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Document 32024R1159

Delegierte Verordnung (EU) 2024/1159 der Kommission vom 7. Februar 2024 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung von Bestimmungen über angemessene Maßnahmen, mit denen eine wirksame und sichere Anwendung von Tierarzneimitteln gewährleistet werden soll, die für die orale Verabreichung bzw. Anwendung auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel zugelassen und verschrieben wurden und vom Tierhalter an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verabreicht werden

C/2024/661

ABl. L, 2024/1159, 19.4.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_del/2024/1159/oj (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_del/2024/1159/oj

European flag

Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Reihe L


2024/1159

19.4.2024

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2024/1159 DER KOMMISSION

vom 7. Februar 2024

zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung von Bestimmungen über angemessene Maßnahmen, mit denen eine wirksame und sichere Anwendung von Tierarzneimitteln gewährleistet werden soll, die für die orale Verabreichung bzw. Anwendung auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel zugelassen und verschrieben wurden und vom Tierhalter an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verabreicht werden

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (1), insbesondere auf Artikel 106 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Verordnung (EU) 2019/6 zielt darauf ab, den Binnenmarkt zu harmonisieren und die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln zu verbessern und gleichzeitig das höchste Maß an Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt zu gewährleisten. Insbesondere soll die Verbreitung antimikrobieller Resistenzen durch konkrete Maßnahmen eingedämmt werden, um gemäß dem Konzept „Eine Gesundheit“ eine umsichtige und verantwortungsvolle Verwendung antimikrobieller Wirkstoffe bei Tieren zu fördern.

(2)

Bestimmte Tierarzneimittel, die für die orale Verabreichung auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel zugelassen sind, können mit Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt verbunden sein. Ihre unsachgemäße Verabreichung oder Dosierung kann potenziell zu einer Verringerung der Wirksamkeit der Behandlungen, zur Entwicklung antimikrobieller oder antiparasitärer Resistenzen, zu einer unbeabsichtigten Verabreichung an Nichtzieltiere sowie zu Risiken für die Zieltiere, die Umwelt und die Verbraucher führen.

(3)

In Arzneifuttermittel einzuarbeitende Tierarzneimittel im Sinne der Verordnung (EU) 2019/4 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) fallen nicht in den Anwendungsbereich der vorliegenden Verordnung.

(4)

Gemäß Artikel 106 Absatz 6 der Verordnung (EU) 2019/6 hat die Kommission die wissenschaftlichen Empfehlungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur vom 28. August 2020 zur wirksamen und sicheren Anwendung von Tierarzneimitteln, die für die orale Verabreichung über andere Wege als Arzneifuttermittel zugelassen sind (3), berücksichtigt.

(5)

Tierarzneimittel, die für die orale Verabreichung auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel zugelassen und verschrieben wurden und vom Tierhalter an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verabreicht werden, umfassen eine breite Palette von Produkten und Formulierungen. Während bestimmte Tierarzneimittel, z. B. Tabletten oder orale Lösungen für das Drenching, direkt und individuell an die Tiere verabreicht werden, müssen andere Tierarzneimittel dem Tränkwasser oder Futtermittel beigemischt werden und können den Einsatz von Geräten erfordern. Da die mit der oralen Verabreichung von Tierarzneimitteln durch Beimischung zum Tränkwasser oder zu Futtermitteln verbundenen Risiken größer sein können als bei anderen Darreichungsformen von Tierarzneimitteln, sind Maßnahmen zur Gewährleistung einer wirksamen und sicheren Anwendung erforderlich.

(6)

Diese Verordnung sollte daher für Tierarzneimittel gelten, die oral durch Beimischung oder Hinzufügen zu Futtermitteln verabreicht werden, sowie für die Beimischung von Tierarzneimitteln zu Tränkwasser oder flüssigen Futtermitteln durch den Tierhalter. Sie sollte nicht für die Beimischung von Tierarzneimitteln zu Futtermitteln durch Futtermittelunternehmer, unabhängig davon, ob diese in einer Futtermühle, als mobile Mischer oder als Hofmischer tätig sind, gelten (diese fällt unter die Verordnung (EU) 2019/4).

