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Document 62022CJ0292
Judgment of the Court (Tenth Chamber) of 15 June 2023.#Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna v 'NOVA TARGOVSKA KOMPANIA 2004' AD.#Request for a preliminary ruling from the Administrativen sad - Varna.#Reference for a preliminary ruling – Customs union – Common Customs Tariff – Classification of goods – Combined Nomenclature – Headings 1511 and 1517 – Refined palm oil, bleached and deodorised – No method laid down for analysing the consistency of a product.#Case C-292/22.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 15. Juni 2023.
Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna gegen „NOVA TARGOVSKA KOMPANIA 2004“ AD.
Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad - Varna.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Tarifierung der Waren – Kombinierte Nomenklatur – Positionen 1511 und 1517 – Raffiniertes, gebleichtes und desodoriertes Palmöl – Keine Methode zur Analyse der Konsistenz einer Ware vorgesehen.
Rechtssache C-292/22.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 15. Juni 2023.
Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna gegen „NOVA TARGOVSKA KOMPANIA 2004“ AD.
Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad - Varna.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Tarifierung der Waren – Kombinierte Nomenklatur – Positionen 1511 und 1517 – Raffiniertes, gebleichtes und desodoriertes Palmöl – Keine Methode zur Analyse der Konsistenz einer Ware vorgesehen.
Rechtssache C-292/22.
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:492
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
15. Juni 2023 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Tarifierung der Waren – Kombinierte Nomenklatur – Positionen 1511 und 1517 – Raffiniertes, gebleichtes und desodoriertes Palmöl – Keine Methode zur Analyse der Konsistenz einer Ware vorgesehen“
In der Rechtssache C‑292/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) mit Entscheidung vom 19. April 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Mai 2022, in dem Verfahren
Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna
gegen
„NOVA TARGOVSKA KOMPANIA 2004“ AD,
Beteiligte:
Okrazhna prokuratura – Varna,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
der Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna, vertreten durch Y. Kulev, |
– |
der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Mitova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova und M. Salyková als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Tarifpositionen 1511 und 1517 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in den Fassungen der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1602 der Kommission vom 11. Oktober 2018 (ABl. 2018, L 273, S. 1) und der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1776 der Kommission vom 9. Oktober 2019 (ABl. 2019, L 280, S. 1). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Teritorialna direktsia Mitnitsa Varna (Gebietsdirektion Zollamt Varna, Bulgarien) (im Folgenden: Zolldirektion) und der „Nova Targovska kompania 2004“ AD (im Folgenden: NTK 2004) über einen Bescheid, mit dem eine finanzielle Sanktion wegen Zollbetrugs gegen NTK 2004 verhängt wurde, weil diese im April 2019 und im September 2020 eingeführte und angemeldete Waren zolltariflich falsch eingereiht habe. |
Rechtlicher Rahmen
HS
3 |
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde mit dem im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt und mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt. |
4 |
Die Erläuterungen zum HS werden in der WZO nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens ausgearbeitet. |
5 |
