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Document 62022CJ0434

Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 7. Dezember 2023.
“Latvijas valsts meži” AS gegen Dabas aizsardzības pārvalde und Vides pārraudzības valsts birojs.
Vorabentscheidungsersuchen des Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Art. 6 Abs. 3 – Begriff,Pläne oder Projekte‘ in einem Schutzgebiet – Eingriff in einen Wald aus Gründen des Brandschutzes – Erforderlichkeit einer vorherigen Prüfung des Eingriffs auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet.
Rechtssache C-434/22.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:966

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

7. Dezember 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Art. 6 Abs. 3 – Begriff‚Pläne oder Projekte‘ in einem Schutzgebiet – Eingriff in einen Wald aus Gründen des Brandschutzes – Erforderlichkeit einer vorherigen Prüfung des Eingriffs auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet“

In der Rechtssache C‑434/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams (Bezirksverwaltungsgericht, Bezirk Riga, Lettland) mit Entscheidung vom 30. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 2022, in dem Verfahren

„Latvijas valsts meži“ AS

gegen

Dabas aizsardzības pārvalde,

Vides pārraudzības valsts birojs,

Beteiligte:

Valsts meža dienests,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der „Latvijas valsts meži“ AS, vertreten durch M. Gūtmanis,

der Dabas aizsardzības pārvalde, vertreten durch A. Svilāns,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und I. Naglis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2023

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Latvijas valsts meži“ AS und der Dabas aizsardzības pārvalde (Umweltschutzbehörde, Lettland) der Regionalverwaltung Kurzeme (Lettland) wegen der Entscheidung des Generaldirektors der Behörde vom 22. März 2021, mit der diesem Unternehmen aufgegeben wurde, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Auswirkungen des Fällens von Bäumen im besonderen Schutzgebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura 2000) „Ances purvi un meži“ (Feuchtgebiete und Wälder von Ance) in Lettland zu verringern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Habitatrichtlinie

3

Art. 1 Buchst. l der Habitatrichtlinie definiert ein besonderes Schutzgebiet als „ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden“.

4

Die Ausweisung besonderer Schutzgebiete ist in Art. 4 Abs. 4 der Habitatrichtlinie geregelt:

„Ist ein Gebiet aufgrund des in Absatz 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.“

5

Der Schutz von Natura-2000-Gebieten ist u. a. in Art. 6 der Richtlinie geregelt, der vorsieht:

„(1)   Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3)   Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4)   Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.“

UVP-Richtlinie

6

Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1, im Folgenden: UVP-Richtlinie) lautet:

„(2) Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) ‚Projekt‘:

die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,

sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen“.

Lettisches Recht

Gesetz über besondere Schutzgebiete

7

Die Habitatrichtlinie wurde durch das Likums „Par īpaši aizsargājamām dabas teritorijām“ (Gesetz über besondere Schutzgebiete) vom 2. März 1993 (Latvijas Vēstnesis, 1993, Nr. 5) in lettisches Recht umgesetzt.

8

In Art. 15 („Vorschriften für den Schutz und die Nutzung von Schutzgebieten“) dieses Gesetzes heißt es:

„(1)   Für Schutzgebiete können Vorschriften für den Schutz und die Nutzung erlassen werden, um ihren Schutz zu gewährleisten und ihre natürlichen Werte zu erhalten.

(2)   Für Schutzgebiete werden allgemeine Schutz- und Nutzungsvorschriften und individuelle Schutz- und Nutzungsvorschriften erlassen sowie Pläne zur Erhaltung des Wesens der Schutzgebiete aufgestellt.“

9

Art. 43 („Besondere Schutzgebiete von europäischer Bedeutung“) dieses Gesetzes bestimmt:

„…

(4) Jede ins Auge gefasste Tätigkeit und jede Planungsunterlage (ausgenommen Pläne zur Erhaltung des Wesens der Schutzgebiete und die darin ins Auge gefassten Tätigkeiten, die für die Verwaltung oder Wiederherstellung der Lebensräume besonders geschützter Arten, der Lebensräume besonders geschützter Arten mit eingeschränkter Nutzung oder von besonders geschützten Biotopen erforderlich sind, sowie die Ausgestaltung öffentlich zugänglicher Forschungs- und Naturtourismusinfrastrukturen, die in den Plänen zur Erhaltung des Wesens der Schutzgebiete vorgesehen sind), die einzeln oder in Verbindung mit anderen ins Auge gefassten Tätigkeiten oder anderen Planungsunterlagen erhebliche Auswirkungen auf ein Schutzgebiet von europäischer Bedeutung (Natura 2000) haben können, müssen einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. …“