(7)

Die meisten Tierarzneimittel, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere zugelassen sind, unterliegen der tierärztlichen Verschreibungspflicht. Tierärzte sollten den am besten geeigneten Verabreichungsweg verschreiben. Bei der Erwägung eines oralen Verabreichungsweges sollten Tierärzte von Fall zu Fall die individuellen Umstände der zu behandelnden Tiere, die Einrichtungen, die Geräte und das Fachwissen der für die Verabreichung des Tierarzneimittels verantwortlichen Person berücksichtigen, die für die Gewährleistung der sicheren und wirksamen Anwendung von Tierarzneimitteln bei jeder Behandlung relevant sind.

(8)

Eine unsachgemäße Verabreichung oder Entsorgung von Tierarzneimitteln bzw. von Futtermitteln oder Tränkwasser, die bzw. das Tierarzneimittel enthalten bzw. enthält, könnte Risiken für die Umwelt mit sich bringen und zur Entwicklung, Selektion und Verbreitung antimikrobieller oder antiparasitärer Resistenzen beitragen. Um diese Risiken zu minimieren, sollten Tierärzte den Tierhaltern daher Informationen und Anweisungen im Einklang mit der Produktinformation des jeweiligen Tierarzneimittels zur Verfügung stellen.

(9)

Die orale Verabreichung von Tierarzneimitteln durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel oder durch Beimischung zu festen Futtermitteln unmittelbar vor der Verfütterung an Gruppen von Tieren, die alle um dasselbe Futter konkurrieren, birgt die Gefahr einer Unter- oder Überdosierung. Insbesondere bei Tierarzneimitteln, die antimikrobielle Wirkstoffe und Antiparasitika enthalten, kann dies zur Entwicklung und Verbreitung antimikrobieller und antiparasitärer Resistenzen beitragen. Daher sollte die Verschreibung und orale Verabreichung antimikrobieller oder antiparasitärer Tierarzneimittel durch Beimischung zu festen Futtermitteln oder die Verabreichung durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel unmittelbar vor der Verfütterung nur dann zulässig sein, wenn die Tiere einzeln gefüttert werden oder wenn die Aufnahme des Tierarzneimittels durch einzelne Tiere bei einer kleinen Gruppe von Tieren wirksam kontrolliert werden kann.

(10)

Die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln, der Zugang zu gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellten Arzneifuttermitteln, die Notwendigkeit von Behandlungen kleiner Gruppen aufgrund lokaler Tierhaltungs- und Bewirtschaftungsverfahren sowie die nationale Politik zur umsichtigen Verwendung von Tierarzneimitteln können in der Union unterschiedlich sein. Daher sollte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, die Verschreibung und die orale Verabreichung antimikrobieller oder antiparasitärer Tierarzneimittel, die durch Beimischung zu festen Futtermitteln oder durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel unmittelbar vor der Verfütterung verabreicht werden, in ihrem Hoheitsgebiet weiter zu beschränken, und zwar ausschließlich auf einzeln gefütterte Tiere. Eine solche Beschränkung dürfte sich nicht negativ auf die Tiergesundheit oder das Tierwohl auswirken.

(11)

Wie aus den wissenschaftlichen Empfehlungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur hervorgeht, ist in der Aquakultur eine individuelle Behandlung über feste Futtermittel nicht möglich. Die orale Behandlung über das Tränkwasser, die bei anderen Tierarten eine alternative Möglichkeit der oralen Behandlung darstellt, eignet sich ebenfalls nicht für die Aquakultur. Der Aquakultursektor ist in der Union sehr vielfältig und weist große Unterschiede in Bezug auf die Tierarten, die Tierhaltungs- und Bewirtschaftungsverfahren und die Größe der Betriebe auf. In einigen Mitgliedstaaten gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Herstellern von Mischfuttermitteln für die Aquakultur, und gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellte Arzneifuttermittel für die Gruppenbehandlung sind unter Umständen nicht sofort verfügbar.

