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Document 62022CJ0184

    Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 29. Juli 2024.
    IK und CM gegen KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.
    Vorabentscheidungsersuchen der Bundesarbeitsgericht.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Art. 157 AEUV – Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen – Richtlinie 2006/54/EG – Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 – Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Teilzeitbeschäftigung – Richtlinie 97/81/EG – Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Paragraf 4 – Verbot, Teilzeitbeschäftigte gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter zu behandeln – Zahlung von Überstundenzuschlägen für von Teilzeitbeschäftigten geleistete Überstunden nur für die Stunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen.
    Verbundene Rechtssachen C-184/22 und C-185/22.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:637

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    29. Juli 2024 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Art. 157 AEUV – Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen – Richtlinie 2006/54/EG – Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 – Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Teilzeitbeschäftigung – Richtlinie 97/81/EG – Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Paragraf 4 – Verbot, Teilzeitbeschäftigte gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter zu behandeln – Zahlung von Überstundenzuschlägen für von Teilzeitbeschäftigten geleistete Überstunden nur für die Stunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen“

    In den verbundenen Rechtssachen C‑184/22 und C‑185/22

    betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 28. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 10. März 2022, in den Verfahren

    IK (C‑184/22),

    CM (C‑185/22)

    gegen

    KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,

    Generalanwalt: A. Rantos,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von IK, vertreten durch Rechtsanwältin J. Windhorst,

    des KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV, vertreten durch Rechtsanwalt K. M. Weber,

    der dänischen Regierung, vertreten durch J. F. Kronborg, C. Maertens und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,

    der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

    der norwegischen Regierung, vertreten durch T. Hostvedt Aarthun und I. Thue als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Recchia, E. Schmidt und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2023

    folgendes

    Urteil

    1

    Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 157 AEUV, von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23) sowie von Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9).

    2

    Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen IK (C‑184/22) und CM (C‑185/22) auf der einen und ihrem Arbeitgeber, dem KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV, auf der anderen Seite und betreffen die Zahlung von Überstundenzuschlägen für die Stunden, die über die in den Arbeitsverträgen der Klägerinnen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus gearbeitet wurden.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2006/54

    3

    Im 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 heißt es:

    „… Es ist … klarzustellen, dass die Bewertung der Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, weiterhin der einschlägigen einzelstaatlichen Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten obliegt. …“

    4

    Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und e der Richtlinie 2006/54 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    b)

    ‚mittelbare Diskriminierung‘ eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich;

    e)

    ‚Entgelt‘ die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und ‐gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar als Geld- oder Sachleistung zahlt“.

    5

    Art. 4 („Diskriminierungsverbot“) Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 sieht vor:

    „Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, wird mittelbare und unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen beseitigt.“

    Rahmenvereinbarung

    6

    Nach Paragraf 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung soll diese „die Beseitigung von Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten sicherstellen und die Qualität der Teilzeitarbeit verbessern“.

    7

    Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

    „Die vorliegende Vereinbarung gilt für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.“

    8

    Paragraf 3 der Rahmenvereinbarung bestimmt:

    „Im Sinne dieser Vereinbarung ist

    1.

    ‚Teilzeitbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer, dessen normale, auf Wochenbasis oder als Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraumes berechnete Arbeitszeit unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt;

    2.

    ‚vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter‘ ein Vollzeitbeschäftigter desselben Betriebs mit derselben Art von Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Betriebszugehörigkeitsdauer und die Qualifikationen/Fertigkeiten sowie andere Erwägungen heranzuziehen sind.

    …“

    9

    Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung sieht vor:

    „1.

    Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.

    2.

    Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.“

    Deutsches Recht

    10

    § 1 („Ziel des Gesetzes“) des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. 2006 I S. 1897) in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (im Folgenden: AGG) sieht vor:

    „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

    11

    Nach § 7 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 dieses Gesetzes genannten Grundes, darunter wegen des Geschlechts, benachteiligt werden.