Gesetz über Brandschutz und Brandbekämpfung

10

Art. 10.1 Abs. 1 des Ugunsdrošības un ugunsdzēsības likums (Gesetz über Brandschutz und Brandbekämpfung) vom 24. Oktober 2002 (Latvijas Vēstnesis, 2002, Nr. 165) sieht vor, dass der Eigentümer oder der Besitzer eines Waldes verpflichtet ist, dort für die Einhaltung der Brandschutzvorschriften zu sorgen.

11

Art. 12 dieses Gesetzes bestimmt, dass der Ministerrat die Anforderungen regelt, die von natürlichen oder juristischen Personen zur Verhütung und wirksamen Löschung von Bränden und zur Milderung ihrer Folgen zu erfüllen sind, unabhängig von der Form des Eigentums und dem Ort, an dem sich das Objekt befindet.

Dekret Nr. 238

12

Nach Abs. 1 des Ministru kabineta noteikumi Nr. 238 „Ugunsdrošības noteikumi“ (Dekret Nr. 238 des Ministerrats über den Brandschutz) vom 19. April 2016 (Latvijas Vēstnesis, 2016, Nr. 78) (im Folgenden: Dekret Nr. 238) regelt dieses Dekret die von natürlichen oder juristischen Personen zur Verhütung und wirksamen Löschung von Bränden und zur Milderung ihrer Folgen zu erfüllenden Anforderungen an den Brandschutz, unabhängig von der Form des Eigentums und dem Ort, an dem sich das Objekt befindet.

13

Nach Abs. 2.7.1 des Dekrets Nr. 238 sind die im Waldgebiet angelegten Wege, die Feuerschneisen, die mineralienhaltigen Landstreifen, die naturbelassenen Fahrwege, die Löschwasserentnahmestellen und die Brandwachtürme Einrichtungen der Forstinfrastruktur zum Brandschutz.

14

Unterabs. 417.3 des Dekrets Nr. 238 sieht vor, dass der für das Waldgebiet Verantwortliche bis zum 1. Mai jedes Jahres Unterholz, das die Löschfahrzeuge behindern könnte, von den für die Brandbekämpfung nutzbaren Waldwegen und naturbelassenen Fahrwegen entfernt.

15

Gemäß Unterabs. 417.4 des Dekrets Nr. 238 muss der für das Waldgebiet Verantwortliche bis zum 1. Mai jedes Jahres die Wege und Zufahrten zu den Löschwasserentnahmestellen herrichten und für ihre Befahrbarkeit durch Löschfahrzeuge sorgen.

16

Abs. 418 des Dekrets Nr. 238 sieht vor, dass der für ein Waldgebiet Verantwortliche, wenn er eine zusammenhängende Waldfläche von mehr als 5000 ha bewirtschaftet, für die gesamte Waldfläche einen Plan mit vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz vor Waldbränden aufstellen und umsetzen muss. Dem Plan ist Kartenmaterial der Waldflächen beizufügen.

Dekret Nr. 478

17

Nach Abs. 2 des Ministru kabineta noteikumi Nr. 478 Dabas lieguma „Ances purvi un meži“ individuālie aizsardzības un izmantošanas noteikumi (Dekret Nr. 478 des Ministerrats zur Festlegung besonderer Vorschriften für die Erhaltung und Nutzung des Naturschutzgebiets „Feuchtgebiete und Wälder von Ance“) vom 16. August 2017 (Latvijas Vēstnesis, 2017, Nr. 164) (im Folgenden: Dekret Nr. 478) wird dieses Naturschutzgebiet eingerichtet, um die Erhaltung des für das Gebiet charakteristischen Landschaftsensembles von Küstenniederungen und Dünen zu gewährleisten und besonders geschützte Biotope und Arten von Bedeutung für Lettland und die Europäische Union zu schützen.

