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Document E2009C0471

    Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 471/09/KOL vom 25. November 2009 zur 74. Änderung der der verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften für Staatliche Beihilfen durch die Einfügung einen neuen Kapitels über die Kriterien für die Bewertung der Vereinbarkeit einzeln anzumeldender Ausbildungsbeihilfen mit dem EWR-Abkommen

    ABl. L 231 vom 8.9.2011, p. 23–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2009/471(2)/oj

    8.9.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 231/23


    ENTSCHEIDUNG DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE

    Nr. 471/09/KOL

    vom 25. November 2009

    zur 74. Änderung der der verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften für Staatliche Beihilfen durch die Einfügung einen neuen Kapitels über die Kriterien für die Bewertung der Vereinbarkeit einzeln anzumeldender Ausbildungsbeihilfen mit dem EWR-Abkommen

    DIE EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE (1)

    GESTÜTZT AUF das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (2), insbesondere auf die Artikel 61 bis 63 und das Protokoll 26 zu diesem Abkommen,

    GESTÜTZT AUF das Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (3), insbesondere auf Artikel 24 und auf Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b dieses Abkommens.

    NACH Artikel 24 des Überwachungsbehörde- und Gerichtshofsabkommens setzt die EFTA-Überwachungsbehörde die Vorschriften des EWR-Abkommens über staatliche Beihilfen in Kraft.

    NACH Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b des Überwachungsbehörde- und Gerichtshofabkommens gibt die Überwachungsbehörde Mitteilungen und Leitlinien zu den im EWR-Abkommen geregelten Materien heraus, soweit letzteres Abkommen oder das Überwachungsbehörde- und Gerichtshofabkommen dies ausdrücklich vorsehen oder die Überwachungsbehörde dies für notwendig erachtet.

    DIE Überwachungsbehörde hat am 19. Januar 1994 verfahrens- und materiellrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erlassen (4).

    AM 11. August 2009 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend als die „Europäische Kommission“ bezeichnet) eine Mitteilung über die Kriterien für die Bewertung der Vereinbarkeit einzeln anzumeldender Ausbildungsbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt (5).

    DIESE Mitteilung ist auch von Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum.

    DIE EWR-Regeln für staatliche Beihilfen sind im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum einheitlich anzuwenden.

    GEMÄSS Ziffer II unter der Überschrift „ALLGEMEINES“ am Ende des Anhangs XV zum EWR-Abkommen erlässt die Überwachungsbehörde nach Konsultation mit der Europäischen Kommission Rechtsakte, die den von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakten entsprechen, um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

    DIE Europäische Kommission wurde konsultiert.

    DIE Überwachungsbehörde hat die EFTA-Staaten durch Schreiben vom 2. Oktober 2009 darüber konsultiert (Vorgangsnummern 532318, 532294 und 532322) —

    BESCHLIESST:

    Artikel 1

    Die Leitlinien für staatliche Beihilfen werden durch die Einfügung eines neuen Kapitels über die Kriterien für die Bewertung der Vereinbarkeit einzeln anzumeldender Ausbildungsbeihilfen mit dem EWR-Abkommen geändert. Das neue Kapitel ist im Anhang zu diesem Beschluss wiedergegeben.

    Artikel 2

    Nur der englische Text ist verbindlich.

    Brüssel, den 25. November 2009

    Für die EFTA-Überwachungsbehörde

    Per SANDERUD

    Präsident

    Kurt JÄGER

    Mitglied des Kollegiums


    (1)  Nachstehend als „die Überwachungsbehörde“ bezeichnet.

    (2)  Nachstehend als „das EWR-Abkommen“ bezeichnet.

    (3)  Nachstehend als „das Überwachungsbehörde- und Gerichtshofabkommen“ bezeichnet.

    (4)  Leitlinien für die Anwendung und Auslegung der Artikel 61 und 62 des EWR-Abkommens und des Artikels 1 des Protokolls 3 zum Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs, angenommen und bekannt gegeben von der EFTA-Überwachungsbehörde am 19. Januar 1994, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 231 vom 3.9.1994, S. 1 und EWR-Beilage Nr. 32 vom 3.9.1994, S. 1. Nachstehend als die „Leitlinien für staatliche Beihilfen“ bezeichnet. Die aktualisierte Fassung dieser Leitlinien kann auf der Website der Überwachungsbehörde eingesehen werden: http://www.eftasurv.int/state-aid/legal-framework/state-aid-guidelines/

    (5)  Veröffentlicht im ABl. C 188 vom 11.8.2009, S. 1.


