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Document JOC_2001_062_E_0327_01

Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie(KOM(2000) 854 endg./2 — 2001/0025(CNS))

ABl. C 62E vom 27.2.2001, p. 327–330 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52000PC0854(02)

Vorschlag für einen Rahmenbeschluß des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie /* KOM/2000/0854 endg. - CNS 2001/0025 */

Amtsblatt Nr. 062 E vom 27/02/2001 S. 0327 - 0330


Vorschlag für einen RAHMENBESCHLUSS DES RATES zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie

BEGRÜNDUNG

1. EINLEITUNG

Am 24. Februar 1997 verabschiedete der Rat eine Gemeinsame Maßnahme betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern. [1] Diese Gemeinsame Maßnahme behandelt ein breites Spektrum von Themen wie Definitionen (unbeschadet genauerer Definitionen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten), Gerichtsbarkeit, Strafverfolgung, Beistand für die Opfer sowie polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit. Mit der Gemeinsamen Maßnahme verpflichteten sich die Mitgliedstaaten, ihre geltenden Rechtsvorschriften zu überprüfen, um sicherzustellen, dass der Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Strafe gestellt werden.

[1] ABl. L 63 vom 4.3.1997.

Seit der Verabschiedung der Gemeinsamen Maßnahme im Jahre 1997 ist sowohl auf EU-, lokaler und regionaler Ebene als auch in einem größeren internationalen Rahmen eine starke zahlenmäßige und inhaltliche Ausweitung der Maßnahmen und Initiativen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie festzustellen. Die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie nehmen immer besorgniserregendere Züge an, und es besteht ganz offensichtlich weiterer Handlungsbedarf, um die Unterschiede in den Rechtskonzepten der Mitgliedstaaten abzubauen.

Darüber hinaus wird in Artikel 29 des Vertrags von Amsterdam ausdrücklich auf Straftaten gegenüber Kindern Bezug genommen. Der Wiener Aktionsplan [2] und der Europäische Rat von Tampere sprachen sich nachdrücklich für weitere Rechtsetzungsinitiativen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern aus. Auch im Anzeiger [3] der Kommission werden legislative Maßnahmen angegeben. Am 29. Mai 2000 verabschiedete der Rat einen Beschluss [4] zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet.

[2] ABl. C 19 vom 23.1.1999.

[3] KOM (2000) 167 endg. vom 24.3.2000.

[4] ABl. L 138/1 vom 9.6.2000.

Zwei Beispiele für die Entwicklungen in einem größeren internationalen Rahmen sind das Fakultativprotokoll über den Handel mit Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornographie zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes und das künftige Übereinkommen des Europarates über Cyberkriminalität, das unter anderem die Kinderpornographie im Zusammenhang mit EDV-Systemen behandelt. Die Kommission beteiligte sich aktiv an der Ausarbeitung des letztgenannten Instruments. Wesentliche Elemente des künftigen Übereinkommens über Kinderpornographie in EDV-Systemen finden im vorliegenden Vorschlag ihren Niederschlag, wenngleich dieser Vorschlag auch Formen der Kinderpornographie umfasst, die nicht mit EDV-Systemen im Zusammenhang stehen.

Zudem dürfte der spezifische Charakter eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, wie er in den Europäischen Union geschaffen werden soll, den Mitgliedstaaten die Ausarbeitung eines Rahmenbeschlusses ermöglichen, in dem bestimmte Aspekte des Strafrechts und der justitiellen Zusammenarbeit genauer behandelt werden, als dies mit den vor Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam verfügbaren Instrumenten und den in einem größeren internationalen Rahmen konzipierten Instrumenten möglich war. Ein Rahmenbeschluss sollte beispielsweise konkreter auf Fragen wie Kriminalisierung, Strafen und andere Sanktionen, erschwerende Umstände, Gerichtsbarkeit, einschließlich Bestimmungen zur extraterritorialen Gerichtsbarkeit, und Auslieferung eingehen.

Insgesamt hält die Kommission eine weitere Auseinandersetzung mit der Problematik der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie auf der Ebene der Europäischen Union für erforderlich. Mit einem Rahmenbeschluss, einem durch den Vertrag von Amsterdam eingeführten Instrument, wird das einheitliche Vorgehen der Europäischen Union auf diesem Gebiet untermauert und werden Lücken in den vorhandenen Rechtsvorschriften geschlossen. Die Notwendigkeit eines genau festgelegten, einheitlichen Vorgehens gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie ist auch vor dem Hintergrund der anstehenden Erweiterung der Europäischen Union zu sehen.

Wie im Anzeiger angekündigt, hat sich die Kommission deshalb dazu entschlossen, einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Angleichung der strafrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, einschließlich der Sanktionen, vorzulegen. Der Vorschlag enthält auch Bestimmungen zu horizontalen justitiellen Aspekten wie Gerichtsbarkeit und Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Er hat die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie zum Gegenstand. Ausgeklammert wird der Menschenhandel zu ausbeuterischen Zwecken, da dieser in einem gesonderten Vorschlag behandelt wird. Durch die Unterteilung in zwei Rahmenbeschlüsse kann sich der Rat gezielt mit der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie befassen.