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieses Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklaturen mit dem HS in Übereinstimmung zu bringen, und zwar erstens durch Verwendung aller Positionen und Unterpositionen des HS ohne Zusätze oder Änderungen sowie der dazugehörigen Codenummern, zweitens durch Anwendung der „Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS“ sowie aller Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS, ohne deren Tragweite zu verändern, und drittens durch Einhaltung der Nummernfolge des HS. |
6 |
Abschnitt III („Tierische und pflanzliche Fette und Öle; Erzeugnisse ihrer Spaltung; genießbare verarbeitete Fette; Wachse tierischen und pflanzlichen Ursprungs“) des HS umfasst dessen Kapitel 15 mit derselben Überschrift. |
7 |
Die Position 1511 („Palmöl und seine Fraktionen, auch raffiniert, jedoch nicht chemisch modifiziert“) des HS umfasst folgende Unterpositionen: „1511.10 – rohes Öl 1511.90 – andere“. |
8 |
In den Erläuterungen zu dieser Position heißt es: „Palmöl ist ein Pflanzenfett, das aus Pülpe der Früchte der Ölpalme gewonnen wird. … Die Öle werden durch Extraktion oder Pressen gewonnen und haben unterschiedliche Farben, die vom Herstellungsverfahren abhäng[en] und davon, ob sie raffiniert sind. Sie unterscheiden sich von Palmkernöl (Position 1513), das von den gleichen Ölpalmen stammt[,] dadurch, dass sie einen sehr hohen Gehalt an Palmitin- und Ölsäure haben. Palmöl wird zum Herstellen von Seife, Kerzen, Körperpflege- und Schönheitsmitteln, als Schmiermittel für Zinnbäder und zum Herstellen von Palmsäure usw. verwendet. Raffiniertes Palmöl wird für Lebensmittel verwendet, z. B. als Brat- oder Backfett und zum Herstellen von Margarine. …“ |
9 |
Die Position 1516 („Tierische und pflanzliche Fette und Öle sowie deren Fraktionen, ganz oder teilweise hydriert, umgeestert, wiederverestert oder elaidiniert, auch raffiniert, jedoch nicht weiterverarbeitet“) des HS umfasst folgende Unterpositionen: „1516.10 – tierische Fette und Öle sowie deren Fraktionen 1516.20 – pflanzliche Fette und Öle sowie deren Fraktionen“. |
10 |
Die Position 1517 („Margarine; genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen genießbare Fette und Öle sowie deren Fraktionen der Position 1516“) des HS umfasst folgende Unterpositionen: „1517.10 – Margarine, ausgenommen flüssige Margarine 1517.90 – andere“. |
11 |
In den Erläuterungen zur Position 1517 des HS heißt es: „Zu dieser Position gehören Margarine und andere genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen solche der Position 1516. Dies sind im allgemeinen flüssige oder feste Mischungen und Zubereitungen von:
… Nicht zu dieser Position gehören nicht gemischte, lediglich raffinierte Fette und Öle; diese bleiben auch dann in ihrer jeweiligen Position, wenn sie für den Einzelverkauf aufgemacht sind. …“ |
Unionsrecht
Verordnung (EU) Nr. 952/2013
12 |
Art. 57 („Zolltarifliche Einreihung von Waren“) der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Neufassung) (ABl. 2013, L 269, S. 1) lautet: „(1) Für die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs gilt als zolltarifliche Einreihung von Waren die Bestimmung der Unterposition oder der weiteren Unterteilung der [KN], der diese Waren zugewiesen werden. (2) Für die Anwendung nichttarifärer Maßnahmen gilt als zolltarifliche Einreihung von Waren die Bestimmung der Unterposition oder der weiteren Unterteilung der [KN] oder jeder sonstigen durch Unionsvorschriften erstellten, ganz oder teilweise auf der [KN] beruhenden Nomenklatur, der diese Waren zugewiesen werden. (3) Die nach den Absätzen 1 und 2 bestimmten Unterpositionen oder weiteren Unterteilungen dienen der Anwendung der an die jeweilige Unterposition geknüpften Maßnahmen. (4) Die Kommission kann Vorschriften zur Festlegung der zolltariflichen Einreihung von Waren gemäß den Absätzen 1 und 2 erlassen.“ |
KN
13 |
Wie sich aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) ergibt, regelt die von der Europäischen Kommission eingeführte KN die zolltarifliche Einreihung von Waren, die in die Europäische Union eingeführt werden. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 übernimmt die KN bei den ersten sechs Stellen die Codenummern der Positionen und Unterpositionen des HS; lediglich die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen. |