    ANHANG

    KRITERIEN FÜR DIE BEWERTUNG DER VEREINBARKEIT EINZELN ANZUMELDENDER AUSBILDUNGSBEIHILFEN MIT DEM EWR-ABKOMMEN  (1)

    1.   Einleitung

    1.

    Ausbildungsmaßnahmen haben in der Regel positive externe Effekte für die gesamte Gesellschaft, weil sie das Fachkräfteangebot für die Unternehmen erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken und eine Wissensgesellschaft fördern, die innovativere Entwicklungswege beschreiten kann.

    2.

    In Anbetracht der Mobilität der Arbeitsnehmer besteht allerdings die Gefahr, dass Unternehmen nicht das für die Gesellschaft optimale Ausbildungsniveau bieten, weil andere Unternehmen durch die Einstellung bereits ausgebildeter Mitarbeiter von ihren Maßnahmen profitieren könnten. Dies gilt insbesondere für Ausbildungsmaßnahmen, die auf den Erwerb übertragbarer Fertigkeiten abzielen. Hier können staatliche Beihilfen ansetzen, die für die Arbeitgeber zusätzliche Anreize bieten, ein gesellschaftlich wünschenswertes Ausbildungsangebot bereitzustellen.

    3.

    Dieses Kapitel erläutert die Kriterien, die die EFTA-Überwachungsbehörde (nachstehend als die „Überwachungsbehörde“ bezeichnet) bei der beihilferechtlichen Würdigung anwenden wird. Diese Erläuterungen sollen die Erwägungen der Überwachungsbehörde transparent machen und für Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit sorgen. Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe g des in Anhang XV Nummer 1j des EWR-Abkommens aufgeführten Rechtsakts (Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (2), an das EWR-Abkommen angepasst durch Protokoll 1 (3) (nachstehend als die „Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung“ bezeichnet), werden diese Erläuterungen bei der Würdigung jeder Ausbildungsbeihilfe mit einem Subventionsäquivalent von mehr als 2 Mio. EUR je Maßnahme herangezogen, und zwar unabhängig davon, ob die Beihilfe ad hoc oder im Rahmen einer Beihilferegelung gewährt wird.

    4.

    Allerdings werden die in diesen Erläuterungen festgelegten Kriterien nicht schablonenhaft angewendet. Je höher das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung, desto detaillierter werden die vorzunehmende Würdigung und die der Überwachungsbehörde zu übermittelnden Angaben sein. Der Umfang der Untersuchung wird von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen.

    2.   Positive Auswirkungen der Beihilfe

    2.1.   Vorliegen von Marktversagen

    5.

    Fachkräfte tragen zu einer höheren Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei. Dennoch verzichten Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus verschiedenen Gründen auf Ausbildungsmaßnahmen: Arbeitnehmer beschränken ihre Investitionen in Ausbildungsmaßnahmen, weil sie kein Risiko eingehen möchten, es sich finanziell nicht leisten können oder künftigen Arbeitgebern ihre erworbenen Kenntnisse nur unzureichend darlegen können.

    6.

    Unternehmen wiederum verzichten eventuell darauf, das Ausbildungsniveau ihrer Beschäftigten auf ein soziales Optimum zu bringen. Die Gründe sind ein mit den positiven externen Effekten von Ausbildung verknüpftes Marktversagen und die Schwierigkeiten der Unternehmen, sich die Ausbildungsrenditen anzueignen, weil die Arbeitnehmer möglicherweise den Arbeitgeber wechseln. Unternehmen investieren weniger in Ausbildungsmaßnahmen, weil sie befürchten, dass die Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, bevor sich die Investition amortisiert hat. So sind Unternehmen meist nur dann bereit, ihren Beschäftigten ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten, wenn sich die Ausbildung binnen kurzem bezahlt macht, einen spezifischen Bedarf des betroffenen Unternehmens deckt oder der Beschäftigte vertraglich daran gehindert wird, das Unternehmen zu verlassen, bevor sich seine Ausbildungskosten amortisiert haben oder (teilweise) erstattet worden sind.