(12)

In Fällen, in denen keine gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellten Arzneifuttermittel zur Verfügung stehen oder in denen mit der Behandlung der Tiere vor der Lieferung des Arzneifuttermittels begonnen werden soll, würde ein Verbot der Verschreibung antimikrobieller und antiparasitärer Tierarzneimittel, die zur Gruppenbehandlung von der Lebensmittelerzeugung dienenden Wassertierarten festen Futtermitteln beigemischt werden sollen, zu Problemen in Bezug auf die Tiergesundheit und den Tierschutz führen. In diesen Fällen sollte eine solche Gruppenbehandlung daher zulässig sein.

(13)

Da die kombinierte Verwendung mehrerer antimikrobieller Tierarzneimittel ein besonderes Risiko im Hinblick auf die Entwicklung antimikrobieller Resistenzen darstellen kann, sollte die gleichzeitige orale Verabreichung mehrerer antimikrobieller Tierarzneimittel auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel eingeschränkt werden.

(14)

Um die wirksame und sichere Anwendung von Tierarzneimitteln zu gewährleisten, die zur oralen Verabreichung auf anderem Wege denn als Arzneifuttermittel verschrieben werden, sollten Tierhalter die Tierarzneimittel nur gemäß der tierärztlichen Verschreibung verwenden, die insbesondere auf der Diagnose, der Zieltierart und der Anzahl der zu behandelnden Tiere beruht.

(15)

Tierhalter sollten über die einschlägigen Fachkenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um die wirksame und sichere Anwendung von Tierarzneimitteln zu gewährleisten, die zur oralen Verabreichung durch Beimischung zum Tränkwasser oder zu verschiedenen Arten von Futtermitteln zugelassen und verschrieben wurden.

(16)

Die für die orale Verabreichung von Tierarzneimitteln verwendeten Geräte und ihre Instandhaltung sollten die wirksame und sichere Anwendung der verschriebenen Tierarzneimittel bei den Zieltieren gewährleisten und die Gefahr einer Kontamination der Umgebung der Tiere und der Exposition der Umwelt verringern.

(17)

Die Eigenschaften des Tränkwassers, das zur Verabreichung von Tierarzneimitteln über das Tränkwasser verwendet wird, können sich auf die Löslichkeit und Haltbarkeit dieser Tierarzneimittel auswirken. Daher sollte der Tierhalter angemessene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass das verwendete Tränkwasser für die orale Verabreichung des Tierarzneimittels geeignet ist.

(18)

Biozidprodukte, Futtermittelzusatzstoffe oder andere Stoffe, die gleichzeitig mit Tierarzneimitteln verwendet werden, die über Tränkwasser oder flüssige Futtermittel verabreicht werden, könnten zu Wechselwirkungen mit den Tierarzneimitteln führen oder deren Aufnahme, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beeinträchtigen. Diese Produkte sollten nicht gleichzeitig mit Tierarzneimitteln verwendet werden, wenn in den Zulassungen der Tierarzneimittel Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten dokumentiert sind. Liegen keine Daten oder Informationen über diese Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten vor, sollte die Produktinformation einen entsprechenden Hinweis enthalten.

(19)

Gemäß Artikel 106 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/6 müssen Tierarzneimittel in Übereinstimmung mit den Zulassungsbedingungen angewendet werden. Daher sollten bestehende Zulassungen gegebenenfalls geändert werden, um die Kohärenz mit den Anforderungen dieser Verordnung zu gewährleisten. Damit soll die ordnungsgemäße Verschreibung durch Tierärzte und die ordnungsgemäße Verabreichung und Dosierung der Tierarzneimittel durch den Tierhalter sichergestellt werden.