14 |
Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 veröffentlicht die Kommission gemäß Art. 1 jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Letztere Verordnung wird spätestens am 31. Oktober im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gilt jeweils ab dem 1. Januar des folgenden Jahres. |
15 |
Die Durchführungsverordnungen 2018/1602 und 2019/1776 wurden auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen. Mit diesen Durchführungsverordnungen wurde die KN mit Wirkung vom 1. Januar 2019 bzw. vom 1. Januar 2020 geändert. Der Wortlaut der für das Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen dieser Nomenklatur blieb jedoch unverändert. |
16 |
In den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN in Anhang I Teil I Titel I Abschnitt A in der jeweiligen Fassung der beiden Durchführungsverordnungen heißt es: „Für die Einreihung von Waren in die [KN] gelten folgende Grundsätze: 1. Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften. 2. …
3. Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:
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17 |
Teil II („Zolltarif“) dieses Anhangs I enthält einen Abschnitt III („Tierische und pflanzliche Fette und Öle; Erzeugnisse ihrer Spaltung; genießbare verarbeitete Fette; Wachse tierischen und pflanzlichen Ursprungs“). Dieser Abschnitt enthält ein Kapitel 15 mit der Überschrift „Tierische und pflanzliche Fette und Öle; Erzeugnisse ihrer Spaltung; genießbare verarbeitete Fette; Wachse tierischen und pflanzlichen Ursprungs“. In der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu diesem Kapitel heißt es: „Für die Anwendung der Unterpositionen … 151110 … gilt Folgendes:
…“ |
18 |
Dieses Kapitel 15 enthält folgende Positionen:
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Bulgarisches Recht
19 |
Art. 234 des Zakon za mitnitsite (Zollgesetz) (DV Nr. 15 vom 6. Februar 1998) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt: „(1) Wer umgeht oder versucht zu umgehen:
(2) Wegen Zollbetrugs werden natürliche Personen mit einer Geldbuße, juristische Personen und Einzelkaufleute mit einer finanziellen Sanktion in Höhe von 100 % bis 200 %:
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Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
20 |
Am 8. April 2019 kamen acht Container, die von der Louis Dreyfus Company Asia Pte Ltd. ausgeführt worden waren und deren Empfängerin NTK 2004 war, am Hafenterminal des Hafens Varna West (Bulgarien) aus der Türkei an. Der Zollanmeldung zufolge handelte es sich bei der darin enthaltenen Ware um „Palmfett MP 36‑39 in CA 20 – 20 kg netto in Kartons“ der TARIC‑Unterposition 1511909900, für das der Einfuhrzollsatz 9 % beträgt. |
21 |
Am 28. September 2020 erreichten fünf Container mit derselben Herkunft, demselben Ausführer und demselben Empfänger denselben Hafenterminal und waren Gegenstand einer Zollanmeldung, in der dieselbe Tarifunterposition wie die in der vorstehenden Randnummer genannte angegeben war. Die zuständigen Zollbehörden führten eine Kontrolle durch und entnahmen eine Probe der eingeführten Waren, die vom Tsentralna mitnicheska laboratoria (Zentrales Zolllabor, Bulgarien) untersucht wurde. |
22 |
Am 7. Januar 2021 legte das Zentrale Zolllabor einen Bericht vor, wonach die entnommene Probe nach der angewandten Methodik ein „Palmölshortening“ sei, d. h. eine ausschließlich aus Palmöl oder seinen Fraktionen bestehende, nicht chemisch modifizierte, sondern durch Texturieren gewonnene Zubereitung zur Verwendung in verschiedenen Lebensmitteln, wie zum Beispiel in Teigen. |
23 |
Auf der Grundlage dieser Merkmale entschied die Hauptzollverwaltung, dass die fraglichen Waren in die Unterposition 15179099 einzureihen seien und folglich einem Zollsatz von 16 % unterlägen, da sie neben der Raffination einer weiteren irreversiblen Verarbeitung zur Änderung der kristallinen Struktur unterzogen worden seien, und zwar durch ein in den HS-Erläuterungen zur Position 1517 spezifisch genanntes Texturierungsverfahren. |
