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Document 62023CC0028

Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 11. April 2024.


ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:306

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

M. CAMPOS SÁNCHEZ‑BORDONA

vom 11. April 2024(1)

Rechtssache C28/23

NFŠ a.s.

gegen

Slovenská republika konajúca prostredníctvom Ministerstva školstva, vedy, výskumu a športu Slovenskej republiky,

Ministerstvo školstva, vedy, výskumu a športu Slovenskej republiky

(Vorabentscheidungsersuchen des Okresný súd Bratislava III [Bezirksgericht Bratislava III, Slowakei])

„Vorabentscheidungsverfahren – Richtlinie 2014/24/EU – Öffentliche Bauaufträge – Begriff – Öffentliche Bauaufträge, die in Gestalt anderer Vereinbarungen verschleiert sind – Einklagbare gegenseitige Verpflichtungen – Gemäß den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers errichtetes Gebäude – Bestimmender Einfluss – Bedeutung eines Beschlusses der Europäischen Kommission, mit dem die Vereinbarungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden – Richtlinie 89/665/EWG – Anwendbarkeit – Nichtigerklärung eines Vertrags – Rechtsfolgen der Nichtigerklärung“






1.        Im Jahr 2013 schloss die slowakische Regierung mit einem privaten Unternehmen(2) einen „Finanzhilfevertrag“ über den Bau des nationalen Fußballstadions (im Folgenden: Stadion) in Bratislava (Slowakische Republik).

2.        Im Jahr 2016 schlossen beide Parteien einen neuen Vertrag, der eine Klausel enthielt, die dem Unternehmen die einseitige Option einräumte, das Stadion zu bestimmten Bedingungen an den Staat zu verkaufen.

3.        Im Jahr 2016 meldete die Slowakei bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV die sich aus diesen Verträgen ergebenden Beihilfemaßnahmen aus öffentlichen Mitteln für den Bau des Stadions an. Die Kommission erklärte die Beihilfemaßnahmen am 24. Mai 2017 mit dem Beschluss State Aid SA.46530 – Slovakia National Football Stadium(3) für mit dem Binnenmarkt vereinbar.

4.        Im Jahr 2020 weigerten sich die slowakischen Behörden, die geschlossenen Verträge zu erfüllen, da sie von Anfang an gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verstoßen hätten. Der Rechtsstreit hat zu einer gewissen Anzahl an wechselseitigen Verfahren zwischen beiden Parteien geführt(4).

5.        Zu einem dieser Verfahren, das vom vorlegenden Gericht nicht genau bezeichnet wurde(5), ersucht es um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinien 2004/18/EG(6), 2014/24/EU(7) und 89/665/EWG(8). Insbesondere möchte es geklärt wissen, ob die oben beschriebenen Vereinbarungen einen öffentlichen Bauauftrag verschleiern (was erforderlich gemacht hätte, ihre Vergabe einer öffentlichen Ausschreibung zu unterwerfen), und, falls dies bejaht wird, möchte es wissen, ob ihre etwaige Nichtigkeit ex tunc wirke.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2014/24

6.        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) heißt es:

„(1)      Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

5.      ‚öffentliche Aufträge‘ zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern schriftlich geschlossene entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen;

6.      ‚öffentliche Bauaufträge‘ öffentliche Aufträge mit einem der folgenden Ziele:

a)      Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten;

b)      Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung eines Bauvorhabens;

c)      Erbringung einer Bauleistung durch Dritte – gleichgültig mit welchen Mitteln – gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber, der einen entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des Vorhabens hat, genannten Erfordernissen;

…“

2.      Richtlinie 89/665

7.        Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) bestimmt:

„(1)      …

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass … die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam … überprüft werden können.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

…“

8.        In Art. 2d („Unwirksamkeit“) heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten tragen in folgenden Fällen dafür Sorge, dass ein Vertrag durch eine von dem öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle für unwirksam erklärt wird oder dass sich seine Unwirksamkeit aus der Entscheidung einer solchen Stelle ergibt,

a)      falls der öffentliche Auftraggeber einen Auftrag oder eine Konzession ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies nach der Richtlinie 2014/24/EU beziehungsweise der Richtlinie 2014/23/EU zulässig ist,

…“

B.      Slowakisches Recht

1.      Zákon z 26. februára 1964 č. 40/1964 ZB. Občiansky zakonnik (Zivilgesetzbuch)(9)

9.        § 39 bestimmt:

„Ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt oder Zweck gegen das Gesetz verstößt oder das Gesetz umgeht oder mit den guten Sitten unvereinbar ist, ist nichtig.“

10.      § 40a bestimmt, dass das Rechtsgeschäft in bestimmten Fällen als gültig gilt, wenn derjenige, den das Rechtsgeschäft betrifft, sich nicht auf dessen Nichtigkeit beruft. Auf die Nichtigkeit kann sich derjenige nicht berufen, der sie selbst herbeigeführt hat.

2.      Zákon z 18. novembra 2015 č. 343/2015 Z. z. o verejnom obstarávaní a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz über öffentliche Aufträge)(10)

11.      § 3 Abs. 3 bestimmt:

„Ein Bauauftrag im Sinne dieses Gesetzes ist ein Vertrag mit einem der folgenden Ziele:

a)      entweder die Ausführung von Bauleistungen oder sowohl die Planung als auch die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der in Abschnitt 45 der gemeinsamen Terminologie für das öffentliche Auftragswesen aufgeführten Tätigkeiten;

b)      die Ausführung von Bauleistungen oder die Planung und Ausführung von Bauleistungen; oder

c)      die Ausführung von Bauleistungen, gleichgültig in welcher – durch den öffentlichen Auftraggeber oder den Auftraggeber festgelegten – Form, die die Art oder die Planung des Bauvorhabens entscheidend beeinflusst“.

3.      Zákon 300/2008 Z. z. z 2. júla 2008 o organizácii a podpore športu a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz über die Organisation und Förderung des Sports)(11)

12.      In § 13 wird eine Sportinfrastruktur von besonderer Bedeutung als eine für internationale Wettkämpfe und Sportveranstaltungen erforderliche Sportinfrastruktur definiert, die die Anforderungen internationaler Sportverbände erfüllt, insbesondere hinsichtlich ihrer Kapazität, Ausstattung, Größe, technischen Anforderungen an den Bau, einschließlich der Nutzung durch Personen mit eingeschränkter Mobilität und Orientierung und der Sicherheit von Sportlern und Zuschauern, sowie der Schulung der sportlichen Vertreter.

II.    Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

13.      In einem Beschluss vom 10. Mai 2006 fasste die slowakische Regierung den Bau des Stadions ins Auge. In den darauffolgenden Jahren wurden nach Angaben des vorlegenden Gerichts weitere Regierungsbeschlüsse bezüglich des Stadions erlassen, „die vorsahen, dass der Investor oder Unternehmer des Projekts im Wege einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählt werden sollte“(12).

14.      Am 10. Juli 2013 erließ die slowakische Regierung „ohne Eintragung in ein Dokument oder ein Register über die Vorverhandlungen, ohne Auswahlverfahren oder öffentliche Ausschreibung“(13) den Beschluss Nr. 400/2013, auf dessen Grundlage das Ministerstvo školstva, vedy, výskumu a športu Slovenskej republiky (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Sport der Slowakischen Republik; im Folgenden: Bildungsministerium) mit einem bestimmten Unternehmen (Národný futbalový štadión a.s.) ein Memorandum abschloss, das die Bedingungen für die Gewährung einer Finanzhilfe und den Bau des Stadions bestimmten sollte(14).

15.      Das Memorandum wurde am 11. Juli 2013 abgeschlossen(15).

16.      Am 15. August 2013 unterzeichneten das Bildungsministerium und die Národný futbalový štadión a.s. einen Vertrag über die Bedingungen für die Gewährung einer Finanzhilfe für den Bau des Stadions(16).