    7.

    Unterinvestitionen in Ausbildungsmaßnahmen können sogar in den Fällen auftreten, in denen das Unternehmen seine Investitionen in vollem Umfang amortisieren kann, der private Nutzen jedoch geringer ist als der soziale Nutzen der Gesellschaft. So führen Ausbildungsmaßnahmen insbesondere dann zu positiven externen Effekten, wenn sie übertragbare Fertigkeiten, also in mehreren Unternehmen anwendbare Fertigkeiten verbessern. Demgegenüber führen spezifische Ausbildungsmaßnahmen nur in einem bestimmten Unternehmen zu Produktivitätssteigerungen, die sich das betreffende Unternehmen zudem leicht aneignen kann (4). Bei spezifischen Ausbildungsmaßnahmen sind daher die positiven externen Effekte weniger ausgeprägt als bei allgemeinen Ausbildungsmaßnahmen.

    8.

    Höhere Kosten und unsichere Ertragsaussichten von Ausbildungsmaßnahmen für benachteiligte oder behinderte Arbeitnehmer (5) können dazu führen, dass die Unternehmen diesen Beschäftigten tendenziell weniger Ausbildungsmaßnahmen anbieten. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Ausbildungsmaßnahmen für benachteiligte oder behinderte Arbeitnehmer aus gesamtgesellschaftlicher Sicht in der Regel positive externe Effekte haben (6).

    9.

    Die EFTA-Staaten sollten ein Marktversagen nachweisen, das die Gewährung der Beihilfe rechtfertigt. Die Überwachungsbehörde prüft bei ihrer Würdigung unter anderem folgende Aspekte:

    1.

    die Art der Ausbildungsmaßnahmen — ob es sich um „spezifische“ oder „allgemeine“ Ausbildungsmaßnahmen im Sinne von Artikel 38 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung handelt; eine Ausbildungsmaßnahme kann sowohl allgemeine als auch spezifische Bestandteile enthalten. Allgemeine Ausbildungsmaßnahmen haben mehr positive externe Effekte.

    2.

    die Übertragbarkeit der durch die Ausbildungsmaßnahme erworbenen Fertigkeiten; je einfacher die Fertigkeiten übertragbar sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit positiver externer Effekte; übertragbare Fertigkeiten werden beispielsweise in folgenden Ausbildungsmaßnahmen erworben:

    a)

    Ausbildungsmaßnahmen, die von mehreren voneinander unabhängigen Unternehmen gemeinsam organisiert oder von Beschäftigten verschiedener Unternehmen in Anspruch genommen werden;

    b)

    Ausbildungsmaßnahmen, die zertifiziert sind, zu einem anerkannten Abschluss führen oder von öffentlichen Behörden oder Einrichtungen validiert sind;

    c)

    Ausbildungsmaßnahmen für Mitarbeiterkategorien, die im Unternehmen oder in der betreffenden Branche eine hohe Fluktuation aufweisen;

    d)

    Ausbildungsmaßnahmen, die für die Arbeitnehmer über ihre derzeitige Beschäftigung hinaus nützlich sind (künftige Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, gesellschaftliche Teilhabe, persönliche Weiterentwicklung usw.).

    3.

    den Teilnehmerkreis der Ausbildungsmaßnahmen: die Einbindung behinderter oder benachteiligter Arbeitnehmer in die Ausbildungsmaßnahme kann die positiven externen Effekte verstärken.

    2.2.   Staatliche Beihilfen als geeignetes Steuerungsinstrument

    10.

    Neben staatlichen Beihilfen verfügen die EFTA-Staaten noch über andere Instrumente zur Förderung von Ausbildungsmaßnahmen. Einen Großteil der Ausbildung erbringt das Bildungssystem (z. B. Universitäten, Schulen, staatlich organisierte oder geförderte Berufsausbildung). Zudem kann der einzelne Arbeitnehmer mit oder ohne Unterstützung durch seinen Arbeitgeber an Ausbildungsmaßnahmen teilnehmen.

    11.