24 |
Außerdem gälten die Ergebnisse der Gutachten des Zentralen Zolllabors auch für die am 8. April 2019 angemeldeten Waren, da es sich bei diesen Waren um die gleichen wie die am 28. September 2020 angemeldeten handele. Mit Bescheid vom 20. Mai 2021, der gemäß Art. 234 des Zollgesetzes in seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung erging, verhängte die Zolldirektion gegen NTK 2004 eine finanzielle Sanktion in Höhe von 17895,95 bulgarische Lewa (BGN) (etwa 9153 Euro), was 100 % der nicht entrichteten Zölle entsprach. |
25 |
Mit Urteil vom 3. Dezember 2021 hob der Rayonen sad Devnia (Rayongericht Devnia, Bulgarien), bei dem NTK 2004 Klage erhoben hatte, den Bescheid vom 20. Mai 2021 mit der Begründung auf, dass der Zollbetrug nicht nachgewiesen worden sei. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, dass die vom Zentralen Zolllabor entwickelte Methodik offiziell anerkannt sei, und der Bescheid stütze sich zu Unrecht auf die HS-Erläuterungen, in denen auf das Texturierungsverfahren Bezug genommen werde, da diese Erläuterungen nicht verbindlich seien. |
26 |
Die Zolldirektion legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein, das in letzter Instanz zu entscheiden hat. |
27 |
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die bulgarischen Gerichte zu unterschiedlichen Lösungen hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung von „Palmölshortening“ gelangt seien. Einige von ihnen hätten Bescheide bestätigt, mit denen die Zollbehörden diese Ware in die Position 1517 neu eingereiht hätten, während andere entsprechende Neueinreihungsbescheide aufgehoben hätten, u. a. mit der Begründung, dass das „Texturierungs“-Verfahren nur in den HS‑Erläuterungen erwähnt werde, die die Tragweite der KN nicht ändern könnten. |
28 |
Nach Ansicht von NTK 2004 fällt die fragliche Ware unter die Position 1511, da sie mit physikalischen Verfahren bearbeitet worden sei, die ihre chemische Zusammensetzung nicht modifiziert hätten. Nach Auffassung der Zollbehörden ist diese Ware „texturiert“, d. h. einer weiteren Veränderung ihrer kristallinen Struktur unterzogen worden und daher in die Position 1517 einzureihen. |
29 |
Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Hersteller der in Rede stehenden Ware diese in den Bescheinigungen, die er im Februar 2019 ausgestellt habe, als „texturierte Palmfette“ beschrieben habe. NTK 2004 mache allerdings geltend, dass der Begriff „texturiert“ nur verwendet werde, um raffiniertes und abgepacktes Palmöl wie die fragliche Ware eindeutig von raffiniertem Öl derselben Art, das nicht abgepackt sei, aber einen Rohstoff für die Herstellung von speziellen hydrierten Fetten und Margarinen darstelle, sowie von nicht raffiniertem Palmöl zu unterscheiden. Alle raffinierten Öle durchliefen bestimmte Schritte des Texturierungsverfahrens, das integraler Bestandteil der Raffination und Verpackung sei, ohne dass dies dazu führe, dass das Erzeugnis „texturiert“ im Sinne der Position 1517 sei. Diese Position stelle nämlich eindeutig auf eine spätere chemische Bearbeitung ab, um bestimmte zusätzliche strukturelle Eigenschaften zu erzielen. Daher stelle ein solches „Texturieren“ nach Ansicht von NTK 2004 selbst dann keine chemische Bearbeitung dar, wenn die betreffende Ware einer zusätzlichen Bearbeitung unterzogen worden sei, um ihre kristalline Struktur zu verändern. |
30 |
Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass aus dem Bericht des Zentralen Zolllabors hervorgehe, dass raffiniertes, gebleichtes und desodoriertes Palmöl anderen technologischen Bearbeitungen unterzogen werde, die die Fraktionierung umfassen könnten, nämlich die Trennung der festen und flüssigen Fraktionen dieses Öls, ihre anschließende Mischung zu verschiedenen Anteilen und eine „Endbearbeitung der plastischen Verformung (Texturieren) durch Kristallisation zur Änderung der kristallinen Struktur“. Nach diesem Bericht sei es zu einer „nennenswerten Veränderung der Konsistenz“ der entnommenen Probe der fraglichen Ware gekommen, die beweise, dass diese Ware einer „Endverarbeitung zur Änderung ihrer kristallinen Struktur, dem sogenannten Texturieren“ unterzogen worden sei. |