(20)

Die lokalen Tierhaltungs- und Bewirtschaftungsverfahren können von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein. Daher sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, auf nationaler Ebene weitere Leitlinien zu erstellen, die auf die Tierarten und Erzeugungssysteme in ihrem Hoheitsgebiet abgestimmt sind. Diese Leitlinien sollten zur wirksamen und sicheren Anwendung von Tierarzneimitteln beitragen, die zur oralen Verabreichung durch Beimischung zum Tränkwasser, durch Beimischung zu verschiedenen Arten von Futtermitteln oder durch Aufbringen auf die Oberfläche von Futtermitteln zugelassen und verschrieben wurden.

(21)

Um die Verfügbarkeit der betreffenden Tierarzneimittel nicht zu gefährden, müssen Übergangsmaßnahmen vorgesehen werden, damit den Zulassungsinhabern, den zuständigen Behörden oder, wenn das Tierarzneimittel im Rahmen des zentralisierten Zulassungsverfahrens zugelassen ist, der Kommission ausreichend Zeit eingeräumt wird, bestehende Zulassungen zu ändern, um die Kohärenz mit den Bestimmungen dieser Verordnung zu gewährleisten.

(22)

Der Geltungsbeginn dieser Verordnung sollte verschoben werden, um Tierärzten und insbesondere Tierhaltern genügend Zeit zu geben, sich auf die neuen Anforderungen dieser Verordnung einzustellen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Anwendungsbereich

(1)   Diese Verordnung gilt für zugelassene und verschriebene Tierarzneimittel, die vom Tierhalter oral über Tränkwasser, durch Beimischung zu festen Futtermitteln oder durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel unmittelbar vor der Verfütterung an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere verabreicht werden.

(2)   Diese Verordnung gilt nicht für die Anwendung von gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellten Arzneifuttermitteln.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)

„Futtermittel“ Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (4);

b)

„Futtermittel für Nichtzieltiere“ Futtermittel für Nichtzieltiere im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2019/4;

c)

„Biozidprodukt“ ein Biozidprodukt im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (5);

d)

„flüssige Futtermittel“ sämtliche Einzelfuttermittel bzw. Mischfuttermittel in flüssiger oder halbflüssiger Form, einschließlich Milch oder verdünnter Milchaustauschfuttermittel, die für die Tierernährung durch Fütterung gebrauchsfertig sind;

e)

„feste Futtermittel“ alle Arten von Futtermitteln außer flüssigen Futtermitteln.

Artikel 3

Entscheidung über die Verwendung des Tierarzneimittels

Bei der Entscheidung über die Verabreichung eines Tierarzneimittels auf oralem Weg an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere berücksichtigt der Tierarzt Folgendes:

1.

die Diagnose;

2.

die Verfügbarkeit geeigneter Tierarzneimittel;

3.

die Gewährleistung der individuellen Behandlung von Tieren, wann immer dies möglich ist, außer bei immunologischen Tierarzneimitteln;

4.

die Tierart, das Erzeugungssystem und die Anzahl der zu behandelnden Tiere;

5.

die Eigenschaften des Tierarzneimittels;

6.

die einschlägigen Merkmale des Futtermittels oder des Tränkwassers;

7.

das Vorhandensein von Biozidprodukten, Futtermittelzusatzstoffen oder anderen Stoffen im Futtermittel oder im Tränkwasser, die die Aufnahme, Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des Tierarzneimittels beeinträchtigen könnten, auch durch Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten des Tierarzneimittels, und insbesondere die Anforderungen gemäß Artikel 4;

8.

den Zustand der Einrichtungen und Geräte für die orale Verabreichung von Tierarzneimitteln im landwirtschaftlichen Betrieb (z. B. Misch- und Dosiergeräte), die Art der Fütterungs- bzw. Tränkvorrichtungen und Lagerräume sowie die Instandhaltungsbedingungen für diese Einrichtungen und Geräte;

9.

die Fachkenntnisse und Fähigkeiten des Tierhalters bzw. des Personals des landwirtschaftlichen Betriebs, die ordnungsgemäße Lagerung, Zubereitung, Verabreichung und Entsorgung von Tierarzneimitteln zur oralen Verabreichung sicherzustellen, einschließlich der Fähigkeit zur Nutzung der erforderlichen Geräte oder Dosiervorrichtungen.