18

Abs. 11 dieses Dekrets bestimmt:

„Auf Waldflächen ist verboten:

… 11.2. das Fällen abgestorbener Bäume und die Beseitigung umgestürzter Bäume sowie von Streu oder Teilen davon mit einem Durchmesser von mehr als 25 cm, wenn ihr Gesamtvolumen weniger als 20 m3 pro Hektar des Bestands beträgt; davon bestehen folgende Ausnahmen:

11.2.1. das Fällen und die Beseitigung gefährlicher Bäume, wobei die Bäume im Bestand belassen werden;

11.2.2. die Durchführung der genannten Tätigkeiten in den prioritären Waldbiotopen der Europäischen Union: Moorwälder (91D0*), Bruchwälder (9080*), Auenwälder (91E0*) und alte oder natürliche boreale Wälder (9010*), in denen das Fällen abgestorbener Bäume und die Beseitigung umgestürzter Bäume sowie von Streu oder Teilen davon mit einem Durchmesser von mehr als 25 cm verboten sind. …“

19

Nach Unterabs. 23.3.3 des Dekrets sind forstwirtschaftliche Tätigkeiten vom 1. Februar bis zum 31. Juli im saisonalen Naturschutzgebiet verboten, mit Ausnahme von Maßnahmen zum Schutz vor und zur Bekämpfung von Waldbränden.

20

Für das Naturschutzgebiet „Feuchtgebiete und Wälder von Ance“ gibt es darüber hinaus einen Naturschutzplan (Plan für die Jahre 2016 bis 2028, im Folgenden: Schutzplan), der gemäß der Vides aizsardzības un reģionālās attīstības ministra 2016. gada 28. aprīļa rīkojums Nr. 105 (Verordnung Nr. 105 des Ministers für Umweltschutz und regionale Entwicklung vom 28. April 2016) genehmigt wurde.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21

Das betreffende Naturschutzgebiet ist ein besonderes Schutzgebiet von europäischer Bedeutung (Natura 2000) in der Gemeinde Ventspils (Lettland). Das Naturschutzgebiet mit einer Fläche von 9822 ha wurde geschaffen, um die Erhaltung und Bewirtschaftung von Biotopen und Lebensräumen seltener und in Lettland und in der Europäischen Union geschützter Tier- und Pflanzenarten sowie der für die Region typischen Landschaft von Küstenniederungen und Dünen sicherzustellen.

22

Am 7. und 14. Januar 2021 inspizierten Bedienstete der Umweltschutzbehörde der Regionalverwaltung Kurzeme das Naturschutzgebiet und stellten fest, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens dort entlang von naturbelassenen Fahrwegen mit einer Länge von etwa 17 km Bäume fällen ließ.

23

Die Umweltschutzbehörde stellte fest, dass diese Maßnahme weder im Schutzplan noch im Dekret Nr. 478 vorgesehen sei und zuvor einer Verträglichkeitsprüfung hätte unterzogen werden müssen.

24

Mit Beschluss vom 15. Januar 2021 gab die Umweltschutzbehörde der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf, die negativen Auswirkungen der im Naturschutzgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu verringern und gefällte Kiefern, bei denen der Stamm einen Durchmesser von mehr als 25 cm hat, in den Waldbeständen zu belassen, damit sie durch ihre Zersetzung zu einem geeigneten Nährboden für eine Reihe von in diesem Gebiet besonders geschützten Insektenarten wie dem Nadelholzbockkäfer (Tragosoma depsarium) und dem Großen Bockkäfer (Ergates faber) werden. Die Behörde gab der Klägerin des Ausgangsverfahrens außerdem auf, die Totholzmenge im prioritär geschützten Biotop 9010* „Alte oder natürliche boreale Wälder“ aufzustocken, da sie unzureichend sei.

25

Die Klägerin focht diesen Beschluss an. Der Generaldirektor der Umweltschutzbehörde bestätigte den Beschluss jedoch mit Beschluss vom 22. März 2021 (im Folgenden: im Ausgangsverfahren fraglicher Beschluss).

26

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob beim Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams (Bezirksverwaltungsgericht, Bezirk Riga, Lettland), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Aufhebung des im Ausgangsverfahren fraglichen Beschlusses.

27

Sie macht geltend, dass die beanstandeten Tätigkeiten nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden, die die Instandhaltung der Waldwege und naturbelassenen Fahrwege einschließlich des Fällens von Bäumen auf der Grundlage von Genehmigungen des Valsts meža dienests (Staatliche Forstbehörde, Lettland) vorsehe, vorgeschrieben seien, nicht der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie unterlägen und im Einklang mit dem Schutzplan und dem Dekret Nr. 478 durchgeführt worden seien.