    Wenn der EFTA-Staat politische Alternativen in Betracht gezogen und die Vorteile eines selektiven Instruments wie einer staatlichen Beihilfe für ein bestimmtes Unternehmen nachgewiesen hat, gelten die betreffenden Maßnahmen als geeignete Instrumente. Die Überwachungsbehörde wird insbesondere eine etwaige Folgenabschätzung berücksichtigen, die der EFTA-Staat für die angemeldete Beihilfemaßnahme unter Umständen durchgeführt hat.

    2.3.   Anreizeffekt und Notwendigkeit der Beihilfe

    12.

    Staatliche Ausbildungsbeihilfen müssen das Verhalten der Beihilfeempfänger dahingehend beeinflussen, dass mehr und/oder bessere Ausbildungsmaßnahmen durchführt werden als es ohne Beihilfe der Fall gewesen wäre. Können derartige Quantitäts- oder Qualitätssteigerungen für die geplanten Ausbildungsmaßnahmen nicht nachgewiesen werden, so hat die Beihilfe keinen Anreizeffekt.

    13.

    Der Anreizeffekt wird im Wege einer kontrafaktischen Analyse ermittelt, bei der der Umfang der geplanten Ausbildungsmaßnahmen mit und ohne Beihilfe verglichen wird. Die meisten Unternehmen erachten eine Ausbildung ihrer Beschäftigten für den reibungslosen Betrieb ihres Unternehmens als erforderlich. Somit kann nicht unterstellt werden, dass staatliche Ausbildungsbeihilfen grundsätzlich erforderlich sind, insbesondere nicht wenn es sich um spezifische Ausbildungsmaßnahmen handelt.

    14.

    Der EFTA-Staat sollte der Überwachungsbehörde gegenüber nachweisen, dass die Beihilfe einen Anreizeffekt hat und erforderlich ist. Erstens muss die Beihilfe vor Beginn der Ausbildungsmaßnahme beim betreffenden EFTA-Staat beantragt worden sein. Zweitens muss der EFTA-Staat mittels Vergleich mit der kontrafaktischen Situation nachweisen, dass die staatliche Beihilfe eine Zunahme der Intensität, der Qualität oder des Umfangs bzw. eine Erweiterung der intendierten Zielgruppe der Ausbildungsmaßnahme bewirkt. Die auf die Beihilfe zurückzuführende Ausweitung des Ausbildungsangebots kann anhand verschiedener Faktoren dargelegt werden, beispielsweise der höheren Anzahl von Ausbildungsstunden oder -kursen, der höheren Teilnehmerzahl, der Schwerpunktverlagerung von unternehmensspezifischer zu allgemeiner Ausbildung oder der häufigeren Einbeziehung benachteiligter oder behinderter Beschäftigter.

    15.

    Die Überwachungsbehörde wird in ihrer Untersuchung unter anderem Folgendes prüfen:

    a)

    die internen Unterlagen des Beihilfeempfängers zu Kosten, Budgets, Teilnehmern und Inhalten sowie zur Terminplanung der Ausbildungsmaßnahme für zwei unterschiedliche Szenarien (mit und ohne staatliche Beihilfe);

    b)

    die etwaige gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers, eine bestimmte Art von Ausbildungsmaßnahmen durchzuführen (z. B. Sicherheitstraining): Besteht diese gesetzliche Pflicht für den Arbeitgeber, so geht die Überwachungsbehörde in der Regel davon aus, dass kein Anreizeffekt vorliegt;

    c)

    die Glaubwürdigkeit der geplanten Ausbildungsmaßnahme: Hierzu werden beispielsweise Ausbildungsbudgets aus vergangenen Jahren als Vergleichsgrundlage herangezogen;

    d)

    den Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsprogramm und der Unternehmenstätigkeit des Beihilfeempfängers: Je enger dieser Zusammenhang, desto geringer ist vermutlich der Anreizeffekt. So wird zum Beispiel bei Ausbildungsmaßnahmen, die die Einführung einer neuen Technologie in einer bestimmten Branche betreffen, unterstellt, dass kein Anreizeffekt vorliegt, weil die Unternehmen zu dieser Art von Ausbildung faktisch gezwungen sind.

    2.4.   Verhältnismäßigkeit der Beihilfe

    16.

    Der EFTA-Staat muss darlegen, dass die Beihilfe erforderlich ist und der Beihilfebetrag auf das zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendige Minimum beschränkt bleibt.