2. RECHTSGRUNDLAGE

Dieser Vorschlag für einen Rahmenbeschluss betrifft die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen. Er beinhaltet auch "Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich organisierte Kriminalität". Somit bilden Artikel 29 mit einem ausdrücklichen Hinweis auf Straftaten gegenüber Kindern, Artikel 31 Buchstabe e und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Europäische Union die in der Präambel des Vorschlags angegebene Rechtsgrundlage. Der Vorschlag hat keine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Europäischen Gemeinschaften.

3. DER RAHMENBESCHLUSS: DIE ARTIKEL

Artikel 1 (Begriffsbestimmungen)

Artikel 1 enthält Definitionen im Rahmenbeschluss verwendeter Begriffe. In den Buchstaben a, b und c werden die Kernbegriffe des Rahmenbeschlusses definiert. Buchstabe a definiert "Kind", Buchstabe b "Kinderpornographie" und Buchstabe c "EDV-System".

Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses gilt jede Person unter achtzehn Jahren als "Kind". Soweit diese Altersgrenze die Kinderpornographie betrifft, vertritt die Kommission die Auffassung, dass Darstellungen von Personen unter achtzehn Jahren, die an eindeutig sexuellen Handlungen beteiligt sind, eine sexuelle Ausbeutung von Kindern darstellen. Auch wenn Personen unter achtzehn Jahren die nötige Reife erlangt haben, um bewusst eine Entscheidung über ihre Beteiligung an sexuellen Handlungen treffen zu können, sollte dies nicht für die Darstellung derartiger Handlungen gelten. Die Altersgrenze von achtzehn Jahren steht auch im Einklang mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Buchstabe b betrifft pornographisches Material mit Darstellungen von Kindern, die an eindeutig sexuellen Handlungen beteiligt sind. Der Begriff "bildliche Darstellung" ist so auszulegen, dass darin unentwickelte Filme und Videobänder sowie auf Festplatten oder anderen elektronischen Trägermedien gespeicherte Daten, die in Bilder umgewandelt werden können, eingeschlossen sind. Unter eindeutig sexuellen Handlungen sind als Mindestanforderung zu verstehen:

a) genito-genitaler, oral-genitaler, anal-genitaler oder oral-analer Geschlechtsverkehr;

b) Unzucht mit Tieren;

c) Masturbation;

d) sadistischer oder masochistischer Missbrauch oder

e) die aufreizende Zurschaustellung der Geschlechtsorgane oder der Schamgegend.

Buchstabe d definiert den Begriff "juristische Person". Diese Begriffsbestimmung wurde dem zweiten Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften [5] entnommen.

[5] ABl. C 221 vom 19.7.1997.

Artikel 2 (Straftatbestand der sexuellen Ausbeutung von Kindern)

Artikel 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Strafe gestellt wird. Gemäß Buchstabe a sind die verschiedenen Formen der Ausbeutung eines Kindes für die Prostitution unter Strafe zu stellen. Gemäß Buchstabe b ist die Heranziehung eines Kindes zu sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen, wenn die in den Punkten (i) bis (iii) aufgeführten Tatbestandsmerkmale vorliegen. Der Begriff "sexuelle Handlung" im Sinne dieses Rahmenbeschlusses ist so auszulegen, dass er die in Artikel 1 aufgeführten eindeutig sexuellen Handlungen bei Kinderpornographie einschließt.

Artikel 3 (Straftatbestand der Kinderpornographie)

Artikel 3 verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die verschiedenen Formen vorsätzlicher Handlungen im Zusammenhang mit Kinderpornographie unter Strafe gestellt werden. Absatz 1 Buchstabe a betrifft die Herstellung von Kinderpornographie, Absatz 1 Buchstabe b den Vertrieb, die Verbreitung und Weitergabe von Kinderpornographie, Absatz 1 Buchstabe c das Anbieten oder sonstige Zugänglichmachen von Kinderpornographie und Absatz 1 Buchstabe d den Erwerb oder Besitz von Kinderpornographie.

Die in den Buchstaben a bis d genannten "Tätigkeiten" entsprechen nicht nur dem künftigen Übereinkommen über die Cyberkriminalität, sondern auch Elementen des Strafrechts der Mitgliedstaaten. Die Kommission war bemüht, so weit wie möglich die Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die in der Regel den Straftatbestand der Kinderpornographie erfuellen.

Nach Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass die aufgelisteten Vergehen auch dann unter Strafe gestellt werden, wenn die besagten Handlungen teilweise oder gänzlich unter Verwendung eines EDV-Systems erfolgen.