28

Ferner wirkten sich die mit dem im Ausgangsverfahren fraglichen Beschluss angeordneten Maßnahmen negativ auf den Brandschutz und die Brandbekämpfung im Naturschutzgebiet aus. Dem vorlegenden Gericht zufolge ist dies auch die Ansicht der Forstbehörde.

29

Das vorlegende Gericht führt aus, dass es klären müsse, ob die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens durchgeführten Tätigkeiten der Verträglichkeitsprüfung unterlägen, die in Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie für Pläne und Projekte in den besonderen Schutzgebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura 2000) vorgesehen sei.

30

Insoweit müsse es zunächst prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tätigkeiten einen „Plan“ oder ein „Projekt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie darstellten, da nur „Pläne“ und „Projekte“, die ein besonderes Schutzgebiet beeinträchtigen könnten, einer Verträglichkeitsprüfung nach dieser Bestimmung unterzogen werden müssten.

31

Für den Fall, dass die betreffenden Arbeiten entsprechend einzustufen seien, stelle sich außerdem die Frage, ob diese Arbeiten unmittelbar mit der Verwaltung des Naturschutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig seien, da sie dieses Gebiet vor Waldbränden schützen sollten. Nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie sei nämlich bei Plänen oder Projekten, die unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stünden oder hierfür notwendig seien, keine Verträglichkeitsprüfung erforderlich.

32

Selbst wenn keine solche Verbindung oder Notwendigkeit für die Verwaltung des Gebiets bestehe, sei fraglich, ob eine Prüfung der in Rede stehenden Tätigkeiten auf ihre Verträglichkeit nicht dennoch erforderlich sei, obwohl diese Tätigkeiten nach der einschlägigen nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden vorgeschrieben seien.

33

Unter diesen Umständen hat das Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams (Bezirksverwaltungsgericht, Bezirk Riga) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Erstreckt sich der Begriff „Projekt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie auch auf Tätigkeiten, die in einem Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet im Einklang mit den Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden sicherzustellen, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgestellt werden?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist davon auszugehen, dass Tätigkeiten, die in einem Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastrukturanlagen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet im Einklang mit den in den einschlägigen Rechtsvorschriften aufgestellten Anforderungen an den Schutz vor Waldbränden sicherzustellen, ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie darstellen, das unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung steht oder hierfür notwendig ist, so dass das Prüfverfahren für Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) in Bezug auf diese Tätigkeiten nicht durchgeführt werden muss?

3.

Falls die zweite Frage verneint wird: Ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie die Verpflichtung, auch solche Pläne und Projekte (Tätigkeiten) zu prüfen, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des besonderen Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, aber Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) erheblich beeinträchtigen können, und die gleichwohl in Erfüllung der nationalen Rechtsvorschriften durchgeführt werden, um die Anforderungen des Schutzes vor und der Bekämpfung von Waldbränden zu gewährleisten?

4.

Falls die dritte Frage bejaht wird: Kann diese Tätigkeit fortgesetzt und abgeschlossen werden, bevor das Verfahren zur Ex-post-Prüfung der besonderen Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) durchgeführt wird?

5.

Falls die dritte Frage bejaht wird: Sind die zuständigen Behörden verpflichtet, zur Vermeidung etwaiger erheblicher Auswirkungen Schadensersatz zu verlangen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Erheblichkeit der Auswirkungen im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der besonderen Schutzgebiete von europäischer Bedeutung (Natura 2000) nicht beurteilt wurde?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

34

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Projekt“ im Sinne dieser Bestimmung auch Tätigkeiten erfasst, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen.

35

Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie in den besonderen Schutzgebieten im Sinne von Art. 1 Buchst. l dieser Richtlinie „Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, … eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen [erfordern]“.

36

Insoweit ist erstens festzustellen, dass der Begriff „Projekt“ in der Habitatrichtlinie nicht definiert ist. Dagegen enthält Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP‑Richtlinie, auf den das vorlegende Gericht in seiner Frage ausdrücklich Bezug nimmt, eine Definition, nach der ein „Projekt“ im Sinne der UVP‑Richtlinie die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen umfasst.

