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Document 62022CJ0084

Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 23. November 2023.
Right to Know CLG gegen An Taoiseach.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Übereinkommen von Aarhus – Richtlinie 2003/4/EG – Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen – Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen – Aufzeichnungen von Sitzungen einer Regierung – Debatten über Treibhausgasemissionen – Art. 4 Abs. 1 und 2 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Informationen – Begriffe ‚interne Mitteilungen‘ und ‚Beratungen von Behörden‘ – Gerichtlicher Rechtsbehelf – Aufhebung der ablehnenden Entscheidung – In dem Urteil bestimmte anwendbare Ausnahme – Rechtskraft.
Rechtssache C-84/22.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:910

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

23. November 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Übereinkommen von Aarhus – Richtlinie 2003/4/EG – Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen – Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen – Aufzeichnungen von Sitzungen einer Regierung – Debatten über Treibhausgasemissionen – Art. 4 Abs. 1 und 2 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Informationen – Begriffe ‚interne Mitteilungen‘ und ‚Beratungen von Behörden‘ – Gerichtlicher Rechtsbehelf – Aufhebung der ablehnenden Entscheidung – In dem Urteil bestimmte anwendbare Ausnahme – Rechtskraft“

In der Rechtssache C‑84/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 8. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2022, in dem Verfahren

Right to Know CLG

gegen

An Taoiseach

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Right to Know CLG, vertreten durch D. Browne, BL, F. Logue, Solicitor, und N. J. Travers, SC,

des An Taoiseach und Irlands, vertreten durch M. Browne, E. O’Hanrahan und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von A. Carroll, BL, und B. Kennedy, SC,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Mai 2023

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26, im Folgenden auch: Umweltinformationsrichtlinie) sowie die Grundsätze der Rechtskraft und der Effektivität.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Right to Know CLG, einer gemeinnützigen Organisation irischen Rechts, und dem An Taoiseach (Premierminister, Irland) wegen eines am 8. März 2016 an die irische Regierung gerichteten Antrags auf Zugang zu allen Dokumenten zu den in den Kabinettssitzungen der Jahre 2002 bis 2016 geführten Debatten über Irlands Treibhausgasemissionen (im Folgenden: Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen vom 8. März 2016).

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3

Das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnete und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigte Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (ABl. 2005, L 124, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) bestimmt in Art. 4 Abs. 3 und 4:

„(3)   Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn

c)

der Antrag Material betrifft, das noch fertig gestellt werden muss, oder wenn er interne Mitteilungen von Behörden betrifft, sofern eine derartige Ausnahme nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist oder gängiger Praxis entspricht, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist.

(4)   Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf

a)

die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, sofern eine derartige Vertraulichkeit nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist;

…“

Unionsrecht

4

Der 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4 lautet:

„Das Recht auf Information beinhaltet, dass die Bekanntgabe von Informationen die allgemeine Regel sein sollte und dass Behörden befugt sein sollten, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in bestimmten, genau festgelegten Fällen abzulehnen. Die Gründe für die Verweigerung der Bekanntgabe sollten eng ausgelegt werden, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen werden sollten. Die Gründe für die Verweigerung von Informationen sind dem Antragsteller innerhalb der in dieser Richtlinie festgelegten Frist mitzuteilen.“

5

In Art. 1 („Ziele“) dieser Richtlinie heißt es:

„Mit dieser Richtlinie werden folgende Ziele verfolgt:

a)

die Gewährleistung des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei Behörden vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, und die Festlegung der grundlegenden Voraussetzungen und praktischer Vorkehrungen für die Ausübung dieses Rechts …“

6

In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

2.

‚Behörde‘

a)

die Regierung oder eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung, einschließlich öffentlicher beratender Gremien, auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene,

3.

‚bei einer Behörde vorhandene Informationen‘ Umweltinformationen, die sich in ihrem Besitz befinden und die von dieser Behörde erstellt worden oder bei ihr eingegangen sind;

5.

‚Antragsteller‘ eine natürliche oder juristische Person, die Zugang zu Umweltinformationen beantragt;

…“

7

Art. 4 („Ausnahmen“) der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen in folgenden Fällen abgelehnt wird:

e)

Der Antrag betrifft interne Mitteilungen, wobei das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf:

a)

die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist;

Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Ablehnungsgründe sind eng auszulegen, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. In jedem Einzelfall wird das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen. Die Mitgliedstaaten dürfen aufgrund des Absatzes 2 Buchstaben a), d), f), g) und h) nicht vorsehen, dass ein Antrag abgelehnt werden kann, wenn er sich auf Informationen über Emissionen in die Umwelt bezieht.

(4)   Bei den Behörden vorhandene oder für diese bereitgehaltene Umweltinformationen, zu denen Zugang beantragt wurde, sind auszugsweise zugänglich zu machen, sofern es möglich ist, unter die Ausnahmebestimmungen von Absatz 1 Buchstaben d) und e) oder Absatz 2 fallende Informationen von den anderen beantragten Informationen zu trennen.