17.      Nach Punkt 6 Abs. 1 und 2 dieses Vertrags verpflichtete sich das Bildungsministerium dazu, eine Aufforderung zur Einreichung eines Antrags auf Gewährung einer Finanzhilfe für den Bau des Stadions zu veröffentlichen und mit dem ausgewählten Bewerber einen Finanzhilfevertrag zu schließen, der die Rechte, Obliegenheiten, Bedingungen und Pflichten beider Parteien regelt(17).

18.      Am 21. November 2013 unterzeichneten das Bildungsministerium und die Národný futbalový štadión a.s. den aus dem Staatshaushalt finanzierten Finanzhilfevertrag(18).

19.      In diesem Vertrag verpflichtete sich das Bildungsministerium, 27 200 000 Euro als Finanzhilfe für das Bauprojekt zu gewähren, und die Národný futbalový štadión a.s. verpflichtete sich zur Kofinanzierung des Stadions in Höhe von mindestens 60 % der angefallenen Baukosten.

20.      Am 10. Mai 2016 schloss das Bildungsministerium im Namen der Slowakischen Republik als zukünftigem Käufer mit der NFŠ als zukünftiger Verkäuferin einen neuen Vertrag(19) (im Folgenden: Verkaufszusage), der der NFŠ die Option einräumte, das Eigentum und den Betrieb des Stadions im Wege eines späteren Verkaufs auf die Slowakische Republik zu übertragen(20).

21.      Am selben Tag (10. Mai 2016) unterzeichneten das Bildungsministerium und die NFŠ einen Nachtrag zum Finanzhilfevertrag von 2013, mit dem ein Großteil von dessen Bestimmungen geändert wurde(21).

22.      Das Wirksamwerden der Verkaufszusage wurde von der Erfüllung von drei kumulativen Bedingungen abhängig gemacht:

–      der Veröffentlichung der Verkaufszusage im staatlichen zentralen Vertragsregister,

–      dem Erlass einer Entscheidung durch die Kommission über die Bewertung der in der Verkaufszusage und den Finanzhilfevereinbarungen vorgesehenen Transaktionen nach den Kriterien für die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt, und

–      der Stellungnahme des Úrad pre verejné obstarávanie Slovenskej republiky (Slowakische Regulierungsbehörde für öffentliches Beschaffungswesen) bezüglich der Vereinbarkeit des in der Verkaufszusage vorgesehenen Geschäfts mit den Vergabevorschriften.

23.      Zur zweiten und dritten Bedingung(22) wird in der Vorlageentscheidung Folgendes ausgeführt:

–      Mit dem Beschluss SA.46530 erklärte die Kommission die staatliche Beihilfe für mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vereinbar.

–      Die Regulierungsbehörde für öffentliches Beschaffungswesen „gab keine verbindliche Stellungnahme ab und führte auch keine Kontrolle bezüglich des in der Verkaufszusage vorgesehenen Geschäfts durch“(23). Die Vorsitzende übersandte lediglich eine unverbindliche Antwort in Form eines Schreibens vom 8. Juli 2016.

24.      Die vorstehenden Handlungen haben zu einer Reihe von anhängigen Rechtsstreitigkeiten geführt, darunter die unter Nr. 2 in Rn. 20 der Vorlageentscheidung genannte Rechtsstreitigkeit, aus der sich das Vorabentscheidungsersuchen zu ergeben scheint.

25.      Das vorlegende Gericht hält die Klärung der Frage für erforderlich, ob es sich bei den zwischen dem Bildungsministerium und einem auf nicht wettbewerblicher Grundlage ausgewählten Privatrechtssubjekt geschlossenen Finanzhilfe- und Verkaufszusageverträgen um einen „öffentlichen Bauauftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 oder Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 handelt, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:

–      Der Finanzhilfevertrag stellt eine von der Kommission genehmigte staatliche Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV dar.

–      Die in dem Finanzhilfevertrag enthaltenen Verpflichtungen umfassen die Verpflichtung des Staates, eine Finanzhilfe zu gewähren, sowie die Verpflichtung des Privatrechtssubjekts, gemäß den vom Bildungsministerium festgelegten Bedingungen ein Bauwerk zu errichten, sowie die Verpflichtung, die Nutzung eines Teils dieses Gebäudes durch eine Sportorganisation zu ermöglichen.

–      Die im Verkaufszusagevertrag enthaltenen Verpflichtungen beinhalten eine dem Privatrechtssubjekt eingeräumte einseitige Option, der die Verpflichtung des Staates zum Kauf des errichteten Bauwerks gegenübersteht.

–      Diese Verträge sind als ein zeitlich und sachlich zusammenhängender Rahmen gegenseitiger Verpflichtungen zwischen dem Bildungsministerium und dem Privatrechtssubjekt zu verstehen.

26.      Für den Fall, dass die Unionsvorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe anwendbar sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob nach Art. 2d Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 der Richtlinie 89/665 die Umgehung der Grundsätze über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge deren absolute Nichtigkeit ex tunc zur Folge haben kann.

27.      Vor diesem Hintergrund hat der Okresný súd Bratislava III (Bezirksgericht Bratislava III, Slowakei) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Stellen eine Finanzhilfevereinbarung und ein Kaufvorvertrag, die zwischen einem Ministerium und einem unter Umgehung der Wettbewerbsverfahren ausgewählten Privatrechtssubjekt geschlossen wurden, einen „öffentlichen Bauauftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 oder Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 dar, wenn die Finanzhilfevereinbarung eine von der Europäischen Kommission genehmigte staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV ist, der Inhalt der von der Finanzhilfevereinbarung umfassten Verpflichtungen in der Verpflichtung des Staates besteht, eine Finanzhilfe zu gewähren, sowie in der Verpflichtung des Privatrechtssubjekts, gemäß den von einem Ministerium festgelegten Bedingungen ein Bauwerk zu errichten und die Nutzung eines Teils dieses Bauwerks durch eine Sportorganisation zu ermöglichen, und die Verpflichtungen aus dem Vorvertrag eine dem Privatrechtssubjekt eingeräumte einseitige Option in Form einer Verpflichtung des Staates beinhalten, das errichtete Bauwerk zu kaufen, wobei diese Verträge einen zeitlich und sachlich zusammenhängenden Rahmen gegenseitiger Verpflichtungen zwischen dem Ministerium und dem Privatrechtssubjekt bilden?

2.      Stehen Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 oder Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt oder Zweck gegen das Gesetz verstößt oder das Gesetz umgeht oder mit den guten Sitten unvereinbar ist, absolut (d. h. von Anfang an/ex tunc) nichtig ist, wenn dieser Verstoß gegen das Gesetz in einem wesentlichen Verstoß gegen die Grundsätze über die Vergabe öffentlicher Aufträge besteht?

3.      Stehen Art. 2d Abs. 1 Buchst. a und Art. 2d Abs. 2 der Richtlinie 89/665 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Rechtsgeschäft, dessen Inhalt oder Zweck gegen das Gesetz verstößt oder das Gesetz umgeht oder mit den guten Sitten unvereinbar ist, absolut (d. h. von Anfang an/ex tunc) nichtig ist, wenn dieser Verstoß gegen das Gesetz in einem wesentlichen Verstoß (Umgehung) gegen die Grundsätze über die Vergabe öffentlicher Aufträge besteht, wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist?

4.      Ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 oder Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen, dass diese Vorschriften ex tunc der Annahme entgegenstehen, dass ein Kaufvorvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Rechtsfolgen entfaltet?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

28.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 24. Januar 2023 beim Gerichtshof eingegangen.

29.      Die NFŠ, das Bildungsministerium, die tschechische und die slowakische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle mit Ausnahme der tschechischen Regierung haben an der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2024 teilgenommen.