Artikel 4

Gleichzeitige Anwendung von Tierarzneimitteln und anderen Produktkategorien

(1)   Biozidprodukte, Futtermittelzusatzstoffe oder andere Stoffe, die in Tränkwasser verwendet werden, dürfen nicht gleichzeitig mit einem Tierarzneimittel verwendet werden, wenn es Nachweise für negative Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten zwischen diesen Produkten und dem Tierarzneimittel beim Zusatz zum Tränkwasser gibt.

(2)   Tierarzneimittel, die einen antikokzidiellen oder histomonostatischen Wirkstoff enthalten, dürfen nicht in Futtermitteln verwendet werden, die denselben Stoff als Futtermittelzusatzstoff enthalten, der als Kokzidiostatikum oder Histomonostatikum zugelassen ist und für den ein Höchstgehalt festgesetzt wurde.

(3)   Handelt es sich um andere Wirkstoffe als antikokzidielle oder histomonostatische Stoffe und ist der Wirkstoff des Tierarzneimittels mit einem Stoff des im Futtermittel enthaltenen Futtermittelzusatzstoffs identisch, dann darf der Gesamtgehalt dieses Wirkstoffs im Futtermittel nach der Beimischung des Tierarzneimittels zu dem Futtermittel oder nach dem Aufbringen des Tierarzneimittels auf die Oberfläche des Futtermittels den in der Verschreibung festgelegten Höchstgehalt nicht überschreiten.

Artikel 5

Informationen und Anweisungen zur Entsorgung

(1)   Der Tierarzt klärt den Tierhalter darüber auf, dass die unsachgemäße Entsorgung von Futtermitteln oder Tränkwasser, die bzw. das zur oralen Verabreichung verschriebene Tierarzneimittel enthalten bzw. enthält, eine Gefahr für die Umwelt darstellen und gegebenenfalls zur Entwicklung und Verbreitung antimikrobieller oder antiparasitärer Resistenzen beitragen kann.

(2)   Der Tierarzt gibt dem Tierhalter Anweisungen für die sichere Entsorgung nicht verwendeter verschriebener Tierarzneimittel an die Hand und erteilt Ratschläge, wie die Exposition der Umwelt gegenüber Futtermitteln oder Wasser, die bzw. das Tierarzneimittel enthalten bzw. enthält, auf ein Mindestmaß beschränkt werden kann.

Artikel 6

Verschreibung antimikrobieller und antiparasitärer Tierarzneimittel

(1)   Der Tierarzt darf im Rahmen ein und derselben Behandlung nicht mehr als ein antibiotisch wirksames Tierarzneimittel zur oralen Verabreichung verschreiben.

(2)   Der Tierarzt verschreibt Tierarzneimittel mit antimikrobiellen oder antiparasitären Wirkstoffen, die unmittelbar vor der Verfütterung festen Futtermittel beigemischt oder auf die Oberfläche fester Futtermittel aufgebracht werden, nur für die Behandlung einzeln gefütterter Tiere oder einer kleinen Gruppe von Tieren, sofern die Aufnahme des Tierarzneimittels durch einzelne Tiere wirksam kontrolliert werden kann.

(3)   Abweichend von Absatz 2 kann der Tierarzt in Fällen, in denen gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellte Arzneifuttermittel nicht verfügbar sind oder in denen er es für erforderlich hält, vor der Lieferung der Arzneifuttermittel mit der Behandlung der Tiere zu beginnen, Gruppenbehandlungen mit antimikrobiellen oder antiparasitären Tierarzneimitteln zur Beimischung zu festen Futtermitteln für der Lebensmittelgewinnung dienende Wassertierarten verschreiben.