37

Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Begriff „Projekt“ im Sinne der Habitatrichtlinie den Begriff „Projekt“ im Sinne der UVP‑Richtlinie einschließt, so dass eine Tätigkeit, wenn sie unter die UVP‑Richtlinie fällt, erst recht unter die Habitatrichtlinie fallen muss (Urteil vom 9. September 2020, Friends of the Irish Environment, C‑254/19, EU:C:2020:680, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Zweitens geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass ein „Projekt“ im Sinne der UVP‑Richtlinie die Durchführung von Arbeiten oder Vornahme von Eingriffen zur Änderung des materiellen Zustands des betreffenden Gebiets voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a., C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 24). Im vorliegenden Fall bestanden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tätigkeiten im Fällen von Bäumen zur Instandhaltung der naturbelassenen Fahrwege im betreffenden Naturschutzgebiet. Folglich erfüllen sie das materielle Kriterium des Begriffs „Projekt“ im Sinne der UVP‑Richtlinie.

39

Dieser Begriff wird durch kein rechtliches Kriterium eingeschränkt. Daher kann die Einstufung der in Rede stehenden Baumfällarbeiten als „Projekt“ im Sinne der UVP-Richtlinie nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass diese Arbeiten nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden vorgeschrieben sein sollen.

40

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass diese Baumfällarbeiten ein „Projekt“ im Sinne der UVP-Richtlinie und damit ein „Projekt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie darstellen.

41

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Projekt“ im Sinne dieser Bestimmung auch Tätigkeiten erfasst, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, sofern sie den materiellen Zustand des Gebiets verändern.

Zur zweiten Frage

42

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, ein Projekt darstellen, das im Sinne dieser Bestimmung „unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung steht oder hierfür notwendig ist“, und daher keiner Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Gebiet unterzogen werden müssen.

43

Nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie mussten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeiten, die gemäß der einschlägigen nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden durchgeführt wurden, nämlich keiner Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet unterzogen werden, wenn sie unmittelbar mit dessen Verwaltung in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind.

44

Erstens ergibt sich aus Art. 1 Buchst. l der Habitatrichtlinie, dass ein besonderes Schutzgebiet abgegrenzt wird, um einen günstigen Erhaltungszustand bestimmter natürlicher Lebensräume oder Arten zu wahren oder wiederherzustellen. Zu diesem Zweck legen die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die betreffenden Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I dieser Richtlinie und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

45

Daraus folgt, dass die in Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannten Erhaltungsmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein müssen.

46

Zweitens können, wie die Generalanwältin in Nr. 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, vorsorgende Maßnahmen zur Verhinderung oder Bekämpfung von Bränden mit der Verwaltung eines Schutzgebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sein. Im Übrigen enthalten dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge sowohl der Schutzplan als auch das Dekret Nr. 478 indirekte Hinweise auf die Notwendigkeit von Brandschutzmaßnahmen im betreffenden Gebiet.

47

Allerdings stehen nicht alle Maßnahmen zum Schutz eines besonderen Schutzgebiets gegen die Gefahr von Waldbränden unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung oder sind hierfür notwendig. Diese Maßnahmen müssen vielmehr auch erforderlich sein, um einen günstigen Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume oder Arten zu wahren oder wiederherzustellen, und in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stehen, was voraussetzt, dass sie an das betreffende Gebiet angepasst und zur Erreichung dieser Ziele geeignet sind.

48

Was im vorliegenden Fall das Fällen von Bäumen zur Instandhaltung naturbelassener Fahrwege in einem Schutzgebiet betrifft, ist zu prüfen, ob diese Arbeiten bestimmte Erhaltungsziele beeinträchtigen und ob gegebenenfalls die Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung des Gebiets durch Brände diese Arbeiten unter Berücksichtigung sämtlicher Merkmale dieses Gebiets rechtfertigt.

49

Dies erfordert eine Prüfung der geplanten Brandverhütungsmaßnahmen auf ihre Verträglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie.

50

Etwas anderes gilt nur, wenn diese Maßnahmen bereits zu den nach Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie erlassenen Maßnahmen gehören, die als solche unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind.

51

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass bei Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht allein deshalb, weil sie einen solchen Gegenstand haben, davon ausgegangen werden kann, dass sie unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind und daher keiner Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Gebiet bedürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie für das Gebiet festgelegt wurden.

Zur dritten Frage

52

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er eine Prüfung der in dieser Bestimmung genannten Pläne und Projekte auch dann vorschreibt, wenn ihre Durchführung nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden erforderlich ist.