Absatz 2 umfasst zwei spezifische Kategorien von kinderpornographischem Material mit visueller Darstellung eines an eindeutig sexuellen Handlungen beteiligten Kindes. Die erste Kategorie betrifft Material, auf dem allem Anschein nach tatsächlich Kinder zu sehen sind, die zweite Kategorie Bildmaterial mit Darstellungen, die beispielsweise mit einem Computer verändert oder erstellt wurden, also simuliert oder gefälscht sind. Absatz 2 schließt somit pornographische Darstellungen mit ein, denen keine "tatsächliche" sexuelle Ausbeutung zugrunde liegt. Damit wird ein anderes Anliegen als bei der Bekämpfung von Kinderpornographie gemäß Absatz 1 verfolgt; während Absatz 1 Kinder vor sexuellem Missbrauch bewahren soll, geht es bei Absatz 2 darum zu unterbinden, dass Kinder als Sexobjekte dargestellt werden, und zu verhindern, dass der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch die stärkere Verbreitung von pseudo-kinderpornographischem Material Vorschub geleistet wird.

Gemäß Absatz 2 haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Handlungen im Zusammenhang mit pornographischem Material, das ein eindeutig an sexuellen Handlungen beteiligtes Kind visuell darstellt, als Straftaten eingestuft werden. Die ansonsten in diesem Rahmenbeschluss festgelegten Definitionen werden davon nicht berührt. Allerdings stufen die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Situation, in der scheinbar ein Kind dargestellt wird, d.h. keine simulierte Abbildung, sondern die Abbildung einer echten Person, jene Fälle nicht als Straftaten ein, in denen die bildliche Darstellung nachweislich eine Person von mindestens achtzehn Jahren zeigt. Somit soll zumindest sichergestellt werden, dass in allen Mitgliedstaaten in Fällen, in denen ein Gericht davon überzeugt ist, dass es sich bei der Darstellung einer Person unbekannten Alters scheinbar um ein Kind handelt, weiterhin ein Straftatbestand erfuellt ist.

Artikel 4 (Anstiftung, Beihilfe und Versuch)

Artikel 4 Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die Anstiftung oder Beihilfe zur Begehung einer Straftat im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie unter Strafe gestellt werden.

Artikel 4 Absatz 2 bezieht sich konkret auf den Versuch. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass der Versuch der sexuellen Ausbeutung von Kindern oder der Herstellung, des Vertriebs, der Verbreitung, der Weitergabe, des Anbietens oder sonstigen Zugänglichmachens von Kinderpornographie unter Strafe gestellt wird. Absatz 2 beinhaltet nicht den Versuch des vorsätzlichen Erwerbs oder Besitzes kinderpornographischen Materials.

Artikel 5 (Sanktionen und erschwerende Umstände)

Artikel 5 betrifft die Sanktionen und erschwerenden Umstände. Absatz 1 legt fest, dass die in den Artikeln 2, 3 und 4 genannten Straftaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen einschließlich Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens vier Jahren zu ahnden sind. Vorsätzlicher Erwerb oder Besitz kinderpornographischen Materials ist mit einer Freiheitsstrafe im Hoechstmaß von mindestens einem Jahr zu ahnden. Diese Sanktionen reichen aus, um die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie in den Anwendungsbereich bereits verabschiedeter Instrumente zur Förderung der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union einzubeziehen; zu diesen Instrumenten gehören die Gemeinsame Maßnahme 98/699/JI [6] betreffend Geldwäsche, die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten sowie die Gemeinsame Maßnahme 98/733/JI [7] betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung.

[6] ABl. L 333/1 vom 9.12.1998.

[7] ABl. L 351/1 vom 29.12.1998.

Da es sich bei der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie um sehr schwere Straftaten handelt, haben die Mitgliedstaaten gemäß den Absätzen 2 bis 4 dafür Sorge zu tragen, dass diese Straftaten bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens acht Jahren geahndet werden. Der Vorschlag der Kommission, beim Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe im Hoechstmaß von mindestens acht Jahren vorzusehen, beruht auf der Überlegung, dass das für die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie geltende Strafmaß die Schwere des Vergehens widerspiegeln und eine deutlich abschreckende Wirkung haben soll.

Die Mindestbedingungen werden aufgelistet, die - unbeschadet zusätzlicher Definitionen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten - für die Kinderprostitution, die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie als erschwerende Umstände anzusehen sind. Nachstehend wird näher erläutert, was für die Zwecke dieses Rahmenbeschlusses unter diesen Umständen zu verstehen ist:

- - "Kinder unter zehn Jahren betreffen" oder im Falle der Kinderpornographie "Darstellungen von Kindern unter zehn Jahren betreffen": garantiert sehr jungen Kindern verstärkten, ausdrücklichen Rechtsschutz und hebt die schwerwiegende Bedeutung der sexuellen Ausbeutung sehr junger Kinder durch die Schwere des möglichen Strafmasses hervor;

- - "besondere Rücksichtslosigkeit beinhalten": betrifft das ausgeübte Maß an Gewalt oder Nötigung oder das Maß an Missachtung der physischen und mentalen Gesundheit und Unversehrtheit des Opfers; je höher das Maß an Gewalt, Nötigung oder Missachtung, desto schwerer der Straftatbestand;

- - "mit beachtlichen Erträgen verbunden sind": kann gegebenenfalls wie bei erschwerten Fällen von "Zuhälterei" bewertet werden, zumindest sollte die Bereicherung des Täters durch die kriminellen Aktivitäten berücksichtigt werden;

- - "im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen wurden": ist gemäß Artikel 1 der Gemeinsamen Maßnahme 98/733/JI betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union [8] auszulegen;

[8] ABl. L 351/1 vom 29.12.1998.