…“

8

Nach Art. 6 („Zugang zu den Gerichten“) der Richtlinie 2003/4 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ein Antragsteller, der der Ansicht ist, sein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen sei von einer Behörde nicht beachtet, fälschlicherweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieser Richtlinie bearbeitet worden, die Handlungen oder Unterlassungen der betreffenden Behörde auf dem Verwaltungsweg oder gerichtlich überprüfen lassen kann.

Irisches Recht

Irische Verfassung

9

Art. 28 Abs. 4 der Bunreacht na hÉireann (irische Verfassung) bestimmt:

„…

2° Die Regierung tritt zusammen und handelt als kollektive Instanz …

3° Die Vertraulichkeit der Debatten in Kabinettssitzungen wird unter allen Umständen gewahrt, es sei denn, der High Court [Hohes Gericht] entscheidet, dass sie in Bezug auf einen bestimmten Fall

i)

im Interesse der Rechtspflege durch ein Gericht oder

ii)

aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses auf einen entsprechenden Antrag eines Ausschusses, der von der Regierung oder einem Minister der Regierung unter der Autorität der Houses of the Oireachtas [Parlamentskammern] ernannt wurde, um eine von ihnen als von öffentlicher Bedeutung eingestufte Angelegenheit zu untersuchen,

offengelegt werden müssen.

…“

Verordnung über den Zugang zu Informationen über die Umwelt

10

Die Richtlinie 2003/4 wurde durch die European Communities (Access to Information on the Environment) Regulations 2007 (S. I. Nr. 133/2007) [Verordnung Europäische Gemeinschaften (Zugang zu Informationen über die Umwelt) 2007] (im Folgenden: Verordnung über den Zugang zu Umweltinformationen) in irisches Recht umgesetzt.

11

Art. 8 dieser Verordnung sieht bestimmte zwingende Gründe für die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Umweltinformationen vor. Die Ausnahme in Bezug auf die „Beratungen“ wird durch Art. 8 Buchst. a Ziff. iv umgesetzt.

12

Art. 8 Buchst. b dieser Verordnung sieht vor, dass eine Behörde keine Umweltinformationen zur Verfügung stellt, „soweit dies die Offenlegung von Debatten aus einer oder mehreren Kabinettsitzungen bedeuten würde“.

13

Art. 9 der Verordnung über den Zugang zu Umweltinformationen enthält die Gründe, aus denen ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt werden kann. Die Ausnahme betreffend die „internen Mitteilungen“ wird von Art. 9 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung umgesetzt.

14

Art. 10 der Verordnung über den Zugang zu Umweltinformationen bestimmt:

„(1)   Ungeachtet der Art. 8 und 9 Abs. 1 Buchst. c darf ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen nicht abgelehnt werden, wenn sich der Antrag auf Informationen über Emissionen in die Umwelt bezieht.

(2)   Die Bezugnahme in Abs. 1 auf Informationen über Emissionen in die Umwelt umfasst nicht die Debatten über die Frage dieser Emissionen in einer Kabinettssitzung.

(3)   Die Behörde prüft jeden Antrag im Einzelfall und wägt das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe ab.

(4)   Die Gründe für die Ablehnung eines Antrags auf Informationen über die Umwelt werden unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe eng ausgelegt.

(5)   Keine Bestimmung der Art. 8 oder 9 erlaubt es einer Behörde, Umweltinformationen nicht zugänglich zu machen, die zwar zusammen mit den in Art. 8 oder 9 genannten Informationen vorliegen, aber von diesen getrennt werden können.

…“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

15

Der von Right to Know am 8. März 2016 gestellte Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen zielte im Wesentlichen auf den Zugang zu Aufzeichnungen über Sitzungen der irischen Regierung ab. Dieser Antrag wurde am 27. Juni 2016 nach einem internen Überprüfungsverfahren abgelehnt. Right to Know focht diese Entscheidung vor dem High Court (Hohes Gericht, Irland) an.

16

Mit Urteil vom 1. Juni 2018 stellte dieses Gericht fest, dass die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen für „interne Mitteilungen“ einer Behörde anwendbar sei, weil die Sitzungen der irischen Regierung solchen Mitteilungen gleichzustellen seien. Es stellte ferner fest, dass die Anwendung dieser Ausnahme es verlange, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe und das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe gegeneinander abzuwägen, woran es in der Entscheidung vom 27. Juni 2016 gefehlt habe. Der High Court (Hohes Gericht) hob diese Entscheidung daher auf und verwies den Antrag von Right to Know zur erneuten Prüfung an den Premierminister zurück.

17

Mit Entscheidung vom 16. August 2018 gab der Premierminister dem Antrag von Right to Know statt, jedoch nur teilweise. Right to Know hat diese Entscheidung vor dem High Court (Hohes Gericht) angefochten.

18

Im Rahmen ihrer Klage wendet sich Right to Know gegen die Einstufung der angeforderten Dokumente, die der High Court (Hohes Gericht) in seinem Urteil vom 1. Juni 2018 vorgenommen hat. Nach Auffassung von Right to Know ist die Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehenen Ausnahme für die „internen Mitteilungen“ abzulehnen und eine andere anzuwenden, nämlich die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a vorgesehene Ausnahme für vertrauliche „Beratungen“ einer Behörde.