53

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses Gebiet jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Gebiet erfordern, was voraussetzt, dass sämtliche Auswirkungen dieser Pläne oder Projekte auf das Gebiet zu ermitteln, zu beurteilen und zu berücksichtigen sind. Solche Pläne oder Projekte sind einer derartigen Prüfung zu unterziehen, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr besteht, dass sie das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigen, wobei diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr erheblicher schädlicher Auswirkungen auf dieses Gebiet unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen dieses Gebiets, nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. November 2022, AquaPri, C‑278/21, EU:C:2022:864, Rn. 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Projekt geeignet ist, das betreffende Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wobei, wie die Generalanwältin in Nr. 45 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die einschlägige nationale Regelung zur Verhütung von Waldbränden einen Plan oder ein Projekt nicht von den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie befreien kann.

54

Zweitens besteht kein Widerspruch zwischen der Verpflichtung nach nationalem Recht, bestimmte Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden zu ergreifen, und der Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie, diese Maßnahmen einer Prüfung auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet zu unterziehen, wenn sie erhebliche Auswirkungen auf ein besonderes Schutzgebiet haben können.

55

Zum einen ermöglicht es diese Prüfung nämlich im Gegenteil, diejenigen Modalitäten für die Durchführung der Maßnahmen festzulegen, die für die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume oder Arten, zu deren Schutz das betreffende besondere Schutzgebiet eingerichtet wurde, am besten sind.

56

Zum anderen können diese Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie selbst dann, wenn die Prüfung ergeben hat, dass sie nachteilige Auswirkungen auf das Gebiet hätten und eine Alternativlösung nicht vorhanden ist, durchgeführt werden, wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses dies rechtfertigen, sofern der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 190).

57

Drittens ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie einen Mitgliedstaat nicht ermächtigen kann, nationale Vorschriften zu erlassen, die bestimmte Kategorien von Plänen oder Projekten allgemein von der Pflicht zur Prüfung ihrer Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet ausnehmen (Urteil vom 22. Juni 2022, Kommission/Slowakei [Schutz des Auerhuhns], C‑661/20, EU:C:2022:496, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58

Die Möglichkeit, bestimmte Tätigkeiten gemäß der geltenden nationalen Regelung allgemein von der Prüfung ihrer Verträglichkeit mit dem betreffenden Schutzgebiet zu befreien, wäre nämlich geeignet, die Integrität dieses Gebiets zu beeinträchtigen.

59

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht, dass die nationale Regelung zur Verhütung von Waldbränden eine solche Möglichkeit nicht vorsieht.

60

Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er eine Prüfung der in dieser Bestimmung genannten Pläne und Projekte auch dann vorschreibt, wenn ihre Durchführung nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden erforderlich ist.

Zur vierten Frage

61

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, vor der Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung fortgesetzt und abgeschlossen werden können.

62

Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden „[u]nter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 … dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben“. Daher darf in einem besonderen Schutzgebiet kein Plan oder Projekt durchgeführt werden, bevor es auf seine Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet geprüft worden ist.

63

Der Gerichtshof hat wiederholt bestätigt, dass es sich bei dem Prüfverfahren nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie um eine vorherige Prüfung handelt (Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 34, vom 11. April 2013, Sweetman u. a., C‑258/11, EU:C:2013:220, Rn. 28, und vom 21. Juli 2016, Orleans u. a., C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 43).

64

Wie die Generalanwältin in Nr. 54 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist es im Übrigen unerlässlich, dass die Verträglichkeitsprüfung des Plans oder Projekts seiner Durchführung vorausgeht. Denn erstens ließen sich bei einer nachträglichen Prüfung Beeinträchtigungen des Erhaltungszustands des Gebiets nicht verhindern. Zweitens wäre es häufig schwierig, ohne eine vorherige Bestandsaufnahme des ursprünglichen Zustands des Gebiets das Ausmaß dieser Auswirkungen zu beurteilen.

65

Die Habitatrichtlinie erlaubt es daher nicht, einen Plan oder ein Projekt in einem besonderen Schutzgebiet durchzuführen, geschweige denn fortzusetzen und abzuschließen, bevor eine Prüfung seiner Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet erfolgt ist.

66

Dieses Verbot gilt auch für Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, und die, wie sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage ergibt, ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie darstellen.

67

Dagegen gilt dieses Verbot nicht für Tätigkeiten, die im Rahmen der für das Gebiet gemäß Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie erlassenen Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Wie in den Rn. 52 und 53 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind solche Tätigkeiten nämlich als unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehend oder hierfür notwendig anzusehen.