- - "Darstellungen von Gewalt- oder Zwangsanwendung gegen Kinder betreffen": betrifft Darstellungen, die Elemente von Gewalt oder Zwang beinhalten, die darauf schließen lassen, dass Kinder verletzt werden oder schlimme Ängste erleiden müssen; je höher das Maß an Gewalt oder Zwang, desto schwerer der Straftatbestand.

Nach Artikel 5 Absatz 5 sind die Mitgliedstaaten gehalten zu prüfen, ob natürlichen Personen die Ausübung einer die Beaufsichtigung von Kindern einschließenden Tätigkeit vorübergehend oder dauerhaft untersagt werden soll, wenn sie einer Straftat im Sinne dieses Rahmenbeschlusses für schuldig befunden wurden.

Artikel 6 (Verantwortlichkeit juristischer Personen)

Es müssen auch Fälle berücksichtigt werden, in denen juristische Personen an der sexuellen Ausbeutung von Kindern und an Kinderpornographie beteiligt sind. Artikel 6 legt daher fest, dass eine juristische Person für eine Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4, die zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat, verantwortlich gemacht werden kann. Der Begriff Verantwortlichkeit ist so auszulegen, dass darunter entweder die strafrechtliche oder die zivilrechtliche Verantwortlichkeit zu verstehen ist (siehe auch Artikel 7 zu den Sanktionen).

Darüber hinaus legt Absatz 2 fest, dass eine juristische Person auch dann verantwortlich gemacht werden kann, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle seitens einer dafür zuständigen Person die Begehung einer Straftat zugunsten der juristischen Person ermöglicht hat. Absatz 3 besagt, dass rechtliche Schritte gegen eine juristische Person nicht die gleichzeitige strafrechtliche Verfolgung einer natürlichen Person ausschließen.

Was den Straftatbestand der Kinderpornographie mittels eines EDV-Systems betrifft, ist Artikel 6 im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit der Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft von Bedeutung. Artikel 6 berührt nicht die Bestimmungen der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") [9], die die Verantwortlichkeit von Vermittlern betreffen. In den Artikeln 12 bis 14 der Richtlinie sind die Bedingungen festgelegt, unter denen Vermittler für die reine Durchleitung, das Caching und das Hosting nicht verantwortlich zu machen sind. Artikel 15 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten solchen Vermittlern keine allgemeine Verpflichtung auferlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

[9] ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1.

Dieser Rahmenbeschluss soll die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern sicherstellen, wenn zu deren Gunsten Straftaten im Bereich der Kinderpornographie begangen werden. Die Verantwortlichkeit ist auch gegeben, wenn mangelnde Überwachung die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie durch eine dem Diensteanbieter unterstellte Person ermöglicht hat und die Straftaten zugunsten des Diensteanbieters begangen wurden.

Artikel 7 (Sanktionen gegen juristische Personen)

Artikel 7 regelt die gegen juristische Personen zu verhängenden Sanktionen. Er sieht wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vor, die als Mindestanforderung in Form von strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Geldsanktionen zu verhängen sind. Außerdem werden weitere Sanktionen aufgeführt, die üblicherweise für juristische Personen in Betracht kommen.

Artikel 8 (Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung)

Aufgrund des internationalen Charakters der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie setzt ein wirksames rechtliches Vorgehen Verfahrensregeln für die Gerichtsbarkeit und die Auslieferung voraus, die so eindeutig und weitreichend sind, wie die einzelstaatlichen Rechtsordnungen es zulassen, damit sich Täter nicht der Strafverfolgung entziehen können.

Absatz 1 enthält eine Reihe von Kriterien zur Begründung der Gerichtsbarkeit der einzelstaatlichen Strafverfolgungs- und Justizbehörden für die Verfolgung der im Rahmenbeschluss genannten Straftaten. Ein Mitgliedstaat begründet seine Gerichtsbarkeit, wenn eine der drei folgenden Situationen vorliegt:

(a) wenn die Straftat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, wobei der Status bzw. die Staatsangehörigkeit der beteiligten Person keine Rolle spielt (Territorialitätsprinzip) oder

(b) wenn es sich bei dem Täter um einen seiner Staatsangehörigen handelt (Täterprinzip). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit besagt, dass die Gerichtsbarkeit unabhängig vom lex locus delicti - also unabhängig vom Tatort - begründet werden kann. Die Verfolgung im Ausland begangener Straftaten liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten. Dies ist besonders für jene Mitgliedstaaten von Bedeutung, die eigene Staatsangehörige nicht ausliefern, oder

(c) wenn die Straftat zugunsten einer im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats niedergelassenen juristischen Person begangen wurde.