31 |
NTK 2004 macht geltend, das Zentrale Zolllabor sei nicht für die Durchführung von Untersuchungen nach der von ihm angewandten Methodik zugelassen gewesen, wobei deren wissenschaftlicher Wert in anderen Rechtssachen vor den bulgarischen Gerichten bestritten worden sei. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass weder die KN noch die Erläuterungen zur KN oder die Erläuterungen zum HS Normen, Methoden, Kriterien oder Richtwerte für die Untersuchung der Konsistenz von Palmöl vorsähen, was eine korrekte Bewertung der Objektivität und Gültigkeit der Schlussfolgerungen des Zentralen Zolllabors objektiv unmöglich mache. |
32 |
Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
33 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren richtig in die KN einreihen kann, nicht aber, die Einreihung selbst vorzunehmen. Diese Einreihung beruht auf einer reinen Tatsachenfeststellung, die nicht Sache des Gerichtshofs im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ist (Urteil vom 9. März 2023, SOMEO, C‑725/21, EU:C:2023:194, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Das vorlegende Gericht wird die fraglichen Waren folglich anhand der Hinweise einzureihen haben, die der Gerichtshof zu den Vorlagefragen gibt. |
35 |
Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen dem nationalen Gericht und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 3. Juni 2021, BalevBio, C‑76/20, EU:C:2021:441, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
36 |
Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof erstens mit den Fragen 1, 2, 3 und 5 um die Auslegung der Positionen 1511 und 1517 der KN für die Zwecke der zolltariflichen Einreihung der in Rede stehenden Ware und zweitens mit seiner vierten Frage ersucht, klarzustellen, ob die Zollbehörden mangels vorgeschriebener Methoden und Kriterien für die Untersuchung der Konsistenz eines Erzeugnisses wie des in Rede stehenden befugt sind, zum Nachweis seiner Bearbeitung durch Texturieren eigene Untersuchungsverfahren zu entwickeln und anzuwenden. |
Zu den Fragen 1, 2, 3 und 5
37 |
Mit den Fragen 1, 2, 3 und 5, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die KN dahin auszulegen ist, dass eine Ware, die von ihrem Hersteller als „texturiertes Palmöl“ beschrieben wird, in die Position 1511 oder in die Position 1517 dieser Nomenklatur einzureihen ist. |
38 |
Nach der Allgemeinen Vorschrift 1 für die Auslegung der KN ist der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN für die zolltarifliche Einreihung von Waren maßgebend. Das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den entsprechenden Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (Urteil vom 9. März 2023, SOMEO, C‑725/21, EU:C:2023:194, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
39 |
Hinsichtlich der Erläuterungen zum HS und zur KN hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass sie zwar nicht verbindlich sind, aber wichtige Hilfsmittel für die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs darstellen und als solche wertvolle Hinweise für dessen Auslegung liefern (Urteil vom 9. März 2023, SOMEO, C‑725/21, EU:C:2023:194, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
40 |
Zur Position 1511 der KN gehören nach ihrem Wortlaut „Palmöl und seine Fraktionen, auch raffiniert, jedoch nicht chemisch modifiziert“. |
41 |
Hierzu ist festzustellen, dass aus der HS-Erläuterung zur Position 1511 des HS, deren Wortlaut mit dem der Position 1511 der KN übereinstimmt, hervorgeht, dass Palmöl verschiedenen Zwecken dient und dass es, wenn es raffiniert ist, für Lebensmittel verwendet wird, z. B. als Brat- oder Backfett und zum Herstellen von Margarine. |
42 |