19

Der High Court (Hohes Gericht) stellt insoweit fest, dass nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/4 die Bekanntgabe von Dokumenten, die sich auf „Informationen über Emissionen in die Umwelt“ beziehen, nicht verweigert werden dürfe. Diese Bestimmung beschränke die Anwendbarkeit mehrerer in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie vorgesehener Ausnahmen im Fall von Anträgen auf Zugang zu Umweltinformationen, darunter insbesondere die Ausnahme für die „Beratungen von Behörden“. Dagegen gelte diese Bestimmung nicht für die Ausnahme betreffend die „internen Mitteilungen“.

20

Fielen die Dokumente, deren Übermittlung beantragt werde, nicht unter die letztgenannte, sondern unter die für die „Beratungen“ vorgesehene Ausnahme, bestünde somit eine Pflicht zu ihrer Bekanntgabe, jedenfalls soweit sie sich auf „Emissionen in die Umwelt“ bezögen. In diesem Fall könnte sich die irische Regierung nicht auf die Vertraulichkeit ihrer Sitzungen berufen.

21

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die Kabinettssitzungen vertrauliche „Beratungen“ sein könnten. So stellt es fest, dass gemäß Art. 28 Abs. 4 der irischen Verfassung die Regierung „als kollektive Instanz“ zusammentrete, und weist darauf hin, dass es, wie der Supreme Court of Ireland (Oberstes Gericht, Irland) in der Rechtssache Attorney General/Hamilton, [1993] 2 I. R. 250, festgestellt habe, der Zweck dieser Sitzungen sei, eine umfassende, freie und offene Debatte zu ermöglichen, bevor Entscheidungen getroffen würden.

22

Aus Art. 4 der Richtlinie 2003/4 gehe jedoch nicht klar hervor, wo die Trennlinie zwischen „internen Mitteilungen“ und vertraulichen „Beratungen“ verlaufe.

23

Außerdem stellt das vorlegende Gericht fest, dass es im Hinblick auf das Völkerrecht nicht sicher sei, dass Right to Know im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits die im Urteil vom 1. Juni 2018 vorgenommene Einstufung der betreffenden Dokumente als „interne Mitteilungen“ in Frage stellen könne.

24

Es handele sich nämlich um eine Rechtsfrage, die durch das Urteil vom 1. Juni 2018, das im Übrigen nicht angefochten worden sei, abschließend entschieden worden sei. Außerdem betreffe der Ausgangsrechtsstreit dieselben Parteien, nämlich Right to Know und den Premierminister, und habe denselben Gegenstand, nämlich den Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen vom 8. März 2016, wie der Rechtsstreit, in dem dieses Urteil ergangen sei. Die Rechtskraft, die dem Urteil vom 1. Juni 2018 grundsätzlich zukomme, verbiete es daher normalerweise, dass Right to Know noch geltend machen könne, dass die verlangten Dokumente nicht unter den für „interne Mitteilungen“ vorgesehenen Zugangsverweigerungsgrund fielen.

25

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich diese Form der Rechtskraft, die im irischen Recht als „issue estoppel“ (im Folgenden auch: Grundsatz der Präklusion) anerkannt sei, über den Tenor des früheren Urteils hinaus auch auf seine Gründe für die Entscheidung über tatsächliche und rechtliche Fragen erstrecke.

26

Es stehe allerdings noch im Ermessen der Richter, die erneute Prüfung einer Frage im Interesse der Gerechtigkeit zuzulassen. In diesem Rahmen hätten sie einen Ausgleich zwischen den einander gegenüberstehenden Rechten der Parteien und, allgemeiner, zwischen dem Recht auf Zugang zu den Gerichten und dem öffentlichen Interesse an einer endgültigen Entscheidung dieser Rechtsstreitigkeiten herzustellen. Im vorliegenden Fall könne ein angemessener Ausgleich erreicht werden, wenn Right to Know ihre Argumente zur Einstufung der von ihr angeforderten Dokumente geltend machen könne. Außerdem liege es im öffentlichen Interesse, diese besonders wichtige Rechtsfrage zu entscheiden.

27

Das vorlegende Gericht ist allerdings der Auffassung, dass auch eine strikte Anwendung des „issue estoppel“, die vom Antragsgegner des Ausgangsverfahrens verlangt werde, nicht ausgeschlossen sei. Sie könne mit dem Unionsrecht vereinbar sein, selbst wenn das Urteil vom 1. Juni 2018 auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 4 der Richtlinie 2003/4 beruhen sollte.

28

Unter anderem aus dem Urteil vom 16. März 2006, Kapferer (C‑234/04, EU:C:2006:178), gehe hervor, dass vorbehaltlich des Äquivalenzprinzips und des Grundsatzes der Effektivität das Unionsrecht einem nationalen Gericht selbst dann nicht gebiete, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften abzusehen, aufgrund deren eine gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlange, wenn dadurch ein Verstoß gegen das Unionsrecht abgestellt werden könne. Mit diesem Ansatz sollten die Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleistet werden.