(4)   In weiterer Abweichung von Absatz 2 können die Mitgliedstaaten die Verschreibung und orale Verabreichung von Tierarzneimitteln, die antimikrobielle oder antiparasitäre Wirkstoffe enthalten und die unmittelbar vor der Verfütterung durch Beimischung zu festen Futtermitteln oder durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel verabreicht werden, in ihrem Hoheitsgebiet ausschließlich auf einzeln gefütterte Tiere beschränken. Eine solche Beschränkung ist durch die ausreichende Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln, den Zugang zu gemäß der Verordnung (EU) 2019/4 hergestellten Arzneifuttermitteln und/oder die lokalen Tierhaltungs- und Bewirtschaftungsverfahren hinreichend zu begründen.

(5)   Die Mitgliedstaaten setzen die Kommission von allen Maßnahmen, die auf der Grundlage von Absatz 4 ergriffen werden, in Kenntnis.

Artikel 7

Handhabung und Anwendung von Tierarzneimitteln durch den Tierhalter

(1)   Der Tierhalter ist für Folgendes verantwortlich:

a)

die Bereitstellung der einschlägigen Informationen in Bezug auf Artikel 3 Nummern 6, 7, 8 und 9 für den Tierarzt;

b)

die Anwendung von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln zur oralen Verabreichung in Futtermitteln oder Tränkwasser nur entsprechend der tierärztlichen Verschreibung;

c)

die ordnungsgemäße Lagerung, Zubereitung und Verabreichung von Tierarzneimitteln in Futtermitteln oder Tränkwasser, einschließlich

i)

der ordnungsgemäßen Dosierung der Tierarzneimittel gemäß der tierärztlichen Verschreibung und der Sicherstellung der Aufnahme einer angemessenen Menge an Futtermitteln und Wasser durch alle Zieltiere;

ii)

der ordnungsgemäßen und homogenen Verdünnung der Tierarzneimittel in flüssigen Futtermitteln oder im Tränkwasser;

d)

die Sicherstellung, dass alle Personen, die Tierarzneimittel unter der Aufsicht des Tierhalters verabreichen, über die einschlägigen Fachkenntnisse und Fähigkeiten verfügen oder in Bezug auf die unter Buchstabe c genannten Verantwortlichkeiten geschult wurden.

(2)   Der Tierhalter trifft die erforderlichen Maßnahmen, um

a)

eine Kontamination von Futtermitteln oder Tränkwasser für Nichtzieltiere durch Futtermittel oder Tränkwasser, die bzw. das die Tierarzneimittel enthalten bzw. enthält, zu vermeiden;

b)

für die sichere Entsorgung nicht verwendeter Tierarzneimittel zu sorgen und die Exposition der Umwelt gegenüber Futtermitteln oder Tränkwasser, die bzw. das die Tierarzneimittel enthalten bzw. enthält, gemäß den Produktinformationen und den Anweisungen des Tierarztes zu vermeiden;

c)

sicherzustellen, dass das für die Verabreichung von Tierarzneimitteln über Tränkwasser oder flüssige Futtermittel verwendete Wasser für die orale Verabreichung des Tierarzneimittels geeignet ist.

Artikel 8

Geräte

(1)   Der Tierhalter ist dafür verantwortlich, dass die Geräte für die Zubereitung und Beimischung von Tierarzneimitteln zur oralen Verabreichung in Tränkwasser, Milch, Milchaustauschfuttermitteln oder anderen Formen flüssiger Futtermittel

a)

dem Umfang der zu mischenden Gewichte oder Volumen entsprechen;

b)

die Herstellung homogener Verdünnungen ermöglichen;

c)

so konzipiert, gebaut und platziert sind, dass

i)

die Arzneimittel nur an die Zieltiere abgegeben werden;

ii)

eine Kontamination von unbehandeltem Tränkwasser oder unbehandelten Futtermitteln vermieden wird;

iii)

die Behandlung von Tränkwasser mit Biozidprodukten und die Verwendung von Futtermittelzusatzstoffen über Tränkwasser erforderlichenfalls vor und während der Behandlung mit dem Tierarzneimittel reduziert oder eingestellt werden kann, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.