IV.    Würdigung

A.      Zulässigkeit

30.      Aus dem Inhalt der Vorlageentscheidung könnte sich herleiten lassen, dass die slowakische Regierung und die NFŠ (bzw. ihre Vorgängergesellschaft) eine Reihe von Vereinbarungen getroffen haben, die in ihrer Gesamtheit die Merkmale eines öffentlichen Auftrags aufweisen würden. Wenn ein solcher Auftrag vergeben wurde, ohne dass er anderen Bietern vorher öffentlich angeboten wurde, wäre er fehlerhaft und damit in seiner Gültigkeit beeinträchtigt(24).

31.      Die NFŠ teilt diese Auffassung nicht (die jedoch von den anderen Parteien und Beteiligten des Vorabentscheidungsverfahrens vertreten wird). Ihrer Ansicht nach fallen die streitigen Verträge a) nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien 2004/18 und 2014/24 und sind b) Teil einer vom slowakischen Staat für den Bau des Stadions rechtmäßig gewährten Beihilferegelung, wie die Kommission bei Prüfung der Beihilfen nach Art. 107 und 108 AEUV bestätigt habe.

32.      Grundsätzlich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorabentscheidungsersuchen der nationalen Gerichte(25). Damit sie zulässig sind, muss das vorlegende Gericht jedoch hinreichend die Gründe darlegen, die seiner Ansicht nach (und nicht nur nach Ansicht der Parteien des Rechtsstreits) die Erforderlichkeit und Entscheidungserheblichkeit der Vorlage bestimmen.

33.      In diesem Fall war – angesichts von dessen Komplexität – die Begründung des Gerichts von besonderer Bedeutung. Die Vorlageentscheidung beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Vorbringens der Parteien des Rechtsstreits, die auf die Zusammenfassung des Sachverhalts und die Wiedergabe der gegebenenfalls anwendbaren Vorschriften und die gegebenenfalls einschlägige Rechtsprechung folgt.

34.      In Kapitel V („Gründe für das Vorabentscheidungsersuchen und Zusammenhang zwischen den Vorschriften des Unionsrechts und dem auf das nationale Verfahren anzuwendenden Recht“) der Vorlageentscheidung legt das vorlegende Gericht die Standpunkte der Parteien dar und gibt nur in einer Randnummer (Rn. 64) seine augenscheinlichen Zweifel wieder, die später in der ersten Vorlagefrage ihren Niederschlag finden.

35.      Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass NFŠ die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung beanstandet hat, die Vorgaben von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs seien nicht eingehalten worden. Sie betont, dass „das Gericht keine eigene Bewertung vornimmt“ und lediglich „unkritisch die von einer Partei des Rechtsstreits vorgeschlagene Formulierung übernimmt und weitgehend kopiert“(26).

36.      NFŠ macht ferner geltend, dass die Vorlageentscheidung „unrichtige und irreführende“ Tatsachenwürdigungen enthalte. Entgegen dem Vorbringen des vorlegenden Gerichts macht sie geltend, dass der Finanzhilfevertrag sie zu keinem Zeitpunkt zum Bau des Stadions verpflichte und dass das Stadion auch nicht gemäß den vom Bildungsministerium festgelegten Bedingungen zu bauen sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Finanzhilfevertrag und der Verkaufszusagevertrag, die zeitlich und begrifflich voneinander getrennt seien, einen „einzigen Vertrag“ darstellten. Schließlich habe die Regulierungsbehörde für öffentliches Beschaffungswesen in zwei Fällen festgestellt, dass im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen die Vorschriften für öffentliche Auftragsvergabe vorgelegen habe(27).

37.      Die Einrede der Unzulässigkeit kann, auch wenn sie sich auf gewichtige Gründe stützt, keinen Erfolg haben, da dem Gerichtshof die Mindestangaben vorliegen, um dem vorlegenden Gericht zu antworten. Die in der Vorlageentscheidung enthaltenen unklaren Punkte werden jedoch zu klären sein, wovon abhängt, ob die Unionsvorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe anwendbar sind.

38.      Was die von NFŠ beanstandete Sachverhaltsdarstellung betrifft, so möchte ich nur an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs erinnern: „Da allein das vorlegende Gericht für die Feststellung und die Würdigung des Sachverhalts des ihm vorliegenden Rechtsstreits zuständig ist, hat der Gerichtshof seine Prüfung grundsätzlich auf die Beurteilungsfaktoren zu beschränken, die ihm das innerstaatliche Gericht vorgelegt hat, und sich somit an die Lage zu halten, die dieses Gericht als feststehend ansieht“(28).

B.      Anwendbare Richtlinie

39.      Das Vorabentscheidungsersuchen nimmt sowohl auf die Richtlinie 2004/18 als auch auf die Richtlinie 2014/24 Bezug, mit der die Richtlinie 2004/18 aufgehoben wird. Es ist daher zu prüfen, welche der beiden Richtlinien auf den Rechtsstreit anwendbar ist, wobei dies grundsätzlich diejenige ist, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber das Verfahren auswählt(29). Dieses Kriterium kann entsprechend auf Fälle übertragen werden, in denen es im eigentlichen Sinn kein förmliches Vergabeverfahren gegeben hat.

40.      Die beiden Verträge (über die Finanzhilfe und die Verkaufszusage) wurden am 10. Juli 2013 bzw. am 10. Mai 2016 unterzeichnet. Sie überschneiden sich somit mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2014/24, der in Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie auf den 18. April 2016 festgesetzt wird.

41.      Ich bin aus zwei Gründen geneigt, den Schwerpunkt auf die Richtlinie 2014/24 zu legen: erstens, um dem Ansatz einer Gesamtbetrachtung, von der das vorlegende Gericht ausgeht, Rechnung zu tragen, und zweitens, da die endgültigen Bedingungen des Finanzhilfevertrags am 10. Mai 2016, nachdem die Richtlinie in Kraft getreten war, festgelegt wurden.

42.      Letztlich ist dies indes eine Frage von geringer praktischer Bedeutung, weil die Definitionen von „öffentlicher Auftrag“ und „öffentliche Bauaufträge“ in beiden Richtlinien einander entsprechen.

C.      Erste Vorlagefrage

43.      Grundsätzlich ist es Sache der nationalen Gerichte und nicht des Gerichtshofs, die Bestimmungen der Verträge, um die es in den bei den nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten geht, auszulegen. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat der Gerichtshof der Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die ihm vom vorlegenden Gericht zur Verfügung gestellt wird.

44.      Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt jedoch alles andere als eindeutig. Das vorlegende Gericht

–      stellt fest, dass der Finanzhilfevertrag NFŠ zum Bau des Stadions verpflichte; es stellt aber nicht klar, welche – einklagbaren – Folgen eine Nichteinhaltung dieser Verpflichtung hätte. Mangels näherer Angaben könnte es sich z. B. lediglich um die Rückzahlung der Finanzhilfe handeln.

–      meint, dass das Stadion gemäß den vom Bildungsministerium auferlegten Bedingungen zu errichten sei, aber es gibt nicht an, inwieweit diese Bedingungen spezifiziert sind(30).

–      weist darauf hin, dass der Finanzhilfevertrag die unentgeltliche Überlassung der Nutzung des Stadions an eine Sportorganisation beinhalte. Diese Überlassung sei jedoch im Nachtrag von 2016 gestrichen worden(31).

–      hebt hervor, dass die Verkaufszusage NFŠ eine einseitige Option einräume, den Staat zu verpflichten, das Stadion von ihr zu kaufen. Es erläutert jedoch nicht, ob die Möglichkeit besteht, dass der Staat seinerseits NFŠ zur Übergabe des Stadions an ihn verpflichten kann, falls NFŠ die Option nicht ausübt.

–      versichert schließlich, dass das Vertragsgebilde einen Rahmen gegenseitiger Verpflichtungen bilde, die es jedoch nicht weiter (über diejenigen Verpflichtungen hinaus, die mit dem Erhalt einer Finanzhilfe einhergehen) konkretisiert.

45.      All diese Unklarheiten können sich auf den Ausgang des Rechtsstreits auswirken, auch wenn man davon ausgeht, dass es ein Vertragsgebilde zwischen NFŠ und der slowakischen Regierung gab.

