrgastrechte zu stärken, die Fahrgäste über die Schutzbestimmungen zu unterrichten und die Erschwinglichkeit und die Qualität der Schienenverkehrsdienste auf dem aktuellen Stand zu erhalten und möglicherweise noch zu verbessern.
4.36Die europäischen Eisenbahnunternehmen, Bahnhofsbetreiber und Infrastrukturbetreiber verbessern kontinuierlich die Bedingungen für Reisen von Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder Behinderungen. Heute sind Schienenverkehrsdienste weitaus leichter zugänglich als in der Vergangenheit, und viele Fahrgäste mit Behinderungen können ohne fremde Hilfe mit dem Zug fahren. Eisenbahnunternehmen tragen erheblich zur Verbesserung der sozialen Inklusion von Menschen mit Behinderungen bei und sind bestrebt, gemeinsam mit zuständigen staatlichen Stellen und den Fahrgastverbänden ihren Verpflichtungen in diesem Bereich nachzukommen.
4.37Es werden Investitionen getätigt, um in den kommenden zehn Jahren weiter Hindernisse in Bahnhöfen und Zügen zu beseitigen und so Fahrgästen mit eingeschränkter Mobilität oder Behinderungen das Reisen zu erleichtern.
4.38Deshalb ist eine kontinuierliche Finanzierung durch Dritte, entweder durch nationale Regierungen oder direkt von der EU, erforderlich, wenn die Barrierefreiheit des Schienennetzes weiter verbessert werden soll, wie es in den bestehenden EU-Rechtsvorschriften über die Barrierefreiheit im Schienenverkehr vorgesehen ist.
4.39Das Europäische Jahr der Schiene sollte auch Gelegenheit sein, Projekte voranzutreiben, die ein ganzheitliches Konzept der Barrierefreiheit beinhalten, bei dem es nicht nur um die Initiativen zur Verbesserung von Unterstützung und Barrierefreiheit geht, die von der Branche sowohl in den Bahnhöfen als auch in den Zügen ergriffen werden, sondern auch um sämtliche sonstigen Aspekte, die gegeben sein müssen, damit alle Fahrgäste überhaupt in der Lage sind, an die Verkehrsknotenpunkte zu gelangen.
Nachhaltiger Tourismus
4.40Die Europäische Union ist eine der am weitesten entwickelten und meistbesuchten Fremdenverkehrsregionen der Welt. Auf die EU entfallen 40 % der Ankünfte internationaler Touristen weltweit und 31 % der Einnahmen aus dem internationalen Tourismus. Die EU ist sowohl eine der wichtigsten Herkunftsregionen von Touristen als auch eine der wichtigsten Zielregionen des Fremdenverkehrs. Im Jahr 2016 unternahmen fast 270 Millionen in der EU ansässige Personen (zwei Drittel der zu diesem Zeitpunkt ansässigen Bevölkerung) mindestens eine Reise zu Freizeitzwecken, mehr als die Hälfte der Reisen gingen ins Ausland. 27 % der Ausgaben für eine Reise zu Freizeitzwecken entfällt in der Regel auf die Beförderung.
4.41Eine der wichtigsten Herausforderungen, die die Kommission in ihrer Agenda für einen nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Tourismus (COM(2007) 621) nennt, sind die tourismusbedingten Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt,
4.42Die Bewegung „Fridays for Future“ sowie die zunehmend extremen Wetter- und Klimaereignisse führen dazu, dass die Bürger ihr Reiseverhalten überdenken und die Eisenbahn als Verkehrsmittel für ihr Reiseziel in Betracht ziehen. Menschen, die zu Freizeit- und Urlaubszwecken reisen, bilden die größte Gruppe von Einzelreisenden im Eisenbahnverkehr.
4.43Heute befindet sich der europäische Tourismus in einer Übergangsphase, in der etablierte Reiseziele neue Visionen für die Entwicklung des Tourismus konzipieren und dabei den Grundsätzen der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit mehr Beachtung schenken. Neue Muster der Entwicklung des Tourismus sind erforderlich, um den Umweltauswirkungen des Tourismus und dem Übertourismus Rechnung zu tragen.
4.44Für viele Mitgliedstaaten und europäische Regionen und Städte leistet der Fremdenverkehr einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Gefüge, schafft Arbeitsplätze und generiert Einnahmen. Die COVID-19-Pandemie hatte allerdings verheerende Auswirkungen auf dieses Ökosystem.
4.45In diesem Zusammenhang müssen Maßnahmen ergriffen werden, um im Interesse zahlreicher Branchen der EU-Wirtschaft die Wiederbelebung des internationalen, europäischen und nationalen Tourismus zu unterstützen. Die Eisenbahn kann touristischen Zielen helfen, die nicht angemessen per Flugzeug zu erreichen sind, sie kann neue Strecken eröffnen und neue Wertschöpfungsketten fördern. Für die europäischen Eisenbahnen bietet sich die Möglichkeit, die wachsende Nachfrage der klimabewussten Touristen auf dem Markt zu befriedigen.