    12

    § 15 („Entschädigung und Schadensersatz“) AGG bestimmt:

    „(1)   Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. …

    (2)   Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. …“

    13

    § 3 („Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts“) Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz) vom 30. Juni 2017 (BGBl. 2017 I S. 2152) in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung bestimmt:

    „Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.“

    14

    § 7 („Entgeltgleichheitsgebot“) dieses Gesetzes sieht vor:

    „Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.“

    15

    § 4 („Verbot der Diskriminierung“) Abs. 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966) in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung bestimmt:

    „Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.“

    16

    § 10 („Arbeitszeit“) des zwischen dem Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft eV (ver.di) und dem Beklagten geschlossenen Manteltarifvertrags (im Folgenden: MTV) sieht vor:

    „1.   Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt ausschließlich der Pausen im Durchschnitt 38,5 Stunden.

    Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer 7 Stunden 42 Minuten.

    6.   Erfordert der Arbeitsanfall Überstunden, so sind diese grundsätzlich anzuordnen. … Überstunden sind auf dringende Fälle zu beschränken und möglichst gleichmäßig auf alle Arbeitnehmer zu verteilen.

    7.   Überstunden sind auf Anordnung geleistete Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit … hinausgehend dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleistet werden. Zuschlagspflichtig gemäß § 13[,] Ziff. 1 sind Überstunden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat der Arbeitsleistung nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können.

    …“

    17

    § 13 („Überstundenvergütung, Zuschläge und Ausgleich für Dienste zu ungünstigen Zeiten“) MTV lautet:

    „1.   Die Abgeltung von Überstunden gemäß § 10, Ziff. 7 MTV beträgt je Überstunde 1/167 des monatlichen Tarifgehalts. Überstundenzuschläge für Überstunden gemäß § 10, Ziff. 7 Satz 2 betragen 30 %.

    …“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    18

    Beim Beklagten der Ausgangsverfahren handelt es sich um einen Anbieter von Heimdialyse, der im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig ist.

    19

    IK und CM, die beim KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV als Pflegekräfte in Teilzeit angestellt sind, sind gemäß ihren jeweiligen Arbeitsverträgen mit einer Arbeitszeit von 40 % bzw. 80 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt, die nach § 10 MTV 38,5 Stunden beträgt.

    20

    Da die Klägerinnen die Ansicht vertraten, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihnen gemäß § 10 Ziff. 7 MTV für die geleisteten Überstunden einen Zuschlag zu zahlen oder in ihren Arbeitszeitkonten eine dem Zuschlag entsprechende Zeitgutschrift vorzunehmen, erhoben sie beim Arbeitsgericht (Deutschland) Klage auf Erteilung einer den Zuschlägen entsprechenden Zeitgutschrift sowie auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

    21

    Sie stützten sich darauf, dass der Beklagte sie aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt habe, indem er ihnen für die Stunden, die sie über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet hätten, keine Überstundenzuschläge gezahlt habe und in ihren Arbeitszeitkonten keine Zeitgutschrift vorgenommen habe, die den ihnen zustehenden Zuschlägen entspreche. Außerdem seien sie aufgrund ihres Geschlechts mittelbar diskriminiert worden, da der Beklagte der Ausgangsverfahren überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftige.

    22

    Nach Abweisung dieser Klagen durch das Arbeitsgericht legten die Klägerinnen der Ausgangsverfahren beim Landesarbeitsgericht Hessen (Deutschland) Berufung gegen diese Urteile ein. Dieses verurteilte den Beklagten der Ausgangsverfahren dazu, auf den Arbeitszeitkonten der Klägerinnen Zeitgutschriften vorzunehmen, die den Zuschlägen entsprechen, die ihnen für die geleisteten Überstunden zustehen. Der Antrag der Klägerinnen auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG wurde hingegen abgewiesen.

    23

    Um die Zahlung dieser Entschädigung zu erreichen, legten die Klägerinnen beim Bundesarbeitsgericht (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Revision ein. Der Beklagte legte gegen seine Verurteilung, auf den Arbeitszeitkonten der Klägerinnen eine Zeitgutschrift vorzunehmen, beim Bundesarbeitsgericht Anschlussrevision ein.

    24

    Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass für eine Entscheidung über den Anspruch der Klägerinnen auf Entschädigung im Sinne von § 15 AGG zu klären sei, ob sie unter Verstoß gegen § 7 AGG wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden seien.