46.      Um festzustellen, ob dieses Vertragsgebilde tatsächlich einen der Richtlinie 2014/24 unterliegenden öffentlichen Bauauftrag darstellt, ist u. a. zu prüfen, ob zwischen NFŠ und der slowakischen Regierung verbindliche gegenseitige Verpflichtungen(32) – die Ausdruck des entgeltlichen Charakters des Vertrags(33) und einklagbar sind – bestanden, ob die slowakische Regierung einen entscheidenden Einfluss auf die Ausarbeitung des Stadionprojekts hatte und ob die slowakische Regierung das Eigentum an dem Stadion oder die Verfügungsbefugnis über die errichteten Bauwerke erworben hat.

47.      Bei dieser Würdigung können die von der Kommission in ihrem Beschluss SA.46530 angestellten Überlegungen zum Inhalt der Finanzhilfe- und Verkaufszusageverträge nicht außer Acht gelassen werden, wonach der slowakische Staat durch diese Verträge eine mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe gewährt habe.

48.      Ich weise jedenfalls darauf hin, dass die bloße Gewährung einer staatlichen Finanzhilfe, die die Übertragung öffentlicher Mittel (im vorliegenden Fall für den Bau eines Stadions) beinhaltet, für sich genommen nicht dem Abschluss eines öffentlichen Bauauftrags gleichsteht. Wie es im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 heißt, „[sollen] [d]ie Vorschriften der Union für die öffentliche Auftragsvergabe … nicht alle Formen öffentlicher Ausgaben abdecken, sondern nur diejenigen, die für den Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen im Wege eines öffentlichen Auftrags getätigt werden“(34).

49.      Auf dieser Grundlage werde ich auf die wesentlichen Bestandteile eines öffentlichen Bauauftrags eingehen und prüfen, inwiefern sie im vorliegenden Rechtsstreit vorliegen.

1.      Wesentliche Bestandteile des öffentlichen Bauauftrags

50.      Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2014/24 bezeichnet „für die Zwecke dieser Richtlinie“ der Ausdruck „… ‚öffentliche Bauaufträge‘ öffentliche Aufträge mit einem der folgenden Ziele: a) Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten; b) Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung eines Bauvorhabens; c) Erbringung einer Bauleistung durch Dritte – gleichgültig mit welchen Mitteln – gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber, der einen entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des Vorhabens hat, genannten Erfordernissen“.

51.      Um als öffentlicher Bauauftrag eingestuft zu werden, muss es sich um einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag handeln, der zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern mit einem der vorstehenden Ziele geschlossen wird.

52.      Der Gerichtshof hat die Merkmale dieses Vertragstyps folgendermaßen umrissen:

–      „Bei einem öffentlichen Bauauftrag erhält der öffentliche Auftraggeber … eine Leistung, die in der Erbringung der von ihm gewünschten Bauleistungen besteht und an der er ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat(35).“

–      „Dieses wirtschaftliche Interesse ist eindeutig gegeben, wenn vorgesehen ist, dass der öffentliche Auftraggeber Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird, die bzw. das Gegenstand des Auftrags ist. … [Es] … lässt sich ebenfalls feststellen, wenn vorgesehen ist, dass der öffentliche Auftraggeber über einen Rechtstitel verfügen soll, der ihm die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf ihre öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt“(36).

–      „Das wirtschaftliche Interesse kann ferner in wirtschaftlichen Vorteilen, die der öffentliche Auftraggeber aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann, in seiner finanziellen Beteiligung an der Erstellung des Bauwerks oder in den Risiken, die er im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt, bestehen“(37).

–      Der öffentliche Bauauftrag „erfordert, dass der Auftragnehmer direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistungen, die Gegenstand des Auftrags sind, übernimmt und dass es sich um eine nach den im nationalen Recht geregelten Modalitäten einklagbare Verpflichtung handelt“(38).

53.      Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, hat es der Gerichtshof als „[ausschlaggebend]“ angesehen „dass dieses Bauwerk gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen errichtet wird, gleichgültig, welche Mittel hierfür eingesetzt werden“(39). Dies ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber „Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung festzulegen oder zumindest entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung zu nehmen“(40).

54.      Schließlich hat der Gerichtshof Kriterien dafür aufgestellt, wann der öffentliche Auftraggeber einen solchen entscheidenden Einfluss ausübt: Dies ist zu bejahen, „wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Einfluss auf die architektonische Struktur dieses Gebäudes wie seine Größe, seine Außenwände und seine tragenden Wände ausgeübt wird“(41). Dagegen „[können] die Spezifikationen kraft Gesetzes geltender technischer Normen … oder die Merkmale des Gebäudes[, die] dem marktüblichen ‚Stand der Technik‘ … entsprechen, nicht als Maßnahmen angesehen werden, die … getroffen wurden, um Einfluss auf die Gestaltung der … Immobilie zu nehmen …“(42).

2.      Würdigung dieser Gesichtspunkte im Ausgangsverfahren

55.      NFŠ macht geltend, dass die Merkmale eines öffentlichen Auftrags nicht gegeben seien, da a) keine einklagbare Verpflichtung (zu ihren Lasten) bestehe, das Stadion zu errichten, da b) die Finanzhilfe- und Verkaufszusageverträge nicht entgeltlich seien und der slowakische Staat aus ihnen keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen ziehe und da c) das Bildungsministerium keine projektspezifischen technischen Anforderungen festgelegt habe.

56.      NFŠ macht ferner geltend, dass sie in materieller Hinsicht beim Bau des Stadions die Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen eingehalten habe, da sie die entsprechenden Bauleistungen in einer öffentlichen Ausschreibung erhalten habe(43). Die Verpflichtung, dass der aus staatlichen Mitteln finanzierte Bau des Stadions den Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge entsprechen müsse, lasse sich dem Finanzhilfevertrag und dem Beschluss SA.46530, Rn. 8, entnehmen.

57.      Ich räume ein, dass die Lektüre der Vorlageentscheidung und der nachfolgende Verlauf des Vorabentscheidungsverfahrens es mir nicht ermöglichen, mich kategorisch über die Art des streitigen „Vertragsgebildes“ zu äußern.

58.      Erstens wird nicht deutlich, worin die Leistung besteht, die der slowakische Staat von NFŠ im Rahmen der Finanzhilfe- und Verkaufszusageverträge verlangen kann, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

59.      Weder aus den schriftlichen Erklärungen noch aus den mündlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass NFŠ vom slowakischen Staat verklagt werden könnte, um sie gerichtlich zu verpflichten, das Stadion zu bauen, falls sie sich letztlich dazu entschlösse, dies nicht zu tun. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob NFŠ in diesem Fall die Finanzhilfe nicht erhalten hätte, sie verloren hätte oder zur Rückzahlung verpflichtet gewesen wäre. Dies hat jedoch an sich nichts mit der Erfüllung eines Bauauftrags zu tun.

60.      Wie ich bereits dargelegt habe, ist es für das Vorliegen eines echten Bauauftrags unerlässlich, dass der Auftragnehmer gerade die Verpflichtung übernimmt, die Bauleistungen auszuführen, auf die sich der Erwerb bezieht, und dass es sich dabei um eine einklagbare Verpflichtung handelt. Der öffentliche Auftraggeber (hier das Bildungsministerium) muss die Immobilie erwerben, an der die Bauarbeiten ausgeführt werden, und gegebenenfalls den Auftragnehmer im Rechtsweg zur Übergabe auffordern, wenn er über einen Rechtstitel verfügt, der ihm die Verfügbarkeit der Bauwerke im Hinblick auf ihre öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt.

