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Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern (Grünbuch)

Nach Artikel 20 EG-Vertrag kann ein Unionsbürger in einem Drittland, in dem sein Herkunftsmitgliedstaat keine Vertretung unterhält, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines Mitgliedstaats beantragen, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt. Die Europäische Kommission will die Bürger besser über ihre Rechte informieren, sich Gedanken über den Umfang des diplomatischen und konsularischen Schutzes machen, „gemeinsame Stellen" der Mitgliedstaaten einrichten und die Beziehungen zu den Behörden der Drittländer ausweiten.

RECHTSAKT

Grünbuch der Europäischen Kommission vom 28. November 2006 über den diplomatischen und konsularischen Schutz des Unionsbürgers in Drittländern [KOM(2006) 712 endg. - Amtsblatt C 30 vom 10.2.2007].

ZUSAMMENFASSUNG

Trotz der geltenden Vorschriften über den diplomatischen und konsularischen Schutz kennen einer Eurobarometer-Umfrage [EN] [PDF] zufolge nur wenige Bürger dieses Recht. In ihrem Grünbuch zeigt die Europäische Kommission Wege auf, um

  • den Kenntnisstand der Bürger zu verbessern und stellt Überlegungen darüber an,
  • in welchem Umfang der Bürger geschützt werden sollte,
  • über welche Ressourcen die Union in diesem Bereich verfügen sollte (Einrichtung „gemeinsamer Stellen") und
  • welche Beziehungen zu den Behörden von Drittländern aufgebaut werden sollten.

Information der Bürger über ihre Rechte

Die Europäische Kommission will dafür sorgen, dass die Bürger besser über ihre Rechte auf dem Gebiet des diplomatischen und konsularischen Schutzes nach Artikel 20 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) und Artikel 46 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EN) (FR) informiert werden. Die Organe und die Mitgliedstaaten sollten die Bürger und die in der Personenbeförderung tätigen Unternehmen, wie Reisebüros, regelmäßig über dieses Thema unterrichten. Informationen können beispielsweise durch Broschüren und über die Website „Europa" sowie die Websites der Kommissionsdelegationen in Drittländern Informationen verbreitet werden, und an Flughäfen, Bahnhöfen, Häfen usw. können Plakate angebracht werden. Die Kommission weist darauf hin, dass die Bürger sich mit ihren Fragen zum Thema konsularischer und diplomatischer Schutz an den Informationsdienst EUROPE DIRECT wenden können.

Ein Bürger sollte für den Fall, dass sein Land in dem von ihm angesteuerten Drittland weder eine Botschaft noch ein Konsulat unterhält, wissen, welche anderen Mitgliedstaaten dort vertreten sind. Derzeit gibt es nur drei Länder, in denen alle 25 Mitgliedstaaten entweder eine Botschaft oder ein Konsulat haben: die Volksrepublik China, die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation.

Die Kommission schlägt vor, eine Empfehlung zu verabschieden und darin die Mitgliedstaaten aufzufordern, Artikel 20 EG-Vertrag in den Reisepässen der Unionsbürger abzudrucken, um sie an ihre Rechte zu erinnern. Außerdem regt sie an, alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Artikel 20 EG-Vertrag im Amtsblatt zu veröffentlichen.

Jeder Mitgliedstaat gibt für seine Bürger Reisehinweise aus, die seiner Einschätzung des Risikos entsprechen und von der der anderen Mitgliedstaaten abweichen kann. Es wäre zu prüfen, ob diese Hinweise abgestimmt werden könnten.

Ein weitgehender Schutz der Bürger

Die Mitgliedstaaten sind nach Artikel 20 EG-Vertrag verpflichtet, den Unionsbürgern unter denselben Bedingungen wie ihren eigenen Staatsangehörigen Schutz zu gewähren. Der Schutz gestaltet sich jedoch nicht einheitlich, und es gibt ebenso viele Schutzregelungen wie Mitgliedstaaten. Nach Auffassung der Kommission wäre es sinnvoll, langfristig die Unterschiede zwischen einzelnen Aspekten des Schutzes mit dem Ziel zu prüfen, allen Unionsbürgern ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit einen vergleichbaren Schutz zu bieten.

