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Weißbuch über Finanzdienstleistungen 2005-2010

Dieses Weißbuch erläutert die Prioritäten der Europäischen Kommission im Bereich der Finanzdienstleistungspolitik für den Zeitraum 2005 - 2010. Nach Auffassung der Kommission ist es wesentlich, die Fortschritte des Aktionsplans Finanzdienstleistungen (FSAP) weiter auszubauen, um die noch ungenutzten Potenziale für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung im Bereich der Finanzdienstleistungen in der Europäischen Union zu erschließen. Die Konsolidierung der erreichten Fortschritte, die Beseitigung noch bestehender Hemmnisse sowie die Verbesserung der Rechtsetzung und der Kontrollen sind Leitmotive des Weißbuchs 2005-2010.

RECHTSAKT

Weißbuch der Kommission vom 1. Dezember 2005 zur Finanzdienstleistungspolitik (2005-2010) [KOM(2005) 629 endg. - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Dynamische Konsolidierung der Finanzdienstleistungen

Die Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen stellt einen ausschlaggebenden Bestandteil des wirtschaftlichen Reformprozesses von Lissabon dar.

In diesem Rahmen ist die im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen 1999-2005 (FSAP) vorgesehene Integration des Europäischen Finanzmarktes entscheidend, denn sie wird es ermöglichen, bislang nicht ausgeschöpfte Potenziale im Bereich Wachstum und Beschäftigung zu erschließen.

Die Kommission legt in ihrem Weißbuch die wichtigsten Linien ihrer Politik für die nächsten fünf Jahre fest:

  • Konsolidierung der erreichten Fortschritte
  • Beendigung der noch laufenden Maßnahmen
  • Verstärkung der aufsichtlichen Zusammenarbeit und Konvergenz
  • Beseitigung der noch bestehenden Hindernisse für die Integration

In dem Dokument werden auch eine Reihe von Prioritäten aufgeführt, insbesondere: effizientere Gestaltung der EU-Märkte für langfristige Sparprodukte, Vollendung des Binnenmarktes für Privatkundendienstleistungen und Verbesserung der Funktionsweise des Risikokapitalmarktes.

Bessere Rechtsetzung

Offene Konsultationen sowie Folgenabschätzungen zu neuen Legislativvorschläge werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen und sind der Abfassung von Rechtsvorschriften unbedingt vorzuschalten.

Die Kommission erachtet es auch für wichtig, die Mechanismen der rechtlichen Durchsetzung weiter zu verstärken; hierbei ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich. Eine wirksame Überwachung der Fortschritte soll wie folgt erleichtert werden:

  • der jährliche Fortschrittbericht auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen wird auch Aufschluss über den globalen Stand der Umsetzung geben und die Online-Tabelle zur Umsetzung des FSAP wird regelmäßig aktualisiert werden
  • die Workshops zur Umsetzung der Rechtsvorschriften, in denen die Mitgliedstaaten und die europäischen Regulierungsbehörden mitarbeiten, werden weiterhin eine zentrale Rolle für die Umsetzung bestimmter EG-Vorschriften spielen.

Eine Ex-post-Bewertung aller neuen Legislativmaßnahmen stellt eine Priorität für die kommenden Jahre dar. Bis 2009 will die Kommission eine vollständige wirtschaftliche und rechtliche Bewertung sämtlicher Maßnahmen des FSAP zum Abschluss gebracht haben.

Die Kommission plant eine Reihe zielgerichteter Initiativen zur Verstärkung der Kohärenz und Einheitlichkeit des Rechtskorpus, der die gemeinschaftlichen und nationalen Umsetzungsvorschriften zu den Finanzdienstleistungen umfasst. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen geplant:

  • Zusammenführung der einschlägigen Gemeinschaftsinstrumente im Internet
  • sektorale Konsistenzprüfung im Wertpapierbereich
  • Durchführung einer Studie im Jahr 2008 zur Feststellung möglicher Inkonsistenzen bei den bereit gestellten Informationen, entsprechend den Anforderungen des geltenden Gemeinschaftsrechts
  • Veröffentlichung einer Mitteilung/Empfehlung im Bereich der gemeinsamen Anlagen im Jahr 2006, um informationsbezogene Unsicherheiten zu beseitigen
  • Kodifizierung von sechzehn Versicherungsrichtlinien, die den Rahmen des Versicherungsprojekts Solvenz II betreffen, in einer einzigen Richtlinie
  • Ergreifung angemessener Maßnahmen bei unkorrekter Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, einschließlich der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens.