Die Position 1517 der KN umfasst neben „Margarine“„genießbare Mischungen und Zubereitungen von tierischen oder pflanzlichen Fetten und Ölen sowie von Fraktionen verschiedener Fette und Öle dieses Kapitels, ausgenommen genießbare Fette und Öle sowie deren Fraktionen der Position 1516“, d. h. ausgenommen „tierische und pflanzliche Fette und Öle sowie deren Fraktionen, ganz oder teilweise hydriert, umgeestert, wiederverestert oder elaidiniert, auch raffiniert, jedoch nicht weiterverarbeitet“. |
43 |
Zum einen geht aus der HS-Erläuterung zur Position 1517 des HS, deren Wortlaut mit dem der Position 1517 der KN übereinstimmt, hervor, dass zu dieser Position u. a. Erzeugnisse gehören, „deren Fette und Öle zuvor auch hydriert worden sein können … [und die] durch Emulgieren …, Kirnen, Texturieren … usw. bearbeitet sein [können]“. Was insbesondere den Begriff „Texturieren“ betrifft, so wird er in dieser HS-Erläuterung als „Änderung des Gefüges oder der kristallinen Struktur“ definiert. Weiter heißt es dort, dass zu dieser Position auch Lebensmittelzubereitungen aus nur einem Fett oder Öl, auch hydriert, gehören, die durch eines der in dieser Erläuterung nicht erschöpfend angeführten Verfahren, zu denen das Texturieren zählt, bearbeitet worden sind. In dieser Erläuterung werden unter den „wichtigsten Erzeugnissen“ der Position 1517 ausdrücklich sogenannte „shortenings“ genannt, bei denen es sich nach dieser Erläuterung um „Back- und Bratfette, gewonnen aus texturierten Ölen und Fetten“ handelt. Schließlich wird dort klargestellt, dass „nicht gemischte, lediglich raffinierte Fette und Öle [nicht zu dieser Position gehören]; diese bleiben auch dann in ihrer jeweiligen Position, wenn sie für den Einzelverkauf aufgemacht sind“. |
44 |
Daraus ist zu schließen, dass das wesentliche Merkmal der Waren, die unter die Position 1517 fallen können, darin besteht, dass sie „Mischungen“, d. h. aus Mischungen von Fetten und/oder Ölen gewonnene Erzeugnisse, oder „Zubereitungen“ darstellen, d. h. aus nur einem Fett oder Öl gewonnene Erzeugnisse, die durch Verfahren bearbeitet worden sind, die in den dazugehörigen HS-Erläuterungen beispielhaft genannt sind. Es ist festzustellen, dass nichts in der KN oder in den Erläuterungen zur KN oder zum HS darauf hindeutet, dass eine Mischung oder Zubereitung nur dann unter die Position 1517 fällt, wenn sie einer Bearbeitung unterzogen wurde, die eine chemische Modifikation der Erzeugnisse zur Folge hat, aus denen sich die Mischung oder Zubereitung zusammensetzt. |
45 |
Zum anderen erfasst die Position 1511 sowohl rohes Palmöl und seine Fraktionen als auch raffiniertes Palmöl und seine raffinierten, aber nicht chemisch modifizierten Fraktionen. Daher können Palmöle, die eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren haben, nicht zu dieser Position gehören. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob diese Produkte aufgrund dieser Bearbeitung chemisch modifiziert wurden. |
46 |
Um die Einreihung der in Rede stehenden Waren in die Position 1511 auszuschließen, genügt es daher, zu ermitteln, ob diese Waren eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren haben, wie etwa das Texturieren, das nach der einschlägigen HS-Erläuterung in der Veränderung des Gefüges oder der kristallinen Struktur des betreffenden Erzeugnisses besteht. |
47 |
Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Würdigung sämtlicher ihm vorliegenden Tatsachen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass es sich bei dem fraglichen Erzeugnis um raffiniertes, gebleichtes und desodoriertes Palmöl handelt. Wie das vorlegende Gericht ausführt, ergibt sich aus den vom Hersteller dieses Öls vorgelegten Bescheinigungen außerdem, dass es „texturiert“ ist. Im Übrigen ist dem Vorabentscheidungsersuchen zu entnehmen, dass NTK 2004 im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht bestreitet, dass dieses Erzeugnis möglicherweise eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren hat. NTK 2004 weist insoweit darauf hin, dass zum einen alle raffinierten Öle bestimmte Schritte des Texturierungsverfahrens durchliefen, das fester Bestandteil der Raffination und Verpackung sei, und zum anderen das Erzeugnis nicht chemisch modifiziert worden sei, was ausreiche, um seine Einreihung in die Position 1511 zu rechtfertigen und seine Einreihung in die Position 1517 auszuschließen. |