Da aber das Prinzip der extraterritorialen Gerichtsbarkeit aufgrund der Rechtstradition nicht in allen Mitgliedstaaten für alle Arten von Straftaten anerkannt wird, können die Mitgliedstaaten nach Maßgabe von Absatz 1 ihre Gerichtsbarkeit auf die erste der drei genannten Situationen beschränken. Tun sie das nicht, haben sie noch die Möglichkeit, die Anwendung der Bestimmungen in Absatz 1 Buchstaben b und c auf Fälle zu beschränken, in denen die Straftat außerhalb des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats begangen wurde.

Durch Absatz 3 soll unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten eigene Staatsangehörige nicht ausliefern, gewährleistet werden, dass sich Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Kindern oder der Kinderpornographie begangen zu haben, bei Ablehnung eines Auslieferungsantrags aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht der Strafverfolgung entziehen können.

Ein Mitgliedstaat, der eigene Staatsangehörige nicht ausliefert, muss nach Absatz 3 die erforderlichen Maßnahmen treffen, um seine Gerichtsbarkeit für von diesen Personen außerhalb seines Hoheitsgebiets begangene Straftaten zu begründen und gegebenenfalls die Strafverfolgung einzuleiten. Gemäß Artikel 4 teilen die Mitgliedstaaten dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission mit, in welchen Fällen sie Absatz 2 anwenden.

Artikel 8 Absatz 5 soll sicherstellen, dass ein Mitgliedstaat für die Verfolgung von Straftaten zuständig ist, die dadurch begangen werden, dass von dem betreffenden Mitgliedstaat aus ein EDV-System in einem Drittland genutzt wird, zum Beispiel durch Speicherung oder Verfügbarmachung von Kinderpornographie auf einem/über einen Server, der sich in einem Drittland befindet.

Artikel 9 (Opfer)

Im Konzept der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie wird dem Schutz und der Unterstützung der Opfer besondere Bedeutung beigemessen. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass in den Vorschlag für diesen Rahmenbeschluss ein Artikel zu den Opfern aufgenommen werden sollte. Die soziale Betreuung der Opfer, die ihnen helfen soll, derartige Erlebnisse zu bewältigen, und sie in die Lage versetzen soll, wieder ein normales Leben zu führen, ist Teil des Gesamtkonzepts.

Artikel 10 (Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten)

Artikel 10 zielt auf die Nutzung der Rechtsinstrumente für die internationale justitielle Zusammenarbeit, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind und die auf diesen Rahmenbeschluss Anwendung finden. Beispielsweise sind in einer Reihe von bilateralen und multilateralen Verträgen sowie Übereinkommen der Europäischen Union Vereinbarungen zur Rechtshilfe und Auslieferung enthalten. Ein weiteres Ziel dieses Artikels ist die Erleichterung des Informationsaustauschs.

Laut Absatz 1 sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie einander ein Hoechstmaß an Amtshilfe zu gewähren. Für den Fall, dass es zu Überschneidungen hinsichtlich der Gerichtsbarkeit kommt, haben die Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 gegenseitige Konsultationen aufzunehmen, um ihr Handeln im Interesse einer wirksamen Strafverfolgung zu koordinieren. In diesem Absatz heißt es darüber hinaus, dass die bestehenden Kooperationsmechanismen wie die Verbindungsrichter/-staatsanwälte [10] und das Europäische Justitielle Netz [11] angemessen zu nutzen sind. Absatz 3 unterstreicht die Bedeutung der Benennung von Anlaufstellen für den Informationsaustausch. Er legt ausdrücklich fest, dass Europol und die laut Beschluss des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornographie [12] mitgeteilten Anlaufstellen angemessen einzubeziehen sind. Nach Absatz 4 sind Rat und Kommission darüber zu informieren, welche Anlaufstellen für den Informationsaustausch über die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie benannt wurden.

[10] ABl. L 105 vom 27.4.1996.

[11] ABl. L 191/4 vom 7.7.1998.

[12] ABl. L 138/1 vom 9.6.2000.

Artikel 11 (Umsetzung)

Artikel 11 betrifft die Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses und die Folgemaßnahmen. Er legt fest, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um diesem Rahmenbeschluss bis spätestens 31. Dezember 2002 nachzukommen. Außerdem sieht er vor, dass die Mitgliedstaaten dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission zu demselben Termin die Vorschriften übermitteln, mit denen ihre Verpflichtungen aus diesem Rahmenbeschluss in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Anhand eines auf der Grundlage dieser Informationen erstellten Berichts und eines schriftlichen Berichts der Kommission prüft der Rat bis spätestens 30. Juni 2004, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um diesem Rahmenbeschluss nachzukommen.