Der Beitrag der Nutzer ist wichtig für die Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Finanzdienstleistungen. In diesem Zusammenhang spielt das Forum FIN-USE eine zentrale Rolle.

Auch ist es nach Auffassung der Kommission notwendig, die Transparenz und Vergleichbarkeit der Finanzprodukte zu verbessern und es den Verbrauchern zu ermöglichen, sie besser einzuschätzen. Zu diesem Zweck sollen in einem von der Kommission herausgegebenen regelmäßig erscheinenden „Newsletter" die wichtigsten Neuigkeiten für Verbraucher und Nutzer erläutert werden.

Auch die Effizienz von FIN-NET, dem Netz für die außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren in grenzübergreifenden Fällen im Bereich der Finanzdienstleistungen, soll verbessert werden. In den kommenden Jahren will die Kommission die Zusammenarbeit zwischen dem Bereich der Finanzdienstleistungspolitik und anderen Politikbereichen ausbauen, insbesondere Wettbewerb, Verbraucherschutz und Steuerrecht.

Im Bereich des Steuerrechts wird die Kommission einen Legislativvorschlag zur Anpassung der Mehrwertsteuerregeln im Finanzdienstleistungsbereich an die Entwicklung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen vorlegen.

Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen in der Gemeinschaft

Das Konzept der Gemeinschaft für Regulierung und Aufsicht im Finanzdienstleistungsbereich stützt sich auf den vierstufigen Lamfalussy-Prozess. In den nächsten fünf Jahren will die Kommission diesen Prozess weiter entwickeln und sich dabei auf folgende Inhalte konzentrieren:

  • Fortsetzung der Diskussion um die Reform des Ausschusswesens
  • Verbesserung des Systems der Rechenschaftspflicht und der Transparenz
  • Ausbau der sektorübergreifenden Zusammenarbeit bei der Regulierung
  • Gewährleistung, dass die Agenda zur guten Gesetzgebungspraxis auf allen vier Stufen des Lamfalussy-Prozesses eingehalten wird
  • Beitrag zur weltweiten Annäherung der Standards.

Die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden und der Informationsaustausch zwischen ihnen sind von zentraler Bedeutung, und die Kommission will beide Komponenten unter folgenden Aspekten ausbauen:

  • Klärung und Optimierung der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Behörden des Herkunfts- und des Aufnahmemitgliedstaats
  • Prüfung der Möglichkeiten für die Übertragung bestimmter Aufgaben und Verantwortlichkeiten
  • wirksamere Durchführung der Aufsicht ohne zusätzliche Auflagen und folglich Kosten für Berichterstattung und Information
  • Gewährleistung einer konsequenten und zügigeren Zusammenarbeit und Beitrag zum Aufbau einer echten europäischen Aufsichtskultur.

Aktuelle und künftige Rechtsetzungsinitiativen (2005-2010)

Die Rechtsetzungsaktivitäten der Kommission konzentrieren sich auf vier laufende Vorhaben:

  • Privatkundenbankgeschäft: zum Thema Hypothekarkredite wird die Kommission 2006 ein Weißbuch veröffentlichen; ferner sollen zwei Richtlinienvorschläge vorgelegt werden, einer über Zahlungsverkehrsdienstleistungen und der andere über Verbraucherkredite
  • Solvabilität II: im Rahmen dieses Vorhabens wird die Kommission 2007 einen Vorschlag für einen einheitlichen Text vorlegen, um die Regulierung und die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen zu modernisieren
  • Überprüfung der Regelungen für qualifizierte Beteiligungen: bei der Arbeit der Aufsichtsbehörden müssen Klarheit und Transparenz verbessert werden. Vor allem plant die Kommission eine Überarbeitung der Bankenrichtlinie (Artikel 16) und der Versicherungsrichtlinie (Artikel 15) sowie die Festlegung gemeinsamer Aufsichtskriterien
  • Clearing & Abrechnung: die Kommission wird auf der Grundlage einer umfassenden Konsultation und einer Folgenabschätzung ermitteln, ob eine Rahmenrichtlinie erforderlich ist, damit sich eine leistungsfähige, sichere und kostengünstige grenzübergreifende Clearing- und Abrechnungsindustrie entwickeln kann.