61.      Zweitens bestehen auch Unklarheiten hinsichtlich des Erwerbs des Stadions. Eine solche Verpflichtung ergäbe sich allerdings nicht aus dem Finanzhilfevertrag, sondern gegebenenfalls aus dem Kaufvertrag. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob NFŠ nach dem Bau der Sportinfrastruktur einer einklagbaren Verpflichtung unterlag – die der slowakische Staat geltend machen könnte –, die Sportinfrastruktur an den slowakischen Staat zu übertragen.

62.      Alles deutet darauf hin, und dies wurde in der mündlichen Verhandlung betont(44), dass NFŠ durch den Kaufvertrag die Option eingeräumt wurde, entweder Eigentümerin des Stadions zu bleiben und dessen Betrieb fortzuführen (oder den Betrieb an Dritte zu übertragen) oder es an den slowakischen Staat zu übertragen, wenn dies in ihrem Interesse lag.

63.      Tatsächlich unterstreicht die Kommission in ihrem Beschluss SA.46530 die NFŠ eingeräumte Option, die Sportinfrastruktur an den slowakischen Staat zu veräußern (ohne dazu verpflichtet zu sein), wenn sie dies wünscht. Nur in einem solchen Fall würde der Staat Eigentümer des Stadions werden(45).

64.      Drittens ist auch nicht sicher, ob der slowakischen Staat aus den beiden in Rede stehenden Verträgen einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen zog, nachdem die Verpflichtung zur unentgeltlichen Überlassung des Stadions an den slowakischen Fußballverband aus dem Finanzhilfevertrag gestrichen worden ist(46). Das Interesse des Staates (und der daraus resultierende mittelbare Nutzen) scheint sich auf die allgemeine Förderung des nationalen Sports zu beschränken(47).

65.      Viertens ist es mindestens zweifelhaft, ob das Bildungsministerium durch die fraglichen Verträge einen entscheidenden Einfluss auf das Bauvorhaben ausgeübt hat. Vorbehaltlich einer Überprüfung, die wiederum dem vorlegenden Gericht obliegt, wurden offenbar nur die Kriterien festgelegt, die dem UEFA‑Reglement für den Bau eines Stadions der Kategorie 4 und den allgemeinen slowakischen Vorschriften für Sportinfrastruktur entsprechen.

66.      Eine Analyse der UEFA‑Kriterien(48) zeigt, dass diese aus einer Reihe von verbindlichen Parametern für die infrastrukturellen Mindestkriterien bestehen, die ein Stadion erfüllen muss, um als Stadion einer bestimmten Kategorie klassifiziert zu werden(49). Diese Kriterien lassen jedoch eine Vielzahl architektonischer Lösungen zu, die innerhalb eines sehr weiten fachlichen Kreativitätsspielraums entwickelt werden können.

67.      Die Gestaltung von Fußballstadien, die den UEFA‑Kriterien entsprechen, lässt sowohl bei der äußeren Gestaltung als auch bei der Gestaltung der Innenräume erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten zu. Diese enthalten daher meines Erachtens nicht die detaillierten technischen Lösungen, die ein wirklicher Bauherr dem Auftragnehmer vorschreiben kann.

68.      Das Bildungsministerium berief sich vor dem vorlegenden Gericht(50) auch auf eine slowakische Norm über Sportinfrastruktur(51). Da diese Norm jedoch Anforderungen allgemeiner Art bestimmt, legt sie gerade keine Spezifikationen für ein bestimmtes Stadion fest.

69.      Die bloße Anwesenheit des Bildungsministeriums in einem Monitoringausschuss(52) bedeutet nicht notwendigerweise, dass es entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung und Durchführung des Projekts hatte. In den schriftlichen Erklärungen des Bildungsministeriums wird dieser Umstand nicht mehr erwähnt, und es wird auf das UEFA‑Reglement als Faktor verwiesen, der den Einfluss der Regierung auf das Projekt zum Ausdruck bringt(53).

70.      Insgesamt bin ich der Ansicht, dass zahlreiche Vorbehalte gegen die Einstufung des streitigen „Vertragsgebildes“ als echten öffentlichen Bauauftrag im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2014/24 sprechen. Diese oder die gegenteilige Einstufung wird von der abschließenden Würdigung bestimmter Gesichtspunkte durch das vorlegende Gericht abhängen, die es selbst nicht mit hinreichender Deutlichkeit dargelegt hat.

3.      Bedeutung des Beschlusses SA.46530

71.      Die Kommission spielt eine zentrale Rolle im Kontrollsystem für staatliche Beihilfen, das durch die Art. 107 AEUV und 108 AEUV geschaffen wurde, die unter Titel VII Kapitel I („Wettbewerbsregeln“) des AEUV fallen.

72.      Im vorliegenden Fall prüfte die Kommission, wie ich bereits erläutert habe, die Finanzhilfe- und Verkaufszusageverträge. Mit dem Beschluss SA.46530 prüfte sie die in diesen enthaltene staatliche Beihilfe(54) und erklärte diese für mit dem Binnenmarkt vereinbar.

73.      Die Kommission macht vor dem Gerichtshof geltend, dass sie im Beschluss SA.46530 nicht geprüft habe, ob die Vorschriften über die öffentlichen Vergabeverfahren eingehalten worden seien(55). Dieses Vorbringen ist jedoch im Licht der als zwingend formulierten Bestimmungen von Rn. 8 des genannten Beschlusses(56) zu relativieren, die die Kommission in der mündlichen Verhandlung selbst als wesentliche Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt bezeichnet hat.

74.      Aus Rn. 8 des genannten Beschlusses geht hervor, dass es für die Kommission darauf ankam, dass der Bau des Stadions (worin tatsächlich das Charakteristikum eines Bauauftrags liegt, unabhängig davon, ob er öffentlicher oder privater Natur ist) Gegenstand eines Wettbewerbsverfahrens war und dass dabei die für öffentliche Aufträge geltenden Vorschriften eingehalten werden.

75.      Es trifft zu, dass NFŠ als private Einrichtung nicht unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2014/24 fällt. Wenn diese Einrichtung jedoch vom Staat (der ihr zu diesem Zweck öffentliche Mittel zur Verfügung stellt) verpflichtet wird, die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhalten, und diese Bedingung auch im Beschluss SA.46530 aufgestellt wird, bin ich der Ansicht, dass in materieller Hinsicht und für den Bau des Stadions die in der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe anwendbar werden und NFŠ in eine Lage versetzt wurde, die der eines öffentlichen Auftraggebers entspricht.

76.      Das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zielt darauf ab, „dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird“(57). Dies kommt in Art. 18 der Richtlinie 2014/24 zum Ausdruck, der verbietet, „den Wettbewerb künstlich einzuschränken“. Eine unangemessene Einschränkung läge vor, wenn das Vergabeverfahren „mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen“.

77.      Die Kommission kann aktiv zum Schutz des Wettbewerbs eingreifen, wenn die öffentliche Auftragsvergabe nicht mit den Vorschriften übereinstimmt, die zum Schutz dieses Ziels u. a. in der Richtlinie 2014/24 enthalten sind(58). Ich sehe keinen Grund, warum sie dies nicht tun sollte, wenn sie prüft, ob staatliche Beihilfen Bestand haben können, die sich aus Verträgen zwischen öffentlichen Verwaltungen und privaten Einrichtungen ergeben.

78.      Insbesondere bin ich der Ansicht, dass die Kommission es nicht unterlassen konnte, zu prüfen, ob sich hinter der Form, in der die staatliche Beihilfe für NFŠ ausgestaltet war, ein öffentlicher Auftrag verberge, der hätte ausgeschrieben werden müssen. Meines Erachtens hat sie dies implizit getan, was durch Rn. 8 ihres Beschlusses SA.46530 verdeutlicht wird.

79.      Schließlich beruht der Beschluss SA.46530 auf dem Umstand, dass es keine Verpflichtung gab, das Eigentum am Stadion auf die Slowakische Republik zu übertragen(59). Dieses Postulat, auf das ich bereits Bezug genommen habe, kann vom vorlegenden Gericht nicht in Frage gestellt werden, das die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe entscheidenden Faktoren zu berücksichtigen hat.