    25

    Es vertritt außerdem die Auffassung, dass die Frage, ob die Klägerinnen aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung diskriminiert worden seien, für die Entscheidung über die vom Beklagten der Ausgangsverfahren gegen seine Verurteilung, auf den Arbeitszeitkonten der Klägerinnen eine Zeitgutschrift vorzunehmen, erhobene Anschlussrevision von entscheidender Bedeutung sei.

    26

    Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden, in den verbundenen Rechtssachen C‑184/22 und C‑185/22 gleichlautenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält?

    2.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. bejahen sollte:

    a)

    Sind Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 so auszulegen, dass es in einem solchen Fall für die Feststellung, dass die Ungleichbehandlung erheblich mehr Frauen als Männer betrifft, nicht ausreicht, dass unter den Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer sind, sondern dass hinzukommen muss, dass unter den Vollzeitbeschäftigten erheblich mehr Männer sind bzw. ein signifikant höherer Anteil von Männern ist?

    b)

    Oder ergibt sich auch für Art. 157 AEUV und die Richtlinie 2006/54 etwas anderes aus den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil vom 26. Januar 2021, Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zaktad Opieki Zdrowotnej w Krakowie (C‑16/19, EU:C:2021:64), unter den Rn. 25 bis 36, wonach auch eine innerhalb einer Gruppe von an einer Behinderung leidenden Personen vorliegende Ungleichbehandlung unter den „Begriff ‚Diskriminierung‘“ nach Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) fallen kann?

    3.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. bejahen und die Fragen zu 2a) und 2b) so beantworten sollte, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens festgestellt werden könnte, dass die Ungleichbehandlung beim Entgelt erheblich mehr Frauen als Männer betrifft: Sind Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen, dass es ein rechtmäßiges Ziel sein kann, wenn Tarifvertragsparteien mit einer Regelung – wie der in der Frage zu 1. aufgeführten – zwar auf der einen Seite das Ziel verfolgen, den Arbeitgeber von der Anordnung von Überstunden abzuhalten und eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer über das vereinbarte Maß hinaus mit einem Überstundenzuschlag zu honorieren, auf der anderen Seite allerdings auch das Ziel verfolgen, eine ungünstigere Behandlung von Vollzeitbeschäftigten gegenüber Teilzeitbeschäftigten zu verhindern und deshalb regeln, dass Zuschläge nur für Überstunden geschuldet sind, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden?

    4.

    Ist Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81 so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält?

    5.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 4. bejahen sollte: Ist Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 97/81 so auszulegen, dass es ein sachlicher Grund sein kann, wenn Tarifvertragsparteien mit einer Regelung – wie der in der Frage zu 4. aufgeführten – zwar auf der einen Seite das Ziel verfolgen, den Arbeitgeber von der Anordnung von Überstunden abzuhalten und eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer über das vereinbarte Maß hinaus mit einem Überstundenzuschlag zu honorieren, auf der anderen Seite allerdings auch das Ziel verfolgen, eine ungünstigere Behandlung von Vollzeitbeschäftigten gegenüber Teilzeitbeschäftigten zu verhindern, und deshalb regeln, dass Zuschläge nur für Überstunden geschuldet sind, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden?

    27

    Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. April 2022 sind die Rechtssachen C‑184/22 und C‑185/22 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

    Zu den Vorlagefragen

    Zu den Fragen 4 und 5

    28

    Mit seinen Fragen 4 und 5, die als Erstes und gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieses Paragrafen 4 Nr. 1 darstellt, und ob diese Behandlung dadurch gerechtfertigt sein kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

    29

    Vorab ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall unstreitig ist, dass es sich bei den Klägerinnen der Ausgangsverfahren um Teilzeitbeschäftigte im Sinne von Paragraf 3 der Rahmenvereinbarung handelt. Ebenfalls unstreitig ist, dass ihre Arbeitsverträge dem MTV unterliegen.