Die Kommission plant eine gründliche Reflexion in folgenden fünf Bereichen: Beseitigung ungerechtfertigter Hemmnisse für die grenzübergreifende Konsolidierung, Richtlinie über E-Geld, Sicherungssysteme für Versicherungen, Haager Wertpapierübereinkommen und Machbarkeit freiwilliger Instrumente („26. Regelung") im Finanzdienstleistungssektor.

Die Kommission sieht außerdem in zwei weitere Initiativen vor, und zwar im Bereich der Investmentfonds und der Finanzdienstleistungen für Privatkunden, die sich auf die Wirtschaft der EU positiv auswirken könnten:

  • Im Jahr 2006 wird die Kommission ein Weißbuch über den Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds veröffentlichen. Dieses Dokument, das auf der Grundlage umfassender Konsultationen erarbeitet werden wird, soll den Anlegern allgemein die Möglichkeit geben, strukturierte und gut verwaltete Anlagen aufzubauen, die möglichst hohe Renditen erbringen und gleichzeitig der Finanzkraft und der Risikobereitschaft des einzelnen Anlegers entsprechen. Dabei müssen die Anleger angemessen über Risiken und Kosten aufgeklärt werden.
  • Nach Auffassung der Kommission ist der Markt für Privatkunden-Finanzdienstleistungen noch zu stark fragmentiert und bedarf neuer Initiativen. Insbesondere müssen bei allen Arten von Konten (Girokonten, Sparkonten, Wertpapierkonten) bestehende Hindernisse beseitigt, die Auswahl für den Verbraucher vergrößert und der Wettbewerb zwischen den Anbietern verstärkt werden. Im Bereich der Kreditvermittlung hält die Kommission weitere Untersuchungen für erforderlich.

Die internationale Dimension

Angesichts des internationalen Kontexts, in dem heute die Standards für Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Eigenkapitalausstattung von Banken festgesetzt werden, ist es für die EU von entscheidender Bedeutung, bei der Standardsetzung auf internationaler Ebene eine führende Rolle zu spielen, insbesondere bei der Öffnung der weltweiten Finanzdienstleistungsmärkte. Die Kommission will den Dialog über die Finanzmärkte zwischen der EU und den Vereinigten Staaten ausbauen und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern wie Japan, China, Russland und Indien vertiefen. In den internationalen Gremien muss die EU stark vertreten sein und bei heiklen Themen wie Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuerumgehung mit einer Stimme sprechen. In anderen internationalen Foren (Basler Ausschuss, IAIS, IOSCO und UNIDROIT) muss die europäische Koordinierung verstärkt werden.

Die Kommission wird jedes Jahr einen Bericht über die Entwicklungen und erzielten Fortschritte vorlegen. In Anhang I des Weißbuchs (EN) werden die im Bereich der Finanzdienstleistungen vorgesehenen Aufgaben oder Tätigkeiten zusammengefasst.

Kontext

Am Ende der Legislativphase des FSAP 2004 beschloss die Kommission, Bilanz über die Integration der Finanzmärkte in Europa zu ziehen und eine allgemeine Konsultation auf der Grundlage der Berichte von vier hochrangigen Expertengruppen durchzuführen. Das Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik, das Mitte 2005 Ausgangsbasis für eine öffentliche Konsultation gewesen war, stellte vor allem die Durchführung vorhandener Maßnahmen und die Zusammenarbeit in den Mittelpunkt, nicht aber die Vorlage neuer Rechtsvorschriften. Das darauf folgende Weißbuch präsentiert die wichtigsten Instrumente für die Integration des Marktes für Finanzdienstleistungen.

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Grünbuch der Kommission vom 3. Mai 2005 zur Finanzdienstleistungspolitik (2005-2010) [KOM(2005) 177 endg. - nicht im Amtsblatt veröffentlicht] Dieses Dokument enthält die ersten Vorstellungen der Kommission zu den Prioritäten der Gemeinschaft im Bereich der Finanzdienstleistungspolitik. Es ist das Ergebnis eines zweijährigen Konsultationsprozesses, der mit der Arbeit von vier Expertengruppen seinen Anfang nahm und auf die eine breit angelegte öffentliche Konsultation folgte.

Letzte Änderung: 12.04.2006

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