29

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts stellt im vorliegenden Fall die Beständigkeit rechtlicher Beziehungen keine besonders relevante Rechtfertigung dar, da das Urteil vom 1. Juni 2018 zwar die ablehnende Entscheidung vom 27. Juni 2016 aufgehoben, aber nicht über den Antrag von Right to Know entschieden habe. Außerdem könne es unter diesen Umständen Right to Know nicht vorgeworfen werden, keine Berufung gegen dieses Urteil eingelegt zu haben und eine fehlerhafte Anwendung von Art. 4 der Richtlinie 2003/4, nämlich eine fehlerhafte Einstufung der angeforderten Dokumente als interne Mitteilungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie, erst im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits gerügt zu haben.

30

In Anbetracht dieser Erwägungen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das „issue estoppel“ eine unionsrechtlich zulässige Form der Rechtskraft darstelle. Außerdem möchte es wissen, ob seine strikte Anwendung dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderlaufen könne, wenn sie dazu führe, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht nicht mehr geltend gemacht werden könne.

31

Unter diesen Umständen hat der High Court (Hohes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und an den Gerichtshof die folgenden Vorabentscheidungsfragen zu richten:

1.

Sind Aufzeichnungen über förmliche Sitzungen der Exekutive eines Mitgliedstaats, bei denen Mitglieder der Regierung zusammentreten und als kollektive Instanz handeln müssen, für die Zwecke eines Antrags auf Zugang zu darin enthaltenen Umweltinformationen als „interne Mitteilungen“ oder als „Beratungen“ einer Behörde im Sinne dieser in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e bzw. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie genannten Begriffe einzustufen?

2.

Erstreckt sich der Grundsatz der Rechtskraft (wie er im Urteil vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, und in der nachfolgenden Rechtsprechung erörtert wurde) über den Tenor oder den verfügenden Teil des früheren Urteils hinaus und umfasst auch die in diesem Urteil enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen? Anders gefragt: Ist der Grundsatz der Rechtskraft auf die frühere Sachentscheidung als solche beschränkt („cause of action estoppel“), oder erstreckt er sich auch auf die im Zusammenhang mit dieser Sachentscheidung entschiedenen Rechts- und Tatsachenfragen („issue estoppel“)?

3.

Steht das Unionsrecht, insbesondere der Grundsatz der Effektivität, in einem laufenden Verfahren zwischen Parteien wegen angeblicher Nichteinhaltung der Umweltinformationsrichtlinie in Bezug auf einen bestimmten Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen, in dem ein Antragsteller die Aufhebung einer Entscheidung erwirkt hat, in der einigen auf das Unionsrecht gestützten Anfechtungsgründen stattgegeben und andere zurückgewiesen wurden, einer nationalen Rechtskraftregel entgegen, die auf dem Grundsatz der Präklusion beruht und ein nationales Gericht verpflichtet, in einem neuen Verfahren über eine weitere Entscheidung über denselben Antrag einem solchen Antragsteller zu verwehren, diese weitere Entscheidung aus unionsrechtlichen Gründen anzufechten, die zuvor zurückgewiesen, aber unter den gegebenen Umständen nicht angefochten wurden?

4.

Hat der Umstand, dass i) keine Vorlage an den Gerichtshof erfolgte und ii) keine Partei auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs hingewiesen hatte, Einfluss auf die Antwort auf die dritte Frage?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

32

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 der Richtlinie 2003/4 dahin auszulegen ist, dass die Protokolle förmlicher Sitzungen der Regierung eines Mitgliedstaats unter die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e für „interne Mitteilungen“ vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen oder unter die Ausnahme fallen, die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a für „Beratungen von Behörden“ vorgesehen ist.

33

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2003/4 die Vereinbarkeit des Unionsrechts mit dem Übereinkommen von Aarhus durch eine allgemeine Regelung sicherstellen wollte, die gewährleisten soll, dass jeder Antragsteller im Sinne von Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie ein Recht auf Zugang zu bei Behörden vorhandenen oder für diese bereitgehaltenen Umweltinformationen hat, ohne dass er ein Interesse geltend machen müsste (Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Nach ständiger Rechtsprechung beinhaltet das in der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, dass die Bekanntgabe von Informationen die Regel sein sollte und dass die Behörden nur in bestimmten, genau festgelegten Fällen befugt sein sollten, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen. Ausnahmen vom Zugangsrecht sind daher eng auszulegen, um das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abzuwägen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Art. 4 dieser Richtlinie zählt genau die Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen auf, die die Mitgliedstaaten bestimmen können. Soweit solche Ausnahmen wirksam in nationales Recht umgesetzt worden sind, dürfen sich die Behörden auf sie berufen, um bei ihnen eingehende Anträge auf Zugang zu Informationen zurückzuweisen (Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 31).

36

So können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt werden kann, wenn er „interne Mitteilungen“ betrifft, wobei jedoch das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist.

37

Zum Begriff „interne Mitteilungen“ hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff „Mitteilung“ auf eine Information abzielt, die ein Urheber an einen Adressaten richtet, wobei dieser Adressat sowohl eine abstrakte Einheit sein kann, wie z. B. die „Mitglieder“ einer Verwaltung oder der „Vorstand“ einer juristischen Person, als auch eine bestimmte Person, die einer solchen Einheit angehört, wie beispielsweise ein Bediensteter oder Beamter (Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 37).