    30

    Für die Auslegung von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese zum einen die Teilzeitarbeit fördern und zum anderen die Ungleichbehandlung von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten beseitigen soll, wie aus Paragraf 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung ausdrücklich hervorgeht (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    31

    In Anbetracht dieser Ziele muss Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    32

    Im Einklang mit dem in Paragraf 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung genannten Ziel, Ungleichbehandlungen von Teilzeit- und von Vollzeitbeschäftigten zu beseitigen, verbietet es Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung sodann, Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten „schlechter“ zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    33

    Der Gerichtshof hat überdies entschieden, dass mit dieser Vorschrift der Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf Teilzeitbeschäftigte angewandt werden soll, um zu verhindern, dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um solchen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Vollzeitbeschäftigten zuerkannt werden (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    34

    Was erstens die Frage betrifft, ob im vorliegenden Fall Überstundenzuschläge unter den Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung fallen, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dieser Begriff auch die Vergütungsbedingungen umfasst (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    35

    Was zweitens die Vergleichbarkeit der Situation von vollzeitbeschäftigten Pflegekräften und teilzeitbeschäftigten Pflegekräften wie den Klägerinnen der Ausgangsverfahren betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung, ob Arbeitnehmer die gleiche oder eine ähnliche Arbeit im Sinne von Paragraf 3 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung verrichten, zu prüfen, ob diese Arbeitnehmer unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    36

    Nehmen die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Beschäftigung erwiesenermaßen die gleichen Aufgaben wahr wie die beim selben Arbeitgeber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer oder bekleiden sie die gleiche Arbeitsstelle wie diese, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Situation beider Arbeitnehmerkategorien vergleichbar ist (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    37

    Insoweit ist es jedenfalls Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Würdigung des Sachverhalts zuständig ist, zu entscheiden, ob die Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer angesichts ihrer konkreten Natur als gleichwertig anerkannt werden können (Urteil vom 3. Juni 2021, Tesco Stores, C‑624/19, EU:C:2021:429, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    38

    Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint der Beklagte der Ausgangsverfahren nicht zu bestreiten, dass die von den Klägerinnen erbrachten Leistungen mit jenen seiner Vollzeitbeschäftigten vergleichbar sind.

    39

    Was drittens die Frage betrifft, ob teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte wie die Klägerinnen der Ausgangsverfahren und vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte ungleich behandelt werden, ist den Vorlagebeschlüssen zu entnehmen, dass eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft Überstundenzuschläge nur für die Arbeitsstunden erhält, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Pflegekraft – im vorliegenden Fall gemäß § 10 Ziff. 1 MTV 38,5 Stunden – hinaus geleistet werden.

    40

    Eine teilzeitbeschäftigte Pflegekraft muss also die gleiche Anzahl an Stunden arbeiten wie eine vollzeitbeschäftigte Pflegekraft, um Überstundenzuschläge zu erhalten, und zwar unabhängig von der individuell im Arbeitsvertrag dieser teilzeitbeschäftigten Pflegekraft vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit, so dass sie die Anzahl an Arbeitsstunden, die für den Erhalt des Überstundenzuschlags erforderlich ist, nicht oder nur mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit erreichen kann als eine vollzeitbeschäftigte Pflegekraft.

    41

    Zwar erscheint, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, die Vergütung der Überstunden für teilzeitbeschäftigte und vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte insofern gleich, als der Anspruch auf einen solchen Zuschlag für sämtliche Arbeitnehmer erst mit Überschreitung der Grenze von 38,5 Wochenarbeitsstunden entsteht. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung dieser einheitlichen Untergrenze sowohl für vollzeitbeschäftigte als auch für teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte für die Teilzeitbeschäftigten angesichts der in ihren Arbeitsverträgen vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eine größere Belastung darstellt, da sie zumindest für einen Teil der Arbeitsstunden, die sie über ihre regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, zwar vergütet werden, für diese aber kein Anspruch auf einen Überstundenzuschlag besteht. Vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte erhalten nämlich ab der ersten Arbeitsstunde, die sie über ihre regelmäßige Arbeitszeit – also 38,5 Wochenarbeitsstunden – hinaus leisten, einen Überstundenzuschlag, während teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte für Arbeitsstunden, die zwar über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, aber unter der regelmäßigen Arbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Pflegekräften liegen, keinen Überstundenzuschlag erhalten.