    Die beihilfefähigen Kosten sind nach Artikel 39 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung zu ermitteln und auf jene Kosten zu beschränken, die durch die Ausbildungsmaßnahmen entstehen, die ohne Beihilfe nicht durchgeführt worden wären.

    Der EFTA-Staat sollte nachweisen, dass der Beihilfebetrag jenen Teil der beihilfefähigen Kosten nicht übersteigt, den sich das Unternehmen nicht aneignen kann (7). Keinesfalls dürfen die Beihilfeintensitäten die in Artikel 39 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung festgelegten Werte übersteigen, wobei diese Obergrenzen auf die beihilfefähigen Kosten anzuwenden sind (8).

    3.   Negative Auswirkungen der Beihilfe

    17.

    Ist die Beihilfe im Hinblick auf das intendierte Ziel verhältnismäßig, dürften die negativen Auswirkungen der Beihilfe begrenzt sein, so dass sich eine Untersuchung dieser Auswirkungen unter Umständen erübrigt (9). Zuweilen kann jedoch auch eine Beihilfe, die im Falle eines bestimmten Unternehmens für die Erweiterung des Ausbildungsangebots erforderlich und verhältnismäßig ist, eine Verhaltensänderung des Beihilfeempfängers zur Folge haben, die den Wettbewerb erheblich verfälscht. In diesen Fällen wird die Überwachungsbehörde die Wettbewerbsverzerrung eingehend prüfen. Das Ausmaß der durch die Beihilfemaßnahme bewirkten Wettbewerbsverzerrung variiert je nach Merkmalen der Beihilfe und der jeweils betroffenen Märkten (10).

    18.

    Die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Wettbewerbsverzerrung hängen von folgenden Merkmalen ab:

    a)

    Selektivität,

    b)

    Höhe der Beihilfe,

    c)

    wiederholte Gewährung und Dauer,

    d)

    Auswirkungen der Beihilfe auf die Kosten des Unternehmens.

    19.

    Eine Regelung zur Gewährung von Ausbildungsmaßnahmen, mit der Unternehmen eines EFTA-Staats allgemein angeregt werden, mehr Ausbildungsmaßnahmen vorzunehmen, dürfte beispielsweise eine andere Wirkung auf den Markt haben als eine umfangreiche Beihilfe, die einem einzelnen Unternehmen zur Förderung seiner Ausbildungsmaßnahmen gewährt wird. Im letztgenannten Fall ist die zu erwartende Wettbewerbsverzerrung sicherlich größer, weil die Wettbewerber des Beihilfeempfängers an Wettbewerbsfähigkeit verlieren (11). Die Wettbewerbsverzerrung ist sogar noch größer, wenn die Ausbildungskosten einen hohen Teil der Gesamtkosten des Beihilfeempfängers ausmachen.

    20.

    Bei der Untersuchung der Merkmale des betreffenden Marktes, die wesentlich genauere Aussagen über die wahrscheinliche Wirkung einer Beihilfe liefert, prüft die Überwachungsbehörde unter anderem folgende Aspekte:

    a)

    Struktur des Marktes und

    b)

    Merkmale des Wirtschaftszweigs bzw. der Branche.

    21.

    Die Struktur des Marktes wird anhand der Marktkonzentration, der Unternehmensgröße (12), des Ausmaßes der Produktdifferenzierung (13) sowie der Marktzugangs- und Marktaustrittsschranken ermittelt. Nachdem der relevante Markt definiert worden ist, werden die Marktanteile und der Konzentrationsgrad ermittelt. Je weniger Unternehmen auf dem Markt tätig sind, desto höher ist ihr Marktanteil und desto geringer ist der zu erwartende Wettbewerb (14). Weist der betreffende Markt eine hohe Konzentration sowie hohe Marktzutrittsschranken auf (15) und zählt der Beihilfeempfänger zudem noch zu den Marktführern, so werden die Wettbewerber des Beihilfeempfängers eher gezwungen sein, aufgrund der Beihilfe ihr Verhalten zu ändern.

    22.