38

Der Begriff „intern“ zielt wiederum auf Informationen ab, die den Binnenbereich einer Behörde nicht verlassen, insbesondere weil sie nicht einem Dritten bekannt gegeben und nicht öffentlich zugänglich gemacht worden sind (Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 42).

39

Auch eine bei einer Behörde vorhandene Umweltinformation, die von einer externen Quelle bei ihr eingegangen ist, kann „intern“ sein, wenn sie der Öffentlichkeit vor ihrem Eingang bei der Behörde nicht zugänglich gemacht wurde oder hätte zugänglich gemacht werden müssen und wenn sie den Binnenbereich dieser Behörde, nachdem sie bei dieser eingegangen ist, nicht verlässt (Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 43).

40

Der Begriff „Behörde“ ist in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4 definiert. Er bezeichnet u. a. die „Regierung“ und „eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung“.

41

Im vorliegenden Fall bezieht sich der Antrag auf Zugang auf Aufzeichnungen von Regierungsdebatten, die nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen grundsätzlich unter den Begriff „interne Mitteilungen“ fallen können. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen geben nämlich diese Aufzeichnungen erstens Informationen wieder, die zwischen den Mitgliedern einer Verwaltung und damit einer „Behörde“ ausgetauscht wurden, zweitens handelt es sich, soweit sie innerhalb dieser Verwaltung verbreitet werden, um „Mitteilungen“, und drittens und letztens sind diese Aufzeichnungen angesichts ihrer in Art. 28 Abs. 4 Nr. 3 der irischen Verfassung vorgesehenen Vertraulichkeit nicht dazu bestimmt, der Öffentlichkeit bekannt gegeben zu werden, und behalten daher ihren „internen“ Charakter.

42

Außerdem können die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4 vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der „Beratungen von Behörden“ hätte, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist.

43

Zum Begriff „Beratungen von Behörden“ hat der Gerichtshof entschieden, dass sich der Begriff „Beratungen“ auf die Endphasen der Entscheidungsprozesse von Behörden bezieht, die im nationalen Recht eindeutig als Beratungen bezeichnet sind und deren Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2012, Flachglas Torgau, C‑204/09, EU:C:2012:71, Rn. 63 und 64).

44

Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der Aufzeichnungen der Regierungsdebatten unstreitig, dass sie unter die Vertraulichkeitsregelung des Art. 28 Abs. 4 Nr. 3 der irischen Verfassung fallen. Dagegen vermag der Gerichtshof anhand des Vorabentscheidungsersuchens nicht festzustellen, ob die Aufzeichnungen, die Gegenstand des Zugangsantrags von Right to Know sind, Debatten wiedergeben, die während der letzten Phase eines Entscheidungsprozesses geführt wurden, der nach irischem Recht als Beratung bezeichnet worden ist. Sollte dies der Fall sein, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, fielen diese Aufzeichnungen unter den Begriff „Beratungen von Behörden“.

45

Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen ist daher nicht ausgeschlossen, dass im vorliegenden Fall sowohl die Voraussetzungen für die Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehenen Ausnahme vom Zugangsrecht als auch die Voraussetzungen für die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a erfüllt sind.

46

Hierzu ist festzustellen, dass diese beiden Ausnahmen nicht gleichzeitig anwendbar sein können.

47

Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4 ist nämlich als lex specialis im Verhältnis zu Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie anzusehen. Wenn also die Voraussetzungen für die Anwendung der spezielleren Ausnahme, die für „Beratungen von Behörden“ vorgesehen ist, tatsächlich erfüllt sind, geht ihre Anwendung der Ausnahme für interne Mitteilungen vor, die allgemeinere Tragweite hat.

48

Abgesehen von den Voraussetzungen für die Anwendung der letztgenannten Ausnahme, d. h., dass im Wesentlichen Informationen ausschließlich im internen Bereich einer Behörde übermittelt werden, findet die Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nur Anwendung, wenn der Informationsaustausch während der letzten Stufe eines Entscheidungsprozesses stattfindet, der eindeutig als „Beratung“ definiert ist und dessen Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist.

49

Außerdem entsprechen die beiden Ausnahmen zwei unterschiedlichen rechtlichen Regelungen.

50

Der Schutz „interner Mitteilungen“ ermöglicht es nämlich, zugunsten der Behörden einen geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten zu schaffen. Es handelt sich um eine Ausnahme von besonders großer Tragweite, die in jedem Abschnitt der gesamten von diesen Behörden durchgeführten Arbeiten zur Anwendung kommen kann. Daraus folgt, dass für die Feststellung, ob die Verweigerung des Zugangs zu Informationen, die unter diese Ausnahme fallen, gerechtfertigt ist, die Abwägung der bestehenden Interessen, d. h. der Interessen, die ihrer Offenlegung entgegenstehen, und derjenigen, die sie rechtfertigen, eng einzugrenzen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 50, 58 und 60).

51

Dagegen zielt die Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nur auf in einem ganz spezifischen Rahmen ausgetauschte Informationen ab. Sie ermöglicht es den Mitgliedstaaten, ausschließlich Informationen zu schützen, die sich auf die Endphasen der Entscheidungsprozesse von Behörden beziehen und die ihrer Ansicht nach aufgrund ihres besonders sensiblen Charakters vertraulich sein müssen. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist also genau und begrenzt.