Artikel 12 (Inkrafttreten)

Artikel 12 besagt, dass dieser Rahmenbeschluss am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft tritt.

2001/0025 (CNS)

Vorschlag für einen RAHMENBESCHLUSS DES RATES zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 29, Artikel 31 Buchstabe e und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Der Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts [13], die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere, der Anzeiger [14] der Kommission und die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. April 2000 [15] enthalten oder fordern legislative Maßnahmen zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie, einschließlich der Festlegung gemeinsamer Definitionen, Tatbestandsmerkmale und Sanktionen.

[13] ABl. C 19 vom 23.1.1999.

[14] KOM (2000) 167 endg., Punkt 4.3 (Bekämpfung bestimmter Formen der Kriminalität).

[15] A5-0090/2000.

(2) Der Gemeinsamen Maßnahme vom 24. Februar 1997 betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern [16] und dem Beschluss des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet [17] müssen weitere legislative Maßnahmen folgen, die dazu beitragen, die Unterschiede in den Rechtskonzepten der Mitgliedstaaten abzubauen und die effiziente Zusammenarbeit der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie auszubauen.

[16] ABl. L 63 vom 4.3.1997.

[17] ABl. L 138/1 vom 9.6.2000.

(3) In seiner Entschließung vom 30. März 2000 [18] zu der Mitteilung der Kommission über die Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Sextourismus mit Kindesmissbrauch [19] bekräftigt das Europäische Parlament erneut, dass Sextourismus mit Kindesmissbrauch eine eng mit der sexuellen Ausbeutung und der Kinderpornographie verbundene Straftat darstellt, und fordert die Kommission auf, dem Rat den Vorschlag eines Rahmenbeschlusses zur Festlegung von Mindestbestimmungen im Hinblick auf diese Straftatbestände zu unterbreiten;

[18] A5-0052/2000

[19] KOM (99) 262

(4) Die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie stellen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte und das Grundrecht des Kindes auf eine harmonische Erziehung und Entwicklung dar.

(5) Die Kinderpornographie, eine besonders schwere Form der sexuellen Ausbeutung von Kindern, findet durch den Einsatz neuer Technologien und des Internet immer stärkere Verbreitung.

(6) Die bedeutende Arbeit, die von internationalen Organisationen geleistet wird, bedarf der Ergänzung durch die Europäische Union.

(7) Es ist erforderlich, den schweren Straftatbeständen der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie durch ein umfassendes Konzept zu begegnen, in dem die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundelemente des Strafrechts, darunter wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen, zusammen mit einer möglichst breiten justitiellen Zusammenarbeit einen festen Bestandteil bilden; entsprechend den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beschränkt sich der Rahmenbeschluss auf das zur Erreichung dieser Ziele auf europäischer Ebene erforderliche Mindestmaß.

(8) Die Straftaten müssen mit ausreichend schweren Sanktionen geahndet werden, damit die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie in den Anwendungsbereich bereits verabschiedeter Instrumente zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität wie der Gemeinsamen Maßnahme 98/699/JI [20] betreffend Geldwäsche, die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten sowie der Gemeinsamen Maßnahme 98/733/JI [21] betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung einbezogen werden können.

[20] ABl. L 333/1 vom 9.12.1998.

[21] ABl. L 351/1 vom 29.12.1998.

(9) Dieser Rahmenbeschluss berührt die Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft nicht;

(10) Dieser Rahmenbeschluss soll zur Bekämpfung und Verhütung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie beitragen, indem er die vom Rat verabschiedeten Instrumente ergänzt, so die Gemeinsame Maßnahme 96/700/JI [22] zur Aufstellung eines Förder- und Austauschprogramms für Personen, die für die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zuständig sind (STOP), die Gemeinsame Maßnahme 96/748/JI [23] zur Ausdehnung des der Europol-Drogenstelle erteilten Mandats, den Beschluss 293/2000/EG [24] des Rates und des Europäischen Parlaments zum Daphne-Programm über vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen, die Gemeinsame Maßnahme 98/428/JI [25] zur Einrichtung eines Europäischen Justitiellen Netzes, den Aktionsplan gegen illegale und schädigende Inhalte im Internet [26]; die Gemeinsame Maßnahme 96/277/JI [27] betreffend den Rahmen für den Austausch von Verbindungsrichtern/-staatsanwälten zur Verbesserung der justitiellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Gemeinsame Maßnahme 98/427/JI [28] über die Anwendung bewährter Methoden bei der Rechtshilfe in Strafsachen -

[22] ABl. L 322 vom 12.12.1996.

[23] ABl. L 342 vom 31.12.1996.

[24] ABl. L 34 vom 9.2.2000.

[25] ABl. L 191/4 vom 7.7.1998.

[26] ABl. L 33 vom 6.2.1999.

[27] ABl. L 105 vom 27.4.1996.

[28] ABl. L 191 vom 7.7.1998.