80.      Der Beschluss SA.46530 der Kommission muss daher bei der Würdigung der Umstände des Rechtsstreits berücksichtigt werden.

4.      Zwischenergebnis

81.      Ein Finanzhilfevertrag und ein Verkaufszusagevertrag, die zwischen einer staatlichen Stelle und einem privaten Unternehmen geschlossen werden und in denen dem privaten Unternehmen öffentliche Mittel für den Bau einer Sportinfrastruktur gewährt werden sowie die einseitige Option eingeräumt wird, diese Sportinfrastruktur an den Staat zu verkaufen, können nicht als öffentliche Bauaufträge eingestuft werden, wenn sich aus ihnen keine einklagbare Verpflichtung zum Erwerb der Infrastruktur durch den Staat ergibt und dieser keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen zieht oder er keinen entscheidenden Einfluss auf die Planung des Vorhabens ausgeübt hat. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt sind.

D.      Zweite, dritte und vierte Vorlagefrage

82.      Bei diesen Fragen wird davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit einen öffentlichen Bauauftrag darstellen, der sich nach den Bestimmungen der Richtlinie 2014/24 zu richten hatte. Aus Gründen der Dialektik werden meine Überlegungen auf dieser Arbeitshypothese beruhen.

83.      Ausgehend von dieser Prämisse stellt das vorlegende Gericht fest, dass die nationalen Vorschriften die Extunc‑Nichtigkeit der fraglichen Verträge vorsehen, wenn durch sie in schwerwiegender Weise gegen die Grundsätze über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch den Versuch von deren Umgehung verstoßen wird. Es wird im Wesentlichen gefragt, ob diese nationalen Bestimmungen mit der Richtlinie 2014/24 (Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c) und der Richtlinie 89/665 (Art. 2d Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2) vereinbar sind.

84.      Es handelt sich meines Erachtens nicht um hypothetische Fragen, da die Entscheidung des Rechtsstreits in gewisser Weise von ihrer Beantwortung abhängen kann.

1.      Anwendbarkeit der Richtlinie 89/665

85.      Meines Erachtens ist die Richtlinie 89/665 auf diesen Fall nicht anwendbar, da sie Nachprüfungsverfahren gegen „Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber“ vorsieht. Diese Verfahren sind vorgesehen für „jede[n] …, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“.

86.      In Art. 2d der Richtlinie 89/665 wird die Unwirksamkeit (von Verträgen) geregelt, die durch eine von dem öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle erklärt werden kann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen Auftrag oder eine Konzession ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat (Abs. 1 Buchst. a), und für die Folgen der Unwirksamkeit wird auf das einzelstaatliche Recht verwiesen (Abs. 2).

87.      Folgt man der Argumentation der slowakischen Behörden, so hätten diese selbst (insbesondere das Bildungsministerium) gegen die Grundsätze über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen, da sie die fraglichen Verträge nicht ausgeschrieben haben.

88.      Die Richtlinie 89/665 zielt nicht darauf ab, öffentliche Auftraggeber vor Verstößen zu schützen, die sie selbst begangen haben, sondern soll es denjenigen, die durch deren Handlungen beeinträchtigt wurden, ermöglichen, diese anzufechten.

89.      Art. 2d der Richtlinie 89/665 setzt voraus, dass derjenige, der berechtigt ist, das Verhalten des öffentlichen Auftraggebers anzufechten, das entsprechende Nachprüfungsverfahren angestrengt hat. Wenn die Stelle, die die Nachprüfung durchführt, am Ende des Nachprüfungsverfahrens den Vertrag für unwirksam erklärt, kommen die Bestimmungen der verschiedenen Absätze des genannten Artikels zum Tragen. Die Richtlinie 89/665 sieht allerdings, wie bereits ausgeführt, nicht vor, dass sich der öffentliche Auftraggeber gegen seine eigenen Entscheidungen wendet.

90.      Anders verhält es sich, wenn das nationale Recht Möglichkeiten dafür vorsieht, dass eine öffentliche Behörde (oder eine Stelle, die Verwaltungshandeln kontrolliert) die Rechtmäßigkeit ihrer früheren Entscheidungen überprüfen kann(60). Diese Konstellation wird nicht durch die Richtlinie 89/665 geregelt, sondern durch die entsprechenden nationalen Vorschriften, nach denen zu beurteilen ist, inwiefern eine Ausnahme von der klassischen Regel venire contra factum propium nulli conceditur zulässig ist(61).

91.      Die Richtlinie 89/665 nimmt keine vollständige Harmonisierung vor und erfasst somit nicht „alle möglichen Rechtsbehelfe auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge“(62). Die Mitgliedstaaten verfügen über einen Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Rechtsbehelfen, um lautere Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten.

2.      Unwirksamkeit von öffentlichen Aufträgen, die ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben werden

92.      Die in der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Lösungen bezüglich der Unwirksamkeit öffentlicher Aufträge könnten auf Verfahren ausgedehnt werden, in denen mit anderen als den in dieser Richtlinie vorgesehenen Mitteln die Nichtigerklärung des ohne vorherige Veröffentlichung der Ausschreibung vergebenen Auftrags erreicht wird.

93.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Cross Zlín(63) habe ich mich mit dieser Frage befasst und dazu Argumente dargelegt, die, wenngleich die Richtlinie 89/665 in diesem Fall nicht direkt anwendbar ist, auf die Fragen des vorlegenden Gerichts übertragbar sein könnten. In diesen Schlussanträgen habe ich Folgendes festgestellt:

–      Grundsätzlich „[sollte] das Urteil, mit dem die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für nichtig erklärt wird, … zur Folge haben, dass der Vertrag keine Wirkungen entfalten darf. Die Nichtigerklärung der Vergabe sollte auf den Zeitpunkt zurückwirken (Wirkung ex tunc), in dem der Zuschlag erteilt wurde“(64).

–      „Von dieser allgemeinen Folge sind jedoch Ausnahmen zulässig; eine solche ist in der Richtlinie 89/665 (insbesondere für bereits geschlossene Verträge über öffentliche Aufträge) wegen der mit der Feststellung ihrer Unwirksamkeit verbundenen Nachteile vorgesehen. … Die Mitgliedstaaten können z. B. bei Nichteinhaltung formeller Anforderungen ‚den Grundsatz der Unwirksamkeit als ungeeignet betrachten. In diesen Fällen sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, alternative Sanktionen vorzusehen.‘“(65).

–      Ein Urteil, mit dem einer Nichtigkeitsklage stattgegeben wird, kann sich auf einen bereits geschlossenen Vertrag beziehen, ohne die sich aus seiner Nichtigkeit ergebenden Folgen voll auszuschöpfen, mit je nach Fall unterschiedlichen Lösungen(66).

94.      Folgendes ergibt sich aus Art. 2 Abs. 7, Art. 2d Abs. 1 bis 3 und Art. 2e Abs. 1 der Richtlinie 89/665(67):

–      Unter bestimmten Umständen kann im nationalen Recht vorgesehen werden, dass das Urteil, mit dem die Vergabe eines öffentlichen Auftrags für nichtig erklärt wird, a) entweder Rückwirkung entfaltet, so dass es (ex tunc) alle vertraglichen Verpflichtungen betrifft, b) oder dass es nicht unbedingt zum Wegfall der Wirkungen dieses Vertrags führt.

–      Es bleibt jedoch bei der Unwirksamkeit solcher Verträge, wenn das nationale Gericht eines Mitgliedstaats (der dies in seinen Rechtsvorschriften vorgesehen hat) ein Urteil erlässt, in dem es die Vergabe für nichtig erklärt, und Extunc‑Wirkungen an die Urteilsverkündung geknüpft werden.