48 |
Nach alledem ist davon auszugehen, dass ein Erzeugnis mit objektiven Merkmalen und Eigenschaften wie denen des in Rede stehenden Erzeugnisses vorbehaltlich der Prüfungen, die das vorlegende Gericht hinsichtlich der physischen Merkmale dieses Erzeugnisses im Licht insbesondere des entsprechenden Vorbringens der Parteien des Ausgangsverfahrens vorzunehmen hat (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Oktober 2017, Lutz, C‑556/16, EU:C:2017:777, Rn. 53) unter die Position 1517 fallen kann. Konkret hat das vorlegende Gericht, um feststellen zu können, ob das Erzeugnis in die Position 1511 oder in die Position 1517 einzureihen ist, anhand der ihm vorliegenden Informationen und der Ergebnisse der von den Zollbehörden durchgeführten Untersuchungen zu ermitteln, ob das Erzeugnis eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren hat. |
49 |
Daher ist auf die Fragen 1, 2, 3 und 5 zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass zur Position 1517 eine Lebensmittelzubereitung aus Palmöl gehört, die nicht unter die Position 1516 dieser Nomenklatur fällt und eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren hat, wobei es insoweit unerheblich ist, ob diese Zubereitung aufgrund dieser Bearbeitung chemisch modifiziert wurde. |
Zur vierten Frage
50 |
Mit seiner vierten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um Klarstellung, ob die Zollbehörden mangels vorgeschriebener Methoden und Kriterien für die Untersuchung der Konsistenz eines Erzeugnisses wie des in Rede stehenden befugt sind, zum Nachweis seiner Bearbeitung durch Texturieren ihre eigenen Untersuchungsverfahren zu entwickeln und anzuwenden. |
51 |
Es ist festzustellen, dass weder die KN noch die Erläuterungen zur KN eine spezifische Methode angeben, nach der gegebenenfalls die Konsistenz eines Erzeugnisses wie des in Rede stehenden zu untersuchen wäre. |
52 |
Doch selbst wenn in den Erläuterungen zur KN ausdrücklich eine Methode vorgesehen ist, darf nicht davon ausgegangen werden, dass sie die einzige Methode ist, um die wesentlichen Merkmale der betreffenden Erzeugnisse, wie z. B. ihre Konsistenz, zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas, C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
Daher können die Zollbehörden eines Mitgliedstaats oder ein Wirtschaftsteilnehmer, wenn nach ihrer Auffassung eine in den Erläuterungen zur KN vorgesehene Methode nicht zu einem Ergebnis führt, das mit der KN vereinbar ist, bei der zuständigen Behörde dagegen vorgehen. In einem solchen Fall ist es Sache des angerufenen Gerichts, zu entscheiden, welche Methode sich am besten eignet, um die für die Einreihung wesentlichen Merkmale der betreffenden Waren zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas, C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 54 und 55). Ist in der einschlägigen Regelung dagegen gar keine Methode vorgesehen, steht es den Zollbehörden erst recht frei, eine Methode ihrer Wahl anzuwenden, sofern diese Methode zu Ergebnissen zu führen vermag, die mit der KN vereinbar sind, was im Streitfall vom nationalen Gericht zu überprüfen ist. |
54 |
Nach alledem ist die KN dahin auszulegen, dass die Zollbehörden mangels in dieser Nomenklatur festgelegter Methoden und Kriterien für die Feststellung, ob eine Lebensmittelzubereitung aus Palmöl, die nicht unter die Position 1516 dieser Nomenklatur fällt, eine andere Bearbeitung als die Raffination erfahren hat, die hierfür geeignete Methode wählen können, sofern diese Methode zu Ergebnissen zu führen vermag, die mit dieser Nomenklatur vereinbar sind, was vom nationalen Gericht zu überprüfen ist. |
Kosten
55 |
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.