HAT FOLGENDEN RAHMENBESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnen:

(a) "Kind" jede Person unter achtzehn Jahren;

(b) "Kinderpornographie" pornographisches Material mit bildlichen Darstellungen von Kindern, die an eindeutig sexuellen Handlungen beteiligt sind;

(c) "EDV-System" eine Anlage oder eine Gruppe miteinander verbundener oder zusammenhängender Anlagen, von denen eine oder mehrere nach einem vorgegebenen Programm die automatische Verarbeitung von Daten vornehmen;

(d) "juristische Person" jedes Rechtssubjekt, das diesen Status nach dem jeweils geltenden innerstaatlichen Recht besitzt, mit Ausnahme von Staaten oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte und von öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen.

Artikel 2 Straftatbestand der sexuellen Ausbeutung von Kindern

Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende Handlungen unter Strafe gestellt werden:

(a) Nötigung, Verleitung, Ausbeutung, Gewinnerzielung oder sonstige die Kinderprostitution begünstigende Handlungen;

(b) Heranziehung eines Kindes zu sexuellen Handlungen, soweit:

(i) es dazu verleitet oder genötigt wird, Gewalt angewandt oder angedroht wird oder

(ii) das Kind als Gegenleistung dafür Geld, geldwerte Leistungen oder eine sonstige Vergütung erhält oder

(iii) der Missbrauch einer Machtstellung oder des Einflusses auf ein schutzbedürftiges Kind erfolgt.

Artikel 3 Straftatbestand der Kinderpornographie

1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen, unabhängig davon, ob sie unter Verwendung eine EDV-Systems begangen wurden, unter Strafe gestellt werden:

(a) Herstellung von Kinderpornographie oder

(b) Vertrieb, Verbreitung und Weitergabe von Kinderpornographie oder

(c) Anbieten oder sonstiges Zugänglichmachen von Kinderpornographie oder

(d) Erwerb und Besitz von Kinderpornographie.

2. Jeder Mitgliedstaat trifft außerdem die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass unbeschadet der ansonsten in diesem Rahmenbeschluss geltenden Definitionen die Handlungen gemäß Absatz 1 unter Strafe gestellt werden, wenn sie pornographisches Material folgender Art betreffen:

(a) bildliche Darstellung eines an eindeutig sexuellen Handlungen beteiligten Kindes, außer wenn die Person, die ein Kind darstellt, zum Zeitpunkt der Darstellung über achtzehn Jahre alt war.

Artikel 4 Anstiftung, Beihilfe und Versuch

1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Anstiftung oder Beihilfe zur Begehung einer Straftat nach den Artikeln 2 und 3 unter Strafe gestellt wird.

2. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Versuch der Begehung der Handlungen nach Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis c unter Strafe gestellt wird.

Artikel 5 Sanktionen und erschwerende Umstände

1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten nach Artikel 2, Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis c und Artikel 4 mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen einschließlich Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens vier Jahren und im Falle von Straftaten nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d von mindestens einem Jahr geahndet werden.

2. Unbeschadet zusätzlicher Definitionen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten nach Artikel 2 Buchstabe a und Artikel 4 mit Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens acht Jahren geahndet werden, wenn sie

- Kinder unter zehn Jahren betreffen oder

- besondere Rücksichtslosigkeit beinhalten oder

- mit beachtlichen Erträgen verbunden sind oder

- im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen wurden.

3. Unbeschadet zusätzlicher Definitionen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten nach Artikel 2 Buchstabe b und Artikel 4 mit Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens acht Jahren geahndet werden, wenn sie

- Kinder unter zehn Jahren betreffen oder

- besondere Rücksichtslosigkeit beinhalten.

4. Unbeschadet zusätzlicher Definitionen in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis c und Artikel 4 mit Freiheitsstrafen im Hoechstmaß von mindestens acht Jahren geahndet werden, wenn sie

- Darstellungen von Kindern unter zehn Jahren betreffen oder

- Darstellungen von Gewalt- oder Zwangsanwendung gegen Kinder betreffen oder

- mit beachtlichen Erträgen verbunden sind oder

- im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen wurden.

5. Jeder Mitgliedstaat prüft darüber hinaus, ob natürlichen Personen die Ausübung einer die Beaufsichtigung von Kindern einschließenden Tätigkeit vorübergehend oder dauerhaft untersagt werden soll, wenn sie einer Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4 für schuldig befunden wurden.

Artikel 6 Verantwortlichkeit juristischer Personen

1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person für eine Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4, die zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund

(a) der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person oder

(b) der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder

(c) einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person

innehat, verantwortlich gemacht werden kann.

2. Neben den in Absatz 1 bereits vorgesehenen Fällen trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person verantwortlich gemacht werden kann, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle seitens einer der in Absatz 1 genannten Personen die Begehung einer Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4 zugunsten der juristischen Person durch eine ihr unterstellte Person ermöglicht hat.