68

Sind die Tätigkeiten zur Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden bereits in den Erhaltungsmaßnahmen für das Gebiet nach Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgesehen, müssen sie daher nicht der Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie unterzogen werden.

69

Wie die Generalanwältin in Nr. 57 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, muss eine Ausnahme auch gelten, wenn eine gegenwärtige oder drohende Gefahr es erfordert, unverzüglich die zum Schutz des Gebiets erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. In einem solchen Fall könnte es sein, dass eine vorherige Durchführung des Verfahrens zur Prüfung der Verträglichkeit der Maßnahmen mit dem Gebiet nicht dem Zweck dieses Verfahrens, nämlich das Gebiet zu erhalten, dient, sondern diesem im Gegenteil schadet.

70

Dies kann insbesondere bei Sofortmaßnahmen zum Schutz vor und zur Bekämpfung von Waldbränden der Fall sein. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die Durchführung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arbeiten ohne vorherige Prüfung ihrer Verträglichkeit mit dem betreffenden Naturschutzgebiet unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt war.

71

Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht vor der Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung begonnen, geschweige denn fortgesetzt und abgeschlossen werden dürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Habitatrichtlinie für das Gebiet festgelegt wurden, oder eine gegenwärtige oder drohende Gefahr für die Erhaltung des Gebiets erfordert ihre sofortige Durchführung.

Zur fünften Frage

72

Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er die zuständigen Behörden verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um etwaige erhebliche Auswirkungen von Arbeiten zu vermeiden, die ohne die in dieser Bestimmung vorgesehene vorherige Prüfung durchgeführt wurden, und Ersatz des durch diese Arbeiten verursachten Schadens zu verlangen.

73

Vorab ist zu fragen, ob die fünfte Frage, so wie sie formuliert ist, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zweckdienlich ist.

74

Mit dem im Ausgangsverfahren fraglichen Beschluss gab der Generaldirektor der Umweltschutzbehörde der Klägerin des Ausgangsverfahrens nämlich auf, zum einen die gefällten Kiefern, bei denen der Stamm einen Durchmesser von mehr als 25 cm hat, in den Waldbeständen zu belassen und zum anderen die Totholzmenge im prioritär geschützten Biotop 9010* „Alte oder natürliche boreale Wälder“ aufzustocken, die als unzureichend erachtet wurde.

75

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 69 und 72 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, soll mit der ersten Anordnung die Fortsetzung der unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie durchgeführten Arbeiten verhindert werden, während die zweite Anordnung eine Bezugnahme auf Unterabs. 11.2 des Dekrets Nr. 478 darstellt, wonach auf die Beseitigung von Totholz zu verzichten ist, wenn es in unzureichender Menge vorhanden ist.

76

Mit anderen Worten scheint der im Ausgangsverfahren fragliche Beschluss weder zu bezwecken, die Auswirkungen der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens durchgeführten Arbeiten zu vermeiden, noch, von ihr Ersatz des durch diese Arbeiten verursachten Schadens zu verlangen.

77

Es ist jedoch festzustellen, dass es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen.

78

Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die fünfte Frage wie die übrigen Vorlagefragen die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie betrifft, und es ist nicht offensichtlich, dass sie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich ist. Der Gerichtshof ist daher für ihre Beantwortung zuständig.

79

Erstens ist festzustellen, dass in der Habitatrichtlinie, insbesondere in ihrem Art. 6 Abs. 3, nicht geregelt ist, welche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur vorherigen Prüfung der Verträglichkeit eines Plans oder Projekts zu ziehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 169).

80

Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten lediglich auf, „die geeigneten Maßnahmen [zu treffen], um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten“.

81

Nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedstaaten allerdings verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben (Urteile vom 16. Dezember 1960, Humblet/Belgischer Staat, 6/60‑IMM, EU:C:1960:48, S. 1185, und vom 7. Januar 2004, Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 64). Diese Verpflichtung richtet sich an alle Stellen des betreffenden Mitgliedstaats und insbesondere an die nationalen Behörden, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um dem Unterbleiben einer Verträglichkeitsprüfung eines Plans oder Projekts abzuhelfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 75). Sie obliegt auch den Unternehmen, die dem betreffenden Mitgliedstaat zuzurechnen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 91).

82

Nach diesem Grundsatz ist der betreffende Mitgliedstaat auch verpflichtet, alle durch das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entstandenen Schäden zu ersetzen (Urteil vom 7. Januar 2004, Wells, C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 66).