95.      Folglich ist es unbedenklich, wenn nationales Recht vorsieht, dass ein Urteil Extunc‑Wirkungen zeitigt, mit dem die Unwirksamkeit eines Bauauftrags festgestellt wird, der ohne vorherige Ausschreibung vergeben wurde, wenn eine solche zwingend zu erfolgen hatte, da der Vertrag den Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen unterlag.

V.      Ergebnis

96.      Nach alledem schlage ich vor, dem Okresný súd Bratislava III (Bezirksgericht Bratislava III, Slowakei) wie folgt zu antworten:

Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG

ist dahin gehend auszulegen, dass

ein Finanzhilfevertrag und ein Verkaufszusagevertrag, die zwischen einer staatlichen Stelle und einem privaten Unternehmen geschlossen werden und in denen dem privaten Unternehmen öffentliche Mittel für den Bau einer Sportinfrastruktur gewährt werden sowie die einseitige Option eingeräumt wird, diese Sportinfrastruktur an den Staat zu verkaufen, nicht als öffentliche Bauaufträge eingestuft werden können, wenn sich aus ihnen keine einklagbare Verpflichtung zum Erwerb der Infrastruktur durch den Staat ergibt und dieser keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen zieht oder er keinen entscheidenden Einfluss auf die Planung des Vorhabens ausgeübt hat. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob diese Umstände im vorliegenden Fall gegeben sind.

Die Mitgliedstaaten sind nicht daran gehindert, gesetzlich vorzusehen, dass ein Urteil Extunc‑Wirkungen zeitigt, mit dem die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Ausschreibung vergebenen Bauauftrags festgestellt wird, wenn eine solche zwingend zu erfolgen hatte, da der Vertrag den Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen unterlag.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Národný futbalový štadión a. s., deren Nachfolgerin seit dem 31. Dezember 2015 die NFŠ, a.s. (im Folgenden „NFŠ“) ist.


3      Im Folgenden: Beschluss SA.46530.


4      Nach der Vorlageentscheidung (Rn. 20) „[sind] derzeit folgende Gerichtsverfahren … anhängig: 1. das Bildungsministerium und die Slowakische Republik verklagen die Gesellschaft NFŠ auf Rückerstattung der gesamten Finanzhilfe in Höhe von 27 200 000 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten wegen absoluter Nichtigkeit der Finanzhilfevereinbarung infolge ihrer Gesetzwidrigkeit; 2. die Gesellschaft NFŠ verklagt das Bildungsministerium und die Slowakische Republik auf Bestimmung des Inhalts einer nicht durchsetzbaren Bestimmung des Vorvertrags, in der das Verfahren zur Berechnung des Kaufpreises des Stadions festgelegt ist; 3. die Gesellschaft NFŠ verklagt die Slowakische Republik und das Bildungsministerium auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 48 000 000 Euro wegen Nichtabschlusses des Hauptkaufvertrags über das Stadion zu den im Vorvertrag festgelegten Bedingungen; 4. die Gesellschaft NFŠ verklagt die Slowakische Republik und das Bildungsministerium auf Ersatz des im Zusammenhang mit dem Stadionprojekt entstandenen Schadens in Höhe von 47 349 262,73 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten.“


5      Wie die Parteien des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, handelt es sich um den in Rn. 20 der Vorlageentscheidung unter Nr. 2 genannten Fall, der die Berechnung des Kaufpreises betrifft.


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).


7      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).


8      Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) geänderten Fassung.


9      Zákon č. 40/1964 Zb., Občiansky zákonník, z 26. februára 1964 (Gesetz Nr. 40/1964 vom 26. Februar 1964 über das Zivilgesetzbuch).


10      Zákon z 18. novembra 2015 č. 343/2015 Z. z. o verejnom obstarávaní a o zmene a doplnení niektorých zákonov (Gesetz Nr. 343/2015 vom 18. November 2015 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Änderung und Ergänzung bestimmter Gesetze).


11      Zákon č. 300/2008 Z. z. o organizácii a podpore športu a o zmene a doplnení niektorých zákonov z 2. júla 2008 (Gesetz Nr. 300/2008 vom 2. Juli 2008 über die Organisation und Förderung des Sports).


12      Rn. 6 der Vorlageentscheidung. Der Staat hatte ein Interesse am Bau eines Stadions, das die Kriterien der Normen der UEFA (Akronym für die englische Bezeichnung der Union of European Football Associations) erfüllt. Nach diesen Normen handelt es sich um ein Stadion der Kategorie 4, das für die Organisation von Sportveranstaltungen und die Austragung von Spielen nationaler Fußballmannschaften aller Kategorien geeignet ist.


13      Rn. 7 der Vorlageentscheidung.


14      Das Projekt sollte unter anderem eine Tiefgarage und einen Sportpark umfassen.


15      Memorandum o spolupráci pri realizácii výstavby a prevádzke športovej infraštruktúry „Národný futbalový štadión“ (Memorandum über die Zusammenarbeit beim Bau und Betrieb der Sportinfrastruktur „Národný futbalový štadión“ [nationales Fußballstadion]).


16      Zmluva o podmienkach poskytnutia dotácie na výstavbu Národného futbalového štadióna (Vertrag über die Bedingungen für die Gewährung einer Finanzhilfe für den Bau eines nationalen Fußballstadions).


17      Die Bekanntmachung wurde am 20. September 2013 veröffentlicht. Gemäß Rn. 10 der Vorlageentscheidung wurde die Národný futbalový štadión a.s. als einziges in Betracht kommendes Unternehmen bestimmt.


18      Zmluva o poskytnutí dotácie zo štátneho rozpočtu (Vereinbarung über die Gewährung einer Finanzhilfe aus dem Staatshaushalt). In Rn. 11 der Vorlageentscheidung heißt es, dass „die Finanzhilfe … ohne Auswahl aus einem größeren Kreis von Bewerbern (auf nicht wettbewerblicher Grundlage) gewährt [wurde], da gemäß der Aufforderung zur Einreichung von Anträgen die einzige Berechtigte die Gesellschaft Národný futbalový štadión a.s. war, wie sich aus dem Regierungsbeschluss Nr. 400/2013 ergab“.


19      Zmluva o budúcej zmluve č. 0385/2016 (wörtlich: „Vertrag über den künftigen Vertrag“).


20      In Rn. 14 der Vorlageentscheidung heißt es: „Die Verkaufszusage enthielt Anhänge mit detaillierten Spezifikationen der technischen Parameter und der Parameter der Materialien des Stadions“.


21      U. a. wurde die Möglichkeit der kostenlosen Nutzung bestimmter Flächen des Stadions durch den Slovenský futbalový zväz (slowakischer Fußballverband), die im ursprünglichen Vertrag vorgesehen war, aufgehoben.


22      Die erste Bedingung wäre vermutlich erfüllt worden.


23      Rn. 17 der Vorlageentscheidung. Dies wird jedoch von der NFŠ bestritten. Vgl. Fn. 27 der vorliegenden Schlussanträge.


24      Unter diesem Blickwinkel betrachtet, würde es sich um eine gekünstelte Gestaltung handeln, die das tatsächliche Vorhandensein eines öffentlichen Auftrags verschleiern soll, um die Öffnung für den Wettbewerb zu umgehen.


25      Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie (Urkundenfälschung) (C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25 und 26).


26      Rn. 40 der schriftlichen Erklärungen von NFŠ.


27      Die NFŠ fügt ihren schriftlichen Erklärungen als Anlagen die Stellungnahmen dieser Behörde Nr. 91792/2016 vom 8. Juli 2016 und Nr. 5931‑6000/2019‑OD/9 vom 6. September 2019 bei.


28      Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany (C‑567/18, EU:C:2020:267), Rn. 22.


29      Urteil vom 14. Januar 2021, RTS infra und Aannemingsbedrijf Norré‑Behaegel (C‑387/19, EU:C:2021:13), Rn. 23.


30      Nach Rn. 14 der Vorlageentscheidung war es der Verkaufszusagevertrag, der „Anhänge mit detaillierten technischen Spezifikationen und Parametern der Materialien des nationalen Fußballstadions enthielt“.