3. Die Verantwortlichkeit der juristischen Person nach den Absätzen 1 und 2 schließt die strafrechtliche Verfolgung natürlicher Personen als Täter, Anstifter oder Gehilfen bei einer Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4 nicht aus.

Artikel 7 Sanktionen gegen juristische Personen

Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass gegen eine im Sinne des Artikels 6 verantwortliche juristische Person wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen verhängt werden können, zu denen strafrechtliche oder nichtstrafrechtliche Geldsanktionen gehören und andere Sanktionen gehören können, beispielsweise:

(a) Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen oder

(b) vorübergehendes oder ständiges Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit oder

(c) richterliche Aufsicht oder

(d) richterlich angeordnete Auflösung oder

(e) vorübergehende oder endgültige Schließung von Einrichtungen, die zur Begehung der Straftat genutzt wurden.

Artikel 8 Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung

1. Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit in Bezug auf eine Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4 in den Fällen zu begründen, in denen

(a) die Straftat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde oder

(b) es sich bei dem Täter um einen seiner Staatsangehörigen handelt oder

(c) die Straftat zugunsten einer im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats niedergelassenen juristischen Person begangen wurde.

2. Ein Mitgliedstaat kann beschließen, dass er die Gerichtsbarkeitsbestimmungen in Absatz 1 Buchstaben b und c nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Umständen anwendet, sofern die Straftat außerhalb seines Hoheitsgebiets begangen wurde.

3. Ein Mitgliedstaat, der aufgrund seiner Rechtsvorschriften eigene Staatsangehörige nicht ausliefert, trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit in Bezug auf eine Straftat nach den Artikeln 2, 3 oder 4 zu begründen und gegebenenfalls die Strafverfolgung einzuleiten, sofern die Straftat von einem seiner Staatsangehörigen außerhalb seines Hoheitsgebiets begangen wurde.

4. Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission mit, in welchen Fällen sie Absatz 2 anwenden, wobei sie gegebenenfalls angeben, für welche bestimmten Fälle und Umstände dies gilt.

5. Unabhängig davon, ob sich das EDV-System selbst im Gebiet des Mitgliedstaats befindet, gilt für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bei einem Straftatbestand nach Artikel 3 der Straftatbestand als ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verwirklicht, in dem die Straftat mittels eines EDV-Systems verübt wurde, auf das der Zugriff aus seinem Hoheitsgebiet erfolgte.

Artikel 9 Opfer

Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass Opfer von Straftaten im Sinne dieses Rahmenbeschlusses einen angemessenen Rechtsschutz und eine entsprechende Stellung im Gerichtsverfahren erhalten. Insbesondere stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass den Opfern durch strafrechtliche Ermittlungen und Gerichtsverfahren kein zusätzlicher Schaden zugefügt wird.

Artikel 10 Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten

1. Im Einklang mit den geltenden Übereinkommen und multilateralen oder bilateralen Vereinbarungen bzw. Regelungen gewähren die Mitgliedstaaten einander bei Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Straftaten im Sinne dieses Rahmenbeschlusses ein Hoechstmaß an Amtshilfe.

2. Sind mehrere Mitgliedstaaten für Straftaten im Sinne dieses Rahmenbeschlusses zuständig, nehmen diese Staaten gegenseitige Konsultationen auf, um ihr Vorgehen im Interesse einer wirksamen Strafverfolgung zu koordinieren. Die bestehenden Kooperationsmechanismen wie die Verbindungsrichter/-staatsanwälte und das Europäische Justitielle Netz sind in angemessener Weise zu nutzen.

3. Zum Zwecke des Informationsaustauschs über Straftaten nach den Artikeln 2, 3 und 4 im Einklang mit den Datenschutzbestimmungen richten die Mitgliedstaaten operative Anlaufstellen ein oder nutzen bereits vorhandene Kooperationsmechanismen. Insbesondere sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Europol im Rahmen seines Mandats und die gemäß dem Beschluss des Rates zur Bekämpfung der Kinderpornographie mitgeteilten Anlaufstellen voll einbezogen werden.

4. Jeder Mitgliedstaat setzt das Generalsekretariat des Rates und die Kommission darüber in Kenntnis, welche Anlaufstelle für den Informationsaustausch über die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderpornographie benannt wurde. Das Generalsekretariat unterrichtet die übrigen Mitgliedstaaten über die benannten Anlaufstellen.

Artikel 11 Umsetzung

1. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis spätestens 31. Dezember 2002 nachzukommen.

2. Die Mitgliedstaaten übermitteln dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission zu demselben Termin den Wortlaut der Vorschriften, mit denen ihre Verpflichtungen aus diesem Rahmenbeschluss in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Der Rat prüft bis spätestens 30. Juni 2004 anhand eines auf der Grundlage dieser Informationen erstellten Berichts und eines schriftlichen Berichts der Kommission, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um diesem Rahmenbeschluss nachzukommen.

Artikel 12 Inkrafttreten

Dieser Rahmenbeschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Rates

Der Präsident

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