83

Dagegen kann sich allein aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der nur für die Mitgliedstaaten und ihre Organe gilt, keine Verpflichtung Einzelner ergeben, Umweltschäden zu ersetzen, die in einem besonderen Schutzgebiet durch Arbeiten verursacht wurden, die sie durchgeführt haben, ohne dass diese Arbeiten einer Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie unterzogen worden wären.

84

Da die Habitatrichtlinie keine Bestimmung enthält, die den Ersatz eines Umweltschadens regelt, und jedenfalls Einzelnen nicht allein auf der Grundlage dieser Richtlinie eine Verpflichtung auferlegt werden kann, könnte sich die Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art nur aus dem lettischen Recht ergeben.

85

Insoweit ist hinzuzufügen, dass die zuständigen nationalen Behörden, wenn eine solche Verpflichtung im lettischen Recht vorgesehen wäre, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, verpflichtet wären, sie durchzusetzen.

86

Demnach kann Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die zuständigen Behörden nicht verpflichten, von Einzelnen den Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen.

87

Diese Bestimmung verpflichtet die Klägerin des Ausgangsverfahrens daher nicht, den Schaden zu ersetzen, der durch die Arbeiten entstanden ist, die sie durchgeführt hat, ohne dass zuvor eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden wäre, und erlaubt es den zuständigen Behörden somit nur in dem von der Generalanwältin in Nr. 73 ihrer Schlussanträge in Betracht gezogenen Fall, dass sie einem Organ des betreffenden Mitgliedstaats gleichzustellen wäre, sie zum Ersatz dieses Schadens zu verpflichten. Dagegen können die zuständigen Behörden nicht allein auf der Grundlage dieser Bestimmung und des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit von ihr den Ersatz der oben genannten Schäden verlangen.

88

Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie im Licht des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit dahin auszulegen ist, dass er den betreffenden Mitgliedstaat, insbesondere dessen zuständige Behörden, verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um etwaige erhebliche Umweltauswirkungen von Arbeiten zu vermeiden, die durchgeführt wurden, ohne dass zuvor die in dieser Bestimmung vorgesehene Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden wäre, und den durch diese Arbeiten verursachten Schaden zu ersetzen. Dagegen verpflichtet er den Mitgliedstaat nicht, den Ersatz eines solchen Schadens, sollte er Einzelnen zuzurechnen sein, von diesen zu verlangen.

Kosten

89

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Projekt“ im Sinne dieser Bestimmung auch Tätigkeiten erfasst, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, sofern sie den materiellen Zustand des Gebiets verändern.

 

2.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass bei Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um gemäß den Vorgaben der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht allein deshalb, weil sie einen solchen Gegenstand haben, davon ausgegangen werden kann, dass sie unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind und daher keiner Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Gebiet bedürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie für das Gebiet festgelegt wurden.

 

3.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass er eine Prüfung der in dieser Bestimmung genannten Pläne und Projekte auch dann vorschreibt, wenn ihre Durchführung nach der nationalen Regelung zur Verhütung von Waldbränden erforderlich ist.

 

4.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist dahin auszulegen, dass Tätigkeiten, die in einem als besonderes Schutzgebiet ausgewiesenen Waldgebiet durchgeführt werden, um die Instandhaltung der Infrastruktureinrichtungen für den Schutz vor Waldbränden in diesem Gebiet sicherzustellen, nicht vor der Durchführung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahrens der Verträglichkeitsprüfung begonnen, geschweige denn fortgesetzt und abgeschlossen werden dürfen, es sei denn, sie gehören zu den Erhaltungsmaßnahmen, die bereits nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie für das Gebiet festgelegt wurden, oder eine gegenwärtige oder drohende Gefahr für die Erhaltung des Gebiets erfordert ihre sofortige Durchführung.

 

5.

Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 ist im Licht des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit dahin auszulegen, dass er den betreffenden Mitgliedstaat, insbesondere dessen zuständige Behörden, verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um etwaige erhebliche Umweltauswirkungen von Arbeiten zu vermeiden, die durchgeführt wurden, ohne dass zuvor die in dieser Bestimmung vorgesehene Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden wäre, und den durch diese Arbeiten verursachten Schaden zu ersetzen. Dagegen verpflichtet er den Mitgliedstaat nicht, den Ersatz eines solchen Schadens, sollte er Einzelnen zuzurechnen sein, von diesen zu verlangen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Lettisch.

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