(2)   Der Tierhalter stellt sicher, dass alle verwendeten Waagen und Messgeräte dem Umfang der zu ermittelnden Gewichte oder Volumen entsprechen und in Übereinstimmung mit den Anweisungen des Herstellers kalibriert sind.

(3)   Der Tierhalter ist dafür verantwortlich, dass die für die orale Verabreichung von Tierarzneimitteln in Futtermitteln oder Tränkwasser verwendeten Geräte, Tränksysteme oder Dosiervorrichtungen ordnungsgemäß verwendet und instandgehalten und nach ihrer Verwendung für die Verabreichung von Tierarzneimitteln in Futtermitteln oder Tränkwasser ordnungsgemäß gereinigt werden.

Artikel 9

Produktinformation

(1)   Die Produktinformation eines antimikrobiellen oder antiparasitären Tierarzneimittels zur Verabreichung an eine der Lebensmittelgewinnung dienende landlebende Tierart durch Beimischung zu festen Futtermitteln oder durch Aufbringen auf die Oberfläche fester Futtermittel unmittelbar vor der Verfütterung enthalten einen klaren Hinweis, dass das Arzneimittel nur dann zur Behandlung einzeln gefütterter Tiere oder einer kleinen Gruppe von Tieren verabreicht werden darf, wenn die Aufnahme des Tierarzneimittel durch einzelne Tiere wirksam kontrolliert werden kann.

(2)   Die Produktinformation eines Tierarzneimittels zur oralen Verabreichung durch Beimischung zum Tränkwasser oder zu flüssigen Futtermitteln muss angemessene Hinweise auf bekannte Wechselwirkungen und Inkompatibilitäten zwischen dem Tierarzneimittel und Biozidprodukten, Futtermittelzusatzstoffen oder anderen Stoffen enthalten, die in Tränkwasser verwendet werden. Liegen keine Daten oder Informationen über potenzielle Wechselwirkungen oder Inkompatibilitäten vor, so wird dies in der Produktinformation mit einem entsprechenden Hinweis angegeben.

(3)   Bei Tierarzneimitteln, die vor dem 9. November 2025 zugelassen wurden, ändern die Zulassungsinhaber, falls erforderlich, ihre bestehenden Zulassungen bzw. ihre Produktinformationen gemäß den Absätzen 1 und 2 spätestens bis zum 9. Mai 2029.

Artikel 10

Leitlinien zu bewährten Verfahren

Zur Erleichterung der Anwendung dieser Verordnung können die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der verschiedenen zur Lebensmittelerzeugung genutzten Tierarten und Erzeugungssysteme in ihrem Hoheitsgebiet nationale Leitlinien zu bewährten Verfahren ausarbeiten.

Artikel 11

Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab dem 9. November 2025.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 7. Februar 2024

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)   ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2019/6/oj.

(2)  Verordnung (EU) 2019/4 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Arzneifuttermitteln, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/167/EWG des Rates (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 1, ELI: https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2019/4/oj).

(3)  Advice on implementing measures under Article 106 (6) of Regulation (EU) 2019/6 on veterinary medicinal products — scientific problem analysis and recommendations to ensure a safe and efficient administration of oral veterinary medicinal products via routes other than medicated feed (https://food.ec.europa.eu/system/files/2020-09/ah_vet-med_imp-reg-2019-06_ema-advice_del_art-106-6.pdf).

(4)  Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2002/178/oj).

(5)  Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2012/528/oj).


ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_del/2024/1159/oj

ISSN 1977-0642 (electronic edition)


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