    Bei der Untersuchung der Merkmale des Wirtschaftszweigs prüft die Überwachungsbehörde ferner, welche Bedeutung die Fachkräfte für die Unternehmenstätigkeit haben, ob Überkapazitäten vorhanden sind, ob es sich um wachsende, gesättigte oder schrumpfende Märkte handelt und welche Finanzierungsstrategien die Wettbewerber für ihre Ausbildungsmaßnahmen verfolgen (Finanzierung mittels staatlicher Beihilfen, durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber). So erhöht beispielsweise eine Ausbildungsbeihilfe, die in einem schrumpfenden Markt gewährt wird, möglicherweise das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung, weil sie einem unrentablen Unternehmen das Überleben ermöglicht.

    23.

    Ausbildungsbeihilfen können in Einzelfällen zu Wettbewerbsverzerrungen in Bezug auf Marktschranken, Auswirkungen auf Handelsströme und Verdrängung privater Ausbildungsinvestitionen führen:

    Marktschranken

    24.

    In einem wettbewerbsfähigen Markt veräußern die Unternehmen gewinnbringende Produkte. Staatliche Beihilfen wirken sich auf die Kosten und damit auch auf die Rentabilität aus und können daher die Entscheidung eines Unternehmens beeinflussen, ein Produkt anzubieten (oder nicht). Eine staatliche Beihilfe, die beispielsweise laufende Produktionskosten wie Ausbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten verringert, würden einen Markteintritt attraktiver machen und Unternehmen mit ansonsten eher bescheidenen Geschäftsausschichten in die Lage versetzen zulasten ihrer effizienteren Konkurrenten in einen Markt einzutreten oder neue Produkte einzuführen.

    25.

    Die Aussicht auf staatliche Beihilfe kann zudem ein Unternehmen dazu veranlassen, sich von einem Markt, auf dem es bereits tätig ist, zurückzuziehen. Staatliche Beihilfen für Ausbildungsmaßnahmen verringern unter Umständen die Verluste und ermöglichen dem betreffenden Unternehmen, sich länger auf dem Markt zu behaupten, was wiederum andere, effizienter wirtschaftende Unternehmen, die keine Beihilfen erhalten, zwingen könnte, sich vom Markt zurückzuziehen.

    Auswirkungen auf Handelsströme

    26.

    Staatliche Ausbildungsbeihilfen können dazu führen, dass die Produktionsbedingungen in einigen Gebieten günstiger sind als in anderen. Dies könnte dazu führen, dass Handelsströme zugunsten der Gebiete, in denen solche Beihilfen gewährt werden, umgeleitet werden.

    Verdrängung privater Ausbildungsinvestitionen

    27.

    Unternehmen investieren in die Ausbildung ihrer Beschäftigten, um ihre Marktposition zu sichern und höchstmögliche Renditen zu erwirtschaften. Die Höhe der Ausbildungsinvestitionen, die ein einzelnes Unternehmen bereitwillig vornimmt, hängt auch von den Investitionen seiner Wettbewerber in diesem Bereich ab. Unternehmen, die staatliche Förderung erhalten, könnten ihre eigenen Investitionen in die Ausbildung verringern. Wenn eine Beihilfe den Beihilfeempfänger jedoch zu höheren Investitionen in diesem Bereich veranlasst, so reagieren die Wettbewerber möglicherweise mit einer Kürzung ihrer eigenen Ausbildungsinvestitionen. Wenn der Beihilfeempfänger und seine Wettbewerber bei identischer Zielsetzung im Falle einer Beihilfe weniger investieren als ohne Beihilfe, so werden ihre privaten Investitionen in die Ausbildung ihrer Beschäftigten durch die staatliche Förderung verdrängt.

    4.   Abwägungsprüfung und Entscheidung

    28.

    Bei der Untersuchung wird abschließend von Fall zu Fall geprüft, in welchem Maße die positiven Auswirkungen der Beihilfe ihre negativen Effekte aufwiegen. Dazu würdigt die Überwachungsbehörde die positiven und negativen Auswirkungen und schätzt die Folgen für Hersteller und Verbraucher für jeden der betroffenen Märkte ab. Sind quantitative Angaben nicht ohne weiteres verfügbar, so stützt sich die Überwachungsbehörde zum Zwecke der Würdigung auf qualitative Angaben.

    29.