31      Das vorlegende Gericht verweist auf den Inhalt des Finanzhilfevertrags von 2013, der jedoch nach Ansicht des vorlegenden Gerichts durch den Nachtrag von 2016 unwirksam geworden ist (Rn. 9 in Verbindung mit Rn. 15 der Vorlageentscheidung). Gleichwohl misst es der Möglichkeit der kostenlosen Nutzung des Stadions durch den slowakischen Fußballverband erhebliches Gewicht bei, was sich im Wortlaut der ersten Vorlagefrage niederschlägt.


32      Der „synallagmatische Charakter eines Vertrags über einen öffentlichen Auftrag [führt] zwangsläufig zur Begründung rechtlich zwingender Verpflichtungen für jede der Vertragsparteien, deren Erfüllung einklagbar sein muss“. Urteil vom 10. September 2020, Tax‑Fin‑Lex (C‑367/19, EU:C:2020:685), Rn. 26.


33      „… das Wort ‚entgeltlich‘ [bezeichnet] nach seiner gewöhnlichen rechtlichen Bedeutung einen Vertrag, mit dem sich jede Partei verpflichtet, eine Leistung im Gegenzug für eine andere zu erbringen … Das Synallagma des Vertrags ist somit ein wesentliches Merkmal eines öffentlichen Auftrags …“. Urteil vom 10. September 2020, Tax‑Fin‑Lex (C‑367/19, EU:C:2020:685), Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung.


34      Hervorhebung nur hier.


35      Urteil vom 22. April 2021, Kommission/Österreich (Miete eines noch nicht errichteten Gebäudes) (C‑537/19, EU:C:2021:319), Rn. 44.


36      Urteil vom 25. März 2010, Helmut Müller (C‑451/08, EU:C:2010:168, im Folgenden: Urteil Helmut Müller), Rn. 50 und 51. Durch das Urteil vom 10. November 2022, SHARENGO (C‑486/21, EU:C:2022:868), Rn. 66 und 67, wird bestätigt, dass der „im Wege eines öffentlichen Auftrags [erfolgende] Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen durch einen oder mehrere öffentliche Auftraggeber“ erforderlich ist und dass der öffentliche Auftraggeber selbst Nutzen aus dem betreffenden Auftrag ziehen muss.


37      Urteil Helmut Müller, Rn. 52.


38      Ebd., Rn. 63.


39      Urteil vom 29. Oktober 2009, Kommission/Deutschland, (C‑536/07, EU:C:2009:664), Rn. 55.


40      Urteil vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti (C‑213/13, EU:C:2014:2067), Rn. 44, unter Anführung des Urteils Helmut Müller.


41      Urteil vom 22. April 2021, Kommission/Österreich (Miete eines noch nicht errichteten Gebäudes) (C‑537/19, EU:C:2021:319), Rn. 53.


42      Ebd., Rn. 83.


43      In Rn. 52 und Fn. 42 ihrer schriftlichen Erklärungen verweist NFŠ auf die Website der Regulierungsbehörde für öffentliches Beschaffungswesen, auf der die Werkverträge aufgeführt würden, die sie mit verschiedenen Wirtschaftsteilnehmern geschlossen habe. In der mündlichen Verhandlung hat sie unwidersprochen vorgetragen, dass die jedem Bewerber offenstehende Ausschreibung in den Amtsblättern der Union und der Slowakischen Republik veröffentlicht worden sei.


44      Auf Befragen des Gerichtshofs stimmten sowohl NFŠ als auch das Bildungsministerium mit dieser Beurteilung überein und räumten ein, dass die Ausübung der (einseitigen) Verkaufsoption NFŠ anheimgestellt sei.


45      Rn. 22 des Beschlusses SA.46530.


46      Die Kommission nuanciert in Rn. 41 ihrer schriftlichen Erklärungen die Bedeutung dieser Streichung, obwohl sie der Vereinbarung den angeblich konkreten spezifischen Nutzen für den slowakischen Staat nimmt (tatsächlich käme der Nutzen, wenn eine solche Bedingung beibehalten würde, dem slowakischen Fußballverband zugute, der nicht mit dem Staat gleichzusetzen ist).


47      Im Beschluss SA.46530 wird anerkannt, dass die Ziele von gemeinsamem Interesse, auf deren Grundlage die staatliche Beihilfe nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, die Förderung des Sports und anderer Veranstaltungen kommerzieller oder nicht kommerzieller Art wie kulturelle Veranstaltungen sind, die mit den Art. 165 und 167 Abs. 4 AEUV vereinbar sind.


48      https://www.jalgpall.ee/docs/Stadium%20regulations%202018.pdf.


49      Art. 1.02 des UEFA‑Reglements. Die verschiedenen infrastrukturellen Kriterien werden in Tabellenform mit der jeweiligen Abstufung der Kriterien dargestellt.


50      Rn. 22 der Vorlageentscheidung.


51      Art. 13 des Gesetzes Nr. 300/2008 vom 2. Juli 2008 über die Organisation und Förderung des Sports.


52      Rn. 24 der Vorlageentscheidung.


53      Rn. 10 der schriftlichen Erklärungen des Bildungsministeriums. Die schriftlichen Erklärungen der Slowakischen Republik beschränken sich auf einen kurzen Verweis darauf, dass die Arbeiten gemäß den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers durchgeführt werden mussten (Rn. 11).


54      Ihrer Ansicht nach bestand die Beihilfe aus zwei Teilmaßnahmen: Zum einen handelte es sich um eine direkte Finanzhilfe in Höhe von 27,2 Mio. Euro und zum anderen um die der NFŠ eingeräumte Option, das Stadion in einem Zeitraum von fünf Jahren nach seiner Errichtung an die Slowakische Republik zu verkaufen. Diese Option war von einer unabhängigen Stelle mit 8,76 Mio. Euro bewertet worden (Rn. 13 des Beschlusses SA.46530).


55      Rn. 57 ihrer schriftlichen Erklärungen.


56      „The construction works financed through the grant described in the section below will be subject to a competitive process, respecting the applicable procurement rules“.


57      Erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24. Sowohl in der Präambel als auch in mehreren Artikeln der Richtlinie 2014/24 wird auf die Öffnung für den Wettbewerb, einen echten und wirksamen Wettbewerb und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen Bezug genommen.


58      So verfuhr die Kommission etwa in der Rechtssache Kommission/Österreich (Miete eines noch nicht errichteten Gebäudes) (C‑537/19, EU:C:2021:319), in der beanstandet wurde, dass ein bestimmter öffentlicher Bauauftrag als langfristige Immobilienvermietung verschleiert sei.


59      Dies trägt NFŠ in den Rn. 71 bis 74 ihrer schriftlichen Erklärungen vor.


60      Oder dass sie sich, wie es hier der Fall zu sein scheint, auf die Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidungen als Einrede gegen eine Klage auf Durchsetzung ihres Inhalts beruft.


61      Niemand darf sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen. Es obliegt den slowakischen Gerichten, § 40a des slowakischen Zivilgesetzbuchs auszulegen, wonach die Nichtigkeit (einer Rechtshandlung) nicht von demjenigen geltend gemacht werden kann, der sie herbeigeführt hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der slowakischen Regierung jedoch insoweit Zweifel an den innerstaatlichen Rechtsvorschriften geäußert.


62      Urteil vom 14. Mai 2020, T‑Systems Magyarország (C‑263/19, EU:C:2020:373), Rn. 53, mit Verweis auf das Urteil vom 26. März 2020, HUNGEOD u. a. (C‑496/18 und C‑497/18, EU:C:2020:240), Rn. 73.


63      Schlussanträge in der Rechtssache CROSS Zlín (C‑303/22, EU:C:2023:652).


64      Ebd., Nr. 78.


65      Ebd., Nr. 79.


66      Ebd., Nrn. 80 und 81.


67      Ebd., Nrn. 83 bis 87.

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