52

Darüber hinaus hat der Unionsgesetzgeber eine Ausnahme von der in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4 vorgesehenen Ausnahmeregelung eingeführt, um bestimmte Daten, die für die Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung sind, ausdrücklich davon auszunehmen. So darf nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 letzter Satz dieser Richtlinie ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen, der sich auf „Informationen über Emissionen in die Umwelt“ bezieht, nicht aufgrund der für „Beratungen von Behörden“ vorgesehenen Ausnahme abgelehnt werden.

53

Hat ein Mitgliedstaat Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie umgesetzt und sind die Informationen, deren Übermittlung beantragt wird, tatsächlich im Rahmen einer vertraulichen Beratung ausgetauscht worden, so dass sie in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, haben die zuständigen nationalen Behörden dementsprechend zu prüfen, ob sich diese Informationen auf Emissionen in die Umwelt beziehen. Ist dies der Fall, darf der Zugang zu diesen Informationen, obwohl sie nach nationalem Recht grundsätzlich als vertraulich angesehen werden, nicht verweigert werden, es sei denn, es ist nicht möglich, sie von den anderen im gleichen Rahmen ausgetauschten Informationen zu trennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2016, Bayer CropScience und Stichting De Bijenstichting, C‑442/14, EU:C:2016:890, Rn. 105).

54

Wenn sich herausstellt, dass sich die angeforderten Informationen nicht auf Emissionen in die Umwelt beziehen, müssen die zuständigen nationalen Behörden nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4 das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen gegen das Interesse an der Verweigerung ihrer Bekanntgabe abwägen.

55

Eine solche Interessenabwägung ist auch erforderlich, wenn in dem Fall, dass die Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nicht anwendbar ist, die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme für interne Mitteilungen Anwendung findet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 58).

56

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2003/4 die angerufene Behörde noch prüfen muss, ob bestimmte beantragte Informationen von den Informationen getrennt werden können, die unter die anwendbare Ausnahme vom Zugangsrecht fallen, so dass sie eine teilweise Bekanntgabe vornehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg [Interne Mitteilungen], C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 66).

57

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 der Richtlinie 2003/4 dahin auszulegen ist, dass

die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme für „interne Mitteilungen“ alle Informationen erfasst, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang zu diesen Informationen, gegebenenfalls nachdem sie bei dieser Behörde eingegangen sind und soweit sie der Öffentlichkeit vor diesem Eingang nicht zugänglich gemacht worden sind oder hätten zugänglich gemacht werden müssen, den Binnenbereich dieser Behörde nicht verlassen haben,

die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nur die Informationen erfasst, die im Rahmen der Endphasen der Entscheidungsprozesse von Behörden, die nach nationalem Recht eindeutig als Beratungen bezeichnet sind, ausgetauscht werden und für die dieses Recht eine Geheimhaltungspflicht vorsieht, und

die gleichzeitige Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e bzw. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Zugangsrecht ausgeschlossen ist, weil die zweite Bestimmung zum Schutz der „Beratungen von Behörden“ gegenüber der ersten, die den Schutz „interner Mitteilungen“ betrifft, Vorrang hat.

Zu den Fragen zwei bis vier

Einleitende Bemerkungen

58

Einleitend ist daran zu erinnern, dass der Ausgangsrechtsstreit einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen betrifft, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/4 fällt. Der mit einer Klage gegen die diesen Antrag ablehnende Entscheidung vom 27. Juni 2016 befasste High Court (Hohes Gericht) stellte mit Urteil vom 1. Juni 2018 fest, dass die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 für interne Mitteilungen einer Behörde vorgesehene Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar sei, und verwies die Rechtssache sodann an den Premierminister zurück, damit dieser eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe und dem Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe vornimmt.

59

In einer neuen Entscheidung, die am 16. August 2018 erlassen wurde, wurde dem Antrag auf Zugang teilweise stattgegeben. Sie ist Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, in dessen Rahmen Right to Know geltend macht, dass nicht die für „interne Mitteilungen“ vorgesehene Ausnahme vom Zugangsrecht, sondern die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4 für „Beratungen von Behörden“ vorgesehene Ausnahme anzuwenden sei.

60

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann in der Tat die letztgenannte Ausnahme zur Anwendung kommen. In diesem Fall sei die für interne Mitteilungen vorgesehene Ausnahme unberücksichtigt zu lassen.

61

Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass die Rechtskraft der Begründung des Urteils des High Court (Hohes Gericht) vom 1. Juni 2018 diesem Vorgehen entgegenstehen könnte, da der High Court darin zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die für „interne Mitteilungen“ vorgesehene Ausnahme anwendbar sei. Dieser Punkt sei normalerweise als rechtskräftig zwischen den Parteien entschieden anzusehen und könne daher nicht mehr in Frage gestellt werden. Das vorlegende Gericht ist daher der Ansicht, dass es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits über die Vereinbarkeit der dem Grundsatz der Rechtskraft im irischen Recht zuerkannten Tragweite mit dem Unionsrecht zu entscheiden habe.