    42

    Teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte, die Überstunden leisten, die über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen und dafür keinen Zuschlag erhalten, werden gegenüber vollzeitbeschäftigten Pflegekräften, die für die Stunden, die ihre 38,5 Wochenarbeitsstunden überschreiten, einen Überstundenzuschlag erhalten, ungleich behandelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2004, Elsner-Lakeberg, C‑285/02, EU:C:2004:320, Rn. 17).

    43

    Nach ständiger Rechtsprechung muss das Entgelt von Teilzeitbeschäftigten – vorbehaltlich der Anwendung des in Paragraf 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung genannten Pro-rata-temporis-Grundsatzes – dem von Vollzeitbeschäftigten entsprechen (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    44

    Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht werden somit, soweit für teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte wie die Klägerinnen der Ausgangsverfahren die Anzahl der Arbeitsstunden, ab der sie einen Überstundenzuschlag erhalten, nicht entsprechend der individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarten Arbeitszeit pro rata temporis gekürzt wird, teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte offenbar „schlechter“ behandelt als vollzeitbeschäftigte Pflegekräfte, was nach Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verboten ist, es sei denn, dies ist durch einen „sachlichen Grund“ im Sinne dieses Paragrafen gerechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    45

    Insoweit wird es Sache des vorlegenden Gerichts sein, unter Berücksichtigung aller maßgebenden Gesichtspunkte zu bestimmen, ob die von ihm festgestellte in den Ausgangsverfahren in Rede stehende unterschiedliche Behandlung als durch einen „sachlichen Grund“ gerechtfertigt angesehen werden kann.

    46

    Dabei ist der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV zwar nicht befugt, den Sachverhalt zu würdigen und die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, aber er hat dem vorlegenden Gericht alle erforderlichen Hinweise zu geben, um es bei dieser Beurteilung zu leiten (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    47

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verlangt, dass die festgestellte unterschiedliche Behandlung durch das Vorhandensein genau bezeichneter, konkreter Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien kennzeichnen, um sichergehen zu können, dass die unterschiedliche Behandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Solche Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung Teilzeitverträge geschlossen wurden, und ihren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben (Urteil vom 19. Oktober 2023, Lufthansa CityLine, C‑660/20, EU:C:2023:789, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    48

    Im vorliegenden Fall fragt sich das vorlegende Gericht, ob auf der einen Seite das Ziel, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden, „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung darstellen können.

    49

    Zum ersten dieser Ziele ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung dazu führt, dass von Teilzeitbeschäftigten geleistete Arbeitsstunden, die über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, ohne die für einen Vollzeitbeschäftigten festgelegte regelmäßige Arbeitszeit – also 38,5 Wochenstunden – zu überschreiten, für den Arbeitgeber eine geringere finanzielle Belastung bedeuten als die gleiche Anzahl von durch einen Vollzeitbeschäftigten geleisteten Überstunden, da für diese Stunden kein Überstundenzuschlag zu zahlen ist. Für Teilzeitbeschäftigte bewirkt diese Regelung also das Gegenteil dessen, was damit erreicht werden soll, da sie, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, in Wirklichkeit einen Anreiz für den Arbeitgeber schafft, Überstunden eher bei Teilzeitbeschäftigten anzuordnen als bei Vollzeitbeschäftigten.

    50

    Für die Gewährung eines Überstundenzuschlags eine Untergrenze festzulegen, die für Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte einheitlich gilt, kann im Hinblick auf Teilzeitbeschäftigte somit nicht zur Erreichung des Ziels führen, Arbeitgeber von der Anordnung von Überstunden abzuhalten.