Die Europäische Kommission möchte folgenden Aspekten nachgehen:

  • Schutz von Unionsbürgern, die in Drittländern arbeiten und wohnen. Die Kommission schlägt vor, in die bilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten mit Drittländern die Bestimmungen über den Schutz der in diesen Ländern tätigen und wohnhaften Unionsbürger aufzunehmen, um die Entscheidung 88/384/EWG wirksam anzuwenden.
  • Schutz der Familienangehörigen des Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen. Der gemeinsame Schutz von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, ist beispielsweise bei der Evakuierung und Rückführung im Konfliktfall erforderlich. Die Kommission schlägt vor, den konsularischen Schutz auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers auszudehnen, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind; dies könnte entweder durch Änderung des Beschlusses 95/553/EG oder durch einen Vorschlag der Kommission auf der Grundlage von Artikel 22 EG-Vertrag geschehen.

Die Tsunami-Katastrophe Ende 2004 und ihre Folgen haben deutlich gemacht, wie schwierig sich die Identifizierung und Überführung von Leichnamen gestalten kann. Die örtlichen Behörden des betreffenden Drittlands verlangen mitunter eine Reihe von Formalitäten, beispielsweise die Vorlage eines Leichenpasses oder einer von einer Klinik oder der Polizei ausgestellten Bescheinigung des Todes und der Todesursache, die Erfüllung bestimmter Einsargungsvorschriften oder eine beglaubigte Übersetzung der Urkunden. Auch die komplizierten und mit hohen Kosten verbundenen Überführungsverfahren sind für die Angehörigen der Opfer ein Problem.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission sollten alle Mitgliedstaaten überzeugt werden, dem Übereinkommen des Europarats vom 26. Oktober 1973 über die Leichenüberführung (FR)beizutreten, das die Verwaltungsformalitäten vereinfacht und bisher erst von 15 Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. Für die Überführungskosten erwägt die Europäische Kommission ergänzend die Einrichtung eines europäischen Ausgleichssystems. Außerdem sollten ihrer Ansicht nach die Verfahrung für finanzielle Vorleistungen vereinfacht werden.

Einrichtung „gemeinsamer Stellen" der Mitgliedstaaten

Schutzersuchen dürften im Einzelfall, z.B. wenn ein Bürger seine Dokumente verloren hat, keine besonderen Probleme bereiten. Geraten aber ganze Gruppen von Menschen in Schwierigkeiten, z.B. bei Katastrophen, Pandemien, Terroranschlägen oder militärischen Konflikten, könnte sich die Situation ganz anders darstellen.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission sollten die Mitgliedstaaten sich die Aufgaben gerecht teilen, wenn eine große Zahl von Bürgern, deren Staat keine Vertretung unterhält, um Hilfe oder die Rückführung in ihr Heimatland nachsuchen. Die Kommission schlägt die Einrichtung gemeinsamer Stellen der Mitgliedstaaten und die Schulung des Personals vor, um eine kohärente Organisation der Aufgaben und Einsparungen bei den festen Strukturkosten der einzelstaatlichen diplomatischen und konsularischen Netze zu ermöglichen. Die gemeinsamen Stellen könnten nach dem Prinzip arbeiten, dass die Mitgliedstaaten einander vertreten. Langfristig könnten die gemeinsamen Stellen konsularische Aufgaben wahrnehmen, wie die Visumausstellung oder die Beglaubigung von Dokumenten.

Aufnahme einer Standardklausel über die Zustimmung in die gemischten Abkommen mit Drittländern

Die Kommission stellt fest, dass Artikel 20 EG-Vertrag nur mit Zustimmung der Drittländer umgesetzt werden kann. Sie schlägt vor, in die gemischten Abkommen mit Drittländern eine Standardklausel über die Zustimmung aufzunehmen und zu prüfen, wie sich die Zustimmung der Drittstaaten erlangen ließe, damit die EU - über die Kommissionsdelegationen - ihrer Schutzpflicht in Fällen, die mit der Ausübung gemeinschaftlicher Befugnisse zusammenhängen, nachkommen kann.

Alle interessierten Parteien konnten bis zum 31. März 2007 zu diesem Grünbuch Stellung nehmen (EN).

Letzte Änderung: 04.06.2007

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