62

In diesem Zusammenhang ist auf die Bedeutung hinzuweisen, die dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl im Unionsrecht als auch in den nationalen Rechtsordnungen zukommt. Zur Gewährleistung sowohl des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen als auch einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Daher gebietet es das Unionsrecht einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte (Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Das Unionsrecht verlangt daher auch nicht, dass ein nationales Gericht, um der Auslegung einer einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmung durch den Gerichtshof Rechnung zu tragen, grundsätzlich seine rechtskräftige Entscheidung rückgängig machen muss (Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Außerdem geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es, da auf diesem Gebiet unionsrechtliche Vorschriften fehlen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist, die Modalitäten der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft festzulegen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten (Grundsatz der Äquivalenz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66

Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht auf effektiven Rechtsschutz vor einem unparteiischen Gericht verankert ist (Urteil vom 6. Oktober 2015, East Sussex County Council, C‑71/14, EU:C:2015:656, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67

Dieses Recht spiegelt sich auch in Art. 6 der Richtlinie 2003/4 wider. Dagegen enthalten weder dieser Artikel noch die anderen Bestimmungen dieser Richtlinie Bestimmungen über die Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft.

68

Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen zwei bis vier, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 6 der Richtlinie 2003/4 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Grundsatz der Rechtskraft eine Person, die in einem ersten Urteil die Aufhebung einer Entscheidung erwirkt hat, mit der ihr Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt worden war, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen denselben Parteien über die Rechtmäßigkeit einer zweiten Entscheidung über denselben Antrag auf Zugang, die erlassen wurde, um dem ersten Urteil nachzukommen, daran hindert, einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2003/4 zu rügen, wenn diese Rüge im ersten Urteil zurückgewiesen wurde, ohne dass dies im Tenor dieses Urteils enthalten war, und dieses Urteil mangels einer Klage des Zugangsantragstellers rechtskräftig geworden ist.

Zur Beantwortung der Fragen

69

Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Im vorliegenden Fall enthalten die dem Gerichtshof vorliegenden Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass es in der irischen Rechtsordnung keine Rechtsbehelfe gäbe, die den Schutz der dem Einzelnen aus der Richtlinie 2003/4 erwachsenden Rechte wirksam gewährleisten.

71

Vielmehr war Right to Know, wie sich aus der Formulierung der dritten Frage im Licht der Angaben in der Vorlageentscheidung ergibt, im Rahmen des Verfahrens vor dem High Court (Hohes Gericht), infolge dessen dieser das Urteil vom 1. Juni 2018 erlassen hat, in der Lage, einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2003/4 geltend zu machen, und hat dieses Gericht diese Rüge geprüft. Insbesondere hat es das Vorbringen von Right to Know zurückgewiesen, das auf die Feststellung gerichtet war, dass die verlangten Informationen unter die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen fielen, was Right to Know und der Premierminister in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen bestätigt haben.

72

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das irische Recht die Effektivität des Unionsrechts nicht beeinträchtigt hat, da die Gründe des Urteils des High Court (Hohes Gericht) vom 1. Juni 2018, die sich auf die Unanwendbarkeit der letztgenannten Bestimmung beziehen, nach irischem Recht rechtskräftig sind (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Oktober 2018, XC u. a., C‑234/17, EU:C:2018:853, Rn. 55 bis 57).

73

Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der High Court (Hohes Gericht) es im Rahmen des Verfahrens, infolge dessen das Urteil vom 1. Juni 2018 erlassen wurde, unterlassen hat, den Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV anzurufen.

74

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte gemäß Art. 267 AEUV ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den Gerichtshof haben, wenn sie der Auffassung sind, dass eine bei ihnen anhängige Rechtssache Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit von unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft, und sie eine Entscheidung darüber zur Entscheidung des ihnen unterbreiteten Rechtsstreits für erforderlich halten. Die nationalen Gerichte sind somit zur Vorlage berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet, wenn sie von Amts wegen oder auf Anregung der Parteien feststellen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine von Abs. 1 dieses Artikels erfasste Frage ankommt (Urteil vom 30. April 2020, Blue Air – Airline Management Solutions, C‑584/18, EU:C:2020:324, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75

Außerdem steht es Einzelnen, die durch eine Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts infolge eines Verstoßes gegen ihnen durch das Unionsrecht verliehene Rechte geschädigt worden sind, frei, den Mitgliedstaat haftbar zu machen, sofern der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem Schaden, der ihnen entstanden ist, ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (Urteil vom 7. Juli 2022, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑261/21, EU:C:2022:534, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76

Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung für Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte stellt dagegen die Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht in Frage. Jedenfalls verlangt der der Unionsrechtsordnung innewohnende Grundsatz der Staatshaftung eine Entschädigung für den erlittenen Schaden, nicht aber die Abänderung der schadensbegründenden Gerichtsentscheidung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 39, und vom 9. September 2015, Ferreira da Silva e Brito u. a., C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 55).

77

Folglich können der Verstoß eines letztinstanzlich entscheidenden Gerichts gegen seine Vorlagepflicht und erst recht das Fehlen einer solchen Vorlage im Rahmen eines Verfahrens vor einem Gericht, das nicht in letzter Instanz entscheidet, nicht die Verpflichtung nach sich ziehen, die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen entfallen zu lassen.