    51

    Was das zweite oben in Rn. 48 genannte Ziel betrifft, so soll die mutmaßlich schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten verhindert werden. Die diesem Ziel zugrunde liegenden Überlegungen beruhen auf der Prämisse, wonach es einer schlechteren Behandlung von Vollzeitbeschäftigten gleichkommt, wenn ein Arbeitgeber, der von einem Teilzeitbeschäftigten die Leistung von Überstunden verlangt, verpflichtet wird, diesem ab der ersten Stunde, die er über die in seinem Arbeitsvertrag individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet, einen Überstundenzuschlag zu gewähren, wie dies bei einem Vollzeitbeschäftigten der Fall ist. Diese Prämisse ist jedoch fehlerhaft, da Vollzeitbeschäftigte in diesem Fall in Bezug auf Überstunden gleichbehandelt würden wie Teilzeitbeschäftigte, vorbehaltlich der Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes.

    52

    Das zweite Ziel ist folglich ebenfalls nicht geeignet, die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

    53

    Somit ist auf die Fragen 4 und 5 zu antworten, dass Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieses Paragrafen 4 Nr. 1 darstellt, die nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

    Zu den Fragen 1 bis 3

    54

    Mit seinen Fragen 1 bis 3, die als Zweites und gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen sind, dass zum einen eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, und zwar selbst dann, wenn der Anteil an Frauen unter den Vollzeitbeschäftigten erheblich höher ist als der Anteil an Männern, und dass zum anderen eine solche Diskriminierung dadurch gerechtfertigt werden kann, dass das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sowie das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

    55

    Gemäß Art. 157 Abs. 1 AEUV „[stellt j]eder Mitgliedstaat … die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit oder gleichwertiger Arbeit sicher“. Ferner besagt Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54, dass „[b]ei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, … unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen beseitigt [wird]“. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 definiert den Begriff „mittelbare Diskriminierung“ seinerseits als eine „Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“.

    56

    Hierzu ist, wie vom Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt, erstens festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende keine unmittelbare Diskriminierung darstellt, da sie für männliche und weibliche Arbeitnehmer unterschiedslos gilt.

    57

    Zweitens ist zur Frage, ob diese Regelung eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 157 AEUV und der Richtlinie 2006/54 darstellt, als Erstes darauf hinzuweisen, dass eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung – wie oben in Rn. 44 festgestellt – Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt, soweit sie für die Arbeitsstunden, die sie über die in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinaus leisten, die aber nicht die regelmäßige Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer – also 38,5 Wochenstunden – überschreiten, keine Überstundenzuschläge erhalten, wohingegen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ab der ersten Stunde, die über ihre 38,5 Wochenarbeitsstunden hinausgeht, einen Zuschlag erhalten.

    58

    Damit eine dem Anschein nach neutrale Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung im Sinne dieser Bestimmungen darstellt, muss sie als Zweites in der Praxis dazu führen, dass Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligt werden. Hierzu geht aus dem 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine mittelbare Diskriminierung schließen lassen, den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten obliegt. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, u. a. anhand statistischer Beweise, festgestellt werden kann (Urteil vom 3. Oktober 2019, Schuch-Ghannadan, C‑274/18, EU:C:2019:828, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    59

    Was diese statistischen Beweise betrifft, so ist es zunächst Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, inwieweit die ihm vorgelegten statistischen Daten über die Situation bei den Arbeitskräften aussagekräftig sind und ob es sie berücksichtigen kann, d. h. insbesondere, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie generell gesehen aussagekräftig erscheinen (Urteil vom 3. Oktober 2019, Schuch-Ghannadan, C‑274/18, EU:C:2019:828, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    60

    Verfügt das nationale Gericht über diese Daten, so besagt die ständige Rechtsprechung des Weiteren, dass es zum einen die Gesamtheit der Beschäftigten zu berücksichtigen hat, für die die nationale Regelung gilt, auf der die Ungleichbehandlung beruht, und dass zum anderen die beste Methode zum Vergleich darin besteht, die Gruppe der männlichen mit der der weiblichen Arbeitskräfte daraufhin zu vergleichen, wie hoch in jeder Gruppe der Anteil der Personen ist, die von der Regelung betroffen sind (Urteile vom 6. Dezember 2007, Voß, C‑300/06, EU:C:2007:757, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. Oktober 2019, Schuch-Ghannadan, C‑274/18, EU:C:2019:828, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    61

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Vorlagebeschlüssen, die auf statistische Daten des Beklagten der Ausgangsverfahren Bezug nehmen, dass dieser an all seinen Standorten zusammen über 5000 Personen beschäftigt, davon 76,96 % Frauen. 52,78 % dieser Arbeitnehmer arbeiten in Teilzeit. 84,74 % der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen und 15,26 % Männer, während bei den Vollzeitbeschäftigten 68,20 % Frauen und 31,80 % Männer sind. Sowohl in der Gruppe, die durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung „begünstigt“ würde, als auch in der Gruppe, die dadurch „benachteiligt“ würde, befinden sich demnach die weiblichen Arbeitnehmer in der Mehrheit.