    Ist die Beihilfe im Einzelfall erforderlich, zielgerecht ausgestaltet und angemessen, damit das Unternehmen seine Ausbildungsmaßnahmen erweitert, und zieht die Gesellschaft aus den zusätzlich angebotenen Ausbildungsmaßnahmen größeren Nutzen als der Beihilfeempfänger, so wird die Überwachungsbehörde die Beihilfe voraussichtlich positiver betrachten und demzufolge eine stärkere Wettbewerbsverzerrung hinnehmen.


    (1)  Dieses Kapitel entspricht der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Kriterien für die Bewertung der Vereinbarkeit einzeln anzumeldender Ausbildungsbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt 2009/C 188/01 (ABl. C 188 vom 11.8.2009, S. 1).

    (2)  ABl. L 214 vom 9.8.2008, S. 3. Die in diesem Kapitel erläuterten Grundsätze gelten mutatis mutandis auch für Ad-hoc-Ausbildungsbeihilfen für große Unternehmen unter 2 Mio. EUR.

    (3)  Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 120/2008 vom 7.11.2008 (ABl. L 339 vom 18.12.2008, S. 111. und EWR-Beilage Nr. 39 vom 18.12.2008), am 8.11.2008 in Kraft getreten.

    (4)  Dennoch können sich Unternehmen die positiven Effekte allgemeiner Ausbildungsmaßnahmen durch Klauseln in den Arbeitsverträgen aneignen, die den ausgebildeten Arbeitnehmer verpflichten, nach der Ausbildung eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu bleiben.

    (5)  Die Begriffe „behinderte und benachteiligte Arbeitnehmer“ sind in Artikel 2 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung definiert.

    (6)  So misst die Gesellschaft beispielsweise Ausbildungsmaßnahmen für jüngere und gering qualifizierte Arbeitnehmer mehr Wert bei als ein Unternehmen, für das die scheinbar oder tatsächlich geringere Produktivität im Vordergrund steht.

    (7)  Dies entspricht dem Teil der zusätzlichen Kosten für die Ausbildungsmaßnahme, den das Unternehmen nicht unmittelbar durch die neu erworbenen Fertigkeiten seiner Mitarbeiter amortisieren kann.

    (8)  Vergleiche die aktuelle Rechtssprechung beispielsweise C 35/2007, Ausbildungsbeihilfe für Volvo Cars in Gent, Entscheidung 2008/948/EG der Kommission vom 23. Juli 2008 — über Maßnahmen Deutschlands zugunsten von DHL und Flughafen Leipzig/Halle (ABl. L 346 vom 23.12.2008, S. 1), Entscheidung 2007/761/EG der Kommission vom 4. April 2007 über die staatliche Beihilfe C 14/06, die Belgien dem Unternehmen General Motors Belgium in Antwerpen zu gewähren beabsichtigt (ABl. L 243 vom 18.9.2007, S. 71).

    (9)  Befände sich zudem der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht, könnten die Arbeitnehmer mit ihren durch die Ausbildungsmaßnahme verbesserten Fertigkeiten höhere Löhne und Gehälter erzielen und so die positiven Effekte der Ausbildungsmaßnahme wieder internalisieren.

    (10)  Eine Beihilfe kann mehrere Märkte beeinflussen, weil ihre Auswirkungen nicht auf die Märkte beschränkt sein muss, auf denen der Beihilfeempfänger tätig ist, sondern auch auf andere Märkte, beispielsweise Inputmärkte, übergreifen können.

    (11)  Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Ausbildungsbeihilfen für einen gesamten Wirtschaftszweig eines bestimmten EFTA-Staats möglicherweise den Handel zwischen Vertragsparteien verfälschen können.

    (12)  Die Unternehmensgröße kann in Form von Marktanteilen sowie Umsatz- und/oder Beschäftigtenzahlen gemessen werden.

    (13)  Je geringer die Produktdifferenzierung, desto stärker wirkt sich die Beihilfe auf die Erträge der Wettbewerber aus.

    (14)  Allerdings herrscht auf einigen Märkten ausreichender Wettbewerb, obwohl dort nur wenige Unternehmen tätig sind.

    (15)  Unter Umständen helfen Beihilfen dabei Marktzugangsschranken zu überwinden und ermöglichen damit neuen Unternehmen den Zugang zu einem Markt.


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