78

Besteht für das nationale Gericht nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine rechtskräftig gewordene Entscheidung rückgängig zu machen, um die Situation mit dem nationalen Recht in Einklang zu bringen, muss allerdings, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, nach den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, damit die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit dem Unionsrecht wiederhergestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2014, Impresa Pizzarotti, C‑213/13, EU:C:2014:2067, Rn. 62).

79

Insoweit ergibt sich aus Nr. 54 der Schlussanträge der Generalanwältin, dass es irischen Gerichten unter besonderen Umständen tatsächlich freisteht, einer Partei eines Rechtsstreits zu gestatten, eine Frage aufzuwerfen, über die in einem früheren Verfahren bereits gegen sie entschieden wurde, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

80

Soweit im vorliegenden Fall die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen das irische Recht die Ausübung dieses Ermessens abhängig macht, hat das vorlegende Gericht gegebenenfalls davon Gebrauch zu machen, wenn es feststellt, dass die erforderlichen Informationen entgegen dem Urteil des High Court (Hohes Gericht) vom 1. Juni 2018 nicht unter die für „interne Mitteilungen“ vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen fallen.

81

Außerdem scheint, wie die Generalanwältin in den Nrn. 56 bis 58 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, gemäß dem irischen Rechtssystem der Umstand, dass eine Partei keine Möglichkeit hatte, ein Rechtsmittel gegen ein Urteil einzulegen, das eine rechtskräftige Feststellung enthält, für die Ausübung dieses Ermessens relevant zu sein. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Right to Know tatsächlich die Möglichkeit hatte, die im Urteil des High Court (Hoher Gerichtshof) vom 1. Juni 2018 getroffene Feststellung, dass der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen vom 8. März 2016 unter die Ausnahme für „interne Mitteilungen“ falle, anzufechten. Ist dies nicht der Fall, gebieten die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität, dass das vorlegende Gericht von seinem Ermessen Gebrauch macht.

82

Nach alledem ist auf die Fragen zwei bis vier zu antworten, dass Art. 6 der Richtlinie 2003/4 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der der Grundsatz der Rechtskraft eine Person, die in einem ersten Urteil die Aufhebung einer Entscheidung erwirkt hat, mit der ihr Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt worden war, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen denselben Parteien über die Rechtmäßigkeit einer zweiten Entscheidung über denselben Antrag auf Zugang, die erlassen wurde, um dem ersten Urteil nachzukommen, daran hindert, einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2003/4 zu rügen, wenn diese Rüge im ersten Urteil zurückgewiesen wurde, ohne dass dies im Tenor dieses Urteils enthalten war, und dieses Urteil mangels einer Klage des Zugangsantragstellers rechtskräftig geworden ist. Sofern die anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies zulassen, muss ein nationales Gericht es dieser Person jedoch ermöglichen, diese Rüge geltend zu machen, damit gegebenenfalls die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit dem Unionsrecht wiederhergestellt wird.

Kosten

83

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 4 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates

ist dahin auszulegen, dass

die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 vorgesehene Ausnahme für „interne Mitteilungen“ alle Informationen erfasst, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang zu diesen Informationen, gegebenenfalls nachdem sie bei dieser Behörde eingegangen sind und soweit sie der Öffentlichkeit vor diesem Eingang nicht zugänglich gemacht worden sind oder hätten zugänglich gemacht werden müssen, den Binnenbereich dieser Behörde nicht verlassen haben,

die in Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme für „Beratungen von Behörden“ nur die Informationen erfasst, die im Rahmen der Endphasen der Entscheidungsprozesse von Behörden, die nach nationalem Recht eindeutig als Beratungen bezeichnet sind, ausgetauscht werden und für die dieses Recht eine Geheimhaltungspflicht vorsieht, und

die gleichzeitige Anwendung der in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e bzw. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Zugangsrecht ausgeschlossen ist, weil die zweite Bestimmung zum Schutz der „Beratungen von Behörden“ gegenüber der ersten, die den Schutz „interner Mitteilungen“ betrifft, Vorrang hat.

 

2.

Art. 6 der Richtlinie 2003/4 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der der Grundsatz der Rechtskraft eine Person, die in einem ersten Urteil die Aufhebung einer Entscheidung erwirkt hat, mit der ihr Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt worden war, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen denselben Parteien über die Rechtmäßigkeit einer zweiten Entscheidung über denselben Antrag auf Zugang, die erlassen wurde, um dem ersten Urteil nachzukommen, daran hindert, einen Verstoß gegen Art. 4 der Richtlinie 2003/4 zu rügen, wenn diese Rüge im ersten Urteil zurückgewiesen wurde, ohne dass dies im Tenor dieses Urteils enthalten war, und dieses Urteil mangels einer Klage des Zugangsantragstellers rechtskräftig geworden ist. Sofern die anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies zulassen, muss ein nationales Gericht es dieser Person jedoch ermöglichen, diese Rüge geltend zu machen, damit gegebenenfalls die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit dem Unionsrecht wiederhergestellt wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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