    62

    In einer solchen Situation möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine mittelbare Diskriminierung auch dann festgestellt werden kann, wenn die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten, die nicht benachteiligt ist, nicht aus erheblich mehr Männern als Frauen besteht.

    63

    Hierzu ist, wie vom Generalanwalt in den Nrn. 36 bis 40 seiner Schlussanträge ausgeführt, darauf hinzuweisen, dass sich die Definition des Begriffs „mittelbare Diskriminierung“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54, die im Übrigen genau denselben Wortlaut hat wie die Definition in Art. 1 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 2002, L 269, S. 15), bei der Prüfung der mittelbaren Diskriminierung ebenso wenig auf quantitative Elemente bezieht wie die anderen Bestimmungen der Richtlinie 2006/54. Die genannte Definition verfolgt nämlich einen qualitativen Ansatz, wonach geprüft werden muss, ob die betreffende nationale Maßnahme ihrem Wesen nach geeignet ist, Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts „in besonderer Weise zu benachteiligen“. Daraus folgt, dass das nationale Gericht alle relevanten qualitativen Elemente prüfen muss, um festzustellen, ob eine solche Benachteiligung vorliegt. Es hat dabei sämtliche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die der nationalen Regelung unterliegen, auf der die betreffende Ungleichbehandlung beruht.

    64

    In diesem Zusammenhang stellen die statistischen Beweise, sofern sie vorhanden sind, nur eines der Elemente dar, auf die das nationale Gericht zurückgreifen kann und auf das der Gerichtshof Bezug nimmt, um das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu kennzeichnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das Vorliegen eines solchen besonderen Nachteils also u. a. dann festgestellt werden, wenn nachgewiesen wird, dass sich eine nationale Regelung auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirkt (Urteil vom 5. Mai 2022, BVAEB, C‑405/20, EU:C:2022:347, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    65

    In diesem Zusammenhang ist zum einen festzustellen, dass sich die mittelbare Diskriminierung schon nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 nur auf Vorschriften, Kriterien oder Verfahren bezieht, die Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts „benachteiligen“ können. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass eine mittelbare Diskriminierung allein aus dem Grund vorliegen kann, dass Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts besonders benachteiligt werden.

    66

    Zum anderen scheint, wie von der Europäischen Kommission ausgeführt, aus den statistischen Daten in den Vorlagebeschlüssen hervorzugehen, dass nur 35 % der männlichen Arbeitnehmer des Beklagten, die der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung unterliegen, teilzeitbeschäftigt und von dieser Regelung nachteilig betroffen sind, wohingegen der Anteil der weiblichen Arbeitnehmer des Beklagten, die teilzeitbeschäftigt und nachteilig von dieser Regelung betroffen sind, offenbar erheblich höher ist, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

    67

    Wenn die sich aus der oben in den Rn. 60 und 64 angeführten Rechtsprechung ergebenden Bedingungen erfüllt sind, muss somit für die Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Situationen wie jenen der Ausgangsverfahren der Anteil der Männer unter den Vollzeitbeschäftigten nicht erheblich höher sein als der der Frauen.

    68

    Das vorlegende Gericht möchte in diesem Zusammenhang wissen, ob das Urteil vom 26. Januar 2021, Szpital Kliniczny im. dra J. Babińskiego Samodzielny Publiczny Zakład Opieki Zdrowotnej w Krakowie (C‑16/19, EU:C:2021:64, Rn. 25 bis 36), aus dem hervorgeht, dass der in der Richtlinie 2000/78 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung einen Arbeitnehmer, der eine Behinderung im Sinne der Richtlinie aufweist, gegen jede Diskriminierung wegen dieser Behinderung nicht nur gegenüber Arbeitnehmern schützen soll, die keine Behinderung aufweisen, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern, die eine Behinderung aufweisen, für den vorliegenden Fall maßgeblich ist.

