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Document 62023TN0348

Rechtssache T-348/23: Klage, eingereicht am 27. Juni 2023 — Zalando/Kommission

ABl. C 314 vom 4.9.2023, p. 9–11 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

4.9.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 314/9


Klage, eingereicht am 27. Juni 2023 — Zalando/Kommission

(Rechtssache T-348/23)

(2023/C 314/13)

Verfahrenssprache: Deutsch

Parteien

Klägerin: Zalando SE (Berlin, Deutschland) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Briske, K. Ewald, L. Schneider und J. Trouet)

Beklagte: Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerin beantragt:

der Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. April 2023, Aktenzeichen C(2023) 2727 final, wird für nichtig erklärt.

die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Klage wird auf folgende Gründe gestützt.

1.

Erster Klagegrund: Verkennung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2022/2065 (1) (Digital Services Act; im Folgenden „DSA“) und rechtsfehlerhafte Anwendung des DSA

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der DSA nicht auf sie anwendbar sei, da diese schon kein Vermittlungsdienst und folglich weder Hosting-Dienst noch Online-Plattform im Sinne vom DSA sei. Es fehle an der erforderlichen Bereitstellung von Drittinhalten. Die Klägerin stelle durch den Verkauf ihrer Artikel eigene Inhalte bereit und hat sich auch die Inhalte von ihren Partnern durch einen strengen Onboarding-Prozess vollständig zu eigen gemacht.

Selbst wenn ein Teil des Dienstes als Online-Plattform zu qualifizieren wäre, erreiche dieser nicht die Schwelle von monatlich 45 Millionen aktiven Nutzern. Die Beklagte missachte den hybriden Charakter des Dienstes: Es seien nicht alle Nutzer des Dienstes automatisch von Dritten bereitgestellten Inhalten ausgesetzt, sondern es bedürfe einer exakten Differenzierung.

Die Beklagte stütze sich auf fehlerhafte Kriterien, wie etwa die vermeintliche Nichterkennbarkeit des Anbieters. Sie verkenne, dass dies kein maßgebliches Merkmal sei, sondern unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Wertungen vielmehr umgekehrt die Annahme des Vorliegens eigener Inhalte stütze.

2.

Zweiter Klagegrund: Unbestimmtheit von Art. 33 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. Art. 24 Abs. 2 DSA

Die Vorgaben zur Berechnung des Schwellenwertes seien zu ungenau und verletzten den unionsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Art. 33 Abs. 1 DSA sei daher keine unionsrechtskonforme Rechtsgrundlage. Erwägungsgrund (77) DSA sei aufgrund seiner Rechtsnatur und seines lückenhaften Inhalts unzureichend für die Bestimmbarkeit der Berechnungsmethode, da zu viele wesentliche Fragen offengelassen würden. Es werde nur beschrieben, wer erfasst werden solle, aber nicht wie. Die Kriterien könnten ohne den Erlass eines delegierten Rechtsaktes letztlich nicht ausreichend bestimmt werden. Die Unzulänglichkeit werde durch einen Vergleich zur Verordnung (EU) 2022/1925 (2) (Digital Markets Act) deutlich: Dieser stelle partiell auf den gleichen Schwellenwert ab, führe die Berechnungskriterien jedoch weiter und sogar in einem eigenen Annex aus. Jedoch fehlten auch dort hinreichend konkrete kalkulatorische Vorgaben.

3.

Dritter Klagegrund: Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes

Die Unbestimmtheit der Berechnungsmethode verletze Art. 2 S. 1 EUV, Art. 20 EU-Grundrechte-Charta, da dies zu einer (faktischen) Ungleichbehandlung von Anbietern von Online-Plattformen führe. Die Anbieter füllten die Lücke, die insbesondere dadurch entstehe, dass das Tracking einzelner Nutzer verboten sei, mit uneinheitlichen und intransparenten Methoden aus. Gleichzeitig sehe der DSA keine zwingende Kontrolle aller Berechnungsmethoden vor, sondern lediglich ad-hoc-Überprüfungen. Dadurch entstehe kein faires level playing field für die konkurrierenden Diensteanbieter. Überdies verletze der DSA den Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch, dass ein pauschaler Schwellenwert für alle Online-Plattformen gelte, unabhängig von risiko-basierten Kriterien der jeweiligen Dienste.

4.

Vierter Klagegrund: Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Die Anwendung des DSA greife unverhältnismäßig in die Grundfreiheiten und -rechte der Klägerin ein und verletze somit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 EUV. Zum einen sei der pauschale Schwellenwert ungeeignet, zum anderen sei die Auferlegung weiterer Pflichten für die Klägerin nicht mehr erforderlich, da der Online-Handel bereits (über-)reguliert sei.

5.

Fünfter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Die Beklagte habe in ihrem Beschluss die Begründungspflicht des Art. 296 AEUV verletzt, so dass dieser für die Klägerin als Adressatin nicht nachvollziehbar sei. Es fehle jegliche Subsumtion unter die Definition des Hosting-Dienstes nach Art. 3 lit. g) iii) DSA, obwohl dies entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 33 DSA sei.


(1)  Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) (ABl. 2022, L 277, S. 1).

(2)  Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte) (ABl. 2022, L 265, S. 1).


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