4.46Das Europäische Jahr der Schiene sollte Gelegenheit sein, die Öffentlichkeit für den nachhaltigen Fremdenverkehr und neue touristische Routen zu sensibilisieren, die die Unionsbürger dank der Eisenbahnverbindungen entdecken können. Das Konzept der Verlagerung auf alternative Verkehrsträger im Tourismus sollte mit geeigneten Initiativen der Öffentlichkeitsarbeit entwickelt und verbreitet werden, unter gemeinsamer Unterstützung der Eisenbahnen, der europäischen Kulturbranche und der nationalen und europäischen Vertreter der Fremdenverkehrsbranche.
DiscoverEU
4.47Eine erhebliche Zahl junger Europäer ist aus den verschiedensten Gründen noch nie oder nur selten innerhalb von Europa gereist. Zwar gibt es Programme für den Bildungsaustausch, doch hat die EU erst vor kurzem ein Instrument geschaffen, das allen Europäern eine Reiseerfahrung ermöglicht, die jungen Menschen die europäische Identität näherbringt, für die wesentlichen Werte der Europäischen Union sensibilisiert und an einen nachhaltigen und sauberen Verkehrsträger heranführt. DiscoverEU ist eine Initiative der Europäischen Union, die Menschen die Chance bietet, Europa durch Lernerlebnisse zu entdecken. Insbesondere per Eisenbahn (Ausnahmeregelungen gibt es für die Teilnahme von Personen, die auf Inseln oder in abgelegenen Gebieten leben) können junge Menschen Europa, seine Städte und Orte kennenlernen.
4.48Dass das Reisen einen Beitrag zur Entstehung einer europäischen Identität leistet, ist seit den Vorarbeiten für die Einbeziehung der Branche in den Vertrag von Lissabon anerkannt. Professor Richard Jobs hat kürzlich die konkrete Rolle belegt, die der Interrail-Pass bei der Herausbildung gemeinsamer europäischer Werte spielt.
4.49Das Europäische Jahr der Schiene sollte Gelegenheit sein, der Initiative DiscoverEU neue Impulse zu verleihen, ihre Ziele zu unterstützen und an junge Europäer heranzutreten, die bisher noch nicht an dem Projekt teilgenommen haben. Der EWSA unterstützt die Initiative des Europäischen Parlaments, jedem Unionsbürger mit dem Vollenden des 18. Lebensjahrs einen Anspruch auf einen DiscoverEU-Pass als Zeichen seiner europäischen Identität zu geben.
Europalia und europäische Eisenbahnmuseen
4.50Alle zwei Jahre präsentiert Europalia dem Publikum in Belgien und in den Nachbarstaaten ein Programm mit Veranstaltungen und Ausstellungen zu Themen, die eine starke europäische Dimension und Perspektive aufweisen. Das Festival zieht traditionell zahlreiche Besucher an, viele von ihnen aus dem Ausland.
4.51Thema der nächsten Ausgabe (ab Oktober 2021) werden die Eisenbahn sowie ihr Einfluss auf die Art und Weise, wie wir in Europa reisen, arbeiten, kommunizieren und leben, sein. Schwerpunkte werden sein: die Eisenbahn als Vorläufer der Bemühungen der EU, Nationen und Bürger zusammenzubringen, sowie Züge als Impulsgeber für grüne Mobilität. Grundlage werden die Ideen des europäischen Grünen Deals sowie der Einfluss der Eisenbahn auf die Kunst und die Herausstellung ihrer Rolle als machtvoller Treiber sozialer, wirtschaftlicher und gewerblicher Veränderungen sein.
4.52In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, das Europäische Jahr der Schiene zu nutzen, um mehr Informationen zum Zeitplan der Initiativen von Europalia vorzulegen und der breiten Öffentlichkeit die Inhalte nahezubringen, die im Rahmen bereits bestehender Kulturveranstaltungen existieren, beispielsweise von Filmfestivals (Cannes, Venedig, Berlin) und Kunstausstellungen. So könnten Bahnhöfe und Museen im Jahr 2021 Orte für größere Initiativen sein, die die Zukunft und die Vergangenheit der Eisenbahn mit wichtigen Branchen wie Architektur und Bauwesen, Design, Tourismus, Elektromechanik und Kulinariktourismus verknüpfen.
4.53Das Europäische Jahr der Schiene sollte auch um die Teilnahme aller Eisenbahnmuseen in Europa werben, Bürgerinnen und Bürger einladen, ihre Sammlungen auch mittels Digitalisierung zu entdecken und den Austausch zwischen den Museen sowie eine Europa-Tour der Eisenbahnmuseen fördern.
Brüssel, den 23. Juni 2020
Pierre Jean COULON
Vorsitzender der Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft
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