    69

    Insoweit genügt die Feststellung, dass in der Rechtssache, in der das in der vorstehenden Randnummer genannte Urteil ergangen ist, die Ungleichbehandlung nur Mitglieder derselben, im Sinne der Richtlinie 2000/78 geschützten Gruppe betraf, nämlich Arbeitnehmer mit einer Behinderung, wohingegen in den Ausgangsrechtssachen weibliche Arbeitnehmer gegenüber männlichen Arbeitnehmern ungleich behandelt werden. Das genannte Urteil ist daher für die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 nicht maßgeblich.

    70

    Diese Auslegung wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24) bestätigt. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass sich der Begriff „Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ in Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie nur auf Fälle der Diskriminierung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern beziehen kann und dass diese Bestimmung nicht als eine Vorschrift des Unionsrechts angesehen werden kann, die die Gleichbehandlung im weiten Sinne, d. h. auch zwischen Personen desselben Geschlechts, gewährleistet (Urteil vom 12. Mai 2021, INSS [Rentenzulage für Mütter – II], C‑130/20, EU:C:2021:381, Rn. 21 und 22).

    71

    Sollte das vorlegende Gericht drittens auf der Grundlage der vom Beklagten der Ausgangsverfahren vorgelegten statistischen Daten und gegebenenfalls anderer relevanter Tatsachen zu dem Schluss gelangen, dass die nationale Regelung, um die es in den Ausgangsverfahren geht, weibliche Arbeitnehmer in besonderer Weise gegenüber männlichen Arbeitnehmern benachteiligt, verstieße diese Regelung gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54, es sei denn, sie wäre durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel wären zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (Urteil vom 3. Oktober 2019, Schuch-Ghannadan,C‑274/18, EU:C:2019:828, Rn. 49).

    72

    Hierzu ergibt sich aus den Rn. 44 bis 52 des vorliegenden Urteils, dass eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten aufgrund einer Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden. Diese Auslegung gilt entsprechend für die Rechtfertigung einer mit der in Rede stehenden Regelung verbundenen mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54.

    73

    Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen sind, dass zum einen eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn erwiesen ist, dass diese Regelung einen signifikant höheren Anteil von Personen weiblichen Geschlechts als Personen männlichen Geschlechts benachteiligt, und zwar ohne dass die Gruppe der durch diese Regelung nicht benachteiligten Arbeitnehmer – die Vollzeitbeschäftigten – gleichzeitig aus erheblich mehr Männern als Frauen bestehen muss, und dass zum anderen eine solche Diskriminierung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

    Kosten

    74

    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Paragraf 4 Nrn. 1 und 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit

    ist dahin auszulegen, dass

    eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine „schlechtere“ Behandlung von Teilzeitbeschäftigten im Sinne dieses Paragrafen 4 Nr. 1 darstellt, die nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

     

    2.

    Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen

    sind dahin auszulegen, dass

    zum einen eine nationale Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen an Teilzeitbeschäftigte nur für die Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit von sich in einer vergleichbaren Lage befindenden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern hinaus gearbeitet werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn erwiesen ist, dass diese Regelung einen signifikant höheren Anteil von Personen weiblichen Geschlechts als Personen männlichen Geschlechts benachteiligt, und zwar ohne dass die Gruppe der durch diese Regelung nicht benachteiligten Arbeitnehmer – die Vollzeitbeschäftigten – gleichzeitig aus erheblich mehr Männern als Frauen bestehen muss, und dass zum anderen eine solche Diskriminierung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass auf der einen Seite das Ziel verfolgt wird, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, und auf der anderen Seite das Ziel, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

     

    Arabadjiev

    von Danwitz

    Xuereb

    Kumin

    Ziemele

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Juli 2024.

    Der Kanzler

    A. Calot Escobar

    Der Kammerpräsident

    A. Arabadjiev


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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